Clopidogrel: warum? wann? wie lange? - · PDF file5 EinigePatientenerinnernsichvielleichtandiegro-ße Anzahl von Tabletten, die sie vor dem geplan-tenEinsetzendesStentseinnehmenmussten.Dies

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    Martin ist zufrieden. Seit langem hat er sich nichtsowohl gefhlt. Vor zweiWochenwurde ein Stentin seine linke Herzkranzarterie eingesetzt, um dorteine Engstelle zu behandeln. Vorher konnte er nurmhsam die Treppe heraufgehen, weil ihn Brust-schmerzen zwangen, immer wieder stehenzublei-ben. Jetzt hat er keine Beschwerden mehr.Aber etwas irritiert ihn: Er fhlt sich gesund, unddoch hat der Arzt ihmMedikamente verschrieben,insbesondere zwei Medikamente, die die Bildungvon Blutgerinnseln hemmen: ASS und Clopido-grel. ASS soll er lebenslang nehmen, Clopidogrelfr ein Jahr, und der Arzt hat hinzugefgt:WennSie diese beiden Medikamente eigenmchtig ab-setzen, kann das lebensgefhrlich werden.Wa-rum ist ASS, warum ist Clopidogrel so wichtig?Schon lange ist in vielen groen Studien nachge-wiesen, dass die dauerhafte Behandlung mit ASSHerzinfarkt und Schlaganfall vorbeugen kann. Alsdie Stents (Gefsttzen) eingefhrt wurden, umEngstellen in denHerzkranzgefenwirkungsvol-ler behandeln zu knnen, war das ein groer Fort-schritt. Aber es zeigte sich, dass an der Oberflcheder Stents Blutplttchen leicht anhaften, so dassBlutgerinnsel entstehen, die zu einem Verschlussdes Stents (Stentthrombose) fhren knnen (Abb.S. 6). Diese Gefahr bleibt bis zum Einheilen desStents bestehen und kann je nach Art des Stentsbis ber ein Jahr hinaus andauern.Um eine Stentthrombose zu verhindern, reichtASS allein nicht aus. Zustzlich wurde ein neu-es Medikament eingesetzt: Clopidogrel (in: Pla-vix und Iscover). Clopidogrel hemmt das Ver-klumpen von Blutplttchen (Thrombozyten)auf einem anderen Weg als ASS. Weil berzwei verschiedene Angriffspunkte die Bil-dung von Blutgerinnseln gebremst wird, istdie Kombination von ASS und Clopidogrel

    besonders effektiv: Das Risiko fr Herzinfarkt undSchlaganfall kann gegenber der Behandlung mitASS allein um 20% gesenkt werden.Heute wird folgende Therapie empfohlen: Nachdem Einsetzen eines unbeschichteten Stents ist frvierWochen die kombinierte Gabe von ASS (100mg)und Clopidogrel (75 mg) notwendig. ASS soll le-benslang eingenommen werden.Wird einmedikamentenbeschichteter Stent ein-gesetzt, muss die kombinierte Gabe von ASSund Clopidogrel fr sechs bis zwlf Monateoder lnger (je nach Thromboserisiko, s. S. 5)eingenommenwerden, um Stentthrombo-sen zu verhindern. Anschlieend wirddie Behandlungmit ASS allein berunbegrenzte Dauer fortge-setzt.

    Clopidogrel: warum? wann? wie lange?Clopidogrel nach Stent-Behandlung

    Dr. med. Tobias Geisler, Medizinische Klinik III, Abteilung fr Kardiologie undKreislauferkrankungen, Klinikum der Eberhard-Karls-Universitt Tbingen

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    Einige Patienten erinnern sich vielleicht an die gro-e Anzahl von Tabletten, die sie vor dem geplan-ten Einsetzen des Stents einnehmenmussten. Diesliegt daran, dass die Erstgabe von Clopidogrel heut-zutage in einer Aufsttigungsdosis von 300 600mg(entspricht 4 8 Tabletten) erfolgt, um einenschnellen Wirkungseintritt zu gewhrleisten. Beieiner Dosis von 600mg ist das Maximum derWir-kung nach 2 4 Stunden, bei 300 mg (entspricht4 Tabletten) nach 24 Stunden zu erwarten. Dabeiist es das Ziel, den maximalen Wirkspiegel zumZeitpunkt, an dem der Stent eingesetzt wird, zu er-reichen.

    Wie lange Clopidogrel?

    Die gefrchtete Komplikation nach Einsetzen so-wohl beschichteter als auch unbeschichteter Stentsist das Auftreten eines akuten Stentverschlusses(Stentthrombose). Obwohl Stentthromboseninsgesamt selten auftreten (0,5 2,6% je nach

    Art des eingesetztenStents undBeob-achtungszeit-raum), han-

    delt es sich um ein Ereignis mit hoher Sterblich-keit (20 30% innerhalb von sechs Monaten).Verschiedene Faktoren beeinflussen dieses schwer-wiegende Ereignis. Dazu gehren Besonderhei-ten der Stentbehandlungwie z.B. lange Stents oderein dnner Gefdurchmesser, aber auch das je-weilige Krankheitsbild des Patienten. Dabei spieltvor allem die konsequente kombinierte plttchen-hemmende Therapie eine wichtige Rolle. In einerStudie von Iakovou undMitarbeitern (JAMA 2005)konnte an 2229 Patienten, die mit einemmedika-mentenbeschichteten Stent behandelt wurden, ge-zeigt werden, dass der strkste Faktor fr das Auf-treten einer Stentthrombose das frhzeitige Abset-zen der plttchenhemmenden Therapie mit Clo-pidogrel darstellt. Stentthrombosen knnen beimedikamentenbeschichteten Stents auch nach ei-nem Zeitraum von sechs Monaten auftreten (so-genannte spte Stentthrombosen), weil sie lang-samer als unbeschichtete Stents einheilen.Aus diesen Grnden empfehlen die amerikani-schen und europischen Fachgesellschaften (AHA,ESC) eine verlngerte Behandlungsdauer mit ASSund Clopidogrel frmindestens ein Jahr nach demEinsetzen eines medikamentenbeschichtetenStents.In Anlehnung an die Leitlinien der ESCmacht dieDeutsche Gesellschaft fr Kardiologie (DKG) dieEmpfehlung abhngig vom Thromboserisiko (Sil-ber S, et al., Herz 2006; Der Kardiologe 2007): Sieempfiehlt eine Behandlungsdauer von mindes-tens sechs Monaten nach Einsetzen eines medi-kamentenbeschichteten Stents. Ist das Thrombo-serisiko hoch, sollte Clopidogrel mit ASS ein Jahroder lnger eingenommenwerden und dann zeit-lebens ASS. Dabei gibt es verschiedene Risiko-faktoren, die mit in die Entscheidung ber dieBehandlungsdauer einflieen sollten. Letztend-lich legt der behandelnde Kardiologe aufgrunddieser Risikoeinschtzung die Dauer der kom-binierten Behandlung mit ASS und Clopido-grel fest. In Einzelfllen, insbesondere bei Auf-treten wiederholter Stentthrombosen, kanneine dauerhafte Clopidogrel-Therapie zustz-lich zu ASS notwendig sein.

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    Risikofaktoren fr dasAuftreten einer Stentthrombose

    Besonderheiten des Eingriffs nicht-optimales Ergebnis des Eingriffs Stents im Bereich von Gefgabelungen(Bifurkation) oder am Gefabgang

    lange und mehrere Stents berlappende Stents schmaler Gefdurchmesser

    Besonderheiten beim Patienten vorzeitiges Absetzen der kombinierten pltt-chenhemmenden Therapie mit ASS und Clopi-dogrel

    akutes Koronarsyndrom Niereninsuffizienz Diabetes mellitus eingeschrnkte Funktion der linken Herzkam-mer

    fortgeschrittenes Lebensalter Stentthrombose in der Vorgeschichte(nach Iakovou I, JAMA 2005, Grines CL,J Am Coll Cardiol 2007)

    Nebenwirkungen

    Die Nebenwirkungen von Clopidogrel sind insge-samt sehr gering. In seltenen Fllen tretenMagen-Darm-Unvertrglichkeiten auf. In ebenso seltenenFllen kommenHautvernderungen (Exantheme)und in uerst seltenen Fllen Strungen der Blut-bildung vor. Blutungskomplikationen (Magen-Darm-Blutungen, Hautblutungen, Blutungen imBereich der Atemwege, Muskel-/Gelenkblutun-gen) treten nach dem Ergebnis der bisherigen Stu-dien bei Clopidogrel selten auf und sind nicht hu-figer als unter der Therapie mit ASS. Die Blutungs-zeit ist gerade unter einer kombinierten Therapiemit ASS und Clopidogrel verlngert. Deshalb soll-te eine geplante Operation frhestens sieben Tagenach Beendigung der Therapie durchgefhrt wer-den. Vor Absetzen von Clopidogrel und/oder ASSmuss in jedem Fall der behandelnde Arzt gefragtwerden. Selbstndiges Absetzen kann lebensbe-drohliche Folgen haben.Bei Patienten, die zu schwerwiegenden Blutun-gen neigen, sollte Clopidogrel mit Vorsicht ange-wandt werden.

    Operation unter Clopidogrel und ASS

    Wenn Patienten einen Stent erhalten haben unddann operiert werden, sind sie whrend und nachder Operation gefhrdet fr das Auftreten vonStentthrombosen. Umsowichtiger ist eine effekti-ve Blutplttchenhemmung. Auf der anderen Seitesind die Patienten dadurch einer erhhten Blu-tungsgefahr ausgesetzt.Das Risiko fr Blutungskomplikationen ist bei denverschiedenen operativen Eingriffen unterschied-lich hoch. Bei Operationen mit hohem Blutungs-risiko sollte die Operation mglichst verschobenwerden: vier bis sechsWochen nach Einsetzen vonunbeschichteten Stents und ein Jahr nachmedika-mentenbeschichteten Stents.Wenn der geplante Eingriff dringlich ist, sollte inenger Absprache zwischen Kardiologen und Chi-rurgen eine Therapie geplant werden, die ASS undClopidogrel ersetzen kann, z.B. eine Therapie mitkurzwirksamen intravensen Plttchenhemmern(kurzwirksameGlykoprotein IIb-IIIa Inhibitoren).Im Vorfeld einer geplanten Operation sollte derKardiologe, am besten derjenige, der den Stent

    Koronarangiographische Aufnahme einer Stentthrombose.Bei dem Patienten war erst wenige Tage zuvor der Stent ineinen Ast der linken Herzkranzarterie (Kreis) eingesetztworden. Die Thrombose trat unter einer kombiniertenPlttchenhemmung mit ASS und Clopidogrel auf. Durch einenBlutplttchenfunktionstest konnte bei diesem Patient einNicht-Ansprechen auf Clopidogrel nachgewiesen werden.

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    eingesetzt hat, kontaktiert werden, um das weite-re Vorgehen zu planen.

    Wirkt Clopidogrel beiallen Patienten gleich?

    In den letzten Jahren hat man zunehmend Tests(Thrombozytenfunktionstests) eingesetzt, um dasAnsprechen auf plttchenhemmende Substanzenbei Patienten zu untersuchen. Dadurch hat manbeobachten knnen, dass Patienten unterschied-lich auf die Therapie mit Plttchenhemmern an-sprechen. Fr ASS ist seit lngerem bekannt, dassbei etwa 10% der Patienten nicht die erwnschteWirkung erreicht wird. Wie in letzter Zeit zuneh-mend deutlich wird, gilt dies auch fr das Clopi-dogrel. So konntenwir in unserer Klinik durch rou-tinemige Thrombozytenfunktionstests bei5 10% der Patienten ein Nicht-Ansprechen (Re-sistenz) auf die Therapie mit Clopidogrel aufde-cken. Dabei hat das Ansprechen Einfluss auf diePrognose der Patienten. So ist in der Literatur be-schrieben, dass ein Nicht-Ansprechen auf Clopi-dogrel vermehrt mit dem Auftreten einer Stent-thrombose verbunden ist. Wir konnten an einerGruppe von etwa 360 Patienten an unserer Klinikbeobachten, dass die Patienten, die nicht auf Clo-pidogrel ansprachen, ein drei- bis vierfach hhe-res Risiko fr Herzinfarkt und Schlaganfall inner-halb von drei Monaten hatten (Geisler T, et al., EurHeart J 2006).Die Grnde fr ein unterschiedliches Ansprechensind vielseitig und lassen sich im Einzelfal