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Co-Abhängiges Verhalten im Umgang mit Alkoholkranken Sie versuchen, dem Kranken zu helfen und werden dabei unwissentlich zu einem Verbündeten der Abhängigkeit Alkohol in der Familie - ein Leben unter Druck Zusammengestellt von Hermann HOFSTETTER

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Co-Abhängiges Verhalten im Umgang mit Alkoholkranken

Sie versuchen, dem Kranken zu helfen und werden dabei unwissentlich zu einem Verbündeten der Abhängigkeit

Alkohol in der Familie - ein Leben unter Druck

Zusammengestellt von

Hermann HOFSTETTER

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Co-Abhängiges Verhalten im Umgang mit Alkoholkranken

Was ist Co-Abhängigkeit?

"Eine Person, die sich co-abhängig verhält, macht weder jemanden abhängig, noch trinkt sie

mit dem Abhängigen", erklärt Dr. Johannes Böhm, leitender Oberarzt der Tagesklinik am

Therapiezentrum Traun für Alkohol- und Medikamentenabhängige. Unter Co-Abhängigkeit

versteht man das Verhalten einer Person, die einem Alkoholabhängigen nahe steht und die

unter anderem Verantwortung für den Abhängigen übernimmt, sein Trinken entschuldigt oder

rechtfertigt und "dem Abhängigen Belastungen abnehmen oder ersparen will. "Zu Co-

Abhängigen können Ehefrauen und -männer, Freunde und Geschwister, Ärzte und

Therapeuten, Eltern und Kinder sowie Arbeitskollegen werden".

Beratungsstelle aufsuchen

"Aus Erfahrung ist die Lösung aus der Co-Abhängigkeit genauso anstrengend und mühevoll

wie aus der Abhängigkeit. Meistens schaffen es die Betroffenen nicht ohne fremde Hilfe",

berichtet Böhm. Er rät Co-Abhängigen unter anderem sich über das Wesen der

Alkoholkrankheit zu informieren und zu akzeptieren, dass es sich tatsächlich um eine

Krankheit handelt und nicht um einen bloßen Charakterfehler. Zudem sollten die sozialen

Folgen des Trinkens nicht dauernd vertuscht werden, etwa durch Entschuldigungen beim

Arbeitgeber. "Betroffene sollten außerdem sachverständige Hilfe bei einer ambulanten

Beratungsstelle suchen. Eventuelle Maßnahmen sollten genau überlegt, klar geplant und

dann auch konsequent durchgeführt werden", unterstreicht der Experte. "Keinen Sinn hat es

beispielsweise, Drohungen zu äußern und sie dann nicht auszuführen sowie Vorwürfe zu

machen und herumzunörgeln".

Was sollten Co-Alkoholabhängige tun und was nicht?

Wenn der Partner versucht, das Trinken aufzugeben, sollte dies nicht rechthaberisch als

eigener Erfolg dargestellt werden. Zudem hilft es nicht, ungeduldig auf eine Behandlung zu

drängen, ihn allzu ängstlich vom Alkohol fernhalten zu wollen sowie sich selbst zu betrinken",

betont Böhm.

Verspricht der Alkoholkranke mit dem Trinken aufzuhören, sollte unter anderem versucht

werden, ihm nach und nach wieder Verantwortung zu übertragen, Anteil zu nehmen an dem,

was ihn interessiert sowie seine Hobbies zu unterstützen und "ihn auf jeden Fall in eine

Behandlung zu bringen", rät Böhm.

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Erkennen von Co – Abhängigkeit Die Alkoholabhängigkeit eines Menschen hat auch für die Menschen in seiner Umgebung (Familie, Freunde, Arbeitskollegen usw.) Auswirkungen. Diese Bezugspersonen merken oft lange nicht, wie stark auch sie in das Suchtgeschehen verwoben, wie sie co-abhängig sind. Die verschiedenen Phasen zur Co-Abhängigkeit sind u.a. gekennzeichnet durch:

Phase 1: Es wird Nachsicht geübt

Verständnis für vieles Trinken Zuwendung durch Aufmerksamkeit und Mitgefühl Verdrängung der Realität Ermunterung durch Selbstdisziplin Empfehlungen

Phase 2: Problemsuche

Trinken wird zugedeckt und verheimlicht Aufgaben und Probleme des Betroffenen werden übernommen (Einkaufen,

Hausarbeit, lange Gespräche führen die zu keinem Ergebnis führen usw.) Mitleid mit den Angehörigen

Phase 3: Beobachtung und Überwachung

Aggressionen Isolierung und Ausgrenzung Verachtung Abwenden vom Betroffenen (Kündigung, Scheidung)

Viele Beziehungen scheitern an dem Alkoholkonsum eines oder beider Partner, aber für einen nicht trinkenden Partner oder Angehörigen ist die Gefahr zum Co-Alkoholiker zu werden, sehr groß. Co-Alkoholiker machen sich das Alkoholproblem des Partners zu eigen und richten ihr eigenes Leben ausschließlich darauf aus, dem Alkoholiker seine Sucht zu ermöglichen. Vor allem verharmlosen sie den regelmäßigen bzw. übermäßigen Alkoholkonsum des Betroffenen vor anderen Menschen, spielen das Problem vor Freunden und Verwandten herunter, entschuldigen das unangemessene Verhalten vor dem Arbeitgeber und nehmen den Betroffenen alle Verpflichtungen des täglichen Lebens ab. Sie fühlen sich selbst in dieser Rolle gebraucht und steigern darin ihr Selbstbewusstsein, für einen anderen Menschen dazu sein. Unter dem Deckmantel der Liebe lassen sie keine Schuldzuweisungen an den Partner zu und tun alles, um diesen Status nicht zu verlieren. Co-Alkoholismus ist daher eine Krankheit, die praktisch einer Hilfe von außen bedarf. Vor allem muss der Co-Alkoholiker zur Einsicht zu gelangen, sich selbst als co-abhängig anzunehmen, ist es erforderlich jenen Punkt zu erreichen, an dem man sein eigenes Denken und Handeln in Frage stellt. Hilfreich sind Selbsthilfegruppen, wo man aus den Erfahrungen anderer Co-Alkoholiker lernen kann, wie man richtig mit einem alkoholkranken Menschen umgeht.

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Hinweise für Freunde und Angehörige von Alkoholkranken

Was kann ich für mich tun? Bedenken Sie: Sie können am Alkoholkonsum des Abhängigen nichts ändern. Der Wille zur Veränderung muss in Ihrem Partner selbst entstehen, und nur er ist in der Lage, seine Situation zu verbessern. Einen Alkoholiker, der das Trinken nicht aufgeben will, werden Sie durch nichts in der Welt dazu bewegen können! Nur er selbst kann sich von seiner Sucht befreien. WER SICH NICHT ÄNDERN WILL, LÄSST SICH NICHT ÄNDERN. Deshalb gilt: Obwohl Ihnen der Alkoholmissbrauch Ihres Partners nicht gleichgültig ist, sollten Sie ihn nicht unter Druck setzen. Es bringt nichts. Drohen Sie ihm nicht, und kontrollieren Sie ihn nicht. Sie provozieren damit nur Lügen, Aggressionen und innere Widerstände, die zur völligen Abkapselung führen. All das steht einer Heilung im Weg. Auch wenn Sie wissen und verstehen, dass Ihr Angehöriger an einer schweren Erkrankung leidet, müssen Sie sein Verhalten nicht in jedem Fall tolerieren. Setzen Sie sich klare Grenzen, und ziehen Sie diese Grenzen gegebenenfalls. GEBEN SIE SICH NIEMALS AUF! Denken Sie dabei immer auch an sich. Gehen Sie weiter Ihren Hobbies nach, treffen Sie sich mit Freunden, verbringen Sie Zeit ohne Ihren Partner, und versuchen Sie sich abzulenken und zu entspannen. Stecken Sie sich eigene Ziele unabhängig von Ihrem Partner. Wenn Sie schwach und unglücklich sind, verschwenden Sie nicht nur kostbare Lebenszeit, sondern können auch für Ihren abhängigen Partner langfristig keine Hilfe sein.

Was kann ich für den Abhängigen tun? Sagen Sie dem Betroffenen ruhig, aber eindeutig, dass er ein Suchtproblem hat, mit dem er alleine (= ohne professionelle Hilfe) nicht fertig wird. Vermeiden Sie dabei Schuldzuweisungen und Vorwürfe, und wählen Sie dafür einen Zeitpunkt, an dem er 'nüchtern' ist. Wenn Sie der Meinung sind, dass ein 'klares Wort' nur Widerstände hervorrufen würde, versuchen Sie es auf subtile Art: Sprechen Sie das Thema 'neutral' an, indem Sie beispielsweise Ihre eigenen Erfahrungen mit Alkohol thematisieren. Lassen Sie Materialien zum Thema 'herumliegen', und versuchen Sie herauszufinden, ob Ihr Partner sich wegen seines verstärkten Alkoholkonsums selbst schon Gedanken macht. Ein paar Tipps zur stressfreien und effektiven Kommunikation: * Seien Sie empathisch und verständnisvoll. Lassen Sie Ihren Partner reden. Gehen Sie nicht auf Konfrontation. HÖREN SIE ZU, STATT ZU REDEN. * Vermeiden Sie es, zu argumentieren, und Ihrem Partner 'gute Ratschläge' zu geben. Jeder Verdacht der Bevormundung ruft in der Regel Widerstände hervor, die schwer wieder abzubauen sind. * Versuchen Sie Ihren Partner dazu zu bewegen, Ihnen mitzuteilen, warum er trinkt, und - allein oder gemeinsam mit Ihnen - das Für und Wider des Alkoholkonsums abzuwägen. * Lassen Sie sich durch Angriffe und Protest nicht in Ihrer Haltung beirren, und nehmen Sie Verbalattacken nicht persönlich. Bedenken Sie, dass Ihr Partner sich damit nur zu verteidigen versucht, weil er ja längst selbst weiß, dass er ein Problem hat. Lassen Sie sich vor allem nicht einreden, Sie seien für den exzessiven Alkoholkonsum verantwortlich. Alkoholiker neigen dazu, die 'Schuld' nicht bei sich zu suchen, sondern in äußeren Umständen und vor allem auch in Menschen, die ihnen besonders nahestehen. Ziehen Sie sich diesen Schuh nicht an. Bedenken Sie: Letztlich ist jeder für sein eigenes Leben selbst verantwortlich.

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* Nehmen Sie Ihren Partner ernst, und stärken Sie ihm den Rücken, wenn er sein Verhalten ändern möchte. Stecken Sie sich gemeinsam neue Ziele. * Und last but not least: Lassen Sie - wenn möglich - Ihren Partner nicht fallen, aber lassen Sie auch nicht zu, dass Sie selbst an der Beziehung Schaden nehmen. Wenn Ihr Partner bereits ein 'Problembewusstsein' hat, ist schon viel gewonnen. Weisen Sie ihn darauf hin, dass seine Sucht eine Krankheit wie jede andere ist. Machen Sie ihm klar, dass er dagegen etwas tun kann, indem er Hilfe bei der Suchtberatung, bei einer Selbsthilfegruppe, bei einem Arzt oder Therapeuten sucht. Bieten Sie ihm an mitzugehen. Wenn Suchtkranke erkennen, dass sie Unterstützung benötigen und wenn sie bereit sind, diese Hilfe anzunehmen, besteht Hoffnung auf Veränderung. Sie können helfen, dieses erste Ziel zu erreichen.

Coabhängigkeit - Eine Krankheit wie der Alkoholismus Zum Thema Coabhängigkeit gibt es Dutzende Theorien. Die meisten gehen davon aus, dass coabhängige Partner von Süchtigen durch die Fürsorge für andere das eigene (schwache) Selbstwertgefühl zu stärken versuchen. Auf Grund dieses Erklärungsmusters wurde Coabhängigen lange Zeit die Mitschuld für den exzessiven Alkoholkonsum ihres Partners gegeben. Neuere Studien belegen aber, dass es für die Entwicklung einer Coabhängigkeit keiner besonderen Persönlichkeitsstruktur bedarf. Vor der Abhängigkeit weisen die Partner der später Erkrankenden ein breites Spektrum an Charakterprofilen auf. Die sogenannte 'Ich-Schwäche', Kontrollzwang und Dominanz kommen hier nachweislich ebenso oft oder selten vor wie beim Rest der Bevölkerung. Zur Entwicklung der Coabhängigkeit braucht es quasi nur einen Abhängigen. Während des Zusammenlebens bilden sich bestimmte Verhaltens- und Interaktionsmuster aus, die beiden Betroffenen langfristig schaden. Die im Anschluss aufgeführten Strukturen und Verhaltensweisen entstanden am Anfang der Sucht oder der Beziehung beim Versuch, das Problem zu lösen und/oder zu bewältigen. Erst im Laufe der Zeit wurden sie dann zu eingefahrenen Ritualen des Zusammenlebens, die ähnlich destruktive Tendenzen haben. Viele der erwähnten Verhaltensmuster treten gleichzeitig oder rasch alternierend auf. Beispielsweise liegen Hass und Liebe, Wut, Verständnis und Mitleid in vielen Alkoholikerfamilien nah beieinander. Dabei spielen sich beide 'Parteien' im Laufe der Zeit immer mehr aufeinander ein; ihr Verhalten ergänzt sich komplementär und macht Veränderungen immer unwahrscheinlicher (es funktioniert ja doch irgendwie, und wenn es beiden nichts mehr bringen würde, wäre man ja schon längst nicht mehr zusammen). Auch wenn beide Partner ständig übereinander schimpfen, scheint der Gewinn also noch größer zu sein als die erlittenen Verluste - auch wenn das von 'Außen' ganz anders aussieht. Schließlich schweißt nichts mehr zusammen als gemeinsam durchlittene Krisen. Die gegenseitige Abhängigkeit ist in Alkoholikerhaushalten viel größer als in anderen Familien. Und wer sonst wäre bereit, gemeinsam die Fassade zu wahren und Extremsituationen durchzustehen, als derjenige, den man schon so oft auf Krisentauglichkeit getestet hat? Und wer sonst 'müsste' bei einem bleiben, egal, wie man sich verhält? Ein Äquivalent finden zu wollen, würde sich für beide Betroffenen schwierig gestalten. Und dass sie das wissen, das sie ausgeliefert sind, führt zu Hassgefühlen, denen erst Luft gemacht werden kann, wenn Alternativen zur Verfügung stehen (ein neuer, 'verständnisvoller' Partner, eine Therapie, die den Selbstwert stärkt...) Erst in diesem Moment kommt es meist zu beziehungsgefährdenden Krisen bis hin zur Trennung.

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Nach Schneider (1997) zeigen Sie coabhängiges Verhalten, wenn Sie ... 1. Verantwortung für den Abhängigen übernehmen, 2. sein Verhalten entschuldigen oder rechtfertigen, 3. ihm Belastungen abnehmen oder ersparen wollen, 4. sein Verhalten kontrollieren, indem Sie z. B. Verstecke, in denen der Abhängige Alkohol verbirgt, suchen oder ihn beim Lügen ertappen wollen u.s.w., 5. unaufrichtig dem Abhängigen, anderen Personen oder sich selbst gegenüber sind, was die Tatsachen und Gefühle im Hinblick auf die Abhängigkeit betrifft.

Phasen der Co-Abhängigkeit Die Entwicklung der Coabhängigkeit ist so fließend wie der Alkoholismus selbst. Die Abhängigkeit vom Abhängigen beginnt, wenn die negativen Folgen des Trinkens toleriert werden. Verhaltensmuster schleifen sich ein und erscheinen zunehmend alternativlos. Andere Strategien des Umgangs werden nicht mehr erprobt, um nicht durch Veränderungen des Status Quo alles noch schlimmer zu machen. 1. Beschützer- oder Erklärungsphase 2. Kontrollphase 3. Anklagephase

Abhängiger & Co.: Konstellationen Die Partnerwahl von Alkoholikern fällt oft auf... * tüchtige, aber bescheidene Menschen, * die sich zurücknehmen können, * die weder viele Freunde noch Interessen und Ambitionen haben, * die es schätzen, sich um alles zu kümmern, * und die immer für sie da sind, * ohne selbst nennenswerte Ansprüche zu stellen. Auch wenn dieses Charakterprofil zu Beginn der Beziehung oft noch nicht vorhanden ist, gelingt es vielen Süchtigen im Laufe der Zeit, ihre Partner so lange unter Druck zu setzen und zu 'erziehen', bis sie dem Ideal schließlich entsprechen. Als 'Gegenleistung' erhält der/die Auserwählte die Bereitschaft des Süchtigen, * sich ganz und gar auf ihn/sie zu fixieren, * andere Menschen und Interessen dafür zu vernachlässigen * und sich - in einem begrenzten Rahmen - gewissen Regeln zu unterwerfen. Aus dieser Konstellation erwächst die typische, gegen die Außenwelt hermetisch abgeschlossene Alkoholikerfamilie... der Fels in der stürmischen Brandung. Wenn die Alkoholabhängigkeit schon so weit fortgeschritten ist, dass diese Erwartungen auf Seiten des Süchtigen schon zu Beginn erkennbar sind, spricht dieses Partnerschaftsmodell häufig Menschen an, die ihren eigenen Fähigkeiten so wenig vertrauen, dass sie Konkurrenz und echte Autonomie nicht ertragen könnten. Vor allem Töchter suchtkranker Eltern sind gefährdet, ein solches Selbstbild - und eigene Abhängigkeiten - zu entwickeln.

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Sie sind es - häufig von Kindheit an - nicht gewohnt und erwarten auch nicht, dass sich jemand ernsthaft für sie interessiert. Auch in Partnerschaften mit größter Nähe und Abhängigkeit ist ihre Individualität deshalb nicht allzu gefragt, weil sie sich selbst gar nicht erst als eigenständig ins Spiel zu bringen versuchen. Viele Coabhängige halten sich selbst für relativ unbedeutend, vielleicht sogar 'strafwürdig', und stellen deshalb das Leben des anderen über ihr eigenes. Dabei 'docken' sie aber gleichzeitig an das andere Leben an und wachsen somit über sich hinaus. Frei nach Goethes Motto: "Immer strebe zum Ganzen, und kannst du selber kein Ganzes werden, als dienendes Glied schließ an ein Ganzes dich an." Durch diese Strategie der Erweiterung empfinden sie ein Gefühl von Stärke, das ihnen sonst versagt bliebe. Vor diesem Hintergrund sind sie dem Alkoholiker (wie auch z.B. dem Narzissten) kein Stachel im Fleisch, wie es Menschen wären, die ihr Leben eigenständig sinnvoll zu gestalten wissen, Freunde haben und nicht unbedingt auf andere angewiesen sind. Der Süchtige ist dazu ja nach längerer Abhängigkeit selbst nicht mehr in der Lage, und die Gegenwart erfolgreicher Menschen lässt ihn seine Misere um so deutlicher spüren. Deshalb hat er - abgesehen vom Partner und einigen unkritischen (Sauf)Kumpanen - meist keinen allzugroßen Bekanntenkreis. Kritische und selbständige Freunde wurden ja schon frühzeitig 'entlassen' (siehe: kritische Phase). Übrig bleiben affirmative, nicht allzu tiefsinnige, im Idealfall ebenfalls trinkende 'Party People'. Diese Wahl des Freundeskreises erklärt sich u.a. dadurch, dass Alkoholiker aufgrund des Wissens um eigene Defizite meist chronisch neidisch und eifersüchtig sind. Die Partner von Alkoholikern können und dürfen selbst kaum Unterstützung von Seiten des Süchtigen erwarten. Der Abhängige hat mit sich schon genug zu tun und daher keine Antenne für die Sorgen der Familie. So nimmt er dann in der Regel ganz selbstverständlich an, dass der andere sein Leben ganz nach seinen Bedürfnissen ausrichtet. Ist er dazu nicht bereit, wird ihm ebenfalls mit Entlassung gedroht; tut er es aber, wird er benutzt, verachtet und später gar für die Misere (mit)verantwortlich gemacht. Wie er sich dreht und wendet, es ist falsch. Das ist übrigens der Grund, warum viele langjährige Partner Alkoholabhängiger wirklich coabhängig sind: wären sie es nicht, hätte man ihnen längst den Laufpass gegeben, oder sie hätten das Handtuch geworfen. Das Desinteresse des Alkoholikers an der Person des anderen - bei gleichzeitigem Interesse an der Funktion, die er im eigenen Leben erfüllt -, erklärt übrigens, warum er sich oft so ganz ohne Bedauern radikal von seinem Leidensgenossen abwendet, sobald es ihm besser geht (nach dem Entzug z.B.) oder sobald jemand in sein Leben tritt, der 'geeigneter' erscheint. Echte Liebe basiert ja auf einer fruchtbaren Interaktion zwischen zwei eigenständigen, halbwegs stabilen Persönlichkeiten, die den anderen in - oder gerade wegen - seiner Andersartigkeit zu schätzen wissen. In einer coabhängigen Beziehung ist aber genau das nicht der Fall: Der Coabhängige erwartet gar kein echtes Interesse, und der Alkoholabhängige will oder kann es nicht aufbringen. Dennoch sieht das Ganze aufgrund der großen Nähe von außen (und auch oft im Verständnis beider) aus wie Liebe, obwohl es sich eigentlich eher um ein gegenseitiges Benutzen handelt. Dieses besondere Verhältnis ist jedoch keine reine Täter-Opfer-Konstellation. Auch der Coabhängige hat Macht über seinen Partner; er organisiert, deckelt, hält ihm den Rücken frei und wird somit unverzichtbar (bis ein anderer seine Rolle zu übernehmen bereit ist). Das Spiel ist komplex: Wird der Alkoholiker aggressiv, nimmt er sich zurück; bricht der Alkoholiker Regeln und Absprachen, hat das eine Bestrafung zur Folge. Auf diese Weise quälen sich die Partner oft jahrelang gegenseitig, wobei auch im Auf und Ab eine gewisse absurde Balance und Stabilität gewahrt bleibt. Dabei glauben viele Coabhängige fest daran, mit genügend Liebe, Zuwendung, Erziehung und Kniffen das Ruder doch noch herumreißen zu können; obwohl sie das unbewusst gar nicht wollen und eigentlich alles dafür tun, dass die Situation unverändert fortbesteht.

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Destruktive Vorurteile gegenüber Co-Abhängigen Gerade die Partnerinnen Alkoholabhängiger haben häufig mit Vorurteilen und Anfeindungen in ihrem sozialen Umfeld zu kämpfen. Das liegt unterem daran, dass viele Süchtige weitreichende manipulative Fähigkeiten entwickeln, die sie dazu verwenden, ihre Umwelt glauben zu machen, sie seien nicht selbst für ihre Misere verantwortlich zu machen, sondern beispielsweise die böse, ewig nörgelnde, unausstehliche Ehefrau. Wenn sich beim Alkoholiker Eloquenz dann noch mit Charme paart, sind viele Mitmenschen eher geneigt, ihm zu glauben, als seiner 'sauertöpfischen' Ehefrau, die sich ohnehin in letzter Zeit gehen lässt, obwohl sie doch ihren Kontrollzwang und ihre Herrschsucht ganz und gar ausleben kann (so das verbreitetste Vorurteil). Zwei Bilder von der Coabhängigen - die sich oft überlagern - dominieren dabei die öffentliche Meinung: 1.) Die charakterschwache, abhängige, Kraft saugende Frau mit Helfersyndrom, die alleine gar nichts wäre, und 2.) die herrschsüchtige, dominante, zeternde, manipulative Frau, die den Süchtigen missbraucht, um ihr Ego 'aufzupolieren'. Im Folgenden möchten wir die vorherrschenden Klischees - die aber doch auch auf realen Verhaltensmustern basieren - noch etwas ausdifferenzieren. Dabei stellen wir die einzelnen 'Typen' in zwei Kategorien bewusst überspitzt dar, um Zusammenhänge besser zu verdeutlichen.

+++ "Das Opfer" +++

Die Naive... glaubt und hofft auf ewig, verdrängt die Tatsachen, ignoriert alle Hinweise und ist sich sicher, dass alles irgendwann wieder ins Lot kommt. Die Kompetente... ist tüchtig und hat alles gut im Griff; sie ist ein Segen für jeden Haushalt, und der Alkoholiker kann sich glücklich schätzen, sie zu haben, denn ohne sie wäre er nichts. Das Muttchen... putzt, kocht, regelt, wischt die Kotze weg und hat kein eigenes Leben; sie opfert sich für 'ihr Baby'. Die Masochistin... bittet, bettelt, fleht und liebt, erniedrigt sich und wird dafür nur getreten; sie hält sich selbst für unwert und genießt es, gequält zu werden. Die Depressive... ist ständig traurig, kraftlos und müde, lässt sich gehen, kommt nicht mehr aus dem Bett, vernachlässigt ihre Familie, bekommt nichts mehr 'auf die Reihe' und verschwindet von der Bildfläche. Die armen Kinder.

+++ "Die Täterin" +++

Die Domina... droht (mit Liebesentzug, Trennung und Enttarnung), herrscht, straft und unterdrückt, kontrolliert (sucht und markiert Flaschen), verfolgt und bespitzelt (durchwühlt Taschen), erzieht, reglementiert und demütigt den Abhängigen privat und in der Öffentlichkeit. Der arme Mann. Die Furie... nörgelt, zetert, nervt, sucht Streit und sinnt auf Rache, intrigiert, verleumdet, stellt bloß, hat Lust an der Zerstörung und verwendet alles gegen den Süchtigen (Vorsicht: Alkoholikerparanoia!)

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Die Egoistin... wendet sich ab vom Elend, kümmert sich nur noch um sich, vernachlässigt ihren Mann und die Familie, kommt ihren Pflichten nicht nach, ist nie mehr zu Hause, denkt nur an die eigene Karriere und ignoriert alle Hilferufe. Die Vampirin... saugt Selbstwert aus dem Hilfsbedürftigen, weil sie selbst so blutarm ist; sie fürchtet jegliche Veränderung, um nicht zusammenzubrechen.

+++ "Opfer und Täterin zugleich" +++

Die Heilige... ist stets perfekt und fehlerlos, selbstgerecht und moralisch immer im Recht; sie lässt in ihrer Makellosigkeit alle klein und schlecht erscheinen, und niemand hat neben ihr eine Chance, sich zu entfalten. Die Komplizin... versteht, verzeiht, vergibt und tröstet, ebnet den Weg, erklärt und entschuldigt, wimmelt Eindringlinge ab und lügt für den Süchtigen.

Folgen für den Co-Abhängigen * Somatische Folgeerkrankungen von: Herz (Herzinfarkt), Kreislauf (Bluthochdruck!), Magen und Darm * Immunschwäche aufgrund von Selbst-Vernachlässigung und Dauerstress: Gefahr von Ansteckungen und Krebserkrankungen nimmt zu * Suizidgefahr, Selbstverletzungen * Realitätsverlust, Verlust des Selbstwertgefühls Ängste, Depressionen, Paranoia, Schizophrenie * Eigener Substanzmissbrauch Alkohol, Schlaf- und Schmerztabletten, Psychopharmaka, Drogen... * Riskantes Verhalten Rasen, ungeschützter Sex etc. als versteckter Selbstzerstörungstrieb und zum Frustrationsabbau Co-Abhängigkeit ist eine ernstzunehmende Krankheit, die körperliche, psychische und kognitive Schäden anrichtet und unbedingt behandelt werden muss.

+++ Was führt zu psychosomatischen Erkrankungen? +++

*** Angst: * vor verbaler und körperlicher Gewalt, Aggressionen, Missbrauch * vor unerwarteten Ausbrüchen und Krisen, * um die Kinder, * um den Abhängigen (Folgeschäden, Suizid, Absturz) * vor finanziellem Ruin, Verlust der Wohnung, der Arbeit, sozialem Abstieg * vor der Geringschätzung durch Freunde, Bekannte und Verwandte * vor Einsamkeit, Isolation * vor totalem Verlust der Kontrolle *** das Eintreten des oben Genannten *** Schuldgefühle, Scheitern, Versagen *** der Verlust des Selbstwertgefühls

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*** emotionale Vernachlässigung durch den Partner *** emotionale Verletzungen durch den Partner Auch angesichts schwerer Enttäuschungen und der völligen Zerrüttung des Vertrauens halten oft beide Partner noch lange an der Beziehung fest, weil sie der Meinung sind, dass der Status Quo immer noch erstrebenswerter ist als jegliche Veränderung (die ja beispielsweise dazu führen könnte, vom Anderen verlassen zu werden). Häufig muss es erst zu ernsthaften Krisen kommen (durch schwerwiegende Erkrankungen, Straftaten, Verlust des Arbeitsplatzes usw.), ehe Veränderungen ins Auge gefasst und Hilfsangebote angenommen werden.

Eine Co-abhängige Frau sagte einmal: Mein Mann hatte den Alkohol im Blut, ich hatte den Alkohol im Kopf! Die Frau spricht von ihrer Co-Abhängigkeit, die sich auf ihre Persönlichkeit genauso fatal auswirken kann, wie die Abhängigkeit selber.

Geholfen wird mit einer Co-Abhängigkeit niemandem, im Gegenteil, Co- Abhängigkeit verhindert das Behandeln der Alkoholkrankheit und im fortgeschrittenen Stadium braucht der Co-Abhängige bald selber Hilfe.

Familien- und Partnerkrise

Ist ein Familienmitglied alkoholabhängig, leidet die ganze Familie mit. Was wird nicht alles getan, um den Alkoholkonsum des Abhängigen unter Kontrolle zu bringen. Dabei werden die verschiedensten Methoden angewandt - wegschütten oder verstecken der alkoholischen Getränke, suchen nach den heimlichen Alkoholvorräten, mittrinken, bitten, versprechen, fordern, schimpfen, drohen, beschuldigen. Die Versuche der Familie, den Alkoholismus eines Familienmitgliedes in den Griff zu bekommen, bestimmen immer mehr das gesamte Denken, Fühlen und Handeln der Familie. Es werden immer neue Versuche unternommen, immer neue Hoffnungen geweckt und gleichzeitig immer neue Enttäuschungen erlebt. Der Alkoholismus des Betroffenen wird zum Mittelpunkt der Familie. Die Gefühle der Familienmitglieder sind denen des Abhängigen sehr ähnlich, auch sie fühlen sich hilflos, schuldig und frustriert. Hinzu kommt eine gewaltige Portion Ärger und Wut, denn alle Bemühungen führen zu keinem befriedigendem Ergebnis. Änderungen sind meist nur von kurzer Dauer und alsbald beginnt das Spiel von Neuem. Eine ehemalige Co-Abhängige fasste dies folgendermaßen in Worte: "Ich dachte immer ich müsste meinen Mann vom Alkohol wegbringen. Dabei bemerkte ich nicht, wie ich selber immer mehr in süchtiges Verhalten fiel. Mein Partner hatte den Alkohol im Körper, ich hatte den Alkohol im Kopf - aber den, den er getrunken hat oder trinken wird. Meine Gedanken kreisten permanent um den Alkohol: Wird er wieder trinken? Was erwartet mich zu Hause, wenn er betrunken ist? Wo hat er den Stoff versteckt? Ich habe nur noch an ihn und seine Sucht gedacht, nicht mehr an mich. Ich wusste ganz genau, was gut für meinen Mann war. Er sollte aufhören zu trinken, damit es mir und der Familie besser ginge. Leider ist dieses Konzept nicht aufgegangen. Heute habe ich erkannt, dass ich nicht an seinem Trinken schuldig bin und auch nichts daran ändern kann. Mein Partner muss trinken, er wird nicht wegen mir aufhören. ABER: Ich kann was für mich tun, denn ich bin der einzige Mensch, den ich ändern kann."

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Stadien der Co-Abhängigkeit

Genauso wie es Stadien der Alkoholkrankheit gibt, gibt es Stadien der Co-Abhängigkeit. Anfangsphase

Die Angehörigen verleugnen ebenso wie der Betroffene das Alkoholproblem. Erste Ahnungen, dass der Angehörige zuviel trinkt. Ermahnungen, weniger zu trinken. Übernahme von Verantwortung bei Schwierigkeiten durch Alkohol. Erste Entschuldigungen und Ausreden für den trinkenden Angehörigen. Gespräche über den Alkoholkonsum werden schwieriger.

Kritische Phase Das Problem ist so offensichtlich, dass es nicht mehr unterdrückt werden kann. Die Angehörigen fordern vom Alkoholkranken, dass er mit dem Trinken aufhört. Der Betroffene kann dieser Forderung nicht nachkommen. Es kommt zu Vorwürfen, die den Abhängigen immer weiter in die Sucht treiben.

Zweifel an der eigenen Beobachtungsgabe, Unsicherheit bei der Situationsbeurteilung. Verstärkte Versuche, dem Betroffenen zu "helfen". Co-Alkoholisches Verhalten z.B. durch kontrollieren etc.

Akute Phase Die Alkoholkrankheit lässt sich vor der Umwelt nicht mehr verheimlichen. Es werden nur noch kurzfristige Ziele gesetzt, z.B. "Trinke wenigstens nicht, wenn heute Besuch kommt" etc. Die Familie treibt sich zunehmend selbst in die soziale Isolierung. Drohungen, ohne Konsequenzen zu ziehen. Sozialer Rückzug Sämtliche Verantwortungen und Pflichten des Betroffenen werden übernommen. Die Kapitulation

Jetzt werden Anstrengungen unternommen, der Problematik zu entrinnen. Anerkennung, dass man das süchtige Trinken nicht direkt ändern kann. Erkenntnis des eigenen Fehlverhaltens und unerfüllter Bedürfnisse - ernsthafte

Trennungsabsichten, die evtl. in die Tat umgesetzt werden. Lernen "loszulassen" und erkennen, dass man gegenüber der Alkoholkrankheit des

Partners/Angehörigen machtlos ist. Kinder in Co-Abhängigkeit

Das Kind bemerkt doch nichts!" Diese Auslegung vieler Eltern und Erziehungsberechtigter ist ein fataler Irrglaube! Kinder bekommen mehr mit als man denkt. Kinder können ihre Ängste und Nöte nicht so zum Ausdruck bringen, wie Erwachsene das tun können. Sie leiden still. Kinder können sich keine neuen Eltern suchen, sie sind auf die Liebe und Versorgung angewiesen, bis sie selbst stark genug sind. Leider werden gerade in einer Familie mit Alkoholproblemen Zuwendungen an Bedingungen geknüpft. Das Kind versucht diese Bedingungen zu erfüllen, damit es Liebe und Zuneigung erhält. Auf diese Weise lernt das Kind schon frühzeitig, sich co-alkoholisch zu verhalten. Gerade Kleinkinder merken, dass etwas nicht stimmt, aber sie können es (noch) nicht richtig einordnen. Ältere Kinder leiden bewusster, auch wenn sie sich darüber nicht äußern. Erkannt wird dies meistens erst, wenn es zu schwerwiegenden Verhaltensstörungen kommt, die nicht auftreten müssen, aber häufig auftreten können.

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Wenn es in der Familie ein Alkoholproblem gibt, haben Kinder kaum Chancen, sich darüber auszusprechen. Viele Kinder versuchen ihre Eltern (besonders den trinkenden Elternteil) in Schutz zu nehmen. Häufig schämen sich diese Kinder so sehr, dass sie keine Gleichaltrigen mit nach Hause bringen und sich dadurch zusätzlich isolieren. Eine Erwachsene aus einer Alkoholikerfamilie dazu: "Als ich klein war, habe ich sehr wohl gemerkt, dass mit meiner Mutter etwas nicht stimmt. Erst als eine Freundin (deren Vater Alkoholiker war) zu mir sagte, deine Mutter säuft, wurde mir klar, was los war. Ich wusste nie, was mich zu Hause erwartet. Deswegen habe ich auch möglichst keine Freunde mit nach Hause gebracht. Einmal wurde ich mit Liebe überschüttet, dann wieder gab es grundlos Prügel. In der Familie wurde es mir verboten, über das Problem zu sprechen, nach außen wurde schlicht und einfach alles totgeschwiegen. Wenn ich für meine Mutter einkaufen musste, da sie dazu zu besoffen war, musste ich beim Kaufmann immer sagen, dass der Wein für meine Mutter "zum Kochen" gebraucht wird. Bloß nichts nach außen dringen lassen, das war die Devise. Ich selber habe mich auch nicht getraut darüber zu sprechen, da es ja verboten war und ich mich zutiefst geschämt habe." Kinder aus Familien mit Alkoholproblemen entwickeln regelrechte Überlebensstrategien für sich, dabei verlieren sie aber etwas ganz Entscheidendes, nämlich ihre eigene Kindheit. Sie übernehmen unbewusst "Rollen" um das Familienleben wieder in die Balance zu bringen. Das "Heldenkind" Das "Heldenkind" übernimmt Aufgaben der Erwachsenen (z.B. Haushaltsarbeiten). Es ist leistungsorientiert, überverantwortlich, es braucht Zustimmung und Anerkennung von anderen. Mögliche Folgen im Erwachsenenleben: Workaholic, kann Fehler oder Misserfolg nicht ertragen, zwanghaftes Verhalten, kann nicht "nein" sagen, sucht sich später einen suchtmittelabhängigen Partner. Übertriebene Verantwortlichkeit, extreme Zuverlässigkeit auch wenn diese nicht angebracht ist. Der "Sündenbock" Der "Sündenbock" fällt negativ auf, beispielsweise durch schlechte Schulleistungen, Aufsässigkeit oder Straftaten. Dieses Kind lenkt die Familie von den eigentlichen Problemen ab. Das Fehlverhalten ist aber nichts anderes als ein Hilfeschrei. Mögliche Folgen im Erwachsenenleben: Suchtkrankheit, Straffälligkeit, Teenager-Schwangerschaft sowie allgemeine Lebensprobleme. Verantwortungsloses Verhalten. Das "verlorene Kind" Das "verlorene Kind" wird zum Einzelgänger, fühlt sich minderwertig, ist still und gehorsam. Es ist ein extrem "pflegeleichtes" Kind, das keine Probleme macht. Mögliche Folgen im Erwachsenenleben: Keine Lebensfreude, häufig Beziehungsstörungen, kann nicht "nein" sagen und kann keine Veränderungen eingehen. Gnadenlose Selbstverurteilung. Das "Maskottchen" Das "Maskottchen" überspielt die Spannungen in der Familie durch fröhliches Herumkaspern. Es tut alles, um Lachen oder Aufmerksamkeit hervorzurufen, vielfach auch nur um von den eigentlichen Problemen abzulenken. Wirkliche Gefühle kann es nicht zeigen, diese werden unterdrückt.

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Mögliche Folgen im Erwachsenenleben: Kann Stress nicht ertragen, lebt eng an der Grenze zum Hysterischen. Sucht sich als Partner "Beschützerpersönlichkeiten". Ständig auf der Suche nach Anerkennung und Bestätigung. Erwachsene Kinder von Alkoholkranken Erwachsene Kinder von Alkoholkranken tragen meist die schmerzlichen Gefühle aus der Vergangenheit in sich. Sie neigen zum Perfektionismus oder kümmern sich bis zur Selbstaufgabe um andere. Gerade in Partnerbeziehungen kommen diese Probleme zum Tragen. Sie suchen Nähe und finden sie nicht, da sie meist Partner wählen, die selbst abhängig, unerreichbar oder nicht bindungsfähig sind. Sie erleben immer wieder, dass sie allein gelassen werden und fühlen sich überfordert, wie in ihrer eigenen Kindheit. Diese Erwachsenen sind selbst hochgefährdet, in eine Abhängigkeit zu geraten, da sie es nicht anders kennen gelernt haben, ihre Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Wie einem Alkoholabhängigen helfen?

Eine mir nahe stehende Person ist Alkoholiker. Was kann ich tun? Folgende Punkte sollten Sie für sich verinnerlichen:

Ich kann an der Trinkerei des Abhängigen nichts ändern. Ich drohe und kontrolliere nicht mehr. Ich verwöhne und versorge den Abhängigen nicht mehr länger. Ich werde für den Abhängigen nicht mehr lügen und ich lasse mich auf keinerlei

Diskussionen mit dem Abhängigen ein. Ich verstehe, dass er/sie krank ist. Aber ich werde sein/ihr Verhalten nicht tolerieren. Ich setze klare Grenzen, was ich in Kauf nehme und was nicht. Außerdem sage ich

verbindlich, was ich tun werde, wenn er an seinem Verhalten nichts ändert. Ich tue etwas für mich. Ich besuche eine Selbsthilfegruppe, in der ich mich mit

anderen Angehörigen austauschen kann. Ich möchte glücklich und zufrieden leben, auch wenn der andere sich nicht ändert. Ich unternehme Dinge, die mir Spaß machen.

Wie einem „trockenen“ Alkoholkranken helfen?

Der trockene Alkoholkranke muss lebenslang völlig auf Alkohol verzichten, denn

schon die kleinste Menge bewusst konsumierter Alkohol, kann einen Rückfall in die Sucht einleiten. Den Entschluss zum alkoholabstinenten Leben kann der Betroffene letztlich nur selbständig und alleine fassen. Als Angehörige haben Sie jedoch die Möglichkeit ihm in seiner Abstinenz unterstützend zu helfen.

Leben Sie womöglich gemeinsam mit Ihrem Partner alkoholabstinent! Wenn Sie mit

Ihrem Partner gemeinsam auf Alkohol verzichten, zeigen Sie damit Einfühlungsvermögen und Verständnis. Sie meiden gemeinsam den Stoff, der zuvor Ihr gemeinsames Leben vergiftete.

Alkoholkranke werden zwar selten die Mitabstinenz ihrer Angehörigen verlangen,

sind aber dankbar, wenn diese ihnen selbstverständlich entgegengebracht wird und sie damit nicht alleine sind.

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Sorgen Sie dafür, dass genügend und verschiedene alkoholfreie Getränke im Hause sind. Meiden Sie Alkoholvorräte im Haus! Machen Sie es zur Selbstverständlichkeit, dass es bei Ihnen keinen Alkohol gibt. Gastlichkeit kann man auch zeigen, indem man leckere alkoholfreie Drinks anbietet.

Sollte bei einer Feierlichkeit in Ihrem Haus doch Alkohol angeboten werden, sorgen

Sie dafür, dass angebrochene Flaschen und Reste so schnell wie möglich entsorgt werden.

Meiden Sie Vorwürfe, die die Zeit vor der Abstinenz betreffen. Ziehen Sie einen

Schlussstrich unter die Ärgernisse der Vergangenheit, denn diese Wunden dürfen nicht immer wieder aufgerissen werden. Schauen Sie nach vorne und nicht zurück.

Schließen Sie sich gemeinsam einer Selbsthilfegruppe für Betroffene und Angehörige

an. Das ist sowohl für den Betroffenen, als auch für Sie nahezu lebensnotwendig! Sie laufen so nicht in Gefahr in die Isolation zu geraten, Sie lernen neue Freunde kennen, die Ihre Sorgen und Probleme teilen und ebenfalls abstinent leben.

Sie brauchen die Gemeinschaft der abstinenten Gruppe, um Erfahrungen der

anderen aufzunehmen und eigene Fehler zu vermeiden. Beispielsweise würde ein zu besorgtes und beschützendes Verhalten den trockenen Alkoholkranken beeinträchtigen und bedrücken.

Üben Sie wieder echte Partnerschaft ein! Während der Trinkzeit des Betroffenen war

es notwenig, dass Sie alle Angelegenheiten regelten und häufig Entscheidungen alleine treffen mussten. Sie fühlten sich für den Kranken mitverantwortlich. Der Partner ist jetzt aber nüchtern und Sie können alles gemeinsam besprechen und regeln.

Ihr trockener alkoholkranker Partner muss seine Erfahrungen selber machen können,

dazu gehören auch schmerzliche Erfahrungen. Erst dann kann er lernen, wie er mit Enttäuschungen, Angst und anderen unguten Gefühlen umgehen kann, ohne gleich wieder zur Flasche zu greifen. Sie als Angehöriger müssen lernen, Ihrem Partner nichts von seinen Aufgaben abzunehmen, auch dann nicht , wenn Sie meinen, dass Sie es vielleicht besser machen würden. Darüber hinaus müssen Sie lernen, sich wieder um Ihr Leben zu kümmern, anstatt auf das Ihres Partners aufzupassen.

Nehmen Sie sich Zeit für Gespräche. Sprechen Sie offen über Gefühle, Probleme,

Sorgen, Ängste und Hoffnungen. Das schafft eine Vertrauensbasis, die durch die Trinkerei zerstört wurde. Achten Sie bei Meinungsverschiedenheiten darauf, sachlich zu bleiben. Versuchen Sie sich gegenseitig zu verstehen.

Machen Sie eine innerliche Inventur. Fragen Sie sich, was Ihnen fehlen wird, wenn

der Abhängige nicht mehr abhängig ist. Im ersten Moment schein diese Frage etwas merkwürdig. Aber es ist wirklich ganz natürlich, dass Ihnen etwas fehlen wird, wenn sich etwas verändert. Sollten Sie sich über Jahre hinweg daran gewöhnt haben, Dinge zu tun, die die alkoholabhängige Person jetzt wieder selbst tun will, so heißt das nicht, dass Sie sich automatisch dabei wohl fühlen.

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Test: Bin ich Alkohol-Co-abhängig?

Glauben Sie eine Mitschuld am Trinkverhalten des Angehörigen zu haben? ja nein Haben Sie öfters mit ihm zu Hause gemeinsam getrunken, damit er nicht in der Öffentlichkeit (z.B. Restaurant) trinkt? ja nein Fühlen Sie sich stark, wenn der Abhängige sich schwach fühlt? ja nein Werden Sie von anderen gelobt, weil Sie so tapfer sind? ja nein Erfinden Sie Notlügen für den Alkoholkranken oder versuchen Sie seine Unregelmäßigkeiten vor anderen (z.B. Arbeitgeber) zu decken? ja nein Hängen Ihre Gefühle stark vom Zustand des Abhängigen ab? ja nein Übernehmen Sie Aufgaben des Abhängigen, weil er sie selbst nicht bewältigen kann? ja nein Vermeiden Sie es mit anderen Menschen über Probleme des Suchtkranken zu sprechen? ja nein Haben Sie schon mal mit Maßnahmen (z.B. Trennung etc.) gedroht, weil er soviel trinkt, diese aber nicht konsequent durchgezogen? ja nein Haben Sie häufiger das Gefühl, dass Sie gegen den Abhängigen machtlos sind? ja nein Haben Sie häufiger Drohungen gegenüber dem Abhängigen ausgesprochen, die Sie dann doch nicht verwirklicht haben? ja nein Haben Sie das Gefühl, dass Alkohol eine immer größere Rolle in Ihrer Beziehung spielt? ja nein Übernehmen Sie zunehmend Aufgaben, die der Alkoholkranke noch bewältigen könnte? ja nein Haben Sie bereits finanzielle Schwierigkeiten durch die Trinkerei des Abhängigen? ja nein Wechseln Ihre Gefühle für den trinkenden Partner häufig zwischen Hass und Liebe? ja nein Haben Sie das Gefühl, dass Ihr Partner noch tiefer abrutscht, wenn Sie ihn verlassen? ja nein Je mehr Antworten Sie mit "ja" beantwortet haben um so wahrscheinlicher ist es, dass Sie Co-Abhängig sind. In diesem Falle sollten Sie eine Beratungsstelle aufsuchen, die Ihnen gezielt weiterhelfen kann.

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Einige hilfreiche Gedanken bei Co – Abhängigkeit

Suche dir einen aus und schaue nach, inwieweit er für dich gilt und ob du ihm zustimmen kannst :

• Ich habe das Recht, an mich zu denken und etwas für mich zu tun.

• Ich darf mich wohl fühlen, wenn ich gut für mich sorge.

• Ich darf mir Zeit für mich nehmen.

• Ich darf meine Wünsche und Bedürfnisse fühlen und sie an die erste Stelle setzen.

• Was die alkoholkranke Person sagt und meint, sollte mich veranlassen, es nicht

zuzulassen, davon verletzt zu werden.

• Ich brauche nicht mehr alleine damit klarkommen, denn ich suche mir Hilfe und

Unterstützung.

• Ich darf über den Alkoholismus mit jedem reden, wenn es mir gut tut.

• Ich darf mir bei Entscheidungen Zeit lassen, solange ich nicht weiß, was richtig für mich

ist.

• Ich habe das Recht, mich und meine Kinder zu schützen und alles für unser Wohl dafür

tun.

• Ich darf langsam lernen und auch Fehler machen, denn alle Menschen machen Fehler.

• Ich bin so wie ich bin, in Ordnung.

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