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pflege & wissenschaft 10.1007/s00735-015-0552-0 08/2015 pro care 34 © Springer-Verlag Cochrane Pflege Forum Instrumente zur Risikoeinschätzung zur Dekubitusprävention S. Osmancevic, D. Schoberer 1 Die Forschungsfrage: Kann durch die Anwendung von strukturierten Instru- menten zur Risikoeinschätzung von Druckgeschwüren (z.B. Braden Skala) im Vergleich zur unstrukturierten Risi- koeinschätzung oder subjektiven Ein- schätzung (ohne Kriterien) von Druck- geschwüren, das Entstehen von Druck- geschwüren in Gesundheitseinrichtun- gen reduziert werden? Stichprobe Die Teilnehmer waren Personen jeglichen Alters, die keinen Dekubitus hatten und in einer Gesundheitseinrichtung versorgt wurden. Intervention und Kontrolle Personen in den Interventionsgruppen wurden mit verschiedenen Instrumenten zur Risikoeinschätzung hinsichtlich ihres Dekubitusrisikos eingeschätzt. In den Kontrollgruppen wurde die Risikoein- schätzung ohne Instrument (subjektive Einschätzung durch Pflegepersonen) und durch eine unstrukturierte Risikoein- schätzung durchgeführt. Des Weiteren wurde die Anwendung von verschiedenen Instrumenten zur Risikoeinschätzung un- tereinander verglichen. Zielkriterien Das primäre Zielkriterium war die Anzahl der neu entstandenen Druckgeschwüre in den Untersuchungsgruppen. Methodisches Vorgehen Im Rahmen dieser systematischen Über- sichtsarbeit wurde im Dezember 2013 in folgen elektronischen Datenbanken nach RCTs (Randomisierte kontrollierte Stu- dien) und Cluster-RCTs gesucht: e Cochrane Wounds Group Specialised Re- gister, e Cochrane Central Register of Controlled Trials, MEDLINE, EMBASE und EBSCO CINAHL. Es wurden keine sprachlichen oder zeitlichen Einschrän- kungen gesetzt. Zusätzlich, zu den elektro- nischen Datenbanken, wurde in Referenz- listen der relevanten Studien gesucht und Experten in der Wundversorgung kontak- tiert (European Pressure Ulcer Advisory Panel, e European Wound Management Association, e National Pressure Ulcer Advisory Panel und e World Union of Wound Healing Societies). Die Auswahl der relevanten Studien wurde von zwei Autoren getrennt voneinander durchge- führt und die Qualität der einzelnen Stu- dien mit dem Instrument der Cochrane Collaboration zur Ermittlung von Verzer- rungen eingeschätzt. Unstimmigkeiten wurden im Diskurs gelöst. Datenanalyse Für dichotome Daten wurde das Relative Risiko (RR) mit dem 95% Konfidenzinter- vall (CI) errechnet. Aufgrund der fehlen- den Studien mit ähnlichen Interventionen konnten die Studien nicht zusammenge- fasst werden und wurden demnach ein- zeln beschrieben. Die quantitativen Daten wurden mit der Software RevMan 5 ausge- wertet. Ergebnisse Insgesamt konnten zwei Studien zur Be- antwortung der Forschungsfrage identifi- ziert werden, in denen fünf Vergleiche un- 1 Selvedina Osmancevic, BSc; Daniela Schoberer BSc, MSc Senior Lecturer Institut für Pflegewissenschaft Medizinische Universität Graz Plain Language Summary Druckgeschwüre (auch bekannt als Dekubitus, Wundliegegeschwüre, und Dekubitalgeschwüre) sind Bereiche mit lokaler Schädigung der Haut, darunter liegendem Gewebe oder beidem. Diese treten häufig über Knochenvorsprüngen, als Ergebnis von Druck, oder Druck in Kombination mit Scherkräften (Gewebezer - rung infolge von Reibung und Dehnung des Weichgewebes zwischen Knochen- strukturen und der Haut) auf. Druckgeschwüre treten hauptsächlich bei Menschen mit eingeschränkter Mobilität, Nervenschädigungen oder bei Menschen mit beiden Beschwerden auf. Die Einschätzung des Dekubitus-Risikos ist Teil des Prozesses, um Personen mit dem Risiko, einen Dekubitus zu entwickeln, zu identifizieren. Zur Risikoeinschätzung werden im Allgemeinen Checklisten verwendet, wobei deren Anwendung in Leitlinien, zur Vorbeugung von Dekubitus, empfohlen wird. In diesem Review wurden zwei geeignete Studien gefunden, die eingeschlossen werden konnten. Die erste Studie fand keinen Unterschied in der Anzahl neu erworbener Druckgeschwüre, bei Personen, die anhand der Braden- Skala eingeschätzt wurden, im Vergleich zu einer unstrukturierten Risikoeinschät- zung. Jedoch gab es in dieser Studie methodische Einschränkungen. Auch in der zweiten Studie konnten keine Unterschiede in der Anzahl neu entstandener Druckgeschwüre bei Personen festgestellt werden, die mit der Waterlow-Skala, der Ramstadius-Skala oder einer alleinigen klinischen Beurteilung eingeschätzt wurden. Bei dieser Studie gab es keine methodischen Einschränkungen. Demnach gibt es zurzeit keine Studien, die darauf hinweisen, dass die Verwendung von Instrumenten zur Risikoeinschätzung die Anzahl neu entwickelter Druckgeschwüre vermindert. Photo: Darko Novakovic/drx – Fotolia

Cochrane Pflege Forum · dien mit dem Instrument der Cochrane Collaboration zur Ermittlung von Verzer-rungen eingeschätzt. Unstimmigkeiten wurden im Diskurs gelöst. Datenanalyse

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Page 1: Cochrane Pflege Forum · dien mit dem Instrument der Cochrane Collaboration zur Ermittlung von Verzer-rungen eingeschätzt. Unstimmigkeiten wurden im Diskurs gelöst. Datenanalyse

pflege & wissenschaft

10.1007/s00735-015-0552-0

08/2015 pro care34 © Springer-Verlag

Cochrane Pflege Forum

Instrumente zur Risikoeinschätzung zur Dekubitusprävention

S. Osmancevic, D. Schoberer1

Die Forschungsfrage: Kann durch die An wendung von strukturierten Instru-menten zur Risikoeinschätzung von Druckgeschwüren (z.B. Braden Skala) im Vergleich zur unstrukturierten Risi-koeinschätzung oder subjektiven Ein-schätzung (ohne Kriterien) von Druck-geschwüren, das Entstehen von Druck- geschwüren in Gesundheitseinrichtun-gen reduziert werden?

Stichprobe

Die Teilnehmer waren Personen jeglichen Alters, die keinen Dekubitus hatten und in einer Gesundheitseinrichtung versorgt wurden.

Intervention und Kontrolle

Personen in den Interventionsgruppen wurden mit verschiedenen Instrumenten zur Risikoeinschätzung hinsichtlich ihres Dekubitusrisikos eingeschätzt. In den Kontrollgruppen wurde die Risikoein-schätzung ohne Instrument (subjektive Einschätzung durch P�egepersonen) und durch eine unstrukturierte Risikoein-schätzung durchgeführt. Des Weiteren wurde die Anwendung von verschiedenen Instrumenten zur Risikoeinschätzung un-tereinander verglichen.

Zielkriterien

Das primäre Zielkriterium war die Anzahl der neu entstandenen Druckgeschwüre in den Untersuchungsgruppen.

Methodisches Vorgehen

Im Rahmen dieser systematischen Über-sichtsarbeit wurde im Dezember 2013 in folgen elektronischen Datenbanken nach RCTs (Randomisierte kontrollierte Stu-dien) und Cluster-RCTs gesucht: �e Cochrane Wounds Group Specialised Re-gister, �e Cochrane Central Register of

Controlled Trials, MEDLINE, EMBASE und EBSCO CINAHL. Es wurden keine sprachlichen oder zeitlichen Einschrän-kungen gesetzt. Zusätzlich, zu den elektro-nischen Datenbanken, wurde in Referenz-listen der relevanten Studien gesucht und Experten in der Wundversorgung kontak-tiert (European Pressure Ulcer Advisory Panel, �e European Wound Management Association, �e National Pressure Ulcer Advisory Panel und �e World Union of Wound Healing Societies). Die Auswahl der relevanten Studien wurde von zwei Autoren getrennt voneinander durchge-führt und die Qualität der einzelnen Stu-dien mit dem Instrument der Cochrane Collaboration zur Ermittlung von Verzer-rungen eingeschätzt. Unstimmigkeiten wurden im Diskurs gelöst.

Datenanalyse

Für dichotome Daten wurde das Relative Risiko (RR) mit dem 95% Kon�denzinter-vall (CI) errechnet. Aufgrund der fehlen-den Studien mit ähnlichen Interventionen konnten die Studien nicht zusammenge-

fasst werden und wurden demnach ein-zeln beschrieben. Die quantitativen Daten wurden mit der Software RevMan 5 ausge-wertet.

Ergebnisse

Insgesamt konnten zwei Studien zur Be-antwortung der Forschungsfrage identi�-ziert werden, in denen fünf Vergleiche un-

1 Selvedina Osmancevic, BSc; Daniela Schoberer BSc, MSc Senior Lecturer Institut für Pflegewissenschaft Medizinische Universität Graz

Plain Language SummaryDruckgeschwüre (auch bekannt als Dekubitus, Wundliegegeschwüre, und Dekubitalgeschwüre) sind Bereiche mit lokaler Schädigung der Haut, darunter liegendem Gewebe oder beidem. Diese treten häufig über Knochenvorsprüngen, als Ergebnis von Druck, oder Druck in Kombination mit Scherkräften (Gewebezer-rung infolge von Reibung und Dehnung des Weichgewebes zwischen Knochen-strukturen und der Haut) auf. Druckgeschwüre treten hauptsächlich bei Menschen mit eingeschränkter Mobilität, Nervenschädigungen oder bei Menschen mit beiden Beschwerden auf. Die Einschätzung des Dekubitus-Risikos ist Teil des Prozesses, um Personen mit dem Risiko, einen Dekubitus zu entwickeln, zu identifizieren. Zur Risikoeinschätzung werden im Allgemeinen Checklisten verwendet, wobei deren Anwendung in Leitlinien, zur Vorbeugung von Dekubitus, empfohlen wird. In diesem Review wurden zwei geeignete Studien gefunden, die eingeschlossen werden konnten. Die erste Studie fand keinen Unterschied in der Anzahl neu erworbener Druckgeschwüre, bei Personen, die anhand der Braden-Skala eingeschätzt wurden, im Vergleich zu einer unstrukturierten Risikoeinschät-zung. Jedoch gab es in dieser Studie methodische Einschränkungen. Auch in der zweiten Studie konnten keine Unterschiede in der Anzahl neu entstandener Druckgeschwüre bei Personen festgestellt werden, die mit der Waterlow-Skala, der Ramstadius-Skala oder einer alleinigen klinischen Beurteilung eingeschätzt wurden. Bei dieser Studie gab es keine methodischen Einschränkungen. Demnach gibt es zurzeit keine Studien, die darauf hinweisen, dass die Verwendung von Instrumenten zur Risikoeinschätzung die Anzahl neu entwickelter Druckgeschwüre vermindert.

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Weitere Informationen unter:www.SpringerMedizin.at/

08/2015pro care 35© Springer-Verlag

stehen von einem Dekubitus festgestellt werden (RR=0.79, 95%CI=0.46-1.35).

In einer Untersuchung wurde der Ver-gleich zwischen zwei Skalen durchgeführt, nämlich die Einschätzung mit der Water-low Skala im Vergleich zur Ramstadius Skala. Es gab keinen signi�kanten Unter-schied beim Auftreten von Dekubitus zwi-schen den Vergleichsgruppen (RR=1.44, 95%CI=0.85-2.44). n

Zusammengefasst und übersetzt von: Sel-vedina Osmancevic, BSc; Daniela Schobe-rer BSc, MSc

tersucht werden. Nachfolgend werden die Ergebnisse nach Interventionen geclustert dargestellt.

Beim Vergleich zwischen der Risiko-einschätzung mit der Braden Skala und ei-ner unstrukturierten Risikoeinschätzung durch die P�egepersonen konnte kein sig-ni�kanter Unterschied im Entstehen von Druckgeschwüren festgestellt werden (RR=0.97, 95%CI=0.53-1.77). Sowohl die Pflegepersonen in der Interventions-gruppe, als auch in der Kontrollgruppe, er-hielten im Vorfeld eine Schulung zum �ema Dekubitus.

In einer weiteren Untersuchung wurde das Einschätzen des Dekubitusrisikos mit der Braden Skala mit einer unstrukturier-ten Risikoeinschätzung verglichen, wobei nur die Gruppe der P�egepersonen, die mit der Braden Skala das Risiko ein-schätzte, im Vorfeld eine Schulung zum �ema Dekubitus erhielt. Es gab keinen si-gni�kanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen (RR=1.43, 95%CI=0.77-2.68).

Ein anderer Vergleich wurde zwischen dem Einschätzen mit der Waterlow Skala und einer subjektiven Risikoeinschätzung ohne Instrument durchgeführt. Dabei konnte kein signi�kanter Unterschied zwi-schen den beiden eingeschätzten Grup-pen beim Entstehen von Druckgeschwü-ren festgestellt werden (RR=1.10, 95%CI= 0.68-1.81).

In einer Untersuchung, in der zwischen dem Einschätzen mit der Ramstadius Skala und einer subjektiven Risikoein-schätzung (ohne Instrument) verglichen wurde, war die Anzahl der neu entstande-nen Druckgeschwüre in beiden Gruppen ähnlich (Ramstadius 5.4%; subjektive Risi-koeinschätzung ohne Instrumenten 6.8%). Es konnte kein signi�kanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen beim Ent-

pro care

LITERATUR

Original Cochrane Review: Moore, Z.E.H., Cownam, S. (2014) Risk assessment tools for the prevention of pressure ulcers (Review), Cochrane Database of Systematic Reviews, Issue 2.

Cochrane Pflege Corner: Wissen was wirktDas „Cochrane Pflege Forum“ ist eine Serie in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Cochrane Zentrum. Es zeigt in regelmäßigen Abständen den aktuellen Stand der Forschung in Form von Zusammenfassungen von Cochrane Reviews auf. Dabei werden unterschiedliche pflegerische Themen aufgegriffen. Ziel der Serie ist es, den Pflegekräften Forschungsergebnisse schneller und direkter zur Verfügung zu stellen.