3
TEXTILPLUS FACHARTIKEL 16 AUSGABE 05/06-2020 In der Veranstaltungsreihe «talk about textiles» unseres Vereines SVTF im November 2019 begeisterten die Geschäftsleitungsmitglieder der Schweizer Textilmanufaktur Colora Seta AG, Andrea Zwygart und Orpheo Deubelbeiss, die zahlreichen Teilnehmenden mit ihrer Unternehmensstrategie. Grund genug für die Redaktion TEXTILplus nach Huttwil zu reisen und bei Andrea Zwygart etwas detaillierter nachzufra- gen. COLORA – MODE, DIE GLÜCKLICH MACHT! ■ ■ ■ TP: Frau Zwygart, werfen wir einen Blick zurück auf die Entstehung der Colora Seta AG. Niklaus Schär, Regina Greub und Christoph Hobi gründeten 1988 die Firma Colora. Mit sozialer und ökologischer Ver- antwortung, hochwertiger Qualität und sorgfältiger Ver- arbeitung, folgten die drei von Anfang an einer nachhal- tigen Unternehmensphilosophie. Mittels neu entwickelter Färbeverfahren stellte Colora vorerst Foulards aus Naturfa- sern, wie Seide und Wolle her. Schon bald war die Nachfrage so hoch, dass das Angebot ausgebaut werden konnte. Erste umfangreichere Accessoires-Kollektionen entstanden und konnten an Wiederverkäufer in der ganzen Schweiz gelie- fert werden. Auch Grossaufträge von einigen Tausend Stück handbemalter Schals wurden produziert. Die Firma wuchs und bezog 1992 neue, grössere und auf ihre Bedürfnisse ausgebaute Räumlichkeiten in der Wohn- und Gewerbege- nossenschaft Huttwil. Luzia Steffen stiess 1996 zum Team und übernahm die Verantwortung für die Entwicklung der Kollektionen. Auf Wunsch etlicher Kunden entwarf sie erstmals Shirts und Pullover, die in vielen, saisonal wech- selnden Farben, angeboten wurden. Das Konzept fand gros- sen Anklang. Durch den Erfolg bestärkt, wurde die Kollek- tion umfangreicher und vielfältiger. Der Wunsch nach einem eigenen Laden, in dem die Vielfalt des gesamten Sor- timents präsentiert und verkauft werden konnte, wuchs. 2007 war es dann soweit: Die erste Colora Boutique öffnete in Langenthal ihre Türen. In den kommenden Jahren folg- ten mit Köniz, Aarau, Luzern, Winterthur und 2019 Zürich und Basel weitere Standorte. TP: Wie entsteht ihre «Mode, die glücklich macht»? Seit über 30 Jahren setzen wir auf Slow Fashion. In der Mode sind Herkunft, Diversity und Feel-Good-Faktor heute wich- tiger denn je. Wir produzieren seit Anbeginn fair und nach- haltig. Die Kundinnen sind bestens informiert, wollen wis- sen, woher der Stoff ihrer Bluse kommt und wer sie genäht hat (Abb. 1). Sie kaufen weniger, aber bewusster ein und sind bereit für einen nachvollziehbaren Mehrwert etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Unsere Produktionswege sind kurz und überschaubar. Im Designatelier in Huttwil/BE, entwer- fen die Designerinnen mit viel Liebe und Affinität zum Schö- nen, zweimal jährlich eine neue Kollektion. Hochwertige Stoffe, wie bioRe® zertifizierte Baumwolle oder Tencel®, bil- den die Basis. Dazu kommen auserlesene Gewebe mit hohem Naturfaseranteil und im Emmental produzierte Gestricke. ANDREA ZWYGART Geschäftsleitung Colora Seta AG CH-4950 Huttwil [email protected] Abb. 1: Die Kundinnen wollen wissen, woher wer ihrer Bluse genäht hat.

COLORA – MODE, DIE GLÜCKLICH MACHT!...bergreifend kombinierbar sind und der soliden Basic Linie in Verbindung mit modischen Teilen (Abb. 4). Hier das rich tige Verhältnis zu finden

  • Upload
    others

  • View
    16

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: COLORA – MODE, DIE GLÜCKLICH MACHT!...bergreifend kombinierbar sind und der soliden Basic Linie in Verbindung mit modischen Teilen (Abb. 4). Hier das rich tige Verhältnis zu finden

TEXTILPLUS

FACHARTIKEL

16  AUSGABE 05/06-2020

In der Veranstaltungsreihe «talk about textiles» unseres Vereines SVTF im November 2019 begeisterten die Geschäftsleitungsmitglieder der Schweizer Textilmanufaktur Colora Seta AG, Andrea Zwygart und Orpheo Deubelbeiss, die zahlreichen Teilnehmenden mit ihrer Unternehmensstrategie. Grund genug für die Redaktion TEXTILplus nach Huttwil zu reisen und bei Andrea Zwygart etwas detaillierter nachzufra-gen.

COLORA – MODE, DIE GLÜCKLICH MACHT!

■ ■ ■

TP: Frau Zwygart, werfen wir einen Blick zurück auf die Entstehung der Colora Seta AG.Niklaus Schär, Regina Greub und Christoph Hobi gründeten

1988 die Firma Colora. Mit sozialer und ökologischer Ver­

antwortung, hochwertiger Qualität und sorgfältiger Ver­

arbeitung, folgten die drei von Anfang an einer nachhal­

tigen Unternehmensphilosophie. Mittels neu entwickelter

Färbeverfahren stellte Colora vorerst Foulards aus Naturfa­

sern, wie Seide und Wolle her. Schon bald war die Nachfrage

so hoch, dass das Angebot ausgebaut werden konnte. Erste

umfangreichere Accessoires­Kollektionen entstanden und

konnten an Wiederverkäufer in der ganzen Schweiz gelie­

fert werden. Auch Grossaufträge von einigen Tausend Stück

handbemalter Schals wurden produziert. Die Firma wuchs

und bezog 1992 neue, grössere und auf ihre Bedürfnisse

ausgebaute Räumlichkeiten in der Wohn­ und Gewerbege­

nossenschaft Huttwil. Luzia Steffen stiess 1996 zum Team

und übernahm die Verantwortung für die Entwicklung

der Kollektionen. Auf Wunsch etlicher Kunden entwarf sie

erstmals Shirts und Pullover, die in vielen, saisonal wech­

selnden Farben, angeboten wurden. Das Konzept fand gros­

sen Anklang. Durch den Erfolg bestärkt, wurde die Kollek­

tion umfangreicher und vielfältiger. Der Wunsch nach

einem eigenen Laden, in dem die Vielfalt des gesamten Sor­

timents präsentiert und verkauft werden konnte, wuchs.

2007 war es dann soweit: Die erste Colora Boutique öffnete

in Langenthal ihre Türen. In den kommenden Jahren folg­

ten mit Köniz, Aarau, Luzern, Winterthur und 2019 Zürich

und Basel weitere Standorte.

TP: Wie entsteht ihre «Mode, die glücklich macht»?Seit über 30 Jahren setzen wir auf Slow Fashion. In der Mode

sind Herkunft, Diversity und Feel­Good­Faktor heute wich­

tiger denn je. Wir produzieren seit Anbeginn fair und nach­

haltig. Die Kundinnen sind bestens informiert, wollen wis­

sen, woher der Stoff ihrer Bluse kommt und wer sie genäht

hat (Abb. 1). Sie kaufen weniger, aber bewusster ein und sind

bereit für einen nachvollziehbaren Mehrwert etwas tiefer in

die Tasche zu greifen. Unsere Produktionswege sind kurz

und überschaubar. Im Designatelier in Huttwil/BE, entwer­

fen die Designerinnen mit viel Liebe und Affinität zum Schö­

nen, zweimal jährlich eine neue Kollektion. Hochwertige

Stoffe, wie bioRe® zertifizierte Baumwolle oder Tencel®, bil­

den die Basis. Dazu kommen auserlesene Gewebe mit hohem

Naturfaseranteil und im Emmental produzierte Ge stricke.

ANDREA ZWYGART

Geschäftsleitung Colora Seta AG CH-4950 Huttwil

[email protected]

Abb. 1: Die Kundinnen wollen wissen, woher wer ihrer Bluse genäht hat.

Page 2: COLORA – MODE, DIE GLÜCKLICH MACHT!...bergreifend kombinierbar sind und der soliden Basic Linie in Verbindung mit modischen Teilen (Abb. 4). Hier das rich tige Verhältnis zu finden

TEXTILPLUS

FACHARTIKEL

AUSGABE 05/06-2020  17

Selbst Strickstücke aus Emmentaler Flachs sind dabei (Abb.

2). Genäht werden die Modelle in traditionellen Nähereien

in Oberitalien.

Zurück in Huttwil wandern sie in der hauseigenen Stück­

färberei, übrigens eine der letzten in der Schweiz, in ein

Färbebad. Unsere Färber sind Profis, für den gewünschten

Farbton müssen die Rezepturen exakt eingehalten und die

Färbprogramme minutiös überwacht werden. Anschlies­

send wird jedes Stück in der Fertigung kontrolliert, der Farb­

ton wird mit der Mustervorlage verglichen, es werden

Knöpfe und Riegel angenäht, Säume aufgebügelt, Fäden ab­

geschnitten und Nähte kontrolliert. Zum Schluss erhält je­

des Teil ein Etikett, wird verpackt und bereit gestellt für den

Transport in die Boutiquen

TP: Was ist das Erfolgsrezept Ihres Unterneh-mens?Den persönlichen Kundenkontakt und den Service in den

eigenen Läden pflegen. Den Kundinnen ehrliche Zuwen­

dung schenken, ihnen zuhören, nach Wünschen fragen, sie

ernst nehmen, so dass sie Wertschätzung erfahren. Gleich­

zeitig die Glaubwürdigkeit der Firma transparent machen,

so dass sich die Kundin im besten Fall ein bisschen verliebt

und glücklich wiederkommt. Wir produzieren massvoll und

überschaubar, vermeiden wenn möglich Überproduktio­

nen.

Ausserdem wollen wir uns vom Massenangebot abheben,

mit unserer einmaligen Auswahl von Farben, die saisonü­

bergreifend kombinierbar sind und der soliden Basic Linie

in Verbindung mit modischen Teilen (Abb. 4). Hier das rich­

tige Verhältnis zu finden ist eine grosse Herausforderung.

Daher gibt es immer wieder Stücke die weniger gefragt sind,

fehlerhafte Teile aus der Produktion oder Prototypen, die

nicht über die Boutiquen verkauft werden können, diese bie­

ten wir in unserem Outlet in Huttwil an, wo schon so man­

che Kundin ein wunderbares Einzelstück, gefunden hat.

TP: In Ihrem Vortrag haben wir Sie als «Gegnerin» des «Black Friday» kennengelernt. Was setzen Sie diesem Trend entgegen?

Den mittlerweile allgegenwärtigen Dauer­Sale bekämpfen

und nicht dadurch die Wertigkeit und Qualität unserer Pro­

dukte mindern, ist unser Ziel. Dem mitmachenden Detail­

handel entstehen durch die Rabatte grosse Margenverluste,

das vorgezogene Weihnachtsgeschäft während des Black

Friday fehlt dann ausgerechnet in der einst umsatzstärks ­

ten Zeit vor Weihnachten, denn die Kunden haben Ihr Geld

bereits ausgegeben. Mit dem «White Friday», bei dem wir an

einem Tag von jedem verkauften Stück 10 % an eine gemein­

Abb. 2: Gestricktes Oberteil aus Emmentaler Flachs.

Abb. 3: Die hauseigene Färberei.

Page 3: COLORA – MODE, DIE GLÜCKLICH MACHT!...bergreifend kombinierbar sind und der soliden Basic Linie in Verbindung mit modischen Teilen (Abb. 4). Hier das rich tige Verhältnis zu finden

TEXTILPLUS

FACHARTIKEL

18  AUSGABE 05/06-2020

nützige Organisation spenden, positionieren wir uns ganz

klar als Gegentrend. Wir sensibilisieren die Kunden darauf,

was hinter den vermeintlichen «Schnäppchenpreisen» steht.

Oft werden sie durch unrealistische Ausgangspreise ge­

täuscht.

TP: In dieser TEXTILplus-Ausgabe publizieren wir einen Artikel über SwissFlax. Was versprechen Sie sich von dieser Zusammenarbeit?

Wie wollen nachhaltig und regional produzieren und gleich­

zeitig aufzeigen, was wir schon tun und was noch nicht

geht, aber auch was möglicherweise nie gehen wird. Wir

fühlen uns, zusammen mit der SwissFlax GmbH, als Teil der

Herstellungskette, am für uns passenden Ort.

TP: Warum setzen Sie so stark auf die Stückver-edlung?Im Gegensatz zu industriellen Veredlungsverfahren von Me­

terware werden bei der Stückfärberei fertig konfektionierte

Textilien gefärbt. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt für

Colora auf der Hand: Die Kollektionen können rohweiss pro­

duziert und anschliessend in die gewünschten Farben ge­

färbt werden. Die Kollektionen funktionieren nach dem

Mix­Match Prinzip und können saisonübergreifend getra­

gen werden, so werden die Stücke zu langlebigen Lieblings­

begleiter. Die Stückveredlung hat aber auch einige Anforde­

rungen an Einsprung, Nähfaden, Oberflächenstruktur und

Fasermischungen zur Folge, die gute Partnerschaften zu

Webereien und Nähereien voraussetzen. Ein wesentlicher

Vorteil der Stückveredlung ist die Formstabilität, durch me­

chanische Belastung und hohe Temperaturen bei der Fär­

bung erhalten die gefärbten Teile ihre endgültige Grösse

und den ganz eigenen Charakter.

TP: Sie bieten – wohl einzigartig in der Schweiz – einen Färbe-Service an. Was hat Sie dazu bewogen?

Unser Färber Know­how stellen wir auch öffentlich als

Dienstleistung zur Verfügung. Mit unserem Colour Service

bieten wir Einfärbungen, Umfärbungen oder Auffrischun­

gen von Textilien aller Art an. Mit diesem Angebot haben

wir eine nachhaltige Möglichkeit lanciert, diverse Textilien

mit neuer Farbe langlebiger zu machen. Wir möchten damit

auf Qualitätsbewusstsein und Wertschätzung von Kleidern

und Stoffen aufmerksam machen und ein Zeichen gegen die

Massenproduktion in Billiglohnländern setzen. Das Ange­

bot kommt im privaten Rahmen sehr gut an. Wir bekom­

men viele Färbaufträge von Kleinmengen und Einzelstü­

cken, die Freude über das «neugeborene» Lieblingsteil ist

meist sehr gross. Wir möchten das Angebot vermehrt auch

auf gewerblicher Ebene anbieten und Bereiche wie Theater,

Stoffhändler, Schneider, Hotels, Gastronomien, Wäsche­

reien, Spitäler und Wellness ansprechen, sowie zum Beispiel

Schweizer Jungdesigner*innen mit kleinen Kollektionen.

Frau Zwygart, herzlichen Dank für dieses Gespräch und viel Erfolg in Ihrer weiteren Arbeit bei der Colora Seta AG. ■

Abb. 4: Eine eigens für die Kundschaft kreierte Farbpalette.