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N e u e S c h u l w e g e i n E u r o p a COMENIUS

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Neue Schulwege in EuropaCOMENIUS

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Neue Schulwege in EuropaCOMENIUS

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Impressum

HerausgeberSekretariat der Kultusministerkonferenz –Pädagogischer Austauschdienst (PAD)

AnschriftLennéstraße 6, 53113 BonnTelefon (0228) 501-0Fax (0228) 501-259E-Mail: [email protected]: www.kmk-pad.org

RedaktionMonika Held, Martin Finkenberger

FotosAlle Fotos wurden von den jeweiligen Projekten zurVerfügung gestellt; Kultusministerkonferenz (S. 7);Barbara Beyer, PAD (Titelseite, S. 52)

DruckDruckerei Engelhardt, NeunkirchenMärz 2010

Der auszugsweise Nachdruck mit Quellenangabe isterlaubt. Zwei Belegexemplare an den PAD sinderbeten. Der Druck der Publikation wurde unterstütztaus Mitteln der Länder und der EuropäischenKommission, Generaldirektion Bildung und Kultur.Die Verantwortung für den Inhalt liegt beimHerausgeber.

Wir bitten um Verständnis, dass im Interesse einerleichteren Lesbarkeit dieser Publikation nicht immermännliche und weibliche Formen nebeneinanderverwendet werden.

Der PAD ist zertifiziert nachDIN EN ISO 9001:2000

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Inhalt

Inhalt 5

Grußwort

Dr. Ludwig SpaenlePräsident der Kultusministerkonferenz 7

COMENIUS – Neue Schulwege in Europa

Ilse Brigitte Eitze-SchützLeiterin des Pädagogischen Austauschdienstes

der Kultusministerkonferenz 8

Das Programm für lebenslanges Lernen 10

Partnerschaft – Einführung 12

Me Tarzan, you JaneErich-Kästner-Realschule Hermeskeil 14

Spaß an Mathematik mitder COMENIUS-MathestadtErwin-Lesch-Schule SFZ Neumarkt 16

Gemeinsamkeiten und VielfaltWie anders sind die Anderen?Diesterweg-Gymnasium Tangermünde-Havelberg 18

Halten sich Vögel und Fischean Staatsgrenzen?Grundschule Mönchberg in Herrenberg 20

Aus Müll wird ModeWilly-Brandt-Schule Gießen 22

Hannah geht neue Wegeim SchüleraustauschMinisterium für Bildung des Saarlandes 24

Mobilität – Einführung 26

Hej Dänemark – Sieben MonateCOMENIUS-Assistentan der Gug-Skole in AalborgGug-Skole in Aalborg 28

»Die lettische Sprache ist auch nichtleichter als Deutsch«Ketteler-Schule Beckum,

Städtische katholische Hauptschule 30

Erfahrungen an einer schwedischen»grundskola«Backens Skola in Harmånger 32

»Two, two, two« – Methodenvielfaltim SprachenunterrichtInternational House of Dublin 34

Berlin im Kasten – MedienpädagogischeFortbildungen mit COMENIUSKulturring Berlin e.V. 36

Reif für die Insel? 1 plus 12 Schulsystemein einem einzigen StudienaufenthaltForum for Oppvekst i Sunnhordland (Norwegen) 38

Viele Wege führen zum Erfolg – Schulenim Spannungsfeld zwischen Autonomieund RechenschaftspflichtSächsisches Bildungsinstitut (SBI) 40

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6 Inhalt

Innovation – Einführung 42

Kunst im sozialen BrennpunktAlanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft 44

Interkulturelle Kompetenzin der LehrerausbildungStaatliches Seminar für Didaktik und Lehrerbildung (GHS) 46

Vom Primus inter Pares zum ManagerNiedersächsisches Landesamt für Lehrerbildung

und Schulentwicklung (NiLS) 48

Eine Roman(t)ische Sprachreisein die MehrsprachigkeitDeutsche Gesellschaft für das hochbegabte Kind,

Regionalverein Mecklenburg-Vorpommern 50

Referenztexte der

Kultusministerkonferenz 52

Adressen 54

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die europäische Kooperation im Schulbereich ist eine Erfolgsge-schichte. COMENIUS als eine der zentralen Säulen des Programmsfür lebenslanges Lernen, das von 2007 bis 2013 läuft, ist heute anvielen Schulen fest verankert. Die Plakette, die Schulen zum Startihrer Projektarbeit erhalten und – oftmals in einem feierlichenAkt – an ihren Gebäuden anbringen, hat sich zu einem begehrtenGütesiegel entwickelt.

Zahlreiche Beispiele guter Praxis belegen die hohe Qualität derProjektarbeit, die Schulen, Einrichtungen der Lehreraus- und -fort-bildung sowie der Bildungsverwaltung in Deutschland gemein-sam mit ihren Partnern in Europa leisten. Einige davon, die seitdem Start des Programms entwickelt und durchgeführt wordensind, werden auf den folgenden Seiten vorgestellt.

Die europäischen Bildungsprogramme im Schulbereich blickeninzwischen auf eine längere Geschichte zurück. Seit Mitte derneunziger Jahre eröffnen sie Schulen neue Wege in und nachEuropa. In dieser Zeit haben sie Brücken gebaut, mit denen einstbestehende Grenzen auf unserem Kontinent überwunden werdenkonnten. So waren Partnerschaften und Projekte mit Schulen un-serer Nachbarn in Mittel-, Ost- und Südosteuropa bereits zueinem Zeitpunkt möglich, als deren politische Integration nochnicht abgeschlossen war. Die europäischen Programme erlaubeninnovative und kreative Formen der Zusammenarbeit. Sie unter-stützen die Mobilität für Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte undFachleute der Bildungsverwaltung. Die zahlreichen Projekte inSchulen und im Unterricht, die so durchgeführt werden konnten,zeugen von einem lebendigen Europa, das seine Schülerinnenund Schüler auf die Herausforderungen künftiger Entwicklungenvorbereitet.

Schulen in Deutschland profitieren von diesen europäischenImpulsen in vielfältiger Weise. Gerade eine Gesellschaft, derenpolitische und wirtschaftliche Kooperation globalisiert ist und de-ren Wandel uns als zunehmend rasch erscheint, muss beständigdarum bemüht sein, die Qualität ihrer Schulen zu sichern undweiter zu entwickeln. Die europäischen Programme tragen dazubei. Mit COMENIUS holen Schulen sich ein Stück von Europa undder Welt ins Klassenzimmer – durch persönliche Begegnungenund gemeinsame Erlebnisse, zunehmend aber auch im virtuellenRaum. Sie geben unseren Schülerinnen und Schülern die persön-

Grußwort 7

Liebe Leserinnen, liebe Leser, Foto

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liche Chance, in anderen Ländern Erfahrungen zu sammeln undandere Kulturen kennenzulernen. Und sie ermöglichen unserenLehrkräften, sich in Europa fortzubilden, etwa durch den Aus-tausch von Erfahrungen. Besonders erfreulich dabei ist, dassCOMENIUS und die europäische Kooperation im Schulbereich zueinem Programm für alle Schulen und Schularten in Europa ge-worden ist.

COMENIUS erweist sich so als ein wichtiges Instrument, dieeuropäische Integration im Schulleben aktiv zu gestalten. DasProgramm vermittelt Respekt für die gemeinsamen Werte vonToleranz und Demokratie, auf denen Europa beruht. Es zeigt denReichtum kultureller und sprachlicher Vielfalt in Europa als wichti-ge Bestandteile unserer Identität und Ausdruck unserer Kultur. InEuropa liegt die »Einheit in der Vielfalt«.

Die Halbzeit des Programms für lebenslanges Lernen istein willkommener Anlass, die europäische ErfolgsgeschichteCOMENIUS einem größeren Publikum darzustellen. In der vorlie-genden Veröffentlichung des Pädagogischen Austauschdienstes(PAD) der Kultusministerkonferenz, der als Nationale Agentur inDeutschland im Auftrag der Länder die europäischen Programmeim Schulbereich koordiniert und weiterentwickelt, werden des-halb Beispiele guter Praxis aus allen Bereichen des Programmsvorgestellt. Damit verbunden ist der ganz besondere Dank an allebeteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schule, Lehreraus-und -fortbildung sowie der Schulverwaltung. Ohne ihren Einsatzund ihr Engagement wären diese europäischen Erfolgsgeschich-ten nicht möglich.

Dr. Ludwig SpaenlePräsident der Kultusministerkonferenz

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Neue (Schul)Wege – in neue PartnerländerDie Bildungszusammenarbeit war der politischen Einigung in

Europa immer einen Schritt voraus. So hat COMENIUS bereitsEnde der 1990er Jahre die Zusammenarbeit zwischen Schulen inDeutschland und künftigen Mitgliedstaaten in Mittel- und Ost-europa eröffnet und somit der politischen Einigung in den Jah-ren 2004 und 2007 den kulturellen Boden bereitet. 33 Staatenumfasst heute das Europa, das Schüler und Lehrer in Deutsch-land mit COMENIUS auf einfache Art und Weise erkunden underfahren können. Und die Zusammenarbeit mit den über Assozi-ierungsabkommen am Programm beteiligten Staaten wächst wei-ter. Waren es früher die Staaten in Mittel- und Osteuropa, beidenen COMENIUS der politischen Einigung voranschritt, so sindes heute Staaten in Südosteuropa und die Schweiz. Zu denneueren Teilnehmerstaaten am Programm zählt auch die Tür-kei – ein Land, das für Deutschland aufgrund des hohen An-teils der Schüler mit türkischem Migrationshintergrund einewichtige Rolle spielt.

Neue (Schul)Wege – durch neue KooperationsformenMit COMENIUS entwickeln sich Schulkooperationen und Pro-

jekte. Die zentrale Erfolgskomponente des Programms, die mehr-jährigen Schulprojekte im Rahmen multilateraler Partnerschaften,erreichen immer mehr Schulformen und Schülergruppen. Früherwurde der Wert eines Schüleraustauschs hauptsächlich im Spra-chenlernen für den gymnasialen Bereich gesehen. COMENIUS-Projekte dagegen ermöglichen es, gemeinsam an Themen zuarbeiten, die alle Aspekte von Schule berühren. Die Formen dereuropäischen Zusammenarbeit konnten damit deutlich erweitertwerden. So bauen bayerische Schüler mit sonderpädagogi-schem Förderbedarf mit Partnern in Österreich und Norwegeneine gemeinsame Mathe-Stadt (Seite 16), während Berufsschü-ler aus Gießen mit finnischen Schülern modische Outfits ausRecycling-Material erstellen (Seite 22).

Hinzu kommen neue Möglichkeiten der Kooperation: Einebesonders interessante Form der Zusammenarbeit eröffnet seit2009 COMENIUS-Regio. Dabei arbeiten regionale Netzwerke ausverschiedenen Staaten zu schulbezogenen Themen zusammen.Neue Kooperationsformen gibt es auch in der Lehrerbildung:Seit 2007 besteht für Lehrkräfte die Möglichkeit, mit COMENIUSan Partnereinrichtungen ein »Job-shadowing« durchzuführen.Durch einen mehrwöchigen Unterrichtsbesuch und ein aktivesPartizipieren an einer Partnerschule können Lehrer neue Impul-se für den Unterricht und die Gestaltung der eigenen Schulegewinnen.

Schulen im 21. JahrhundertWarum europäische Schulprojekte? Schulen stehen im 21. Jahr-

hundert Aufgaben gegenüber, die europäische und internationaleKompetenzen zu einem unverzichtbaren Ziel der Bildungjunger Menschen machen. Schulen müssen den Schülern inter-kulturelle Kompetenzen vermitteln, sie auf Tätigkeiten in globalkooperierenden Märkten vorbereiten und die Qualität des schu-lischen Lernens im internationalen Vergleich sicherstellen.COMENIUS-Projekte eröffnen viele Chancen, zur Bewältigung die-ser Herausforderungen beizutragen. Sie öffnen den Blick aufeuropäische Konzepte und Problemlösungen.

COMENIUS

Johann Amos Comenius, eigentlich Jan ÁmosKomenský, war ein tschechischer Theologeund Pädagoge der Frühen Neuzeit. Er istNamensgeber des EU-Programms, das seitseinem Start im Jahr 1995 eine europäischeErfolgsgeschichte geworden ist.

»Schulen sind Produktionsstätten der Menschlichkeit,sofern sie bewirken, dass aus Menschen wirklich Menschen werden.«

Große Unterrichtslehre, Johann Amos Comenius (1592–1670)

8 Einleitung

Mit dieser Veröffentlichungvermitteln wir Ihnen lebendigeEindrücke aus den verschiedenenAktionen des Programms. Wirmöchten damit neue Wegeaufzeigen, die Schulen mitCOMENIUS in der nunmehr drittenProgrammgeneration beschreitenkönnen. Die ausgewähltenBeispiele zeigen, welchen Wertdie verschiedenen Projekte undMaßnahmen für Schulen im21. Jahrhundert haben können.Sie dokumentieren zugleichEntwicklungen, die in dieanstehenden Beratungen für dienächste Programmgenerationab 2014 einfließen können.

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Interkulturelle KompetenzenEine wichtige Aufgabe von Schulen im 21. Jahrhundert ist es,

Perspektivenwechsel, Dialog, Toleranz und Integration von Eige-nem und Fremdem zu ermöglichen, so dass drängende gesell-schaftliche Herausforderungen wie Migration und Integration inder Schule reflektiert werden können. In Schulen gewinnen dieFolgen von Migration und Zuwanderung zunehmend an Relevanz.Diese Themen spielen in der Arbeit der Kultusministerkonferenzeine wichtige Rolle und sind etwa in der Erklärung »Integration alsChance – gemeinsam für mehr Chancengerechtigkeit« aufgegrif-fen worden (Seite 52). Wie der europäische Konsultationsprozessüber das Grünbuch der Europäischen Kommission »Migration undMobilität: Chancen und Herausforderungen für die europäischenBildungssysteme« vom Sommer 2008 gezeigt hat, ist Migrationeine Herausforderung nicht nur in Deutschland, sondern auch inEuropa.

Europäische Schulprojekte können interkulturelles Lernen unddie Integration von Schülern mit Migrationshintergrund in be-sonderem Maße fördern. Die Mehrsprachigkeit dieser Schülerund die Kenntnis über ihre Herkunftskulturen sind zugleich be-sondere Ressourcen, die für schulisches Lernen und für Schul-partnerschaften nutzbar gemacht werden können. Auch für dieLehrerbildung spielen interkulturelle Kompetenzen und Ausbil-dungsinhalte eine zunehmend wichtige Rolle. Junge Lehrkräftemüssen für die Vielfalt in der Schülerschaft sensibilisiert wer-den. Sie benötigen Wissen über Migration und Kulturen sowiedie Entwicklung affektiver und sozialer Kompetenzen im Um-gang mit Heterogenität. Multilaterale COMENIUS-Projekte wiedas in dieser Veröffentlichung vorgestellte Projekt TICKLE entwi-ckeln hierzu aus europäischer Perspektive neue Konzepte für dieLehrerbildung (Seite 46).

Globalisierung und WettbewerbsfähigkeitDie wirtschaftliche Krise hat den Einfluss global kooperieren-

der und konkurrierender Märkte auf das Leben des Einzelnen er-neut ins Bewusstsein gerufen. Die Bildungsminister in derEuropäischen Union haben im November 2008 in ihrer Agenda»Junge Menschen auf das 21. Jahrhundert vorbereiten« diehieraus resultierende Herausforderung für Schulen so formuliert:»Schulen haben die Pflicht, ihren Schülern die Bildung zu vermit-teln, die ihnen die Integration in eine zunehmend globalisierte,wettbewerbsorientierte, diversifizierte und komplexe Umwelt er-möglicht, in der Kreativität, Innovationsgeist, Eigeninitiative, Un-ternehmergeist und der Wille zur Weiterbildung genauso vielzählen wie spezielle Fachkenntnisse.« Die Erfahrungen mitCOMENIUS zeigen: Die Mitarbeit in europäischen Projekten bie-tet Schülern besondere Lernmöglichkeiten zur Entwicklung die-ser Kompetenzen.

Auch das Sprachenlernen hat im Zeitalter der Globalisierungweiter an Bedeutung gewonnen. Mehrsprachigkeit wird heuteals wichtiges Ziel schulischen Lernens gesehen. Mit dem Euro-päischen Sprachensiegel – einem Wettbewerb, der Teil des Pro-gramms für lebenslanges Lernen ist – wurden im Jahr 2009Projekte prämiert, die Mehrsprachigkeit von Schülern auf in-novative und kreative Art und Weise fördern. Eines der prä-mierten Projekte wird in dieser Veröffentlichung ebenfallsvorgestellt (Seite 50).

Schulqualität im internationalen VergleichInternationale Studien, die die Qualität schulischer Arbeit unter-

suchen, haben in den vergangenen Jahren den Blickwinkel erwei-tert. Vergleichsuntersuchungen wie TIMMS, PISA oder IGLU undVergleichsstudien in der EU sind Anlass zur Reflexion über Inhalte,Methoden und Ziele von Bildung. Der Vergleich mit anderen beför-dert den europäischen und globalen Wettbewerb zwischen denStaaten und ihren Schulsystemen. COMENIUS verschafft Schulen,Einrichtungen der Lehrerbildung und Landesbehörden die Mög-lichkeit, Einblicke in Schulkonzepte und die Schulwirklichkeit inanderen europäischen Staaten zu nehmen und aus den Stärkenund Schwächen anderer zu lernen. Insbesondere die Multilatera-len COMENIUS-Projekte und -Netzwerke bieten die Möglichkeit,durch den fachlichen Austausch und die Vernetzung von Einrich-tungen in Europa europäisches Expertenwissen zu gewinnen. EinBeispiel dafür ist die Arbeit eines COMENIUS-Netzwerks zur Qua-lifikation von Schulleitern (Seite 48).

Europabildung als Querschnittsaufgabe von SchuleDie Verbesserung der Kenntnisse über Europa, seine Staaten,

Menschen, Kulturen und Sprachen ist heute als wichtige Quer-schnittsaufgabe von Schule anerkannt. Die Vielfalt der hiermit ver-bundenen Lernziele und Lerninhalte hat die Kultusministerkonferenz2008 in dem Beschluss »Europabildung in der Schule« dargestellt.In diesem Beschluss, der auszugsweise in dieser Broschüre doku-mentiert wird (Seite 53), empfehlen die Kultusminister der Länderden Schulen ausdrücklich gemeinsame europäische Projekte imRahmen des Programms für lebenslanges Lernen.

Die Kultusministerkonferenz hat zudem die generelle Bedeu-tung des schulischen Austauschs für die Qualität des Lernensund des Lernumfeldes an Schulen in ihrem Beschluss »Bildungs-verantwortung der Länder im Ausland« im Dezember 2008 unter-strichen (Seite 53). Sie hat dabei betont, dass durch die Beteiligungan Austausch- und Kooperationsprogrammen nicht nur interkultu-relle, sprachliche und die Persönlichkeit bildende Kompetenzen,sondern auch die fachlichen und methodischen Kompetenzen inallen Fächern erweitert werden können.

In diesem Sinne wirkt auch die Arbeit des Pädagogischen Aus-tauschdienstes (PAD), die von seinen Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern in einem Leitbild zusammengefasst worden ist: »Wirverstehen die Internationalisierung von Schule auf allen Schulstu-fen, in allen Schulformen und Schulfächern als konkreten undnotwendigen Beitrag zur Qualitätssicherung und Schulentwick-lung im 21. Jahrhundert.«

So handelt der PAD, und so richtet er seine Programme aus. Umdie Ziele zu erreichen, ist es wichtig, Lehrkräfte und Schulleitungeneinzubeziehen, denn – so eines der Ergebnisse der Bildungsfor-schung – »gute Schüler haben gute Lehrer«. Wer für die Schüleretwas erreichen will, muss zunächst Lehrer und Schulleitungenunterstützen. Das Programm COMENIUS trägt dazu bei: Es kannden Blick öffnen und die Perspektiven erweitern durch den Erfah-rungsaustausch und die Einsichtnahme in Konzepte anderer.Lassen Sie sich anregen.

Ilse Brigitte Eitze-SchützLeiterin des Pädagogischen Austauschdienstesder Kultusministerkonferenz

Partnerschaft – Mobilität – Innovation 9

COMENIUS - Neue Schulwege in Europa

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Allgemeine ProgrammzieleDas Programm für lebenslanges Lernen unterstützt die Ent-

wicklung hochwertiger und innovativer Bildungsangebote undfördert die europäische Dimension im Bildungswesen. Es ermög-licht den Austausch über Beispiele guter Praxis und trägt so zurQualität und Wettbewerbsfähigkeit der Bildungssysteme bei. Einbesonderes Augenmerk liegt auf dem Sprachenlernen und derpädagogischen Anwendung der modernen Informationstechno-logien. Zudem verdeutlicht das Programm den Beitrag des le-benslangen Lernens für die gesellschaftliche Kohäsion und deninterkulturellen Dialog und fördert das Bewusstsein der Bürgerfür Demokratie und Menschenrechte. Die vielfältigen Fördermög-lichkeiten zielen auf die Entwicklung von Kreativität, Beschäfti-gungsfähigkeit und Unternehmergeist in allen Altersgruppen.

COMENIUS – das europäische Programmfür die schulische Bildung

COMENIUS ermöglicht Schülern, Lehramtsstudierenden undLehrkräften Auslandsaufenthalte, fördert das Erlernen modernerFremdsprachen und ermöglicht innovative Wege der Zusammen-arbeit und Partnerschaft schulischer Einrichtungen in Europa. DasProgramm richtet sich an vorschulische Einrichtungen und Schu-len bis zum Ende des Sekundarbereichs II sowie an Einrichtun-gen und Organisationen der Schulverwaltung und der Lehreraus-und -fortbildung.

Querschnittsprogramm4 Schwerpunkte● Politische Zusammenarbeit und Innovation in Bezug auf lebenslanges Lernen● Sprachenlernen● Neue Technologien● Dissemination

Programm Jean MonnetLehrangebote und Forschungsvorhaben zur europäischen Integration an Hochschulen

GRUNDTVIG

Erwachsenen-bildung

COMENIUS

Schulbildung

ERASMUS

Hochschulbildungund akademischeAusbildung

LEONARDO

BeruflicheAus- undWeiterbildung

Die Struktur des Programms für lebenslanges LernenDas Programm umfasst vier Programmsäulen, ein Querschnittsprogrammund das Programm Jean Monnet:

Das Programmfür lebenslanges Lernen

10 Zum Programm

Das Programm für lebenslangesLernen läuft von 2007 bis 2013und ist mit einem Budget vonknapp sieben Milliarden Euroausgestattet. Es führt verschie-dene Vorläuferprogramme dereuropäischen Bildungskooperationunter dem Leitbild des lebens-langen Lernens zusammenund umfasst Angebote für alleBereiche der allgemeinen undberuflichen Bildung.

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Ziele von COMENIUSDie Ziele des Programms COMENIUS werden in Artikel 17 des

Beschlusses des Europäischen Parlaments und des Rates vom15. November 2006 über das Programm für lebenslanges Ler-nens erläutert:

1. Mit dem Programm COMENIUS werden neben den Zielen desProgramms für lebenslanges Lernen gemäß Artikel 1 die fol-genden spezifischen Ziele verfolgt:a) Entwicklung von Kenntnis und Verständnis der Vielfalt der

europäischen Kulturen und Sprachen und von deren Wertbei jungen Menschen und Bildungspersonal;

b) Unterstützung junger Menschen beim Erwerb der lebens-notwendigen Fähigkeiten und Kompetenzen für ihre per-sönliche Entfaltung, künftige Beschäftigungschancen undeine aktive europäische Bürgerschaft.

2. Die operativen Ziele des Programms COMENIUS sind:a) Verbesserung der Qualität und Ausweitung des Umfangs

der Mobilität von Schülern und Bildungspersonal in ver-schiedenen Mitgliedstaaten;

b) Verbesserung der Qualität und Ausweitung des Umfangsvon Partnerschaften zwischen Schulen in verschiedenenMitgliedstaaten, so dass während der Laufzeit dees Pro-gramms mindestens 3 Millionen Schüler an gemeinsamenBildungsaktivitäten teilnehmen;

c) Förderung des Erlernens moderner Fremdsprachen;d) Förderung der Entwicklung von innovativen IKT-gestützten

Inhalten, Diensten, pädagogischen Ansätzen und Verfah-ren für das lebenslange Lernen;

e) Verbesserung der Qualität der Lehrerausbildung und Aus-bau ihrer europäischen Dimension;

f) Förderung der Verbesserung der pädagogischen Konzepteund des Schulmanagements.

Teilnehmerstaaten

Zum Programm 11

Aktionen in COMENIUSIm Rahmen der dezentral durchgeführten Aktionen unter

COMENIUS werden gefördert:● multilaterale und bilaterale Schulpartnerschaften und die Mo-

bilität von Schülern;● Regio-Partnerschaften im schulischen Bereich zwischen Regi-

onen und Gemeinden;● Assistenzzeiten von Studierenden der Lehramtsfächer an Schu-

len im Ausland;● Fortbildungskurse für Lehrkräfte im Ausland.

Zu den zentral verwalteten Maßnahmen zählen:● Projekte für die Zusammenarbeit von Einrichtungen der Leh-

rerausbildung und Lehrerfortbildung;● thematische Netzwerke von Bildungseinrichtungen.

Nationale AgenturDer Pädagogische Austauschdienst (PAD) der Kultusminister-

konferenz koordiniert als Nationale Agentur die dezentralen Aktio-nen in COMENIUS und weitere schulbezogene Maßnahmen desProgramms für lebenslanges Lernen wie das Europäische Spra-chensiegel und die Studienbesuche für Bildungs- und Berufsbil-dungsfachleute.

Die zentralen Aktionen werden von der Exekutivagentur fürBildung, Audiovisuelles und Kultur (EACEA) in Brüssel betreut.

27 Mitgliedstaaten der EU

Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums:Norwegen, Island und Liechtenstein

Türkei

Kroatien, Ehemalige Jugoslawische RepublikMazedonien (seit 2010)

Schweiz (ab 2011)

Die Teilnahme der westlichen Balkanstaaten Albanien,Bosnien-Herzegowina, Moldawien, Montenegro undSerbien ist während der Laufzeit des Programmsgeplant.

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»Nicht ein Europa der Mauern kann sich über Grenzen hinweg versöhnen,sondern ein Kontinent, der seinen Grenzen das Trennende nimmt.«

Richard von Weizsäcker, Bundespräsident 1984 bis 1994

COMENIUS-Schulpartnerschaftenhaben sich zu einem Erfolgs-modell entwickelt. Sie stellendas Herzstück der europäischenBildungskooperation im Schul-bereich dar, wie sie dasProgramm für lebenslangesLernen von 2007 bis 2013 ermög-licht. In den ersten drei Jahrendieses Programms begannenüber zweitausend Schulen inDeutschland themenbezogeneKooperationsprojekte mit Partnernin allen Teilen Europas.

Dank des Engagements und der Kreativität der Schulen ist diegemeinsame Arbeit an europäischen Schulprojekten zur Normali-tät im Schulalltag geworden. Als die europäischen Bildungspro-gramme Mitte der 1990er Jahre begannen, stellte die neue Formder projektbezogenen Zusammenarbeit für viele Schulen noch eineHerausforderung dar. Heute kooperieren Schulen in Deutschlandselbstverständlich mit ihren Partnern aus zwischenzeitlich 33 Staa-ten in Europa, die sich an COMENIUS beteiligen. Ein großer Teildieser Schulen hat hierdurch ein europäisches und internationa-les Schulprofil entwickelt oder geschärft und den Unterricht aufneue Art gestaltet.

Die Beispiele, die in dieser Veröffentlichung vorgestellt werden,geben einen eindrucksvollen Einblick in die Vielfalt der Themen undzeigen die Qualität der durchgeführten COMENIUS-Projekte. Sierepräsentieren auch verschiedene Schultypen, denn an COMENIUSkönnen sich alle Schultypen wie auch Einrichtungen aus dem vor-schulischen Bereich beteiligen. In den Programmjahren von 2007bis 2009 wurden 1.853 mehrjährige multilaterale COMENIUS-Schul-partnerschaften mit deutscher Beteiligung bewilligt, bei denenSchulen aus mindestens drei europäischen Staaten kooperieren.Hinzu kommen 200 bilaterale COMENIUS-Schulpartnerschaften,die sich auf das Erlernen der Partnersprache konzentrieren.Erfreulicherweise besteht immer Raum für Neueinsteiger, die sichauch ohne bisherige internationale Erfahrung auf die Zusammen-arbeit mit anderen Schulen in Europa einlassen wollen. Viele Schu-len bewerben sich nach Ablauf eines Projekts erneut, weil sie dieZusammenarbeit mit den Partnern ausbauen möchten und diepositiven Rückwirkungen auf ihre Schule nicht missen wollen.Dies ist auch ein Indiz dafür, dass die europäische Zusammenar-beit im Rahmen von COMENIUS von vielen Schulen bewusst alsMöglichkeit der Qualitätsverbesserung eingesetzt wird. Denn dieeuropäischen Kooperationsprojekte lassen sich sehr gut fächer-übergreifend in den Unterricht einbeziehen und können nicht nurdie sprachlichen und interkulturellen Kompetenzen der Schülererweitern, sondern auch ihre fachlichen und methodischen Kennt-nisse verbessern.

Die positive Entwicklung der Schulpartnerschaften war mög-lich, weil die »Programm-Macher« bei der EU-Kommission in Brüs-sel ein Ohr für die Rückmeldungen der beteiligten Schulen undNationalen Agenturen hatten. Seit dem Programmstart wurdenverschiedene Verbesserungen eingeführt und insbesondere derVerwaltungsaufwand für die Schulen erheblich reduziert. Außer-dem sind heute nicht nur die virtuellen, sondern auch persön-lichen Begegnungen von Schülern fester Bestandteil vonCOMENIUS-Schulpartnerschaften. Die EU-Zuschüsse werden alsPauschalen von bis zu 20.000 Euro pro Schule ausgezahlt. DieSchulen müssen lediglich die Durchführung der Projektarbeit undder Mobilität im Rahmen der Partnerschaft dokumentieren.

Neue Impulse durch COMENIUS-RegioNeue Möglichkeiten der europäischen Zusammenarbeit im schu-

lischen Bereich bietet die Aktion COMENIUS-Regio. Seit 2009 kön-nen so auch Schulbehörden auf lokaler und regionaler Ebenegemeinsam mit Schulen und anderen Akteuren mit entsprechen-den Partnern in einer anderen europäischen Region – bei der essich nicht um einen geografischen Nachbarn handeln muss –zusammenarbeiten und dabei Themen von gemeinsamem Interes-se behandeln. Die Aktion zielt auf den Aufbau einer nachhaltigengrenzüberschreitenden Kooperation im Bereich der Schulbildung

COMENIUS-Schulpartnerschaftenzeichnen sich aus durch:

● themenbezogene Zusammenarbeitzwischen mehreren Partnerschulen inverschiedenen Staaten

● Einbindung der Projektarbeit in denregulären Lehrplan

● fächerübergreifenden Ansatz und Betei-ligung eines möglichst großen Teils derSchulgemeinschaft

● Steigerung des fachlichen und metho-dischen Wissens

● Erweiterung sprachlicher und interkulturellerKompetenzen

● attraktive, auch für Außenstehende nutz-bringende Darstellung der Projektergebnisse.

Über das ProgrammDie europäische Bildungskooperation imSchulbereich startete – nach einer zweijährigenPilotphase – 1995 mit dem SOKRATES-Programm. COMENIUS-Schulpartnerschaftenwaren dabei eine der Aktionen der erstenProgrammphase. Von 2000 bis 2006 wurdeSOKRATES unter diesem Namen fortgesetzt.Seine einzelnen Aktionen gingen 2007 imProgramm für lebenslanges Lernen auf, das bisEnde 2013 läuft.

12 Zur Einführung

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und ermöglicht den Austausch von Erfahrungen, die Erarbeitungvon Beispielen guter Praxis, die Durchführung von Fachtagungen,die Erstellung von Materialien sowie gegenseitige Arbeitsbesu-che. Um eine möglichst weitreichende Wirkung zu erzielen und dieAktivitäten in der Region gut zu verankern, müssen auf jeder Seitemindestens drei Einrichtungen beteiligt sein. Eine Schulverwal-tungsbehörde, beispielsweise das Schulamt einer Stadt oder eineBezirksregierung, übernimmt die Koordinierung des Projekts, andem weiterhin mindestens eine Schule oder vorschulische Einrich-tung zu beteiligen ist. Da als dritte Partner auch Einrichtungen ausdem außerschulischen Bereich in Frage kommen, eröffnen sichmit COMENIUS-Regio neue Möglichkeiten der gezielten Zusam-menarbeit zwischen dem schulischen und dem außerschulischenSektor. Eine COMENIUS-Regio-Partnerschaft läuft über zwei Jahreund wird auf deutscher Seite mit maximal 41.000 Euro bezuschusst.Es ist vorgesehen, die Aktion nach einer Erprobungsphase aufmultilaterale Partnerschaften mit jeweils drei oder mehr Regionenauszuweiten. Die Erfahrungen mit der ersten Antragsrunde sindvielversprechend – im Pilotjahr 2009 wurden 32 COMENIUS-Regio-Partnerschaften mit deutscher Beteiligung begonnen.

Nicht nur von der Aktion COMENIUS-Regio sind neue Impulsefür die europäischen Schulkooperationen zu erwarten. Einen Aus-blick auf die Zukunft des Programms bietet die Aktion »Individuel-le Schülermobilität«, die 2010 als Pilotaktion in einigen wenigenStaaten gestartet wurde. Schülerinnen und Schüler ab 14 Jahrenhaben hier die Möglichkeit, im Rahmen einer COMENIUS-Schulpartnerschaft einen längeren Zeitraum von 3 bis 10 Mona-ten an einer der ausländischen Partnerschulen zu verbringen unddort am Unterricht teilzunehmen. Diese Aktion wird voraussicht-lich 2012 in allen am Programm beteiligten Staaten eingeführt.

Partnerschaft

Unterstützungfür COMENIUS-Schulpartnerschaften

eTwinning

Die Aktion eTwinning bildet einerseits ein eigenständiges Angebot fürSchulkooperationen, stellt aber zugleich eine sinnvolle Ergänzung fürCOMENIUS-Schulpartnerschaften dar. In Deutschland ist die NationaleKoordinierungsstelle für eTwinning bei Schulen ans Netz e.V. angesiedelt.Mit einer Internetplattform in 22 Sprachen fördert die Aktion eTwinningden Einsatz neuer Medien in europäischen Schulpartnerschaften: sie un-terstützt Schulen bei der Nutzung des Internets, bei der Suche nach Part-nern und bei gemeinsamen Unterrichtsprojekten. Nicht wenige Schulenhaben mit einer eTwinning-Partnerschaft erste praktische Erfahrungen inder Zusammenarbeit gewonnen, bevor sie gemeinsam eine COMENIUS-Schulpartnerschaft beantragt haben. Dass eTwinning auch im Primarbe-reich eine COMENIUS-Schulpartnerschaft bereichern kann, zeigt das Projektder Grundschule Mönchberg (Seite 20).www.etwinning.de

»Europa macht Schule«

Im Rahmen der Initiative »Europa macht Schule« führen europäische Gast-studierende des ERASMUS-Programms in einer Schule ein Unterrichts-projekt durch. Damit stellen sie ihr Heimatland auf kreative Weise vor. DieKinder und Jugendlichen lernen so eine andere Kultur aus ganz persönli-cher Perspektive kennen. Wie das Projektbeispiel auf Seite 20 zeigt, kanndiese Initiative COMENIUS-Schulpartnerschaften sinnvoll ergänzen. Siewird ehrenamtlich von deutschen Studierenden koordiniert, die sich indem Verein »Europa macht Schule e.V.« zusammengeschlossen haben.www.europamachtschule.de

DeutscheAuslandsschulen

Gesamt

449

197 61

36

42

58

228

26

64

7735

314

247

93

29

93Berlin

Hamburg

Bremen

4 2.053

COMENIUS-Schulpartnerschaften in ZahlenSchulen in allen Teilen Deutschlands partizipieren aktivan COMENIUS-Schulpartnerschaften. Die Übersicht zeigtdie Zahl der in den Jahren 2007 bis 2009 beteiligten Schulen inden Ländern.

Partnerschaft 13

Bayern

Baden-Württemberg

Mecklenburg-Vorpommern

Nordrhein-Westfalen

Rheinland-Pfalz

Hessen

Niedersachsen

Thüringen

Saarland

Sachsen

Sachsen-Anhalt

Schleswig-Holstein

Brandenburg

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Me Tarzan, you Jane

Die pädagogische Forschungzeigt, dass Jungen anders lernenals Mädchen, andere Interessenhaben und deshalb anders zufördern sind. Dieses aktuelleThema ist in einem COMENIUS-Projekt der Erich Kästner Real-schule Hermeskeil (Rheinland-Pfalz) mit Partnerschulen ausMalta, Spanien und Schwedenaufgegriffen worden.

Das Projekt bot unseren Schülern die Möglichkeit, auf motivie-rende Art das Rollenverhalten im eigenen Land und in den Part-nerländern zu untersuchen. Schüler konnten über ihre eigeneGeschlechterrolle und die Rolle des anderen Geschlechts nach-denken und ihre Einstellungen reflektieren. So sollten Respektund gegenseitiges Verständnis gefördert werden. Zu Projektbe-ginn wurde zunächst durch einen Fragebogen die augenblicklicheSituation der Schülereinstellungen abgefragt. Nach Projektendekonnte dann eine erneute Befragung belegen, dass tatsächlichviele Schüler zu einer differenzierteren Einstellung gelangt waren.

Die Schüler arbeiteten anhand fünf verschiedener Bereichetypische Rollenvorstellungen von Frauen und Männern früher undheute heraus:

Häuslicher Bereich und KindererziehungDurch Sammeln von Fotos und Interviews mit älteren Mitbür-

gern und Eltern wurde das Rollenverhalten früher und heute ge-genüber gestellt. Die Ergebnisse wurden in einem Rollenspieldargestellt, das gefilmt und beim ersten Treffen in Deutschlandpräsentiert wurde. Ziel war, eine Veränderung im Rollenverhaltenfestzustellen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten, wie das Gleich-gewicht zwischen der Rolle der Mutter und des Vaters in derheutigen Familie erreicht werden kann.

Arbeitswelt und ArbeitsbedingungenIn einer zweiten Phase fanden die Schüler heraus, welche Mög-

lichkeiten der Arbeitsmarkt für Männer und Frauen in verschiede-nen Ländern bietet. Dabei erfuhren sie etwas über unterschiedlicheFormen der Diskriminierung, aber auch über einen Wandel in denEinstellungen. Ein männlicher Polizeibeamter erklärte bei-spielsweise in einer Gesprächsrunde in der Schule: »Der Einsatzvon Polizistinnen ist sehr positiv: In bestimmten Situationen, zumBeispiel bei Kneipenschlägereien, wirken sie deeskalierend. BeiVerkehrskontrollen hören Betrunkene eher auf weibliche als aufmännliche Polizisten.« Die Ergebnisse sicherten die Schüler inPowerpoint-Präsentationen, die dann beim zweiten Treffen – inSchweden – vorgestellt wurden.

BildungsentscheidungenZu Beginn der dritten Phase unter dem Motto »Bildungsangebo-

te« erstellte jede Schule zunächst eine Übersicht über das Schul-system ihres Landes. Eine Untersuchung über die Entscheidungfür Wahlpflichtfächer sollte herausfinden, ob es hier geschlechts-spezifische Unterschiede gibt. Eine Ausstellung in den Partner-schulen machte diese Informationen nicht nur den Partnern, sondernauch nicht am Projekt teilnehmenden Lehrern und Schülern zu-gänglich. Eine weitere Untersuchung bezog sich auf die mathema-tische Begabung. Hierzu bearbeiteten alle beteiligten Part-nerschülerinnen und Partnerschüler die gleichen Mathematikauf-gaben. Am Ende stand die Erkenntnis, dass Begabungen in be-stimmten Fächern nicht geschlechtsspezifisch sind. Anne stelltefest: »Mädchen können in Mathe ja genauso gut sein wie Jungen.«

Sport- und FreizeitaktivitätenDie vierte Phase war bei den Schülern eindeutig die beliebtes-

te: Ein Sportturnier wurde vorbereitet, für das Mädchen einentypischen Jungensport, nämlich Fußball, erlernten. Im Turnier tra-ten gemischte Gruppen an (Jungen und Mädchen aus Malta undDeutschland). Umgekehrt übten die Jungen gemeinsam mit den

Die ausländischenGäste werdenin Deutschlandherzlich willkom-men geheißen.

Steckbrief

Aktion COMENIUS – MultilateraleSchulpartnerschaft

Thema Me Tarzan, you Jane – typisch männlich,typisch weiblich

Schule Erich Kästner RealschuleHermeskeil (Rheinland-Pfalz)http://ekaestrs.bildung-rp.dewww.igshk.de (ab August 2010)

Partner Boys Junior Lyceum Kullegg San GorgPreca, Hamrun (Malta)

Lexby skola, Partille (Schweden)

I.E.S. »La Fuensanta«, Cordoba (Spanien)

Webseite www.genderequality.eu.com

Produkte DVD mit Familiensituationen imVergleich früher – heute

Präsentationen und Videoclips

Umfrage zu geschlechtsspezifischenEinstellungen

Zeitraum August 2007 bis Juli 2009

14 COMENIUS-Schulpartnerschaft

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Partnerschaft

Mädchen einen Discofox ein, obwohl Tanzen als typisch weibli-ches Hobby gilt, und führten ihn bei verschiedenen Schulveran-staltungen vor. Alle Schülerinnen und Schüler schrieben an-schließend ein Tagebuch, wie sie die Freizeit verbringen. Dadurchsollte herausgefunden werden, welche Hobbies bei Jungen undMädchen am beliebtesten sind. Die Schüler erstellten ein Tage-buch mit Hilfe der Großeltern über das Freizeitverhalten ihrer Ju-gend, um herauszufinden, welche Veränderungen im Laufe derJahrzehnte eingetreten sind. Es wurden länderspezifische Ver-gleiche angestellt und das Interesse für neue Hobbies geweckt.Zusätzlich wurden bei dem Treffen in Spanien landestypische Frei-zeitaktivitäten und Tänze ausprobiert.

Unterhaltung und MedienIn der fünften Phase analysierten die Schüler die Rolle und

Darstellung der Geschlechter in verschiedenen Medien, beispiels-weise in Filmen, in der Literatur oder in Musik und Werbung. AlsProdukt bereiteten die Schülergruppen der beteiligten SchulenFilmsequenzen vor, die beim Abschlusstreffen in Malta vorge-führt wurden. Daraus entstand wiederum ein gemeinsamer Film,der einen Tag im Leben zweier Familien zeigt – einer eher traditio-nellen, in der die Mutter Hausfrau ist und der Vater das Geldverdient, und einer moderneren, in der sich Mutter und Vater die-se Arbeiten teilen. Jede Schule erstellte dazu ein Drehbuch füreinen bestimmten Tagesabschnitt. Die Ergebnisse wurden in ei-ner Ausstellung präsentiert, die auch von Vertretern des maltesi-schen Erziehungsministeriums besucht wurde.

Positive Bilanz für die ganze SchulgemeinschaftDas Projekt war für die ganze Schulgemeinschaft überaus po-

sitiv: Durch gegenseitige Besuche in den Partnerländern konntendie Schüler überprüfen, ob die oben genannten Bereiche Diskre-

panzen zur eigenen Erfahrungswelt aufzeigten oder mit ihr über-einstimmten. Die Eltern engagierten sich als Gasteltern. Die fi-nanzielle Unterstützung durch COMENIUS ermöglichte es, dassauch Schüler aus einkommensschwachen Familien teilnehmenkonnten. »Aus meiner Familie ist noch niemand geflogen«, sagteeine Schülerin, »aber jetzt kann ich ihnen davon erzählen.«

Das Projekt machte den Schülern die europäische Integrationerfahrbar. Ebenso wurden Selbständigkeit, eigenverantwortlichesHandeln, Toleranz gegenüber ungewohntem Essen und anderenSitten oder Gebräuchen gefördert. Ein besonders positiver As-pekt für die Schüler war, dass sie ihre Fremdsprachenkenntnisseanwenden und erweitern konnten. Kommunikation unter den Part-nern, der Austausch der Ergebnisse und die Präsentation der ge-meinsam erstellten Produkte fanden nämlich in englischer Sprachestatt. Die Aktualität des Themas wie auch die von der üblichenUnterrichtsarbeit abweichende fächerübergreifende Projektarbeitsteigerten die Motivation unter den Schülern. Der Umgang mitInformationstechnologien konnte ebenfalls verbessert werden.

Dieses Projekt hat besonders die Fähigkeit zur Teamarbeit in-nerhalb der Klassengemeinschaft und mit den Partnerschülerngefördert. Während der zweijährigen Projektarbeit knüpften so-wohl Partnerschüler wie auch Lehrer untereinander Freundschaf-ten. Die besonders gute Zusammenarbeit zwischen denmaltesischen und deutschen Lehrern wurde im Schuljahr 2009/10durch ein eTwinning Projekt weitergeführt. Ein neues COMENIUS-Projekt ist in Planung.

Astrid HofmannDie Autorin unterrichtet Englisch und Biologiean der Erich Kästner Realschule Hermeskeil.

»Ich möchtespäter eine Familiehaben und durchdas Projekt habeich gelernt, dass ichdann auf keinenFall ein Macho seinwerde, so wie esbisher oft typischfür Männer war.«Thorsten, Schüler der 10a.

Partnerschaft 15

Beim Treffen in Malta bereitenSchüler ein maltesisches Gericht zu.

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Spaß an Mathematikmit der COMENIUS-Mathestadt

Beteiligt am Mathematikprojekt »Wir bauen eine COMENIUS-Stadt« waren Schülerinnen und Schüler von der 1. bis zur 9. Klas-se. Im Rahmen des Projekts sollten im Sommer 2009 Papierhäu-ser aus drei Ländern zu einer Stadt mit Zentrum zusammengefügtwerden. Ziel war es, durch das Projekt die didaktischen und päda-gogischen Methoden im Bereich des Mathematikunterrichts aus-zutauschen und zu verbessern, indem wir das Lernen und Lehrensehr praktisch orientiert in das Lebensumfeld der Schüler legten.Doch bis diese Stadt mit einer Fläche von 100 Quadratmetern dieMehrfachturnhalle in Straumen (Norwegen) füllen konnte, war inden beteiligten Schulen viel Arbeit notwendig. Lehrern und Schü-lern gelang es geschickt, Mathematik nicht nur als Teil des Schul-buches kennen zu lernen. Je nach Altersgruppe, Leistungsfähigkeitund Fertigkeit der Schüler wurde das Thema in und außerhalb desKlassenzimmers erschlossen und erarbeitet.

Dazu wurden echte Häuser ausgemessen, im Maßstab 1:40verkleinert, Größen umgerechnet, Schablonen angefertigt, dieseauf Pappe übertragen, mit Teppichmesser ausgeschnitten, Mo-dellhäuser konstruiert und schließlich gestaltet. Dabei haben wirWinkel gemessen und anhand von Bildern und an Originalgebäu-den Aufgaben berechnet, geometrische Formen an und in Häu-sern kennen gelernt. Es wurden Geschäfte gezählt und erfasst.Die Jüngeren erlernten so das Zahlenbündeln, die Älteren erstell-ten Tabellen und Säulendiagramme.

Eine maßstabsgetreue Stadt aufeiner Fläche von 100 Quadrat-metern bauen und ein Arbeitsbuchfür Schüler mit unterschiedlichs-tem (sonder)pädagogischemFörderbedarf herstellen – wiesoll das funktionieren? Mit dieserFrage starteten wir 2007 amSonderpädagogischen Förder-zentrum Neumarkt (Bayern) unserCOMENIUS-Schulprojekt mitPartnern aus Norwegen undÖsterreich. Das Ergebnis zeigt:Eine solche Stadt lässt sich bauen.

16 COMENIUS-Schulpartnerschaft

Die jungen Baumeister betrachten ihre Arbeit.

Steckbrief

Aktion COMENIUS – MultilateraleSchulpartnerschaft

Thema Die COMENIUS-Mathestadt –Mathedidaktik für die Zukunft

Schule Erwin-Lesch-Schule SFZ Neumarkt(Bayern)www.erwin-lesch-schule.de

Partner Straumen Skole, Straumen (Norwegen)

Erikstad Skole, Fauske (Norwegen)

ASO (Sonderschule) Mistelbach(Österreich)

Pavel Marcely Schule, Bratislava(Slowakische Republik, assoziierterPartner)

Webseite www.erwin-lesch-schule.de

Produkte 5 Stadtteile mit Häusern aus Tonpapierund Pappe auf einer Gesamtflächevon ca. 100 Quadratmetern, Unter-richtsmaterialien.

Zeitraum August 2007 bis Juli 2009

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Rund 100 Quadratmeter ist die COMENIUS-Mathestadt groß geworden.

Partnerschaft 17

Die Schüler arbeiteten stets konzentriert und interessiert. Esgelang ihnen oft, im Team zu eigenen Lösungen zu kommen.Verschiedene Klassenstufen arbeiteten vernetzt zusammen. Dienorwegische Kommunikationsplattform »Fronter« ermöglichte deninteraktiven Austausch zwischen den Lehrkräften und auch denSchülern. Die Jüngeren stellten mit Hilfe der Älteren Bilder insNetz, die Älteren kommunizierten selbständig über E-Mailsmiteinander. Abschließend entstand ein Textbuch, in dem die Pro-jektaufgaben und Arbeitsblätter aus allen Partnerschulen, diffe-renziert nach Schwierigkeiten und Themen, gesammelt wurden.

Im Mai 2009 wurde die anfängliche Vision der COMENIUS-Stadt Wirklichkeit. Dies war nur möglich, weil bei den regelmäßi-gen Treffen der Lehrkräfte der beteiligten Schulen zielgerichtetund zuverlässig zusammengearbeitet wurde. In mehrtägiger Ar-beit entstand in Straumen die facettenreiche COMENIUS-Stadtmit landestypischen Gebäuden aus drei Ländern und wurde beieiner großen Abschlussveranstaltung von Schülern mit Leben ge-füllt.

Am Ende bestätigten alle Schüler, dass unser Ziel, »Mehr Spaßan Mathematik durch alternative Lernmethoden« zu erhalten, inhohem Maße erreicht wurde.

Bettina Stöckle-Schowan und Nicole JacobDie Autorinnen unterrichten als Sonderschullehrerinnenan der Erwin-Lesch-Schule SFZ Neumarkt.

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Gemeinsamkeiten und VielfaltWie anders sind die Anderen?

Die Idee hinter dem Projekttitel war einfach: Täglich geratenunsere Schülerinnen und Schüler in Situationen, die eine Ent-scheidung erfordern. Ethische Bedenken führen dann oftmals zuProblemen bei der Entscheidungsfindung. Woher erhalten die Ju-gendlichen dabei Hilfe? Wie positionieren sie sich? Was leistetdie Schule in diesem Prozess? Können philosophische Theoriendie Entscheidung erleichtern? Und wie stellt sich das im europäi-schen Vergleich dar?

Die Organisation des Projekts begann 2006. Im Dezember tra-fen sich die finnische und bulgarische Kontaktlehrerin in Deutsch-land am Tangermünder Gymnasium. Im Februar 2007 nahmenzwei deutsche Lehrerinnen die Möglichkeit zu einem vorbereiten-den Besuch in der Türkei wahr. Einzig Estland konnte in diesemZeitraum nur per E-Mail in die Planung und Antragstellung einbe-zogen werden.

Den Vorarbeiten folgte das bange Warten auf die Entscheidun-gen der Nationalen Agenturen. Es war nämlich beschlossen wor-den, den Antrag um ein Jahr zu verschieben, wenn der Antrageiner der beteiligten Schulen abgelehnt werden würde. Die Sor-gen erwiesen sich als unbegründet. Im Oktober 2007 gingen so-mit an den Start: Die 11. Klasse des Bertolt Brecht-Sprachen-gymnasiums aus Pasardshik (Bulgarien), die 6. Klasse des TarsusAmerican Colleg (Türkei), die 10. Klassen des Parkanon Lukio (Finn-land) und des Wiedemanni Gymnasiums aus Haapsalu (Estland)sowie Schülerinnen und Schüler der 7. und 10. Klassen des Tanger-münder Schulbereichs des Diesterweg-Gymnasiums Tangermün-de-Havelberg.

Entwicklung der ArbeitsschwerpunkteAus zwölf Themenbereichen, die bereits in der Vorbereitung

von den Lehrkräften zusammengestellt worden waren, konntendie Schülerinnen und Schüler einen Arbeitsschwerpunkt wählen.Dabei war es besonders wichtig, Themen anzubieten, die für dieSchülerinnen und Schüler eine hohe Relevanz hatten, um so ihreMotivation und aktive Einbindung zu gewährleisten. Gewählt wur-den in Bulgarien das Thema »Drogenmissbrauch«, in der Türkei»Umweltprobleme« und »Tierrechte«, in Finnland »Frauenrechte«und »Sinnfragen«, in Estland Erlebnisberichte zu persönlichen Pro-blemen sowie in Deutschland »Philosophische Theorien«, »Schul-probleme« und »Süchte«. Die Handlungsstrategien für dieUmsetzung bestimmten die Schülerinnen und Schüler weitgehendselbstverantwortlich. Das Ziel bestand darin, einen Almanach zu-sammenzustellen, der Projektdokumentation, Nachschlagewerkund Arbeitsmittel sein sollte. Damit hatten wir eine konkrete Ori-entierung, aber auch genügend Spielraum, die Projekttreffen sozu gestalten, dass gemeinsam an verschiedenen Themen gear-beitet werden konnte.

In zwei Schuljahren mit fünf Staaten ein Projekt umzusetzenund fünf Treffen durchzuführen, zu denen sich insgesamt 45 Lehr-kräfte und 63 Schülerinnen und Schüler auf Reisen begaben, er-wies sich als intensive Schulung im Bereich des Projektmanage-ments. Die Einbindung vieler Schülerinnen und Schüler in die Pro-jektarbeit und deren häusliche Unterbringung während der Pro-jekttreffen, die Teilnahme am Unterricht an der gastgebendenSchule, gemeinsame Arbeitsaufträge und landestypische Freizeit-aktivitäten waren zugleich eine nachhaltige Form des interkultu-rellen Dialogs.

Europa zeichnet sich durch einegroße religiöse, wirtschaftlicheund gesellschaftspolitischeVarietät aus. Daraus resultierenunterschiedliche Vorstellungendarüber, an welchen Prinzipiensich menschliches Handelnorientieren soll. Damit befasstesich das COMENIUS-Projekt»Ethische EntscheidungenJugendlicher im europäischenVergleich«, an dem zwischen2007 und 2009 Schülerinnenund Schüler und Lehrkräfte vonSchulen aus fünf Staaten beteiligtgewesen sind.

Steckbrief

Aktion COMENIUS – MultilateraleSchulpartnerschaft

Thema Ethische Entscheidungen Jugendlicherim europäischen Vergleich

Schule Diesterweg-Gymnasium Tangermünde-Havelberg (Sachsen-Anhalt)www.gymnasium-diesterweg.de

Partner Bertolt Brecht-Sprachengymnasium,Pasardshik (Bulgarien)

Tarsus American College (Türkei)

Parkanon Lukio (Finnland)

Wiedemanni Gymnasium Haapsalu(Estland)

Webseite www.gymnasium-diesterweg.de/seiten/dassindwir/internationales.html

Produkte Gemeinsamer Kalender Oktober 2008bis Dezember 2009 und ein Almanach

Zeitraum August 2007 bis Juli 2009

18 COMENIUS-Schulpartnerschaft

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Jedes Projekttreffen sollte wenigstens ein konkretes Ergebnisvorweisen. So erarbeiteten die Schülerinnen und Schüler beimersten Treffen in der Türkei ein Projektlogo. In Bulgarien sahensich die Teilnehmer den Film »Wir Kinder vom Bahnhof Zoo« an,werteten ihn gemeinsam aus und erörterten, wie mit dem Filmgearbeitet werden kann. In einer gemeinsamen Projektwoche inDeutschland entstand ein Kalender unter dem Motto »Wir stellenuns vor«. Außerdem wurden Schülerinterviews durchgeführt unddokumentiert. Auch die Form des türkischen Schattenspiels wur-de im Unterricht vorgestellt und diskutiert. Das Treffen in Estlandwurde unter anderem dazu genutzt, für das von den estnischenSchülerinnen und Schülern gewählte Thema zu sensibilisieren undeine geeignete Darstellungsform zu finden. Während des Tref-fens in Finnland stellten die Schülerinnen und Schüler den selbstgedrehten Film »Kapelissa« vor, der sich mit Drogenmissbrauch,Ausgrenzung und Fragen nach dem Sinn des Lebens beschäftigt.Gemeinsam gestalteten alle Teilnehmer des Treffens ein riesigesWandposter zum Thema »Glück«. Hier fügten wir auch alle Ausar-beitungen der beteiligten Staaten für den Almanach zusammen.Die Plattform von eTwinning wurde vor allem im ersten Jahr in-tensiv zum Kennenlernen und zur Themendiskussion genutzt.

Herausforderungen für die LehrkräfteAn dieser Stelle soll auch ein Wort zur Befähigung der Lehr-

kräfte gesagt werden. Die direkt an dem zweisprachig durchge-führten Projekt beteiligten Lehrkräfte unterrichteten oftmals keineFremdsprachen. Einige von ihnen unterrichteten Englisch, konn-ten aber kein Deutsch, oder waren Deutschlehrer ohne Englisch-kenntnisse. Gleichwohl gelang die Verständigung, wenn auchmanchmal über Umwege. Ebenso zählte Informatik nicht zu denvorhandenen Fachqualifikationen. Die interdisziplinäre Strukturdurch die fachübergreifende Themenauswahl und -bearbeitungforderte somit nicht nur pädagogisches und didaktisches Geschick.Auch die Gestaltung am Computer führte an Grenzen, bedingteletztlich aber einen Zuwachs an IKT-Fertigkeiten aller. Besonderswertvoll war es, die vielfältigen und zum Teil sehr unterschiedli-chen Herangehensweisen der Partner an die Themenumsetzungkennen zu lernen.

Die Projekttreffen und deren Auswertung boten viele Möglich-keiten, kulturelle, religiöse oder weltanschauliche Unterschiede zu

erkennen. Die Arbeit mit authentischem Material und der Länder-vergleich verdeutlichten den Schülerinnen und Schülern, dass estrotz räumlicher Trennung und kultureller Unterschiede auch vieleGemeinsamkeiten gibt. »Die kippeln genauso wie wir«, antworteteCharlien, damals in der 10. Klasse und eine der deutschen Teilneh-merinnen am Treffen in der Türkei, in einem Zeitungsinterview aufdie Frage, was ihr besonders aufgefallen sei.

Ein so umfangreiches Projekt wirkt auf den ersten Blick vielleichtabschreckend, weil es viel Zeit erfordert. Wenn aber die Freude ander Arbeit, viele positive Erlebnisse, Freundschaften und Erfah-rungen sowie gute Projektergebnisse in den Schulalltag getragenwerden, erreicht man doch den einen oder anderen Kollegen, derbereit ist zu helfen und sich zu engagieren.

Ein Almanach und viele FreundschaftenVorzeigbare Ergebnisse am Ende des Projekts sind ein Kalender

und authentisches, gut nutzbares Material, das anschaulich doku-mentiert, wie gearbeitet wurde. Bei der Erarbeitung, Zusammen-stellung und Korrektur des Materials für den Almanach wurdenLändergrenzen, Sprachbarrieren und Altersgrenzen überwunden.Schülerinnen und Schüler können den Almanach weiter als Infor-mationsquelle oder Ratgeber nutzen. Er kann auch in verschiede-nen Unterrichtsfächern für weiterführende Arbeiten eingesetztwerden – beispielsweise in Deutsch, Kunst, Ethik, Biologie oderEnglisch. Zur Anregung enthalten alle sechs Kapitel Arbeitsaufga-ben. Eltern erfahren etwas über die Erlebniswelt ihrer Kinder undüber ihre Fähigkeiten im Schreiben, Zeichnen und technisch Bear-beiten. Man kann aber auch einfach nur so darin blättern, lesen undsich Bilder anschauen. Nicht zuletzt damit kommt dem Almanachein hoher emotionaler Wert zu, denn er erinnert an zwei interkultu-rell erlebnisreiche, spannende und erfolgreiche Schuljahre.

Nicht unmittelbar greifbar sind die entstandenen Freundschaf-ten, die vielen schönen, gemeinsamen Erinnerungen und die po-sitiven Erfahrungen. Deutlich geäußert wurde von Schülerinnenund Schülern sowie von Eltern die Bitte um eine Fortführung die-ser Form des interkulturellen Dialogs.

Barbara BirkholzDie Autorin ist Lehrerin für Ethik, Deutsch und Russischam Diesterweg-Gymnasium Tangermünde-Havelberg.

Partnerschaft 19

Die Schülerarbeitsgruppein Finnland hat ein Glücks-poster im Reisegepäck.

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20 COMENIUS-Schulpartnerschaft

Das gemeinsame Erkunden ließ die beteiligten Kinder im Alterzwischen 3 und 9 Jahren Zusammenarbeit erfahren. Es stärkteihre Motivation und ihr Selbstbewusstsein und förderte gegensei-tige Toleranz und Respekt. Über allem standen die Freude amvielfältigen Experimentieren sowie der ständige Austausch mitden Partnerinstitutionen. Die Beobachtungen und Vergleiche be-gleiteten sie durch alle Jahreszeiten und förderten ein handlungs-orientiertes Lernen.

Die Kinder dokumentierten ihre Beobachtungen in einem For-scherheft. Dazu gehörten beispielsweise verschiedene Experimen-te, das Wachstum von Pflanzen, Flora und Fauna der umliegendenHabitate, der Blick durch Lupe und Stereolupe, die Wetterände-rungen im Wechsel der Jahreszeiten und die Vorteile verschiede-ner Kleidung, die vor Wetterunbill schützt. Außerdem reflektiertensie ihre Arbeit in Reisetagebüchern. Diese wurden mit Identifikati-onsfiguren von Partnereinrichtung zu Partnereinrichtung geschickt.Die Impulse, die die Kinder im Gegenzug von dort erhielten, lie-ßen sie das Eigene aus kulturell wie geografisch unterschiedlichgeprägten Perspektiven sehen. So konnten sie ihren Horizont überdie unmittelbar vertraute Region hinaus öffnen. Kinder mit spezi-ellen Bedürfnissen erhielten zusätzliche Unterstützung durch diebegleitenden Erwachsenen.

Das COMENIUS-Projekt veranschaulichte unterschiedlicheAspekte von Europa. Die Schüler und Schülerinnen unserer Zwerg-schule sowie des benachbarten Kindergartens erhielten einen sehrpersönlichen Zugang zum Leben in anderen Staaten. Kernpunktedes Bildungsplans im Bereich »Mensch – Natur – Kultur« wurdenunmittelbar erfahrbar. Die geplanten Themen wurden währenddes Projektzeitraumes in das reguläre Unterrichtsgeschehen unddas Schulcurriculum einbezogen. Die Grundschüler erlebten diezu erlernenden Basisfertigkeiten und -fähigkeiten Schreiben, Le-sen und Rechnen als Mittel, die dem Austausch dienen und ihnerst ermöglichen.

Wir beobachteten, welche Fragen die Kinder stellten, wenn sieals Entdecker forschend tätig waren. Im morgendlichen Gesprächs-kreis stand bei den fächerübergreifenden Projekten die Forscher-frage des Tages im Mittelpunkt. Außerdem beobachteten wir, wiedie Kinder zusammen arbeiteten und inwieweit sie andere Mei-nungen gelten ließen. Die Kinder zeigten sich Naturbeobachtun-gen und Naturwissenschaften gegenüber offen und interessiert.Dabei wurden sie auch in ihrer eigenen Identität gestärkt underwarben Wissen über andere Kulturen in Europa.

Sipsik und Co. als Identifikationsfigurenfür vorurteilsfreie Begegnungen

Den interkulturellen Austausch förderten insbesondere die Iden-tifikationsfiguren aus jedem einzelnen Staat. Sie führten die Kin-der, die noch nicht alle alphabetisiert waren, auch ans Schreiben-und Lesenlernen heran. Die Handpuppe verstand nur die Spracheihres Heimatlandes, lernte aber in der Landessprache der Kinderverschiedene Wörter und Ausdrücke, etwa Begrüßungs- und Ab-schiedsformeln, Zahlen und Namen der Kinder. Aus Mönchbergbesuchten die Handpuppen Tim und Julia die Kinder der Partner-einrichtungen. Mit im Gepäck hatten sie ein Reisetagebuch, daszwischendurch wieder an seinen Ausgangspunkt zurückkehrte,sowie Informationen über Deutschland und Baden-Württemberg,die Region und die Stadt Herrenberg, landestypische Fest- undFeiertage, Essen, Spiele und Lieder aus Deutschland.

»Naturerforschung im Jahreskreis– Beobachtungen und Vergleicheim zeitlichen Wechsel im euro-päischen Kontext« lautete dasThema eines COMENIUS-Projektsder Grundschule Mönchberg inHerrenberg (Baden-Württemberg)mit Partnern aus Estland, Island,Norwegen, der SlowakischenRepublik und der TschechischenRepublik. Die Kinder solltendabei vielfältige Experimentedurchführen können – unabhängigvon ihren Fähigkeiten, ihrenFertigkeiten, ihrer Herkunft undihrem kulturellen Hintergrund.

Halten sich Vögel und Fischean Staatsgrenzen?

Steckbrief

Aktion COMENIUS – Multilaterale Partner-schaft

Thema Naturerforschung im Jahreskreis –Beobachtungen und Vergleiche imzeitlichen Wechsel im europäischenKontext

Schule Grundschule Mönchberg in Herrenberg(Baden-Württemberg)

Partner Základní škola a materská škola Klas,Pardubice (Tschechische Republik)

Tallinna Lasteaed Pääsusilm, Tallinn(Estland)

Leikskólinn Hamraborg, Reykjavík(Island)

Vestbygd barnehage, Frekhaug(Norwegen)

Súkromná materska školka, Bratislava(Slowakische Republik)

Produkte Jahreszeitliches Tagebuch undReisetagebuch

Rezeptsammlung, Kinderzeitung

DVD mit Filmdokumentation

Partner nutzen das virtuelle Klassen-zimmer »TwinSpace« für die Projektdo-kumentation und Kommunikation sowieals Projektgalerie (eTwinning)

Zeitraum August 2007 bis Juli 2009

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Partnerschaft 21

Aus Estland kam Sipsik zu Besuch, Protagonist eines estni-schen Kinderbuches. Die estnische Lehrerin Evelyn Neudorf er-klärte, dass Sipsik auf Estnisch ein Junge oder ein Mädchen seinkann. Bedingt durch die Grammatik des Estnischen bleibt dieseFrage offen. Für unsere Kinder war dies faszinierend – sie konn-ten in Sipsik ein Mädchen oder einen Jungen sehen, je nach Vor-liebe. Die Handpuppe aus Tschechien war der Maulwurf Pauli,den die Kinder aus der Sendung mit der Maus kannten. Allerdingsheißt der Maulwurf auf Tschechisch Krtek! Das wurde für dieKinder zu einer Selbstverständlichkeit. Fasziniert waren sie voneiner DVD zu Krtek auf Tschechisch, Englisch oder Deutsch.

Kari, das norwegische Mädchen in Tracht, und Ulla, das Schaf,sorgten für regen Austausch. Mit ihnen lernten die Kinder dasLied von »Per Spelman« kennen, und aus der Peer-Gynt-Suite vonEdvard Grieg das Stück »In der Halle des Bergkönigs«. Der Papa-geientaucher Lúlli aus Island weckte Interesse für diesen hier-zulande unbekannten Vogel und seine Lebensweise. Heiß begehrtwaren auch die beiden Schafhirten Kupko und Matko aus derSlowakischen Republik mit ihren Schäferhunden.

Positive Erfahrungen für alle BeteiligtenDas COMENIUS-Projekt schuf ein positives Schulklima des in-

terkulturellen Dialogs und der Toleranz und würdigte die kulturel-len Unterschiede in einem zusammenwachsenden Europa. DasKollegium verfolgte eine gleichberechtigte Partnerschaft mit denanderen Institutionen und erhielt viele Impulse. Der Unterrichtwurde durch den direkten Austausch von Ideen bereichert, sodass Anregungen aus Europa für Didaktik und Methodik in daseigene Schulcurriculum aufgenommen wurden, das dadurch eineinternationale Dimension erhielt. Unter dem Motto »Junge For-scher stellen Erkundungen an« werden wir das Thema »Erde undWeltall« wieder aufgreifen. Ferner haben wir Anregungen bekom-men, uns mit dem Thema »Magnetismus« zu beschäftigen sowieeine Forscherwerkstatt mit Schwerpunkt Kunst einzurichten.

Unsere Schüler und Schülerinnen befassen sich weiterhin in-tensiv mit den Kontinenten, der Europa- und der Weltkarte undforschen über die Tiere der Welt. Wetterbeobachtungen und dasMessen von Temperaturen im jahreszeitlichen Wechsel führenwir fort, ebenso die Untersuchung verschiedener Textilien undMaterialien, die uns vor Wetterunbill schützen, unter anderem miteiner digitalen Stereolupe. Unsere Kinder freuen sich schon dar-auf, zu Schuljahresende eine neue Ausgabe der Kinderzeitschriftzu erstellen.

Sehr interessant war es für die Lehrkräfte, die unterschiedli-chen Erziehungssysteme in Europa kennenzulernen. Unser Pro-jekt basierte auf der Zusammenarbeit von Kindertagesstätten undSchulen. Es war überraschend zu hören, dass estnische Kinderbis zum 7. Lebensjahr den Kindergarten besuchen, dort aber imletzten Jahr alphabetisiert und in die Grundlagen der Mathematikeingeführt werden.

Eine der Identifikationsfiguren: Sipsik aus Estland.Kinder sind auch Weltentdecker.

Die enge Zusammenarbeit mit der Kindertagesstätte Hamra-borg und der Universität Reykjavík unter Leitung von ProfessorHaukur Arason bereicherte insbesondere die Projektwoche »Lichtund Schatten«. Wertvolle Anregungen dazu, wie wir unser ge-samtes Freigelände bei Wind und Wetter in die »Bewegte Pause«einbeziehen können, erhielten wir von der Waldpädagogik, die derKindergarten in Frekhaug in Norwegen praktiziert. Auch traut manden Kindern dort schon sehr früh den Umgang mit Messern zu –sei es beim Zubereiten von Speisen, Schälen von Kartoffeln oderSchnitzen von Stöcken. Künftig werden wir den Wald im Natur-park Schönbuch vor unserer Haustüre stärker erkunden und einWaldprojekt durchführen. Vom Kindergarten Pääsusilm in Tallinnerhielten wir fantastisches Material für Experimente. Der Versuchder Kinder, ein leeres Glas zu füllen, bis es ganz voll war, wurde inbeeindruckender Weise mit der Kamera dokumentiert. Der privateKindergarten und die Grundschule in Bratislava mit einem deut-schen und einem englischen Zweig sowie der private englisch-sprachige Kindergarten und die private Grundschule in Pardubiceführten internationale Atmosphäre vor Augen.

Mit eTwinning ins virtuelle KlassenzimmerZuerst diente eine gemeinsame Website aller Partnerinstitu-

tionen im Internet als Informationsplattform. Ende 2008 richtetenwir in eTwinning das virtuelle Klassenzimmer TwinSpace zum In-formationsaustausch ein. Dabei erweiterten wir unsere Kenntnis-se über die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien– von der Anmeldung und Registrierung auf der Plattform im In-ternet bis zur Nutzung zahlreicher Funktionen zur Kommunikationund Dokumentation von Projektaktivitäten (Mails, Portfolio oderTwinSpace-Kalender). Der TwinSpace erwies sich als nützlichesInstrument für eine Projektgalerie für Kollegen und Kinder. DieKinder sahen hier, was Kinder aus anderen Ländern aus einemThema gemacht hatten, und erhielten Anregungen für ihre weite-re Arbeit. Der Zugang zu eTwinning ist passwortgeschützt.

Seit Dezember 2008 nahmen wir auf Vermittlung des PAD zu-sätzlich am Programm »Europa macht Schule« teil. Raul Torres,ein Austauschstudent an der Universität Stuttgart, kam im Märzin unsere Schule. Er brachte das Thema »Europäische und mexi-kanische Tierwelten im Vergleich« in den Unterricht ein. Die Er-gebnisse dieses Programms präsentierten wir am 15. Mai 2009mit Raul Torres bei der Abschlussveranstaltung von »Europa machtSchule« im Rathaus der Stadt Stuttgart.

Über das COMENIUS-Projekt entstanden eine DVD mit Film-aufnahmen, ein jahreszeitliches Tagebuch, Reisetagebücher, eineRezeptsammlung und eine Wandzeitung. Sie wurden auf demCOMENIUS-Schulfest im Sommer 2009 präsentiert. Ein selbster-stelltes Quiz mit anschließender Preisverleihung war einer derHöhepunkte des Festes.

Und die in der Überschrift gestellte Frage? Sie wurde aufge-worfen, als die Kinder eine Tier-Landkarte aus Estland genauerstudierten. Eine Antwort fanden sie prompt: Vögel und Fischekönnen nicht lesen, also wissen sie gar nicht, wo die Grenzeverläuft.

Dorothee FauteckDie Autorin unterrichtet an der Grundschule Mönchberg.

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22 COMENIUS-Schulpartnerschaft

Aus Müll wird Mode

»Sauna, Sisu und Sibelius« – dies sind die ersten Begriffe, diedie Projektteilnehmerinnen und Projektteilnehmer an der Willy-Brandt-Schule Gießen (Hessen) über die Kultur ihrer finnischenProjektpartner lernten. Bisher war ihnen der hohe Norden Euro-pas lediglich durch berühmte Sportler, Popgruppen und PISA inErscheinung getreten. Umso größer war die Neugier, mehr zuerfahren über das Land, das in den vergangenen Jahren immerwieder in der Öffentlichkeit von sich Reden machte. Einiges Ge-lächter gab es bei den ersten Sprachübungen der finnischen Zah-lenreihe, die mit »yksi«, »kaksi«, »kolme« beginnt und für deutscheOhren zunächst nicht wie ein durchdachtes Zahlensystem klingt.

Recycling in der ModebrancheAnlass für die Erkundungen auf kulturell ungewöhnlichem Ge-

biet bot sich den Schülerinnen und Schülern des FachbereichsTextiltechnik und Bekleidung der Willy-Brandt-Schule in Gießendurch die COMENIUS-Schulpartnerschaft, die mit der beruflichenSchule in Kajaani in Finnland für den Zeitraum von zwei Jahrenabgeschlossen wurde. Die Projektidee kam von den Finnen, dieauf dem Gebiet moderner Denkweisen weit vorne liegen. So ent-stand der Titel »RE-FASHION – Mode Recycling: Gemeinsamehandwerkliche Arbeit und Kommunikation über Mode und Ökolo-gie in Europa«. Im Mittelpunkt stand der Gedanke, dass – vor demHintergrund der Globalisierung und der Diskussion um Nachhal-tigkeit – auch im Bereich der Mode ein Umdenken erforderlich ist.»Wir wollen deutlich machen, wie mit (Alt-)Kleidung umgegangenwird und welche Möglichkeiten sich dadurch für die Berufe derBekleidungsbranche ergeben können«, so Projektleiterin IngridReukauf. Daraus sollten Ideen für neue Mode entstehen.

Begegnungen in Deutschland und FinnlandIm Frühjahr 2008 nahmen die Schülerinnen und Schüler den

ersten Kontakt auf. Per E-Mail tauschten sie Steckbriefe aus, die sieim eigens dafür eingerichteten Englisch-Vorbereitungskurs ge-schrieben hatten. So wurden Interessen, Hobbies und Berufswün-sche formuliert und damit der Grundstein für die gegenseitigeAnnäherung gelegt. Im September 2008 schließlich fand das ersteTreffen der beiden Gruppen in Gießen statt. Nachdem die Gießenerden Finnen ihre Stadt und Schule gezeigt hatten, stieg die Gruppein die themenbezogene Arbeit ein. In deutsch-finnischen Klein-gruppen betrieben die Schülerinnen und Schüler Modeerkundungin Frankfurt, Gießen und Köln. Sie besuchten Firmen, die aus Recyc-lingmaterial Neues herstellen und bereits eine Geschäftsidee ent-wickelt hatten. Die Eindrücke dieser Erkundungsphase nutzten dieSchülerinnen und Schüler für den Entwurf neuer Mode-Outfits.

Diese Entwürfe wurden während des Gegenbesuchs in Kajaanipraktisch umgesetzt. Nach einem Besuch im ortsansässigen Wert-stoffhof entstanden 24 Modelle aus 100 Prozent Recyclingmate-rial. Aussortierte Autogurte, altes Bonbonpapier, zerschnitteneKabel oder zerknitterte Plastiktüten bekamen so eine neue Bedeu-tung für den Herstellungsprozess. »Ich sehe viele Dinge jetzt mitanderen Augen und ich habe viele neue Ideen bekommen«, fassteAlisa diese Erfahrungen in der Verarbeitung ungewöhnlicher Mate-rialien zusammen. »Ich habe neue Ansichten in Bezug auf alte,scheinbar wertlose Materialien erhalten«, ergänzte Pascal. ZweiModenschauen in Kajaani, auf denen die Outfits präsentiert wur-den, bildeten den Höhepunkt und Abschluss des Besuchs in Finn-

Aus Müll wird Mode. DieseErfahrung machten Schülerinnenund Schüler der Willy-Brandt-Schule, einer Beruflichen Schulein Gießen, mit ihren Partnernin Finnland. Seitdem sehen sieviele Dinge mit anderen Augen.

Steckbrief

Aktion COMENIUS – Bilaterale Partnerschaft

Thema RE-FASHION – Mode Recycling:Gemeinsame handwerkliche Arbeit undKommunikation über Mode undÖkologie in Europa

Schule Willy-Brandt-Schule Gießen (Hessen)www.wbs-gi.de

Partner Berufliche Schule Kajaani (Finnland)www.kao.fi

Webseite www.gi.shuttle.de/gi/wbbs/comenius.htm

Produkte 24 modische Outfits aus 100 ProzentRecyclingmaterial, die auf zweiModenschauen präsentiert wurden

Zeitraum August 2007 bis Juli 2009

Unter dem Thema»Punky Patterns«präsentieren(v.l.n.r.) Annika(Finnland), Helena(Deutschland),Larissa (Deutsch-land), Anniina(Finnland), Alisa(Deutschland)und Paula (Finn-land) die modi-schen Outfits aus100 ProzentRecyclingmaterial,die sie füreinanderentworfenund hergestellthaben.

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Partnerschaft 23

land. Die Resonanz der Anwesenden und auch der Presse waraußerordentlich. Die landesweit verbreitete Tageszeitung »Iltasa-nomat« wählte das Projekt sogar unter die Top 10 der erwähnens-werten Ereignisse im Land im laufenden Monat Februar.

Spielerischer Einblick in die finnische Spracheund Kultur

»Wir haben uns so gut verstanden und wurden jeden Tag mu-tiger, eine fremde Sprache zu sprechen«, sagt Yeliz, eine Schüle-rin im zweiten Ausbildungsjahr für das Maßschneiderhandwerk.Natürlich musste auf die englische Sprache zurückgegriffenwerden, die im Vorbereitungskurs eingeübt worden war. Vor Ortzeigte sich der mitreisende Englischlehrer Wennemar Rustige be-geistert von den Lernerfolgen der Projektteilnehmer: »Es ist ein-drucksvoll, einmal hautnah zu erleben, welche Früchte derEnglischunterricht tragen kann.«

Dass die Verständigung auf internationaler Ebene so gut ge-klappt hat, lag möglicherweise auch daran, dass sich die Gruppeim Vorfeld ausgiebig mit der finnischen Kultur und ihren Eigenhei-ten beschäftigt hat. Die Gruppe traf sich während der Projektzeitregelmäßig zum Finnischlernen. Neben den bereits erwähntenZahlen lernten die Schülerinnen und Schüler, wie man sich ge-genseitig vorstellt, beim Einkaufen nach dem Preis fragt oder sichin der Stadt nach dem Weg erkundigt. Daneben befassten siesich mit selbst gewählten Themen wie »Finnische Sitten und Bräu-che«, »Finnisches Essen« oder »Finnische Rockmusik«, verfass-ten Referate und stellten sich die Ergebnisse ihrer Recherchengegenseitig vor.

Im regelmäßigen E-Mail-Verkehr mit den Finnen wurden unteranderem Rezepte ausgetauscht. So erhielt Pascal von der finni-schen Schülerin Lilli ein Rezept für »Karjalanpiirakka«, das er sofortausprobierte. Diese Pastete aus Reis und Brotteig ist eine Spezia-lität, die auf keinem finnischen Kaffeetisch fehlen darf. Die Pro-jektteilnehmer waren so angetan von dieser mit Himbeerenservierten Speise, dass sie sich entschlossen, vor Weihnachteneinen finnischen Kochtag einzurichten, um weitere Leckereienauszuprobieren und kennen zu lernen. In drei Gruppen zaubertendie Schülerinnen und Schüler in der Küche der Willy-Brandt-Schu-le eine kräftige Kartoffelsuppe, Waffeln mit Blaubeersoße und –passend zur Vorweihnachtszeit – »Joulutorttuja«, finnische Weih-nachtssterne aus Blätterteig. Ein weiterer Höhepunkt des Vorbe-reitungskurses war das Zusammentreffen mit Markus, einem»echten Finnen«, der in Gießen lebt. Gemeinsam mit dem Musi-ker studierte die Gruppe begeistert finnische Lieder ein. Auch eintypisch finnischer Tanz, der »Letkajenkka«, wurde eingeübt undbrachte Schwung in die Gruppe.

Stellenwert europäischer Arbeitin der beruflichen Bildung

»Es war eine sehr schöne Zeit, in der wir alle viel gelernt habenund auch etwas fürs Leben mitgenommen haben – seien esschulische Dinge, Weisheiten oder unsere finnischen Freundschaf-ten.« So lautet ein Eintrag von Pascal im Projekttagebuch am Endeder Austauschfahrt nach Finnland. Alisa kommentiert die Phasedes Abschieds in Kajaani wie folgt: »Es war ein tränenreicherAbschied. Wir wissen aber alle, dass wir uns wiedersehen! Dashaben wir uns versprochen. Wer weiß, vielleicht sehen wir unsfrüher als gedacht.« Diese und ähnliche Aussagen der Schüler-innen und Schüler entschädigen uns Lehrkräfte für den Arbeits-aufwand, der mit einem solchen Projekt verbunden ist und nichtunterschätzt werden darf. Die Projektteilnehmer verschiedenerSchulformen und Klassen zu koordinieren, gemeinsame Terminezu finden, die außerhalb der normalen Stundenpläne liegen – al-lein dies machte die Organisation trotz der Unterstützung unsererSchulen zu einer Herausforderung. Die Überzeugung, dass dieErfahrungen der Schülerinnen und Schüler wertvoll und einzigar-tig sind und ihre Ausbildungszeit dadurch eine kostbare Aufwer-tung erfährt, hat die verantwortlichen Lehrkräfte harte Zeitenüberstehen lassen. Diese Erfahrungen fachlicher, persönlicher,sprachlicher und interkultureller Art können durch konventionellenUnterricht nicht gemacht werden. Wir haben von Anfang an ver-sucht, Kolleginnen und Kollegen mit ins Boot zu holen. Damitsollte zum einen der Funke der Begeisterung überspringen, zumanderen aber auch die Arbeitsbelastung verteilt werden. Es bilde-te sich eine Dreiergruppe heraus, bestehend aus der FachlehrerinNatalie Nurbakhsch, die das Projekt inhaltlich durchgehend be-gleitet hat, dem Englischlehrer Wennemar Rustige, der die Pro-jektgruppe sprachlich fit gemacht hat, und der Projektleiterin IngridReukauf, die auch den Kontakt zur finnischen Einrichtung herge-stellt hat. Während des Besuchs der Finnen in Gießen unterstütz-ten dann zahlreiche Kollegen die Projektarbeit.

»Der persönliche Kontakt zum Land ist hilfreich, jedoch keineVoraussetzung dafür, ein solches Projekt erfolgreich zu führen«,sagt die Projektleiterin, die einen familiären Bezug zum Land pflegt.Durch die Leitung des Vorbereitungskurses war es ihr möglich,private Erfahrungen mit beruflicher Arbeit zu verknüpfen. Dassdie COMENIUS-Schulpartnerschaft in der Willy-Brandt-Schule ei-nen gewissen Stellenwert erreicht hat, spürt man sowohl imKollegium als auch bei der Schulleitung. Momentan laufen dieVorbereitungen zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe »Europa«, dieProjekte im Rahmen von EU-Programmen initiieren und koordinie-ren soll, um so nachhaltig internationale Arbeit zu ermöglichen.Was dies genau umfasst, ist derzeit zwar noch offen. Vieles wirdvon den Kolleginnen und Kollegen abhängig sein. Wünschens-wert wären zum Beispiel »Europa-Stunden«, die in den Stunden-plänen eingerichtet werden und es erleichtern, Schülerinnen undSchüler unterschiedlicher Schulformen bzw. Ausbildungsberufezu koordinieren. Was auch immer sein wird, eins bedeutet dieEinrichtung des Teilprojektes »Europa« an der Schule aber aufjeden Fall: diese Arbeit soll weitergehen.

Ingrid ReukaufDie Autorin ist Studienrätin an der Willy-Brandt-Schule Gießenund unterrichtet im Fachbereich Textiltechnik und Bekleidung.

Der Finne Markus (Mitte) musiziert mit der Gruppeund bringt den deutschen Projektteilnehmernfinnische Lieder bei.

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24 COMENIUS-Regio

Hannah geht neue Wegeim Schüleraustausch

Hannah freut sich. Es ist der erste Tag ihres Schüleraustau-sches in Frankreich. Gemeinsam mit ihrer Austauschpartnerin Juliebesucht die 13-Jährige die Schule – und vieles ist ganz anders, alssie es aus Deutschland kennt. Nicht nur der ungewöhnlich langeSchultag bis zum frühen Abend und das Essen in der Kantine sindfremd für Hannah. Im Unterricht verhalten sich die Schülerinnenund Schüler ganz anders und sie fällt sogar unangenehm auf, alssie den Lehrervortrag durch eine Verständnisfrage unterbricht.Dabei ist sie sich doch gar keines Fehlers bewusst! Auch beimAbendessen mit Julies Familie versteht sie so einiges nicht. Müde,ratlos und etwas frustriert geht sie ins Bett – eigentlich hatte siesich ihren ersten Tag in Frankreich viel leichter vorgestellt...

»Jede Schülerin und jeder Schüler soll grundsätzlich Gelegen-heit haben, auf freiwilliger Basis einen spürbaren Teil ihrer Schul-zeit an einer Schule in einem anderen Sprachraum zu verbringen,mit umfassender Betreuung in Gastfamilien und Internaten«. Die-se politische Vision ist Teil des »Zukunftsbildes 2020«, das eineKommission unter Führung des ehemaligen luxemburgischen Pre-mierministers Jacques Santer 2003 der Öffentlichkeit vorstellte.Sie inspirierte und motivierte Schulbehörden im Saarland, in Loth-ringen, Rheinland-Pfalz, Luxemburg und in Belgien. 2003 hobensie ein interregionales Programm für den grenznahen individuel-len Schüleraustausch aus der Taufe, das nach dem ehemaligenfranzösischen Außenminister Robert Schuman, einem der »Vä-ter« der europäischen Einigung, benannt wurde. Robert Schumanstammte aus der Saar-Lor-Lux-Großregion.

Das Robert-Schuman-ProgrammDas Robert-Schuman-Programm ermöglicht Schülern, einen

grenznahen zwei- oder vierwöchigen individuellen Austausch miteinem Partnerschüler aus einer der Nachbarregionen durchzufüh-ren. Die Unterbringung erfolgt in der Familie der Partnerschüler,mit denen gemeinsam auch die Schule besucht wird. Das Pro-gramm ist sehr erfolgreich und wird von Jahr zu Jahr stärker ge-nutzt: 2009 gingen knapp 1.000 Bewerbungen von Schülern ein,von denen rund 850 vermittelt werden konnten.

Bei allem Erfolg des Programms war den Programmorganisa-toren in den Schulbehörden jedoch klar, dass Schüler, Eltern undLehrkräfte Hilfen für das interkulturelle Lernen vor, während undnach den Austauschen benötigen. Die Idee eines Begleitprojektswar bald geboren, und die neue Aktion COMENIUS-Regio sicher-te die Finanzierung einer saarländisch-lothringischen Kooperation.Gefunden wurde vor allem auch ein kompetenter Partner, der Lehr-stuhl für romanische Kulturwissenschaft und interkulturelle Kom-munikation an der Universität des Saarlandes. In dem gemein-samen Projekt »Interkulturelles Lernen im Schüleraustausch (ILIS)«werden die mit einem Schüleraustausch einhergehenden Lern-prozesse durch Feldforschung wissenschaftlich untersucht. Aufder Grundlage der Ergebnisse werden dann von Lehrkräften, Stu-dierenden und Dozenten geeignete Instrumente (Lehr- und Lern-materialien) für die Vor- und Nachbereitung ebenso wie für dieBegleitung und Evaluation von Austauschmaßnahmen entwickelt.Lehrerinnen und Lehrer sollen somit bei der Organisation vonAustauschen stärker unterstützt und in die Lage versetzt werden,einzelne Schüler gezielt zu motivieren und systematische Lern-prozesse im Bereich des interkulturellen Lernens zu initiieren undzu begleiten. Kern des vorliegenden Projekts sind eine engeKooperation von universitärer Forschung und deren Anwendungin der behördlichen und schulischen Praxis.

Die 2009 eingeführte AktionCOMENIUS-Regio unterstütztPartnerschaften zwischenverschiedenen europäischenRegionen. Zu den Pionierendieser Aktion zählen 32 Schul-behörden aus Deutschlandgemeinsam mit ihren jeweiligenPartnern. Eine von ihnen ist dassaarländische Bildungsminis-terium, das gemeinsam mitPartnern in Lothringen ein Projektüber das interkulturelle Lernenim Schüleraustausch durchführt.

Steckbrief

Aktion COMENIUS-Regio

Projekttitel Interkulturelles Lernen im Schüler-austausch (ILIS)

Träger auf Ministerium für Bildung desdeutscher SaarlandesSeite Hohenzollernstr. 60

66117 Saarbrückenwww.saarland.de/ministerium_bildung.htm

Kontakt Joachim MohrE-Mail: [email protected]

Lokale Gymnasium am Schloss, Saarbrücken

Lehrstuhl für Romanische Kultur-wissenschaft und InterkulturelleKommunikation an der Universitätdes Saarlandes

Partner- Regionalrat Lothringen mit lokalenregion Partnern

Produkte Lehr-Lern-Materialien zum inter-kulturellen Lernen im deutsch-französischen Schüleraustausch

Zeitraum August 2009 bis Juli 2011

Partner aufdeutscherSeite

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PARTNERSCHAFT 25

Videotagebücher vermitteln die SchülerperspektiveIn einer ersten Phase des Projekts werden alle Akteure des

Austauschs – Schüler und Lehrer, Eltern und Gastfamilien – be-fragt, um einen umfassenden Einblick in das Austauschgesche-hen zu bekommen und die interkulturellen Lernprozesse derBeteiligten zu erfassen. Zusätzlich werden einige Schülerinnenund Schüler während des Aufenthalts im Partnerland mit Cam-cordern ausgestattet. So entstehen Videotagebücher aus der Pers-pektive der Schüler, mit deren Hilfe die Wahrnehmung der anderenKultur und der Verlauf des Austauschs untersucht werden kön-nen. Ziel dieser Projektetappe ist es, zu verstehen, wie die Schü-ler ihren Austausch erleben und welche Lernprozesse dabeisprachlich, aber vor allem hinsichtlich der interkulturellen und per-sönlichen Entwicklung erfolgen.

Aufbauend auf diesen Ergebnissen werden in der zweiten Pha-se des Projekts an der Universität des Saarlandes in Projekt-seminaren Materialien zum interkulturellen Lernen im Robert-Schuman-Programm entwickelt. Schwerpunkte bilden dabei Lehr-materialien für die Vor- und Nachbereitung der teilnehmen-den Schüler. Auch die Austauschschüler selbst können aufmultimediale Inhalte zurückgreifen und auf diese Weise eigen-ständig ihren Auslandsaufenthalt interkulturell aufbereiten. Nichtvergessen werden sollen auch die Familien, die durch die Aufnah-me eines Gastes ebenfalls interkulturelle Erfahrungen sammeln.Im Zentrum der Entwicklungen, die in engem Austausch mit Schü-lern, Lehrern und Studierenden erfolgen, steht eine zielgruppen-gerechte Aufbereitung der Materialien unter Einbeziehung neuerMedien. Zudem sollen die Schüler zur Reflexion über die erlebtenFremdheitserfahrungen im anderen Land, aber auch während derBesuche der Partnerschüler in der eigenen Familie angeregt wer-den. Sie sollen damit in die Lage versetzt werden, interkulturelleBeobachtungen und Prozesse adäquat zu beurteilen und zu be-schreiben. So können sie die Grundgedanken des Robert-Schu-man-Programms als Multiplikatoren weitertragen.

Kurzfilm für die interkulturelle Vorbereitung der SchülerHannahs Erfahrungen, die eingangs geschildert werden, kön-

nen als Beispiel für die geplanten Lehr- und Lernmaterialien gel-ten. Sie fassen die Handlung eines Kurzfilms zusammen, derbereits im Rahmen des Regio-Projektes zur interkulturellen Vorbe-reitung des Schüleraustausches entwickelt und in saarländischenund lothringischen Schulen eingesetzt wurde. Der Film soll durchgestalterische Mittel für Schüler attraktiv sein: Hierzu wurde eineAnimation mit Figuren verwendet und in formaler Hinsicht auf diebekannte »Sendung mit der Maus« angespielt. Inhaltlich basiertder Film auf der Auswertung von Berichten und Interviews mitAustauschschülern und greift immer wiederkehrende, authenti-sche Erfahrungsbereiche und Problemfelder auf. Ziel ist dabeiweniger die Vermeidung von unumgänglichen Missverständnis-sen und Fremdheitserlebnissen, die genuiner Bestandteil einesAustausches sind und »einfach dazugehören«. Vielmehr sollenmögliche interkulturelle Lern- und Erfahrungsräume aufgezeigtwerden, die im Zuge der Vorbereitung des Austauschs im Fremd-sprachenunterricht diskutiert und angesprochen werden können.Damit soll der Blick über die offensichtlichen Unterschiedebeispielsweise bezüglich der Ganztagsschule oder des Kantinen-essens in Frankreich hinaus geschult werden, so dass auch un-terschiedliche Kommunikations- und Unterrichtsstile differenziertbeobachtet und beschrieben werden können.

Joachim Mohr und Dr. Christoph VatterJoachim Mohr ist Austauschreferent im Ministerium fürBildung des Saarlandes, Dr. Christoph Vatter ist Dozent imBereich Interkulturelle Kommunikation an der Universität desSaarlandes.

Saarländische Schülerinnen und

Schüler äußern sich positiv über

ihre Austauscherfahrungen mit

dem Robert-Schuman-Programm:

»Meine Bilanz ist sehr positiv,da ich viel gelernt habe und vieleFreundschaften geschlossenhabe.«

»Ich habe gelernt, dass nur 50 kmentfernt alles ganz anders ist.«

»Es war eine sehr schöne undlehrreiche Erfahrung.«

»Ich habe gelernt, dass SprachenSpaß machen. Seitdem sprecheich viel lieber Französisch!«

»Ich habe ein Stück französischeKultur kennen gelernt und natür-lich meine Sprachkenntnisseverbessert.«

Mit Spielfiguren werdeninterkulturelle Situationennachgestellt und für einenFilm animiert.

In Seminaren an derUniversität des Saar-landes erarbeitenStudierende derinterkulturellenKommunikation Lehr-und Lernmaterialien.

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26 Zur Einführung

Im deutschen Sprachgebrauch gibt es die Redewendung, »malüber den Tellerrand gucken«. Wie das oben stehende Sprichwortaus dem Sudan zeigt, haben die Menschen dort für die Notwen-digkeit von Mobilität eine deutlichere Bildsprache gefunden. ImFachjargon der Bildungsinstitutionen wird dagegen sachlich davongesprochen, wie wichtig individuelle Mobilitätserfahrungen sind.COMENIUS bietet – neben den Schülerbegegnungen im Rahmender Schulpartnerschaften – für angehende und praktizierende Leh-rer sowie für bildungspolitische Entscheidungsträger eine Reihevon Möglichkeiten für die individuelle Mobilität zur Fortbildung imschulischen Kontext. Die folgenden Beispiele zeigen, dass dieTeilnehmer dabei nicht nur Kenntnisse über die Bildungssystemeanderer Länder gewinnen. Für eine gewisse Zeit tauchen sie auchin die Sprachen, Denkweisen und die alltägliche Umgebung ihrerGastgeber ein.

Studienbesuche für Bildungs-und Berufsbildungsfachleute

Das Studienbesuchsprogramm besteht seit Ende der 1970erJahre. Damit ist es eines der ältesten Programme der europäi-schen Bildungskooperation. Es ermöglicht Entscheidungsträgernim Bildungswesen einen internationalen Erfahrungsaustausch.Behandelt werden dabei europaübergreifende Themen des Unter-richts und aktuelle Entwicklungen der Bildungs- und Berufsbil-dungssysteme. An den drei- bis fünftägigen Studienaufenthaltennehmen jährlich etwa 280 Experten aus Deutschland teil. In euro-päisch zusammengesetzten Gruppen diskutieren sie fachspezifi-sche Themen und lernen – nicht zuletzt im Austausch mit Praktikernvor Ort – innovative Lösungsansätze kennen. Zudem führen Bil-dungseinrichtungen in Deutschland jährlich rund 20 Studienbesu-che für Teilnehmer aus dem europäischen Ausland durch.

Die Sicht eines Teilnehmers vermittelt ein Mitarbeiter der Re-gierung der Oberpfalz. Rainer Lacler konnte bei einem Studienbe-such im norwegischen Leirvik erfahren, welche ungewöhnlichenAntworten Schulen in Norwegen auf die nicht zufrieden stellen-den PISA-Ergebnisse ihrer Schüler gefunden haben (Seite 38).Erfahrungen aus umgekehrter Perspektive haben Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter des Sächsischen Bildungsinstituts gemacht. Sieübernahmen die Rolle des Gastgebers für eine europäische Be-suchsgruppe zum Thema »Schulautonomie« (Seite 40).

COMENIUS-LehrerfortbildungDie Aktion COMENIUS-Lehrerfortbildung ermöglicht jährlich

rund 1.100 Lehrkräften aus Deutschland die Teilnahme an Fortbil-dungen in anderen europäischen Staaten. Sie ergänzt so das Fort-bildungsangebot der Länder in der Bundesrepublik Deutschlandinsbesondere um die Vermittlung von Konzepten und Unterrichts-methoden, die auf europäischer Ebene entwickelt worden sind.Ein besonderes Kennzeichen der Kurse ist die europäische Zu-sammensetzung mit Teilnehmern aus unterschiedlichen Staaten.Die Fortbildungen geben so neue Impulse für den Unterricht unddie Schulgestaltung. In vielen Erfahrungsberichten wird auch überpositive Auswirkungen auf die Internationalisierung der Schulender Teilnehmer berichtet.

»Wenn du zu lange unter einem Baum hockst,machen dir die Vögel auf den Kopf.«

Aus dem Sudan So wichtig Lernen über Europa,andere Länder, ihre Kulturenund Sprachen in der Schule ist,so wenig kann dieses Lernendie persönliche Begegnung mitMenschen aus anderen Kulturenersetzen. In diesem Kapitelwerden Erfahrungsberichtevon Menschen vorgestellt,die COMENIUS individuell füreinen Aufenthalt im europäischenAusland genutzt haben.

Studienbesuche 2008 bis 2010Der Einsatz neuer Medien im Unterricht unddas Kennenlernen anderer Bildungssystemesind die von deutschen Teilnehmern bevorzug-ten Themen für einen Studienbesuch. DieÜbersicht zeigt die von deutschen Bildungs-experten in den Jahren 2008 bis 2010 amhäufigsten ausgewählten Themen mit Teil-nehmerzahlen.

Einsatz von IKT beim Lernen

Vorstellung nationaler Bildungs-und Berufsbildungssysteme

Führungsqualitäten undManagement

Chancengleichheit fürbenachteiligte Gruppen

Qualitätssicherung in Schulenund Ausbildungseinrichtungen

Sprachunterricht undSpracherwerb

Der Beruf des Lehrers, Herausfor-derungen an Lehrer und Ausbilder

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Mobilität 27

Neben der Teilnahme an Fortbildungen und Konferenzen wirdunter COMENIUS auch das »Job-shadowing« gefördert, das mehr-wöchige Einblicke in die Unterrichtspraxis an Schulen in andereneuropäischen Ländern ermöglicht. Am Beispiel des Aufenthaltsdes Gesamtschullehrers Hubertus Günther aus Nordrhein-West-falen im schwedischen Hudiksvall wird die Intensität dieser Lern-erfahrung spürbar (Seite 32).

COMENIUS-AssistenzzeitenAngehende Lehrerinnen und Lehrer aller Fächer können als

COMENIUS-Assistenzkräfte praktische Lehrerfahrungen in einemanderen europäischen Land sammeln und ihre Sprachenkenntnis-se verbessern. Gegenüber dem bereits seit mehr als 100 Jahrenin Deutschland durchgeführten Fremdsprachenassistenten-programm haben die COMENIUS-Assistenzkräfte ein europa-orientiertes Profil, da sie sich nicht vornehmlich auf die Vermitt-lung der klassischen Unterrichtsprachen konzentrieren. Währendihrer Einsatzzeiten zwischen 13 und 45 Wochen vermitteln sie inihren Gasteinrichtungen gerade auch die weniger bekannten eu-ropäischen Sprachen, wie das Beispiel von Kristina Pilate ausLettland zeigt (Seite 30). Zugleich fördern sie das interkulturelleLernen über andere europäische Kulturen. Der Bericht aus derKetteler-Schule in Beckum zeigt, wie lohnend der Aufenthalt einerCOMENIUS-Assistentin auch für die Gasteinrichtung sein kann.Dass die COMENIUS-Assistenzzeit nicht nur für die Berufsvorbe-reitung eine wichtige Rolle spielt, sondern für viele Assistentenauch zu einer prägenden Lebenserfahrung wird, macht der Artikelvon Jens Gerisch deutlich (Seite 28).

Mobilität

Ausländische Teilnehmernach Herkunftstaaten

Türkei 40Italien 39Polen, Spanien je 27Großbritannien 20Ungarn 12Frankreich 11Finnland 10Dänemark 8Lettland 7Bulgarien 6Schweden 5

Belgien (fläm.),Griechenland, Irland,Tschechische Republik je 4

Belgien (frz.),Litauen, Norwegen,Rumänien,Slowenien je 3

Island, Portugal,Slowakische Republik je 2

Luxemburg 1

Gesamt 250

COMENIUS-Assistenzzeiten 2007 bis 2009Die häufigsten Einsatzländer der COMENIUS-Assistenzkräfteaus Deutschland sind Frankreich, Spanien, Schweden und Nor-wegen. Deutschland als Zielland ist dagegen für Assistenzkräfteaus der Türkei, Italien, Polen und Spanien besonders attraktiv.

Deutsche Teilnehmernach Zielstaaten

Frankreich 42Spanien 34Schweden 30Norwegen 29Italien 28Finnland 27Irland 25Dänemark 24Großbritannien 19Niederlande, Portugal je 14Polen, Ungarn je 13Slowenien, Türkei je 11Estland 7Griechenland, Litauen je 5Belgien (frz.), Island,Lettland, Rumänien je 4Bulgarien, Luxemburg,Malta, TschechischeRepublik je 3Belgien (fläm.), Zypern je 2Slowakische Republik 1

Gesamt 384

Die Karte zeigt die häufigsten Ziel- und Herkunftsländer derCOMENIUS-Assistenzkräfte in den Jahren 2007 bis 2009.

Teilnehmerstaaten

27 Mitgliedstaaten der EU

Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums:Norwegen, Island und Liechtenstein

Türkei

Kroatien, Ehemalige Jugoslawische RepublikMazedonien (seit 2010)

Schweiz (ab 2011)

Die Teilnahme der westlichen Balkanstaaten Albanien,Bosnien-Herzegowina, Moldawien, Montenegro undSerbien ist während der Laufzeit des Programmsgeplant.

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28 COMENIUS-Assistenzzeiten

3. September 2008. Flughöhe 7.000 Meter. Unter mir glänztwie ein Spiegel die Ostsee, die Küste Dänemarks kommt in Sicht.Der Sinkflug beginnt und ich sehe, wie meine neue Wahlheimatfür die nächsten sieben Monate langsam größer wird. Durch dasCOMENIUS-Programm habe ich ein Stipendium erhalten, um aneiner Schule in Dänemark zu assistieren. In meinem bisherigenStudium der Sonderpädagogik beschäftigte ich mich auch mitdem dänischen Bildungssystem, das als gutes Beispiel für Chan-cengleichheit und Integration von Schülerinnen und Schülern mitbesonderem Förderbedarf gilt. Von der Umsetzung dieser Idealein die Praxis wollte ich mich selbst überzeugen.

Nun war ich da, in Aalborg, einer Stadt mittlerer Größe imNorden Dänemarks, am Limfjord gelegen. Mein Arbeitsort war dieGug-Skole, die mit 800 Schülern größte Schule in der KommuneAalborg. Sie ist eine Volkeskole, in der alle SchülerInnen von der0. bis zur 9. Klasse gemeinsam lernen. Von Anfang an versuchteich, meine vor dem Aufenthalt in Dänemark in einem Selbstlern-kurs erworbenen Kenntnisse der dänischen Sprache zu nutzen.Lehrer und Schüler waren darüber erstaunt und unterstützten michfreudig beim Dänischlernen. Zweimal wöchentlich besuchte icheinen Sprachkurs.

Nahe der Innenstadt hatte mir das Bildungsministerium derKommune Aalborg eine vollmöblierte Einraumwohnung sowie Kü-chenzubehör zur Verfügung gestellt. Von meiner Wohnung auskonnte ich mit dem Fahrrad oder mit dem Bus zur Schule fahren.In der Gug-Skole fühlte ich mich sehr wohl. Insbesondere zu mei-nem Betreuungslehrer Niels, aber auch zu anderen Lehrern ent-wickelte sich bald ein freundschaftliches Verhältnis. EinigeKollegen luden mich sogar nach Hause ein. So konnte ich Einblickin die dänische Kultur und Lebensweise erlangen.

Individueller EinsatzplanAn der Gug-Skole hatte ich viele Freiheiten. Gemeinsam mit

mir erarbeitete mein Betreuungslehrer einen Stundenplan, dermeine Interessen berücksichtigte. So konnte ich unterschiedlicheAltersgruppen sowie verschiedene Bereiche des dänischen Bil-dungssystems kennen lernen. Pro Woche absolvierte ich 16 Un-terrichtsstunden, hauptsächlich in vier Fächern.

Vier Stunden hatte ich zusammen mit einer Lehrerin in zweiKlassen des 2. Jahrgangs in Mathematik. Im Unterricht betreutenwir die Klasse gemeinsam, beantworteten Fragen und halfen beiden Aufgaben. Dank der räumlichen Möglichkeiten konnten Schü-ler mit Lernschwierigkeiten aus der Klasse herausgenommen unddurch mich besonders gefördert werden. Bei bestimmten Projek-ten und Aufgaben wurde die Klasse in zwei Gruppen aufgeteilt,die wir dann in unterschiedlichen Räumen getrennt unterrichte-ten. Da die Zweitklässler nur Dänisch sprachen, war das für micheine echte Herausforderung. Als ich einmal mit einer Hälfte derKlasse allein war, stritten sich zwei Schüler. In solchen Situatio-nen merkte ich, dass mich das Unterrichten allein in der Klassenoch überforderte.

Weitere vier Stunden pro Woche lehrte ich gemeinsam miteiner anderen Lehrkraft Mathematik und Dänisch in einer Spezial-klasse, die aus sieben Schülern mit Lese- oder Rechtschreibschwä-che bestand. Dabei konnte ich mit den Schülern einzeln oderauch in Kleingruppen arbeiten und eigene Unterrichtsideen aus-probieren.

Hej DänemarkSieben Monate als COMENIUS-Assistentan der Gug-Skole in Aalborg

Angehende Lehrkräfte habenals COMENIUS-Assistentendie Möglichkeit, praktischeUnterrichtserfahrung in einemanderen europäischen Land zusammeln. Gleichzeitig wirkensie als Kulturbotschafter ihresHerkunftslandes. Für Jens Gerischwar die Assistenzzeit in Dänemarknicht nur eine intensive Berufs-vorbereitung, sondern aucheine wichtige Lebenserfahrung.

Der Einsatz-ort Aalborgliegt amidyllischenLimfjord.

Steckbrief

Aktion COMENIUS – Assistenzzeiten

Gastschule Gug-Skole in Aalborg (Dänemark)www.gug-skole.dk/forside.html

Zeitraum 3. September 2008 bis 31. März 2009

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Mobilität 29

Zwei Stunden pro Woche war ich im Physikunterricht einer7. Klasse. Ich half dem Lehrer beim Aufbau der Experimente so-wie den Schülern beim Experimentieren. Dabei hatte ich die Mög-lichkeit, den Schülern auf Dänisch bzw. Englisch physikalischeGesetze zu erklären und mein Fachwissen einzubringen.

»Tokio Hotel« im DeutschunterrichtDie restlichen Stunden verbrachte ich im Deutschunterricht

der 8. und 9. Klasse. Hier übernahm ich teilweise auch die Unter-richtsplanung und Unterrichtsdurchführung. Besonderen Wert leg-te ich auf Übungsgelegenheiten zum Sprechen. Wir machten Spieleund sprachen im Stuhlkreis über verschiedene Themen. Des Wei-teren gab ich eine kleine Unterrichtseinheit zu deutscher Musik,in der es überwiegend um das Verstehen der Texte der Band»Tokio Hotel« ging. Da sich die Neuntklässler auf das Examenvorbereiteten, übte die Lehrerin gemeinsam mit mir Prüfungsge-spräche mit den Schülern durch, um deren Sprechvermögen zuverbessern und ihnen die Prüfungsangst zu nehmen.

Montags war stets mein freier Tag, an dem ich häufig selb-ständig andere Schulen besuchte, um so mehr Einblick in dasdänische Bildungssystem zu erhalten. Bei den Gesprächen mitLehrkräften und Schülern halfen mir meine Dänisch-Kenntnisse.Neben mehreren Volkeskolen besuchte ich Privatschulen, eineFörderschule für Kinder mit Autismus sowie besondere Angebotefür die Schüler der Kommune, wie beispielsweise das Umwelt-zentrum am Limfjord oder das Schülertheater. Überall war ichsehr willkommen. Ich konnte mit der Schulleitung sprechen, imUnterricht hospitieren sowie die Lehrkräfte im Deutschunterrichtunterstützen.

Kulturprojekte mit anderen COMENIUS-AssistentenWährend meines Aufenthalts in Aalborg hielten sich fünf wei-

tere COMENIUS-Assistenten dort auf: aus der Türkei, aus Island,aus Polen und aus Deutschland. Sie arbeiteten an anderen Schu-len der Kommune. Da wir in unmittelbarer Nachbarschaft wohn-ten, trafen wir uns häufig, tauschten Erfahrungen aus und

unternahmen gemeinsam mit einigen ERASMUS-Studenten zahl-reiche Ausflüge. Dabei erfuhr ich viel über andere Kulturen undBildungssysteme.

Gemeinsam mit den COMENIUS-Assistenten führten wir zweiProjektwochen an unseren Gastschulen durch. Eines der Projektefür Fünftklässler befasste sich mit dem höchsten Feiertag in un-serem jeweiligen Land. Da die Projektwoche gerade zur Weih-nachtszeit stattfand, bastelten wir mit den Schülern Strohsterne,lernten etwas über die isländischen Weihnachtsgesellen und spra-chen über den Ramadan. In einem weiteren Projekt für Acht- undNeuntklässler stellten wir Besonderheiten eines jeden Landes vor.Da »Mensch ärgere dich nicht« in Deutschland erfunden wurde,machten wir die Schüler mit diesem Spiel bekannt und spielten esmit »lebenden Figuren«. In unserem 10 mal 10 Meter großen Spiel-feld war auf bestimmten Feldern von den Mitspielern eine Aktiongefordert, zum Beispiel eine landestypische Speise zu kosten odereine landesbezogene Frage zu beantworten. Die Projekte warenein voller Erfolg und bereiteten sowohl uns als auch den Schülernund Lehrern viel Freude.

Seit mehreren Monaten sitze ich nun wieder in Deutschland imHörsaal und spüre, wie mich diese intensive Praxisphase geprägthat. Ich empfinde es als wirkliche Bereicherung, neue Impulseerhalten zu haben, wie Schule anders gedacht und umgesetztwerden kann. Außerdem habe ich sehr von dem Austausch und derZusammenarbeit mit den Lehrern und den anderen COMENIUS-Assistenten profitiert. Meine Assistenzzeit hat mich darin bestärkt,den Lehrerberuf zu ergreifen. Ich blicke in eine spannende Zukunftund wünsche mir einen regen Austausch und eine interessanteZusammenarbeit mit Kollegen aus ganz Europa.

Jens GerischDer Autor studiert den Master of Education für das LehramtSonderpädagogik in den Förderschwerpunkten emotionale undsoziale Entwicklung sowie Lernen in den Fächern Physik undMathematik an der Technischen Universität Dortmund.

Gemeinsam andere Kulturen erleben:Im Rahmen einer Projektwoche erlernendie Schüler einen türkischen Tanz.

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Wie wertvoll, abwechslungsreich und interessant die Anwe-senheit von Kristina Pilate vom 1. September bis 20. Dezember2008 an der Ketteler-Schule in Beckum für alle am Schullebenbeteiligten Personen gewesen ist, soll an einigen ausgewähltenAspekten im Bericht ihres Mentors Herbert Fortmann verdeutlichtwerden.

KontaktaufnahmeNach der Benachrichtigung, dass Kristina Pilate uns an der

Schule unterstützen würde, nahm ich als Mentor frühzeitig tele-fonischen Kontakt auf. Bereits hier wurden Fragen zu den Mög-lichkeiten und Wünschen beider Seiten für die zukünftige Arbeitbesprochen und erste Überlegungen zum Aufenthalt in Beckumangestellt, der dann nach einer langen Busreise aus Riga am30. August 2008 begann. Meine ländliche Heimatgemeinde Wad-ersloh, etwa 14 km östlich von Beckum, wurde für fast vier Mo-nate Kristinas Heimatort in Deutschland. Der Bezug einer kleinenWohnung, die über den Freundeskreis vermittelt worden war, undInformationen über die Gegebenheiten des öffentlichen Nahver-kehrs im ländlichen Raum zu den Städten Beckum, Lippstadt undMünster sicherten ihre Selbständigkeit. Das Angebot einer Fahr-gemeinschaft mit mir zur Schule nahm sie gerne an. Dies ermög-lichte eine tägliche »Konferenz«, um wichtige Alltagsfragen zubesprechen.

Hospitationszeit und PraktikumKristinas erster Tag an der Ketteler-Schule fand nicht in der

Schule statt. Stattdessen begleitete sie Schüler des 8. Jahrgangszu einem Praktikum in einem Großbetrieb der Metallverarbeitungin Beckum. Diese Begegnung war uns wichtig, da Kristina auchtypische Merkmale des Profils einer Hauptschule kennen lernensollte. Mit großem Interesse begleitete sie die Stationen des Ta-ges, lernte Pneumatik kennen und feilte, hämmerte, sägte undbohrte an einem Metallblech. Am Ende des Tages konnte sie sostolz einen selbst gefertigten Blumentopf aus Metall für ihre Woh-nung mitnehmen.

Bebildertes TagebuchDie eigentliche Arbeit in der Schule begann am Tag danach.

Nach der herzlichen Begrüßung durch die Schulleitung und dasKollegium besuchte sie verschiedene Klassen. Um die vielen Ein-drücke der Assistenzzeit festzuhalten, empfahl ich, ein bebildertesTagebuch anzulegen. Bis zu den Herbstferien war die Zeit geprägtvon Hospitationen in den Fächern Deutsch, Mathematik, Erdkun-de, Sport, Religion, Englisch, Hauswirtschaft, Arbeitslehre-Tech-nik und Theater. Hinzu kamen die Begleitung auf Schulausflügenund die Teilnahme an offiziellen Terminen des Schullebens.Besonders hilfreich erwies sich ihre Mitarbeit während des zwei-ten Treffens im Rahmen des gleichzeitig laufenden COMENIUS-Schulprojekts »Ohne Einbildung zur Ausbildung« mit denPartnerschulen aus Graz und Vilnius. Bei vielen Unternehmungenkonnte sie mit ihren Russischkenntnissen den litauischen GästenSachverhalte erklären, was ihnen besonders gut gefiel. Den öster-reichischen Gästen und deutschen Gastgebern machte dagegendie Unterhaltung auf Deutsch großen Spaß.

»Das Schönste ist das, dassich jetzt einen Ort bzw. Beckumhabe, wohin ich in jeder Zeitfahren kann und wo ich herzlichempfangen werde. Danke.«Mit diesen Worten beschlossKristina Pilate aus Jurmala beiRiga (Lettland) einen Brief anihren Mentor nach ihrerAssistenzzeit im Herbst 2008 inBeckum (Nordrhein-Westfalen).

»Die lettische Sprache istauch nicht leichter als Deutsch«

Steckbrief

Aktion COMENIUS – Assistenzzeiten

Gastschule Ketteler-Schule Beckum,Städtische katholische Hauptschule(Nordrhein-Westfalen)www.kettelerschule.de

Zeitraum 1. September bis 20. Dezember 2008

30 COMENIUS-Assistenzzeiten

Bei einemPraktikum mitSchülern in einemmetallverarbeiten-den Betrieb fertigtKristina Pilateeinen Blumentopfaus Metall.

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Unterricht in der SchuleNach den Erfahrungen der Hospitationen wurde im Oktober

2008 der Stundenplan für Aktivitäten im Unterricht mit Mentoren-begleitung zusammengestellt. Dabei ergab sich ein umfassenderFächerkanon mit verschiedenen Schwerpunkten:● Deutsch: Sprachlehre, Rechtschreiben, Gedichte, kleine Pro-

satexte;● Religion: Ausübung der Religion in Lettland, persönliche Er-

fahrungen auf dem Pilgerweg von Riga nach Aglona;● Erdkunde: topografische, geografische und geschichtliche Be-

sonderheiten des Landes Lettland;● Sport: Volleyball und verschiedene Ballspiele, Gymnastik;● Lettisch: Sprachkurs im 9. Jahrgang;● Theater-AG: Proben für das Stück »Momo«;● Kunst: Basteln von Weihnachtskarten.

Wegen des großen Interesses aller Schüler an Lettland warKristina bereit, in jeder Klasse eine Präsentation durchzuführen, inder länderkundliche und religiöse Aspekte im Mittelpunkt stehensollten. Diese Realisierung machte ihr großen Spaß!

Einführungstagung in BonnEnde Oktober 2008 nahm sie an einer Einführungstagung des

PAD in Bonn für COMENIUS-Assistenzkräfte aus dem Auslandteil. Über ihre Tätigkeit an der Ketteler-Schule schrieb sie im An-schluss an dieses Treffen:

»Während der Diskussion [in Bonn] verglich ich, ob dieKetteler-Schule und mein Mentor die Bedingungen der Assistenzleisten und ob meine Assistenz dem Wesen von COMENIUSentspricht. Meiner Meinung nach leisten die Ketteler-Schule undHerr Fortmann nicht nur ihre Pflichten, sondern sie geben mirviel mehr, z. B. die Möglichkeit, Erdkunde zu Lettland zuunterrichten. Der einzige Nachteil meiner Assistenzzeit inBeckum ist die schlechte Verkehrsverbindung von Waderslohnach Beckum. Der letzte Bus fährt um 18.40 Uhr. MancheCOMENIUS-Assistenten waren sehr überrascht, dass ich in sovielen Fächern (Sport, Erdkunde, Religion, Deutsch) hospitiere,obwohl ich nur das Fach Deutsch als Fremdsprache studierthabe. Warum nicht? Wenn es die Möglichkeit gibt, mehrereFächer zu unterrichten, soll man sie nutzen, war meine Antwort.Ich schätze die Möglichkeit, Erdkunde über Lettland zu unterrich-

ten, sehr. Andere haben die Schwierigkeit, ihre Muttersprachean ihrer Schule zu unterrichten, aber ich darf nicht nur Lettischunterrichten, sondern auch mein Land präsentieren.«

Außerschulische AktivitätenDie Herbstferien führten Kristina nach Aachen, Maastricht,

Düsseldorf und Münster, aber auch an die ehemalige deutsch-deutsche Grenze und nach Weimar, wo sie das Konzentrationsla-ger Buchenwald, Schiller- und Goethehaus sowie die »Herderkirche«besuchte – benannt nach dem Theologen und Philosophen JohannGottfried Herder, der zwar fast dreißig Jahre in Weimar, aber auchlange Zeit in Riga arbeitete, was sie sehr erstaunte. Eine Fahrt nachBerlin rundete die Ausflüge in die deutsche Geschichte ab. MitFreunden besuchte sie Herbstfeste benachbarter Städte und zeig-te sich interessiert an sportlicher und musikalischer Betätigung. InWadersloh spielte sie in einer Volleyballgruppe mit, in Beckumbeteiligte sie sich am Musicalchor »Filou«. Lettland stellte Kristinain bemerkenswerten Vorträgen Freunden, interessierten Eltern derKetteler-Schule, der evangelischen Frauengemeinschaft in Beckumund der Kolpingfamilie Wadersloh vor.

Kristina hat das Schulleben an der Ketteler-Schule sehr berei-chert. In ihrem Abschlussbericht im Projekttagebuch am 20. De-zember 2008 zur Arbeit an der Ketteler-Schule fasste sie ihreEindrücke so zusammen:

»Sport: Sport macht Spaß. Deutsch: Deutsche Sprache isteine schwierige Sprache. Lettisch: Lettische Sprache ist auchnicht leichter als Deutsch. Erdkunde: Lettland ist ein kleines,aber schönes Land. Religion: Ohne Gott können wir nichts.«

Dass auch nach einem Jahr die Schülerinnen und Schüler derKetteler-Schule Kristina nicht vergessen haben, zeigen Antwortenauf die Frage »Was fällt Dir heute zu „Kristina Pilate“ ein?« Ge-nannt wurden der Pilgerwegfilm nach Aglona, Präsentationen überLettland, ein Abschied mit Tränen, die lettische Sprache und dielustige Gestaltung des Unterrichts.

Herbert FortmannDer Autor unterrichtet Mathematik, Deutsch, Geographie,Religion an der Ketteler-Schule in Beckum und hatdie COMENIUS-Assistentin als Mentor betreut.

Mobilität 31

Begrüßung in der Klasse 8b.Auch nicht schwerer als Deutsch: Lettisch für Anfänger.

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Im Oktober 2008 hatte ich die Gelegenheit, am Unterricht derBackens Skola in Harmånger (Provinz Hälsingland) teilzunehmen.Die Schule wird von etwa 200 Schülern der Jahrgänge 7 bis 9besucht. Über zunächst rein private Kontakte zu Lehrern der Schuleentwickelte sich ein Schüleraustausch. Dieser läuft schon seitzwölf Jahren sehr erfolgreich. Ein Job-shadowing bot nun dieMöglichkeit, den Unterricht über einen längeren Zeitraum zu ver-folgen, diesen aktiv mitzugestalten und auch eigenverantwortlichzu unterrichten.

Die Vorbereitung fand schon im Mai statt, als ich mit einerSchülergruppe die Backens Skola besuchte. Es fanden Gesprä-che mit der Schulleiterin Eva Klang und meiner »Tutorin« Marian-ne Nyman statt. Frau Nyman erstellte mir dann nach denSommerferien einen Stundenplan, vornehmlich für die Fächer Eng-lisch, Deutsch und Biologie.

Unterricht an der Backens SkolaDie Unterrichtsstunden dauern an der Backens Skola 80 Minu-

ten, somit werden in der Zeit zwischen 8.30 und 15.30 Uhr nur vierverschiedene Unterrichtsstunden erteilt. Dies führt nach meinemEindruck zu einer ruhigeren Atmosphäre in der Schule. Die Schü-ler sind eher in der Lage, sich den Lernstoff anzueignen. Auchwerden die Pausen zwischen den Unterrichtsstunden dadurchlänger. Für die schwedischen Schüler ist das Essen in der Mensaselbstverständlich, zumal jedem Schüler ein kostenloses Mittag-essen gegeben werden muss.

Im Unterricht fiel mir allgemein der relativ hohe Anteil eigen-verantwortlichen Lernens auf. Die Schüler bekommen Grundar-beitsmittel gestellt, also Hefte, Bücher und Bleistifte. Auffällig istauch, dass nur mit Bleistift geschrieben wird. Die Arbeitsatmos-phäre war durchgehend positiv. Die Schüler nutzten während derStunden oft die Möglichkeit, in der angeschlossenen Bibliothekzu arbeiten. Hier stehen auch Computer mit Internetzugang.

Interessant war für mich der Englischunterricht. Das Niveauist etwa mit dem unseren vergleichbar. Jedoch fällt auf, dass dieSchüler idiomatisch weiter sind als in Deutschland, was auch aufdie Tatsache zurückzuführen ist, dass Filme im Fernsehen und imKino in der Originalsprache, überwiegend in Englisch, laufen.

Bei meinem eigenen Unterricht sah ich dann für mich dieSchwierigkeit, mich den Umgangsformen zwischen Lehrern undSchülern anzupassen. Natürlich wollte ich als Gast nicht unange-bracht auf bestimmtes Schülerverhalten reagieren. Wie generellüblich in Schweden, duzen sich Lehrer und Schüler und redensich mit Vornamen an. Ich konnte mich schnell an die Anrede»Hubertus« gewöhnen und empfand den Umgang mit den Schü-lern als angenehm.

Einige Unterrichtsstunden übernahm ich, wenn schwedischeKollegen vertreten werden mussten. Ich hatte hierfür einen Frage-bogen zum Wissen der Schüler über Deutschland vorbereitet.Hierbei verwunderte es mich nicht, dass immer noch vielen Ju-gendlichen zunächst Bratwurst, Sauerkraut, Lederhose und derName des Diktators aus den 30er Jahren einfallen. Das ist einweiteres Indiz dafür, wie wichtig internationale Begegnungen sind,um Vorurteile auf allen Seiten abzubauen.

Job-shadowing als eine Formder COMENIUS-Lehrerfortbildungermöglicht einen mehrwöchigenUnterrichtsbesuch an einerSchule im Ausland. HubertusGünther von der Gustav-Heine-mann-Gesamtschule in Essenhat die Kontakte zu seinerschwedischen Partnerschulehierfür genutzt und an der»Backens Skola« in Harmångererfahren, was im schwedischenSchulalltag anders ist.

Steckbrief

Aktion COMENIUS – Lehrerfortbildung

Thema Job-shadowing im Unterricht

Gastschule Backens Skola in Harmånger(Provinz Hälsingland, Schweden)www.nordanstig.se/utbildning-och-barnomsorg/grundskola/grundskolor/backens-skola.html

Zeitraum 1. bis 24. Oktober 2008

Erfahrungen an einerschwedischen »grundskola«

32 COMENIUS-Lehrerfortbildung

Eingang derBackens Skolain Harmånger,Schweden.

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Hilfe im Schulalltag durch den »elevvärd« und »kurator«Ein wichtiger Grundsatz lautet: »Alle Schüler gehen zur (neun

Jahre dauernden) Grundschule.« Die Schüler sollen nicht durchunterschiedliche Schulformen voneinander abgegrenzt werden.An der Spitze der Schule steht die Rektorin Eva Klang, die über-wiegend mit organisatorischen Aufgaben betraut ist und nur we-nig Unterricht erteilt. Die etwa 20 Lehrkräfte sind mit in dieOrganisation eingebunden und können aktiv an der Gestaltungder Stundenpläne mitwirken.

Besonders hervorzuheben sind zwei Personen und deren Auf-gaben, die es an unserer Schule so nicht gibt – der »elevvärd« undder »kurator«. Beide Bezeichnungen können nicht ohne weiteresins Deutsche übersetzt werden. In Gesprächen mit beiden hatteich Gelegenheit, Näheres über ihre Tätigkeiten zu erfahren. Der»elevvärd« Arlindo Gomez ist verantwortlich für die Schüler-Cafe-teria, für den Schulsportverein, den Schülerrat und das Wohlerge-hen der Schüler im Allgemeinen. Er unterrichtet die Schüler in denThemenbereichen Zusammenleben und Partnerschaft und istjederzeit für die Schüler ansprechbar. Sie kommen mit allen mög-lichen Problemen zu ihm. In den Pausen ist er im Flur präsent, umauftretenden Konflikten sofort den Wind aus den Segeln zu neh-men. Einmal im Jahr geht er mit den Schülern der Klassen 7 und 9in den Wald. Hier gibt es Aufgabenstellungen, die nur im Teamgelöst werden können.

Die »kuratorin« Mariana Sundesten ist ein weiterer Ansprech-partner für die Schüler außerhalb des Lehrerkollegiums. Zusam-men mit der Rektorin und der Krankenschwester bildet sie das»elevhälsoteam«, das Schülergesundheitsteam. Dieses Team kannje nach Situation Beschlüsse fassen, wie weiter mit gesundheitli-

chen und psychischen Problemen der Schüler zu verfahren ist.Mariana tritt bei schlechten Schulergebnissen, Schulversagen,Krankheit der Schüler und hohen Fehlzeiten auf den Plan. Sie isteine Art Sozialarbeiterin und Psychologin, die auch das Gesprächmit den Eltern sucht und diese auch in einigen Fällen besucht. Sieredet mit allen Schülern im Eingangsjahrgang 7 individuell. An derSchule besteht zudem ein besonderer Plan, wie mit Mobbingumgegangen wird. Hierzu unterschreiben Schüler und Eltern zu-sammen mit der Rektorin einen Anti-Mobbing-Vertrag.

Voneinander lernenInsgesamt hat mir mein Aufenthalt in Schweden genauere Ein-

blicke in das schwedische Schulsystem verschafft und ich bin anErfahrung reicher geworden. Besonders positiv empfand ich denUmgang der Lehrer und Schüler untereinander, wobei das Wohl-ergehen der Kinder und Jugendlichen absolute Priorität hat. NichtVorwürfe oder Kritik sollen Schulversager und schwächere Schü-ler zu besseren Ergebnissen bringen, sondern eine Analyse derGründe, die zu Schwierigkeiten führen, und dann eine gemeinsa-me Strategie zur Lösung. Für meine weitere Tätigkeit bedeutetdies konkret, dass ich meine Rolle als Lehrer und Erzieher weiterhinterfrage und immer wieder kritisch beurteilen muss. Sicherkönnen beide Systeme, das schwedische wie das deutsche,voneinander lernen.

Hubertus GüntherDer Autor ist Lehrer für Englisch und Biologie an der Gustav-Heinemann-Gesamtschule (Europaschule) in Essen.

Im Gespräch mit einem schwedischen Kollegenund einem Schüler.

Mobilität 33

»Vi tror att alla måstekänna sig trygga ochrespekterade för attkunna göra ett bra arbetei skolan.« – »Wir glauben,dass sich alle geborgenund respektiert fühlenmüssen, um eine guteArbeit an der Schuleleisten zu können.« Solautet der Handlungsplangegen Mobbing, Gewaltund Rassismus, den dieSchule gemeinsam mitEltern, Schülern undPolizei entwickelt hat.

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Eines Tages lag ein Flyer auf dem Tisch im Lehrerzimmer, aufdem es hieß: Beantragen Sie beim PAD einen Zuschuss aus demProgramm COMENIUS für einen 14-tägigen Englisch-Kurs in Eng-land oder Irland. »Klasse«, dachte ich, immer darum bemüht, meinEnglisch zu verbessern. Als Russischlehrerin habe ich nach derWende die Chance ergriffen, ein berufsbegleitendes Englischstu-dium zu absolvieren. Das Sprechen kam dabei jedoch viel zu kurz.So bin ich immer auf der Suche nach Möglichkeiten, meine Spra-che zu entwickeln. Im Frühjahr erhielt ich die Mitteilung, dass icham Kurs »Teacher’s Course – Methodology and Learning Aspects«in Dublin teilnehmen könne. Was für eine tolle Entscheidung! Beiunserer Ankunft wurden wir in dem eher unscheinbaren »Interna-tional House of Dublin« freundlich empfangen. Es waren sowohlpolnische, ungarische, italienische als auch spanische Lehrer un-ter uns, die alle ein Ziel verfolgten, nämlich ihr Englisch zu vervoll-kommnen.

»You are very, very welcome to my lesson«Auf unserem Stundenplan standen je zwei Mal zwei volle Zeit-

stunden am Vormittag und eineinhalb Stunden am Nachmittag.Zugegeben, das war anstrengend. Der Unterricht am Vormittagumfasste Module zur Vermittlung von Grammatik, Lese-, Hör- undSchreibfertigkeiten, Phonetik und Erzähltechniken. Im Nachmit-tagsunterricht wurden Module zu Theater, Musik, Kultur und Lan-deskunde angeboten – Bereiche, die im Englischunterricht häufigzu kurz kommen. Am meisten beeindruckte mich die von denLehrkräften angewandte Methodenvielfalt. Es gab kaum Frontal-unterricht. Stattdessen überwogen Partner- und Kleingruppenar-beit. Das Tempo und die Art der Wiederholung trugen zu einerungeheuren Dynamik bei. Joanna war wohl die leidenschaftlichsteLehrerin am »International House of Dublin«. Wenn sie »Two, two,two« sagte, bedeutete das für uns: Partnerarbeit für zwei Minuten.Dann mussten wir diskutieren, ordnen, herausfinden, ersetzen,bilden, bestimmen. Es bestand immer Zeitdruck, der dazu animier-te, nicht zu faulenzen, sondern konzentriert zu arbeiten.

Die von den irischen Kollegen angewandte Methodik war sehrgut strukturiert und immer klar und transparent. Nach einer Phaseder Motivation kam die Aufbereitung des Stoffes, seine Übungund Anwendung. Dann wurde uns bewusst gemacht, wie man andas einzelne Sprachproblem herangehen sollte. Im Anschluss gabes Materialien, die noch einmal Anlass gaben, das Erlernte zureflektieren.

Memory-Spielen im EnglischunterrichtUm die Vielzahl der erlernten Methoden anzuwenden, werde

ich wohl das ganze Schuljahr brauchen. Eine für meine Arbeitsehr effektive Methode ist das Memory-Spiel, das ich schon fürmeine 8. Klasse entworfen habe, um British English und Ameri-

»Two, two, two«Methodenvielfalt im Sprachenunterricht

Moderner Sprachenunterrichtstellt aktives Lernen und Partner-arbeiten in den Vordergrund.Dies lernte Heike Schade bei einerzweiwöchigen Lehrerfortbildungin Dublin. Der über COMENIUSgeförderte Sprachaufenthalt botder Lehrerin aus Brandenburgzudem viele Gelegenheiten,mit Einheimischen zu sprechenund Einblick in die irische Kulturzu gewinnen.

Steckbrief

Aktion COMENIUS – Lehrerfortbildung

Kurzthema Teacher’s Course – Methodologyand Learning Aspects

Kursveranstalter International House of Dublinwww.ihdublin.com/ihdublin/main/home.htm

Zeitraum 2. bis 16. August 2009

34 COMENIUS-Lehrerfortbildung

Faszinierend –die Klippenvon Moher.

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can English zu üben. Auch meinen Kollegen habe ich das Spiel zurVerfügung gestellt. Die Erstellung bedeutet natürlich einen höhe-ren Aufwand, aber die Schüler lernen mit Freude und im Spiel.Das Memory ist auf alle Bereiche der Sprache anzuwenden, aufPhonetik und Lexik genauso wie für die Grammatik. Für den 13.Jahrgang benutzte ich die Idee, den Schülern einen Brief zu schrei-ben, in dem ich ihnen anbot, mir mitzuteilen, welche Defizite siein Bezug auf die Abiturvorbereitung noch haben. Wie nett dieSchüler sich für den Brief bedankten und wie vorsichtig sie ihreBedürfnisse anmeldeten, war wirklich lesenswert.

Mein sehnlichster Wunsch für diese Fortbildung war das flüs-sige Sprechen. In Dublin wurde mir bewusst, wie wichtig es ist,die Schüler ausreden zu lassen. Auch mir wurde so die Angstgenommen, umfangreichere Redebeiträge zu leisten. Ich fragtenach: »Ja«, sagte Joanna, »manchmal liegt es mir auf der Zunge,dich zu korrigieren. Aber wie siehst du es selbst?« So musste ichfeststellen, dass durch das Nicht-Korrigieren mein Redefluss inGang kam. Noch nie habe ich in solch komprimierter Form so vieleAnregungen erhalten.

Mobilität 35

Singen verbindet: die Kursteil-nehmer beim Liedernachmittag.

Zu den Klippen von MoherEs ging allerdings nicht allein darum, neue Methoden kennen

zu lernen. Natürlich sollte uns auch Dublin und seine Umgebungnäher gebracht werden. Das organisierte ein charmanter, jungerMusiker namens Declan Burke. Er führte uns durch die Stadt,ging mit uns in einen typisch irischen Pub und begleitete uns beider Bootsfahrt auf dem Fluss Liffey, die uns Dublin von der Was-serseite zeigte. Den Höhepunkt des Kulturprogramms bildete dieFahrt nach Galway, an die Westküste des Landes. Die Klippen vonMoher sind einfach »fabulous«. Die Rauheit der Küste fasziniertejeden, der dort stand.

Abschließend ist zu sagen, dass ich jedem nur raten kann, sichfür einen solchen Kurs zu entscheiden. Ich beabsichtige jedenfalls,mich in zwei Jahren wieder um eine COMENIUS-Lehrerfortbil-dung zu bewerben.

Heike SchadeDie Autorin unterrichtet Darstellendes Spiel, Deutsch undEnglisch am Bertolt-Brecht-Gymnasium in der Stadt Brandenburg.

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Vor einiger Zeit erreichte mich eine E-Mail von Gamze, einerLehrerin aus der Türkei. Mit großer Begeisterung berichtet sie,dass sie jetzt selbst eine medienpädagogische Fortbildungsver-anstaltung mit ihren eigenen Kollegen durchführen werde. DieIdee dazu und das fachliche Know-how erhielt sie auf einerCOMENIUS-Lehrerfortbildung des Kulturrings in Berlin, die siebesucht hatte. Für Gamze war der Kurs so anregend, dass sie sichjetzt in der Fortbildung engagiert und unsere Vision weiterverbrei-tet. Gamze ist damit keine Ausnahme. Immer wieder erreichenuns solche Schreiben über die Auswirkungen einer Kurswoche inBerlin. Das freut uns und motiviert, auch in Zukunft Fortbildungs-kurse in Berlin durchzuführen.

Schon seit 2002 führt der Kulturring in Berlin ein- bis zweimaljährlich eine einwöchige Fortbildung durch. Entstanden ist dieKursarbeit durch die Ergebnisse unseres ersten EU-Projekts »Fern-sehnachrichten aus Europa«. Informationen dazu finden sich aufder Website www.23muskeltiere.de/europe.htm. Unsere Absichtwar, die Resultate des Projekts einem breiteren Publikum zugutekommen zu lassen, um so die Nachhaltigkeit zu fördern. Bei allenKursen steht die aktive und reflexive Medienpädagogik im Vorder-grund. Dabei dreht sich alles um Videoproduktionen, die in denUnterrichtsalltag integriert werden können, um die Medienkom-petenzen junger Menschen zu stärken. Die immer stärkere Flutvon bewegten Bildern, die nicht nur auf Schülerinnen und Schülereinströmt, erfordert auch in der Schule einen Freiraum für dieAufarbeitung. Kurze Videoaufnahmen, Videoschnittaufgaben oderkomplette Produktionen dienen deshalb als Hilfsmittel und zurMotivation, um das fachliche Wissen und die Diskussion über dieMedien zu fördern.

Grundlagen der MedienpädagogikDiese medienpädagogische Richtlinie bestimmt das Wochen-

programm sehr stark. Die Teilnehmer werden in die Grundlagender Medienpädagogik eingeführt. Außerdem werden Ideen vorge-stellt, wie theoretische Konzepte mit verschiedenen Schulfächernverknüpft werden können oder wie ein Videoprojekt ausgewertetwerden kann. Im Laufe der Jahre entwickelten sich daraus zweiGrundkonzepte: ein allgemeiner Medienkurs für alle Schulfächerund, als Ergebnis des Projekts »Speech Bubbles«, ein Kurs spezi-ell für Fremdsprachenlehrer. Die Teilnehmer legen dabei selbstHand an, setzen Videokamera und Schnittcomputer ein und sol-len in die Lage versetzt werden, ihr Wissen anschließend an ihreSchülerinnen und Schüler weiterzugeben. Dass solche Fortbil-dungen sich an aktuellen Entwicklungen orientieren, versteht sichvon selbst: Im Laufe der Jahre hat sich insbesondere die Video-

Berlin im KastenMedienpädagogische Fortbildungen mit COMENIUS

Eine aktive und reflexiveMedienpädagogik steht imVordergrund der europäischenLehrerfortbildungen, die derKulturring in Berlin regelmäßigdurchführt.

Steckbrief

Aktion COMENIUS – Lehrerfortbildung

Thema Medienpädagogik

Veranstalter Kulturring Berlin e.V.Ernststr. 14/16, 12437 Berlinwww.mediaeducation.net

Kontakt [email protected]

36 COMENIUS-Lehrerfortbildung

Teilnehmerinnenam Fortbildungs-kurs in Berlin.

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technik stark verändert. Technische Hochleistungen sind inzwi-schen vergleichsweise preiswert erhältlich und einfach in der Hand-habung. Einen immer größeren Stellenwert nimmt die Frage derVerbreitung im Internet ein – beispielsweise auf YouTube oderVimeo. Damit einher geht stets die Frage, welche Konzepte päda-gogisch wertvoll sind.

Und natürlich geht es bei jedem Kurs auch um Berlin – sicherein Grund für das große Interesse an den Kursen. Viele Aufgabenwährend der Woche werden »on location« durchgeführt: Aufnah-men in einem Museum zum Thema Filmgeschichte, Interviews inden verschiedensten Sprachen im Neuköllner Kiez, im JüdischenMuseum oder an der East Side Gallery – hier vor allem auch mitBezug zum Schulfach »Kunst«. Workshops gab es außerdem inBerliner Schulen und im Studio des Offenen Kanals Berlin. Diesalles geschieht immer in europäischer Teamarbeit. Der Austauschüber den unterschiedlichen Schulalltag, eigene medienpädagogi-sche Erfahrungen und natürlich kulturelle Informationen machen

Mobilität 37

Videoschnitt und Kameraführunggehören zum medienpädagogischenProgramm.

die Woche zu einem farbigen und interessanten Erlebnis. Des-halb gibt es im Kursprogramm immer genügend Platz für denAustausch, für kurze Foto- oder Videopräsentationen aus der Hei-mat der Teilnehmer – und das gemeinsame Essen.

Wenn auch die Vorbereitungsphase der Fortbildung mitunterchaotisch verläuft, weil die Zusagen aus den einzelnen Ländern oftsehr verspätet eintreffen, sind wir weiterhin von diesen Fortbildun-gen im Rahmen des Programms für lebenslanges Lernen über-zeugt. Eine gemeinsame, intensive Woche eröffnet viele Chancen,unsere medienpädagogischen Kenntnisse und Visionen zu vermit-teln. Online ließe sich das nicht erreichen. Für den Kulturring sinddeshalb die Fortbildungen eine lohnenswerte Investition.

Armin HottmannDer Autor ist verantwortlich für die Medienpädagogik beimKulturring Berlin e.V. und koordiniert die COMENIUS-Lehrerfort-bildungen des Vereins.

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38 Studienbesuchsprogramam

In einer Hotellobby in einer norwegischen Kleinstadt auf einerkleinen norwegischen Insel. »Are you also here for study visit?«fragten sich die Neuankömmlinge an diesem verregneten Sonn-tagnachmittag Anfang Mai. Und innerhalb kürzester Zeit warenwir im Gespräch. Zum Beispiel über die abenteuerliche Anreise,die jeder auf eigene Faust organisierte. Mit dem Flugzeug nachOslo, umsteigen nach Bergen. Und von dort mit einem Schnell-katamaran noch mal zwei Stunden durch grandiose Fjordland-schaften nach Leirvik auf der Insel Stord. Die Teilnehmer derinternationalen Gruppe kannten sich vorher nicht und kamen ausBulgarien, Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Groß-britannien, Italien, Österreich, Polen, Spanien, Tschechien undder Türkei. In der Gruppe waren auch die vertretenen Professio-nen gut gemischt: Schulleiter und Beratungsfachkräfte, Schul-räte, Evaluatoren, Schulverwaltung und Lehrerfortbildner.

Jedes Kind ist wichtigBei unserer Begegnung mit der norwegischen Schulkultur

wurde uns Folgendes vermittelt:● Angewandtes Wissen und Förderung von bürgerschaftlichem

Engagement: Jedes Kind ist wichtig. Individualisierende Un-terrichts- und Erziehungsformen standen in den besuchten Ein-richtungen immer im Vordergrund. Druck auf Schüler wird imnorwegischen System nicht erkennbar ausgeübt. Eigenverant-wortung und Verantwortung für das Handeln in der Gesell-schaft sind hohe Werte im norwegischen System.

● Inklusion: Konträr zu den Bildungssystemen in Deutschlandwird in Norwegen die Integration aller Begabungen in ein ein-heitliches Schulsystem gelebt. Von Schülern mit hohem son-derpädagogischem Förderbedarf bis zu hochbegabten Schülernbesuchen alle die gleiche Schule. Auch ein Wiederholen vonJahrgangsstufen gibt es nicht.

● Soziale Herausforderungen: Mobbing als neuerem sozialenPhänomen wird durch ein eigenes norwegisches, internatio-nal exportiertes und an vielen Schulen implementiertes Pro-gramm begegnet.

● Lernumgebungen: Der Einschluss von Aktivitäten in der Naturin den Schulalltag, etwa durch »Draußen-Tage« und naturbelas-sene Pausenflächen, fördert Schüler in vielerlei Hinsicht. DieArchitektur neuer Schulen zeigt, dass moderne Ansichten be-rücksichtigt werden, etwa zu Lernumgebungen oder räumlichflexiblen Differenzierungs- und Präsentationsmöglichkeiten.Beispiele guter Praxis wurden jeden Tag erlebt und verschie-

dene Annäherungen an schulpolitische Themen diskutiert. Im Mit-telpunkt standen nationale Leistungstests, die Frage nach derNotwendigkeit der Benotung von Schulleistungen, die Vor- undNachteile früher Segregation von Schülergruppen, die Integrationvon Computern in den Unterricht und die Einbindung von Volks-hochschulen und kommunalen Musikschulen. Vor dem Hinter-

Studienbesuche sind für dieTeilnehmer eine Fortbildung ganzanderer Art. Sie verbinden denErfahrungsaustausch mit Expertenaus Bildungseinrichtungenanderer europäischer Länder mitdem Eintauchen in eine andere(Schul-)Kultur. Rainer Lacler hatdiese Erfahrung als Teilnehmereines Studienbesuchs zum Thema»Schools and education systemin Sunnhordland – a Norwegianregion« in Norwegen gemacht.

Reif für die Insel?1 plus 12 Schulsysteme in einem einzigenStudienaufenthalt

Steckbrief

Aktion Studienbesuche für Bildungs- undBerufsbildungsfachleute

Thema Schools and education system inSunnhordland – a Norwegian region

Veranstalter Forum for Oppvekst i Sunnhordland(Norwegen)www.fos-sunnh.no/pages/forsida.php

Zeitraum 4. bis 8. Mai 2009

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Mobilität 39

grund aktueller PISA-Ergebnisse wurden die Bedeutung internati-onaler Vergleichstests und die Herausforderung durch Verände-rungen in der Gesellschaft Norwegens und den anderen euro-päischen Staaten diskutiert. Auf besonderes Interesse der Teil-nehmer stieß die Frage, inwieweit sich die gezeigten Aktivitätenim Freien, die Absenz von Noten und die moderne Architektur vonLernumgebungen in die Systeme der Heimatländer transferierenlassen.

Neben der Aufrechterhaltung und Vertiefung der persönlichenKontakte der Teilnehmer wurde angeregt, COMENIUS-Projekteim Heimatland zu fördern und im Heimatland eigene Studien-aufenthalte zu organisieren. In meine eigenen Arbeitsbereichekonnte ich die Ergebnisse des Besuchs gerade im Bereich derGanztagsschulen und der damit verbundenen Lehrerfortbildungauf vielfältige Weise einbringen und insbesondere die individuali-sierenden und differenzierenden Aspekte von Unterricht und Schu-le mit reflektieren.

Gemeinsame Arbeit am GruppenberichtNach dem offiziellen Programm haben wir am Abend alle ge-

meinsam am Gruppenbericht geschrieben und dabei über die be-suchten Institutionen und die angewandte Pädagogik diskutiert.Dabei kamen nicht nur die Erfahrungen mit den Systemen desGastlandes zur Sprache, sondern insbesondere auch die unter-schiedlichen Vorerfahrungen aus den jeweiligen Heimatschulsys-

Unterricht im Freien – in Norwegen selbstverständlich.Schülerinnen arbeiten selbständig aneiner Präsentation.

temen der Teilnehmer. Das alles erfolgte unproblematisch in Eng-lisch. Obwohl die individuelle Beherrschung des Englischen vom»Native Speaker« bis zu Teilnehmern reichte, die Englisch nie inder Schule erlernen konnten und sich Sprachkompetenz durchprivate Kurse und unsynchronisierte Filme erworben hatten.

Brunost und FlatbrödJan Enerstvedt, Wenche Sagenes und alle anderen unserer

norwegischen Gastgeber haben es uns leicht gemacht und das»lebenslange Lernen« in vielfältiger Weise ermöglicht. Ebenso wiedie vielen engagierten Schüler, Lehrer und Schulleiter, die unsstolz ihre Schulen und Programme zeigten. Aber auch kulturelleAspekte kamen bei dem gelungenen Programm nicht zu kurz. Sowurden wir zum Abschluss von unseren norwegischen Gastge-bern zu einem wunderbaren norwegischen Büffet mit Brunost(brauner karamellisierter Ziegenschmelzkäse), Flatbröd, Vispgräd-de und Aquavit eingeladen. Unsere fachlichen Erfahrungen las-sen im Zusammenspiel mit den kulinarischen Erinnerungen einebesondere Nachhaltigkeit erwarten.

Rainer LaclerDer Autor ist Koordinator für Ganztagsschulen an der Regierungder Oberpfalz, Beratungslehrkraft für Volksschulen an derStaatlichen Schulberatungsstelle für die Oberpfalz sowieMitglied in einem Evaluationsteam in Regensburg (Bayern).

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Im März 2009 gingen zehn Teilnehmer aus sieben europäi-schen Staaten in Dresden gemeinsam der Frage nach: Wie wir-ken in den einzelnen Staaten die Momente Eigenverantwortungvon Schule und Rechenschaftslegung zusammen und welcheUnterstützung sollte Schulen hierbei zukommen? Ermöglicht wur-de dieser Studienbesuch unter dem Titel »The balance of accoun-tability, support and school autonomy« durch das vomEuropäischen Zentrum für Berufsbildung (CEDEFOP) koordinierteStudienbesuchsprogramm für Bildungs- und Berufsbildungsfach-leute. Der Studienbesuch wurde im dortigen Katalog unter demSchwerpunkt »Qualitätssicherung in Bildung und beruflicher Bil-dung« eingestellt. An dem von der Abteilung für Externe Evaluati-on und Bildungsmonitoring im Sächsischen Bildungsinstitut (SBI)konzipierten Angebot nahmen Evaluatoren und Inspektoren so-wie Schulleiter und Vertreter aus der Schulaufsicht teil.

Bereits im Vorfeld des Besuchs hatten die Teilnehmer und dieGastgeber Gelegenheit, über die vom CEDEFOP zur Verfügunggestellte Internetplattform OLIVE Kontakt aufzunehmen. So konn-ten sie einen ersten persönlichen Eindruck voneinander gewin-nen und Materialien austauschen. Als erstmaliger Organisatoreines Studienbesuchs nahm das SBI zudem die Gelegenheit wahr,das vom PAD organisierte Seminar zur »Vorbereitung und Durch-führung eines Studienbesuchs« zu besuchen. Hier konnten ausdem Erfahrungsschatz erprobter Organisatoren wertvolle Tippsfür das Programm gewonnen werden. Das Sächsische Ministeri-um für Kultus und Sport (SMK) unterstützte die Durchführung desStudienbesuchs finanziell und stellte im Ministerium Räumlich-keiten und Serviceleistungen zur Verfügung.

Das ProgrammZum Auftakt des Programms wurde der Aufbau des sächsi-

schen Schulsystems und dessen Verwaltungsstruktur präsentiert,diskutiert und mit denen der jeweiligen Herkunftsländer der Teil-nehmer verglichen. Eine gute Basis für einen solchen Austauschbildeten Informationen zu den europäischen Schulsystemen, dieauf der Website des CEDEFOP (siehe www.cedefop.europa.eu)veröffentlicht sind.

Auf dem Programm standen weiterhin Vorträge und Diskussi-onen mit Vertretern aus verschiedenen sächsischen Bildungsein-richtungen. Da die Veranstaltungen sowohl im SächsischenKultusministerium in der Landeshauptstadt Dresden als auch inder Sächsischen Bildungsagentur (SBA) in Chemnitz durchgeführtwurden, erlebten die Teilnehmer die Aufgabenvielfalt und Atmos-phäre der jeweiligen Häuser hautnah. Auf besonderes Interessestieß das standardisierte Verfahren der Externen Evaluation, dasseit dem Schuljahr 2005/06 in Sachsen praktiziert wird. Diesesuntersucht die Qualität der Arbeit und die erreichten Ergebnisseder Einzelschule. Die gewonnenen Ergebnisse werden in einemBericht für die Schule verarbeitet, der der Schule als Unterstüt-zung für die weitere Entwicklung zur Verfügung gestellt wird.

Im Vordergrund der Diskussionen stand die Frage der Balancezwischen Schulautonomie und Rechenschaft und die Suche nachWegen, den Schulen im jeweiligen System die beste Unterstüt-zung zukommen zu lassen. Dabei wurden aus den jeweiligen Her-kunftsländern verschiedene Lösungsansätze vorgestellt, die denunterschiedlichen Rahmenbedingungen Rechnung tragen.

Viele Wege führen zum ErfolgSchulen im Spannungsfeld zwischen Autonomieund Rechenschaftspflicht

Ein Studienbesuch in einemanderen europäischen Staat istnicht nur für die Teilnehmereine lohnende Erfahrung. Derpersönliche Austausch und dieAuseinandersetzung mit anderenBildungskonzepten wirken sichauch positiv auf die gastgebendenBildungseinrichtungen aus. Dieskonnten die Mitarbeiter desSächsischen Bildungsinstitutsfeststellen, die eine europäischeBesuchergruppe zu Gast hatten.

40 Studienbesuchsprogramm

Steckbrief

Aktion Studienbesuche für Bildungs- undBerufsbildungsfachleute

Thema The balance of accountability,support and school autonomy

Veranstalter Sächsisches Bildungsinstitut (SBI)Dresdner Straße 78 c01445 Radebeulwww.saechsisches-bildungsinstitut.de

Kontakt [email protected]

Zeitraum 23. bis 27. März 2009

Die Teilnehmeram Studienbesuchin Dresden mitihren Gastgebern.

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Andere Länder – andere LösungenSo zeigte sich, dass in Schottland, Nordirland, England, Rumä-

nien und Sachsen jeweils Qualitätsrahmen für das Verfahren derExternen Evaluation existieren. Während in Schottland, Nord-irland und Rumänien die Evaluationsberichte veröffentlicht wer-den, entscheidet in Sachsen jede Schule selbst, ob und welcheInhalte sie an die Öffentlichkeit bringen möchte. In einzelnenLändern wie beispielsweise Frankreich gibt es zwar Systeme zurQualitätsüberwachung, aber noch keine Verfahren zur Qualitäts-sicherung und -entwicklung mittels externer oder interner Eva-luation.

In Schottland und Nordirland sind zudem jährliche Maßnahme-pläne zur internen Evaluation verpflichtend und werden durch In-spektoren geprüft. Zur Unterstützung der Schulen bei derErstellung ihrer Konzepte gibt es dabei externe Berater. In Rumä-nien ist ein Konzept zur internen Evaluation unabdingbare Voraus-setzung für den Akkreditierungsprozess der jeweiligen Schule.Sachsen verpflichtet die Schulen per Schulgesetz zu interner Eva-luation, überlässt die Vorgehensweise jedoch den Schulen. Diesewerden hierbei beispielsweise durch Prozessmoderatoren und einInternetportal zur internen Evaluation unterstützt.

Von der Theorie in die SchulpraxisDas Thema des Studienbesuchs konnten die Teilnehmer vor

Ort in zwei Schulen praktisch erleben. So wurden Besuche an derDresdner Grundschule Thomas Müntzer und am Franziskaneumin Meißen in das Programm integriert. Beide Schulen haben dasVerfahren der Externen Evaluation bereits durchlaufen und schil-derten ihre Erfahrungen. Von besonderer Bedeutung für die Stu-dienbesuchsteilnehmer waren die Wahrnehmungen der Beteiligtenan den Schulen während des Verfahrens der Externen Evaluation,aber auch der Umgang mit den dokumentierten Ergebnissen. Ba-sierend auf dem jeweiligen Schulbericht erarbeitet beispielsweisejede Schule in Zusammenarbeit mit dem zuständigen Referentender Bildungsagentur eine Zielvereinbarung. Zu diesem Verfahrenführten die Studienbesuchsteilnehmer lebhafte Diskussionen mitLehrern, Eltern und Schülern.

Die in den Gesprächen gewonnenen Erkenntnisse konnten vonden Teilnehmern durch Vorträge und Diskussionen mit Vertreternder Schulaufsicht abgerundet werden. In der Sächsischen Bil-

dungsagentur in Chemnitz wurden die Gäste nicht nur mit derStruktur der Agentur und ihren Aufgaben vertraut gemacht. Dortlernten sie auch Fachberater und Prozessmoderatoren kennen,die Schulen in ihrer Entwicklung unterstützen.

Nachhaltigkeit und Wirksamkeit des StudienbesuchsUm Nachhaltigkeit und Wirksamkeit der Studienbesuchswo-

che zu verstärken, war das Organisationsteam von Anfang andarauf bedacht, den Teilnehmern Kontakt mit möglichst vielenVertretern der jeweiligen Behörden, des Instituts und der Lehrer-schaft zu ermöglichen und so Gelegenheiten auch für den infor-mellen Austausch zu schaffen. Die Vorträge und Präsentationenwurden am Ende der Woche, gemeinsam mit einer Fotodokumen-tation, auf einer CD allen Teilnehmern als Geschenk überreicht.

Um die während des Studienbesuchs gewonnenen Erkennt-nisse zu sichern, fertigten die Teilnehmer bereits während ihresAufenthalts einen gemeinsamen Erfahrungsbericht an. In Dres-den übernahmen die anwesenden Bildungsfachleute aus Groß-britannien und Irland die Hauptverantwortung für den Bericht, derfür das CEDEFOP in englischer Sprache zu erstellen ist. Die Be-richte werden jeweils auf der Homepage des CEDEFOP einer brei-ten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

»A challenging and interesting programmethat was well organised«

Was wäre das Thema »Evaluation«, ohne diese praktisch erleb-bar zu machen? So setzten die Organisatoren eine Reihe vonInstrumenten und Methoden zur regelmäßigen Erfassung vonRückmeldungen und zur Bewertung der eigenen Arbeit ein. Vonden Teilnehmern wurden in ihrem Feedback vor allem die hoheProfessionalität der Referenten und die Inhalte des Studienbesu-ches hervorgehoben. Einige Teilnehmer hätten gerne noch mehrZeit gehabt, um den Alltag an den Schulen zu erleben. Den für dasCEDEFOP verfassten Gruppenbericht empfanden sie als ein wich-tiges, zugleich jedoch zeitraubendes Medium der Ergebnissiche-rung des Aufenthalts.

Positive Rückwirkung auf die gastgebende EinrichtungAuch auf Seiten der Gastgeber erfolgte eine systematische

Weiterverbreitung der gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnis-se. Hierzu wurde eine Veranstaltung mit den beteiligten nachge-ordneten Institutionen des SMK durchgeführt. Diese beinhalteteauch Informationen zum EU-Programm für lebenslanges Lernen,zur Funktion und den Aufgaben des CEDEFOP sowie zur Rolle derNationalen Agentur im PAD. Die Veranstaltung diente zudem derPlanung weiterer Studienbesuche in Sachsen. Die Bilanz der imMärz 2009 gesammelten Erfahrungen fiel so positiv aus, dasserneut ein Studienbesuch in Dresden sowie an der SBA in Chem-nitz durchgeführt werden soll.

Catrin KühneDie Autorin ist Referentin in der Abteilung für Externe Evaluationund Bildungsmonitoring am Sächsischen Bildungsinstitut undhat den Studienbesuch koordiniert.

Mobilität 41

Das Thema Schulautonomie ist inallen beteiligten Ländern aktuell.

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In diesem Kapitel werden Beispiele guter Praxis aus Aktionendes Programms für lebenslanges Lernen dargestellt, die für Leh-rerbildung und Unterricht eine besondere Innovationskraft entfal-ten können. Hierzu zählen die Multilateralen COMENIUS-Projekteund -Netzwerke und der Wettbewerb um das Europäische Spra-chensiegel.

Multilaterale Projekte und -Netzwerke bieten die Möglichkeit,gemeinsam mit europäischen Partnern über mehrere Jahre hin-weg neue Methoden und Strategien im Bildungsbereich zu entwi-ckeln. Die Betreuung der Projekte mit einem Fördervolumen vonbis zu 300.000 bzw. 450.000 Euro erfolgt zentral durch die Exeku-tivbehörde für Bildung, Audiovisuelles und Kultur (EACEA) in Brüs-sel. Im Bereich COMENIUS sind diese Projekte insbesondere fürEinrichtungen interessant, die Erstausbildung oder berufsbeglei-tende Fortbildungen für Lehrkräfte anbieten. Akteure in der Leh-rerbildung erhalten so die Chance, innovative Ansätze aus andereneuropäischen Ländern kennen zu lernen, die sie für die Fortent-wicklung eigener Konzepte und Lehrpläne nutzen können.

Bildungseinrichtungen in Deutschland beteiligen sich seit vie-len Jahren erfolgreich an dieser Form europäischer Projekte. Inden ersten drei Jahren des Programms für lebenslanges Lernen(2007 bis 2009) wirkten 29 Einrichtungen in Deutschland als Koor-dinatoren solcher Multilateraler COMENIUS-Projekte. Sie überneh-men damit die anspruchsvolle Rolle des Projektmotors, der dieArbeit der Partner ins Rollen bringt und die Arbeitsabläufe schmiertund taktet. Darüber hinaus koordinierten in diesen Jahren dreiEinrichtungen aus Deutschland die größeren COMENIUS-Netz-werke. Zudem arbeiteten in den ersten drei Programmjahren etwa80 deutsche Einrichtungen als Partner an europäischen Projektenmit.

Schulen im 21. Jahrhundertstehen vor Herausforderungen,die Althergebrachtes auf denPrüfstand stellen. Insbesonderedie kulturelle Vielfalt in derSchülerschaft und die sichim Zuge der Globalisierungrasant verändernden Kommu-nikationsstrukturen lassen sieneue Wege erproben.

42 Zur Einführung

»Alles Alte, soweit es Anspruch darauf hat, sollen wir lieben,aber für das Neue sollen wir recht eigentlich leben.«

Theodor Fontane (1819–1898)

Die Entwicklungund der Einsatzneuer Medienstellt für Lehr-kräfte eine perma-nente Heraus-forderung dar.

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Multilaterale COMENIUS-ProjekteJedes Multilaterale COMENIUS-Projekt erarbeitet mit Partnern

aus mindestens drei Ländern ein konkretes Ergebnis, beispiels-weise eine Methodik, Unterrichtsmaterial oder Anregungen fürLehrpläne. Besonderer Wert liegt dabei auf neuen und innovati-ven Angeboten. Bei der Entwicklung der Produkte wird daraufgeachtet, dass sie in andere Bildungskontexte übertragbar sind.Häufig entstehen aus der gemeinsamen Arbeit europäisch konzi-pierte Fortbildungskurse.

Einen Eindruck davon vermitteln zwei sehr unterschiedlicheProjekte: Das Projekt der Alanus-Hochschule in Alfter (Nordrhein-Westfalen), das innovative Konzepte zu Kunst als Medium zurIntegration benachteiligter Schüler entwickelt (Seite 44), und einProjekt des Staatlichen Seminars für Didaktik und LehrerbildungOffenburg (Baden-Württemberg), das interkulturelle Ausbildungs-inhalte für die Lehrerbildung in den beteiligten Partnerländern er-arbeitet (Seite 46).

COMENIUS-NetzwerkeCOMENIUS-Netzwerke fördern die europäische Zusammenar-

beit in Themenbereichen, die für die Schulbildung in einem euro-päischen Kontext von besonderer Bedeutung sind. Häufig greifendie Netzwerke Themen und Ziele aus dem Arbeitsprogramm derEU-Bildungsminister (»Lissabon-Prozess«) auf, das auf die Zu-kunftsfähigkeit der europäischen Bildungssysteme abzielt. Hierzuzählen die Sicherstellung der Qualität von Bildung und Ausbil-dung im internationalen Wettbewerb, die Anpassung der Bildungs-systeme an das lebenslange Lernen und die Vermittlung vonSchlüsselqualifikationen. Am Beispiel des Netzwerks zur Qualifi-kation von Schulleitern, das das Niedersächsische Landesamt fürLehrerbildung und Schulentwicklung initiiert hat, wird die Arbeits-weise eines solchen Netzwerks deutlich (Seite 48). Das Netzwerkaus Niedersachsen führt erfolgreiche Konzepte zur Erst- und Wei-terqualifizierung von Schulleitern aus allen am Programm beteilig-ten europäischen Ländern zusammen.

Das Europäische SprachensiegelDas Europäische Sprachensiegel ist ein Wettbewerb, der her-

ausragende und innovative Projekte und Initiativen im Bereichdes Lehrens und Lernens von Fremdsprachen auszeichnet. InDeutschland wird dieser Wettbewerb, der jährlich parallel in denam Programm beteiligten europäischen Ländern stattfindet, seit1999 durchgeführt.

Im Jahr 2009 hat der Wettbewerb mit dem Thema »Mehrspra-chigkeit: Trumpfkarte Europas« ein aktuelles bildungspolitischesThema aufgegriffen. Das Erlernen einer Fremdsprache wird heutein Europa angesichts der global kooperierenden und konkurrie-renden Märkte nicht mehr als ausreichend betrachtet. Mehrspra-chigkeit wird daher immer mehr als eine Schlüsselqualifikationbegriffen. Auf EU-Ebene wurde hierzu die Zielformel »Mutter-sprache + 2« formuliert. Junge Menschen sollen demnach wäh-rend ihrer Schulbildung neben ihrer Muttersprache zwei Fremd-sprachen erlernen. Das Projekt »Eine Roman(t)ische Sprachreise«(Seite 50) war eines der Preisträger des Wettbewerbs. Es erprob-te mit hochbegabten Kindern neue Lernstrategien für die Entwick-lung ihrer Mehrsprachigkeit in romanischen Sprachen.

Innovation 43

Innovation

Europa vernetzt sichDie Vernetzung von Bildungseinrichtungen in Europa wird amBeispiel des COMENIUS-Netzwerks zur Qualifizierung vonSchulleitern deutlich. Das Niedersächsische Landesamtfür Lehrerbildung und Schulentwicklung koordiniert dieProjektarbeit mit Einrichtungen aus 14 Staaten. Die Partnerein-richtungen kooperieren wiederum im Tandem mit Einrichtungenin weiteren Ländern, so dass alle Teilnehmerstaaten amCOMENIUS-Programm am Netzwerk beteiligt werden (Seite 48).

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44 Multilaterales COMENIUS-Projekt

Warum Kunst? In öffentlichen Haushalten wird gerne zuerstim kulturellen Bereich der Rotstift angesetzt. In Schulen fallen beiSparmaßnahmen häufig die musischen Fächer weg, dennschließlich gehören sie nicht zu den Kernfächern und geltenoftmals als schmückendes Beiwerk, auf das man auch verzichtenkann.

Der grundlegende Gedanke des Projekts »Kunstprojekte för-dern benachteiligte Schülerinnen und Schüler« (KUSCH) ist dage-gen, dass Kunst ein wirksames pädagogisches Instrument zurFörderung benachteiligter Kinder und Jugendlicher in der Schulesein kann: Gerade künstlerisches Tun wie beispielsweise in Mu-sik, Malerei, Grafik oder Theaterspielen fördert die Persönlich-keitsentwicklung von Schülerinnen und Schülern und ihre Lern-motivation. Mit künstlerischen Mitteln können negative Selbstbil-der überwunden und so der »Teufelskreislauf« der Diskriminie-rung durchbrochen werden. Hierdurch entstehen Voraussetzungenfür bessere schulische Leistungen und damit bessere Integrati-onschancen. Die Alanus Hochschule entwickelt für das Projektindividuelle Kunstprojekte mit Waldorfschulen in Rosia (Rumäni-en), Szombathely (Ungarn), Antwerpen (Belgien) und Mannheim.Schauplatz des Geschehens ist jedoch nicht der reguläre Schul-unterricht, sondern das Kunst-Event. Dazu ein konkretes Beispiel.

Ein Kunstprojekt in einem Roma-Dorf in SiebenbürgenIm Oktober 2008 reiste eine Gruppe von Malerei-Studenten der

Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft nach Rosia, einemkleinen Dorf im Herzen von Siebenbürgen. Dort leben im soge-nannten Unterdorf rund 1.000 sesshaft gewordene Roma-Fami-lien, für deren Kinder 1998 eine Waldorfschule gegründet wurde.Hier fand mit allen Schülerinnen und Schülern der Schule ein

Kunst im sozialen BrennpunktIm Projekt KUSCH entstehen Kunstprojektemit benachteiligten Kindern und Jugendlichen

Das Fachgebiet Malerei unddas Institut für Kunst im Dialogder Alanus Hochschule in Alfterbei Bonn arbeiten gemeinsammit Projektpartnern aus dreieuropäischen Staaten an einemForschungs- und Entwicklungs-projekt zur Wirkung von Kunstim pädagogischen undgesellschaftlichen Kontext.Das Projekt geht bei der Förde-rung von benachteiligten undlerneingeschränkten Schülernungewöhnliche Wege.

Steckbrief

Aktion Multilaterales COMENIUS-Projekt

Projekttitel Kunstprojekte fördern benach-teiligte Schülerinnen und Schüler(KUSCH)

Ziele Das Projekt entwickelt undverbreitet Wege, sozial und kulturellbenachteiligte bzw. lerneinge-schränkte Kinder mit Mitteln derKunst zu fördern. An den Partner-schulen aus dem Umfeld derWaldorfpädagogik werden unterLernbegleitung durch pädagogischerfahrene Künstler – vor allemMaler und Musiker – der Alanus-Hochschule zusammen mit denSchülern verschiedene Kunst-projekte durchgeführt. Aus demProjekt entsteht eine europäischkonzipierte Weiterbildung.

Träger Alanus Hochschule für Kunst undGesellschaft, Alanus-HochschulegGmbH, Johannishof, 53347 Alfter(Nordrhein-Westfalen)www.alanus.edu

Kontakt Projektleitung: Prof. Dr. Michael BraterE Mail: [email protected]

Künstlerische Leitung: Prof. Dr. UlrikaEller-RüterE-Mail: [email protected]

Musikalische Leitung: FriedemannGeislerE-Mail: [email protected]

Partner Scoala de Arte si Meserii Waldorf HansSpalinger, Rosia (Rumänien)

Szombathelyi Waldorf Társas Kör,Szombathelyi (Ungarn)

Parcivalschool, Steinerschool voorbuitengewoon onderwijs, Antwerpen(Belgien)

Freie Interkulturelle WaldorfschuleMannheim (Deutschland)

Gesellschaft für Ausbildungsforschungund Berufsentwicklung mbH, München(Deutschland)

Webseite www.kunst-in-projekten.eu

Zeitraum Oktober 2008 bis September 2010

Zuschuss 300.000 Euro

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Innovation 45

Kunstprojekt der besonderen Art statt. Über zwei Wochen gab esunterschiedliche Aktivitäten. Dazu bildeten die Studierenden undDozenten der Alanus Hochschule verschiedene Kursleiterteams:● Eine interaktive und kulturübergreifende musikalische Arbeit

mit allen Beteiligten, um »Begegnungsräume« zu schaffen;● Wandmalerei in der Kantine und in den Fluren;● Mosaikgestaltung im Treppenhausbereich;● Bedrucken von Postkarten mit Linolschnitten, die in Europa

zugunsten der Jugendförderung der Roma verkauft werdensollen;

● Malerei auf kleinen selbst hergestellten Leinwänden, die zugrößeren Gesamtkompositionen zusammengenäht wurden;

● Improvisations-Theater mit der Anfertigung von Masken.Die Ergebnisse wurden in der Schule vor den Dorfbewohnern

und im Bürgermeisteramt von Rosia gezeigt.

Blick in die ZukunftVon den Kunstprojekten erhoffen sich die Partnerschulen die

Förderung personaler und sozialer (Schlüssel-)Kompetenzen alsVoraussetzungen für bessere Schulerfolge und damit für wach-sende Integrationschancen ihrer Schülerinnen und Schüler. In je-des Projekt ist von Anfang an mindestens eine Lehrkraft derteilnehmenden Schule eingebunden – und zwar zunächst in derRolle eines Assistenten der verantwortlichen Künstler. Die Lehr-kräfte sollen später in der Lage sein, die Kunstprojekte in ihrerSchule weiterzuführen, um so die Nachhaltigkeit des pädagogi-schen Ansatzes bei den Partnerschulen zu sichern.

Wissenschaftlich soll das Projekt die bisher noch unzureichen-den Kenntnisse über die pädagogische Wirkung von Kunst unddie Kompetenzentwicklung durch Kunstprojekte und -übungen er-weitern. Die Initiatoren des Projekts, das von der Gesellschaft fürAusbildungsforschung und Berufsentwicklung in München eva-luiert wird, richten ihren Blick bereits auf die Zeit nach Ende derEU-Förderung: Dann ist die Gründung eines Europäischen Netz-werks für die Verbreitung der Ideen und Ergebnisse in weitereneuropäischen Ländern vorgesehen.

Ulrike Eller-RüterDie Autorin ist künstlerische Leiterin des Projekts »KUSCH «und arbeitet als Professorin für Malerei an der AlanusHochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter bei Bonn.

Schülerinnen und Schüler beim Improvisationstheater.Das mit Mosaiken neu gestaltete Treppenhaus.Ein Roma-Kind ist in die Malereiversunken.

Für die beteiligten Studentender Alanus-Hochschule wardas Rumänien-Projekt einetiefgreifende Erfahrung:

»Rumänien war für mich in jeder Hinsichteine beeindruckende, heftige, schwere,aber genau deswegen eine sehr lehrreicheErfahrung. Dieses Projekt ist der Beweisfür etwas, was ich immer angenommen,jedoch nie selbst wirklich erlebt hatte.Ich durfte in Rumänien erleben, dassdie Kunst einen unersetzbaren Beitragin der sozialen Erziehung leistet und eineinzigartiges Ausdrucksmittel ist.«

»Bei der Malerei waren es die ganz persön-lichen Eigenschaften, Probleme undFähigkeiten der Kinder, die zum Ausdruckkamen. Beim Beobachten der Kinder aufdem Schulhof konnte ich Dinge nur erahnen,die auf dem Papier offen vor mir lagen.In dem Improvisationstheater kamenerschreckend ehrlich die sozialen Umständeauf die Bühne, die ich vorher nur am Randeerleben konnte.«

Die beteiligten Lehrer sindvon dem Projekt begeistert:

»Die Kinder waren mit allem bei der Sacheund einige Kinder hat man kaum wieder-erkannt.«

»Nur durch solch ein Projekt kann manwirklich große Schritte machen und diesind nötig.«

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46 Multilaterales COMENIUS-Projekt

2007 beantragte das Staatliche Seminar für Didaktik und Leh-rerbildung Offenburg (Baden-Württemberg) das Projekt »TICKLE«.Das Verb »to tickle« bedeutet eigentlich »kitzeln«. Hier steht es alsAkronym für »Teachers Intercultural Competences as Keystonesfor Learning in Europe«. Beteiligt daran waren Partner aus Un-garn, Schweden, Holland, Frankreich und Estland. »TICKLE« willinsbesondere jene unterstützen, die in der Aus- und Fortbildungvon Lehrkräften tätig sind. Für sie werden Materialien erstellt, diein der Praxis entwickelt und erprobt wurden. Eine von den Projekt-partnern erarbeitete »Toolbox« enthält Instrumente, die den Berei-chen Einstellung, Bewusstsein, Wissen und Fertigkeitenzugeordnet sind.

Für den Bereich Bewusstsein wurden zum Beispiel diagnosti-sche Instrumente wie Fragebögen und Interviews entwickelt, diedie Stärken und Lernfelder der Auszubildenden abbilden oder dieschulische Situation erfassen. Es entstand als positives Modellein Film, der eine Lehrkraft bei der Projektarbeit mit einer multikul-turellen Klasse zeigt. Dieser kann genutzt werden, um eigeneHaltungen in Bezug auf Kriterien interkultureller Kompetenz zureflektieren und Anregungen für das Arbeiten mit multikulturellenKlassen zu erhalten. Weiterhin wurden Curricula, Übungen zurIdentitätsentwicklung und Wertereflexion, Anregungen zur Eltern-arbeit, Modelle zur Kooperation und zum Austausch zwischenden Ländern und vieles mehr erarbeitet. In der Toolbox sindinsgesamt 42 Instrumente, die den oben genannten Bereichenzugeordnet sind. Das Besondere an diesem Projekt war der An-satz, die entwickelten Instrumente und den soziokulturellen Kon-text der Länder, für die sie entwickelt wurden, in Bezug zueinan-der zu stellen.

Interkulturelle Kompetenzin der Lehrerausbildung

In einer globalisierten Weltzeichnet sich eine Gesellschaftdurch kulturelle Vielfalt aus. DieseVielfalt spiegelt sich zunehmendauch in den Klassenzimmernwider. Für Lehrkräfte stellt derUmgang damit Chancen undHerausforderung dar. Das Projekt»TICKLE« hat deshalb didaktischeMaterialien entwickelt undgetestet, die Lehrerausbildernund Lehrkräften helfen sollen,die notwendige interkulturelle

Kompetenz zu entwickeln.

Steckbrief

Aktion Multilaterales COMENIUS-Projekt

Projektmittel Teachers Intercultural Competencesas Keystone for Learning in Europe(TICKLE)

Ziele Das Projekt entwickelte methodisch-didaktische Bausteine für Lehrer,Lehreranwärter und Lehrerausbilderzur Entwicklung interkulturellerKompetenzen. Ziel ist die Sensibi-lisierung dieser Berufsgruppe für denUmgang mit kultureller Vielfalt. UnterEinbeziehung der unterschiedlichenSituationen in den teilnehmendenLändern werden Kompetenzen undEinstellungen aufgebaut und in dasallgemeine Profil des Lehrerberufseinbezogen.

Die Hauptaktivität des Projekts in densieben Teilnehmerländern war dieErarbeitung von 42 Schlüsseltoolsoder methodischen Ansätzen für denEinsatz in der nationalen oderregionalen Lehrererstausbildung.

Träger Staatliches Seminar für Didaktik undLehrerbildung (GHS)Weingartenstraße 3477654 Offenburg (Baden-Württemberg)www.seminaroffenburg.de

Kontakt Dr. Bernd HainmüllerE-Mail: [email protected]

Partner Tallinna Ülikool (Estland)

Institut Universitaire de Formationdes Maîtres (Frankreich)

University of West Hungary (Ungarn)

Pabo-Arnhem – Hogeschool vanArnhem en Nijmegen (Niederlande)

Luleå tekniska universitet (Schweden)

University of West Hungary, ApáczaiCsere János Faculty (Ungarn)

Esterhazy Karoly College (Ungarn)

Webseite www.tickle-project.eu

Zeitraum November 2007 bis Oktober 2009

Zuschuss 224.922 Euro

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Innovation 47

Gleichermaßen interessant war neben den unmittelbaren Pro-jektergebnissen auch, wie Bildungsprofis sich diesem Thema an-nähern. Was passiert in einer Gruppe, deren Angehörige ausverschiedenen Kulturen kommen? Starten wir in Offenburg. Dasdortige Seminar für Didaktik und Lehrerbildung liegt in einem Drei-ländereck: Strasbourg in Frankreich lässt sich in zwanzig Minutenerreichen. In die Schweiz dauert es gerade einmal eine Stunde.Offenburg ist eines von 14 Grund- und Hauptschulseminaren inBaden-Württemberg. Am Seminar und an den Ausbildungsschu-len werden Referendarinnen und Referendare ausgebildet. Kenn-zeichnend für die Region sind Ausbildungsschulen mit einem Anteilvon Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund von biszu 70 Prozent und Klassenzimmer mit Schülerinnen und Schülernaus 16 Nationen. Viele Referendarinnen und Referendare erlebendeshalb einen regelrechten Praxisschock. Denn die Arbeit mit multi-kulturellen Klassen wirft viele Fragen auf: Wie, um einige Beispiele zunennen, gehe ich damit um, dass Ayse nicht in den Schwimmunter-richt darf? Was sage ich, wenn Octay sich weigert, im Schulland-heim das Geschirr abzutrocknen, »weil das Frauensache ist«? Kannich den Bruder als Übersetzter zulassen und was mache ich mit denmangelnden Deutschkenntnissen im Unterricht?

Lehrkräfte, die in dieser Situation im Unterricht reagieren müs-sen, benötigen interkulturelle Kompetenz. Wie diese ausfällt, kannin den sechs Staaten, aus denen die Projektpartner kamen, sehrunterschiedlich sein. Sie hängt nämlich – trotz des gemeinsamenProjektziels – auch vom jeweiligen soziokulturellen Kontext ab.

Unterschiedliche ErfahrungenIn den zwei Jahren der Projektlaufzeit haben sich die Teilneh-

merinnen und Teilnehmer damit intensiv auseinandergesetzt. Dieerste Phase der gemeinsamen Arbeit war dadurch geprägt, Unter-schiede und Gemeinsamkeiten wahrzunehmen. So gewannen alleBeteiligten Einblicke in die Bildungssysteme, die soziokulturellenSituationen und die sich daraus ableitenden Ansätze in der Lehrer-ausbildung. Es zeigte sich, dass eine Herangehensweise dieserArt es ermöglicht, den interkulturellen Kontext der Teilnehmer-innen und Teilnehmer besser wahrzunehmen und zu verstehen.Denn die Staaten, aus denen die »TICKLE«-Partner kamen, habenim Umgang mit Interkulturalität unterschiedliche Erfahrungen undbefinden sich in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Hierzuzwei Beispiele.● Die Bildungsexperten aus Ungarn setzen sich mit der Bildungs-

benachteiligung der Roma- Minderheit auseinander. In Ungarngibt es seit Anfang der 1980er Jahre Gesetze, die die Rechte von

ethnischen Minderheiten regeln. Bereits 1989 trat eine Verfas-sungsänderung in Kraft, die den Minderheiten das Ausübenihrer Kultur, ihres Glaubens und ihrer Sprache ermöglicht. Wirerfuhren dennoch von Vorurteilen und von stereotypem Denkenund erlebten die Ausgrenzung von Schulkindern aus Roma-Familien vor Ort. Die ungarischen Projektteilnehmer entwickel-ten Fragebögen, die die Stereotypen bewusst machen, undzeigten einen Film, der Einblick in das »normale Leben« und dieWünsche einer Roma-Familie gab – Wünsche, die ein jeder hat:Gesundheit, eine gute Ausbildung oder ein sicherer Arbeits-platz. Der Film kann im Bereich Bewusstsein und Einstellungeneingesetzt werden. Er gibt Anstöße, sich persönlicher Vorurtei-le und Stereotypen bewusst zu machen, und lädt ein, das Eige-ne im Fremden zu entdecken.

● Ein weiteres Beispiel ist Schweden. Die Integration von Ein-wanderern ist seit Ende der 1960er Jahre ein Schwerpunktstaatlicher Einwanderungspolitik in Schweden. Die gesetzli-che Grundlage dazu besteht bereits seit 1967. In Lulea, einerStadt im Norden des Landes, wurde eine Välkomsten – wassoviel wie »Willkommensschule« heißt – vorgestellt. Jedes Kind,das in Schweden ankommt, wird in solchen Einrichtungen aufdie schwedische Schule vorbereitet.

Was haben wir miteinander und voneinander gelernt? Die großen Chancen eines solchen Projekts bestehen darin,

Unterschiede kennen lernen zu dürfen, Gemeinsamkeiten zu ent-decken und dabei voneinander zu lernen – und damit zu profitie-ren. Hier setzt auch die interkulturelle Kompetenz bei denTeilnehmerinnen und Teilnehmern an, die sich zeigt »in der Fähig-keit, kulturelle Bedingungen und Einflussfaktoren im Wahrneh-men, Urteilen, Empfinden und Handeln bei sich selbst und beianderen Personen zu erfassen, zu respektieren und produktiv zunutzen im Sinne einer wechselseitigen Anpassung, Toleranz ge-genüber Inkompatibilitäten und einer Entwicklung hin zu syner-gieträchtigen Formen der Zusammenarbeit, des Zusammenlebensund handlungswirksamer Orientierungsmuster in Bezug auf Welt-interpretation und Weltgestaltung«.1 Gerade die Phase der Annä-herung ist in einem interkulturellen Projekt wichtig, um dienotwendige Offenheit zu erreichen und den Mut zu entwickeln,Unsicherheiten auszuhalten. Dabei ist hilfreich, von einem exter-nen Prozessbegleiter unterstützt zu werden. Offenheit, die Fähig-keit zur Empathie und die Bereitschaft zu Kommunikation sindwichtige Merkmale interkultureller Kompetenz. Die Teilnehme-rinnen und Teilnehmer haben dies nicht nur auf dem Papier fest-gehalten, sondern all das in diesem Projekt erlebt und ihr eigenesHandeln geprüft und geändert. Zu Beginn des Projekts fand derAustausch vor allem innerhalb der Ländergruppen statt. Mit je-dem Treffen nahmen Offenheit, Transparenz und Vertrauen zu, sodass am Ende ein Austausch und die Arbeit über die Landesgren-zen hinweg selbstverständlich wurde.

Eva WoelkiDie Autorin ist am Seminar in Offenburg in der Lehrer-ausbildung und Lehrerfortbildung tätig und war nationaleKoordinatorin von »TICKLE«.

1 Alexander, Thomas: Interkulturelle Kompetenz und ganzheitliches Lernen, in: Erwägen, Wissen,Ethik, 14 (2003) 1, S. 143.

Arbeit in interkulturell gemischten Gruppen ist – wiehier beim Abschlusstreffen – ein fester Bestandteildes Projekts gewesen.

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48 Multilaterales COMENIUS-Projekt

»Schulleiter müssen sich in Geduld üben«, titelte die Hanno-versche Allgemeine Zeitung im Oktober 2009, um dann fortzufah-ren: »Seit Jahren fordern die Schulleiter Entlastung, bei derUnterrichtsverpflichtung genauso wie bei den Verwaltungsaufga-ben, die seit der Einführung der eigenverantwortlichen Schulenoch einmal erheblich zugenommen haben.« Dieser Artikel skiz-ziert die Lage, mit der sich viele Schulleitungen heutzutage kon-frontiert sehen. Mit der wachsenden Autonomie von Schulen sindnicht nur in Deutschland, sondern in vielen europäischen Staatender Wunsch und der Bedarf an Managementkonzepten, neuenIdeen und Visionen geweckt worden, um Schule in Zukunft zugestalten. Forschungsergebnisse und Befragungen haben erge-ben, dass Schulleitungen nicht nur Unterstützung in den adminis-trativen und organisatorischen Bereichen wünschen. Sie fordernauch eine Professionalisierung in den Bereichen Entscheidungs-findung und in der Umsetzung von Maßnahmen.

Gründung des Netzwerks »Leadership in Education«Vor diesem Hintergrund trafen Mitarbeiter des Niedersächsi-

schen Landesamts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (NiLS)die Entscheidung, ein COMENIUS-Netzwerk zum Thema »Leader-

Vom Primus inter Pareszum Manager

Die Eigenverantwortung derSchulen ist in den vergangenenJahren in vielen europäischenStaaten gestärkt worden.Damit gewinnen die Rolle derSchulleitung und das Thema»Führungshandeln in Schulen«an Bedeutung. Das COMENIUS-Netzwerk »Leadership inEducation« schafft eine Platt-form, um innovative Manage-mentkonzepte zu verbreiten.

Steckbrief

Aktion MultilateralesCOMENIUS-Netzwerk

Projekttitel Leadership in Education: Eineuropäisches Qualifizierungsnetz-werk zur praxisnahen Führung

Ziele Im Rahmen der Netzwerkarbeitwerden Beispiele bewährter Konzeptezur Erst- und Weiterqualifizierungamtierender und künftiger Schul-leiter dokumentiert, ausgewertetund veröffentlicht. Jedes Partnerlandbindet im Tandemverfahren einweiteres Land in die Arbeit ein.

Das Netzwerk baut so ein mehr-sprachiges Informationssystemzu den Konzepten und Programmenzur Qualifikation von Schulleitern inallen EU-Ländern auf. Zudem wird einReferenzrahmen zur Sicherung derQualität der Schulleitung erarbeitet.

Träger Niedersächsisches Landesamt fürLehrerbildung und Schulentwicklung(NiLS)Keßlerstr. 5231134 Hildesheim (Niedersachsen)www.nibis.de

Kontakt Dr. h.c. Rolf-Peter BerndtE-Mail: [email protected]

Partner zu Pädagogische Hochschule TirolProjektbeginn (Österreich)

Pädagogisches Institut für diedeutsche Sprachgruppe (Italien)

Dirección General de Calidad,Innovación y Formación delProfesorado de la Junta de Castilla yLeón (Spanien)

Független Pedagógiai Intézet (Ungarn)

Leadership Development forSchools (Irland)

Zavod sv. Stanislava (Slovenien)

Nyborg Skole (Norwegen)

Casa Corpului Didactic (Rumänien)

Takev Özel Ilkögretim Okulu (Türkei)

Eesti Haridus- ja Teadusministeeri-um (Estland)

Razem dla Edukacji (Polen)

Danmarks Pædagogiske Universi-tetsskole, Aarhus (Dänemark)

Assoziierte Staatliches Institut für PädagogischePartner Fortbildung im Gebiet Perm

(Russland)

Institut Unterstrass (Schweiz)

Webseite www.leadership-in-education.eu

Zeitraum November 2008 bis Oktober 2011

Zuschuss 450.000 Euro

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Innovation 49

ship in Education« zu gründen. Die zentrale Aufgabe solcherCOMENIUS-Projekte ist es, vernetztes Arbeiten und die europa-weite Zusammenarbeit von Bildungsträgern und -institutionen zufördern. Das Netzwerk stellt dazu eine Plattform bereit, um Bei-spiele guter Praxis und Neuheiten aus dem Bildungssektor zu-sammenzutragen und zu verbreiten.

Der Startschuss für das Netzwerk »Leadership in Education«fiel im Dezember 2008 auf einer Tagung in Hildesheim. Mit dabeiwaren Vertreter aus den zunächst 13 Partnerländern sowie derassoziierten Partner in Russland und der Schweiz. Im Verlauf die-ser Tagung wurden die Grundlagen für die weitere Arbeit gelegt.Insbesondere wurde die äußere und formale Struktur für eineLändersynopse gemeinsam erarbeitet und abgestimmt. Die ers-ten Meilensteine auf dem Projektweg waren auf diese Weise ge-setzt und die Partner konnten ans Werk gehen.

Eine europäische Synopse zur Qualitätvon Schulleitung

Um an Daten zu gelangen, die für eine Erhebung der Qualitätvon Schulleitung relevant sind, wurden zunächst die 15 Projekt-partner, die an der Tagung in Hildesheim teilnahmen, aufgerufen,kurze Länderberichte zu erstellen. Später wurde der Kreis um jeeinen Tandempartner erweitert (siehe unten). Daraus ist eineSammlung der Länderberichte entstanden, die auf der Websitedes Netzwerks abgerufen werden kann. Das Projekt »Leadershipin Education« kann somit zum ersten Mal europaweit ein Kom-pendium verschiedener Leitungskonzepte und Programme für dieAus- und Weiterbildung von Schulleitern anbieten. Die Einrich-tung der Website und deren Pflege, um für Verbreitung, Nachhal-tigkeit und Zusammenarbeit zu sorgen, ist ein zentrales Ergebnisdes Projekts.

Konzepte zur Qualifizierung von Schulleitern:Das Beispiel Irland

Irland begann 1998 mit dem »Education Act«, Bildung nachhal-tig zu verbessern und Qualität an Schulen zu entwickeln. DasKonzept des »distributed leadership« zielt vor allem auf dieArbeitserleichterung von Schulleitung und Lehrkräften ab. DasBildungsministerium hat erstmalig 2008 ein Akkreditierungspro-gramm installiert, über das sich an Schulleitung Interessierte anUniversitäten und über die nationale Unterstützungseinrichtung»Leadership Development for Schools« (LDS) qualifizieren kön-

Führungskräfte von morgen? Bei derNetzwerkkonferenz in Izmir.

nen. »LDS aims to develop the capacity of school leaders throughthe enhancement of knowledge, skills and competencies, attitu-des and values, and behaviours«, heißt es dazu in einer Selbstdar-stellung.

Struktur und Methode des Netzwerks:Arbeiten im Ländertandem

Zur Unterstützung des NiLS bei der Koordination des Projektswurde eine Steuergruppe eingesetzt, in der auch die Partnerinsti-tutionen aus Dänemark, Irland und der Türkei vertreten sind. Eineexterne Fachberatung erfolgt durch die Universität Hildesheim imersten Jahr des Projekts. Um eine möglichst hohe Länderbeteili-gung am Projekt und seine Verbreitung zu garantieren, wurde dasPrinzip der Tandempartner entwickelt. So war jedem Partnerlandüberlassen, ein Tandemland auszuwählen. Hierdurch konnten diePartnerländer die Erstellung der Länderberichte unterstützen undzugleich die Validität der Synopse gewährleisten. So arbeitenbeispielsweise Vertreter der Projektpartner in der Türkei mit Grie-chenland, Ungarn mit der Slowakei, Italien mit der TschechischenRepublik und Rumänien mit Luxemburg zusammen. Insgesamtkonnten auf diese Weise 28 Länder in die Netzwerkarbeit einbezo-gen werden.

Im Rahmen des Projekts wird nicht nur die vergleichende Län-dersynopse erstellt. Ein weiteres Ziel ist es, einen europäischenReferenzrahmen zur Qualität und Qualitätssicherung von Schullei-tung zu erarbeiten, der mit Projektabschluss als Empfehlung an dieEuropäische Kommission gerichtet wird. Über den Referenzrah-men wird ein Informationssystem zu Konzepten, Programmen undModulen im Bereich von Schulleitung und Qualifizierung von Füh-rungspersonal zur Verfügung gestellt werden. Da der Referenzrah-men »nur« als Empfehlung an die Europäische Kommission gerichtetwerden kann, können Interessierte selbständig über die Auswahlder angebotenen Inhalte für die Implementierung sorgen. Die Län-dersynopsen sind insofern Voraussetzung für einen Referenz-rahmen, als dass er eine Sammlung und Illustration der Bildungs-situationen in den am Projekt beteiligten Ländern darstellt.

Iris JansohnDie Autorin ist beim Niedersächsischen Landesamt fürLehrerbildung und Schulentwicklung (NiLS) im ArbeitsbereichEuropäische und Internationale Angelegenheiten tätig undarbeitet an dem COMENIUS-Netzwerk mit.

Bei der ersten Disseminationstagung in Tallinnwerden intensive Fachgespräche geführt.

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50 Europäisches Sprachensiegel

»Eine Roman(t)ische Sprachreise«. So lautet der Titel meinesWorkshops zur Förderung von Mehrsprachigkeit, der für sprach-und hochbegabte Kinder der Klassenstufen 8 und 9 im Januar2009 in Rostock durchgeführt wurde. Dieser eintägige Workshopgliederte sich ein in das Wintersemesterprogramm des Studien-tags der Deutschen Gesellschaft für das hochbegabte Kind (DGHK)in Rostock. Der dortige Regionalverein der DGHK existiert seit1996 und ist als Elterninitiative entstanden. Ziel des Regionalver-eins ist es, Formen des Austauschs und des Miteinanders vonhochbegabten Kindern und deren Eltern zu finden.

Ein bewährtes Konzept der besonderen Förderung hoch-begabter Kinder und Jugendlicher ist der Studientag. Mit denFörderkursen in 14-tägigem Rhythmus können die Schüler ent-sprechend ihren Interessen und Neigungen tätig werden und ihreLern- und Arbeitstechniken verbessern. Sie haben auch die Mög-lichkeit, im Kreise Gleichbefähigter Freunde zu finden.

Welche Voraussetzungen bringenhochbegabte Kinder mit?

Das Mehrsprachenprojekt sollte speziell den kognitiven Be-dürfnissen hochbegabter Kinder entgegenkommen. Der Wort-schatz dieser Kinder ist auch in den Fremdsprachen für das Alterungewöhnlich. Sie haben eine schnelle Auffassungsgabe und kom-plexe Fähigkeiten, neigen zu abstrakten Inhalten und können sichschnell Fakten merken. Es ist bekannt, dass sie produzierendesDenken bevorzugen und überragende analytische Fähigkeiten ha-ben. Die wohl wichtigste Eigenschaft für diesen Workshop istjedoch, dass sie gern divergent denken. Außerdem verfügen die-se Kinder meist über ein größeres Vorwissen in Geschichte undhaben generell eine hohe Allgemeinbildung.

Wichtig waren auch gute Voraussetzungen (mindestens 2 bis3 Lernjahre) in einer romanischen Sprache. Zwei Schüler startetenmit Französisch als zweite Fremdsprache, die anderen brachtenLatein oder Spanisch als Fremdsprachenkenntnisse mit. So konn-ten wir auf gleicher Ebene auch voneinander lernen und es gabfür die Hauptsprachen kleine Experten.

Übungen mit Asterix und ObelixWie es in der Wissenschaft so ist, begann alles mit grauer

Theorie. Und so erhellten wir gemeinsam die Herkunft und Ent-wicklung der romanischen Sprachen, die alle auf Latein basieren,und verglichen die vielfältigen historischen und geografischenBedingungen. Dabei klärten wir auch einige sprachwissenschaft-liche Fachbegriffe, etwa Adstrat, Superstrat und Substrat, die beider Entstehung von vielen Sprachen von Bedeutung waren. Inter-essant war auch die Diskussion, warum man in Großbritannienkeine romanische Sprache spricht, hielten sich doch die Römerdort viel länger auf als zum Beispiel in Rumänien. Graue Theoriewird jedoch auch für Hochbegabte schnell langweilig. Aus einemAsterix und Obelix-Text in Latein, Spanisch, Portugiesisch, Fran-zösisch und Rumänisch mussten nun die Kinder schnell bestimmteWörter, die in allen genannten Sprachen ähnlich sind, herausfin-den. So entstand ein kleiner, aber kurzer Überblick über den pan-europäischen Wortschatz und erste Kenntnisse zur Wortbildungkamen zum Tragen.

Eine Roman(t)ische Sprachreisein die Mehrsprachigkeit

Mehrsprachigkeit ist einwichtiges bildungspolitischesZiel in Europa. Der Wettbewerbum das Europäische Sprachen-siegel im Jahr 2009 prämiertein Deutschland Projekte, dieinnovative Unterrichtsmethodenzur Förderung der Mehrsprachig-keit entwickelten. Für dasProjekt »Eine Roman(t)ischeSprachreise« wurde KerstinAschmutat ausgezeichnet.Sie entwickelte für hoch-begabte Kinder in Mecklenburg-Vorpommern einen spannendenStudientag über romanischeSprachen.

Steckbrief

Aktion Europäisches Sprachensiegel

Projekttitel Eine Roman(t)ische Sprachreise

Projektträger Deutsche Gesellschaft für dashochbegabte Kind, RegionalvereinMecklenburg-Vorpommernwww.dghk.de/index.html

Kontakt Kerstin AschmutatE-Mail: [email protected]

Zeitraum Januar 2009

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Innovation 51

Gegen Mittag widmeten wir uns den Ähnlichkeiten im Küchen-vokabular und suchten die Zutaten für Crêpes aus einem Wirrwarrlateinischer, spanischer, französischer und italienischer Bezeich-nungen zusammen. Dabei war es wichtig, die Merkmale der ver-schiedenen Sprachen durch die bereits erworbenen Kenntnisseauseinanderzuhalten und auf entsprechende historische Lautver-schiebungen zu achten.

»Intelligent guessing« zur Förderungdes logischen Kombinierens

Nach dem Mittagessen wurde es dann schon schwieriger. Esging nicht mehr um Ähnlichkeiten im Stamm der Wörter, sondernum Wortarten. Zu erkennen, ob ein Wort ein Substantiv, Adverb,Adjektiv oder Verb ist und welche Rolle es im Satz spielt, sindwichtige Grundlagen für Textverständnis und Übersetzungsübun-gen. Diese Strategie spielt besonders in die Fähigkeit des »intelli-gent guessing« hinein, die ein Kennzeichen sprachlicher Begabungist und beim lebenslangen Lernen von weiteren Fremdspracheneine große Rolle spielt. Außerdem werden hier auch die logischenKombinationsfähigkeiten hochbegabter Kinder angesprochen. Ar-tikel, Singular und Pluralbildung, Aufbau der Zeitformen in Italie-nisch, Spanisch und Französisch wurden näher betrachtet. ZumEnde hin ging es dann auch um das Verstehen von ganzen Textenin Spanisch, Französisch und Italienisch – in einer anderen als derbereits in der Schule gelernten Fremdsprache. Höhepunkt undAbschlussübung war ein riesiges Puzzle mit französischen, italie-nischen, portugiesischen, spanischen und rumänischen Wendun-gen für eine erste Vorstellung und Kontaktaufnahme. Alle Teilemussten den entsprechenden Sprachen und den deutschen Über-setzungen zugeordnet werden.

Die Schüler schätzten ein, dass sie sich einen rezeptiven undtheoretischen Vorlauf für das Erlernen weiterer romanischer Spra-chen geschaffen haben. Die Erkenntnis, dass verwandte Spra-chen durch entsprechende Strategien leichter gelernt werdenkönnen, motivierte sie für das Erlernen weiterer Sprachen. Inter-essanterweise waren sie besonders auf Rumänisch neugierig. ImFremdsprachenunterricht an der Schule wünschten sie sich mehrVerknüpfungen zu anderen Sprachen. So wären sie beim Kennen-lernen neuer Vokabeln über Erläuterungen zur Sprachgeschichteglücklich.

Förderung der Mehrsprachigkeit in der SchuleTeile dieses Workshops und Beispiele aus einer romanischen

Sprache lassen sich in jeden Fremdsprachenunterricht gut inte-grieren. Dazu ist es für die Lehrer nicht zwingend notwendig, dieandere romanische Sprache perfekt zu beherrschen. Beispiele undMaterial lassen sich leicht auf Reisen finden oder in mehrsprachi-gen Instruktionstexten. An meinem Gymnasium findet in jedemJahr zum Europa-Tag am 6. Mai ein Mehrsprachenprojekt mit Gast-oder Austauschschülern statt, der einen willkommenen Anlassfür den Workshop bietet.

Für besonders begabte Schüler mit Latein als zweiter Fremd-sprache ist es einfach, sie parallel zu der alten Sprache mit weni-ger Zeitaufwand in einer modernen romanischen Sprache zuunterrichten. Dies setzt jedoch eine sehr enge Kooperation zwi-schen dem Latein- und dem Spanisch- bzw. Französischlehrervoraus. Das gleiche Ziel kann auch mit Intensivwochenenden zumErlernen einer weiteren romanischen Sprache erreicht werden.

Nach der 10. Klasse fällt bei uns mitunter auch die Entschei-dung gegen die französische Sprache und für eine Naturwissen-schaft. Hier animiere ich die Schüler zu kleinen Übungen, in denensie sich mit Spanisch, Latein oder Italienisch anfreunden und Fran-zösisch als eine Brücke zum Erlernen einer weiteren Fremdspra-che im Erwachsenenalter betrachten können. Somit schaffen siebewusst Grundlagen für einen lebenslangen Lernprozess. In derSekundarstufe II sieht das Kerncurriculum Französisch für Meck-lenburg-Vorpommern das Thema »Plurilinguisme en Europe« vor.In dieser Phase behandle ich oft italienische oder spanische Tex-te, bei denen grammatische Merkmale der anderen Sprache her-ausgearbeitet werden.

Romanische Sprachen sind auf Grund ihrer Ähnlichkeitenbesonders gut für ein Mehrsprachenprojekt geeignet und nichtnur interessant für hochbegabte Kinder. Man kann ein solchesProjekt auch innerhalb der slawischen oder skandinavischenSprachfamilie ansiedeln.

Kerstin AschmutatDie Autorin ist Fachlehrerin für Französisch, Englisch undRussisch am Richard-Wossidlo-Gymnasium in Ribnitz-Damgar-ten. Sie hat an der Westfälischen Universität Münster eineZusatzqualifikation als Begabtenpädagogin (ECHA-Diplom)erworben und ist als Beraterin der Deutschen Gesellschaft fürdas hochbegabte Kind in Mecklenburg-Vorpommern tätig.

Ausgezeichnet: Kerstin Aschmutatmit der Urkunde des EuropäischenSprachensiegels 2009.

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Erklärung

»Integration als Chance – gemeinsamfür mehr Chancengerechtigkeit«

Am 13. Dezember 2007 haben die Kultusministerkonferenzund Organisationen von Menschen mit Migrationshintergrundeine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Darin heißt es unteranderem:

»Die Kultusministerinnen und Kultusminister setzen sich dafürein, interkulturelles Lernen stärker als bisher im Unterricht und imaußerunterrichtlichen Bereich zu verankern […]. Die Vereinbarungs-partner sind sich bewusst, dass interkulturelle Kompetenz als Lern-ziel Aufnahme in Lehr- und Bildungspläne finden muss und dasszu einem interkulturellen Schulleben Aufmerksamkeit für die her-ausragenden Ereignisse aller Kulturen gehört.

Die Kultusministerinnen und Kultusminister empfehlen allenSchulen, insbesondere solchen mit einem hohen Anteil von Schü-lerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, besondere Pro-file im Hinblick auf Interkulturalität auszuprägen und diese Ziele inSchulprogrammen und schulinternen Curricula festzulegen. In die-sem Zusammenhang können auch die Sprachen der Migrantin-nen und Migranten als ordentliches Schulfach eine besondereRolle spielen.«

52 Referenztexte der Kultusministerkonferenz

Die Kultusministerkonferenz hatdie Bedeutung des europäischenund internationalen Schulaus-tauschs und die Breite der hiermitverbundenen fachlichen undübergreifenden Lernziele wieder-holt hervorgehoben. Im Folgendenwerden Auszüge aus Beschlüssen,Empfehlungen und Erklärungendokumentiert, die von der Kultus-ministerkonferenz in den Jahren2007 und 2008 gefasst wurden.

Referenztexte derKultusministerkonferenz

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Beschluss

»Bildungsverantwortung der Länderim Ausland«

Die 324. Plenarsitzung der Kultusministerkonferenz hat am4. Dezember 2008 in Bonn einen Beschluss zur Bildungs-verantwortung der Länder im Ausland gefasst. Darin heißtes unter anderem:

»Die Kultusministerkonferenz wird die Bildungszusammenar-beit mit dem Ausland weiter stärken. Sie nimmt damit ihre Verant-wortung zur Qualitätsverbesserung im Bildungsbereich und zurSicherung internationaler Mobilität wahr. Die Länder tragen durchihr vielfältiges Engagement im Auslandsschulwesen, in schuli-schen Austauschprogrammen sowie durch die Bewertung aus-ländischer Abschlüsse maßgeblich zu einem positiven Deutsch-landbild im Ausland und einem nachhaltigen kulturellen Dialogbei. Darüber hinaus setzt die Bildungszusammenarbeit mit demAusland entscheidende Impulse für die Sicherung und Steige-rung der Qualität von Bildung in Deutschland […].

Die Kultusministerkonferenz unterstreicht die Bedeutung desschulischen Austauschs für die Qualität des Lernens und desLernumfeldes. Durch die Beteiligung an Austausch- und Koopera-tionsprogrammen werden die fachlichen, methodischen, sprach-lichen und interkulturellen sowie persönlichen Kompetenzenerweitert. Austausch leistet damit auch einen Beitrag zur Wettbe-werbsfähigkeit.«

Empfehlung

»Europabildung in der Schule«

In der am 5. Mai 2008 neu gefassten Empfehlung »Europa-bildung in der Schule« legt die KultusministerkonferenzElemente und Leitlinien des europäischen Bildungsauftragesder Schule dar. Die Empfehlung wird hier in Auszügen zitiert:

Europäisches Bewusstsein als pädagogischer Auftrag»Die Schule hat die Aufgabe, die Annäherung der europäischen

Völker und Staaten und die Neuordnung ihrer Beziehungenbewusst zu machen. Sie soll dazu beitragen, dass in der heran-wachsenden Generation ein Bewusstsein europäischer Zusam-mengehörigkeit entsteht und Verständnis dafür entwickelt wird,dass in vielen Bereichen unseres Lebens europäische Bezügewirksam sind und europäische Entscheidungen verlangt werden.Die Schule hat zudem die Aufgabe, Respekt vor und Interessean der Vielfalt der Sprachen und Kulturen zu wecken und auszu-bauen[…]. Dabei geht es um folgende Kompetenzen und Einstel-lungen:● die Bereitschaft zur Verständigung, zum Abbau von Vorurtei-

len und zur Anerkennung des Gemeinsamen unter gleichzeiti-ger Bejahung der europäischen Vielfalt;

● eine kulturübergreifende Aufgeschlossenheit, die die eigenekulturelle Identität wahrt;

Referenztexte der Kultusministerkonferenz 53

● die Achtung des Wertes europäischer Rechtsbindungen undder Rechtsprechung im Rahmen der in Europa anerkanntenMenschenrechte;

● die Fähigkeit zum nachbarschaftlichen Miteinander und dieBereitschaft, Kompromisse bei der Verwirklichung der unter-schiedlichen Interessen in Europa einzugehen;

● das Eintreten für Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, Ge-rechtigkeit, wirtschaftliche Sicherheit und Frieden sowie

● die Absicht, zukünftige Entwicklungen verantwortungsvoll mit-zugestalten und sich für die Sicherung bzw. einen Ausbau derZusammenarbeit in Europa aktiv einzusetzen.«

Herausbildung eines Europäischen Bewusstseinsin der Schule

»Zur Erschließung der europäischen Dimension in Unterrichtund Erziehung sollen grundsätzlich alle Fächer und Lernbereicheder Schule einen Beitrag leisten. Die Lehrpläne und Bildungsplä-ne der Länder enthalten dazu in differenzierter Weise konkreteZiele und Themen sowie Hinweise auf geeignete Lerninhalte,zweckmäßige Arbeitsformen und wünschenswerte Einstellungen.

Die Zusammenarbeit im Rahmen von Schulpartnerschaftenbzw. im Rahmen des Europäischen Bildungsprogramms kann hierwertvolle Beiträge leisten. Die Länder haben hier mit dem Päda-gogischen Austauschdienst (PAD), der auch Nationale Agenturfür das EU-Bildungsprogramm im Schulbereich ist, die entspre-chende Einrichtung geschaffen. Diese Kooperationen dienen nichtnur der Erweiterung der europäischen, sondern auch der jeweilsfachlichen und methodischen sowie der persönlichen Kompeten-zen […].

Für die Erschließung der kulturellen Welt Europas haben dieSprachen eine zentrale Bedeutung […]. Das Erlernen von Fremd-sprachen öffnet den Zugang zu anderen Sprachgemeinschaften.Dialog- und Kommunikationsfähigkeit sind Schlüsselqualifikatio-nen über den Sprachenunterricht hinaus. Der Mehrsprachenerwerbwird deshalb für möglichst viele Schüler angestrebt. BesondereBildungsangebote, vor allem bilinguale Unterrichtsformen, die-nen dem Erwerb vertiefter Kenntnisse in den europäischen Spra-chen und der Auseinandersetzung mit den europäischen Staatenund europäischen Partnern im Schulbereich […].

Über den Fachunterricht hinaus sollen weitere Möglichkeitenfür die Erschließung der europäischen Dimension genutzt wer-den. Dazu bieten sich vielfältige Möglichkeiten im schulischenKontext an:● Von besonderer Bedeutung sind Projekte mit europäischer

Themenstellung, wie sie vielfach an Schulen erfolgreich prakti-ziert werden, z. B. im Rahmen eines jährlichen »Europatags«am 9. Mai, des EU-Projekttages und der Europawoche […].

● Empfohlen werden gemeinsame pädagogische Projekte mitSchulen aus den europäischen Staaten im Rahmen des Akti-onsprogramms »Lebenslanges Lernen«. Die europäischen Bil-dungsprogramme COMENIUS (für Schulen) und LEONARDODA VINCI (für berufliche Aus- und Weiterbildung) bieten dazuAnregungen und Hilfestellungen.

● Wichtig ist ferner der internationale Schüler- und Lehreraus-tausch, z.B. im Rahmen von Schulpartnerschaften, sowie derAustausch von Fremdsprachenassistenten. Er soll mitmöglichst vielen europäischen Staaten gepflegt werden. Einebesondere Gelegenheit für pädagogische Kontakte und Arbeits-begegnungen mit Partnern innerhalb Europas bieten die euro-päischen Bildungsprogramme für Lehrkräfte sowie bilateraleVereinbarungen […].«

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EuropäischeReferenzdokumente

● Mitteilung »Bessere Kompetenzen für das 21. Jahrhundert:eine Agenda für die europäische Zusammenarbeit imSchulwesen«http://ec.europa.eu/education/lifelong-learning-policy/doc64_de.htm

● Empfehlung »Schüsselkompetenzen für lebenslangesLernen«http://ec.europa.eu/education/lifelong-learning-policy/doc42_de.htm

● Europäische Strategie und Zusammenarbeit im Bereichallgemeine und berufliche Bildunghttp://ec.europa.eu/education/lifelong-learning-policy/doc28_de.htm

Referenzdokumenteder Kultusministerkonferenz

● Empfehlung »Europabildung in der Schule«www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/1978/1978_06_08_Europabildung.pdf

● Positionspapier der Kultusministerkonferenz zur Bildungs-,Wissenschafts- und Kulturpolitik im Hinblick auf Vorhabender Europäischen Unionwww.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2007/2007_12_13-Bildung-Wissenschaft-Kultur-EU.pdf

● Integration als Chance – gemeinsam für mehr Chancen-gerechtigkeit. Gemeinsame Erklärung der Kultusminister-konferenz und der Organisationen von Menschen mitMigrationshintergrundwww.kmk.org/fileadmin/pdf/PresseUndAktuelles/2007/141207-chancengleichheit.pdf

Weitere Informationen

● Pädagogischer Austauschdienst (PAD)der KultusministerkonferenzNationale Agentur für EU-Programme im Schulbereichwww.kmk-pad.org

● Gemeinsame Website der Nationalen Agenturenin Deutschlandwww.lebenslanges-lernen.eu

● COMENIUSwww.kmk-pad.org/comenius

● StudienbesuchsprogrammDas Programm richtet sich an Bildungs- und Berufsbildungs-fachleute.www.kmk-pad.org/studienbesuchewww.cedefop.europa.eu

● Europäisches SprachensiegelDer jährliche Wettbewerb zeichnet innovative und kreativeProjekte für den Fremdsprachenerwerb aus.www.kmk-pad.org/ess

● eTwinning – Netzwerk für Schulen in EuropaDas Programm vernetzt Schulen aus Europa über dasInternet miteinander.www.etwinning.de

● EuropassDer Europass umfasst ein Portfolio, mit dem Qualifikationenund Kompetenzen transparent dargestellt werden können.www.europass-info.de

● Programm »Europa macht Schule«Das Programm ermöglicht ERASMUS-Studierenden aus demAusland ein Unterrichtsprojekt in einer örtlichen Schulklasse.www.europamachtschule.de

● Europäische ExekutivagenturFür Multilaterale COMENIUS-Projekte und Netzwerke ist dieEuropäische Exekutivagentur in Brüssel zuständig.http://eacea.ec.europa.eu/index.htm

● Informationen zum Programm für lebenslanges LernenAllgemeine Informationen zum Programm (z.B. Leitfadenoder jährlicher Aufruf) sind auf der Webseite der Europäi-schen Kommission eingestellt.http://ec.europa.eu/education/lifelong-learning-programme/doc78_en.htm

● EURYDICEDas Netzwerk stellt Informationen zum Bildungswesenin Europa zur Verfügung.http://eacea.ec.europa.eu/education/eurydice/index_en.php

54 Anhang

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Das Kunstwerk wurde von Schülerinnen und Schülernim Rahmen des COMENIUS-Projekts der Alanus-Hochschule für Kunst und Gesellschaft erarbeitet.