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Schule | Mehr Freiraum und Struktur Gesellschaft | Wahn nach Norm Therapie | Je schneller, desto besser Ratgeber | Der Fünf-Punkte-Plan Ausgabe 2 | 08 ADHS-Infomagazin für Kinder, Eltern und Lehrer Cool&Klug | Technoparkstrasse 1 | 8005 Zürich | [email protected] Ausgrenzung Ist mein Kind normal? &

Cool und Klug Broschuere 0808

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Cool und Klug Broschuere 0808

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Page 1: Cool und Klug Broschuere 0808

12 Cool&KlugdasADHS–Infomagazin

Auf der Liste berühmter Persönlichkei-ten mit ADHS stehen John F. Kennedy, Jack Nicholson, Mozart, Elvis Presley und auch der wohl berühmteste Comic-Zeichner des 20. Jahrhunderts, Charles Monroe Schulz. Der Vater von Snoopy und Charlie Brown lehrt uns vor allem eines: Lebe deine Stärken!

SchonalskleinerJungemalteCharlesmitBegeisterung,bereitsimKindergartenfieldieseBegabungseinerLehrerinauf.Dochdabeibliebesvorerst.ObwohlCharlesM.SchulzseinTalentinderSchulzeitverbes-serte,nahmniemanddavonNotiz.CharlesSchulzbliebeinunscheinbarerSchüler.OftwurdeerbeimSpielenvonseinenSchul-kameradenübergangenundausgegrenzt.Als er zumCollege-Abschluss seine Kari-katuren der renommierten Jahrgangszei-tunganbot,wurdensieabgelehnt.Auchseine Bewerbung bei den Walt-Disney-StudiosbliebohneErfolg.

Niemals aufgeben.AberCharlesM.Schulzgabnichtauf.Erkehrteausdem2.Welt-kriegzurückunderobertemitseinenCo-mic-Figuren,denPeanuts,dieHerzenderAmerikaner. Bei Charlie Brown, Lucy, Li-nus,Snoopy&Co.gehtesumalltäglichePeanuts,alsoumKleinigkeiten.Genauda-ranzeigtSchulzdieWidersprüchedesge-samtenmenschlichenLebensauf,obwohlnieeinErwachseneralshandelndeFigurinseinenPeanutsauftritt.

Ausgrenzung und Mobbing.CharlesM.Schulz zeichnete in seinen Comic-Stripsnicht zuletztdasgesamteKindertheaterder Grausamkeit und zeigte damit, wiegemeinKinderzueinanderseinkönnen.Gerade ADHS-Kinder werden schon infrühester Jugend mit Ausgrenzung undMobbingkonfrontiert.WieCharlieBrownwar auch Charles M. Schulz ein ernst-haftes und unglückliches Kind. Undwiebei vielen ADHS-Kindern kann auch inder Welt der Peanuts die PsychiaterinLucy ihrem Freund Charlie Brown nichthelfen.

Fähigkeiten verkümmern. Der familiäreundschulischeFokusliegtbeidenmeistenADHS-KindernaufihrenDefiziten.Dieindi-viduellen Fähigkeiten bleiben oft im Ver-borgenen, wo sie schlafen oder gar ver-kümmern.CharlesM.SchulzkonntevielesnichtsogutwieseineSchulkollegen.Abererkonntezeichnen.Undwie.ErglaubteansichundgingbeharrlichseinenWeg.Viel-leicht hätte er sichmanchmal einen Be-gleiterundBeistandgewünscht.

Schule | MehrFreiraumundStruktur

Gesellschaft| WahnnachNorm

Therapie | Jeschneller,destobesser

Ratgeber | DerFünf-Punkte-Plan

Ausgabe2 | 08

ADHS-Infomagazin fürKinder, Eltern und Lehrer

Cool&Klug | Technoparkstrasse1 | 8005Zürich | [email protected]

AusgrenzungIstmeinKindnormal?

BerühmttrotzADHS/Dyslexie

CharlesM.Schulz–mitBeharrlichkeitzumErfolg

Viele Begriffe, ein Thema

ADHS

• Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung(ADHS)• Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätssyndrom• HyperkinetischeStörung(HKS)

Alle diese Ausdrücke beschreiben einebereits im Kindesalter beginnende Ver-haltensauffälligkeit,diesichprimärdurchleichteAblenkbarkeitundgeringesDurch-haltevermögensowieeinleichtaufbrau-sendesWesenmitderNeigungzumun-überlegtenHandeln,häufigauchinKom-bination mit Hyperaktivität auszeichnet.Es existieren weiterhin alternative Be-zeichnungen und Abkürzungen, welcheteilweise übereinstimmende Krankheits-bilder beschreiben, teilweise spezielleAusprägungenbezeichnen.Verbreitetist:Aufmerksamkeitsdefizitstörung(ADS).

Veraltete Begriffe• MinimaleCerebraleDysfunktion(MCD)• PsychoorganischesSyndrom(POS)

Internationale Bezeichnungen• AttentionDeficit/Hyperactivity Disorder(ADHD)• AttentionDeficitDisorder(ADD)

EineLeseschwächekannalleineoderinKombinationmitADS/ADHSauftreten.

DyslexieDarunter versteht man Probleme mitdem Lesen und Verstehen vonWörternoderTextenbeinormalemSeh-undHör-vermögen.Oft trittsiedasersteMal imRahmen einer sogenannten Lese-Recht-schreib-Schwäche (Legasthenie) in denerstenSchuljahrenauf.

PharmakaPharmaka sind lautArzneimittelgesetzStoffe und Zubereitungen aus Stoffen,diezurAnwendungamoderimmensch-lichenodertierischenKörperbestimmtsind, um Krankheiten, Leiden, Körper-schädenoderkrankhafteBeschwerdenzuheilen,zulindern,zuverhütenoderzuerkennen.

&

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Cool&KlugfürKinder,ElternundLehrer 3

Es gibt nur Kinder mit schwierigem Ver-halten. Heilpädagoge Walter Egli überGelassenheit, Vertrauen und Respekt in der Erziehung.

Erziehung ist keine Einbahnstrasse. In derErziehung erträgt es immer wieder auchFehler und Fehleinschätzungen. WichtigsindeinewohlwollendeGrundhaltungundder grosse Erziehungsbogen, der stimmigseinmuss. FindenSie Ihrenganzpersön-lichen Weg, bleiben Sie ganz sich selbst.SeienSieoffenundflexibel,sodassSiesichimerzieherischenKontaktmitdenKindernauchimmereinwenigselbermitverändernlassen.

Ichwehremich immerwieder,wennvonschwierigenKinderngesprochenwird.Dasist so endgültig und unveränderlich. IchsprecheliebervonKindernmitschwierigemVerhalten.AlleFormendavonsindbeiunsalleninandererDosierungoderwenigstensalsAnlagevorhanden.ErstdieseErkenntnisermöglichteineinfühlendesVerstehen.

Kinder mit schwierigem Verhalten sindauchkeineMonsteroderPsychos,sondernMenschenwieSieund ich,auchwennihrVerhaltenunterdengegebenenUmständenausSichtvonLehrernundErziehungsperso-nenauffälligundstörendseinkann.

Ich bin der festen Überzeugung, dass ichjedemKind–habeeseinenochsoschwe-reBehinderungoderStörung–alsMensch

begegnenmuss.Ichmusseskennenlernenund versuchen, auf seine ganz individuel-lenBesonderheiteneinzugehen.Inmeinerlangen Tätigkeit mit den verschiedenstenKindernistmirnochkeinesbegegnet,dasnichtpositivaufeinerespektvolle,einfühl-sameundaufbauendeHaltungreagierthät-te.NatürlichgibtesvieleKinder,dieschonnachkurzerZeitdieseaufbauendeHaltungextremaufdieProbestellen.

OftsinddieUrsachenvonschwierigemVer-halten in der Familie auszumachen. Den-noch bin ich nicht so schnell bereit, überdieFamiliendenStabzubrechen,wie ichdas bei einigen Kollegen sehen kann. IchhabeselbstKinderaufgezogenundweiss,welche Gratwanderungwir als Eltern ein-gehen. Bewährt hat sich ein respektvollerund partnerschaftlicher Umgang mit denEltern.WenndieserWegnichtüberheblichundmöglichsteinfühlsamgegangenwird,akzeptieren diemeisten Eltern auch klareWorteundAbmachungen.

Erziehung erträgt weder Lieblosigkeit noch Gewalt

Wichtig ist, dass die Kinder in dieser be-stimmtenUmgebungunterdenhiergege-benenUmständeneinauffälligesVerhaltenzeigen.EinigeSchulkinderwürdenvielleichtineineranderenUmgebungüberhauptnichtanecken.Manchekönntenganzfriedlichinder Natur arbeiten oder wären fasziniertvon Tieren oderMaschinen. In der Schule

mit ihrenvielenRegeln, beimArbeiten inderGruppehebtes ihnendenDeckel, siewerden unruhig, passiv oder bekommenKopfweh.ManchesVerhalten,daswirauf-fällig nennen, ist in anderem Zusammen-hanggeduldetodersogarerwünscht.

Wennwirunsbewusst sind,dassbeidie-sen Situationen die Kinder (und ehrlicher-weisewir selbst auch ein bisschen) ohneschlechte Absichten schwierig und unkon-zentriert werden, undwennwir allenfallsdasNiveauoder dieArt der Tätigkeit denVoraussetzungen anpassen, leben wir ge-sünder und werden gelassener, was sichsofortauchimVerhaltenderKinderwider-spiegelt.

BestimmteHaltungenvonElternundLeh-rernkönnenschwierigesVerhaltenauslösenoderbegünstigen.Erziehungerträgteiniges

2 Cool&KlugdasADHS–Infomagazin

Schreiben Sie uns

WennSieselberErfahrungenmitADHSgemachtoderFragenzudiesemThemahaben,kontaktierenSieunsaufdemPostwegoderperE-Mail:

Cool&KlugTechnoparkstrasse1|8005Zürich

[email protected]

SchülerbraucheneineStruktur |3

TippsfürdenUnterricht |5

SchuldigdurchAusgrenzung |6

LebenmitADHS |7

Fünf-Punkte-Plan |10

ÜberdenVatervonSnoopy |12

Cool&Klug|Technoparkstrasse1|8005Zürich|[email protected] MarcGantenbein,Chur,Verlag PrintmediaCompanyChurAuflage 120000,Gestaltung diebündnerZürichAG,Redaktion KatjaStauffacher.

MitfreundlicherUnterstützungvonViforPharma,Villars-sur-Glâne.

Die in Cool&Klug publizierten Inhalte dienen lediglich der Information und Unterstützung. Sie ersetzen in keinem Fall eine persönliche Bera-tung, Untersuchung oder Diagnose durch einen Facharzt, Apotheker und/oder Drogisten. Cool&Klug sowie die mit dem Magazin verbundenen Personen und Gesellschaften leisten keine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der publizierten Informationen. Jegliche Haftung für Schäden, welche direkt oder indirekt aus der Verwendung der publizierten Informationen entstehen, wird abgelehnt.

Die vollständige oder teilweise Reproduktion von Inhalten aus Cool&Klug ist nur nach vorgängig eingeholter Zustimmung zulässig.

ZurPerson

Walter EgliHeilpädagoge

InderKindheitmitAufmerksamkeitsde-fizitstörung (ADS) konfrontriert. Befasstsich intensivmit den ThemenAufmerk-samkeit,HyperaktivitätundSchule.NochlässtderpassionierteTrekking-Tourengän-geroffen,wieerseineberuflicheZukunftnachderAufhebungdesKleinklassensys-temsgestaltenwird.

&

HeilpädagogeWalterEgli

EsgibtkeineschwierigenKinder

Liebe Leserinnen und Leser

Zu Tausenden spielen sich nun wieder diekleinen und grossen Dramen ab, seit dieSchule nach den langen Sommerferien be-gonnenhat.DieSchülerstöhnenunterderLastder vielen Hausaufgaben und schwierigenPrüfungen.DieElternmachensichSorgen,obihrKindihrehohenErwartungenerfülltunddem Leistungsdruck standhalten kann. Der«ErnstdesLebens»istfürvieleKinderjedochsoernst,dasssieschonfrühausdemRennenfliegen.Dasgiltbesondersfür jene,diean-derssind.Seiesverträumt,unruhigoderauf-brausend.Oderseies,weilsienichtstillsitzenundsichkaumkonzentrierenkönnen.

Cool&KlugnimmtsichgenaudiesemSchul-stoffan.EinStoff,der sonst sogernunterdenTischbeziehungsweiseunterdieSchul-bankfällt.

«EsgibtgarkeineschwierigenKinder,son-dernnurKindermitschwierigemVerhalten»,lautet die coole These desHeilpädagogenWalterEgli.

LesenSieaufdenSeiten3bis5,waserbeiderErziehungfürklughältundwasnicht.

IstmeinKindnormal?ÜberraschendeAnt-wortenaufdiesetausendfachgestellteFra-geundeinPlädoyer fürmehrVerständnisundweniger Aufregung und AusgrenzungaufSeite6.

Was der 14-jährige Cédric über ein LebenmitADHSabSeite7erzählt,istechtcool:«Wenn inmeinem Kopfwiedermal allesdrunter und drüber geht, versuche ich,meine Gedanken freizulassen.» Und auchseineMuttersteht ihminSachenKlugheitnichtnach,wennsiezumSchlusskommt:«MitErklärenerreicheichammeisten.»

Einen Fünf-Punkte-Plan für den besserenUmgangmitdemADHS,demZappelphilipp-Syndrom,findenSieabSeite10.ErreichtvongesunderErnährungübergezielteBewegungbiszuganzunorthodoxenMassnahmen.Cool,dassSiesichfürdiesenStoffinteressieren.

Herzlich,dasCool&KlugRedaktionsteam

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Cool&KlugfürKinder,ElternundLehrer 3

Es gibt nur Kinder mit schwierigem Ver-halten. Heilpädagoge Walter Egli überGelassenheit, Vertrauen und Respekt in der Erziehung.

Erziehung ist keine Einbahnstrasse. In derErziehung erträgt es immer wieder auchFehler und Fehleinschätzungen. WichtigsindeinewohlwollendeGrundhaltungundder grosse Erziehungsbogen, der stimmigseinmuss. FindenSie Ihrenganzpersön-lichen Weg, bleiben Sie ganz sich selbst.SeienSieoffenundflexibel,sodassSiesichimerzieherischenKontaktmitdenKindernauchimmereinwenigselbermitverändernlassen.

Ichwehremich immerwieder,wennvonschwierigenKinderngesprochenwird.Dasist so endgültig und unveränderlich. IchsprecheliebervonKindernmitschwierigemVerhalten.AlleFormendavonsindbeiunsalleninandererDosierungoderwenigstensalsAnlagevorhanden.ErstdieseErkenntnisermöglichteineinfühlendesVerstehen.

Kinder mit schwierigem Verhalten sindauchkeineMonsteroderPsychos,sondernMenschenwieSieund ich,auchwennihrVerhaltenunterdengegebenenUmständenausSichtvonLehrernundErziehungsperso-nenauffälligundstörendseinkann.

Ich bin der festen Überzeugung, dass ichjedemKind–habeeseinenochsoschwe-reBehinderungoderStörung–alsMensch

begegnenmuss.Ichmusseskennenlernenund versuchen, auf seine ganz individuel-lenBesonderheiteneinzugehen.Inmeinerlangen Tätigkeit mit den verschiedenstenKindernistmirnochkeinesbegegnet,dasnichtpositivaufeinerespektvolle,einfühl-sameundaufbauendeHaltungreagierthät-te.NatürlichgibtesvieleKinder,dieschonnachkurzerZeitdieseaufbauendeHaltungextremaufdieProbestellen.

OftsinddieUrsachenvonschwierigemVer-halten in der Familie auszumachen. Den-noch bin ich nicht so schnell bereit, überdieFamiliendenStabzubrechen,wie ichdas bei einigen Kollegen sehen kann. IchhabeselbstKinderaufgezogenundweiss,welche Gratwanderungwir als Eltern ein-gehen. Bewährt hat sich ein respektvollerund partnerschaftlicher Umgang mit denEltern.WenndieserWegnichtüberheblichundmöglichsteinfühlsamgegangenwird,akzeptieren diemeisten Eltern auch klareWorteundAbmachungen.

Erziehung erträgt weder Lieblosigkeit noch Gewalt

Wichtig ist, dass die Kinder in dieser be-stimmtenUmgebungunterdenhiergege-benenUmständeneinauffälligesVerhaltenzeigen.EinigeSchulkinderwürdenvielleichtineineranderenUmgebungüberhauptnichtanecken.Manchekönntenganzfriedlichinder Natur arbeiten oder wären fasziniertvon Tieren oderMaschinen. In der Schule

mit ihrenvielenRegeln, beimArbeiten inderGruppehebtes ihnendenDeckel, siewerden unruhig, passiv oder bekommenKopfweh.ManchesVerhalten,daswirauf-fällig nennen, ist in anderem Zusammen-hanggeduldetodersogarerwünscht.

Wennwirunsbewusst sind,dassbeidie-sen Situationen die Kinder (und ehrlicher-weisewir selbst auch ein bisschen) ohneschlechte Absichten schwierig und unkon-zentriert werden, undwennwir allenfallsdasNiveauoder dieArt der Tätigkeit denVoraussetzungen anpassen, leben wir ge-sünder und werden gelassener, was sichsofortauchimVerhaltenderKinderwider-spiegelt.

BestimmteHaltungenvonElternundLeh-rernkönnenschwierigesVerhaltenauslösenoderbegünstigen.Erziehungerträgteiniges

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SchuldigdurchAusgrenzung |6

LebenmitADHS |7

Fünf-Punkte-Plan |10

ÜberdenVatervonSnoopy |12

Cool&Klug|Technoparkstrasse1|8005Zürich|[email protected] MarcGantenbein,Chur,Verlag PrintmediaCompanyChurAuflage 120000,Gestaltung diebündnerZürichAG,Redaktion KatjaStauffacher.

MitfreundlicherUnterstützungvonViforPharma,Villars-sur-Glâne.

Die in Cool&Klug publizierten Inhalte dienen lediglich der Information und Unterstützung. Sie ersetzen in keinem Fall eine persönliche Bera-tung, Untersuchung oder Diagnose durch einen Facharzt, Apotheker und/oder Drogisten. Cool&Klug sowie die mit dem Magazin verbundenen Personen und Gesellschaften leisten keine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der publizierten Informationen. Jegliche Haftung für Schäden, welche direkt oder indirekt aus der Verwendung der publizierten Informationen entstehen, wird abgelehnt.

Die vollständige oder teilweise Reproduktion von Inhalten aus Cool&Klug ist nur nach vorgängig eingeholter Zustimmung zulässig.

ZurPerson

Walter EgliHeilpädagoge

InderKindheitmitAufmerksamkeitsde-fizitstörung (ADS) konfrontriert. Befasstsich intensivmit den ThemenAufmerk-samkeit,HyperaktivitätundSchule.NochlässtderpassionierteTrekking-Tourengän-geroffen,wieerseineberuflicheZukunftnachderAufhebungdesKleinklassensys-temsgestaltenwird.

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HeilpädagogeWalterEgli

EsgibtkeineschwierigenKinder

Liebe Leserinnen und Leser

Zu Tausenden spielen sich nun wieder diekleinen und grossen Dramen ab, seit dieSchule nach den langen Sommerferien be-gonnenhat.DieSchülerstöhnenunterderLastder vielen Hausaufgaben und schwierigenPrüfungen.DieElternmachensichSorgen,obihrKindihrehohenErwartungenerfülltunddem Leistungsdruck standhalten kann. Der«ErnstdesLebens»istfürvieleKinderjedochsoernst,dasssieschonfrühausdemRennenfliegen.Dasgiltbesondersfür jene,diean-derssind.Seiesverträumt,unruhigoderauf-brausend.Oderseies,weilsienichtstillsitzenundsichkaumkonzentrierenkönnen.

Cool&KlugnimmtsichgenaudiesemSchul-stoffan.EinStoff,der sonst sogernunterdenTischbeziehungsweiseunterdieSchul-bankfällt.

«EsgibtgarkeineschwierigenKinder,son-dernnurKindermitschwierigemVerhalten»,lautet die coole These desHeilpädagogenWalterEgli.

LesenSieaufdenSeiten3bis5,waserbeiderErziehungfürklughältundwasnicht.

IstmeinKindnormal?ÜberraschendeAnt-wortenaufdiesetausendfachgestellteFra-geundeinPlädoyer fürmehrVerständnisundweniger Aufregung und AusgrenzungaufSeite6.

Was der 14-jährige Cédric über ein LebenmitADHSabSeite7erzählt,istechtcool:«Wenn inmeinem Kopfwiedermal allesdrunter und drüber geht, versuche ich,meine Gedanken freizulassen.» Und auchseineMuttersteht ihminSachenKlugheitnichtnach,wennsiezumSchlusskommt:«MitErklärenerreicheichammeisten.»

Einen Fünf-Punkte-Plan für den besserenUmgangmitdemADHS,demZappelphilipp-Syndrom,findenSieabSeite10.ErreichtvongesunderErnährungübergezielteBewegungbiszuganzunorthodoxenMassnahmen.Cool,dassSiesichfürdiesenStoffinteressieren.

Herzlich,dasCool&KlugRedaktionsteam

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Cool&KlugfürKinder,ElternundLehrer 5

wendend, sehr konsequent, überdeutlichundohneeinAugezuzudrücken,vielleichtsogareineSpurzuforsch zureagieren.SoweissdasneueKindhaargenau,wasgilt,ohne selbst schon auf Anordnungen oderMassnahmenreagierenzumüssen.

Wenn es mir wirklich ernst ist, mit demKindeineBeziehungaufzubauen,mussichauchbereitsein,michselbstzuöffnenunddieKinderdaran teilhaben zu lassen,wasmich bewegt, und sie vielleicht in einembegrenztenRahmenauch inprivate Inhal-teeinzuweihen.DasKindmusssichmeinerZuneigungsichersein.Esmusswissenoderspüren:«Ichkannmichbenehmen,wieichwill, wir können Streit haben deswegen,MassnahmengemeinsamdurchstehenundvielleichtsogarTränendarübervergiessen.Ichwerde es aber niemals schaffen, dassderLehrermichnichtmehrgernemag.»

Erziehung heisst auch Sühne und Versöhnung

GelegenheitzurSühne:DieserPunktklingtfürSievielleichtsehraltmodischundver-

staubt.Esistaberschonso,dassdieKindersehrwohlwissen,wassiedürfenundwasnicht. Die Kinder brauchen auch wiedereinmaleinenreinenTisch.Esistfürsiesehrbelastend,wennichzwarkeineMassnah-meausspreche,aberjedenTagwiederaufdieMissetatzurückkommeundsieanpran-gere.FürgravierendeTatenhabensichbei

mir Arbeitseinsätze bewährt. Ich begleitedasKindundarbeitemitihmzusammen.So kann ich genau sehen, ob die Mass-nahmeihreWirkunghatundichdemKindim Sinne eines mündlichen Vertrags einVersprechen abringen kann. AusserdemhatdasMitarbeitenetwasmitRespektzutun: Ichmissbraucheesnicht alsArbeits-tier,sondernbinbereit,dieSachemitihmdurchzustehen.

EinigederKindermitschwierigemVerhal-ten sind häufig verstimmt. Ich versuchejeweils mit meiner Stimmung einen Ge-genpol zu schaffen. Es beginnt schon amfrühenMorgen.Wichtig istoft, inwelcherStimmung ich selbst das Zimmer betrete.IchbegrüssedieKinderimmerbewusstmiteinemfreundlichen,beschwingten«gueteMorge».

Manchmaleignensichauchbeibesondersauffälligen Kindern besinnliche Augen-blicke,umetwaszubewegen.JohnnywarauchsoeinhappigesundüberausskurrilesADHS-Kind, dasmir sehr viel Geduld undFlexibilitätabverlangthat.AlssichseinVer-

halteneinmaleinwenigverbesserthatte,nutzte ichdieAdventszeitundsagte ihmimKerzenschein,dass ichdeswegensehrstolz auf ihn sei. Johnny kullerten daraufzwei Tränen über die Backen.Wir habendanachnochvielKummerzusammenaus-halten müssen, jedoch hat dieser kleineMomentunsereFreundschaftbesiegelt.

an Fehlern und Fehlhaltungen. Nur eineserträgt sie nicht: Lieblosigkeit, ZynismussowieGewalt.Oft sinddiedreiHaltungenZeichenvonVerbitterung,VerzweiflungundBurnout.WennwiranunssolcheTenden-zen feststellen,müssenwir externeHilfeorganisieren.

EineweitereHaltung,dieauf längere ZeitdasVerhaltenderKinderungünstigbeein-flusst,istInkonsequenz.Esgehtauchmirso,dassichmanchmalbeieinemunerwünsch-tenVerhalteneinesKindesGnadevorRechtwaltenlasseundeineangekündigteMass-nahmenichtdurchführe.Früheroderspäterlässtessichabernichtverhindern,dassichreagiere,sonstglaubenmirdieKindermei-neAnkündigungennichtmehr.ImUmgangmitmeinenKindernhabeichübrigensdiemagischeWirkungdesbisdreiZählensken-nengelernt, um ein bestimmtes Verhalteneinzufordern.

BehutsamesVorgehenschliesstKonsequenznicht aus. Verstehen heisst nicht einfach

VerzeihenundnochmalsVerzeihen.Schrau-benSiedieErwartungennichtzuhoch,aberverzichten Sie dennoch nicht gänzlich aufForderungen.

Erziehung heisst, sich auf eine Beziehung einlassen

DieErziehungeinesKindesbeginntdamit,sichaufeineBeziehungmitihmeinzulassen;alsErziehendermitdernötigenDistanzundder Bewusstheit des bestehenden Macht-gefälles,aberauchschlichtalsMensch.Wiebaut man eine Beziehung zu einem Kindauf, das einem schonmit einem schlech-tenRufangekündigtwird?IneinemerstenSchritterkläreichmichbereit,michaufeineBeziehungeinzulassenundseineGeschichtefürdiesenProzessbeiseitezustellen.Ichbe-ginnedasKindkennenzulernen–eigentlichnichtvielanders,alswennmireinMenschbesondersgutgefällt. IchschauedasKindersteinmal richtiganund lasseseinePer-sönlichkeit,ohnezuwerten,aufmichwir-ken:Was fürAugenhates,wie schautes

michan,wieredetes,wieistseineMimik,seine Bewegungen, sein Auftreten, wasstrahltesausmeiner Sichtaus,wie istesgekleidet usw. Ich versuchemöglichst vieldarüberzuerfahren,wasesbewegt,woranes Freudehat,womites spielt,was seinePlänesind,seineÄngste,werseineFreundesind,wasesbesondersgutkann,auchwel-cheFernsehsendungenesgernesiehtundmitwelchenHeldenessichidentifiziert.

EsgibtvieleLehrerundErziehungspersonen,die den Grundsatz vertreten, dasswir denKindern gleich von Beginn weg den Tarifdurchgeben müssen. Ich bin nicht grund-sätzlichgegendieseThese.AberzuBeginnstehen andere Werte im Mittelpunkt. Ichfindeeswichtig,dassdasneueKindherzlichempfangenwird.Kinder,dieschonvonBe-ginnwegdieGrenzenüberschreiten,weiseichganzruhigdaraufhin,dassdiesbeiunsnichtüblichsei.

Vieleffizienteristesjedoch,auchbeikleinenRegelverstössenderanderenKinder,post-

4 Cool&KlugdasADHS–Infomagazin

Praktische Tipps fürden Unterricht

In kritischen Situationen empfiehlt essich, Ruhe zubewahrenundüberlegtzuhandeln,auchoderbesondersdann,wenneinVerhaltenunsbesondersär-gerlich macht. Bei vielen Störungengenügen kleine Signale an das Kind,umdieSituationwiederaufzufangen.EinBlick,einKopfschüttelnoderNicken(liebevoll,streng,fordernd)zeigtdemKind, welches Verhalten ich erwarteoderwasichmissbillige.

Manchmal genügt ein Schnippen derFinger oder eine Berührung, bei ho-hemLärmpegelvielleichtaucheinmaleinStampfenoderPfeifen.

ManchmalrufeichdemKindauchkurzpantomimisch die möglichen FolgenseinesVerhaltensinErinnerung.

Manchmal korrigiere ich bei einemKind stellvertretend die Sitzhaltung,umnichtimmerwiederseinVerhaltenrügenzumüssen.

Ich begebemich kurz in dieNähe desKindes,umnichtdurchsganzeZimmerrufenzumüssen,undsprechemit ihmin ruhigem, privatem Ton. Ausserdemnütztesmanchmal,wenn ichdasKindineinemGesprächmitüberraschendemInhaltvomeigentlichenThemaablenke,indassichdasKindverbissenhat.

ManchmalbrauchtdasKindaucheinegewisseIsolation,umineinerreizärme-renUmgebungarbeitenzukönnen,undistsogarfrohdarum.Esistwichtig,dassmitdemKindnachträglichüberdieer-griffeneMassnahmegesprochenwird.

In manchen Fällen kann der Wutaus-bruchauchdurchHumoraufgefangenwerden.Wichtigist,dassichversuche,ruhigzureagierenunddemKindAlter-nativenimVerhaltenaufzuzeigen.

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wendend, sehr konsequent, überdeutlichundohneeinAugezuzudrücken,vielleichtsogareineSpurzuforsch zureagieren.SoweissdasneueKindhaargenau,wasgilt,ohne selbst schon auf Anordnungen oderMassnahmenreagierenzumüssen.

Wenn es mir wirklich ernst ist, mit demKindeineBeziehungaufzubauen,mussichauchbereitsein,michselbstzuöffnenunddieKinderdaran teilhaben zu lassen,wasmich bewegt, und sie vielleicht in einembegrenztenRahmenauch inprivate Inhal-teeinzuweihen.DasKindmusssichmeinerZuneigungsichersein.Esmusswissenoderspüren:«Ichkannmichbenehmen,wieichwill, wir können Streit haben deswegen,MassnahmengemeinsamdurchstehenundvielleichtsogarTränendarübervergiessen.Ichwerde es aber niemals schaffen, dassderLehrermichnichtmehrgernemag.»

Erziehung heisst auch Sühne und Versöhnung

GelegenheitzurSühne:DieserPunktklingtfürSievielleichtsehraltmodischundver-

staubt.Esistaberschonso,dassdieKindersehrwohlwissen,wassiedürfenundwasnicht. Die Kinder brauchen auch wiedereinmaleinenreinenTisch.Esistfürsiesehrbelastend,wennichzwarkeineMassnah-meausspreche,aberjedenTagwiederaufdieMissetatzurückkommeundsieanpran-gere.FürgravierendeTatenhabensichbei

mir Arbeitseinsätze bewährt. Ich begleitedasKindundarbeitemitihmzusammen.So kann ich genau sehen, ob die Mass-nahmeihreWirkunghatundichdemKindim Sinne eines mündlichen Vertrags einVersprechen abringen kann. AusserdemhatdasMitarbeitenetwasmitRespektzutun: Ichmissbraucheesnicht alsArbeits-tier,sondernbinbereit,dieSachemitihmdurchzustehen.

EinigederKindermitschwierigemVerhal-ten sind häufig verstimmt. Ich versuchejeweils mit meiner Stimmung einen Ge-genpol zu schaffen. Es beginnt schon amfrühenMorgen.Wichtig istoft, inwelcherStimmung ich selbst das Zimmer betrete.IchbegrüssedieKinderimmerbewusstmiteinemfreundlichen,beschwingten«gueteMorge».

Manchmaleignensichauchbeibesondersauffälligen Kindern besinnliche Augen-blicke,umetwaszubewegen.JohnnywarauchsoeinhappigesundüberausskurrilesADHS-Kind, dasmir sehr viel Geduld undFlexibilitätabverlangthat.AlssichseinVer-

halteneinmaleinwenigverbesserthatte,nutzte ichdieAdventszeitundsagte ihmimKerzenschein,dass ichdeswegensehrstolz auf ihn sei. Johnny kullerten daraufzwei Tränen über die Backen.Wir habendanachnochvielKummerzusammenaus-halten müssen, jedoch hat dieser kleineMomentunsereFreundschaftbesiegelt.

an Fehlern und Fehlhaltungen. Nur eineserträgt sie nicht: Lieblosigkeit, ZynismussowieGewalt.Oft sinddiedreiHaltungenZeichenvonVerbitterung,VerzweiflungundBurnout.WennwiranunssolcheTenden-zen feststellen,müssenwir externeHilfeorganisieren.

EineweitereHaltung,dieauf längere ZeitdasVerhaltenderKinderungünstigbeein-flusst,istInkonsequenz.Esgehtauchmirso,dassichmanchmalbeieinemunerwünsch-tenVerhalteneinesKindesGnadevorRechtwaltenlasseundeineangekündigteMass-nahmenichtdurchführe.Früheroderspäterlässtessichabernichtverhindern,dassichreagiere,sonstglaubenmirdieKindermei-neAnkündigungennichtmehr.ImUmgangmitmeinenKindernhabeichübrigensdiemagischeWirkungdesbisdreiZählensken-nengelernt, um ein bestimmtes Verhalteneinzufordern.

BehutsamesVorgehenschliesstKonsequenznicht aus. Verstehen heisst nicht einfach

VerzeihenundnochmalsVerzeihen.Schrau-benSiedieErwartungennichtzuhoch,aberverzichten Sie dennoch nicht gänzlich aufForderungen.

Erziehung heisst, sich auf eine Beziehung einlassen

DieErziehungeinesKindesbeginntdamit,sichaufeineBeziehungmitihmeinzulassen;alsErziehendermitdernötigenDistanzundder Bewusstheit des bestehenden Macht-gefälles,aberauchschlichtalsMensch.Wiebaut man eine Beziehung zu einem Kindauf, das einem schonmit einem schlech-tenRufangekündigtwird?IneinemerstenSchritterkläreichmichbereit,michaufeineBeziehungeinzulassenundseineGeschichtefürdiesenProzessbeiseitezustellen.Ichbe-ginnedasKindkennenzulernen–eigentlichnichtvielanders,alswennmireinMenschbesondersgutgefällt. IchschauedasKindersteinmal richtiganund lasseseinePer-sönlichkeit,ohnezuwerten,aufmichwir-ken:Was fürAugenhates,wie schautes

michan,wieredetes,wieistseineMimik,seine Bewegungen, sein Auftreten, wasstrahltesausmeiner Sichtaus,wie istesgekleidet usw. Ich versuchemöglichst vieldarüberzuerfahren,wasesbewegt,woranes Freudehat,womites spielt,was seinePlänesind,seineÄngste,werseineFreundesind,wasesbesondersgutkann,auchwel-cheFernsehsendungenesgernesiehtundmitwelchenHeldenessichidentifiziert.

EsgibtvieleLehrerundErziehungspersonen,die den Grundsatz vertreten, dasswir denKindern gleich von Beginn weg den Tarifdurchgeben müssen. Ich bin nicht grund-sätzlichgegendieseThese.AberzuBeginnstehen andere Werte im Mittelpunkt. Ichfindeeswichtig,dassdasneueKindherzlichempfangenwird.Kinder,dieschonvonBe-ginnwegdieGrenzenüberschreiten,weiseichganzruhigdaraufhin,dassdiesbeiunsnichtüblichsei.

Vieleffizienteristesjedoch,auchbeikleinenRegelverstössenderanderenKinder,post-

4 Cool&KlugdasADHS–Infomagazin

Praktische Tipps fürden Unterricht

In kritischen Situationen empfiehlt essich, Ruhe zubewahrenundüberlegtzuhandeln,auchoderbesondersdann,wenneinVerhaltenunsbesondersär-gerlich macht. Bei vielen Störungengenügen kleine Signale an das Kind,umdieSituationwiederaufzufangen.EinBlick,einKopfschüttelnoderNicken(liebevoll,streng,fordernd)zeigtdemKind, welches Verhalten ich erwarteoderwasichmissbillige.

Manchmal genügt ein Schnippen derFinger oder eine Berührung, bei ho-hemLärmpegelvielleichtaucheinmaleinStampfenoderPfeifen.

ManchmalrufeichdemKindauchkurzpantomimisch die möglichen FolgenseinesVerhaltensinErinnerung.

Manchmal korrigiere ich bei einemKind stellvertretend die Sitzhaltung,umnichtimmerwiederseinVerhaltenrügenzumüssen.

Ich begebemich kurz in dieNähe desKindes,umnichtdurchsganzeZimmerrufenzumüssen,undsprechemit ihmin ruhigem, privatem Ton. Ausserdemnütztesmanchmal,wenn ichdasKindineinemGesprächmitüberraschendemInhaltvomeigentlichenThemaablenke,indassichdasKindverbissenhat.

ManchmalbrauchtdasKindaucheinegewisseIsolation,umineinerreizärme-renUmgebungarbeitenzukönnen,undistsogarfrohdarum.Esistwichtig,dassmitdemKindnachträglichüberdieer-griffeneMassnahmegesprochenwird.

In manchen Fällen kann der Wutaus-bruchauchdurchHumoraufgefangenwerden.Wichtigist,dassichversuche,ruhigzureagierenunddemKindAlter-nativenimVerhaltenaufzuzeigen.

Page 6: Cool und Klug Broschuere 0808

Cool&KlugfürKinder,ElternundLehrer 76 Cool&KlugdasADHS–Infomagazin

Kinder mit ADHS sind viel normaler, als wir denken. Ein Plädoyer für mehr Ver- ständnis und weniger Ausgrenzung.

HabenSieschoneinmaleinenZappelphilippbeobachtet,wennerinseinemElementist?Und haben Sie in einer solchen Situationaucheinmalganzgenauhingeschaut,wieseine Eltern oder zufällig anwesende Pas-santenreagieren?WashabenSieineinemsolchenMoment empfunden?Wurden Sieunsicher?HatSiedasVerhaltendesKindesbefremdet?OderjenesderElternoderderherumstehendenLeute?HabenSiesichviel-leichtsogarfürderenReaktiongeschämt?

Tatsacheist:DieReaktionaufdasVerhaltendes Kindes entscheidet, ob die SituationzumProblemwirdodernicht.Fälltsiebe-hutsamundverständnisvollausundistsiedaraufausgerichtet,derfreiwerdendenEn-ergiedesKindeseinenfüralleerträglichenFreiraumzugeben,wirdsichdieSituationsofortberuhigen. FälltdieReaktionhinge-

gen heftig und zurechtweisend aus, kanndieLageschnelleskalieren.

EinKindgiltdannalsnormal,wennesruhigundangepasstist,undvorallem,wennesstillsitzen kann, besonders in der Schule.Dochistdaswirklichnormal?Istesnormal,wenneinKindseinenangeborenenBewe-gungstriebmitderEinschulungverliert,weilesvoneinemTagaufdenanderenzustun-denlanger Bewegungslosigkeit verdammtwird, nur weil es einen gesellschaftlichenKonsensgibt,dassStillsitzennormalist?EinKind,dassichdiesemZwangzumStillsitzenausirgendwelchenGründennichtunterord-nenwilloderkann,giltalsabnormalodersogar krank. Oft wird es sogar gehänseltundausgegrenzt.DieLehrerverlangeneineUnterredungmitdenElternunddenBeizugeines Schulpsychologen. Eine ganze Ma-schinerie kommt inGang.Mit demResul-tat,dassdasKindschonbalddasschwarzeSchafistundvonnunanniemandemmehretwasrechtmachenkann.

Gesellschaft muss toleranter werden

IneinerGesellschaftvonJägernundSamm-lernwärediesesauffälligeKindüberhauptnicht auffällig geworden. Wahrscheinlichwäreessogarzumbesten Jägerherange-wachsenoderzumeifrigstenundgewissen-haftestenSammler. IneinersolchenUrge-sellschafthättedagegeneinKindversagt,dasheutealsMusterschülergelobtwird.

Wir lernen: Normal ist sehr relativ. Seienwir also bitte vorsichtig, was oder wenwir als normal bezeichnen. Zappelphilippehaben unendlich viele Eigenschaften, dieüberdasnormale,alltäglicheMasshinaus-gehen.Vielevonihnensindsehrempfind-sam,habenganzfeineAntennenfürDinge,die uns gewöhnlich verborgen bleiben. Invielen Dingen sind sie wahre Meister. Imzwischenmenschlichen Umgang verfügensieoftüberEigenschaften,dieineinerreinleistungs-undgewinnorientiertenWeltger-neunterdenTischfallen.

Wenn man ADHS-Kinder ausgrenzt undöffentlich brandmarkt, tut man ihnen inhöchstem Masse unrecht. Viel schlimmer,mannimmtihnenundihrenFamilienjegli-cheChancen,sich«normal»zuentwickeln.«Normal»imSinnevonteilhabenamnor-malenLeben.MannimmtihnendieChan-ce,indernormalenKlassezubleiben.Mannimmt ihnen die Chance, einen normalenBeruferlernenzukönnen.

Wer ADHS-Kinder ausgrenzt, macht sichschuldig, denbetroffenenKindernund ih-renEltern,aberauchsichselbergegenüber.DieseletzteAussagemagSievielleichter-staunen.DochüberlegenSieeinmalgenau:WarenSieselberzujederZeitIhresLebens«normal»? Oderwaren Sie vielleicht aucheinmal froh,wennman irgendeineEigen-schaft von Ihnen, irgendeine AuffälligkeitohneAufsehenakzeptierthat?

WennSieeinADHS-Kindausgrenzen,gren-zenSieaucheinenTeilvonsichselbstausundverleugnendiesen.

MachenSieeinmaleinenVersuch:WennSieeinemADHS-Kindbegegnen,gehenSiemitihmsoum,alswärenSie selbst in seinerHaut.

DankefürIhrVerständnis.

MeinLebenmitADHS

TornadoimKopf

GesellschaftlicherWandel

Weristschonnormal?

«Ich versuche, meine Gedanken freizu-lassen.» Cédric, 14, erzählt, was passiert, wenn in seinem Kopf alles drunter und drüber geht.

Cédric, wo hast Du am meisten Mühe?

Im Schulunterricht. Ich habe Probleme,mich zu konzentrieren. Ich kommenichtvorwärts. Vor allem bei Prüfungen. Da

vergesse ich,was ich gelernt habe, undgerateinStress.DochinzwischenkommeichmitsolchenSituationengutzurecht.

Was empfindest Du, wenn Du dich nicht konzentrieren kannst?

InmeinemKopf,dakommeneinfachalleGedankenaufeinmal;Gedanken,die ichgernehabe,undsolche,dieichnichtgerne

habe.Dinge,diepassiertsindunddiemir...ja,wiesollichsagen,esistwieeinTor-nado.AllmeineGedanken,diesichdannvermischen.Ichwilldannwissen,waswiefunktioniert.DannkommenzumBeispielGedanken anmeine Lieblingssendungenund ich denke: «Nein, daswill ich nichtdenken.Ichmussmichdaraufkonzentrie-ren,wievieldieseRechnungergibt.»Soetwas regtmichauf,undes ist seltsam.

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Cool&KlugfürKinder,ElternundLehrer 76 Cool&KlugdasADHS–Infomagazin

Kinder mit ADHS sind viel normaler, als wir denken. Ein Plädoyer für mehr Ver- ständnis und weniger Ausgrenzung.

HabenSieschoneinmaleinenZappelphilippbeobachtet,wennerinseinemElementist?Und haben Sie in einer solchen Situationaucheinmalganzgenauhingeschaut,wieseine Eltern oder zufällig anwesende Pas-santenreagieren?WashabenSieineinemsolchenMoment empfunden?Wurden Sieunsicher?HatSiedasVerhaltendesKindesbefremdet?OderjenesderElternoderderherumstehendenLeute?HabenSiesichviel-leichtsogarfürderenReaktiongeschämt?

Tatsacheist:DieReaktionaufdasVerhaltendes Kindes entscheidet, ob die SituationzumProblemwirdodernicht.Fälltsiebe-hutsamundverständnisvollausundistsiedaraufausgerichtet,derfreiwerdendenEn-ergiedesKindeseinenfüralleerträglichenFreiraumzugeben,wirdsichdieSituationsofortberuhigen. FälltdieReaktionhinge-

gen heftig und zurechtweisend aus, kanndieLageschnelleskalieren.

EinKindgiltdannalsnormal,wennesruhigundangepasstist,undvorallem,wennesstillsitzen kann, besonders in der Schule.Dochistdaswirklichnormal?Istesnormal,wenneinKindseinenangeborenenBewe-gungstriebmitderEinschulungverliert,weilesvoneinemTagaufdenanderenzustun-denlanger Bewegungslosigkeit verdammtwird, nur weil es einen gesellschaftlichenKonsensgibt,dassStillsitzennormalist?EinKind,dassichdiesemZwangzumStillsitzenausirgendwelchenGründennichtunterord-nenwilloderkann,giltalsabnormalodersogar krank. Oft wird es sogar gehänseltundausgegrenzt.DieLehrerverlangeneineUnterredungmitdenElternunddenBeizugeines Schulpsychologen. Eine ganze Ma-schinerie kommt inGang.Mit demResul-tat,dassdasKindschonbalddasschwarzeSchafistundvonnunanniemandemmehretwasrechtmachenkann.

Gesellschaft muss toleranter werden

IneinerGesellschaftvonJägernundSamm-lernwärediesesauffälligeKindüberhauptnicht auffällig geworden. Wahrscheinlichwäreessogarzumbesten Jägerherange-wachsenoderzumeifrigstenundgewissen-haftestenSammler. IneinersolchenUrge-sellschafthättedagegeneinKindversagt,dasheutealsMusterschülergelobtwird.

Wir lernen: Normal ist sehr relativ. Seienwir also bitte vorsichtig, was oder wenwir als normal bezeichnen. Zappelphilippehaben unendlich viele Eigenschaften, dieüberdasnormale,alltäglicheMasshinaus-gehen.Vielevonihnensindsehrempfind-sam,habenganzfeineAntennenfürDinge,die uns gewöhnlich verborgen bleiben. Invielen Dingen sind sie wahre Meister. Imzwischenmenschlichen Umgang verfügensieoftüberEigenschaften,dieineinerreinleistungs-undgewinnorientiertenWeltger-neunterdenTischfallen.

Wenn man ADHS-Kinder ausgrenzt undöffentlich brandmarkt, tut man ihnen inhöchstem Masse unrecht. Viel schlimmer,mannimmtihnenundihrenFamilienjegli-cheChancen,sich«normal»zuentwickeln.«Normal»imSinnevonteilhabenamnor-malenLeben.MannimmtihnendieChan-ce,indernormalenKlassezubleiben.Mannimmt ihnen die Chance, einen normalenBeruferlernenzukönnen.

Wer ADHS-Kinder ausgrenzt, macht sichschuldig, denbetroffenenKindernund ih-renEltern,aberauchsichselbergegenüber.DieseletzteAussagemagSievielleichter-staunen.DochüberlegenSieeinmalgenau:WarenSieselberzujederZeitIhresLebens«normal»? Oderwaren Sie vielleicht aucheinmal froh,wennman irgendeineEigen-schaft von Ihnen, irgendeine AuffälligkeitohneAufsehenakzeptierthat?

WennSieeinADHS-Kindausgrenzen,gren-zenSieaucheinenTeilvonsichselbstausundverleugnendiesen.

MachenSieeinmaleinenVersuch:WennSieeinemADHS-Kindbegegnen,gehenSiemitihmsoum,alswärenSie selbst in seinerHaut.

DankefürIhrVerständnis.

MeinLebenmitADHS

TornadoimKopf

GesellschaftlicherWandel

Weristschonnormal?

«Ich versuche, meine Gedanken freizu-lassen.» Cédric, 14, erzählt, was passiert, wenn in seinem Kopf alles drunter und drüber geht.

Cédric, wo hast Du am meisten Mühe?

Im Schulunterricht. Ich habe Probleme,mich zu konzentrieren. Ich kommenichtvorwärts. Vor allem bei Prüfungen. Da

vergesse ich,was ich gelernt habe, undgerateinStress.DochinzwischenkommeichmitsolchenSituationengutzurecht.

Was empfindest Du, wenn Du dich nicht konzentrieren kannst?

InmeinemKopf,dakommeneinfachalleGedankenaufeinmal;Gedanken,die ichgernehabe,undsolche,dieichnichtgerne

habe.Dinge,diepassiertsindunddiemir...ja,wiesollichsagen,esistwieeinTor-nado.AllmeineGedanken,diesichdannvermischen.Ichwilldannwissen,waswiefunktioniert.DannkommenzumBeispielGedanken anmeine Lieblingssendungenund ich denke: «Nein, daswill ich nichtdenken.Ichmussmichdaraufkonzentrie-ren,wievieldieseRechnungergibt.»Soetwas regtmichauf,undes ist seltsam.

Page 8: Cool und Klug Broschuere 0808

Ichbinfroh,dassesindiesemJahrbessergewordenist.

Und was tust Du in einem solchen Moment?

Ich versuche mich zu konzentrieren. Ichprobiere,dieGedankenfreizulassen.DannberuhigensichmeineGedanken,ichkannwiederanandereDingedenken.Manch-malhabeichdanachallerdingskeineZeitmehr,diePrüfungzuEndezuschreiben.

Ist es Dir unangenehm, wenn Deine Mitschüler etwas merken?

Ichhabesmalerwähnt,aberichglaube,sie haben es wieder vergessen. Ich binvonihnenjedenfallsnieals«gestört»be-zeichnetworden.

Hast Du Angst, gehänselt zu werden?

Ja.Aberichweiss,werichbin.Zwaremp-findeichmichselbstmanchmalalsspezi-ell.Abundzuwerdeichunruhigundkannmichnichtkonzentrieren.AberesgehörtnunmalzumLeben,dassmansichabundzuaufregt.

Was macht Dich wütend?

Beleidigungen,dieernstgemeintsind,undzuvieleHausaufgaben.

Wie stellst Du Dir einen guten Klassen-kameraden vor?

Er soll nett sein, nicht negativ auffallen.Dannmusserehrlichseinunddarfmichnichtfürdummverkaufen.

Was erwartest Du von einem Lehrer?

ErsollhilfsbereitseinundVerständnisfürdieSchülerundihreSituationhaben.

Hast Du einen starken Willen?

AufjedenFall.Wennichetwaswill,kannichesauchdurchsetzen. IndenmeistenFällenwenigstens.

Welches sind Deine Lieblingsfächer?

EnglischundTurnen.Sportmacheichun-heimlichgerne,weil ichmichdannvomlangenStillsitzenerholenkann.AberauchdenHauswirtschaftsunterrichtmitKochenfindeichlustig.

Weisst Du schon, was Du einmal wer-den willst?

IchwillSchauspieleroderModeratorwer-den.EsmachtmirgrossenSpass, inver-schiedeneRollenzuschlüpfen.

Cool&KlugfürKinder,ElternundLehrer 98 Cool&KlugdasADHS–Infomagazin

Cédrics Steckbrief

•Geborenam10.November1994•Grösse158cm•BesuchtderzeitdieachteKlasse inderSekundarschule

Hobbies•Tennis•Hip-Hop-Tanzen–miteinemöffent-lichenAuftritt•Kollegentreffen,mitihnengamen oderabhängen

Lieblingsspeise•AsiatischeNudelsuppe mitCurryundPoulet

Mit Erklären erreiche ich am meisten.

NichtaufdenSchwächenherumreiten,dafürdieBegabungenfördern,eineklareLinie–unddennochvielVerhandlungsbereitschaft:Mit diesem Rezept hat Cédrics Mutter diebestenErfahrungengemacht.

Wo liegen Cédrics Stärken?

Wennihnetwasinteressiert,hatereinera-sche Auffassungsgabe. Er ist schlau undweissgenau,waserwill.Ervermagsichgutdurchzusetzen. Wenn jemandem Unrechtgeschieht,setztersichfürihnein.

Und sprachlich?

LesenhatersichvorderEinschulungselberbeigebracht.Ersagteimmer,esgametsicheinfacher,wennmanauchdenTextlesenkann.DaeraberleiderseltenBücherliest,hat er Mühe, einen «interessanten» Auf-satzzuschreiben.AuchmitdemText-undHörverständnishapertes.

Wo ist er noch gut?

Er ist sehr kreativ und setzt seine Fantasiegerne beim Basteln um. Seine letzte Er-findung ist ein Handy aus Karton, dasmitverschiedenenpraktischenZusatzfunktionenausgerüstet ist.Das Erstaunliche:Wenn ihnetwasinteressiert,isterextremausdauernd.

Und wenn ihn etwas nicht interessiert?

DannisterdaspureGegenteil.Besonders,wennerstillsitzenmuss.DannlässtersichvontausendDingenablenken.InderSchu-le vomGummi, der auf den Boden fällt,von Kameraden, welche den Unterrichtstören,odervonDingen,diedraussenpas-sieren.Dinge,dieihmwichtigsind,kannersichproblemlosmerken.DenRestwillersichnichtmerken.

Hilft ihm Bewegung?

Sporthilftihmsehrundtutihmenormgut.SeiteinpaarJahrenspielterTennis.Dieses

Cédrics Geschichte

Cédricist14Jahrealt.ErhatSchwierigkeiten,längereZeitstillzusitzenundsichzukonzentrieren.BereitsimAltervonvierJahren–nochvordemEintrittindenKinder-garten–wurdendieerstenADHS-Symptomefestgestellt.ZwarfielesdenElternnichtleicht,dieDiagnosezuakzeptieren.Dennochhandeltensieschnell.CédricmachteeinmalproWocheErgotherapie,umdieFeinmotorikzuverbessern.DiePrimarschuleginganfänglichproblemlos.AuchdieNotenwarensehrgut.AlsaberinderdrittenKlassederLeistungsdruckstieg,akzentuiertensichdieSymptome.

CédricerhieltaufDruckderLehrereinPsychopharmakon.ZuersthattedieBehand-lung Erfolg, dann liess dieWirkung nach. Als dieDosis bereits nach einerWocheerhöhtwerdensollte,stelltesichCédricsMutterquerundsetztedieBehandlungab.

DieSituationverbessertesicherstwieder,alsCédricalseinesdererstenKinderinderSchweizAnfang2008einNahrungsergänzungspräparataufBasisvonOmega-3-Fettsäurenerhielt. InzwischenbesuchtCédricdiezweiteSekundarschulklasse.Erkann sich besser konzentrieren, ist ruhiger geworden und stellt sich in kritischenSituationenwenigeroftquer.

ErmöchteindieKantiundistzuversichtlich,dasserdasschafft.

JahrhatermitHip-Hop-Tanzenangefangen.ErhateinFlair,sichgutbewegenzukönnen.DasisteinsehrguterAusgleichzurSchule.

Hat er gute Freunde?

Freunde sind ihm extremwichtig. Es kannschonmalvorkommen,dasserdafürallesliegenundstehenlässt.EristeinrichtigerZi-geuner und kann sich nicht oft genugmitseinenFreundentreffen.BevorerjedochseinZuhauseverlässt,müssendieHausaufgabenerledigtsein.ÜbernachtetwirdsowiesonurabundzuamFreitagoderindenFerien.

Cédric sagt selber, er habe einen starken Willen. Stimmt das?

Ja,dasstimmt.Manchmalkanneraberauchrichtigstursein.

Wie gehen Sie als Mutter damit um?

Esistnichtimmereinfach,damitumzu-gehen.Wenneretwaswill,isterextremhartnäckig. Er kann dann einfach kein«Nein»akzeptieren.Esistschwierig,ihmbegreiflichzumachen,dassmanalsKindeinerAutoritätspersonzugehorchenhat.SeineReaktionenlassendannschonmaldenPulshöherschlagen.Ameinfachstenist es fürmich,mit ihm Kompromisseeinzugehen.DiesistjedochnichtimmerdiebesteLösung.Das istmir sehrwohlbewusst. Aber er ist eben stur, und ichmöchte nicht in endlose Diskussionengeraten. Wenn man mit Cédric Abma-chungentrifft,hältersichdannmeistensauchdaran.

Was ist, wenn Sie zu stark nachgeben?

Wenn ich in einem schwachen Momentnachgebe, büsse ich das nächsteMal. EsbrauchteineklareLinie,beidenHausaufga-ben, bei den Treffen mit seinen Kollegenundsoweiter.Dasistganzwichtig.

Wie setzen Sie Ihre Linie durch?

Eben nichtmit Durchsetzen, sondernmitErklären.IchkannihmnichteinfachetwasohneKommentarverbieten.Wennichmitihmrede,erreicheichammeisten.Stellterjedochetwas an, gibt es eine Strafe.Diebesten Strafen sind die, welche ihn ammeisten treffen. Zum Beispiel Fernseh-oder Gameverbot oder kein Treffen mitseinenFreunden.

CécricsMutter

Verhandlungsbereitschaftsignalisieren

Page 9: Cool und Klug Broschuere 0808

Ichbinfroh,dassesindiesemJahrbessergewordenist.

Und was tust Du in einem solchen Moment?

Ich versuche mich zu konzentrieren. Ichprobiere,dieGedankenfreizulassen.DannberuhigensichmeineGedanken,ichkannwiederanandereDingedenken.Manch-malhabeichdanachallerdingskeineZeitmehr,diePrüfungzuEndezuschreiben.

Ist es Dir unangenehm, wenn Deine Mitschüler etwas merken?

Ichhabesmalerwähnt,aberichglaube,sie haben es wieder vergessen. Ich binvonihnenjedenfallsnieals«gestört»be-zeichnetworden.

Hast Du Angst, gehänselt zu werden?

Ja.Aberichweiss,werichbin.Zwaremp-findeichmichselbstmanchmalalsspezi-ell.Abundzuwerdeichunruhigundkannmichnichtkonzentrieren.AberesgehörtnunmalzumLeben,dassmansichabundzuaufregt.

Was macht Dich wütend?

Beleidigungen,dieernstgemeintsind,undzuvieleHausaufgaben.

Wie stellst Du Dir einen guten Klassen-kameraden vor?

Er soll nett sein, nicht negativ auffallen.Dannmusserehrlichseinunddarfmichnichtfürdummverkaufen.

Was erwartest Du von einem Lehrer?

ErsollhilfsbereitseinundVerständnisfürdieSchülerundihreSituationhaben.

Hast Du einen starken Willen?

AufjedenFall.Wennichetwaswill,kannichesauchdurchsetzen. IndenmeistenFällenwenigstens.

Welches sind Deine Lieblingsfächer?

EnglischundTurnen.Sportmacheichun-heimlichgerne,weil ichmichdannvomlangenStillsitzenerholenkann.AberauchdenHauswirtschaftsunterrichtmitKochenfindeichlustig.

Weisst Du schon, was Du einmal wer-den willst?

IchwillSchauspieleroderModeratorwer-den.EsmachtmirgrossenSpass, inver-schiedeneRollenzuschlüpfen.

Cool&KlugfürKinder,ElternundLehrer 98 Cool&KlugdasADHS–Infomagazin

Cédrics Steckbrief

•Geborenam10.November1994•Grösse158cm•BesuchtderzeitdieachteKlasse inderSekundarschule

Hobbies•Tennis•Hip-Hop-Tanzen–miteinemöffent-lichenAuftritt•Kollegentreffen,mitihnengamen oderabhängen

Lieblingsspeise•AsiatischeNudelsuppe mitCurryundPoulet

Mit Erklären erreiche ich am meisten.

NichtaufdenSchwächenherumreiten,dafürdieBegabungenfördern,eineklareLinie–unddennochvielVerhandlungsbereitschaft:Mit diesem Rezept hat Cédrics Mutter diebestenErfahrungengemacht.

Wo liegen Cédrics Stärken?

Wennihnetwasinteressiert,hatereinera-sche Auffassungsgabe. Er ist schlau undweissgenau,waserwill.Ervermagsichgutdurchzusetzen. Wenn jemandem Unrechtgeschieht,setztersichfürihnein.

Und sprachlich?

LesenhatersichvorderEinschulungselberbeigebracht.Ersagteimmer,esgametsicheinfacher,wennmanauchdenTextlesenkann.DaeraberleiderseltenBücherliest,hat er Mühe, einen «interessanten» Auf-satzzuschreiben.AuchmitdemText-undHörverständnishapertes.

Wo ist er noch gut?

Er ist sehr kreativ und setzt seine Fantasiegerne beim Basteln um. Seine letzte Er-findung ist ein Handy aus Karton, dasmitverschiedenenpraktischenZusatzfunktionenausgerüstet ist.Das Erstaunliche:Wenn ihnetwasinteressiert,isterextremausdauernd.

Und wenn ihn etwas nicht interessiert?

DannisterdaspureGegenteil.Besonders,wennerstillsitzenmuss.DannlässtersichvontausendDingenablenken.InderSchu-le vomGummi, der auf den Boden fällt,von Kameraden, welche den Unterrichtstören,odervonDingen,diedraussenpas-sieren.Dinge,dieihmwichtigsind,kannersichproblemlosmerken.DenRestwillersichnichtmerken.

Hilft ihm Bewegung?

Sporthilftihmsehrundtutihmenormgut.SeiteinpaarJahrenspielterTennis.Dieses

Cédrics Geschichte

Cédricist14Jahrealt.ErhatSchwierigkeiten,längereZeitstillzusitzenundsichzukonzentrieren.BereitsimAltervonvierJahren–nochvordemEintrittindenKinder-garten–wurdendieerstenADHS-Symptomefestgestellt.ZwarfielesdenElternnichtleicht,dieDiagnosezuakzeptieren.Dennochhandeltensieschnell.CédricmachteeinmalproWocheErgotherapie,umdieFeinmotorikzuverbessern.DiePrimarschuleginganfänglichproblemlos.AuchdieNotenwarensehrgut.AlsaberinderdrittenKlassederLeistungsdruckstieg,akzentuiertensichdieSymptome.

CédricerhieltaufDruckderLehrereinPsychopharmakon.ZuersthattedieBehand-lung Erfolg, dann liess dieWirkung nach. Als dieDosis bereits nach einerWocheerhöhtwerdensollte,stelltesichCédricsMutterquerundsetztedieBehandlungab.

DieSituationverbessertesicherstwieder,alsCédricalseinesdererstenKinderinderSchweizAnfang2008einNahrungsergänzungspräparataufBasisvonOmega-3-Fettsäurenerhielt. InzwischenbesuchtCédricdiezweiteSekundarschulklasse.Erkann sich besser konzentrieren, ist ruhiger geworden und stellt sich in kritischenSituationenwenigeroftquer.

ErmöchteindieKantiundistzuversichtlich,dasserdasschafft.

JahrhatermitHip-Hop-Tanzenangefangen.ErhateinFlair,sichgutbewegenzukönnen.DasisteinsehrguterAusgleichzurSchule.

Hat er gute Freunde?

Freunde sind ihm extremwichtig. Es kannschonmalvorkommen,dasserdafürallesliegenundstehenlässt.EristeinrichtigerZi-geuner und kann sich nicht oft genugmitseinenFreundentreffen.BevorerjedochseinZuhauseverlässt,müssendieHausaufgabenerledigtsein.ÜbernachtetwirdsowiesonurabundzuamFreitagoderindenFerien.

Cédric sagt selber, er habe einen starken Willen. Stimmt das?

Ja,dasstimmt.Manchmalkanneraberauchrichtigstursein.

Wie gehen Sie als Mutter damit um?

Esistnichtimmereinfach,damitumzu-gehen.Wenneretwaswill,isterextremhartnäckig. Er kann dann einfach kein«Nein»akzeptieren.Esistschwierig,ihmbegreiflichzumachen,dassmanalsKindeinerAutoritätspersonzugehorchenhat.SeineReaktionenlassendannschonmaldenPulshöherschlagen.Ameinfachstenist es fürmich,mit ihm Kompromisseeinzugehen.DiesistjedochnichtimmerdiebesteLösung.Das istmir sehrwohlbewusst. Aber er ist eben stur, und ichmöchte nicht in endlose Diskussionengeraten. Wenn man mit Cédric Abma-chungentrifft,hältersichdannmeistensauchdaran.

Was ist, wenn Sie zu stark nachgeben?

Wenn ich in einem schwachen Momentnachgebe, büsse ich das nächsteMal. EsbrauchteineklareLinie,beidenHausaufga-ben, bei den Treffen mit seinen Kollegenundsoweiter.Dasistganzwichtig.

Wie setzen Sie Ihre Linie durch?

Eben nichtmit Durchsetzen, sondernmitErklären.IchkannihmnichteinfachetwasohneKommentarverbieten.Wennichmitihmrede,erreicheichammeisten.Stellterjedochetwas an, gibt es eine Strafe.Diebesten Strafen sind die, welche ihn ammeisten treffen. Zum Beispiel Fernseh-oder Gameverbot oder kein Treffen mitseinenFreunden.

CécricsMutter

Verhandlungsbereitschaftsignalisieren

Page 10: Cool und Klug Broschuere 0808

10 Cool&KlugdasADHS–Infomagazin

ADHS-Kinder brauchen viel mehr als nur Medikamente: Freiraum und Struktur, Bewegung, die richtige Ernährung – und hin und wieder sogar ziemlich unortho-doxe Massnahmen.

Vier Buchstaben erregen die Gemüter:ADHS–Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperakti-vitätssyndrom.Dieeinensprechenvonei-nerModediagnose,dieanderenvoneinerfastepidemieartigenVerbreitung.Dieeinen

schwörenaufstimulierendeMedikamente.DieanderenbrandmarkensiealsTeufels-droge.

Faktist:ImmermehrSchülerleidenunterAufmerksamkeits-undKonzentrationsstö-rungen.UnddiePsychostimulantienver-zeichnenRekordumsätze.

BestehtbeieinemKindVerdachtaufADHS,brauchtesinjedemFalleinesorgfältigeundumfassendeAbklärung.DieDiagnosesolltenurvonerfahrenenKinderärztenundKinder-psychiaterngestelltwerden.Fatalauswirkenkannsich jedochauchdasandereExtrem,nämlicheineVerschleppungderDiagnose.WirdeineADHS-Problematiknichterkanntund das Kindweder verstanden noch un-terstützt, wird das Selbstvertrauenmassivangegriffen,undesbestehtdieGefahrei-ner späteren seelischen und körperlichenErkrankung bis weit ins Erwachsenenalterhinein. Je früher eine ADHS-Problematikdiagnostiziertwird, desto grösser sind dieChancen,eineNegativspiralezuverhindern,wiesie fürdiebetroffenenKinderund ihrprivates sowie schulisches Umfeld typischist. Mit einer einzigen Massnahme alleinwirddasniegelingen.WasesinjedemFallbraucht,isteinganzesMassnahmenbündel.Es reicht von InformationüberVerhaltens-ansätzebishinzugezielterErnährungundBewegung. Diese Interventionen sind sowirkungsvoll,dasssienichtnurbeiausge-prägterADHS-Symptomatik,sonderngene-rellbeiKonzentrations-undLernschwierig-keitenzurAnwendungkommensollten.

DerFünf-Punkte-Plan

KeineleichtfertigeVerschreibung

Der Fünf-Punkte-Plan

1. Struktur und Freiraum

Am wichtigsten für die meist hochsensiblenKinderundJugendlichensindBezugspersonen,welche den jungen Menschen mit all seinenSchwierigkeitenundStärkenrespektieren.VielVerständnis,einklares,gutstrukturiertesUmfeld,aber auchvielMotivationund Freiraumhelfen,dieProblemeaufeinMinimumzureduzieren.

2. Bewegung und Sport

EsgibtklarewissenschaftlicheBeweise,dassBe-wegungsarmut bei Kindern das Auftreten einerADHS-Problematikbegünstigt.AktiveKindersindbessereSchüler: So lautetdievereinfachteKurz-formel.Kinder,diedreiStundenSportproWocheauf dem Lehrplan haben, lösen schneller eineMathematikaufgabealssolchemitnurzweiwö-chentlichenTurnlektionen.AmbestengeeignetsindSportarten,welchedieKoordinationunddasSozialverhaltenvonalleinefördern.Sobeanspru-chenbeispielsweiseTischtennis,Tischfussball,alleArtenvonTanzenundVolleyballautomatischdieKonzentrationundKoordination,wozuimnorma-lenSchulalltagsonsteinegrosseWillensleistungerforderlichist.

Cool&KlugfürKinder,ElternundLehrer 11

3. Ernährung

DieHinweisemehrensich,dasseinMangeloderUngleichgewicht vonmehrfach ungesättigtenFettsäurenfürdieZunahmevonLern-undVerhal-tensschwierigkeiten wesentlich mitverantwort-lichist.Omega-3-FettsäurensindfürdienormaleGehirnentwicklungund-funktionessentiell,dasheisst,siemüssendurchdieNahrungaufgenom-menwerden.ImangelsächsischenRaumistdieNahrungsergänzung mit Omega-3-Fettsäurenlängst eine anerkannte Behandlung, nachdemdie «Oxford-Durham Study», die erste aussa-gekräftige wissenschaftliche Studie zu diesemThema,klargezeigthatte,dasseineNahrungs-ergänzung mit ungesättigten Fettsäuren imrichtigenVerhältniseinewirksameundsichereBehandlungfürKindermitschulischenundpä-dagogischenSchwierigkeitenist.

Vermutlich beginnt sich dieser einfache, abererfolgversprechende Therapieansatz nun auchinderSchweizdurchzusetzen,nachdemdiebri-tischeWissenschaftlerinDr.MadeleinePortwoodamdiesjährigenPädiatriekongressinLuganodieStudienergebnissevorgestellthatte.

4. Medikamente

InderHandvonerfahrenenÄrztenhabenPsy-chostimulantienundseineAbkömmlingeihrenPlatz.DieStandardtherapiemitstimulierendenMedikamenteisteinebewährteMethode–undoft die ersteWahl bei schweren Formen vonADHS.GewarntwerdenmusshingegenvoreinerleichtfertigenVerschreibungohneumfassendesTherapiekonzept.

5. Unorthodoxe Wege

DieSchulzeit istdiegrosseHerausforderungfürKindermitADHS. IhreniedrigeFrustrationstole-ranz und fehlenden KonfliktstrategienmachenihnenoftdasLebenschwerundübertragensichleichtaufElternundLehrer,ohnedassdieinvol-viertenBezugspersonendiesrealisieren.Kommtdazu,dassderIrrglaubeweitverbreitetist,eineADHS-Problematik entstehe durch Erziehungs-fehleroderungünstigeFamilienverhältnisse.

Wichtigist,dassallebeteiligtenBezugspersonenden verhängnisvollen Teufelskreis von ReaktionundGegenreaktion–vonDruckundGegendruck–erkennenunddenBefreiungsschlagwagen,imKleinenwieimGrossen.Daskanneinmalheissen,warten und auf drei zählen, schweigen anstattschimpfen, eine beruhigende körperlicheGeste,anstattzurückzuschlagen,einpaarSchulstundenproWochewenigeralsimnormalenStundenplanvorgesehen,einHaustier statt dieneuste Spiel-konsoleodersogardieVersetzungineinbesse-res,verständnisvolleresschulischesUmfeld.

Aussergewöhnliche Kinder erfordern ausserge-wöhnlicheReaktionen.DannwirdsichderErfolgvonselbsteinstellen,imKleinenwieimGrossen.

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10 Cool&KlugdasADHS–Infomagazin

ADHS-Kinder brauchen viel mehr als nur Medikamente: Freiraum und Struktur, Bewegung, die richtige Ernährung – und hin und wieder sogar ziemlich unortho-doxe Massnahmen.

Vier Buchstaben erregen die Gemüter:ADHS–Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperakti-vitätssyndrom.Dieeinensprechenvonei-nerModediagnose,dieanderenvoneinerfastepidemieartigenVerbreitung.Dieeinen

schwörenaufstimulierendeMedikamente.DieanderenbrandmarkensiealsTeufels-droge.

Faktist:ImmermehrSchülerleidenunterAufmerksamkeits-undKonzentrationsstö-rungen.UnddiePsychostimulantienver-zeichnenRekordumsätze.

BestehtbeieinemKindVerdachtaufADHS,brauchtesinjedemFalleinesorgfältigeundumfassendeAbklärung.DieDiagnosesolltenurvonerfahrenenKinderärztenundKinder-psychiaterngestelltwerden.Fatalauswirkenkannsich jedochauchdasandereExtrem,nämlicheineVerschleppungderDiagnose.WirdeineADHS-Problematiknichterkanntund das Kindweder verstanden noch un-terstützt, wird das Selbstvertrauenmassivangegriffen,undesbestehtdieGefahrei-ner späteren seelischen und körperlichenErkrankung bis weit ins Erwachsenenalterhinein. Je früher eine ADHS-Problematikdiagnostiziertwird, desto grösser sind dieChancen,eineNegativspiralezuverhindern,wiesie fürdiebetroffenenKinderund ihrprivates sowie schulisches Umfeld typischist. Mit einer einzigen Massnahme alleinwirddasniegelingen.WasesinjedemFallbraucht,isteinganzesMassnahmenbündel.Es reicht von InformationüberVerhaltens-ansätzebishinzugezielterErnährungundBewegung. Diese Interventionen sind sowirkungsvoll,dasssienichtnurbeiausge-prägterADHS-Symptomatik,sonderngene-rellbeiKonzentrations-undLernschwierig-keitenzurAnwendungkommensollten.

DerFünf-Punkte-Plan

KeineleichtfertigeVerschreibung

Der Fünf-Punkte-Plan

1. Struktur und Freiraum

Am wichtigsten für die meist hochsensiblenKinderundJugendlichensindBezugspersonen,welche den jungen Menschen mit all seinenSchwierigkeitenundStärkenrespektieren.VielVerständnis,einklares,gutstrukturiertesUmfeld,aber auchvielMotivationund Freiraumhelfen,dieProblemeaufeinMinimumzureduzieren.

2. Bewegung und Sport

EsgibtklarewissenschaftlicheBeweise,dassBe-wegungsarmut bei Kindern das Auftreten einerADHS-Problematikbegünstigt.AktiveKindersindbessereSchüler: So lautetdievereinfachteKurz-formel.Kinder,diedreiStundenSportproWocheauf dem Lehrplan haben, lösen schneller eineMathematikaufgabealssolchemitnurzweiwö-chentlichenTurnlektionen.AmbestengeeignetsindSportarten,welchedieKoordinationunddasSozialverhaltenvonalleinefördern.Sobeanspru-chenbeispielsweiseTischtennis,Tischfussball,alleArtenvonTanzenundVolleyballautomatischdieKonzentrationundKoordination,wozuimnorma-lenSchulalltagsonsteinegrosseWillensleistungerforderlichist.

Cool&KlugfürKinder,ElternundLehrer 11

3. Ernährung

DieHinweisemehrensich,dasseinMangeloderUngleichgewicht vonmehrfach ungesättigtenFettsäurenfürdieZunahmevonLern-undVerhal-tensschwierigkeiten wesentlich mitverantwort-lichist.Omega-3-FettsäurensindfürdienormaleGehirnentwicklungund-funktionessentiell,dasheisst,siemüssendurchdieNahrungaufgenom-menwerden.ImangelsächsischenRaumistdieNahrungsergänzung mit Omega-3-Fettsäurenlängst eine anerkannte Behandlung, nachdemdie «Oxford-Durham Study», die erste aussa-gekräftige wissenschaftliche Studie zu diesemThema,klargezeigthatte,dasseineNahrungs-ergänzung mit ungesättigten Fettsäuren imrichtigenVerhältniseinewirksameundsichereBehandlungfürKindermitschulischenundpä-dagogischenSchwierigkeitenist.

Vermutlich beginnt sich dieser einfache, abererfolgversprechende Therapieansatz nun auchinderSchweizdurchzusetzen,nachdemdiebri-tischeWissenschaftlerinDr.MadeleinePortwoodamdiesjährigenPädiatriekongressinLuganodieStudienergebnissevorgestellthatte.

4. Medikamente

InderHandvonerfahrenenÄrztenhabenPsy-chostimulantienundseineAbkömmlingeihrenPlatz.DieStandardtherapiemitstimulierendenMedikamenteisteinebewährteMethode–undoft die ersteWahl bei schweren Formen vonADHS.GewarntwerdenmusshingegenvoreinerleichtfertigenVerschreibungohneumfassendesTherapiekonzept.

5. Unorthodoxe Wege

DieSchulzeit istdiegrosseHerausforderungfürKindermitADHS. IhreniedrigeFrustrationstole-ranz und fehlenden KonfliktstrategienmachenihnenoftdasLebenschwerundübertragensichleichtaufElternundLehrer,ohnedassdieinvol-viertenBezugspersonendiesrealisieren.Kommtdazu,dassderIrrglaubeweitverbreitetist,eineADHS-Problematik entstehe durch Erziehungs-fehleroderungünstigeFamilienverhältnisse.

Wichtigist,dassallebeteiligtenBezugspersonenden verhängnisvollen Teufelskreis von ReaktionundGegenreaktion–vonDruckundGegendruck–erkennenunddenBefreiungsschlagwagen,imKleinenwieimGrossen.Daskanneinmalheissen,warten und auf drei zählen, schweigen anstattschimpfen, eine beruhigende körperlicheGeste,anstattzurückzuschlagen,einpaarSchulstundenproWochewenigeralsimnormalenStundenplanvorgesehen,einHaustier statt dieneuste Spiel-konsoleodersogardieVersetzungineinbesse-res,verständnisvolleresschulischesUmfeld.

Aussergewöhnliche Kinder erfordern ausserge-wöhnlicheReaktionen.DannwirdsichderErfolgvonselbsteinstellen,imKleinenwieimGrossen.

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12 Cool&KlugdasADHS–Infomagazin

Auf der Liste berühmter Persönlichkei-ten mit ADHS stehen John F. Kennedy, Jack Nicholson, Mozart, Elvis Presley und auch der wohl berühmteste Comic-Zeichner des 20. Jahrhunderts, Charles Monroe Schulz. Der Vater von Snoopy und Charlie Brown lehrt uns vor allem eines: Lebe deine Stärken!

SchonalskleinerJungemalteCharlesmitBegeisterung,bereitsimKindergartenfieldieseBegabungseinerLehrerinauf.Dochdabeibliebesvorerst.ObwohlCharlesM.SchulzseinTalentinderSchulzeitverbes-serte,nahmniemanddavonNotiz.CharlesSchulzbliebeinunscheinbarerSchüler.OftwurdeerbeimSpielenvonseinenSchul-kameradenübergangenundausgegrenzt.Als er zumCollege-Abschluss seine Kari-katuren der renommierten Jahrgangszei-tunganbot,wurdensieabgelehnt.Auchseine Bewerbung bei den Walt-Disney-StudiosbliebohneErfolg.

Niemals aufgeben.AberCharlesM.Schulzgabnichtauf.Erkehrteausdem2.Welt-kriegzurückunderobertemitseinenCo-mic-Figuren,denPeanuts,dieHerzenderAmerikaner. Bei Charlie Brown, Lucy, Li-nus,Snoopy&Co.gehtesumalltäglichePeanuts,alsoumKleinigkeiten.Genauda-ranzeigtSchulzdieWidersprüchedesge-samtenmenschlichenLebensauf,obwohlnieeinErwachseneralshandelndeFigurinseinenPeanutsauftritt.

Ausgrenzung und Mobbing.CharlesM.Schulz zeichnete in seinen Comic-Stripsnicht zuletztdasgesamteKindertheaterder Grausamkeit und zeigte damit, wiegemeinKinderzueinanderseinkönnen.Gerade ADHS-Kinder werden schon infrühester Jugend mit Ausgrenzung undMobbingkonfrontiert.WieCharlieBrownwar auch Charles M. Schulz ein ernst-haftes und unglückliches Kind. Undwiebei vielen ADHS-Kindern kann auch inder Welt der Peanuts die PsychiaterinLucy ihrem Freund Charlie Brown nichthelfen.

Fähigkeiten verkümmern. Der familiäreundschulischeFokusliegtbeidenmeistenADHS-KindernaufihrenDefiziten.Dieindi-viduellen Fähigkeiten bleiben oft im Ver-borgenen, wo sie schlafen oder gar ver-kümmern.CharlesM.SchulzkonntevielesnichtsogutwieseineSchulkollegen.Abererkonntezeichnen.Undwie.ErglaubteansichundgingbeharrlichseinenWeg.Viel-leicht hätte er sichmanchmal einen Be-gleiterundBeistandgewünscht.

Schule | MehrFreiraumundStruktur

Gesellschaft| WahnnachNorm

Therapie | Jeschneller,destobesser

Ratgeber | DerFünf-Punkte-Plan

Ausgabe2 | 08

ADHS-Infomagazin fürKinder, Eltern und Lehrer

Cool&Klug | Technoparkstrasse1 | 8005Zürich | [email protected]

AusgrenzungIstmeinKindnormal?

BerühmttrotzADHS/Dyslexie

CharlesM.Schulz–mitBeharrlichkeitzumErfolg

Viele Begriffe, ein Thema

ADHS

• Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung(ADHS)• Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätssyndrom• HyperkinetischeStörung(HKS)

Alle diese Ausdrücke beschreiben einebereits im Kindesalter beginnende Ver-haltensauffälligkeit,diesichprimärdurchleichteAblenkbarkeitundgeringesDurch-haltevermögensowieeinleichtaufbrau-sendesWesenmitderNeigungzumun-überlegtenHandeln,häufigauchinKom-bination mit Hyperaktivität auszeichnet.Es existieren weiterhin alternative Be-zeichnungen und Abkürzungen, welcheteilweise übereinstimmende Krankheits-bilder beschreiben, teilweise spezielleAusprägungenbezeichnen.Verbreitetist:Aufmerksamkeitsdefizitstörung(ADS).

Veraltete Begriffe• MinimaleCerebraleDysfunktion(MCD)• PsychoorganischesSyndrom(POS)

Internationale Bezeichnungen• AttentionDeficit/Hyperactivity Disorder(ADHD)• AttentionDeficitDisorder(ADD)

EineLeseschwächekannalleineoderinKombinationmitADS/ADHSauftreten.

DyslexieDarunter versteht man Probleme mitdem Lesen und Verstehen vonWörternoderTextenbeinormalemSeh-undHör-vermögen.Oft trittsiedasersteMal imRahmen einer sogenannten Lese-Recht-schreib-Schwäche (Legasthenie) in denerstenSchuljahrenauf.

PharmakaPharmaka sind lautArzneimittelgesetzStoffe und Zubereitungen aus Stoffen,diezurAnwendungamoderimmensch-lichenodertierischenKörperbestimmtsind, um Krankheiten, Leiden, Körper-schädenoderkrankhafteBeschwerdenzuheilen,zulindern,zuverhütenoderzuerkennen.

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