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40 esearch & esults 5 · 2018 www.research-results.de Werbewirkungsforschung muss die Markenstrategie berück- sichtigen – meint Joachim Odendahl und erklärt, wie man beides zusammenbringt. D ie digitale Revolution hat die Anzahl der Möglichkeiten zu kom- munizieren förmlich explodieren lassen. Es gibt so viele Touch- points wie nie zuvor. Und auch die Anzahl potenzieller Fallstricke ist mitgewachsen. Denn je mehr Kanäle wir haben, desto wichtiger und komplexer wird die Entwicklung von Customer Journeys. Marken individuell erleben Nun ist es aber nicht so, dass Konsumenten auf vorkonfektionierte Journeys von der Stange warten. Im Zeitalter der Individualisierung will man selbst bestimmen, welche Touchpoints man nutzt und wann. Markenerleben wird so zur Summe autonomer Erlebnisse. Wie kann also das Marketing Markenerlebnisse schaffen, kontrol- lieren und abstimmen, wenn jeder Kontakt mit der Marke in einer unvorhersehbaren, zufälligen Reihenfolge stattfindet? Ist Marken- management in der Touchpoint-Revolution ein Auslaufmodell? Das Schaffen relevanter Markenerlebnisse über Touchpoints hin- weg gelingt nur, wenn die Bedürfnisse derjenigen, für die diese Er- lebnisse gedacht sind, immer im Vordergrund stehen. Autonome Touchpoint-Erlebnisse in ein klares, kohärentes Markenerlebnis zu verwandeln, bedarf eines Schlüsselelements, das die Erlebnisse aller Konsumenten definiert: Emotionen. Diese sind dann der „rote Fa- den“, der sich durch alle Touchpoints und alle Erlebnisse mit einer Marke hindurchzieht. Was eine Marke erst richtig erfolgreich macht, ist eine konsistente emotionale Verbindung zu den Kunden. Es ist die Fähigkeit, die bei- den wichtigsten Entscheidungstreiber positiv zu beeinflussen: die in- stinktive Augenblicksentscheidung und die eher bewusste Rationa- lisierung der Entscheidung. Eine Marke muss klar für etwas stehen und braucht eine klare, zielgerichtete Ansprache. Die gute alte Mar- keting-Weisheit „Everybody’s darling is everybody’s second choice“ hat auch und gerade in Zeiten digitalen Wandels immer noch ihre Berechtigung. Emotionales Markenerlebnis Es ist immer die eine klare emotionale Botschaſt, für die eine Marke steht, das eine Markenversprechen, diese eine Geschichte, die per- fekt zu den emotionalen Bedürfnissen der Konsumenten passt. Nike erzählt beispielsweise immer eine Geschichte vom Triumphieren in der Welt des Sports, egal in welchem Medium. Red Bull betont das Mutige und Abenteuerlustige, Audi steht für Raffinesse und Quali- tät. Nur wie diese Geschichte erzählt wird, ist je nach Medium un- terschiedlich, weil das Wie an die spezifischen Eigenheiten des Me- diums angepasst werden muss. Dennoch gilt: Wenn alle Konsumenten mit ihren Marken über alle Touchpoints hinweg in Kontakt treten können, wird das nicht genügen, um sich von der Konkurrenz zu differenzieren. Der Mar- kenwert wird zum bestimmenden Faktor. Wenn Marken die Touch- point-Revolution überleben wollen, wird ihr Erfolg nicht nur davon abhängen, die richtigen Touchpoints zu nutzen, sondern auch da- von, ob es gelingt, die richtigen Emotionen zu erzeugen. Scha es eine Marke, die emotionale Anbindung an Konsumenten mit krea- tiver Kommunikation zu stärken, entstehen wiedererkennbare Mar- kenerlebnisse – unabhängig von den Touchpoints. Mit emotionalen Kommentaren umgehen Ein Twitter-Beispiel zur Schokoladenpizza von Dr. Oetker belegt, wie der Umgang mit aggressiv geäußerter Unzufriedenheit eines Kunden Fotos: © TanyaJoy – Fotolia.com, twitter.com/DrOetkerPizzaDE, Unternehmen Roter Faden Emotion Customer Journey, Touchpoints und Markenmanagement

Customer Journey, Touchpoints und Markenmanagement Roter ... · komplexer wird die Entwicklung von Customer Journeys. Marken individuell erleben Nun ist es aber nicht so, dass Konsumenten

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Research

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Werbewirkungsforschung muss die Markenstrategie berück-

sichtigen – meint Joachim Odendahl und erklärt, wie man

beides zusammenbringt.

Die digitale Revolution hat die Anzahl der Möglichkeiten zu kom-munizieren förmlich explodieren lassen. Es gibt so viele Touch-

points wie nie zuvor. Und auch die Anzahl potenzieller Fallstricke ist mitgewachsen. Denn je mehr Kanäle wir haben, desto wichtiger und komplexer wird die Entwicklung von Customer Journeys.

Marken individuell erleben

Nun ist es aber nicht so, dass Konsumenten auf vorkonfektionierte Journeys von der Stange warten. Im Zeitalter der Individualisierung will man selbst bestimmen, welche Touchpoints man nutzt und wann. Markenerleben wird so zur Summe autonomer Erlebnisse. Wie kann also das Marketing Markenerlebnisse schaffen, kontrol-lieren und abstimmen, wenn jeder Kontakt mit der Marke in einer unvorhersehbaren, zufälligen Reihenfolge stattfindet? Ist Marken-management in der Touchpoint-Revolution ein Auslaufmodell? Das Schaffen relevanter Markenerlebnisse über Touchpoints hin-weg gelingt nur, wenn die Bedürfnisse derjenigen, für die diese Er-lebnisse gedacht sind, immer im Vordergrund stehen. Autonome Touchpoint-Erlebnisse in ein klares, kohärentes Markenerlebnis zu verwandeln, bedarf eines Schlüsselelements, das die Erlebnisse aller Konsumenten definiert: Emotionen. Diese sind dann der „rote Fa-den“, der sich durch alle Touchpoints und alle Erlebnisse mit einer Marke hindurchzieht. Was eine Marke erst richtig erfolgreich macht, ist eine konsistente emotionale Verbindung zu den Kunden. Es ist die Fähigkeit, die bei-den wichtigsten Entscheidungstreiber positiv zu beeinflussen: die in-stinktive Augenblicksentscheidung und die eher bewusste Rationa-lisierung der Entscheidung. Eine Marke muss klar für etwas stehen und braucht eine klare, zielgerichtete Ansprache. Die gute alte Mar-

keting-Weisheit „Everybody’s darling is everybody’s second choice“ hat auch und gerade in Zeiten digitalen Wandels immer noch ihre Berechtigung.

Emotionales Markenerlebnis

Es ist immer die eine klare emotionale Botschaft, für die eine Marke steht, das eine Markenversprechen, diese eine Geschichte, die per-fekt zu den emotionalen Bedürfnissen der Konsumenten passt. Nike erzählt beispielsweise immer eine Geschichte vom Triumphieren in der Welt des Sports, egal in welchem Medium. Red Bull betont das Mutige und Abenteuerlustige, Audi steht für Raffinesse und Quali-tät. Nur wie diese Geschichte erzählt wird, ist je nach Medium un-terschiedlich, weil das Wie an die spezifischen Eigenheiten des Me-diums angepasst werden muss. Dennoch gilt: Wenn alle Konsumenten mit ihren Marken über alle Touchpoints hinweg in Kontakt treten können, wird das nicht genügen, um sich von der Konkurrenz zu differenzieren. Der Mar-kenwert wird zum bestimmenden Faktor. Wenn Marken die Touch-point-Revolution überleben wollen, wird ihr Erfolg nicht nur davon abhängen, die richtigen Touchpoints zu nutzen, sondern auch da-von, ob es gelingt, die richtigen Emotionen zu erzeugen. Schafft es eine Marke, die emotionale Anbindung an Konsumenten mit krea-tiver Kommunikation zu stärken, entstehen wiedererkennbare Mar-kenerlebnisse – unabhängig von den Touchpoints.

Mit emotionalen Kommentaren umgehen

Ein Twitter-Beispiel zur Schokoladenpizza von Dr. Oetker belegt, wie der Umgang mit aggressiv geäußerter Unzufriedenheit eines Kunden Fo

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Customer Journey, Touchpoints und Markenmanagement

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positiv für die Marke genutzt werden kann (Abb. 1). Offenbar war jemand vom Geschmackserlebnis der Schoko-Pizza dermaßen enttäuscht, dass er seinen Frust auf Twitter ausließ. Die schlagfertige Antwort des Lebensmittelherstellers verbreitete sich rasend schnell im Netz und wurde geradezu gefeiert. So eine Reaktion braucht vor allem eines: Courage – und die-ses gewisse Fingerspitzengefühl, die Reaktion gemäß den Spielregeln des Mediums umzusetzen. Zu oft denken Marken, es reiche aus, auf Twit-ter präsent zu sein – und vergessen dabei, dass je-der Kommentar der Marke auch interpretiert wird. Nicht nur funktional, sondern auch gemäß seiner ei-genen Symbolik. Es ist nicht in erster Linie entscheidend, was eine Marke sagt oder gar, wo sie es sagt. Es ist bedeutsam, wie sie es emotional passend zur eigenen Markensymbolik sagt.

Umfassende Touchpoint-Analyse

Da die emotionale Anbindung an den Konsumenten ein entscheidender Faktor ist, liegt es auf der Hand: Unabdingbar ist die systematische Beobachtung, ob sich das Was und das Wie der Kommunikation mit dem Markenversprechen im Einklang befinden. Erfolgreiche Mar-ken überprüfen das, was sie sagen, und vor allem, wie sie es sagen, nicht nur in Werbemittel-Pretests, sondern hinterfragen auch kontinuierlich in Post-Messungen, ob ihre Strategieziele erreicht werden. Im Zentrum steht dabei eine umfassende Touchpoint-Analyse, die mit der emotionalen Kommunikation der Markenbotschaft eng verzahnt ist. Die Empfehlung lautet daher, mit validierten projektiven Erhebungstechniken über jeg-liche Touchpoints hinweg die emotionale Symbolik der jeweiligen Kommunikation quanti-tativ zu messen. Im Zentrum der Analyse steht die Frage nach der richtigen Positionierung der Marke. Aber welche emotionalen Deskriptoren unterstützen diese Positionierung am

zielführendsten? Wie wird dabei der emoti-onale Kern des Ganzen kommunikativ un-terstützt? Und vor allem: Passt die Positi-onierung mit den Kommunikationszielen zusammen?

Stimmige Markenstrategie

Bei der Beantwortung dieser Fragen hilft der Needscope-Ansatz. Für verschiedenste Ziel-gruppen werden hier Collagen verwendet, um Emotionen zu messen. Mit diesen Pro-jektionen ist es möglich, Strategie und Wer-bewirkung zusammen auf den Prüfstand zu stellen. Letztlich erwartet jede Marke auch die so erzielten, umsetzbaren Hinweise, wie die Kommunikation noch optimiert werden kann, um die Positionierung der Marke zu schärfen. Die eigentliche Kunst der Werbewirkungs-forschung liegt also zunehmend darin, neben dem Was eben auch das Wie in seinen ste-tig zahlreicheren Touchpoint-Facetten im-mer wieder in seiner emotionalen Botschaft zu überprüfen – ohne dabei die Stimmigkeit mit der zugrunde liegenden Markenstrategie aus den Augen zu verlieren. ■

Joachim Odendahl ist seit 2008 Senior Consultant Consumer & Industry Research bei Kantar TNS und hat lang-jährige Erfahrungen mit Projek-ten für FMCG-Marken und in der Segmentierungsforschung. Ne-ben der strategischen Beratung von Markenartiklern setzt sich der Diplom-Soziologe intensiv mit dem Forschungsfeld Brand Strategy auseinander und blickt auf 25 Jahre Erfahrung in der In-stitutsmarktforschung zurück.www.kantartns.de

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