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D. Legitimität staatlicher Herrschaft
I. Legitimität als Problem der NeuzeitII. Prämissen des rationalistischen Naturrechts
1. Individualismus2. Rationalismus3. Enttheologisierung
III. Naturzustandslehre und Vertragstheorie1. Freiheit und Gleichheit im Naturzustand2. Herrschafts- und Gesellschaftsvertrag
IV. Entwicklung von LegitimitätsstandardsV. Zur "republikanischen Verfassung" bei
Immanuel Kant26.03.2015
Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 20151
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
• Normativität nicht mehr vorgegeben,sondern aufgegeben(Hans Ryffel)
• Frage nach einer gerechten Ordnung im Sinne einer legitimen Ordnung
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 2
I. Legitimität als Problem der Neuzeit• für Aristoteles wie für Platon gilt:
gutes Leben in der Polis =gerechtes Leben
• Staat und Herrschaft als solche in der Antike nicht problematisierungsfähig
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 3
II. Prämissen des rationalistischen Naturrechts
1. Individualismus
• Individuum, vereinzelter Einzelner Ausgangspunkt des Denkens
• Staat als Kunstprodukt, dessen Ursprung und Legitimation es zu hinterfragen gilt
• daher Naturzustandsgedanke und Lehre vom Herrschafts- bzw. Gesellschaftsvertrag entwickelt
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 20154
II. Prämissen des rationalistischen Naturrechts
2. Rationalismus
– starke Beeinflussung durch den Geist der aufblühenden Naturwissenschaften
– Revolution der physikalischen wie auch der philosophischen Methode (Franz Wieacker)
– Bezeichnung der Staatsphilosophie von Hobbes als „Staatsphysik“
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 20155
II. Prämissen des rationalistischen Naturrechts
3. Enttheologisierung– Bezugspunkt nicht länger Gott, sondern der
Mensch– „etiamsi daremus“ - Satz des Hugo Grotius
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015
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III. Naturzustandslehre und Vertragstheorie1. Freiheit und Gleichheit im Naturzustand
– Menschen werden nun losgelöst von aller politischen Vergesellschaftung und allen sozialen Bindungen gedacht
– in diesem Zustand sind alle Menschen frei und gleich
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 7
III. Naturzustandslehre und Vertragstheorie
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
Naturzustand
Locke(1689)
„natürliches Gesetz“; Unsicherheiten,„inconveniences“
Hobbes(1651)
bellum omnium contra omnes;„And the life of man, solitary, poor,
nasty, brutish, and short.“(Leviathan, 1651, Kap. 13)
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015
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III. Naturzustandslehre und Vertragstheorie
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
Naturzustand
Kant(1793/97)
Zustand nicht rechtlos,aber ohne rechtliche Sicherungsmechanismen;„provisorisches Recht“; „status iustitia vacuus“
Rousseau(1755)
Mensch moralisch gutes Naturwesen(homme naturel, homme sauvage der edle Wilde)
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 20159
III. Naturzustandslehre und Vertragstheorie
2. Herrschafts- und Gesellschaftsvertrag
– Staat vermag sich nur aus dem Willen und der Übereinkunft der sich zum Staat zusammenschließenden Individuen zu legitimieren
– ihr Wille schafft den Staat, allein darauf kann er sich gründen
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 10
III. Naturzustandslehre und Vertragstheorie
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
Vertragstheorie
Hobbes(1651)
„covenant “;Vertragsschluß als Rechtsverzicht allerzugunsten eines Dritten, des Souveräns,
der selbst nicht Vertragspartner wird;Herrschaftsvertrag uno actu Gesellschafts-
vertrag; „rex est populus“ (De cive, 1642, XII/8)26.03.2015
Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 201511
III. Naturzustandslehre und Vertragstheorie„Der alleinige Weg zur Errichtung einer solchenallgemeinen Gewalt, die in der Lage ist, dieMenschen vor dem Angriff Fremder und vorgegenseitigen Übergriffen zu schützen und ihnendadurch eine solche Sicherheit zu verschaffen, daßsie durch eigenen Fleiß und von den Früchten derErde ernähren und zufrieden leben können, liegt inder Übertragung ihrer gesamten Macht und Stärkeauf einen Menschen oder eine Versammlung vonMenschen, die ihre Einzelwillen durch Stimmen-mehrheit auf einen Willen reduzieren können. …
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015
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III. Naturzustandslehre und VertragstheorieDas heißt soviel wie einen Menschen oder eineVersammlung von Menschen bestimmen, die derenPerson verkörpern sollen, und bedeutet, daßjedermann alles als eigen anerkennt, was derjenige,der auf diese Weise seine Person verkörpert, inDingen des allgemeinen Friedens und derallgemeinen Sicherheit tun oder veranlassen wird,und sich selbst als Autor alles dessen bekennt unddabei den eigenen Willen und das eigene Urteilseinem Willen und Urteil unterwirft. …
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 13
III. Naturzustandslehre und VertragstheorieDies ist mehr als Zustimmung oder Übereinstimmung:Es ist eine wirkliche Einheit aller in ein und derselbenPerson, die durch Vertrag eines jeden mit jedemzustandekam, als hätte jeder zu jedem gesagt: Ichautorisiere diesen Menschen oder diese Versammlungvon Menschen, übertrage ihnen mein Recht, mich zuregieren, unter der Bedingung, daß du ihnen ebenso deinRecht überträgst und alle ihre Handlungen autorisierst.Ist dies geschehen, so nennt man diese zu einer Personvereinte Menge Staat, auf lateinisch civitas. Dies ist dieErzeugung jenes großen Leviathan, oder besser, um esehrerbietiger auszudrücken, jenes sterblichen Gottes,dem wir unter dem unsterblichen Gott unseren Friedenund Schutz verdanken.“
Thomas Hobbes, Leviathan, 1651, Kap.17
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015
Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015
III. Naturzustandslehre und Vertragstheorie
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
Vertragstheorie
Locke(1689)
„original compact”; Verzicht auf das Recht privaterVollstreckung und Schaffung einer politischen Körper-schaft mit dem Monopol legitimer Gewaltausübung;
gewisse Rechte bleiben unverzichtbar(life, liberty, estates = property);
„consent of the governed;im Gegensatz zu Hobbes nicht nur Herrschafts-
legitimation, sondern auch -limitation; Widerstandsrecht26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015
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III. Naturzustandslehre und Vertragstheorie
Rousseau zur zentralen Frage, wie die Freiheit des einzelnen und die staatliche Ordnung miteinander vereint werden können:
„'Finde eine Form des Zusammenschlusses, die mit ihrer ganzen gemeinsamen Kraft die Person und das Vermögen jedes einzelnen Mitglieds verteidigt und schützt und durch die doch jeder, indem er sich mit allen vereinigt, nur sich selbst gehorcht und genauso frei bleibt wie zuvor'. Das ist das grundlegende Problem, dessen Lösung der Gesellschaftsvertrag darstellt.“
Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze desStaatsrechts, 1762, I 6
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 16
III. Naturzustandslehre und VertragstheorieRousseaus Antwort:„Wenn man also beim Gesellschaftsvertrag von allemabsieht, was nicht zu seinem Wesen gehört, wird manfinden, daß er sich auf folgendes beschränkt:Gemeinsam stellen wir alle, jeder von uns seine Person und seine ganze Kraft unter die oberste Richtschnur des Gemeinwesens; und wir nehmen, alsKörper, jedes Glied als untrennbaren Teil des Ganzenauf.“Vom Gesellschaftsvertrag oder Grundsätze desStaatsrechts, 1762, I 6
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015
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III. Naturzustandslehre und Vertragstheorie
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
Vertragstheorie
Rousseau(1762)
„ corps moral et collectif”;patriotischer Staatsbürger (citoyen);
”zweite” Natur;aliénation totale (Du Contrat Social ou
Principes du Droit Politique I, 1762, I, 6)Gesellschaftsvertrag uno actu Herrschaftsvertrag
26.03.2015Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 18
III. Naturzustandslehre und VertragstheorieKants Formel vom Probierstein der Rechtmäßigkeit:„Allein dieser Vertrag (contractus originarius oder pactumsociale genannt), als Koalition jedes besondern undPrivatwillens in einem Volk zu einem gemeinschaftlichenund öffentlichen Willen (zum Behuf einer bloß rechtlichenGesetzgebung), ist keineswegs als ein F a k t u m vorauszusetzen nötig (ja als ein solches gar nicht möglich);gleichsam als ob allererst aus der Geschichte vorherbewiesen werden müßte, daß ein Volk, in dessen Rechte und Verbindlichkeiten wir als Nachkommen getreten sind,einmalwirklich einen solchen Aktusverrichtet und einesichere Nachricht oder ein Instrument davon uns mündlich oder schriftlich hinterlassen haben müsse, um sich an eine schon bestehende bürgerliche Verfassung für gebunden zu achten. …
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015
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III. Naturzustandslehre und VertragstheorieSondern es ist eine bloße Idee der Vernunft, die aber ihre unbezweifelte (praktische) Realität hat:nämlich jeden Gesetzgeber zu verbinden, daß er seineGesetze so gebe, als sie aus dem vereinigten Willeneines ganzen Volkes haben entspringen k ö n n e n, und jeden Untertan, sofern er Bürger sein will, soanzusehen, als ob er zu einem solchen Willenzusammengestimmt habe. Denn das ist derProbierstein der Rechtmäßigkeit eines jedenöffentlichen Gesetzes.“Immanuel Kant, Über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, 1793, A 249 f.
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015
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III. Naturzustandslehre und Vertragstheorie„Der Akt, wodurch sich das Volk selbst zu einem Staatkonstituiert, eigentlich aber nur die Idee desselben, nach der dieRechtmäßigkeit desselben allein gedacht werden kann, ist derursprüngliche Kontrakt, nach welchem alle (omnes et singuli) imVolk ihre äußere Freiheit aufgeben, um sie als Glieder einesgemeinen Wesens, das ist des Volks als Staat betrachtet(universi) sofort wieder aufzunehmen, und man kann nichtsagen: der Staat, der Mensch im Staate, habe einen Teil seinerangebornen äußeren Freiheit einem Zwecke aufgeopfert, sonderner hat die wilde Freiheit gänzlich verlassen, um seine Freiheitüberhaupt in einer gesetzlichen Abhängigkeit, das ist in einemrechtlichen Zustande unvermindert wieder zu finden; weil dieseAbhängigkeit aus seinem eigenen gesetzgebenden Willenentspringt.“
Immanuel Kant, Metaphysik der Sitten, MetaphysischeAnfangsgründe der Rechtslehre, 1797, § 47
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015
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III. Naturzustandslehre und Vertragstheorie
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
Vertragstheorie
Kant(1793/97)
„conctractus originarius" fiktiv;Virtualisierung; als-ob-Argument;„Probierstein der Rechtmäßigkeit"
26.03.2015Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015
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IV. Entwicklung von Legitimitätsstandards
1. Etappe(Frieden)
souveräne Instanzmit Gewaltmonopol;
Sicherung desFriedens;
Beendigung desBürgerkrieges; Staat
Hobbes
Absolutismus
2. Etappe(individuelle,
liberale Freiheit)
GarantieUnveräußerlicher
Rechte(life, liberty, estates)
Rechtsstaat
Locke
Konstitutionalismus;Widerstandsrecht
26.03.2015
Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 201523
IV. Entwicklung von Legitimitätsstandards
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
3. Etappe(demo-
kratischer[Rechts-]
Staat)
demokratischeOrganisation des
Staates,demokratischer
Rechtsstaat
Rousseaudirekte Demokratie
KantVorstellung einer liberal-demo-kratischen Staatsorganisation in
repräsentativer Gestalt;kein Widerstandsrecht
4. Etappe(soziale
Vor-und Für-sorge)
sozialer unddemokratischer
Rechtsstaat
Heller (1929)wohlfahrtsstaatlichpatriarchalische
Tendenz (Bismarck);katholische Soziallehre;Verfassung Weimar; GG
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015
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IV. Entwicklung von Legitimitätsstandards
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
5. Etappe(Schutz dernatürlichen
Lebens-grundlagen;
Verantwortungfür künftige
Generationen)
ökologischer,
sozialer und
demokratischer
Rechtsstaat
• John Rawls:A Theory of Justice (1971)
• Hans Jonas:Das Prinzip
Verantwortung (1979)
• Art. 20 a GG
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015
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V. Zur „republikanischen Verfassung”bei Immanuel Kant
– kategorischer Ausschluß jeglichenWiderstandsrechts
– keine bloße Apologie des Bestehenden, aber: notwendige Veränderungen nicht durchRevolution, sondern durch Reform nach Prinzipien
– systematische Unterscheidung zwischen Staatsformen und Regierungsart
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015
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V. Zur „republikanischen Verfassung”bei Immanuel KantIm "Ewigen Frieden" heißt es:„Die Formen eines Staates (civitas) können entwedernach dem Unterschiede der Personen, welche dieoberste Staatsgewalt innehaben, oder nach derRegierungsart des Volkes durch sein Oberhaupt, er magsein, welcher er wolle, eingeteilt werden; die erste heißteigentlich die Form der Beherrschung (forma imperii),und es sind nur drei derselben möglich, wo nämlichentweder nur Einer, oder Einige unter sich verbunden,oder Alle zusammen, welche die bürgerliche Gesell-schaft ausmachen, die Herrschergewalt besitzen(Autokratie, Aristokratie und Demokratie, Fürstenge-walt, Adelsgewalt, Volksgewalt)…
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015
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V. Zur „republikanischen Verfassung”bei Immanuel KantDie zweite ist die Form der Regierung (forma regiminis) und betrifft die auf die Konstitution (den Akt des allgemeinen Willens, wodurch die Menge ein Volk wird) gegründete Art, wie der Staat von seiner Machtvollkommenheit Gebrauch macht: und ist in dieser Beziehung entweder republikanisch oder despotisch. Der Republikanism ist das Staatsprinzip der Absonderung der ausführenden Gewalt (der Regierung) von der gesetzgebenden; der Despotism ist das der eigenmächtigen Vollziehung des Staats von Gesetzen, die er selbst gegeben hat, mithin der öffentliche Wille, sofern er von demRegenten als sein Privatwille gehandhabt wird.“Immanuel Kant, Zum ewigen Frieden: ein philosophischer Entwurf, 1795, B 25 f.
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 28
V. Zur „republikanischen Verfassung”bei Immanuel Kant
– Republikanismus verlangt nach keiner besonderen Staatsform
– Demokratie notwendig despotisch, aber: wohl eher identitäre Versammlungsdemokratie gemeint
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 29
V. Zur „republikanischen Verfassung”bei Immanuel Kant
Wahre Republik ist repräsentative Demokratie:„Alle wahre Republik aber ist und kann nichts anders sein, als ein repräsentatives System des Volks, um im Namen desselben, durch alle Staatsbürger vereinigt, vermittelst ihrer Abgeordneten (Deputierten) ihre Rechte zu besorgen.“Immanuel Kant, Metaphysik der Sitten, 1797, § 52
D. Legitimität staatlicher Herrschaft
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015
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Der Abbé Sieyes in seiner Schrift über den DrittenStand von 1789:„Man kann unmöglich eine Körperschaft zu einembestimmten Zweck schaffen, ohne ihr eineOrganisation, Verfahrensregeln und Gesetze zugeben, die es ihr ermöglichen, die ihr gesetztenAufgaben zu erfüllen. Das nennt man dieVerfassung der Körperschaft. Es liegt auf der Hand,daß sie ohne Verfassung nicht bestehen kann.Daraus folgt ebenso offensichtlich, daß jedeübertragene Regierung ihre Verfassung habenmuß.“in: Politische Schriften, 2. Aufl. 1981, S. 166
E. Elemente des demokratischenVerfassungsstaates
26.03.2015Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 31
I. Idee und Funktion einer StaatsverfassungII. Grund- und MenschenrechteIII. GewaltenteilungIV. Volkssouveränität und repräsentative
DemokratieV. Mehrheitsprinzip und MinderheitenschutzVI. Zur Kritik des liberalen Verfassungsstaates
durch den sog. "Kommunitarismus"
E. Elemente des demokratischenVerfassungsstaates
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015
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I. Idee und Funktion einer Staatsverfassung1. Aufgaben und Funktion der Verfassung
– Konstituierung des politischen Gemeinwesens
– freiheitsstiftende Disziplinierung der Herrschaft
– friedensstiftende Neutralisierung und Rationalisierung des politischen Prozesses
E. Elemente des demokratischenVerfassungsstaates
26.03.2015Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015
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I. Idee und Funktion einer Staatsverfassung2. Regelungsgehalte der Verfassung
– Unterscheidung „pouvoir constituant“ und „pouvoirs constitués“
– „Vorrang“ der Verfassung
– Manifestation des Grundkonsenses
E. Elemente des demokratischenVerfassungsstaates
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 34
I. Idee und Funktion einer Staatsverfassung3. Offenheit und Geschlossenheit
– Dauer durch Elastizität
– Offenheit in doppelter Weise:• Möglichkeit neuer Sinngebung• offene Austragung von Konflikten
– Ewigkeitsklausel Art. 79 III GG
E. Elemente des demokratischenVerfassungsstaates
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 35
II. Grund- und Menschenrechte1. Menschenrechte und Grundrechte
England U.S.A. Frankreich Deutschland
1215(Magna CartaLibertatum)
1679(Habeas Corpus)
1689(Bill of Rights)
1776(Virginia Bill of
Rights)26.03.2015
II. Grund- und Menschenrechte1. Menschenrechte und Grundrechte
England U.S.A. Frankreich Deutschland
1818/19(Süddeutsche
Konstitutionen)
1848/49(Paulskirchenverfassung)
1871 (-)(Bismarck-Verfassung)
1919(Weimarer
Reichsverfassung)
II. Grund- und Menschenrechte1. Menschenrechte und Grundrechte
• Sukzessive Universalisierung
• Diskussion um sog. Urgrundrecht
E. Elemente des demokratischenVerfassungsstaates
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 38
II. Grund- und Menschenrechte2. Liberale Abwehr- und politische
Beteiligungsrechte– Differenzierung zwischen privaten,
„staatsabwehrenden“ Rechten einerseits und demokratischen, „staatsbezogenen“Beteiligungsrechten andererseits
E. Elemente des demokratischenVerfassungsstaates
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 39
II. Grund- und Menschenrechte
3. Individualismus und Universalismus derMenschenrechte
– Mensch wird zum autonomen Produzenten seinerGeschichtswelt
– Menschenrechte als Exportschlager?– „dritte Generation“ der Menschenrechte
E. Elemente des demokratischenVerfassungsstaates
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 40
III. Gewaltenteilung
• Montesquieu• John Locke• Konrad Hesse
E. Elemente des demokratischenVerfassungsstaates
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 41
IV. Volkssouveränität und repräsentative Demokratie1. Widerspruchs- oder Ergänzungsverhältnis?– lange Zeit Demokratie nur als direkte Demokratie denkbar– „Erfindung“ der repräsentativen Demokratie
• Verfasser der Federalist Papers(Alexander Hamilton, James Madison und
John Jay)• Abbé Sieyes
E. Elemente des demokratischenVerfassungsstaates
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 42
IV. Volkssouveränität und repräsentative Demokratie2. Imperatives oder freies Mandat?
– Band zwischen Repräsentanten und Repräsentierten durch den Akt der Wahl der Repräsentanten
– imperatives Mandat vs. Freies Mandat:• imperatives Mandat stets Mittel der
Obstruktion• erst das freie Mandat (Art. 38 GG)
gewährleistet ein echtes„Rückkoppelungsverhältnis“
E. Elemente des demokratischenVerfassungsstaates
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 43
V. Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz
– Mehrheitsprinzip ist Prinzip, aber kein Produkt der Demokratie
– Unterschiedliche Begründungen des Mehrheitsprinzips:• Mehrheit hat bei ihren Entscheidungen die
Vermutung größerer Vernunft auf ihrer Seite• Qual der Heteronomie (Kelsen) nicht für die
Mehrheit• Revisibilität, d.h. reale Chance zum
Machtwechsel muss eröffnet werden
E. Elemente des demokratischenVerfassungsstaates
26.03.2015Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 44
V. Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz– Minderheitenschutz weniger Gegensatz zum
Mehrheitsprinzip denn Element desselben– Differenzierung zwischen zwei Ausformungen des
Minderheitenschutzes:• Prozess, der der Minderheit die Chance
eröffnet, Überzeugungsarbeit zu leisten und so selbst zur Mehrheit zu werden
• eine Gruppe, die niemals die Chance hätte, zur Mehrheit zu werden, wir demvollständigen Zugriff der Majorität entzogen
E. Elemente des demokratischenVerfassungsstaates
26.03.2015 Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 2015 45
VI. Zur Kritik des liberalen Verfassungsstaates durch den sog. "Kommunitarismus"
E. Elemente des demokratischen Verfassungsstaates
Liberalismus KommunitarismusKant Hegel
abstrakt konkret
Universalität Partikularismus
Individuum Gemeinschaft
Pluralität Homogenität
Idee des Rechten Idee des Guten26.03.2015
Prof. Dr. Pierre Hauck, LL.M. (Sussex) SS 201546