44
M ISSIONSSPLITTER ISSIONSSPLITTER ISSIONSSPLITTER ISSIONSSPLITTER ISSIONSSPLITTER I I I I I PDF - Familie Mariens 15. Jg. / (IV) 2007 / Nr. 84

D84 Missionssplitter I - familiemariens.info · nen einige wieder an Schule und Internat als Lehr-kräfte und Erzieher zurückgekehrt sind. Im Herbst ... Zusammenbruch des atheistischen

Embed Size (px)

Citation preview

MMMMMISSIONSSPLITTER ISSIONSSPLITTER ISSIONSSPLITTER ISSIONSSPLITTER ISSIONSSPLITTER I I I I I

PDF

- Fam

ilie

Mar

iens

15. J

g. /

(IV) 2

007

/ Nr.

84

DDie Sendung Christi hat sichin der Liebe erfüllt.

Deshalb ist die Kirche gesandt,die Liebe Christi in der Welt zu verbreiten, damit die Völker

„das Leben haben und es in Fülle haben“.

D

© L’Osservatore Romano

Papst Benedikt XVI. in Brasilien, 13. Mai 2007

Viele Eurer Rückmeldungen der vergangenenJahre zeigen, dass Ihr mit besonderem Interessedie Berichte aus unseren Missionen lest. So kamuns die Idee, Euch einmal die Freude zu machenund eine gesamte Ausgabe des „Triumph des Her-zens“ nur über unsere Missionsarbeit zu gestal-ten. Weil aber die zahlreichen Beiträge, die unse-re Missionare für Euch geschickt haben, nicht ineiner Ausgabe Platz finden, erlauben wir uns, auchim September/Oktober und nach der Weihnachts-ausgabe im Januar/Februar mit Euch die „Mis-sionsreise“ fortzusetzen.Dieser Einblick in unsere Mission ist keine Selbst-darstellung, sondern Ausdruck unserer tiefenDankbarkeit. Denn so manche von Euch unterstüt-zen unsere päpstlich anerkannte Gemeinschaft undderen Missionsprojekte ja schon seit langem durchGebet, aufgeopferte Leiden, der Hände Arbeit undnicht zuletzt durch materielle und finanzielle Hil-fe. Ohne diese tatkräftige Unterstützung Eurerseitswären ja weder unsere äußeren Missionen nochunser Gemeinschaftsleben möglich!

Oft werden wir gefragt: „Was ist eure Spi-ritualität? Worin besteht eure Mission?“Wenn Ihr jetzt über unsere Missionseinsätze undberührende Einzelschicksale lest, werdet Ihr ver-stehen, auch ohne große Erklärungen! Jedes Bei-spiel aus dem Missionsalltag spiegelt immer et-was von unserer Art zu wirken wider und somitauch etwas von unserer Spiritualität.Wir können keine beeindruckenden Zahlen von Be-kehrungen vorweisen, wie man es sich vielleichterwartet, wenn man an „Mission“ denkt. Allzuleicht vergisst man, dass „unsere erste Missi-on oft ganz unsichtbar ist“, wie unser geisti-ger Vater P. Paul Maria es einmal ausdrückte: „Siebesteht nicht in ameisenartigen Aktionen,sondern die wahre Mission ist zuerst nurinnerlich, still. Die Liebe muss für alles Wir-ken das tragende Leitmotiv sein: beten ausLiebe und arbeiten aus Liebe. Durch dasGebet und das Hl. Messopfer erreichen wir

Liebe Leser, Freunde und Wohltäter!

alle Menschen, selbst dann, wenn z. B. dieFahrt in ein abgelegenes Dorf verhindertwird, weil das Auto bei -30°C streikt. Dasgeduldige Ertragen, das stille Annehmen undAufopfern schwieriger, oft komplizierter Si-tuationen wird somit zum Gebet und zur Mis-sion. Das Geheimnis einer wirklich frucht-baren Mission - auch wenn die Fruchtvielleicht erst später aufgehen sollte - ist das‚Bleiben in Jesus‘, ist unsere Einheit mit Ihm,der uns verspricht: ‚Wer in mir bleibt und inwem ich bleibe, der bringt reiche Frucht ...‘(Joh 15,5). Welch tröstliche Zusage an uns!

Auch unsere zweite Mission ist auf denersten Blick nicht äußerlich sichtbar, dennsie geschieht innerhalb unserer geistigen Fa-milie durch aufrichtiges Bemühen um Liebeund Einheit in den Hausgemeinschaften.Jeder von uns hat schon erfahren, wie sehruns Uneinigkeit lähmen kann. Die geschwis-terliche Liebe jedoch und das Gebet für-einander schenken uns Kraft und erst dienotwendige Glaubwürdigkeit für jede äußer-lich sichtbare Mission. Betet doch Jesus,nachdem Er den Aposteln die Hl. Eucharis-tie gereicht hatte, zu Seinem Vater: ‚... Siesollen eins sein, wie wir eins sind, ich inihnen und du in mir. So sollen sie vollendetsein in der Einheit, damit die Welt erkennt,dass du mich gesandt hast und die Meinenebenso geliebt hast wie mich‘ (Joh 17,22-23).

Erst jetzt kann die dritte, nach außenhin sichtbare Mission beginnen, zu der unsJesus aufruft: ‚Mir ist alle Macht gegebenim Himmel und auf der Erde. Darum geht zuallen Völkern, und macht alle Menschen zumeinen Jüngern ... Lehrt sie, alles zu befol-gen, was ich euch geboten habe. Seid ge-wiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Endeder Welt‘(Mt 28,18-20).“

3

NITRA

„Ich bin die Tür zu den Schafen“ (Joh

10,7), diese Worte Jesu aus der Hl. Schrift hatteunser geistiger Vater aufgeschlagen, als er zusam-men mit zwei unserer Missionarinnen auf der Fahrtvon Österreich in die Slowakei war, wohin S. E.Ján Chryzostom Kardinal Korec unsere Gemein-schaft 1991 gerufen hatte. Die drei sollten dortam Aufbau des neu gegründeten christlichenGymnasiums der hl. Cyrill und Method als Lehrerund als Erzieher im Internat mithelfen. Mit großerOffenheit wurden sie aufgenommen, und der ersteOrt, an den sie der damalige Direktor führte, wardie Schulkapelle.Bald entfaltete sich in freundschaftlicher Zusam-menarbeit mit dem Lehrerkollegium ein überaussegensreiches Apostolat mit dem Hauptanliegen,den Schülern neben Fachwissen vor allem christ-liche Grundwerte als Basis für eine glücklicheZukunft in Ehe und Beruf zu vermitteln. MancheSchüler lernten in dieser christlich geprägten Um-gebung ihren zukünftigen Partner kennen; anderewieder fanden ihre Berufung zum gottgeweihtenLeben. Auch für unsere Gemeinschaft konnten sich43 slowakische Berufungen entscheiden; davon 14Priester und Brüder und 29 Schwestern, von de-nen einige wieder an Schule und Internat als Lehr-kräfte und Erzieher zurückgekehrt sind. Im Herbsttreten erneut ein Mädchen und ein junger Mannins Noviziat in Stará Halic bzw. in Rom ein.Neben der Hl. Eucharistie und der Anbetung sindzwei der geistigen Säulen, auf denen das Gymna-sium seit Beginn ruht, der Rosenkranz und dieWeihe an die Gottesmutter. Bereits im Oktober1991, nur einen Monat nach der Schuleröffnung,luden unsere drei Missionare zum wöchentlichen

Beginn unsererOstmission

Seit den Anfängen der Gemeinschaft ist unser missionarisches Bemühenauf ein weltweites Apostolat ausgerichtet. Als sich mit dem unerwarteten

Zusammenbruch des atheistischen Kommunismus das Tor zur Ostmission öffneteund Papst Johannes Paul II. zur „Neuevangelisierung der Länder des Ostens“

aufrief, führte unser erster Weg in die Slowakei, in die Stadt Nitra.

„Studentenrosenkranz“ ein. Von da an kamen biszu 120 Gymnasiasten, auch der tiefgläubige Di-rektor, Lehrer, ja sogar Putzfrauen und Köchinnender Schule. Nach sieben Unterrichtsstunden wur-de auf Bänken, Stühlen und auf dem Boden sit-zend gebetet und gesungen, und bis heute erlebendie Schüler: „Was unsere Schule trägt, ist dasGebet!“Dann begannen unsere drei Missionare sichmanchmal auch am Wochenende mit den Schülernzu treffen, um über verschiedene wichtige The-men wie z. B. christliche Ehevorbereitung zu spre-chen, mit ihnen zu singen und zu beten.Mit besonderer Freude durften sie bereits im ers-ten Jahr die gesamte Schule auf die Weihe an dieGottesmutter vorbereiten, die sie alle zusammenmit Kardinal Korec am 8. Dezember in der Ka-thedrale beteten. Bis heute erneuert die Schulediese Weihe immer am Immaculatafest.

Zur beliebten Tradition ist das jährlicheZeltlager im Garten unseres Mutterhauses in StaráHalic geworden. Von Anfang an war das Freizeit-programm wie „Olympiade“, Ausflug, Gruppen-arbeit, Zeugnisse, Theater, Lagerfeuer … stets ein-gebettet in Gebet, tägliches Hl. Messopfer, Beicht-gelegenheit und in die beliebte Nachtanbetung.Dadurch entsteht immer eine sehr schöne familiä-re, geistige Atmosphäre. Zum krönenden Abschlussweihen sich dann alle der Gottesmutter. Schön ist,dass inzwischen auch unsere slowakischen Pries-ter und Schwestern, die früher selbst als Gymna-siasten daran teilgenommen hatten, das Zeltlagerbetreuen.

4

ˆ

ˆ

Waren es beim ersten Zeltlager 50,so kommen nun jährlich über 100 Schüler,

die lachend sagen:„Wir wollen unsere ‚geistige Batterie‘

neu aufladen.“

Oktober 1991: Die Anfängedes beliebten „Studentenrosenkranzes“.

Vorne von links nach rechts:Sr. Veronika, Sr. Chiara und Sr. Mária Marthe

als Gymnasiastinnen

Unser Aufgabenbereich hat sich nun im Lau-fe von 16 Jahren ausgeweitet, und heute nennenwir elf Schwestern unsere Missionsstation manch-mal scherzend ein „pädagogisches Haus“. Denndie meisten von uns unterrichten als Lehrerinnenan der kirchlichen Grundschule der hll. Svoradund Benedikt und am Gymnasium oder sind alsErzieherinnen im Hort und im Internat tätig (vgl.

Triumph des Herzens Nr. 75). Zwei Schwestern ab-solvieren gerade ein Theologie-Fernstudium. Daunser Haus zu klein wurde, bekamen wir Wohn-container, und seit 2007 steht im Garten eine ge-räumige Kapelle für pastorale Zwecke.

Gerne erzählen wir noch kurz etwas aus unseremabwechslungsreichen Alltag: In den ersten Mona-ten eines neuen Schuljahres schenken wir den Kin-dern und Jugendlichen der Anfängerklassen immerdie Wundertätige Medaille, damit wirklich jederder Gottesmutter anvertraut ist. Jeden Tag begin-nen wir mit dem Morgengebet durch den Schul-rundfunk, und in der großen Pause sind Groß undKlein zu einem gemeinsamen Rosenkranzgeheim-nis in die Kapelle eingeladen. Jeden Donnerstagist eine kurze Anbetung vor dem Allerheiligsten,und am Freitagmorgen feiert unser Schulkaplandie Hl. Messe.In der Abiturzeit gestalten unsere Abiturienten vorihrem letzten Schultag als Ausdruck ihrer Dank-barkeit immer eine Anbetung, zu der alle einge-laden sind. In der Prüfungswoche sind sie dannihrerseits froh über die gute „Erfindung“, dass die

jüngeren Mitschüler für sietagsüber abwechselnd jeeine halbe Stunde anbeten.Zu unserer Freude wird baldein Neupriester unserer Ge-meinschaft als „Kinder-kaplan“ in der Grundschulewirken. Am Donnerstagnach-mittag kommen dort manch-mal bis zu 100 Kinder zumRosenkranz. Es wird gesun-gen, ein Geheimnis gebetet,und dann erzählen wirSchwestern etwas aus demLeben Jesu oder der Heili-

gen. An den anderen Tagen unterbrechen unsereKinder um 3.00 Uhr am Nachmittag ihr Spiel aufdem Schulhof, um sich mit uns im Kreis zu setzenund „unser“ Barmherzigkeitsrosenkranz-Geheim-nis zu beten. Das dauert nur zwei Minuten.Manchmal ist es ihnen zu kurz, und dann betenwir ein zweites.

Im Internat kümmern sich vier von unsSchwestern zusammen mit einem Erzieher um dieca. 80 Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren.Wenn wir uns noch vor wenigen Jahren alsGymnasiastinnen im Internat die erziehendenSchwestern der Familie Mariens zur mütterlichenFreundin wünschten, so versuchen wir, dies nunselbst für unsere Schüler zu sein. Immer wiederbesuchen uns „Ehemalige“, die inzwischen an derUniversität studieren oder schon im Berufslebenstehen.Außerhalb der Studienzeit bieten wir unseren „In-ternatlern“ auch sportliche, bildnerische und mu-sikalische Aktivitäten an - bunte Abende mit Tanzdürfen dabei nicht fehlen! Regelmäßig besuchenwir gemeinsam alte Menschen, behinderte Kin-der oder Frauen im Gefängnis.Sich Zeit nehmen für andere ist für viele einebesonders wichtige Erfahrung - auch für später,wenn sie einmal verheiratet sind! Zeit nehmen wiruns aber auch für Gott: bei der Hl. Messe undbeim täglichen Abendgebet in der Internatskapelle.Das alles ist natürlich freiwillig, versteht sich!

6NITRA

Im Gründungsjahr 1991 begann für das bi-schöfliche Gymnasium auch die Tradition desTheaterspiels. Unsere drei Missionare von damalsübten erstmals mit den Schülern im Dezember eingroßes Weihnachtsspiel nach österreichischemBrauch ein, was in der Slowakei völlig neuartigwar! Zu sechs ausverkauften Vorstellungen in derPiaristenkirche kam nicht nur S. E. Kardinal Ko-rec, sondern sogar Kinder aus Tschernobyl. Seithergibt es das beliebte Weihnachtsspiel alle drei Jah-re. Heute leiten wir Schwestern es, die wir 1991selbst als Schülerinnen mitgespielt haben.In der Fastenzeit 2004 führten wir erstmals einSchauspiel über christliche Märtyrer auf, ein so-genanntes „Martyrologium“, und in diesem Jahrkam uns die Idee, ein österliches Schauspiel ein-zuüben: „Die Frau des Pilatus“ nach der gleich-namigen Novelle der deutschen SchriftstellerinGertrud von Le Fort. Es ist dies die Geschichtevon Claudia Procula, der Frau des römischenStatthalters Pilatus, die sieht, wie Jesus als Dor-nengekrönter ihren Mann und danach auch sieselbst voll barmherziger Liebe anblickt.Innerhalb eines Monats entstand aus dieser Er-zählung ein eindrückliches Theaterstück, das 150Gymnasiasten erstmals auf einer richtigen Theater-bühne aufführen durften - das war auch für unsSchwestern neu. Alle halfen zusammen: Es wurdegeprobt, Lieder komponiert, die unsere „Dirigen-tenschwester“ gemeinsam mit dem Erzieher Mi-roslav Sevcík, dem Chor und den Musikern ein-studierte. Schulkaplan Radoslav Gazdík entfalte-te seine Begabung als Kulissenbauer, Kunst-fotograf und Grafiker. 20 fleißige Schülerinnen„zauberten“ unter Anleitung unserer „Nähschwes-

ter“ Kostüme, Schmuck, Waffen und Requisiten.Im Spiel gab es auch mehrere Tänze, deren Cho-reographie sich eine Schülerin, die Balletttänze-rin ist, ausgedacht hatte und mit drei Mädchen-gruppen einstudierte. Die Schüler machten bis zurAudio- und Lichttechnik alles selbst und schaff-ten es sogar noch, in derselben Zeit ihr Abitur zumachen!

Zu unserer Überraschung waren bereitsnach vier Tagen - noch bevor die erste Auffüh-rung stattgefunden hatte - alle Karten ausverkauft.Aufgrund der großen Nachfrage durften wir dannsogar noch eine vierte Vorstellung geben. Nachder Generalprobe kam eine Angestellte des Thea-ters mit Tränen in den Augen und sagte: „Ses-tricky, Schwestern, ich wollte nur ein paarMinuten zuschauen. Doch dann habe ich daserste Lied gehört. Es war so ergreifend, undich musste bleiben bis zum Schluss! Daswerde ich nie vergessen!“ Ja, die 2000 Zu-schauer waren berührt - nicht zuletzt auch S. E.Ján Chryzostom Kardinal Korec, der Bischof vonNitra, Viliam Judák, und Weihbischof MariánChovanec.Vor jeder Aufführung beteten die Schüler als spi-rituelle Vorbereitung ein Rosenkranzgeheimnis.Auf diese Weise entstand spürbarer Friede undEinheit unter den Schauspielern. Keiner „produ-zierte“ sich selbst, und darum konnte Gott durchdie Darsteller wirken, so dass die zentrale Bot-schaft des Theaterstückes vom Publikum verstan-den wurde: Nur die barmherzige Liebe verwan-delt das Herz des Menschen.

ˆ

ˆ ˆ

ˆ

Der Redakteur des regionalen Fernsehens,Josef Jurík, schrieb in einer E-Mail an Prof. KarolZák, den Direktor des Gymnasiums:„Es ist für mich nicht üblich, mich zu denVorstellungen, die ich filme, zu äußern, aberzu der gestrigen muss ich es tun. Ich warangenehm überrascht, dass die Schüler soschön gespielt haben. Das Spiel hatte denrichtigen emotionalen Funken, und es warnicht kitschig. Ich blieb bis zum Schluss, dennes hat mich gefesselt. Ein Theaterstück mit150 Schülern einzuüben ist nicht einfach, aberin diesem Fall ist es gelungen.Nehmen Sie diese Worte als meine Meinung, meinen Eindruck undgleichzeitig als mein Lob für die Mitwirkenden. Sie gehen nicht in dieKneipe, nehmen keine Drogen und spielen nicht mit Automaten, son-dern sie haben Texte gelernt und sich bemüht, die Ereignisse von vor2000 Jahren zu vergegenwärtigen. Danke.“

Eine Professorin,die bei fast allenProben dabei war,sagte glücklich: „Obwohl ich zuHause in meinerFamilie kaum et-was geschmücktund vorbereitethabe, bin ich sogut auf Osternvorbereitet wienoch nie!“

NITRA

ˆ

MutterhausMutterhausSeit dem 8. Dezember 1993 ist das klei-ne Dorf Stará Halic in der Mittelslowakeimit kaum mehr als 600 Einwohnern nichtmehr das unbekannteste in der Slowakei.Die Bewohner haben sichtlich Freude, inden letzten 14 Jahren jungen Menschen aus16 Nationen für einige Zeit Heimat gege-ben zu haben. Als die ersten Schwestern un-serer Gemeinschaft mitten in der Nachtnach mehreren Verirrungen diesen kleinenOrt endlich fanden, fiel der Schnee in gro-ßen Flocken vom Himmel. Und so began-nen wir.Alles war einfach, ja ärmlich, und wir be-zogen zuerst zwei Zimmer im Pfarrhaus,bevor wir dann jahrelang auf unserer„Baustelle“ lebten. Dank der tatkräftigenHilfe unserer Freunde aus der Heimat istinzwischen aus dem alten Haus mit dreiZimmern ein schönes Mutterhaus gewor-den, aus dem in den letzten zehn Jahren 105Schwestern hervorgegangen sind.„Was macht ihr denn den ganzen Tag?“, istwohl eine der am häufigsten gestellten Fra-gen. Lassen wir sie uns vom hl. MaximilianKolbe beantworten: „Noviziat heißt, den al-

ten Menschen ausziehen und den neuen an-ziehen.“ Genau darum bemühen wir uns,wenn wir den Tagesplan leben, der von 6.00Uhr am Morgen bis um 21.00 Uhr amAbend abwechselt zwischen Gebet, Studi-um und Hausarbeit, missionarischen Auf-gaben und unerwarteten Ereignissen (vgl. Tri-

umph des Herzens Nr. 20). Es ist eine große He-rausforderung, die da an die jungen Men-schen gestellt wird. Waren sie doch ge-wohnt, ihre Zeit selbst einzuteilen und ihrLeben nach eigenen Maßstäben zu leben.

All das, was auf eine Schwester imMissionsalltag zukommt - und das ist viel-fältiger, als man es in wenigen Worten be-schreiben könnte -, muss hier gelernt wer-den: kochen, waschen, putzen, bügeln, auf-räumen, Gartenarbeit für Blumen, Obstoder Gemüse und für über 30 Leute einkau-fen gehen; den Armen, die an die Pfortekommen, einfühlsam helfen oder neugie-rigen Besuchern freundlich Rede und Ant-wort stehen. Mit ein paar Schnappschüssenmöchten wir es Euch illustrieren.

S

A

MUTTERHAUS

ˆ

MUTTERHAUS

AnbetungDa es zum Innersten unserer Spiritualitätgehört, in besonderer Weise für die Heili-gung der Priester zu beten, ist im Mutter-haus Tag und Nacht Anbetung. In der Hl.Stunde, von 15.00-16.00 Uhr, meditierenwir den Kreuzweg, beten den Barmherzig-keitsrosenkranz und betrachten Worte desHerrn an die hl. Faustyna.

KrankenkommunionEine besondere Freude unter den missionarischen Aufgaben istes, wenn wir älteren und kranken Menschen die Hl. Kommunionbringen dürfen. Da sind eigentlich immer wir die Beschenkten.

Unterricht „Was man nicht kennt, kann man nicht lieben“, heißt es. DieNovizinnen bemühen sich deshalb, die Heilige Schrift, die Glau-benslehre der Kirche und das Leben der Heiligen gut kennenzu-

lernen. Die täglichen Vorträgevon Mutter Agnes, die ausgebil-dete Religionspädagogin ist, sindsehr beliebt. Aber auch dasSprachstudium ist geschätzt undwird ernst genommen, alleinschon deshalb, weil man sichsonst mit manchen Mitschwes-tern nicht unterhalten kann.

Kirchenschmuck und LiturgieWir möchten nicht nur an kirchli-chen Festtagen, sondern auch beiHochzeiten und Taufen die Kir-che festlich schmücken und durchschöne musikalische Gestaltungder Liturgie den Menschen etwas

von der Liebe Gottes vermitteln. Denn beisolchen Anlässen erreicht man immerauch Familienmitglieder, die sonst nichtzur Kirche gehen.Häufig bitten uns Kinder und Jugendliche,ihnen Gitarren- oder Orgelunterricht zu er-teilen oder ihnen Nachhilfeunterricht inSprachen zu geben.

Kindermesse, KinderfesteSchon seit mehreren Jahren kommen an jedemFreitag 80 bis 100 Kinder zur Kindermesse - diemeisten von ihnen aus den zur Pfarrei gehörigenDörfern. Wegen der schlechten Verkehrsverbin-dungen müssen viele von ihnen abgeholt undwieder nach Hause gebracht werden. Mehrmalsim Jahr gibt es kleine Feste für die Kinder, beidenen wir ihnen mit nützlichen Dingen, diewir von Euch Wohltätern geschenkt bekom-men haben, Freude bereiten können.Die wöchentlichen Kinder- und Jugend-treffen sollen den uns Anvertrauten nichtnur zeigen, wie man Freizeit sinnvoll ge-stalten kann.Vor allem möchten wir ihnen helfen, dieVersuchungen der Welt mit ihren falschenVersprechungen als Scheinglück zu entlar-ven und durch das christliche Lebensidealeinmal eine glückliche Familie zu gründen.Deshalb empfinden wir es auch als ein Ge-schenk, unseren Kindern Religionsunter-richt erteilen zu dürfen, weil wir sie aufdiese Weise schon von klein auf zu Gottführen können.

AbholdiensteÄlteren Menschen mit Selbstverständlichkeitkleinere Liebesdienste erweisen, sie täglichzur Hl. Messe abholen oder, wenn notwen-dig, ins Krankenhaus bringen, bereitet die No-vizinnen auf ihr zukünftiges missionarischesWirken vor. Denn in jeder Mission geht esletztlich nur darum: sich selbst zu verschen-ken.

Büro, ZeitschriftMehrere Schwestern arbeiten im Büro fürdie slowakische Ausgabe unserer Mis-sionszeitschrift „Triumph des Herzens“.Ein echtes Apostolat. Denn über 10 000Leser aus allen Diözesen der Slowakeiwerden da betreut, die uns brieflich odertelefonisch Kummer und Nöte, Gebets-anliegen und Freuden anvertrauen.

Bauen

Seit unserer Ankunft in Stará Halic sindwir am Bauen. Zuerst galt es, das alteBauernhaus in ein Mutterhaus umzufunktionieren. Dazu benötigten wir eine Werkstatt.Dann standen wir in einem Herbst Jahre später vor der Tatsache, dass wir nicht genügendZimmer für die neuen Berufenen hatten. So waren wir gezwungen, mit Hilfe von Wohn-containern rasch Abhilfe zu schaffen. Sie wurden von unseren Freunden schön mit Holzverkleidet und wirken dadurch so einladend, dass Touristen nicht selten fragen, ob sie imSommer so ein Häuschen mieten könnten.

Sport und Spiel

Fit halten uns schon unsereKinder, die jeden Tag kommen,aber es gibt auch, wenn mög-lich, einmal in der Woche ei-nen Sportnachmittag. Da gehtes aber nicht nur um das „Spor-teln“, sondern auch um dasAusprobieren von neuen Spie-len, die wir dann wieder fürunsere Kindertreffen brau-chen.

Mutter Agnes hat Schnee besonders gern,denn während der Jahre ihres Studiums

verdiente sie sich als Skilehrerinihr Taschengeld.

MUTTERHAUS

ˆ

Als Nächstes folgte der Bau eines kleinen Pastoralzen-trums, das uns sehr für die Kinder- und Jugendtreffen dient,und in dem wir auch verschiedene Projekte wie z. B.

Nähkurse für unsere größeren Roma-Mädchen anbieten können. Und in einigen Wochen wird einJugendlehrraum fertiggestellt, den wir vor allem für künstlerische Arbeiten wie Ver-golden, Malen, Kerzen verzieren usw. benötigen.

RomamissionNur vier Autostunden von Wien entfernt begegnetman in vielen Dörfern immer noch großer Armut,die, je weiter man in den Osten fährt, umso sicht-barer wird. Mit dem EU-Beitritt der Slowakei hatsich für viele, vor allem für die Armen, nichtsgeändert. Im Gegenteil, für sie wird es immerschwieriger. Dabei ist die Armut noch armseli-ger, als man sie auf Fotos zeigen kann. Es ist janicht nur der äußere Mangel an Lebensnotwendi-gem, sondern vor allem die Hoffnungslosigkeit,die sich in vielen Gesichtern widerspiegelt.So klopfen immer mehr Menschen an unsere Türe:Obdachlose, die gehört haben, dass man imSchwesternhaus immer etwas zu essen bekommt,ebenso wie Roma, die in ihren verwahrlostenHütten ein bemitleidenswertes Leben führen.Manche von ihnen kennen wir sehr gut, besser ge-sagt, sie sind unsere Freunde geworden, da sieregelmäßig um Hilfe bitten. Da ist z. B. unsereBoschena, eigentlich eine herzensgute Person,doch leider gegen Ende des Monats oft betrunken.In all ihren Sorgen kommt sie zu uns und klagt derfür die Pforte verantwortlichen Schwester ihrLeid. Unsere Sr. Lidwina ist für solche Fälle tat-sächlich die Richtige. „Sie ist wirklich meineMama“, sagt die 40-jährige Frau über unsere jun-ge Lidwina. „Ich hatte ja keine Mama, aber

sie gibt mir immer all das, was mirmeine Mama gegeben hätte.“ Getröstetund zufrieden geht sie nach Hause.Eine andere liebe Freundin ist die 42-jähri-ge Joschka. Mit fünf Jahren von einer Roma-Familie adoptiert, arbeitet sie dort als Magddes Hauses. In ihrer unglaublichen Beschei-denheit ist sie mit ihrem Los zufrieden. Allepaar Jahre gibt es neue Schuhe oder etwasNeues zum Anziehen. Tag für Tag ist sie mitihrem „Leiterwagerl“ unterwegs, um die ge-sammelten Kostbarkeiten - im Grunde ge-nommen lauter Gerümpel - nach Hause zubringen. Wenn sie Geburtstag oder Namens-tag hat, darf sie sich von uns etwas Beson-deres wünschen. Aber alles, was sie an ih-rem diesjährigen Namenstag erbat, war ein

Horalky, das ist eine Waffel mit Haselnussfüllung.Wir freuen uns, dass wir mit vielen Roma-Fami-lien in liebevoller Freundschaft leben, weil diesdie Vermittlung des Glaubens erleichtert. DieNächstenliebe und christliche Hoffnung sind letzt-lich der einzige Weg, sie aus dem Elend heraus-zuführen. Deshalb brauchen wir auch nie Angst zuhaben, von ihnen bestohlen zu werden. Eher kannes vorkommen, dass man ein Kompliment be-kommt: „Schwester, Sie sind so gut! Schade,dass Sie keine Zigeunerin sind.“

Nach der dreijährigen Formungszeit ent-scheidet sich dann so manche Schwester, ein Stu-dium zu absolvieren. In diesem Jahr hat z. B. un-sere Sr. Agáta ihr Theologiestudium mit Auszeich-nung abgeschlossen. Sie wird ab Herbst in NitraReligion unterrichten. Im Oktober 2007 werdenvier weitere Schwestern ein Hochschulstudiumbeginnen.Das Formungshaus, in dem man in einer drei-jährigen Formungszeit auf die spätere Tätigkeitals Schwester vorbereitet wird, dient uns aberzugleich auch als Mutterhaus, das jenen Schwes-tern immer wieder Heimat sein soll, die sich hierein wenig erholen möchten.

Sr. Lidwina und Boschena

16MUTTERHAUS

18

Alexejevka

Hier betreuen wir Missionare der „Fami-lie Mariens“ in der Teilrepublik Baschkortostanseit 1994 die zwei einzigen registrierten Pfarrei-en Alexejevka am Ural und die 80 km entferntePfarrei „Kreuzerhöhung“ in der MillionenstadtUfa, wo Sekten oft ganze Stadien füllen. UnserPfarrgebiet ist so groß wie die Schweiz, und imJahr legen wir leicht an die 50 000 km zurück, umalle dazugehörigen Dörfer regelmäßig seelsorg-

„Russland hat sich bis heute nicht bekehrt. Religionsfreiheit und Wiederbelebung kirch-licher Rituale dürfen nicht darüber hinwegtäuschen“, schrieb der 45-jährige BischofClemens Pickel im Mai 2007 in einem Brief an den Katholischen Nachrichtendienst imInternet. Seine Diözese St. Clemens/Saratov, der südliche Teil des europäischen Russ-lands, ist 34-mal so groß wie die Schweiz, oder so groß wie Deutschland, Frankreichund Spanien zusammen. Dort leben jedoch nur 21.000 Katholiken. Er schrieb weiter:„Im Blick auf inzwischen fast 17 Jahre Erfahrung im Land muss ich sagen: Es ist für diejungen Priester und Ordensleute, die dem Ruf des Herrn hierher gefolgt sind, schwerergeworden. Russland wird ein immer teureres Land. Wir erleben das in den Pfarreien,wenn es um Rechnungen geht, wenn wir Veranstaltungen planen oder gar bauen müs-sen ... Ich kann den häufigen Bettelpredigtreisen meiner Pfarrer nichts entgegenhalten,auch wenn die Gemeinden unter der Abwesenheit ihrer Seelsorger leiden wie eine Fami-lie unter der Abwesenheit des Vaters.“

lich betreuen zu können. Wenn man bedenkt, dassder Erdumfang am Äquator 40 000 km beträgt, soentsprechen unsere jährlichen Fahrten einer „lan-gen Weltreise“.In der Hauptstadt Ufa wurde 1996 in einer Hoch-hauswohnung eine geräumige Kapelle feierlicheingeweiht. Anfangs zählte unsere katholische Ge-meinde nur acht Katholiken. Da war z. B. die 92-jährige Elisabetha Andreevna Dajtche (vgl. Triumph

Elisabetha Andreevna Dajtche

19

Mit 14 Ministranten unseres Dekanats im Alter von sieben bis 27 Jahren wurde im August letzten Jahreserstmalig bei uns in Alexejevka ein Ministrantentreffen veranstaltet. Zu unser aller Freude war auch

S. E. Bischof Clemens Pickel gekommen, um daran teilzunehmen.

des Herzens Nr. 20) mit ihrem größten Schatz, einemStapel handgeschriebener Gebetbücher. 1941 alsDeutsche aus der Ukraine deportiert, wurde sieim Norden Kasachstans einfach ausgesetzt, „wodie Wölf’ noch g’sprungen sind“. Ihr Mannwar vorher schon nach Sibirien in ein Arbeits-lager verschleppt worden und verschollen. Er hatteihr von dort aus früher geschrieben: „Bei -60°Csind in dieser menschenleeren Gegend 500Menschen losmarschiert. Nur 70 sindan’kommen.“ Selten begegneten wir einem Men-schen mit solchem Gottvertrauen!

In Alexejevka entstand 1995 unsere blaueHolzpfarrkirche „Maria Aufnahme in den Him-mel“. Was das für Gläubige in einem Land bedeu-tet, wo Kirchen oft Hunderte oder gar 1000 kmvoneinander entfernt liegen, kann man wohlschwer nachempfinden! Die Kirche wurde durchdie ehrenamtlichen „Kirchenbauer“ des Hilfswer-kes „Kirchen für den Osten e. V.“ errichtet, dasseinerseits finanzielle Unterstützung von zahllo-sen Freunden und dem bischöflichen Hilfswerk

„Renovabis“ erhält. Dank zahlreicher Freiwilli-ger aus der Heimat steht nun bei uns auch ein neuesBrüder- und Schwesternhaus mit Kapelle, woDekanatstreffen und Exerzitien für Priester,Schwestern, Jugendliche und Ministranten statt-finden.Jedes Jahr freuen sich die Buben und Mädchenauf das sogenannte Sommerlager „Ferien mit Gott“.Im Kinderhaus, das im Winter als Suppenküchedient, gibt es für unsere armen Kinder das oft ein-zige Essen am Tag. Bei Besuchen in Alten-, Kin-der- und Waisenheimen dürfen wir auch immerdurch materielle Güter helfen.In den letzten Jahren hat sich unsere Pfarrei Alexe-jevka sehr verändert, denn der Großteil unsererdeutschen Katholiken ist ausgereist. Ihre Häuserkauften Baschkiren, Russen und Tataren, diegroßteils konfessionslos und ohne Interesse amGlauben sind. So sehen wir es immer mehr alsunsere Hauptaufgabe, uns der Kinder und Jugend-lichen anzunehmen, die zwar in einem Land vonMärtyrern und Bekennern aufwachsen, aber umso mehr bedroht sind von Alkoholismus und Kri-minalität.

ALEXEJEVKA

Als Anfang der 90er Jahre einer unserer Priester aufder Suche nach Katholiken zum ersten Mal in das Dorf Urussuin Tatarstan kam, war das für die deutschstämmige, 80-jähri-

ge Babuschka Ursula Feser, „wie wenn der Herrgott selbergekommen wär’. Hab’ ich doch nur in meiner frühen Kind-

heit die Gnad’ gehabt, einen Priester zu seh’n. Dann 60Jahr’ nicht mehr. Meine Mutter hat in der schweren

Zeit so d’rauf g’hofft, vor dem Sterben noch beieinem Priester zu beichten, und sie musst’ ohne die-sen Trost sterben. Nie hätt’ ich mir gedacht, dassich’s noch erleben werd’, einen Priester zu seh’n!“Bis zu ihrer Erkrankung rechnete sie es sich alsEhre an, den „Pater“ und die Gläubigen zur Hl.Messe in ihr Haus aufzunehmen. Selbst ihr Ehe-mann, ein Muslim, begann mit der Zeit auf sei-ner Gebetsschnur mitzubeten.Babuschka Ursula hat in ihrem Leben viel ge-litten und gebetet. Ja, eigentlich betet sie stän-

dig, und ganz besonders gern betet sie für „ihre Pater“. Bei jedem Besuch wiederholt siezufrieden: „Ich will gar nichts mehr auf derer Welt, nur des eine: Gott und die Kerch’ und diePater.“ Und diese Worte sind Ursula Feser in ihr liebes Gesicht geschrieben.

ABabuschkaUrsulaBabuschkaUrsula

Unerwarteter Trost

Gewöhnlich geht man in die Mission

Unerwarteter Trost

Erzählt von P. Johannes Nepomuk

mit dem Wunsch, etwas für dasReich Gottes aufzubauen und etwas zumBesseren zu verändern. Dabei vergisst manallzu leicht, dass die wichtigste Missionimmer bei uns selbst beginnt; d. h. zuerstsollten wir uns selbst zum Besseren verän-dern! Gott schaut nämlich auf das Herz,auf unsere Gesinnung, auf die Liebe und

die gute Absicht, und nicht zuerst auf äu-ßere Leistungen, wie die Welt es tut. Eigent-lich wissen wir Missionare das, aber wiein jedem Leben, gibt es auch für uns manch-mal „trockene“ Zeiten, in denen man al-lein aus dem Glauben heraus seinen Weggehen muss. In diesem Ringen lässt uns derHerr jedoch nie allein. Das habe ich z. B.im Winter 2004 erlebt.

G

ALEXEJEVKA

Bei uns in Baschkortostan ist derWinter lang und sehr kalt mit Temperatu-ren bis unter -40°C. Im Oktober beginnt esschon zu schneien, und manchmal liegt derSchnee fast bis in den Mai hinein. Alleindas ist nicht immer leicht zu ertragen. Mirwar zudem eine Zeitlang innerlich sehrschwer. Mir schien, ich bekomme von denGläubigen und Mitarbeitern nicht das, wasich in meiner begrenzten Vorstellung er-wartet hatte. Immer öfter ertappte ich michbeim Gedanken: „Ach was, es ist doch bes-ser, diese Mission überhaupt aufzugeben. Eshat doch keinen Sinn.“Entmutigt wie ich war, fehlte mir nur nochder Mut, zum Hörer zu greifen und diesmeinem geistigen Vater zu sagen. Gott aberhatte sich schon einen ganz besonderenTrost für mich „ausgedacht“: An einem

Wintertag im Februar, es war bei der stil-len Messvorbereitung, ging plötzlich dieKirchentüre auf, und es kam ganz unerwar-tet eine Gruppe Kinder herein; lauter be-kannte Gesichter, fünf, sechs Kinder vomNachbardorf ! Ihre Augen waren so vollFreude und Erwartung, als wollten sie sa-gen: „Schau nur, jetzt sind wir da!“ Das Er-staunlichste aber war, dass die Kinder beieisiger Kälte sechs Kilometer zu Fuß durchden Schnee gestapft waren!Ja, das war ein großer Trost zur rechtenZeit! Und als hätte mir diese einmaligeÜberraschung noch nicht genügt, wieder-holte sich der anstrengende Kirchenbesuchmeiner Pfarrkinder in den folgenden Ta-gen noch einige Male. Selbstverständlichbrachte ich die Kinder jedes Mal nach derHl. Messe mit dem Auto nach Hause.

B

Weihnachten ist auch für unsere Kinder immerein ganz besonderes Erlebnis.

ALEXEJEVKA

Unter dem Schutz Johannes Pauls II.

Wenn die Kinder zum ersten Mal zu unskommen, sind sie vielfach unterernährt undschlecht gekleidet. Vor allem aber sind sie arman Zuwendung und Liebe vonseiten der Eltern,die leider oft dem Alkohol verfallen sind. Zu Hausesehen und erleben sie Dinge, die sie zutiefst ver-letzen, ja manchmal krank werden lassen. So istes kein Wunder, dass sie möglichst lange auf derStraße bleiben und nur zum Schlafen heimgehen.Umso lieber kommen sie dann zu uns zum Spie-len in unser Kinderhaus und zum Essen in dieSuppenküche.Einer von ihnen ist Maxim. Er ist jetzt 15 Jahrealt, wurde in der Missionsstation getauft und emp-fing auch die Hl. Erstkommunion durch P. Jo-hannes. Seine Mutter, eine Muslimin, und auchsein Vater, der so gewalttätig ist, dass sogar diePolizei Angst vor ihm hat, sind beide Alkoholi-ker. Auch Maxims 19-jähriger Bruder ist leiderviel zu oft betrunken.Als die Mama für lange Zeit zur Arbeit nachSibirien musste, sah ich, wie sie Maxim trotz al-lem sehr fehlte. Er wurde noch schwieriger, undalle begannen unter seiner unberechenbaren Artzu leiden. Welch großer Kampf spielte sich immerwieder in ihm ab! Einerseits war er Ministrantund wollte am Zeltlager, den sogenannten „Buben-tagen“, teilnehmen. Andererseits stellte er dieschlimmsten Dinge an. Mir schien, er wollte ein-fach nur um jeden Preis auffallen, damit man ihnbeachtet und liebt. Doch seine Methoden warenwirklich provokant! Er machte unseren Zaun ka-putt, riss die Blumen um die Kirche aus, zertram-pelte die Beete, stahl Obst und randalierte nichtnur einmal die ganze Nacht um das Haus.

Missionsbruder Martin Johannes, der im Studienhaus in Rom seinen Dienst tut,wurde schon fünfmal in die Mission „ausgeliehen“; das letzte Mal sogar

für ein halbes Jahr. Das ist ihm aber ganz recht, denn wie er immer so schön sagt:„Mein Herz gehört der Gottesmutter, und dann gleich meinen Kindern in der Mission

von Alexejevka.“ Von diesen „seinen Kindern“ erzählt er uns jetzt ein wenig.

Doch nicht genug damit! In seiner Aggressivitätverführte Maxim auch andere Jugendliche aus demDorf zum Bösen. Sie machten mit, weil sie ganzeinfach Angst hatten vor ihm und seinen starkenFäusten. So waren sie auch mit dabei, als Maximunsere Kirche außen beschmierte und mit Steinenbewarf.Danach kam er jedoch jedes Mal zur Hl. Beichte,so dass P. Johannes ihn immer wieder bei uns auf-nahm. Auch mir gegenüber gab er aufrichtig undohne Beschönigung zu, dass er sich unmöglich be-nommen hatte.

Da ich Maxim mit der Zeit besser kennen-gelernt hatte, versuchte ich immer wieder, ihm einFreund zu sein, geduldig und nicht nachtragend.Das war oft gar nicht so leicht, aber was hättesonst geholfen: Angeschrien und geschlagen wur-de er schon genug zu Hause. Also wie ihn zumGuten erziehen, wenn nicht durch Güte? Die mussteich allerdings jedes Mal zuerst im Gebet erbitten,weil ich sie aus mir selbst nicht hatte. Eine guteGelegenheit zur Versöhnung war z. B. auch, wenner im Sommer auf dem geliehenen Pferd „Malisch“von der Kolchose zu uns herüberritt. Dort half erin den Ferien als Hirte. Ohne viele Worte tausch-ten wir: Er lieh mir sein Pferd und ich ihm dasFahrrad. Und los ging’s!Im Februar 2007 starb dann Maxims Mutter in-nerhalb von drei Tagen an Leberzirrhose. Ihr Sohnreagierte wie ein Stein, keine Träne, keine Klage,nichts! Total verhärtet, wurde Maxim in ein Heimgebracht, da sein Vater völlig unfähig war, ihn zuerziehen.

22

Ich war bereits seit einem Monat zurück in Rom, da erzählte mir P. Johannes davonam Telefon und sagte: „Martin, ich habe ihn und seine Bekehrung ganz Johannes Paul II.anvertraut.“ Als ich all das hörte, hatte ich großes Mitleid mit Maxim. Er kannte ja nie-manden im Heim, und auch wenn er nach außen keinerlei Gefühlsregung zeigte, litt erbestimmt furchtbar. So entschloss ich mich, zusammen mit meinem Mitbruder Andrejfür ihn eine Wallfahrt zumGrab von Papst JohannesPaul II. zu machen, legtedort ein Foto, das ich vonMaxim auf seinem PferdMalisch (rechts) gemachthatte, auf die Grabplatte nie-der und betete: „Bitte, Heiliger Vater, hilfMaxim, dass er sich bekehrtund dass etwas Gutes aus ihmwird. Er kann es nicht aus sichselbst und auch nicht in die-ser jetzigen Umgebung. Ichvertraue ihn ganz dir an!“Ähnlich hatte ich es auchauf das Foto geschrieben. Eswar 12.00 Uhr am Mittag.Wieder zu Hause, erwartetemich eine Überraschung - ineiner E-Mail von P. Johan-nes stand: „Ich muss dir et-was Schönes erzählen: Umetwa 16.00 Uhr hat Maximaus dem Heim bei unserenSchwestern angerufen, völligunerwartet. Er war ganz liebund hat nach Einzelheiten ge-fragt, wie es bei uns ist, ob die Wege fest verschneit sind etc. So etwas hat er vorher noch niegetan!“ Als ich die Zeitverschiebung ausrechnete, war es genau zu der Zeit, in der ich amGrab von Johannes Paul II. für Maxim gebetet hatte. Welch schönes Zeichen!

I

24

Gerne möchte ich noch vom kleinen Romka

Zwei Kinder von vielen!

Sie stammen aus einer Moslemfamilie, die ausOktjabrsky nach Alexejevka zugezogen ist. Rom-kas Mutter war bei seiner Geburt erst 17 Jahrealt. Sie war trotz ihrer Jugend schon Alkoholikerin,und ohne ein Wort zu sagen, ließ sie ihr Kind ei-nes Tages bei ihrer Mutter zurück. Bis heute istsie verschwunden. So wuchs der Kleine zusam-men mit Liana, der jüngsten Schwester seinerMutter, bei der Großmutter auf. Diese war jedochebenfalls schwere Alkoholikerin, und ihr gewalt-tätiger Lebensgefährte trank genausoviel. ImRausch griff er die Kinder wiederholt an und miss-handelte sie. Am schlimmsten war es, wenn beidebetrunken waren! Dann flüchteten die zwei ver-ängstigten Kleinen oft zu uns.

Ihre Oma war nach solchen Orgiensowieso zwei Tage wie tot, und sonstwar keiner da - wie das hier leideroft vorkommt -, der an die völlig ver-wahrlosten Kinder dachte, für siesorgte oder gar lieb zu ihnen gewe-sen wäre. Manchmal ging es so weit,dass ihre Großmutter einfach dieHaustür abschloss und mit ihremFreund für zwei Tage davonfuhr. Ver-stört liefen Liana und Romka dann zuuns.

Romka war jedes Mal, wenner kam, von Urin durchnässt. Erschlief wohl auch immer in dersel-ben Hose. Wenn er besonders nasswar, schien mir der Dreijährige amzutraulichsten und wollte unbedingtauf meinen Schoß. Natürlich nahm ichden Kleinen auf meine Knie, musstemich aber jedes Mal anschließendganz umziehen.Einmal läutete Liana Sturm. Als ichöffnete, bettelte sie nur: „Willst dumit mir spielen?“ Dabei ahmte sie

erzählen, der mir besonders ans Herz ge-wachsen ist. Er war erst drei Jahre alt, als er zu-sammen mit seiner nur drei Jahre älteren TanteLiana im Frühjahr 2003 zum ersten Mal zu unskam. Ich werde die zwei verängstigten Kinder-gesichter nie vergessen.Wie ein Häufchen Elend standen die beiden voruns: verlaust, voller Krätze, auf und auf schmut-zig und stinkend. Sie bettelten um etwas zu essenund um Unterschlupf. Natürlich sorgten wir fürsie. Zuerst aber wurden die beiden gründlich vonKopf bis Fuß gewaschen, was sie sichtlich ge-nossen. Nach und nach fanden wir dann heraus,wie es um die beiden Kinder stand:

ALEXEJEVKA

Bruder Martin und Romka

25

einen Betrunkenen nach und torkelte hin und her.Ich begriff: Das sollte das Spiel sein! Schockiertnahm ich sie in die Arme und sagte: „Nein, dasspielen wir nicht!“, hob sie auf die Schulternund trug sie wie eine kleine Prinzessin umher.

Als die Zustände bei ihnen zu Hause im Jahr2005 unerträglich wurden, mussten wir es derPolizei melden. Ich erinnere mich noch gut an denTag, als die zwei Kinder ins Kinderheim gebrachtwurden. Es war während der Hl. Messe: Romkaschlief, Liana aber verstand sofort, was es be-deutete, als der Bürgermeister sie holte und derPolizei übergab. Es war schrecklich mit anzuse-hen! Mit Liana weinte die halbe Kirche. Wie gernehätten wir Missionare die beiden bei uns aufge-

nommen, aber die russischen Gesetze erlauben dasnicht.Im Kinderheim hatten es die beiden den Umstän-den entsprechend gut. Doch tat es mir leid, Romkanur mehr selten zu sehen. Als wir einmal für dasHeim Spielsachen brachten, fiel er mir freudig indie Arme und rief: „Mein Freund! MeinFreund!“Wir beteten innig um gute Adoptiveltern für diebeiden, und zu unserer großen Freude wurden wirnoch im selben Jahr erhört: Ein kinderloses Ehe-paar aus unserem Nachbardorf, gute Leute, adop-tierte im Laufe des Jahres 2005 zuerst Romka unddann auch Liana. Nun konnten die zwei Kinderzum ersten Mal in ihrem Leben „Familie“ erle-ben, ein Zuhause und Geborgenheit, die sie so sehrbrauchen.

Vor zwei Jahren war Swetlana mit ihrem Mann und ihren drei Kindern Olga, Konstantin und Anatolij von Kasachstanin unser Dorf Alexejevka gekommen. Durch den schmerzlichen Verlust ihres Mannes, der wenige Monate später starb,

fand sie den Weg zurück zu Gott. Schon bald empfing sie mit ihren Kindern die Hl. Taufe, und dieses Jahr,am Barmherzigkeitssonntag, die Hl. Erstkommunion. Die beiden Jungen sind inzwischen eifrige Ministranten geworden.

Wegen einer stark entzündeten Wunde warich 1966 im Krankenhaus in Ufa. Dort hab ich mit37 Jahr’ den Jörig kenneng’lernt, der oft seine Fraubesuchen kam. Sie hatte einen Kopftumor, und alssie g’storben ist, kam Jörig öfter zu mir. Er wardamals 32 Jahr’ alt.Früher hab’ ich sehr viel um einen guten Ehemanngebetet, aber beim Jörig hab’ ich eigentlich nieans Heiraten gedacht. Auch wenn’s bei mir nichtdie große Lieb’ war, hab’ ich’s doch klar verstan-den, dass Gott es so will, dass ich mit dem Jörignach Beriosovska geh’, wenn ich wieder g’sundbin. Und das war schon „unsere Hochzeit“! OhneKirch’, obwohl der Jörig doch als Kind von derGroßmutter ’tauft worden ist! Eine bittere Hoch-zeit! Hat mir doch mein Mann mit keinem Wörtlvon seinen sieben Kinder g’sprochen, für die’s zusorgen galt! Das Älteste war grad elf Jahr’, unddas Jüngste erst zwei. Und mein Mann hat so oftgetrunken!Von Anfang an durft’ ich meinen Rosenkranz nichtim Haus beten. Der Jörig wollt’ das nicht! So binich viele Jahr’, bei Hitz’ und Kält’, jeden Tag hin-aus in den Kuhstall zum Beten ’gangen. Heimlichtat ich’s nach der Arbeit und konnt’ ohne das Be-ten bald nimmer sein! Ja, alles Schwere hat auchsein Gutes g’habt! Ich bin immer tiefer zum Glau-ben kommen und hab’ gute 40 Jahr’ den Rosen-kranz für den Jörig gebetet, dass er auch zum Herr-gott find’! Als dann in Sergejopo alle zwei Wo-

Das Gebet im Kuhstall

Einmal im Monat besuchen wir auf unseren Fahrten zu den Gläubigendas russlanddeutsche Ehepaar Babuschka Emma und Deduschka Jörig Mumber,

die schon Urgroßeltern sind. Emma (78 J.) stammt aus Alexejevka und Jörig (73 J.)aus dem abgelegenen Beriosovska, wo beide schon seit 41 Jahren leben.Wenn Emma in ihrem starken Dialekt aus ihrem bewegten Leben erzählt,

könnte man darüber ohne Übertreibung ein Buch schreiben.Sie gehört zu jenen Frauen, die ihre Umgebung und zuletzt sogar ihren Mann

durch ihr stilles Beten und jahrelanges Nachgeben verändert haben.Ihren Dialekt haben wir ein wenig „eingedeutscht“.

chen ein Priester für die Hl. Messe kam, hab’ ich’sdoch gewagt, den Jörig zu betteln, ob er mich nichtdoch hinbringen tät’, die 20 km. „So a Unsinn!“,hat er jedes Mal g’sagt, und ist dann ungern, aberdoch immer g’fahren.

Lang ist’s ’gangen, aber in den letzten fünfJahren wurde es langsam besser bei uns: Ich durf-te auf einmal in die Stube zum Beten geh’n. Zuerstging der Fernseher furchtbar laut, aber bald hatJörig den Apparat a bissl leiser g’macht und mitder Zeit ganz ausg’schaltet, wenn ich den Rosen-kranz heraus’zogen hab’. War ich dann beim Be-ten, lag er auf dem Sofa und tat, als würd’ er schla-fen, bis er eines Tages g’meint hat: „Emma, bet’halt ein bissl lauter, damit ich auch washör’!“ Ja, mit Freud’ hab’ ich seitdem recht lautgebetet in unser beider Namen, denn der Jörig hörtja nimmer gut. Und weil ich fast blind bin, hat’sGott bei uns Eheleut’ jetzt im Alter so g’macht,dass der eine ohne den andern nimmer sein kann.Auch wenn es sich schon fest gebessert hat mitdem Jörig, mitbeten wollt’ er nie und hat nur je-des Mal g’meint: ‚Ich bin ja zusammen mit demChristkind geboren, das ist ja wie eine Ga-rantie, dass ich in den Himmel komm’.‘ Abera Kreuzl von mir hat er doch ang’nommen. Erträgt’s um den Hals, und wenn er’s verlegt, ist erunruhig, bis er’s wieder g’funden hat.“

26ALEXEJEVKA

Da es Jörig im Mai 2007 gesundheitlichsehr schlecht ging,

bat er bei unserem letzten Besuchum die Krankensalbung.

„Glauben musst’ haben, sagt der Pater!“,kam die Aufforderung vonseiten

seiner fast blinden Emma.„Ja meinst du denn, ich glaub’ net?“,

kam es zurück.Als ihm P. Johannes das Sakrament

spendete, weinte Jörig sogar.Zum allerersten Mal betete er dann

mit seiner Frau ein „Vaterunser“.Beide waren gerührt,

und Emma sagte froh: „Wie lang’ hab ich schon gebet’, dass sich das einmal ergibt.“

D

„Der Herr, der dich von Sünden befreit, rette dich, in Seiner Gnade richte Er dich auf.“Sakramentale Worte der Krankensalbung bei der Salbung der Hände.

Keiner lebt für sich allein!

Bald lernten wir auch Radions temperamentvolleMutter Valentina näher kennen, die zwar als Kindgetauft, aber ohne Glauben aufgewachsen war. Inihrem armseligen Häuschen lebte auch Großmut-ter Nina, die ungetauft war. Ihre Beine waren ge-lähmt, so dass sie sich nur mühevoll bewegenkonnte. Zudem hatte sie starke Depressionen. Esfiel ihr anfangs schwer, sich Gott zu öffnen. Wennwir uns aber zu ihr setzten und etwas beteten, hörtesie trotzdem aufmerksam zu. Auch den Segen desPriesters nahm sie immer an.

Als wir Radion 2002 kennenlernten, lebteer mit seiner Mutter und Großmutter in Nowoni-kolsk. Sein Vater, ein schwerer Alkoholiker, wohn-te nicht bei ihnen. Seit dieser ersten Begegnungkommt Radion regelmäßig zu uns in die Kirche.Im Sommer ließ er keine einzige Hl. Messe aus-fallen, obwohl er die zehn Kilometer zur Missions-station oft zu Fuß gehen musste.Radion lernte schon bald den Rosenkranz, der seinLieblingsgebet wurde. Er war sehr begabt undwissbegierig, las gern die Kinderbibel und reli-giöse Bücher, so dass er bei der Vorbereitung aufdie Hl. Taufe und Erstkommunion bereits alleswusste.

In unserer Pfarrei haben wir es zu einer beliebten Tradition werden lassen,im Advent die Fatimastatue von Haus zu Haus zu bringen.

An einem Abend beten wir dann gemeinsam mit der Familie den Rosenkranz.Zu einer Familie kam die Gottesmutter allerdings auf ganz anderem Weg.

Sie bediente sich dazu des 11-jährigen Radion,der heute unser eifrigster Ministrant und Kirchgänger ist.

Am 28. August 2005 wurde Valentina von S. E. Bischof Clemens Pickel gefirmt.„Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Hl. Geist.“

Sakramentale Worte bei der Salbung der Stirn mit Chrisam im Zeichen des Kreuzes.

Eines Abends führte Radion etwas ganzNeues ein: er betete bei Babuschka Nina amBett den Rosenkranz - oft sogar alle fünf Ge-heimnisse. Wenn es ihr besonders schlecht ging,bat die Großmutter sogar von sich aus: „Rad-ion, komm und bet’ für mich!“All das beobachtete seine Mutter Valentina, undlangsam begann auch sie sich für den Glaubenzu interessieren. Wie ihr Sohn, lernte siezuallererst den Rosenkranz, dann begleitete sieRadion sogar zur Hl. Messe, „um sich dasalles einmal anzuschauen“, wie sie sagte.So kam endlich neue Hoffnung in die Familie!Angesteckt vom Eifer ihres Enkelsohnes hatteBabuschka Nina sogar den Mut, um die Hl. Taufezu bitten, die sie dann auch zu Pfingsten 2003 ge-meinsam mit Radion empfing. Nina, die den Tauf-namen Maria erhielt, musste dazu in unsere Kir-che getragen werden, was für alle sehr ergreifendwar. Ihr Enkel bekam den hl. Josef als Taufpatron.Obwohl der Großmutter die schweren Depressi-onen und körperlichen Schmerzen blieben, so dasssie oft nächtelang weinte, lehnte sie sich jetzt nichtmehr wie früher dagegen auf. Sie empfand sogarTrost dabei, all ihr Leiden aufopfern zu können -für ihre Familie und besonders für die Ungläubi-gen, zu denen sie ja selbst über 70 Jahre gehörthatte. Ein kleines Wunder durfte sie dann aber docherleben: Nachdem Nina die Krankensalbung emp-fangen hatte, hörten ihre Depressionen nach undnach auf.Bis zu ihrer Todesstunde hielt sie den Rosenkranz,den wir ihr zum 72. Geburtstag geschenkt hatten,

An jedem ersten Donnerstag im Monathalten wir von 10.00 - 18.00 Uhr Anbetung.

Dazu können sich unsere Gläubigenin eine Liste eintragen.

An einem dieser Donnerstage hatte Radionin seiner Anbetungsstunde ein entscheidendes Erlebnis,

das er einer unserer Schwestern anvertraute:„Wissen Sie, Schwester, während der Anbetung heute

spürte ich in meinem Herzen ein richtiges Feuer,und ich habe ganz klar verstanden:

Gott möchte mich zum Priester machen.“

in ihrer Hand und wiederholte immer wieder ernst:„Den lass’ ich nicht mehr aus!“

Valentina, die bei der Pflege ihrer Mutterkeine Hilfe von ihren Verwandten bekam, suchteumso mehr Zuflucht im Gebet und in der Hl. Eu-charistie. Zu Weihnachten 2003 hatte sie gemein-sam mit ihrem Sohn die Hl. Erstkommunion emp-fangen. Inzwischen ist sie eine der treuesten Gläu-bigen unserer Gemeinde geworden. Oft sagt sie:„Ich könnt’ ohne die Kirche und ohne Jesusnicht mehr leben.“ Am glücklichsten darüberist wohl Radion, über den P. Johannes am 21. Mai2007 am Telefon sagte: „Er ist mit seinen 16Jahren wirklich immer noch unsere Freude!Und er bleibt fest bei seinem Entschluss,Priester zu werden, so wie er es in der An-betung verstanden hat.“

ALEXEJEVKA29

einfacher zu erreichen ist. Seit vier Jahren lebenwir drei Missionarinnen nun schon dort am Stadt-rand in einer sehr armen, schmutzigen Umgebung,wo im heißen Sommer der Staub in der Luft liegtund man bei Regen im Schlamm „versinkt“.Von Anfang an haben wir uns unserer Nachbarn,armer Kasachen, Russen, Roma und vor allem ver-wahrloster Kinder in diesen Slums angenommen.Die meisten leben in Baracken und stammen auskatastrophalen Verhältnissen. Viele von ihnen sindkrank und greifen nicht selten mit zehn Jahrenbereits zum Alkohol oder geraten in die Drogen-szene. Weil die Kinder in der eigenen Familie unddurch schlechte Filme mit viel Brutalität konfron-tiert sind, ist der Weg hin zur Kriminalität nichtweit.

Im Herbst 2003 begannen drei Schwesternder Gemeinschaft „Familie Mariens“ auf Einla-dung von Erzbischof Tomasz Peta unsere Missionin Astana (vgl. Triumph des Herzens Nr 78). Bewussthatte uns der Bischof das ehemalige katholische„Kirch-Haus“ von Astana anvertraut, in dem sichdie Gläubigen in der Verfolgungszeit geheim zuGebet und Gottesdienst versammelt hatten.Ende September 2003 wurde es - neu renoviert -in Anwesenheit von Nuntius und Bischof einge-weiht. Da jedoch in den letzten 15 Jahren beinahe60% der Katholiken vor allem nach Deutschlandemigrierten, wurde auch unsere „Kirchengemein-de“ immer kleiner, und die wenigen verbliebenenGläubigen besuchen nun die Hl. Messe in der Ka-thedrale, die im Stadtzentrum liegt und bedeutend

Kasachstan -

Mit 2,7 Millionen Quadratkilometer ist Kasachstan das neuntgrößte Land der Erde,der größte aller Binnenstaaten, vergleichsweise fünfmal so groß wie Deutschland bzw.doppelt so groß wie Frankreich, Spanien und Deutschland zusammen!Über 130 Nationalitäten leben in diesem riesigen Vielvölkerstaat Zentralasiens fried-lich zusammen. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung sind Kasachen, und obwohl Ka-sachstan als muslimisches Land betrachtet wird, sind doch die wenigsten der 43%Moslems praktizierend. Nur 1-2% der 17 Mill. Einwohner sind Katholiken.Kasachstan war in der Vergangenheit ein Land der Leiden, getränkt vom Blut und denTränen zahlloser Märtyrer. In den 30er und 40er Jahren waren Menschen vieler ver-schiedener Nationalitäten, vor allem auch Deutschstämmige, in die Steppen Kasachs-tans deportiert worden, wo Zwangsarbeit, Arbeitslager, Hunger, Kälte und SeuchenTausende dahinrafften! Den Überlebenden war oft nur noch ihr Glaube geblieben. AlsKasachstan 1991 unabhängig wurde, entstanden die Diözesen Karaganda (1999), Astana(2003) und Almaty (2003) und die Apostolische Administration Atyrau (1999), die jetztalle aus dem geistigen Erbe ihrer Märtyrer schöpfen dürfen.Die Apostolische Administration Astana wurde 1999 errichtet und 2003 zum Erzbistumerhoben. Gleichzeitig ernannte Papst Johannes Paul II. Msgr. Tomasz Peta zum Erzbi-schof in Astana, der Hauptstadt Kasachstans, und zum Metropoliten der jungen Kir-chenprovinz Kasachstans.

Ein riesiges Missionsgebiet

30ASTANA

Kirchhaus mit Jurte und Kreuz vom Papstbesuchim September 2001

32

Als Papst Johannes Paul II. bei seiner Pastoralreise im September 2001 Astana besuchte,wurde ihm von Bischof Tomasz Peta dessen Generalvikar P. Jean Marc Stoop vorgestellt,

der vor seiner jetzigen Aufgabe von 1994-2001 als Missionspriester der Familie Mariens in Scherbakty wirkte.

Wir begannen den Jungen und Mädchen vonder Barmherzigkeit Jesu, von der mütterlichen Lie-be Mariens und den Heiligen zu erzählen. Es waruns ein Anliegen, ihnen wenigstens ein paar glück-liche Stunden zu bereiten, ihnen Zeit und ein we-nig mütterliche Liebe zu schenken, mit ihnen zuspielen, ein Lied einzulernen oder etwas zu bas-teln. Besonders beliebt ist bei den hungrigen Kin-dern natürlich etwas Süßes. Aber auch über eineneinfachen Laib Brot, den sie mit nach Hause neh-men dürfen, oder über ein Paar neue Schuhe, ei-nen Mantel oder einen Schal, Hustensaft oderBuntstifte … eben über alles, was wir von Euch,liebe Wohltäter, bekommen haben, ist die Freudegroß. Ebenso war es in den zwei Kinderheimen,die wir regelmäßig besuchten.Manchmal bat man uns, in den Pfarreien auszu-helfen, und so fuhren wir in den vergangenen Jah-ren abwechselnd auch in die umliegenden Dörfer,um Katechese zu geben und Kinder auf die Hl.Taufe und Erstkommunion vorzubereiten. Die

meisten kamen aus ungläubigen Familien undwussten nichts von Gott!

Da Erzbischof Peta um unsere Mithilfe inder bischöflichen Kurie bat, hat sich unser Apos-tolat seit Sommer 2006 sehr verändert. Telefon-dienst, Erledigen von Korrespondenz, Adminis-tratives für die Pfarreien, Schreiben von Doku-menten … bilden nun unsere tägliche Aufgabe.Zudem arbeitet eine von uns drei Schwestern ganz-tags als Sekretärin im Sekretariat der kasachischenBischofskonferenz. Das bedeutet, mit anderenBischofskonferenzen oder mit Kongregationen inRom verschiedensprachige Korrespondenz zu füh-ren, Unterlagen für Besprechungen vorzubereiten… und vieles mehr! Leider haben wir nun für un-sere Kinder nicht mehr so viel Zeit wie früher,aber einige Stunden an manchen Wochentagen, amSonntag und auch während der Ferienzeit gehörenweiterhin ganz ihnen!

ASTANA

33

Ein Priester, ein Bruder und vier Schwes-tern aus vier Ländern betreuen zur Zeit regelmä-ßig Scherbakty und weitere zwölf Dörfer. Dabeikann für uns mitunter eine Schneeschaufel lebens-wichtig werden, wenn wir z. B. bei -40°C aufdem Weg zur Katechese im Schnee steckenbleiben.In den Dörfern selbst herrscht Armut, und vielehaben sich zu wahren „Lebenskünstlern“ entwi-ckelt, um den Kampf ums Überleben zu gewin-nen. Wen wundert es, dass sie mit den verschie-densten Anliegen an unsere Pforte kommen. DieHoffnungslosigkeit steht vielen ins Gesicht ge-schrieben. Es gibt kaum Familien, in denen nie-mand trinkt! So nimmt die Betreuung der Not-leidenden einen wichtigen Platz in unserer Pasto-ral ein!Inzwischen bitten immer mehr muslimische Ka-sachen und Ungläubige um Hilfe. Natürlich möch-ten wir auch ihnen beistehen. Auf diese Weise kön-nen wir einen wirksamen Beitrag für ein friedli-ches Zusammenleben unter den Völkern dieserRegion leisten.In der kalten Jahreszeit kommen täglich Anfragenum Holz und Kohle. Der Winter dauert ja fast sechsMonate. Wochenlang herrschen Temperaturen um-30o C, und oft müssen Familien in einem einzigenZimmer überwintern. Um die Heizkosten für ei-

Scherbakty -

„Das Betlehem Kasachstans“

Auf weitem Steppengebiet im Nordosten Kasachstans liegt in der Erzdiözese Astanaunweit der sibirischen Grenze Scherbakty, wo bereits 1979 vertriebene

Wolgadeutsche die erste katholische Gemeinde registrieren ließen. 1992/93 warenhier erstmals Brüder und Schwestern unserer Gemeinschaft für eine Sommermissioneingeladen. Der damalige Apost. Administrator für Kasachstan und Zentralasien,Msgr. Jan Pawel Lenga, vertraute uns dann 1994 diese Pfarrei an, die wir gleichder Gottesmutter weihten. Welche Freude für die zahlreichen Wolgadeutschen!

„Endlich haben’s uns jemand g’schickt!“, hieß es oft bei ihnen. Inzwischen sind sieleider fast alle ausgereist, und unsere Pfarrei ist zu einer Vielvölkerkirche geworden.

Leben doch allein in Scherbakty rund 30 Nationalitäten!

nen Winter zu begleichen, braucht es drei Monats-löhne, doch die meisten sind arbeitslos!Vielfach helfen wir auch den Ärmsten, ihre Strom-rechnungen zu bezahlen. Oft kommen sie und bit-ten um Kerzen, da ihnen der Strom bereits abge-stellt wurde und sie zu Hause im Dunkeln sitzen.Manchmal können wir auch einer Familie durchden Kauf von Schafen oder einer Kuh (vgl. Triumph

des Herzens Nr. 64) eine wichtige Starthilfe zum Auf-bau einer eigenen Existenz geben.

Besonders dankbar sind unsere Kranken,die oft ganz alleingelassen sind. Aber eigentlichsind wir die Beschenkten, wenn wir ihnen Trostund Hilfe für die Seele bringen und sie auf einchristliches Sterben vorbereiten dürfen (vgl. Tri-

umph des Herzens Nr. 70). Nur dank Eurer Unterstüt-zung, liebe Wohltäter, können wir die für sie zuteuren Medikamente kaufen oder sogar lebens-rettende Operationen ermöglichen.Unser Verhältnis zum örtlichen Sozialamt ist er-freulich gut. Gerne teilen wir mit ihnen und demSozialwaisenheim Kleider, Schuhe, Hygiene-artikel, Matratzen, Spielsachen - einfach alles,was wir aus dem Westen von Euch geschickt be-kommen.

SCHERBAKTY

Erschütternd sind für uns immer wiederdie unzumutbaren Behausungen mancher Famili-en. Wie dankbar sind sie alle, wenn wir Reparatur-kosten übernehmen oder ihnen helfen, überhaupteine bessere Unterkunft zu finden.Ganz besonders liegen uns die Kinder und Jugend-lichen am Herzen. So sind wir in den letzten Jah-ren tatsächlich eine richtige „Kinderpfarrei“ ge-worden, die unser Diözesanbischof Msgr. TomaszPeta lächelnd „das Betlehem Kasachstans“ nennt.Mit vier hungrigen Kindern, die immer wiederum Brot bettelten, fing alles an. Wir Missionarebegannen 1995 eine Kinderküche, um die Klei-nen vor dem Stehlen zu bewahren. Mittlerweileerhalten dort täglich bis zu 100 Kinder eine war-me Mahlzeit, und vielen ist die Kinderküche zum

Zufluchtsort und zum Zuhause geworden. Ja, es isteine Herausforderung an uns Missionare, für dieKleinen und auch Größeren liebevoll Vater undMutter zu sein, da ihnen die Eltern oft fehlen. BeiSport, Spiel und Musizieren heißt es dann dieGelegenheit nutzen, um sie auch menschlich undreligiös zu formen. Denn in ihrem Chaos zu Hauselernen sie kaum, liebevoll miteinander umzuge-hen, zu teilen, zu danken und einander um Verzei-hung zu bitten.Jeden Tag beten wir mit den Kindern vor dem Es-sen, die Moslemkinder tun es auf ihre Weise. DieHl. Messe und alle religiösen Aktivitäten sind na-türlich freiwillig. Aber auch die kleinen Kasachenhören interessiert zu, wenn wir aus der Hl. Schriftvorlesen oder von Heiligen erzählen.

34

SCHERBAKTY

Wir hoffen, dass das mühsame „Essen in Etappen“bald vorbei ist, da der Rohbau für ein größeres Kinderhaus bereits

fertiggestellt ist. So bitten wir Euch, liebe Wohltäter,auch weiterhin um Eure Unterstützung.

W

Als wir das erste Mal ihr kleines Haus be-traten, waren wir tief ergriffen. Tolik lag - vonKindheit an bewegungsunfähig - wie ein HäufchenElend in seinem Bett, das er seit 20 Jahren nichtmehr verlassen hatte. Obwohl ihm eine fortschrei-tende Verkrümmung all seiner Gliedmaßen furcht-bare Schmerzen verursachte, lächelte er uns zu.Seine Mutter litt sichtlich mit ihrem einzigen Sohn,zudem war ihr Mann erst vor wenigen Tagen ge-storben. Sie erzählte uns unter Tränen, dass Tolik,der die hingebungsvolle Pflege seines Vaters ge-wohnt war, einfach nicht verstehen konnte, dasssein Papa nicht mehr kam. „Er lehnt jeden Hilfs-dienst ab und möchte lieber warten, bis Papa

Danke, lieber Tolik!

Schon jahrelang fahren wir Missionare jeden Sonntagnachmittagdurch die kasachische Steppe nach Malinovka, um dort russlanddeutschen

Gläubigen die Hl. Kommunion zu bringen und mit ihnen zu beten.Vor drei Jahren, im Sommer 2004, lernten wir dort Babuschka Galja

und ihren 38-jährigen, schwerstbehinderten Sohn Tolik († 2005) kennen,die wir von da an regelmäßig besuchten.

ihm wie gewöhnlich Tee und Kekse bringt,ihn rasiert und wäscht.“ Erst drei Monate spä-ter, nach einem eindrücklichen Traum über seinenVater, konnte Tolja, wie wir unseren neuen Freundoft liebevoll nannten, den Tod seines Vaters an-nehmen.Auch Mutter Galja, die zwar in jungen Jahren or-thodox getauft, aber ohne Glaubenswissen aufge-wachsen war, hatte inzwischen durch P. Bonaven-tura eine große und wichtige „Neuigkeit“ verstan-den: dass sie ihre Leiden - und sie hatte viele inihrem Leben - Jesus aufopfern kann, sogar rück-wirkend all die vergangenen; dass jeder Schmerzkostbar und - vereint mit Jesu Leiden - unendlich

SCHERBAKTY

Im Sommer 2006 gab es in Kasachstanschreckliche Gewitter. Mehrere Hirten, die ihregroßen Tierherden, Pferde, Kühe, Ziegen und Scha-fe auf der weiten kasachischen Steppe hüteten,wurden sogar tragische Opfer dieser Unwetter. Indiesem Zusammenhang hatte auch Galja ein unge-wöhnliches, nicht ungefährliches Erlebnis, das sieauf unsere Bitte hin am Sonntag den Gläubigen inder Kirche erzählte:„Es war ein furchtbares Gewitter, und aufeinmal stand meine Nachbarin aufgeregt undmit zitternden Knien in der Tür. Ganz außersich keuchte sie: ‚Ein Kugelblitz hat bei mireingeschlagen! Durch die Steckdose! Erkreist jetzt die ganze Zeit die Wände entlangund findet keinen Weg mehr nach draußen.‘Da nahm ich sofort das Weihwassergefäßund rannte damit ins Nachbarhaus hinüber.Als ich dort die große Feuerkugel sah, die

immerzu blitzend die Wände entlangfuhr,packte mich auch Entsetzen, und ich bekames mit der Angst zu tun. So etwas hatte ichnoch nie gesehen! In der Angst begann ichgleich laut zu beten: ‚Vater unser, der Dubist im Himmel, geheiligt werde Dein Name...‘, und gleichzeitig spritzte ich kräftig inalle Richtungen Weihwasser. Da tat’s einenfürchterlichen Krach! Der Blitz hatte sichein Loch in die Wand geschlagen, und schonwar er im Freien! Ich sag’ euch, da habe ichmit meinen eigenen Augen Gottes Hilfe ge-sehen!“Mit diesen Worten schloss sie ihren Bericht. Galjaist übrigens eine kluge Frau mit Hausverstand, dienatürlich wusste, dass Wasser in Verbindung mitElektrizität lebensgefährlich ist. Aber in diesemMoment hatte sie einfach nur auf Gott geschautund vertraut.

Der Kugelblitz

Galja lebt seit Toliks Tod allein. Mit über 70 Jahrenempfing sie im Frühjahr 2006 gut vorbereitet die Hl. Erstkommunion.Sie hat nicht nur ein gütiges, sondern auch ein glaubensstarkes Herz,

das gelernt hat, auf die Allmacht und Liebe Gottes zu vertrauen.

wertvoll wird. Erstaunt und glücklich sagte sie:„Das hat mir noch niemand gesagt, dass manLeiden aufopfern kann!“Als P. Bonaventura auch Tolik mit einfachen Wor-ten fragte, ob er seine Schmerzen und Leiden demlieben Gott für die Rettung der Seelen schenkenmöchte, antwortete er spontan mit einem klaren„Ja“. Inwieweit er diese Frohbotschaft der Mit-erlösung mit dem Verstand aufnehmen konnte, wis-sen wir nicht genau. Eines jedoch ist sicher: Tolikwar wie ein Lamm.Fast immer lächelte er, wenn wir ihn besuchten,blickte uns der Reihe nach an und sagte dabei:„Ich liebe dich!“ Dann betete er gerne mit unsund freute sich, wenn wir ihm manchmal ein Liedsangen.Wenn es ihm ganz schlecht ging, blickte Tolik nur

erschöpft auf das Bild des Barmherzigen Jesus,das wir ihm geschenkt hatten, doch nie beklagteer sich. Vielmehr ging ein großer Friede von ihmaus, und oft waren wir beschämt von seiner Erge-bung und Geduld, mit der er alle Schmerzen er-trug. Mama Galja wich nicht von Toliks Seite, biser dann mit 40 Jahren heimgehen durfte.Wir wollen Tolik nicht „heiligsprechen“, aber wirMissionare sind fest davon überzeugt, dass vonden verborgen dargebrachten Leiden dieses lie-bevollen Menschen viel Segen für das Dorf Mali-novka, für unsere Missionsstation und für ganzKasachstan ausgeht. Wie gern man Tolja habenmusste, zeigt allein der Wunsch unserer Erstkom-munionkinder, die, als sie von seinem Sterbenhörten, unbedingt die letzten Stunden bei ihm seinwollten.

37

Alle vier Kinder besuchen seit vier Jahrendie Kinderküche, und die zwei Älteren, die schonorthodox getauft waren, begannen eifrig dafür zubeten, dass auch ihre Mama und die zwei Kleinengetauft werden. Das schien schwierig, denn Nata-schas zweiter Ehemann Nurlan ist kasachischerMuslim. Natascha, die bisher nichts vom Glau-ben wusste, öffnete sich jedoch so sehr der Gna-de, dass sie immer mehr den Wunsch hatte, zurkatholischen Kirche zu gehören. Sie interessiertesich lebhaft für alles, was Gott betraf, und schon

Durch die Kinder zum Glauben gefunden

vor der Hl. Taufe sahen wir sie oft lange Zeit stillvor dem Allerheiligsten beten.Mit dem Einverständnis ihres muslimischen Man-nes war es dann am 26. Juni 2005 so weit: Genauan ihrem Geburtstag empfing Natascha überglück-lich mit ihren Töchtern, der vierjährigen Almiraund der sechsjährigen Dinara, das Sakrament derHl. Taufe. Die beiden Mädchen waren so vollerVorfreude, dass die kleine Almira schon Tagezuvor immer beim Aufwachen fragte: „Mama,bin ich schon getauft?“

Schon seit 2003 hilft die deutschstämmige Natascha Almuchambetowauns Missionarinnen bei der Kleiderausgabe und bei unserem Dienst an den Armen.

Sie ist uns so vertraut wie eine Schwester. Es waren ihre beiden älteren Kinder,Sarina und Marat aus erster, annullierter Ehe mit einem Alkoholiker,

die ihrer Mutter und den zwei kleinen Halbschwestern aus zweiter Ehe,Almira und Dinara, zum Glauben halfen.

38SCHERBAKTY

Ein solches Fest istauch für uns Missionareimmer ein Trost und freu-diger Höhepunkt. Dochdie schöne Geschichtegeht in diesem Fall nochweiter! Nataschas 80-jäh-rige Mutter Katharina,eine Baptistin, erzählteuns im Mai 2007: „Ich habenach der Taufe meiner Toch-ter alle ihre Bücher überMaria gelesen, und immerbesser verstand ich im Her-zen, dass Maria keine ge-wöhnliche Frau ist, sonderndass sie von Gott auserwähltwar, uns den Erlöser zu brin-gen. Da fühlte ich mich nicht mehr wohl bei den Baptisten, denn ich konnte nicht verste-hen, warum sie Maria nicht annehmen wollen. Die Mutter gehört doch in die Familie!“Als Babuschka Katharina zudem ihre Tochter und Enkelkinder gemeinsam denRosenkranz beten sah, stand für sie endgültig fest: „Ich möchte dort sein, wo Mariaund meine Familie ist! Es ist einfach schön, wenn wir alle EINER Kirche angehören.“Mit ihren 80 Jahren besucht Katharina seit Weihnachten 2006 den Katechismus-unterricht und bereitet sich auf den Empfang der Sakramente im Herbst 2007 vor.

E

„Was ihr

für einen meiner geringsten Brüder getan habt,

das habt ihr mir getan.“ Mt 25,40

SCHERBAKTY

42

Spendenkonten der PDF-FAMILIE MARIENS DER MITERLÖSERIN Herausgeber: © PDFFamilie Mariens der Miterlöserin (FMM)CH-9601 Lütisburg

Redaktion: Familie MariensVia Ombra 1I-64010 Civitella del Tronto (TE)Fax: 0039/0861/91 85 30E-Mail: [email protected]

Druck u. Versand: Schmid-Fehr AG, CH-9403 Goldach

Die FRAU ALLER VÖLKER im Internet:www.de-vrouwe.net

Selbstkostenpreis: CHF 30,-- / EUR 20,-- für sechs Ausgaben pro Jahr

Auf vielfachen Wunsch legen wir für jene,die uns unterstützen möchten, einen Zahlschein bei.

Alle Fotos dieser Ausgabe: © FM

Deutschland: Sparkasse Memmingen-Lindau-Mindelheim,BLZ 731 50 000 Konto-Nr. 247.247

Für besonders kostengünstige Spendenüber-weisungen aus den EU-Ländern:

BIC: BYLADEM1MLMIBAN: DE91731500000000247247

Österreich: Raiffeisen Landesbank Tirol, BLZ 36 000Konto-Nr. 17.14.500

Schweiz: swissregiobank PC 30-38241-3 (neu!)Konto-Nr. 50.80.000

Italien: TERCAS, Villa Lempa,B.B.A.N.: I060 6076 850C C061 0011 233

Im Unterschied zur kirchlichen internationalen Vereini-gung päpstlichen Rechts mit dem Namen „PDF - FamilieMariens“ gibt es in einzelnen Ländern unabhängige Verei-ne oder Stiftungen nach weltlichem Recht, die unter demNamen „PDF - Familie Mariens der Miterlöserin“ vor derdefinitiven päpstlichen Anerkennung in den staatlichenRegistern eingetragen worden sind und als solche nebender kirchlichen Gemeinschaft als unabhängige Einrichtungbestehen dürfen.

an FAMILIE MARIENSVia Ombra 1, 64010 Civitella del Tronto (TE), Italien

Fax: 0039/0861/91 85 30 E-Mail: [email protected]

BESTELLSCHEIN

Bitte senden Sie einmalig / regelmäßig (passende Antwort unterstreichen)

____ Exemplar(e) Ihrer Zeitschrift Triumph des Herzens an folgende Adresse:

(Bitte in Blockschrift)

nur für neue AbonnentenTc 84

____ Fam. ____ Herr ____ Frau

Name___________________________________________Vorname ____________________________________________

Straße__________________________________________________________________________Nr.___________________

Land _________________________ PLZ _________________ Ort ________________________________________________

Mitteilung (besondere Wünsche) ______________________________________________________________________________

43

Ein Dank …

Wenn wir nun mit Euch, liebe Freunde undWohltäter, einen Blick in den Alltag unserer Mis-sionsstationen machen durften und auch in das Le-ben Einzelner, die ihnen anvertraut sind, so möch-ten wir Missionare der Familie Mariens Euch zu-allererst unseren Dank ausdrücken für all dasGute, das Ihr uns Priestern, Brüdern und Schwes-tern tut.Diesen aufrichtigen Dank sprechen wir aber ganzbesonders auch im Namen all jener Menschen aus,die in unseren Stationen von Eurer oft jahrelan-

gen treuen Unterstützung profitieren. Manche vonEuch haben sogar noch Freunde und Bekannte aufunsere Missionsprojekte aufmerksam gemacht unddafür gewinnen können, dass diese ihrerseits z. B.durch ein Benefizkonzert, einen Bazar, eine Tom-bola oder eine Sammlung erfinderisch zu Wohl-tätern unserer Gemeinschaft wurden.Allen, allen sei an dieser Stelle ein tausendfachesVergelts Gott gesagt, für jede kleine oder große,spirituelle oder materielle Unterstützung, Müheund Mitarbeit!

Beim Lesen dieses „Triumph des Herzens“ist Euch bestimmt der eine oder andere Berichtbesonders zu Herzen gegangen. Ihr versteht des-halb sicher unsere Bitte, die oft noch sehr jungenPriester und Schwestern in unseren Missionenweiterhin fest im Gebet zu begleiten. Denn nochvor Eurer materiellen Unterstützung und Wohltä-tigkeit brauchen wir Eure geistige Hilfe, Eure Ge-bete und Opfer, ohne die wir auf Dauer in derMission gar nicht durchhalten könnten! Zudem lässtuns dieses gegenseitige innere Band immer mehrzu einer einzigen geistigen Familie zusammen-wachsen.Unsere Gemeinschaft ist aber auch weiterhin aufEure Spenden angewiesen. Die meisten Diözesen,in denen wir wirken, sind sehr arm, und da wir -im Vertrauen auf die göttliche Vorsehung - unsereArbeit bewusst unentgeltlich verrichten, könnenwir auf keine Gehälter zurückgreifen, und die ge-samte finanzielle Verantwortung muss die Gemein-

… und eine Bitte

schaft selbst tragen. Deshalb bitten wir Euch er-neut ganz herzlich, unsere Missionsarbeit, dieBetreuung der Armen und Notleidenden, der Kin-der und Familien materiell zu unterstützen, ebensowie die oft sehr mühsamen Renovierungen unse-rer Kirchen und Kapellen.Auch wir Missionare selbst möchten Euch wiederum Hilfe bitten, denn wie Ihr Euch denken könnt,gilt es auch, unseren Lebensunterhalt zu bestrei-ten - ganz abgesehen von den Ausgaben für Ben-zin und für die Kosten regelmäßiger Visaerneu-erungen und Versicherungen.

Schon jetzt ein großes „Vergelts Gott“ von Euren Missionarenaus nah und fern!

Gerne könnt Ihr eine bestimmte Missions-station auswählen und als „Verwendungs-

zweck“ angeben. Besonders dankbar sind wir aberauch für alle ungebundenen Spenden, denn wirkönnen sie jenen Missionen zukommen lassen, diemomentan Eure Hilfe am meisten brauchen.

44