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8/8/2019 Daniel Barenboims Ego Macht Ihn Zum Bremsklotz http://slidepdf.com/reader/full/daniel-barenboims-ego-macht-ihn-zum-bremsklotz 1/3 URL: http://www.welt.de/kultur/article1565009/Daniel_Barenboims_Ego_macht_ihn_zum_Bremsklotz.html Bilder ein-/ausblenden Artikel drucken MUSIKTHEATER Daniel Barenboims Ego macht ihn zum Bremsklotz Sein Name sorgt für internationales Flair im Berliner Kulturleben. Doch der Generalmusikdirektor der Staatsoper wird auch zum Bremsklotz der hauptstädtischen Opernszene. Gerne gastiert der berühmte Dirigent im glamourösen Mailand – und vernachlässigt dafür den Nachwuchs im eigenen Haus. Bild 1 von 15 Der israelische Dirigent und Pianist Daniel Barenboim ist ein weltweit gefragter Musiker. 18. Januar 2008, 09:14 Uhr VON MANUEL BRUG zurück weiter Foto: Warner  Barenboim leitet Proben an, ohne die Inszenierung zu kennen Weltberühmter Maestro und Pianist, erfahrenster Wagner-Dirigent weltweit, Klavierbegleiter von Bartoli, Villazón, Quasthoff & Co., Beschützer und Best-Buddy der Berliner Staatskapelle. Politisch denkender Jude, der die deutsche Kultur liebt und mit Israel scharf ins Gericht geht. Agiler Förderer frischer Klassikstars wie Lang Lang oder Gustavo Dudamel. Wunderbar väterlicher Erzieher der durch Musik vereinten Nahost-Jugend im West-Eastern-Divan- Orchestra, Musikphilosoph. Das alles ist Daniel Barenboim. Soeben ins Rentenalter gekommen, scheint Barenboim aktiver denn je. Und er ist längst unangreifbar. Er macht, was er will, als ein von der Musik Getriebener, und vieles macht er gleichzeitig, wie bei seinen kürzlich fast parallel laufenden Premieren von „Tristan und Isolde“ an der Mailänder Scala und „Don Giovanni“ an Berlins Lindenoper. Er hätte sogar 17 Stunden nach dem letzten Mozart-Takt an der Spree schon wieder den Stock zum ersten Wagner- Akkord in Italien gehoben – wenn in Mailand nicht gestreikt worden wäre. „Tristan“ hatte natürlich Vorrang. Denn Mozart kennen er und sein Orchester im Schlaf, das geht auf Autopilot. Wann aber sollte er sich mal über die Praxis hinaus mit den Noten beschäftigen? Beim Japan-Gastspiel der Berliner Staatsoper im Oktober hat er den „Don Giovanni“ mit der neuen Sängerbesetzung in der alten Langhoff-Inszenierung aufpoliert, zwischen seinen Mailand-Slots veranstaltete er zu Hause Rezitativ-Proben, ohne überhaupt die Inszenierung zu kennen. Assistenten haben die übrigen Proben geleitet. Am Ende hat Barenboim alles zusammengefügt, irgendwie. Mit den Sängern gab es hinterher teilweise Streit, die Inszenierung mochte Barenboim überhaupt nicht. Aber er hatte sich ja Page 1 of 3 Daniel Barenboims Ego macht ihn zum Bremsklotz - Nachrichten Kultur - WELT ON... 22-01-2008 http://www.welt.de/kultur/article1565009/Daniel_Barenboims_Ego_macht_ihn_zum...

Daniel Barenboims Ego Macht Ihn Zum Bremsklotz

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MUSIKTHEATER

Daniel Barenboims Ego macht ihn zum Bremsklotz

Sein Name sorgt für internationales Flair im Berliner Kulturleben. Doch der Generalmusikdirektor der 

Staatsoper wird auch zum Bremsklotz der hauptstädtischen Opernszene. Gerne gastiert der berühmte

Dirigent im glamourösen Mailand – und vernachlässigt dafür den Nachwuchs im eigenen Haus.

Bild 1 von 15

Der israelische Dirigent und Pianist Daniel Barenboim ist ein weltweit gefragter Musiker.

18. Januar 2008, 09:14 Uhr VON MANUEL BRUG

zurück weiter 

Foto: Warner 

 

Barenboim leitet Proben an, ohne die Inszenierung zu kennen

Weltberühmter Maestro und Pianist, erfahrenster Wagner-Dirigent weltweit, Klavierbegleiter von Bartoli, Villazón,

Quasthoff & Co., Beschützer und Best-Buddy der Berliner Staatskapelle. Politisch denkender Jude, der die deutsche

Kultur liebt und mit Israel scharf ins Gericht geht. Agiler Förderer frischer Klassikstars wie Lang Lang oder Gustavo

Dudamel. Wunderbar väterlicher Erzieher der durch Musik vereinten Nahost-Jugend im West-Eastern-Divan-

Orchestra, Musikphilosoph. Das alles ist Daniel Barenboim.

Soeben ins Rentenalter gekommen, scheint Barenboim aktiver denn je. Und er ist längst unangreifbar. Er macht, was

er will, als ein von der Musik Getriebener, und vieles macht er gleichzeitig, wie bei seinen kürzlich fast parallellaufenden Premieren von „Tristan und Isolde“ an der Mailänder Scala und „Don Giovanni“ an Berlins Lindenoper. Er 

hätte sogar 17 Stunden nach dem letzten Mozart-Takt an der Spree schon wieder den Stock zum ersten Wagner-

Akkord in Italien gehoben – wenn in Mailand nicht gestreikt worden wäre.

„Tristan“ hatte natürlich Vorrang. Denn Mozart kennen er und sein Orchester im Schlaf, das geht auf Autopilot. Wann

aber sollte er sich mal über die Praxis hinaus mit den Noten beschäftigen? Beim Japan-Gastspiel der Berliner 

Staatsoper im Oktober hat er den „Don Giovanni“ mit der neuen Sängerbesetzung in der alten Langhoff-Inszenierung

aufpoliert, zwischen seinen Mailand-Slots veranstaltete er zu Hause Rezitativ-Proben, ohne überhaupt die

Inszenierung zu kennen.

Assistenten haben die übrigen Proben geleitet. Am Ende hat Barenboim alles zusammengefügt, irgendwie. Mit den

Sängern gab es hinterher teilweise Streit, die Inszenierung mochte Barenboim überhaupt nicht. Aber er hatte sich ja

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Die Politik folgt dem großen Namen

Guter Nachwuchs ist in Barenboims Oper Magelware

Berliner Aufwärmpremiere für Aix-en-Provence

vorher auch nicht darum gekümmert.

So entwickelt er sich immer mehr zum Bremsklotz in der unter einem organisatorischen Dach vereinten Opernszene,

die eigentlich den Aufbruch in eine neue Weltläufigkeit wagen sollte. Doch dieser Widerstand hat Glamour-Faktor, den

lieben Politiker. Und so öffnet Barenboims Name die Türen, bei Richard von Weizsäcker und Michael Naumann, und

etzt auch bei Angela Merkel, die im eben beendeten Ringen mit dem Land Berlin um Renovierung und Übernahme

der Lindenoper diese mit zusätzlichen zehn Millionen Euro pro Jahr ausstatten ließ.

Die anderen drei Institutionen der Opernstiftung, Deutsche Oper, Komische Oper und Staatsballett, erhalten

zusammen noch nicht einmal fünf Millionen Euro – als freiwillige Leistung vom Land, um die Ungerechtigkeit

wenigstens ein wenig aufzufangen. Warum bekommt die Lindenoper so viel? Nur weil sie die Casa Barenboim ist.

Ein Name wird hier belohnt. Ein Name, der seinen Weg geht und sein Ego durchsetzt. An der Lindenoper agieren drei

völlig autarke, teilweise nur noch mit Anwalt miteinander verkehrende Einheiten: der starke Verwaltungsdirektor Georg

Vierthaler, der eisern die Budgets einhält, auch wenn dafür Premieren abgesetzt werden müssen; der schwache

Intendant Peter Mussbach, den kaum einer mit dem Haus identifiziert; und eben die Marke Barenboim, deren Wille

Lindenoperngesetz ist.

Sicherlich hat Barenboim viel für das Haus getan, es auf die Weltkarte der Oper zurückgebracht, so wie er die

Staatskapelle international wieder konkurrenzfähig gemacht hat. Doch längst ist alles nur noch sein Werkzeug. Die

Deutsche und die Komische Oper haben sich – mit mehr oder weniger Erfolg – inzwischen inhaltlich profiliert, sich

zumindest innerhalb der Berliner Opernlandschaft ein Ziel gesteckt. Die Staatsoper macht, was sie will – besser: was

Barenboim will.

Seit dem 31. August ist das Haus offen, in diesen fast fünf Monaten hat die Staatskapelle in Berlin gerade einmal 47

Opernvorstellungen gespielt. Schließlich gastiert sie viel. Doch auch wenn sie Gewinn mitbringt, durch ihre Gehälter 

werden diese Tourneen indirekt vom Land Berlin finanziert. Dabei touren schon die Philharmoniker und die anderendrei Konzertorchester weltweit als Berlins Musikbotschafter.

Daniel Barenboim bestimmt laut Vertrag komplett über seine Premieren, die Sänger werden meist nur von zwei

Agenturen geliefert, besetzt werden sie von einem neu engagierten älteren Herren, der Wachs in Barenboims Händen

ist. Guten Vokalnachwuchs hat das Haus lange nicht mehr hervorgebracht.

In den wenigen, meist konservativ programmierten und sich oft wiederholenden Konzerten der Staatskapelle stehen

vorwiegend Barenboims Freunde am Pult: Michael Gielen, Zubin Mehta, aber auch der nebenbei dirigierende Geiger 

Pinkas Zukerman. Und jetzt hat Barenboim zusätzlich die strittige Vera von Hazebrouck doch noch bekommen, nicht

als Orchesterintendantin, aber als Orchestermanagerin. Schließlich möchte der Chef das Orchester vergrößern, um

parallel noch mehr auf Konzert-Tournee zu gehen.

Die Staatsoper spielt nicht sehr viel, und meist das immergleiche Standardrepertoire, auch in den Besetzungen gibt es

viel zu wenig Abwechslung. Nach drei jeweils nur wenige Male gezeigten Gastspiel-Premieren im Herbst und dem von

der Scala übernommenen „Don Giovanni“ ist jetzt der „Maskenball“ am 20. Januar die erste echte Premiere, die ins

Repertoire eingehen wird.

Es folgen – im Rahmen der überteuerten Festtage sicher schwerverkäuflich – Prokofiews „Spieler“, der mit Barenboim

selbstverständlich danach gleich weiter an die Scala reisen wird, ein Händel als Aufwärmpremiere für die Festspiele

von Aix-en-Provence und Innsbruck sowie ein hauseigener Rossini. Das war es.

Und dabei sind selbst „Tristan“ und „Parsifal“ mit Barenboim nicht ausverkauft. „Tristan“ kehrt übrigens in der eigentlich

abgesetzten Kupfer-Inszenierung zurück. Die neue Produktion von Stefan Bachmann mit dem spektakulärenUnterdruck-Bühnenbild der Architekten Herzog & de Meuron ist offenbar schon verschwunden.

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Lückenstopfen statt Gesamtplanung

Jeder neue Generalmusikdirektor trifft auf Barenboim

Hinter den Kulissen der Opernstiftung geht es wüst zu. Den Weltstar Vladimir Malakhov will man samt seinem

erfolgreichen Staatsballett nach dem Umbau der Lindenoper einfach im Ausweichquartier Deutsche Oper lassen –

ohne mit ihm überhaupt zu reden. Zudem wird wieder einmal erbittert ums Repertoire gestritten, vor allem mit der 

Deutschen Oper, die dringend die großen Stücke des 19. Jahrhunderts braucht, die leider auch Barenboims Spezialität

sind.Da dieser an der Scala, wo er als fester Gastdirigent eine neue und sehr attraktive Spielwiese hat, jetzt noch einmal

seinen Werkkanon neu startet, bekommt auch die Lindenoper schon wieder einen „Ring“, mit den Veteranen Klaus

Michael Grüber und Anselm Kiefer. Die Deutsche Oper hätte ihn dringender nötig.

Dorthinein gehören einzig und allein auch Berlioz' „Trojaner“, die Barenboim freilich seinem dortigen Kollegen Donald

Runnicles abspenstig machen möchte. Weil Rolando Villazón gemerkt hat, dass der Cavaradossi doch nichts für ihn

ist, gibt es jetzt statt der sinnvollen neuen „Tosca“ einen von Barenboim bereits in Salzburg musikalisch mit

gemischtem Ergebnis präsentierten „Eugen Onegin“ – die dritte Produktion der Tschaikowsky-Oper in der Stadt. Weil

man so schnell keine neue Inszenierung mehr auf die Beine stellen kann, wird wohl die von Peter Stein aus Lyon

eingekauft. So werden Lücken gestopft, wo eine souveräne Gesamtplanung nötig wäre.

Von Barenboims Ruhm wie paralysiert denkt keiner der Kulturpolitiker voraus. 2012 läuft dessen Vertrag aus, dann ist

er 70 Jahre alt und 20 Jahre Lindenopernchef. 2010 schon endet der Mussbach-Vertrag, ein möglicherweise neuer 

Intendant kann nur mit Barenboims Placet gefunden werden.

Und selbst wenn der 2012 Schluss macht, ganz egal in welchem Zustand die Opern dann sein werden (die Lindenoper 

sicherlich noch in der Renovierungsphase): Jeder neue Generalmusikdirektor ist mit einem von den Instrumentalisten

bedingungslos unterstützten Staatskapellen-Konzertchef auf Lebenszeit konfrontiert: Daniel Barenboim.

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