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Das antike griechische Theater (2) 1 Amphora des Euthymides, ca. 510 v.Chr. Das antike griechische Theater (2) Die griechische Komödie In der Theaterkultur des antiken Griechenlands herrschte eine scharfe Trennung zwischen Tragödie und Komödie. Laut Peter Simhandl 1 und anderen hat nie ein Autor sich in beiden Gattungen versucht; nie fanden Aufführungen beider Gattungen beim gleichen Anlass statt; nie ist ein tragischer Schauspie- ler in einer Komödie aufgetreten oder umgekehrt. Die Komödie entstand wie auch die Tragödie aus dem Dionysoskult, wobei Phallosträger Lieder zu Ehren Diony- sos' sangen, um einen Vegetationszauber auszuüben 2 . Teilweise aus dieser Tradition ging die dorische Komödie, dessen bedeutendster Vertreter Epicharmos von Kos war, hervor. Seit 488 v. Chr. gab es die ersten Aufführungen von Komödien in Athen, die sich zwei Jahre später zu jähr- lich stattfindenden Dichterwettbewerben ausdehnten, die Lenäen im Januar/Februar (zunächst nur Komödien, dem älteren, saufenden Dionysos gewidmet) und die Dionysien im März/April (zunächst nur Tragödien, dem jüngeren Dionysos Eleuthereus [6. JH v.Chr.] gewidmet). Die griechische Komödie ist Bühnenwerk mit meist komi- schen Wirkungen und in der Regel glücklichem Ausgang. Häufig ist in der Komödie ein Konflikt gestaltet, der ver- meintliche Werte entlarvt oder menschliche Schwächen bloßlegt, und dessen Lösung Lachen hervorruft. Der Inhalt einer Komödie sind im Gegensatz zu den auch sinnen- frohen Satyrspielen, die den Abschluss der Tragödien- Tetralogien bildeten die spottende Auseinandersetzung mit prominenten Bürgern oder bekannten Persönlichkei- ten, Geschichten aus dem Leben der Polis. Zumindest die Alte Komödie war also auch noch politisches Instrument, wie die Tragödie. Und doch besteht thematisch ein sehr großer Handlungsspielraum, weil neben dem politischen und gesellschaftlichen athenischen Alltag auch Mythen-Parodien, sowie Literatur- und Philosophiekritik umfassend behandelt werden. Phantas- tische irreale Elemente wie die Präsentation der Chöre in Tierverkleidungen sind sehr beliebt. Ebenso vielfältig wie die Inhalte sind die Formen der Präsentation im humoristischen Sinne, was bedeutet, dass sich die Sprache von großer Feinsinnigkeit über mehr oder minder geistreiche Kalauer bis hin zu derbsten Obszönitäten erstrecken konnte. Die Aufgabe einer Komödie ist eine Vermittlung bestimmter Werte durch Lachen (durch Lachen etwas beigebracht zu bekommen). 1 Peter Simhandl: Theatergeschichte in einem Band. Henschel Verlag © 2007 Seite 22 2 Diese Komödienentwicklung setzte wohl auf Sizilien ein (Verner Arpe: Bildgeschichte des Theaters. © 1962 Seite 24 Zunächst war es ein oft obszöner mimischer Rundtanz der Weinbauern zum Erntedank, bei dem ausgelassene Reden geschwungen u. deftige Trinklieder gesungen wurden. Dies schwappte rüber nach Griechenland u. wurde dort zum heiteren Umzug nach Trinkgelagen, wobei ein riesiger Phallus singend u. tanzend durch die Straßen getragen wurde. Aus diesen Phallusliedern entwickelte sich dann nach die die griech. Komödie als selbständige Gattungsart.

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Amphora des Euthymides, ca. 510 v.Chr.

Das antike griechische Theater (2) – Die griechische Komödie

In der Theaterkultur des antiken Griechenlands herrschte eine scharfe Trennung zwischen Tragödie und Komödie. Laut Peter Simhandl1 und anderen hat nie ein Autor sich in beiden Gattungen versucht; nie fanden Aufführungen beider Gattungen beim gleichen Anlass statt; nie ist ein tragischer Schauspie-ler in einer Komödie aufgetreten oder umgekehrt.

Die Komödie entstand wie auch die Tragödie aus dem Dionysoskult, wobei Phallosträger Lieder zu Ehren Diony-sos' sangen, um einen Vegetationszauber auszuüben2. Teilweise aus dieser Tradition ging die dorische Komödie, dessen bedeutendster Vertreter Epicharmos von Kos war, hervor. Seit 488 v. Chr. gab es die ersten Aufführungen von Komödien in Athen, die sich zwei Jahre später zu jähr-lich stattfindenden Dichterwettbewerben ausdehnten, die Lenäen im Januar/Februar (zunächst nur Komödien, dem älteren, saufenden Dionysos gewidmet) und die Dionysien im März/April (zunächst nur Tragödien, dem jüngeren Dionysos Eleuthereus [6. JH v.Chr.] gewidmet).

Die griechische Komödie ist Bühnenwerk mit meist komi-schen Wirkungen und in der Regel glücklichem Ausgang. Häufig ist in der Komödie ein Konflikt gestaltet, der ver-meintliche Werte entlarvt oder menschliche Schwächen bloßlegt, und dessen Lösung Lachen hervorruft. Der Inhalt einer Komödie sind – im Gegensatz zu den auch sinnen-frohen Satyrspielen, die den Abschluss der Tragödien-Tetralogien bildeten – die spottende Auseinandersetzung mit prominenten Bürgern oder bekannten Persönlichkei-

ten, Geschichten aus dem Leben der Polis. Zumindest die Alte Komödie war also auch noch politisches Instrument, wie die Tragödie. Und doch besteht thematisch ein sehr

großer Handlungsspielraum, weil neben dem politischen und gesellschaftlichen athenischen Alltag auch Mythen-Parodien, sowie Literatur- und Philosophiekritik umfassend behandelt werden. Phantas-tische irreale Elemente wie die Präsentation der Chöre in Tierverkleidungen sind sehr beliebt. Ebenso vielfältig wie die Inhalte sind die Formen der Präsentation im humoristischen Sinne, was bedeutet, dass sich die Sprache von großer Feinsinnigkeit über mehr oder minder geistreiche Kalauer bis hin zu derbsten Obszönitäten erstrecken konnte.

Die Aufgabe einer Komödie ist eine Vermittlung bestimmter Werte durch Lachen (durch Lachen etwas beigebracht zu bekommen).

1 Peter Simhandl: Theatergeschichte in einem Band. Henschel Verlag © 2007 Seite 22

2 Diese Komödienentwicklung setzte wohl auf Sizilien ein (Verner Arpe: Bildgeschichte des Theaters. © 1962 Seite 24

Zunächst war es ein – oft obszöner – mimischer Rundtanz der Weinbauern zum Erntedank, bei dem ausgelassene Reden geschwungen u. deftige Trinklieder gesungen wurden. Dies schwappte rüber nach Griechenland u. wurde dort zum heiteren Umzug nach Trinkgelagen, wobei ein riesiger Phallus singend u. tanzend durch die Straßen getragen wurde. Aus diesen Phallusliedern entwickelte sich dann nach die die griech. Komödie als selbständige Gattungsart.

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Abb.: Parodistische Szene auf die „Antigone“ des Sophokles. Man sieht die Masken und dass nur Männer spielten.

Abb.: Szene aus einem unbekannten Satyrspiel.

Etwa 520 v.Chr. begann man die gr. Tragödien-Wettkämpfe mit einem Satyr-Spiel abzuschließen, das im völligen Gegensatz zum feierlichen Pathos der vorangegangenen Trilogie stand. Es war ein hemmungslos ausgelassenes, oft obszönes Nachspiel, das anfangs ernsthafte Motive der Tragödien persiflierte und sie ins Gegenteil verkehrte. Man kann also sagen, der Dichter schrieb mit seinem Satyrspiel die Satire auf sein eigenes vorangegangenes Werk. Im Gegensatz zur Komödie ging es hier aber nicht um das Verspotten und Lächerlichmachen. - Die Spieler trugen dabei in der Regel einen Schurz aus Bocksfell und eine groteske Maske, waren mit einem übergroßen Phallus und Pferdeschwänzen ausgestattet.

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Abb.: Einübung eines Satyrchores durch den Didaskalos. Man sieht u.a. Frauenmaske

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Schon im Altertum wurde eine Dreiteilung der griechischen Komödie vorgenommen: alte, mittlere und neue Komödie.

Alte Komödie

Vor allem Kritik am öffentlichen Leben der Polis von Athen. Hauptrepräsentant war Aristophanes (ca. 448 – ca. 380 v.Chr.), der große Spötter und Mahner des Friedens. Aber es gab schon vor ihm Komödienschreiber, denn er schöpfte bereits aus einem reichen Fundus von Formelementen. Formal hielt er sich an das überkommene IDEAL für die Komödie:

PROLOG3 (vom Helden des Stücks gesprochen) PARODOS4 (Einzugslied des Chores) 1. EPEISODION5 (ansteigende Handlung) 1. STASIMON6 (Standlied, gesungen durch einen Chor) 2. EPEISODION (Höhepunkt) 2. STASIMON (gesungen durch einen Chor) 3. EPEISODION (Peripetie) 3. STASIMON (gesungen durch einen Chor) 4. EPEISODION (fallende Handlung) 4. STASIMON (gesungen durch einen Chor) 5. EPEISODION 5. STASIMON (gesungen durch einen Chor) EXODOS7 (Auszugslied des Chores) [optional: Schlusswort (gesungen durch einen Chor)]

Innerhalb des 2. Epeisodions fand sich als Höhepunkt die als AGON bezeichnete Streitszene (Rede - Gegenrede) zwischen den Vertretern von zwei sich grundsätzlich widersprechenden Prinzipien (Protagonist – Chor bzw. Protagonist – zweiter Schauspieler) – bisweilen auch auf zwei Halbchöre aufgeteilt.

3 Aristoteles definiert den Prolog formal als den „ganzen Teil der Tragödie vor dem Einzug des Chors“, meist in jambi-

schen Sprechversen. Gemeinsam mit dem Parados dient der Prolog der Exposition des ‚Mythos‘ des Dramas; es wer-den Personen, Ort und Zeit der Handlung fixiert. Mit Blick auf ihre Funktion bilden sie eine Einheit, hinsichtlich ihrer Form sind sie zu trennen. 4 Warum diese Bezeichnung wird in der nächsten Unterrichtsstunde behandelt: Theaterbau und Aufführungspraxis im

antiken Griechenland 5 deutsch auch Episode, ist im altgriechischen Drama ein Teil mit gesprochenen Dialogen der Schauspieler, der zwi-

schen zwei Chorgesänge eingeschaltet wurde 6 Das vom Chor gesungene Stasimon beendet das jeweilig vorangehende Epeisodion.

7 EXODUS = Auszugslied des Chores zu einem Mahl oder zum „fröhlichen Beischlaf“, wie es in einer Komödie Aristo-

phanes‘ heißt.

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Ältestes Bauelement der Alten Komödie – woran man den Ursprung aus brauchtümlichen Rüge-spielen (auch heute noch in der Fasnet) erkennt – ist die PARABASE8. Hier wendet sich der Chor, nachdem er die Masken abgelegt hat, direkt ans Publikum und erklärt Ansichten und Absichten des Autors, teilt Ermahnungen und Seitenhiebe gegen Politiker und Konkurrenten im Theater-wettkampf aus und erfleht schließlich die Hilfe der Götter.

Als Begründer der attischen Komödie gilt Kratinos. Er legte mit seinem Humor und seinem Spott den Grundstein für weitere Komödiendichter wie Hermippos und Eupolis. Der wohl berühmteste Dichter dieser Zeit ist Aristophanes (um 448 - 385 v. Chr.). Mit seinen Satiren und Karikaturen wie z.B. von Sokrates in seinem Stück "Wolken" begeisterte er das Publikum und kritisierte zugleich politische Zustände und wissenschaftliche Strömungen.

Die Vertreter der Alten Komödie sind auch durch die teilweise überlieferten Siegerlisten bekannt, in denen die folgenden Dichter am häufigsten genannt werden:

Magnes: 11 Siege bei Lenäen und Dionysien Kratinos: 3 Siege bei den Lenäen, 6 Siege bei den Dionysien Telekleides: 5 Siege bei den Lenäen, 3 Siege bei den Dionysien Eupolis: 3 Siege bei den Lenäen, 4 Siege bei den Dionysien ARISTOPHANES: mind. 4 Siege bei den Lenäen, mind. 2 Siege bei den Dionysien Hermippos: 4 Siege bei den Lenäen, mindestens 1 Sieg bei den Dionysien Phrynichos: 2 Siege bei den Lenäen, mind. 1 Sieg bei den Dionysien Pherekrates: 2 Siege bei den Lenäen, 1 Sieg bei den Dionysien Ameipsias: mind. 1 Sieg bei den Dionysien Platon: mind. 1 Sieg bei den Dionysien

Einen kurzen Abriss der Gattungsentwicklung der Alten Komödie anhand einiger Dichter findet man im gesonderten PDF-File „Gattungsentwicklung Alte Komödie“, das einer Arbeit von Christi-na Helm folgt. (Internet-Link im PDF-File ganz unten.)

Wie gesagt, Hauptvertreter der Alten Komödie ist Aristophanes, auch weil von ihm Theaterstücke die Zeitläufte überstanden haben.

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Eine vollständige Parabase besteht aus zwei Teilen: TEIL 1 ist eine lange Rede des Chorführers im Auftrag des Dichters. Sie bringt das persönliche Anliegen des Dichters zum Ausdruck. TEIL 2 enthält die für die Antike Komödie typische epirrhematische Komposition. Hier ist der ganze Chor beteiligt, der mit einer Liedstrophe (Ode) die Dialogverse einleitet. Darauf folgt das Epirrhema, eine Rezitation in trochäischen Tetrametern. Diese Kombination wiederholt sich in Antode und Antepirrhema, den jeweiligen Gegenstücken zu Ode und Epirrhema, und bildet so einen Dialog. Die Parabase steht außerhalb der Handlung. Sie hat keinen festen Platz im Stück, sondern wird dort eingelegt, wo die Handlung eine solche Unterbrechung möglich macht.

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ARISTOPHANES (ca. 448 – ca. 380 v.Chr.)

Seine produktivste Phase fällt in die Zeit des Peloponnesischen Krieges9, der verheerende Folgen für den Zustand der Polis Athens hatte: Demokratie und Ökonomie zerfielen. Sämtliche materiel-len und geistigen Errungenschaften der vorangegangenen Blütezeit waren in Gefahr – und dies schlug sich in seinen Werken nieder: sehr scharfe Kritik an einzelnen Persönlichkeiten wie an der generellen Lebensausrichtung der Polis.

DIE ACHARNER Sein ältestes erhaltenes Werk; ein Bauer als Friedensheld: der Beeinträchtigungen durch den Krieg müde, schließt er privat Frieden mit dem Feind. Im Laufe des Stückes konvertieren Kriegshetzer zum Pazifismus und verhandeln nun ihrerseits mit ihrem General. Der bleibt je-doch stur, weshalb ihm der Segen des Friedens auch vorenthalten bleibt. Am Ende schleppt er sich verwundet über die Bühne, während die anderen ein dionysisches Fest feiern.

DIE RITTER Satire auf die Demagogie des damaligen Politikers Kleon und dessen Kriegstreiberei. Die Mit-tel zweier Politiker um die Gunst des Volkes werden aufgezeigt.

DIE WOLKEN Hierin karikiert er den Philosophen Sokrates als Sophisten und gefährlichen Wortverdreher – womit er nicht unwesentlich zum Todesurteil dessen beigetragen hat10.

DIE WESPEN Hier machte A. die Prozesswütigkeit der Athener. Richter wurde man durchs Los. Und wenn man es war, wurde es gut honoriert: je mehr Prozesse umso mehr Einkommen. Ein Sohn richtet seinem Vater ein Privatgericht ein: Streit zwischen zwei Hunden um ein Stück Käse wird verhandelt.

DER FRIEDEN Ein Weinbauer fliegt, während des nicht enden wollenden Krieges auf einem Mistkäfer in den Olymp. Dort befreit er die vom Kriegsgott eingesperrte Friedensgöttin.

LYSISTRATE Die Heldin versammelt die Frauen aus den verfeindeten griechischen Poleis und überzeugt sie, dass man die Männer zum Friedensschluss zwingen könne, wenn man ihnen jeglichen Sex verweigert.

DIE VÖGEL Sehr poetisch. Frustriert von der Prozesswut verlassen zwei Athener ihre Stadt und gründen mit Hilfe des Königs der Vögel „Wolkenkuckucksheim“. Die Vögel haben nun also die Macht, da sie menschliche Opfergaben an die Götter auf dem „Weg nach oben“ unterbinden kön-nen. Schließlich müssen die Götter dem einen Athener, der sich zum Tyrannen über den neuen Staat ausgerufen hat, Göttin Basileia, die Personifikation der Weltherrschaft (Plan der Athener), zur Frau geben. Gilt als seine beste und gelungenste Komödie.

DIE FRÖSCHE Zielscheibe Euripides. Fiktiver Wettkampf zwischen Euripides und Aischylos, mit Dionysos als Schiedsrichter. Aischylos, Vertreter der alten Ideale der Polis, siegt.

9 Der Peloponnesische Krieg zwischen dem von Athen geführten Attischen Seebund und dem Peloponnesischen Bund

unter seiner Führungsmacht Sparta dauerte, unterbrochen von einigen Waffenstillständen, von 431 v. Chr. bis 404 v. Chr. und endete mit dem Sieg der Spartaner. 10

Siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Sokrates#Unbeugsam_in_Prozess_und_Tod

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Mittlere Komödie

Mit dem Ende der Demokratie – als die Spartaner gegen Ende des 5. JH die Mauern Athens stürm-ten und deren alte politisch-soziale Ordnung unterging – erübrigte sich die Alte Komödie als politi-sches Instrument. Eine allgemeine Verarmung machte sich in Athen bemerkbar: die Chöre, die bisher aufwändig von reichen Athenern ausgestattet worden waren, wurden immer häufiger ge-strichen und verloren nach und nach ihre Bedeutung (andrerseits wurden dadurch die Rollen der Schauspieler ausgebaut); auch die Parabase verschwand langsam aus den Komödien, da man es in der neuen Zeit nicht mehr wagte, Staatsmänner und andere hochstehende Persönlichkeiten von der Bühne her anzugreifen. So entstand die Mittlere Komödie, die ihren Spott lieber über lächerli-che Alltagstypen wie Prahlhälse, Lustmolche und böse Schwiegermütter. Diese Phase dauerte wohl so etwa 70 Jahre.

Überlieferte Theaterstücke aus dieser Zeit stammen wiederum von

ARISTOPHANES.

DIE WEIBERVOLKSVERSAMMLUNG Frauen ergreifen die Macht und verkünden einen Primitivkommunismus – in dem alles al-len gehört – auch in der Liebe. Dabei möchte u.a. ein junger Mann zu seiner Geliebten, wird dann aber das Opfer von alten Vetteln. A. verhöhnt quasi seine eigene Utopie.

PLUTOS Ein armer Bauer verschafft Plutos, dem blinden Gott des Reichtums, eine Kur, durch die er sehend werden soll, um seine Gunst nicht mehr den Betrügern zu schenken, sondern den guten Menschen.

Wenn man über alle Stücke von Aristophanes schaut, so stellt man fest, dass er Realismus und Märchen-Willkür aufs engste miteinander verknüpfte. Eine Vorgehensweise auf die man in der Lite-ratur immer wieder stößt: denn durch derartige Verzerrung und Überhöhung werden zum einen Kernprobleme scharf heraus gestellt; zum andern aber eine etwaige Zensur umgangen.

Abb.: Mittlere Komödie. Das Spiel mit Masken. UND: rechts und links je eine Frau als Schauspielerin

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Neue Komödie

Durch die Herrschaft von makedonischen Königen in späterer Zeit war es mit der Demokratie und Redefreiheit vorbei. Zudem schwand das Verantwortungsgefühl für das Allgemeinwohl zugunsten des individuellen materiellen Zweckdenkens. Das einfache Volk hatte Mühe, bei sinkenden Löhnen infolge wachsender Konkurrenz durch die Sklaven, sein Existenzminimum zu sichern. Und in den Städten wuchsen die Besitzenden zahlenmäßig stark an, die nur an weiterer persönlicher Berei-cherung interessiert waren. Überhaupt wurde Politik mehr und mehr die Sache einzelner Perso-nen. Und die Dichter konnten keine Anspielungen auf Personen bzw. Karikaturen mehr in ihren Stücken verwenden. Also verlagerte sich der Inhalt der Theaterstücke konsequenterweise von der bissigen Satire auf die Darstellung verschiedener Personentypen (schlaue Sklaven, verführerische Hetären, großmäulige Krieger, geizige Väter, verwöhnte Söhne, feurige Liebhaber usw.) und alltäg-liche Sittenschilderungen.

Der bedeutendste Dichter dieser Zeit war, neben Diphilos und Philemon,

MENANDER (um 342/41 - 291/90 v. Chr.)

Erst seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts weiß man Genaueres darüber, als in Ägypten Papyri mit den Resten einiger Komödien gefunden wurden, die in Verbindung mit den Nachdichtungen der römischen Autoren Plautus und Terenz (siehe Unterrichtseinheit „Das antike römische Theater“) ein relativ genaues Bild ergaben.

Nur ein Stück von Menander („Der Menschenfeind“) ist vollständig überliefert: man fand es in den 50er Jahren des 20.Jahrhunderts. Von „Das Schiedsgericht“ sind nur etwa zwei Drittel erhalten. Wenig, da Menander wohl über 100 Komödien geschrieben hatte.

Milieu und Handlung: Das Alltägliche, Häusliche und Familiäre. Meist steht im Zentrum die Auseinandersetzung zwischen [älterer Generation, die überkommene moralische Werte und Besitz bewahren will] und [jüngerer Generation, die auf Vergnügen und reine Lebensfreude ausgerichtet ist.] da die Jüngeren aber unter chronischem Geldmangel leiden, versuchen sie, meist mit Hilfe eines listigen Sklaven, die Alten zu betrügen. JEDENFALLS zeichnet Menander Menschen, die ihr SCHICKSAL SELBST IN DIE HAND NEHMEN. Hier ist KEIN hingebender Glaube mehr an das VON DEN GÖTTERN SCHICKSAL. - TYCHE, die Göttin des Zufalls, ist jetzt oberste Instanz! Natürlich, weil Komödie, immer so, dass alles gut endet.

Menander war Meister in der Menschengestaltung in seinen Stücken. Zwar treten immer wieder die gleichen Figuren auf, aber völlig individuell gezeichnet. Hilfreich war ihm dabei sicher ein Werk seines Lehrers Theophrast, „Die Charaktere“.

Eine derart starke Individualisierung der Figuren und eine solch umfassende Privatisierung der Handlung hatte natürlich eine erhebliche Auswirkung auf die dramaturgische Form. Vor allem ver-lor der Chor (Sprachrohr der Gemeinschaft) seine Bedeutung. Er erscheint nur noch als „Break“, als Überleitung von einem Akt zum andern, als „Zwischenmusik“.

Auch die Inszenierungspraxis änderte sich stark. Doch dies ist Bestandteil der nächsten Unter-richtsstunde.

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Abb.: Szene aus einer Neuen Komödie: Vater erwischt Sohn beim Prassen (mit Flötenspielerin und Parasit)