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Deutsche Zeitschrfft fiir gerichtliche Medizin 50, 54--61 (1960) Aus der Neurologischen Klinik der Stadt. Krankenanstalten Dortmund (Chefarzt: Prof. Dr. Dr. R. JA~ZE~) und der Psychologischen Abteflung (Prof. Dr. O. GRAS) des Max-Planck-Instituts ftir Arbeitsphysiologie Dortmund (Prof. Dr. G. LEgMAn,). Das EEG als Test der cerebralen Funktionsstiirung naeh Alkohol Von E. M~LLER und J. RUTENFRANZ Mit 6 Textabbildungen (Eingegangen am 30. Oktober 1959) Wie viele Pharmaka, exogene und endogene Noxen (z.B. Stoff- wechselstSrungen) bedingt Alkoho] eine im Elektrcencephalogramm (EEG) erkennbare Ab/~nderung der I-Iirnt/itigkeit. Ihr Kennzeiehen ist die Verlangsamung und AmplitudenerhShung der Makropotentiale. Diese Versehiebung der eorticalen Rhythmen zur Seite der tr~geren Potentialschwankungen durch die Alkoholintoxikation ist mehrfaeh be- schrieben worden (GI~S, GIBBS u. L~ox, SCnMIDT, U.V. K~D~ST~OM CASTERS U. ABELE, DAVIS U. Mitarb., ENGEL U. I~OSE~BACM). Das E E G ist ein guter Indikator des Alkoholeffektes, wenngleich es seinem Wesen entsprechend ein spezifisches, nur ffir die Alkoholwirkung charakteristi- sches Bild nieht liefert. Psychologischen Tests gegenfiber hat die hirn- elektrJsche Untersuchung den Vorteil, durch individuelle Faktoren -- wie Intelligenzunterschiede, Aufmerksamkeitsschwankungen, willens- m/~Bige Kompensation -- nicht beeinfluBt zu werden. Fragestellung Von I~UT~N~RA~Z u. JA~SE~ durchgeffihrte Tests an dem Grafschen Fahrger/~t ergaben betr/~chtliche StSrungen einer Mehrfacht/~tigkeit -- erkennbar etwa an der Fahrgenauigkeit-- fiber mebrere Stunden hinweg und bei relativ niedr~ger Blutalkoholkonzentration (BAK), so daf~/ihnlieh lange anhaltende StSrungen der corticalen MakropotentJale vermutet werden durften. Somit waren zuns die Sps der Alkohol- intoxikation ira EEG zu untersuchen. Dies erforderte die Prfifung des Verhs yon BAK uad eortiealer T/s in der Abbauphase. Welter war der bislang nieht erforschte Einfluf~ einer zus~tzliehen Be- lastung durch den zur l~outineableitung gehSrenden tIyperventilations- test auf die Verlangsamung der corticalen Makrorhythmen naeh Alkohol zu prfifen. Ffir die (forensische) Praxis ergab sich die Frage, ob es sinn- voll ist, mehrere (6--8) Stunden nach Alkoholzufuhr ein EEG abzuleiten.

Das EEG als Test der cerebralen Funktionsstörung nach Alkohol

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Deutsche Zeitschrfft fiir gerichtliche Medizin 50, 54--61 (1960)

Aus der Neurologischen Klinik der Stadt. Krankenanstalten Dortmund (Chefarzt: Prof. Dr. Dr. R. JA~ZE~) und der Psychologischen Abteflung (Prof. Dr. O. GRAS)

des Max-Planck-Instituts ftir Arbeitsphysiologie Dortmund (Prof. Dr. G. LEgMAn,).

Das EEG als Test der cerebralen Funktionsstiirung naeh Alkohol

Von E. M~LLER und J. RUTENFRANZ

Mit 6 Textabbildungen

(Eingegangen am 30. Oktober 1959)

Wie viele Pharmaka, exogene und endogene Noxen (z.B. Stoff- wechselstSrungen) bedingt Alkoho] eine im Elektrcencephalogramm (EEG) erkennbare Ab/~nderung der I-Iirnt/itigkeit. Ihr Kennzeiehen ist die Verlangsamung und AmplitudenerhShung der Makropotentiale. Diese Versehiebung der eorticalen Rhythmen zur Seite der tr~geren Potentialschwankungen durch die Alkoholintoxikation ist mehrfaeh be- schrieben worden (GI~S, GIBBS u. L ~ o x , SCnMIDT, U.V. K~D~ST~OM CASTERS U. ABELE, DAVIS U. Mitarb., ENGEL U. I~OSE~BACM). Das EEG ist ein guter Indikator des Alkoholeffektes, wenngleich es seinem Wesen entsprechend ein spezifisches, nur ffir die Alkoholwirkung charakteristi- sches Bild nieht liefert. Psychologischen Tests gegenfiber hat die hirn- elektrJsche Untersuchung den Vorteil, durch individuelle Faktoren - - wie Intelligenzunterschiede, Aufmerksamkeitsschwankungen, willens- m/~Bige Kompensation - - nicht beeinfluBt zu werden.

Fragestellung

Von I~UT~N~RA~Z u. JA~SE~ durchgeffihrte Tests an dem Grafschen Fahrger/~t ergaben betr/~chtliche StSrungen einer Mehrfacht/~tigkeit - - erkennbar etwa an der Fahrgenauigkei t - - fiber mebrere Stunden hinweg und bei relativ niedr~ger Blutalkoholkonzentration (BAK), so daf~/ihnlieh lange anhaltende StSrungen der corticalen MakropotentJale vermutet werden durften. Somit waren zuns die Sps der Alkohol- intoxikation ira EEG zu untersuchen. Dies erforderte die Prfifung des Verhs yon BAK uad eortiealer T/s in der Abbauphase. Welter war der bislang nieht erforschte Einfluf~ einer zus~tzliehen Be- lastung durch den zur l~outineableitung gehSrenden tIyperventilations- test auf die Verlangsamung der corticalen Makrorhythmen naeh Alkohol zu prfifen. Ffir die (forensische) Praxis ergab sich die Frage, ob es sinn- voll ist, mehrere (6--8) Stunden nach Alkoholzufuhr ein EEG abzuleiten.

Das EEG als Test der eerebralen l~unktionsstSrung naeh Alkohol 55

Ve~uchsanordnung Zehn gesunde Studenten zwischen 20 und 30 Jahren wurden untersucht. Nach

einem Friihstiiek, vorwiegend aus Kohlehydraten und ohne Bohnenkeffee, wurde das Ausgangs-EEG einsehliel]lich Hyperventilation yon 3--4 mill registriert. An- sehlieBend Alkoholzufuhr innerhalb yon 30 rain. lVienge: 1 g/kg K6rloergewicht.

1. BlutMkoholbestimmung und 1. EEG 10--40 rain, 2. Untersuehung 30 bis 90 rain, 3. 2--21/2 Std, 4. 41/e--43/4Std, letzte Untersuehung durehschnittlich 81/2 Std nach Versuchsbeginn.

Abgeleitet wurde uni- und bipolar yon 12 symmetrisehen l~unkten der Kolof- sehwarte (frontal, pr~tzentral, parietal, frontotemlooral, temlooral, occiloital ). Auf eine immer gleieh bleibende Intensit~t der 3--4 min dauernden Hyperventilation wurde besonders geaehtes Zwisehen den Ableitungen k0nnten sieh die Versuchs- 10ersonen (Vlo.) ausruhen, sehlafen oder geistig arbeiten, so dab Nrmiidungser- seheinungen weitgehend und Nebeneffekte (Erbrechen, Beeintr/ichtigung dutch Elektrodenhaube und Elektroden) ganz wegfielen. Blutzuekerbestimmungen vor jedem EEG sollten mSgliche Relationen zwisehen St/irke der ttyperventilations- vergnderungen und Zuekerspiegel erkennen lassen.

Als MaB der EEG-Ver~nderungen nach Alkohol diente die Erniedrigung der Grundfrequenz des Ausgangsbildes. Wichtig war nieht so sehr die l%ststellung absoluter Frequenzzahlen dutch fortlaufende Frequenzz~hlungen, sondern die Tendenz der Abweichungen in l~uhe und unter Mehratmung w~hrend des immer 8--9 Std dauernden Versuchs. Jedes Ausg~ngs-EE G mit dominantem sc-Rhy~hmus (8--12/see) galt als normal (Abb. 1). Alle Bilder, in denen Potentialschwankungen unter 8/see geh~uft auftraten, wurden als abnorm gewertet. Naeh der weithin iibliehen Einteilung in leichte, mittel- und hochgradige Allgemeinver/tnderungen, die in etwa der Tyloisierung yon GIm3S in S 1, S 2, S 3 entsloricht, lieBen sich die Abweiehungen des EEG yon der Ausgangslage klassifizieren (Abb. 1--4).

Ergebnisse a) Das Ausgangs-EEG. Die folgende Tabelle orien*iert fiber das

Ausgangs -EEG in Ruhe und unter Mehra tmung (Hyperventi lat ion).

Tabelle

INormal Flaeh Flach/leichta,bnorm IAllgemeinvergnderungl Herd

Mehratmung - - i 1

Die bei 2 Versuehspersonen gefundenen sog. flaehen I-Iirnwellen- bilder gelten noeh als physiologisehe Varian~en -and zeigen keine Funk- tionss~6rung an. Dem Grenzbefund (flaeh/leieht~ abnorm) bei 2 weiteren Versuehspersonen entspraeh kein klinisehes ~quivalent . I n diesen beiden FNlen fibersehritten die I-Iyperventila~ionsver/inderungen, die in der Regel in einer m~13igen AmplitndenvergrSBerung und Freqnenzminde- rung des e - R h y t h m u s sowie 6--7/see-PG~entiMen in frontaler Betonung bestehen, diesen Rahmen. Einmal wurde eine Herds t6rung links occipital, deren Ursaehe nieh~ zu ersehlieBen war, aus der Latenz gehoben und bei der 2. Versnehsperson ka m es zu mit telgradigen Allgemein- vergnderungen (Typ S 2 nach GIBBS).

56 E.i~LLER und J. RUTENFRANZ:

b) Das EEG nach Alkoholzu/uhr. Unter Alkohol ~nderte sich das Ruhe-EEG aller Versuchspersonen in dem bekannten Sinne (Frequenz- minderung und AraplitudenerhShung) ab. Die deutlichsten Abweichun- gen im Ruhe-EEG waren gewShnlieh 1/2--3 Std nach Versuchsbeginn zu erfassen, wenn die BAK am hSchsten ]ag. Eine strenge Koppelung der EEG-Veriinderungen an die absolute KShe der BlutMkoholwerte ergab sich nicht. Die gleichen Ver~nderungen konnten ira absteigenden Schenkel der A]koholkurve bei recht unterschiedlichen Proraillewerten gefunden werden. Zweira&l waren die Abweichungen ira I/[irnstrombild bei niedriger BAK sogar etwas ausgepr~gter als bei hSheren Alkohol- werten. Bei der gleichen BAK fanden, sich interindividuell sehr ver- sehiedene Abweichungen ira l~uhe-EEG.

Eine wenig alkoholgewohnte Vp. (D. D.) reagierte z.B. trotz eines Maximal- wertes yon 1,06~ weder im Ruhe-EEG noch n~ch Hyperventil~tion mit erheb- lichen Ver~nderungen. Die gleiche Vp., die wegen dieser geringen Ansprechburkeit noehmals 12 S~d nach privatem Genu~ mittlerer Mengen Alkohols, die eine BAK yon sch~tzungsweise 1,5~ muxim~l bedingt h~ben mSgen, untersueht wurde, re~gierte jetzt auf die Mehratmung mit sehr erheblichen Ver~nderungen (Abb. 3), die eine L~bilit~t der Rindent~tigkeit im Zustand subjektiver Beschwerdefreiheit und ob- jektiver ,,Niichternheit" beweisen. Zus~tzliche Faktoren, die die EEG-Ver~nde- rungen h~tten bedingen kSnnen, wurden in diesem Falle ausgeschlossen.

Differenzen des I~uhe-EEG gegenfiber dera Ausgangswert kSnnen auch in sp~teren Stadien des Alkoholabbaus noeh erkennbar sein. Wir sahen dies viermal, allerdings nur einmal bei einer Versuchsperson mir norraalem EEG. Bei 2 Versuehspersonen war ein flaches Ausgangs-EEG und bei einer ein leich% abnorraes registriert worden. DaB noch gegen Ende des Versuchs Abweichungen bei den beiden Versuchspersonen mit flachem EEG ira Vorversuch festgestellt wurden, liel~e sich mit der durch Alkohol und ausgiebige Ruhe zwischen den Ableitungen bewirkten Ent- spannung erkl~ren, wodurch diese Untersuehten erst ihr normales l~uhe- EEG h~tten bieten kSnnen. ]~aschere Potentialschwankungen naeh Alkoholgabe waren bei einer Versuchsperson im l~uhe-EEG und bei 2 weiteren Probanden w~hrend des Kyperventilationstestes zu be- obachten.

Die Abweichungen unter der Hyperventilation sind aufschluBreicher ~ls die Ver~nderungen des Ruhe-EEG. Der I-Iyperventilationstest zeigte bei allen(!) Untersuchungen eine Abweichung gegenfiber dera Aus- gangsbild aueh dann an, wenn das Ruhe-EEG gegen Ende des Versuchs den Ausgangswert schon wieder erreicht oder sich ihra erheblich geniihert hatte. Zu dieser Zeit lag der Alkoholspiegel bei 9 Versuchspersonen unter 0,20/00, bei einer Versuehsperson unter 0,30/00. Nebenerseheinungen verursachte die ~r eine ira l~ahraen unserer Versuchsanord- hung zurautbare Belastung, nur einraal in Form einer fliichtigen tetani- schen l~eaktion wi~hrend der 3. Untersuchung.

Das E E G ~Is Test der cerebra len Funkt ionss tSrung nach Alkoho] 57

v

Abb. 1. Normales EEG. Vp. IVf. 16. 7. 1958

Abb. 2. Geringgradige All- gemeinver~nderungennach ~ Alkoholaufnahme (BAK 1,05o/oo). Vp. hL 16.7. 1958

Abb. 3. ,~[ittelgr~dige Ver- iinderungen nach 210 sec Mehratmung, 12 Std n~ch AlkoholgenutL Vp. D. 30.

10. 1958

Abb. 4. Hoehgradige Ver- ~nderungen am Ende der 240 sec w~hrenden Hyper- ventilation (BAK 0,940/e0).

Vp. M. 16. 7. 1958

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5 8 E . Mi~LL]~R u n d J . I%UTE~r~X~Z:

Fiir gewShnlieh waren die I-Iyperventilationsreaktionen viel deut- licher als die Abweiehungen des l~uhe-EEG. Mittelgradige nnd starkere

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• 5. Verlavzf tier cor~icMen T/itigkeitsgnderung ~nter Alkoho] (,,Typ I"). e= Bereich des a-Rhythmus, S~ leichte Allgemeinvergnderungen, S~ mittelgradige Allgemein-

ver~inderxtngen, S~ hochgradigere Allgemeinver/inderungen

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s 6. Ver lauf 4er eor t i ea len Tg t i gke i t s~n4e r~ng u n t e r A lkoho l ( , ,Typ I I " ) . Z u n a h m e tier t t y p e r v e n t i l a t i o n s - v e r / i n d e r u n g e n t r o t z A b f a ] l tier B A K . ~ = Bere ich des

e - R h y t h m u s , $1 le ichte A l lgeme inve r / inde rungen , S~ m i t t e l g r a d i g e Al lgeme inve r / inde rungen , $3 hochgTadigere A / l g e m e i ~ v e r ~ n d e r u n g e n

Allgemeinver/~nderungen (Typ S 2 und S 3 nach GIBBs) konnten auf- treten. Immer zeigte tier I-Iyperven~ilations- test eine Labiht/it auch dann an, wenn diese nach dem Ruhe-Bild nicht oder nicht mehr fagbar war. Eine latente Labilit~t der ttirnrin- dent/~tigkeit kann also durch die Mehratmung provoziert werden, wie anch das oben angeffihrte Beispiel (Versuchsper- son D. D.) zeigt.

Die nach Alkoholein- setzende Frequenzver- langsamung, die durch die Mehratmung noch steigerungsf/~higist,kann bis zur Bildung bilate- ral synehroner 2 4/see- Gruppen hoher ArapIi- rude (150 Mikrovolt) gehen (Abb. 4). Die Provokation , derartiger Vergnderungen dutch die 14yperventilation sehien unabh/~ngig yon der Ausgangslage und von den Ab~nderungen des Ruhe-EEG naeh Alkohol. Zweimal lie- Ben sieh rasehe Poten- tialsehwankungen (fiber 16/see) durch die tIyper- ventilation aktivieren.

Die durch Kyperventilation bedingten Frequenzverschiebungen k5nnen den Abweichungen des l~uhe-EEG parallel gehen (,,Typ I " der I~yper-

Das EEG als Test der cerebrMen FunktionsstSrung nach Alkohol 59

ventilationsreak~ion) (Abb. 5). Sie tun dies meis~ zu Beginn, wenn- gleieh sie fast i n n e r ihrer Intensit~t naeh nnd bezogen auf den Ausgangswert erheblieher sind Ms die Abweiehnngen des Ruhe-EEG. Bei der I-I~lfte der Untersuehten steigerten sieh die ttyperventilations- ver/~nderungen trotz abfallenden Alkoholspiegels und allm~hlieher t~iiekkehr zur Ausgangsfrequenz im Ruhe-EEG noeh bei der 3. nnd unter Umstgnden *. Ableitnng (3.--5. Std naeh Alkoholaufnahme) under- reiehten jetzt erst ihr Maximum (,,Typ II" der ttyperventilationsreaktion) (Abb. 6).

Besprechung der Ergebnisse und Folgerungen Wie zu erwarten, lieSen sieh die fibliehen Kennzeiehen der Alkohol-

wirkung im EEG in l~bereinstimmung n i t SCt:[MIDT n. V. JY~EDENSTRSM, CASTERS u. AB~L~, GIBBS, GIBBS U. L ~ o x best/itigen. Obgleieh Frequenzbeschleunigung nnd Provokation raseher Potentialschwankun- gen in der Regel nieht zu den Alkoholeffekten geh6ren, konnten wir dieses Ph/inomen in unserer ldeinen Versuehsreihe, /~hnlich wie HOLMB~G U. MART~NS, einmal in Ruhe und zweimal unter der Mehratmung feststellen. Ob es eine untersehiedliche ,,Ausgangslage" bzw. ein ver/~ndertes cort, i- cales Erregungsniveau anzeigt, mug offenbleiben.

Das AusmaB der Frequenzgnderung ist groBen individuellen Sehwan- kungen unterworfen, im Ruhebild noch mehr als beim Mehratmungstest. Ausgangslage, AlkoholgewShnung, Resorptionsgesehwindigkeit sind Faktoren, die diese Schwankungen bedingen (GoLDB]~RC u. LILJI~- STRAND). Den Anstiegsgradienten der BAK (Promillezuwaehs in der Zeiteinheit) gehen die Rhythmnsgnderungen parallel. Im absteigenden Sehenkel der Alkoholkurve zeigen sieh dagegen keine konstanten Be- ziehungen der eorticalen T~tigkeitsabgnderung zum BlutMkoholgehalt. Diese EEG-Veranderungen ~ sind offenbur selcundiire Alkoholeffekte. CASP~RS vergleieht diese ,,Erm/idungserseheinungen" einer ,,Brand- spur", die das Narkotieum hinterl/~Bt.

Die Tendenz zur Verlangsamung der cortiealen Spontanrhythmen, die aueh bei relativ niedriger BAK aus den i n n e r erforderliehen Ver- gleieh mit den Ausgangsbild erscMossen werden kann, wird dureh die Hyperventilation wesentlieh gef6rdert. Die tr~gen Sehwankungen sind, wie v. ttEDENSTaS~ es vermutete, dnrch Mehratmung steigerungsf~hig. Aul3erdem werden offenbar subeortieale Struk~nren beeinfluBt and be- wirken, dab bilateral synehrone Grnppen trgger Poten~iale hoher Ampli- tude aufsehiel3en (Ko~NM/)LL~I~, JA~ZE~ u. KOR~Mt~LL~).

Die starken ]:Iyperven~ilationsvergndernngen in der Abbauphase, die noeh dann vorhanden sind, wenn die eortieMe Rhythmusverlangsamung im l~uhe-EE G kaum mehr zu erkennen ist und die BAK unter 0,2--0,30/00 liegt, spreehen liir eine lange, zumindest latent verbleibende eerebrale

60 E. MffLL~ und J. RUTENI~RA:NZ:

Labilit~t. In dieser Phase k6nnen zusatzliehe Reize, etwa Coffein, sog. leistungssteigernde Medikamente oder aueh nur eine pl6tzlieh anftre- tende unerwartete Belastung sich ungfinstig auswirken und im prakti- sehen Fall etwa die Fahrtaugliehkeit in Frage stellen.

Die Feststellungen yon RUTENFRA~Z U. JANSEN, die an dem Graf- schen Fahrgerat trotz sinkenden Blutspiegels keine signifikanten Xnde- rungen der Fahrleistung in der 3.--5. Std gegeniiber der 1. Std naeh Alkoholzufuhr sahen und auch die Fahrgenauigkeit bis zur 5. Std naeh Versuehsbeginn nieht spiirbar verbessert fanden, werden durch die Ergebnisse der hirnelektrisehen Untersuchung gestiitzt.

Die teilweise erhebliche Abgnderung der corticalen Ts unter der ttyperventilation, die in ihrer starksten Auspr~tgung dutch - - often- bar subcortical gesteuerte - - bilateral synehrone, fronto-temporal be- tonte Gruppen sehr trager Potentiale hoher Amplitude gekennzeiehnet ist, scheint manehmal gebahnt zu werden. Die Zunahme der Gruppen- bildungen in spateren Versuehsstadien legt diese Vermutung nahe, wenngleieh die primare Ursaehe dieser fiberschieSenden Hyperventila- tionsreaktionen der - - wenn auch ausldingenden - - Alkoholintoxikation zur Last zu legen ist. Auoh ein relativ niedriger Blutzuekerspiegel kann einmal einen voriibergehend wirksamen zusgtzlichen Faktor ffir die Intensit~t der Hyperventilationsreaktion im EEG darstellen (B!aAZIEI~ u. Mitarb., HEI~PENSTALL), sicher aber nicht den tIauptfaktor, zumal im gleiehen Versuch bet gleieh hohem Zuekerspiegel eindeutig unter- schiedliche Mehratmungsver~nderungen auftreten kSnnen.

Die hirnelektrische Untersuehung ist eine Methode, die Sp~twir- kungen naeh Alkoholintoxikation ~hnlieh wie Folgen des chronisehen Alkoholismus (FUNXI~OUSER) erfassen kann. Sie seheint leiehter eine lange naeh Abklingen der subjektiven und wesentliehen objektiven Alkoholwirkungen noeh vorhandene eerebrale Labilit~t anzuzeigen, als dies mittels psyehologischer Tests mSglieh ist. Die EEG-Veranderungen in Auswirknng der sekunds Alkoholeffekte sind unspezi/isch. Eine Vielzahl cerebraler wie extraeerebraler StSrungen kann die gleiehe eerebrale Labilitat bedingen. Fiir die praktisehe Anwendung des EEG als Test der eerebralen FunktionsstSrung naeh Alkohol bedeutet dies, dal~ anderweitige StSrfaktoren ausgesehlossen und wiederholte Unter- suehungen durchgeftihrt werden mfissen.

Die eingangs gestellten Fragen kSnnen wie folgt beantwortet werden : 1. Das EEG erlaubt, noeh 81/2 Std nach Alkoholzufuhr eine Xnderung

der eortiealen Makropotentiale und damit eine eerebrale Funktions- stSrung zu erfassen.

2. Bluta]koholkonzentration und EEG-Veranderungen laufen in der Abbauphase nieht parallel.

Das EEG als Test der cerebralen FunktionsstSrung n~ch Alkohol 61

3. Die T e n d e n z zu r V e r l a n g s ~ m u n g der cor t icMen S p o n t a n r h y t h m e n , d ie auch bei n i e d r i g e n B l u t M k o h o l k o n z e n t r a t i o n e n aus d e m i m m e r er-

fo rde r l i chen Verglcich m i t d e m A n s g a n g s b i l d erschlossen werden ka.nn, wi rd du rch die H y p e r v e n t i l a t i o n wesen t l i ch gef6rder t .

4. I n der (forensischen) P r a x i s k a n n e ine h i rne lek t r i sche Un~er- s u c h n n g noch mehre re S t u n d e n n~ch Alkoholgenui ] tro~z n iedr iger

0,2--0,30/00) B l u ~ M k o h o l k o n z e n t r a t i o n u n d s u b j e k t i v e r wie o b j e k t i v e r , ,Nf i ch te rnhe i t " s i nnvo l l sein.

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Dr. E. MfJ~L~n, Neurologische Univ.-Klinik Hamburg.Eppendorf Dr. Dr. J. RUTE~F~A~Z, Univ.-Kinder-Polildinik Mfinehen