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Das Herzkatheterbuch Diagnostische und interventionelle Kathetertechniken Bearbeitet von Von: Harald Lapp 5. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2019. Buch inkl. Online-Nutzung. 480 S. Inkl. Online- Version in der eRef. Hardcover ISBN 978 3 13 241481 5 Format (B x L): 19,5 x 27 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Klinische und Innere Medizin > Kardiologie, Angiologie, Phlebologie Zu Inhalts- und Sachverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

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Das Herzkatheterbuch

Diagnostische und interventionelle Kathetertechniken

Bearbeitet vonVon: Harald Lapp

5. vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2019. Buch inkl. Online-Nutzung. 480 S. Inkl. Online-Version in der eRef. Hardcover

ISBN 978 3 13 241481 5Format (B x L): 19,5 x 27 cm

Weitere Fachgebiete > Medizin > Klinische und Innere Medizin > Kardiologie,Angiologie, Phlebologie

Zu Inhalts- und Sachverzeichnis

schnell und portofrei erhältlich bei

Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft.Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programmdurch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr

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18 Akutes thorakales Aortensyndrom

18.1 Aortendissektion18.1.1 Pathoanatomische Grund-lagenEine Aortendissektion entsteht durch das Eindringen vonBlut in die Media des Gefäßes nach einem Einriss der Inti-ma. Häufigste Ursache der Aortendissektion bei Patientenüber 40 Jahren sind in der Regel degenerative Verände-rungen der Media als Folge einer langjährigen arteriellenHypertonie. Bei jüngeren Patienten ist der Intimaeinrissmeist Folge einer angeborenen Wandschwäche der Aorta,klassisches Beispiel ist die zystische Medianekrose desMarfan-Syndroms. Beim Marfan-Syndrom handelt es sichum eine autosomal dominant vererbte Bindegewebe-erkrankung, bei der eine Mutation im Fibrillin-1-Genidentifiziert wurde. Weitere vererbte Faktoren findensich beim Ehlers-Danlos-Syndrom und der familiärenanuloaortalen Ektasie. Zusätzlich spielen entzündliche,traumatische und toxische Ursachen eine Rolle.

Prädilektionsstellen für den Intimaeinriss sind der su-prabulbäre Abschnitt der Aorta ascendens sowie die Aor-ta descendens nach Abgang der A. subclavia sinistra. DieDissektion kann sowohl nach proximal als auch nach dis-tal fortschreiten wie auch in die supraaortalen Gefäße.

Die klassische Einteilung der Aortendissektion erfolgtnach der DeBakey- oder Stanford-Einteilung(▶Abb. 18.1).

DeBakey-Klassifikation:● Typ I: Die Dissektion beginnt in der Aorta ascendensund reicht bis in die Aorta descendens, die Aorta abdo-minalis oder bis in die Iliakalarterien.

● Typ II: Die Dissektion ist auf die Aorta ascendens be-grenzt.

● Typ III: Dissektion der Aorta descendens mit Beginn imAbgangsbereich der linken A. subclavia und variablerAusdehnung nach kaudal, ganz selten mit retrograderAusbreitung in den Aortenbogen.

Die Stanford-Klassifikation differenziert zwischen zweiunterschiedlichen Typen der Beteiligung der Aorta ascen-dens:● Typ A: Dissektion mit Beteiligung der Aorta ascendens,unabhängig von der Lokalisation des Einrisses

● Typ B: Dissektion der Aorta descendens und des Bogensohne Beteiligung der Aorta ascendens; in der Regel mitBeginn distal des Abgangs der A. subclavia links

Neuere Studien haben gezeigt, dass eine intramurale Ein-blutung, ein intramurales Hämatom oder ein Ulkus derAortenwand Zeichen einer sich entwickelnden Dissektionoder Subtypen einer Dissektion sind. Konsequenterweisehat sich daraus eine neue Einteilung der Aortendissek-tion abgeleitet (▶Abb. 18.2):● Typ 1: klassische Aortendissektion mit Intima-Flap zwi-schen wahrem und falschem Lumen

● Typ 2: Mediaruptur mit intramuralem Hämatom

Typ 1 Typ 2 Typ 3

Typ 4 Typ 5

Abb. 18.2 Aortendissektion. Neue Eintei-lung nach Svensson.

Aortendissektion

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● Typ 3: diskrete/geringe Dissektion ohne Hämatom mitAusbuchtung an der Rupturstelle

● Typ 4: Plaque-Ruptur mit aortaler Ulzeration (penetrie-rend) und umgebendem, in der Regel subadventitialemHämatom

● Typ 5: iatrogene oder traumatische Dissektion

Die Hauptgefahr im Akutstadium besteht in einer Rupturin den Pleuraraum oder in das Perikard mit konsekutiverPerikardtamponade. Je nach Ausdehnung können die imDissektionsbereich liegenden Abgänge der Koronararte-rien, der hirnversorgenden Gefäße, der Arterien der obe-ren und unteren Extremitäten, der Nierenarterien undder viszeralen Gefäße teilweise oder vollständig einge-engt sein und somit sekundär Myokard- oder Hirninfark-te sowie mesenteriale bzw. renale Ischämien zur Folgehaben. Dissektionen im Bereich der Aortenwurzel undder Taschenklappen können eine akute Aortenklappen-insuffizienz verursachen.

Klinisch klagen die Patienten typischerweise überplötzlich auftretende heftige Vernichtungs-Schmerzenim Rücken und in der Brust. Häufig geraten die Patientenrasch in einen Schockzustand. Andere Zeichen könnendas Auftreten einer akuten Aortenklappeninsuffizienz,eine Myokardischämie, Pleura- oder Perikarderguss oderakute neurologische Symptome sein.

●HIn der initialen hyperakuten Phase besteht ein Mortali-tätsrisiko von 1% pro Stunde.

18.1.2 IndikationDie Aortendissektion ist eine akut lebensbedrohliche Er-krankung. Unbehandelt sterben ca. 50% der Patienten in-nerhalb von 48 Stunden. Diagnostik und Therapie müssendaher rasch erfolgen. Die Diagnose und damit auch dieTherapieentscheidung können zuverlässig anhand dernichtinvasiven Untersuchungsverfahren Computertomo-grafie, MRT, Echokardiografie und transösophagealeEchokardiografie sowie durch Bestimmung der D-Dimereerfolgen, sodass die angiografische Darstellung der Aor-tendissektion in der Regel nicht erforderlich ist(▶Tab. 18.1, ▶Abb. 18.3). Ist der Patient hämodynamischinstabil, sollte er intubiert und beatmet werden und dieDiagnostik ohne weiteren Transport und Zeitverlust aufdie bettseitige transösophageale Echokardiografie be-schränkt bleiben. Beim stabilen Patienten sollte eine wei-tere nichtinvasive bildgebende Diagnostik zur genauenPlanung der Operation erfolgen.

Die Indikation zur Herzkatheterdiagnostik ergibt sichnur noch bei unklarer Morphologie und hochgradigemVerdacht auf bedeutsame kardiale Begleiterkrankungenvor geplanter operativer Therapie der Aortendissektionoder bei Verdacht auf Typ-3-Dissektion (s. o.) zur Erhe-bung folgender Befunde:● Koronarangiografie bei Patienten über 40 Jahren● Evaluierung einer begleitenden Aortenklappeninsuffi-zienz

● Beginn und Ausdehnung der Dissektion sowie Beurtei-lung der im Dissektionsbereich abgehenden Gefäße,insbesondere der supraaortalen Gefäße

● Klärung der exakten Anatomie vor geplanter interven-tioneller Therapie einer Aortendissektion (Aorten-Stentgraft)

Ist aufgrund der nichtinvasiv erhobenen Befunde eineprimär konservative Behandlung geplant, kann von einerinvasiven Diagnostik abgesehen werden.

18.1.3 Durchführung● Die Herzkatheteruntersuchung erfolgt im Allgemeinennach Judkins mit Punktion der A. femoralis.

● Punktiert wird die Seite mit dem am besten tastbarenLeistenpuls. Nur wenn beidseits keine Leistenpulse tast-bar sind, kann bei gut tastbarem Puls die A. radialis alsZugangsweg genommen werden.

● Platzierung einer 5-F- (radial) bzw. 7-F-Schleuse (femo-ral). Zur Darstellung der Dissektion und der beteiligtenGefäßabgänge sind große Kontrastmittelmengen sowiehohe Flussraten und damit großlumige Katheter erfor-derlich.

● Koronarangiografie (Katheterwechsel über langemDraht). Zunächst wird der lange J-Draht unter Sicht bisin die Aortenwurzel vorgeführt.

Typ A Typ B

Typ I Typ II Typ III

Stanford-Klassifikation

DeBakey-Klassifikation

Abb. 18.1 Aortendissektion. Klassifikation nach DeBakey undnach Stanford.

18.1 Aortendissektion

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● Dann Einwechseln eines Pigtail-Katheters: Der Pigtail-Katheter wird mit eingelegtem Führungsdraht (langer[260 cm] J-Draht mit weicher Spitze) bis in die Aortaascendens vorgebracht, anschließend Platzierung inden linken Ventrikel wie üblich.

● Laevokardiografie● Katheterrückzug LV–Aorta mit Druckregistrierung● Aortografie (40–60ml Kontrastmittel; Flussrate 12–20ml/s). Injektion 1–2 cm oberhalb der Aortenklappe:Beurteilung der Aortenklappeninsuffizienz in 30–40° RAO, Beurteilung des Aortenbogens in 40–50° LAO.Weitere Injektionen sind erforderlich, falls Entry undReentry nicht ausreichend zur Darstellung kommen.

18.1.4 Besonderheiten/Problem-lösungAls Gefäßzugang sollte die am besten tastbare Femoral-arterie genommen werden. Beim Vorgehen von der A. ra-dialis/brachialis aus wird besonders bei Dissektionen vomTyp Stanford A mit relevanter Wahrscheinlichkeit das fal-sche Lumen sondiert.

Möglichst großlumige Katheter für die Aortografiewählen (≥7F), da zur Darstellung der Dissektion und derGefäßabgänge meist große Kontrastmittelmengen erfor-derlich sind.

Tab. 18.1 Bildgebung bei V. a. Aortendissektion.

Methode Empfehlung Vorteile Limitationen

Computertomografie (CT) 1. Wahl ● hohe Verfügbarkeit, schnelles Ver-fahren

● hohe diagnostische Sicherheit● untersucherunabhängig

● Kontrastmittelmenge● Strahlenbelastung● Pulsationsartefakte

transösophageale Echokardio-grafie (TEE)

1. Wahl ● hohe diagnostische Sicherheit● hohe Verfügbarkeit● sicher● Bed-side-Diagnostik

● untersucherabhängig● zerebrale Gefäße nicht einsehbar● Reverberationsartefakte

transthorakale Echokardiografie(TTE)

2. Wahl ● bereits in der Notaufnahme ver-fügbar

● Beurteilung von LV-Funktion, Peri-kard, Aortenklappe

● Aortenbogen und Aorta descendensnicht einsehbar

● PAU nicht darstellbar

Magnetresonanztomografie (MRT) 3. Wahl ● hohe diagnostische Sicherheit● kein Kontrastmittel, keine Strahlen-belastung

● schwieriges Monitoring während derUntersuchung

● instabile Patienten nicht untersuch-bar

● lLängere Untersuchungszeit

Angiografie 4. Wahl ● nur in Ausnahmen ● Morbidität, Risiken● weniger sensitiv als CT und TEE● Kontrastmittelgabe erforderlich

PAU=penetrierendes Aortenulkus

Abb. 18.3 Aortendissektion. Typ-A-Dissektion im TEE und CT mit Perikardtamponade.a Dissektion im TEE.b CT mit Dissektion der Aorta ascendens.c Perikardtamponade.

Aortendissektion

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Das Vorführen des Pigtail-Katheters von der A. femora-lis in die Aorta ascendens sollte mit herausragendem J-Draht unter Durchleuchtung erfolgen und gestaltet sichin der Regel problemlos. Ein Widerstand im Bereich desAortenbogens kann durch Sondierung des falschen Lu-mens bedingt sein. Bei entsprechendem Verdacht erfolgtdie vorsichtige Gabe von Kontrastmittel, das dann meistverzögert abfließt und keine Seitäste darstellt. Der Kathe-ter wird bis zum wahren Lumen zurückgezogen (erneuteKM-Gabe). Durch Drehung wird erneut versucht, daswahre Lumen zu erreichen.

Die Koronarangiografie bereitet vor allem dann Proble-me, wenn zusätzlich zur Dissektion eine aneurysmati-sche Erweiterung der Aorta ascendens vorliegt. StabileKatheter mit entsprechend großem Judkins-Bogen er-leichtern die Darstellung. Jeder Katheterwechsel solltegrundsätzlich über einen langen Draht erfolgen.

18.1.5 HerzkatheterbefundeBei der angiografischen Befundung der Aortendissektionunterscheidet man zwischen direkten und indirekten Zei-chen:● direkte Zeichen:

○ Darstellung des wahren und falschen Lumens sowieder Dissektionsmembran als dünne bandförmigeKontrastmittelaussparung (▶Abb. 18.3a,▶Video 18.1)

○ Darstellung der Eintrittsstelle○ Stase von Kontrastmittel bei Injektion in das falscheLumen

● indirekte Zeichen:○ Diskrepanz zwischen der angiografisch dargestelltenLumenweite der Aorta und der Breite des Nativschat-tens der Aorta

○ langstreckige, meist glatt begrenzte Kaliberschwan-kungen oder Deformierungen des dargestellten Aor-tenlumens

○ ungleichmäßige Kontrastmitteldichte○ abnorme Katheterlage, besonders im Bereich der Aor-ta ascendens und des Aortenbogens (▶Abb. 18.4b)

In über 80% der Fälle ist es möglich, wahres und falschesLumen mit Eintrittsstelle sowie die Dissektionsmembrandarzustellen. Ist dies nicht der Fall, muss streng auf die in-direkten Zeichen geachtet werden, bevor eine Aus-schlussdiagnose gestellt wird.

Mögliche Ursachen einer fehlenden Darstellung des fal-schen Lumens können sein:● Thrombosierung des falschen Lumens● fehlender Reentry● proximal des Injektionsortes gelegene Eintrittsstelle derDissektion

Auch können ungünstige Projektionsbedingungen die Er-kennung der Dissektionsmembran erschweren. Im Zwei-

Video 18.1 Supravalvuläre Aortografie, 30°-LAO. Der Abgangder supravavulären Gefäße ist von der Dissektion nichtbetroffen. Nierenkelche sind kontrastmittelgefüllt, d. h. dieNieren sind perfundiert.

Abb. 18.4 Aortendissektion. Direkte und indirekte Zeichen.a Direkte Zeichen: Aortografie (RAO-Projektion) mit Nachweis

einer Dissektionsmembran als dünne bandförmige Kon-trastmittelaussparung (Pfeile) bei aneurysmatischer Aufwei-tung der Aorta ascendens. Aortenklappeninsuffizienz.

b Indirekte Zeichen (Aortendissektion Typ A): Laevokardiogra-fie (RAO-Projektion) mit abnormer Lage des Katheterschaf-tes des Pigtail-Katheters (Pfeile), Dissektionsmembranangiografisch nicht erkennbar.

18.1 Aortendissektion

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felsfall sollte daher bei entsprechender Klinik der angio-grafische Befund immer durch weitere nichtinvasive Un-tersuchungsmethoden ergänzt werden, falls dies nicht –wie in vielen Fällen – bereits vorab geschehen ist.

Die Aortografie wird daher immer in Zusammenhangmit den übrigen Befunden bewertet. Der Schwerpunktder Herzkatheterdiagnostik liegt dagegen in der Darstel-lung der Koronararterien und der angiografischen Schwe-regradeinteilung einer begleitenden Aortenklappeninsuf-fizienz.

18.1.6 Befund und TherapieBei akuten Dissektionen der Aorta ascendens bestehtbei vitaler Bedrohung der Patienten die Indikation zur so-fortigen chirurgischen Therapie (▶ Tab. 18.2). Präopera-tive Diagnostik und Therapie sollten daher in enger Koor-dination mit dem weiterbehandelnden herz- und gefäß-chirurgischen Zentrum erfolgen, und die Patienten solltenmöglichst rasch dorthin verlegt werden.

Umstritten ist die Entscheidung über konservative oderchirurgische Behandlung bei Patienten mit Dissektionender Aorta descendens sowie mit chronischen Dissektio-nen, die älter sind als zwei Wochen. Hier erfolgt die The-rapieentscheidung in der Regel in Abhängigkeit vom kli-nischen Verlauf – wiederum in enger Absprache miteinem Herz- und Gefäßchirurgen.

18.2 Perforiertes Sinus-Valsalvae-Aneurysma18.2.1 Pathoanatomische undpathophysiologische GrundlagenDas Sinus-Valsalvae-Aneurysma ist eine lokale, meist sak-kuläre Aussackung der Aortenwand im Bereich der Aor-tenklappentaschen bei sonst normalem Aortendurchmes-ser. In über 90% der Fälle ist es in der Tiefe der rechts-koronaren und der akoronaren Tasche direkt am Klap-penansatzring lokalisiert, entsprechend dem embryona-len Schluss der Bulbussepten am Truncus arteriosus.

In 50% der Fälle mit rechtskoronarem Aneurysma be-steht gleichzeitig ein hoher Ventrikelseptumdefekt. Beider selteneren erworbenen Form sind die bakterielle En-dokarditis, die Syphilis und die Tuberkulose die häufigs-ten Ursachen. Nach langjährigem asymptomatischemVerlauf manifestiert sich ein Sinus-Valsalvae-Aneurysmameist erst im Erwachsenenalter durch Ruptur in die an-grenzenden Herzhöhlen oder Kompression anliegenderStrukturen. Typisch ist die Ruptur in die rechtsventrikulä-re Ausflussbahn (RVOT) bei einem Aneurysma des rechts-koronaren Sinus bzw. Ruptur in den rechten Vorhof beieinem Aneurysma des nichtkoronaren Sinus, jeweils mitLinks-Rechts-Shunt.

Klinisch bedingt die Ruptur je nach Ausmaß des Shuntseine therapierefraktäre akute oder langsam progredienteRechtsherzinsuffizienz, wobei zusätzlich Lungenstau-ungszeichen vorhanden sein können als Folge der Volu-menüberladung der Lungenstrombahn.

Andere seltenere Manifestationsmöglichkeiten sind:● Ruptur in den linken Vorhof und Ventrikel bei Aneurys-ma des linkskoronaren Sinus

● Kompression des RVOT mit Rechtsherzversagen● Kompression und Torsion der Koronararterien mit in-stabiler Angina pectoris und Myokardinfarkt

● zerebrale Embolien

18.2.2 IndikationDiagnosestellung und morphologische Beurteilung desDefektes gelingen in der Regel mit der transthorakalenoder der transösophagealen Echokardiografie. Neuer-dings erlaubt insbesondere die MRT eine genaue Unter-suchung sowohl der Anatomie als auch des Shunts undbietet mit der einfachen dreidimensionalen Darstellungeine Entscheidungshilfe für das operative Vorgehen. Insolchen Fällen besteht keine Indikation zur invasivenDiagnostik.

Die Rechtsherzkatheterisierung ermöglicht zwar diezusätzliche Quantifizierung des Links-Rechts-Shunts, dieOp.-Indikation ist jedoch vom Shuntvolumen unabhän-gig. Die Indikation zur simultanen Links-/Rechtsherz-katheterisierung ist jedoch in folgenden Fällen gegeben:

Tab. 18.2 Therapie der akuten Aortendissektion in Abhängigkeitvon ihrer Lokalisation.

Dissektionslokalisation Therapie

akute Dissektion mit Betei-ligung der Aorta ascendens(DeBakey I und II, Stanford A)

sofortige operative Therapie

akute Dissektion der Aortadescendens (DeBakey III,Stanford B)

umstritten: primär konservativ,ggf. interventionell mit Stentin der Akutsituation oder aberauch sekundär nach Abheilungder Akutphaseoperativ bei:● Organischämien● drohender Ruptur● Marfan-Syndrom● Progredienzalternative bei ausgewähltenPatienten: Stentgraft-Implan-tation

chronische Dissektion (14 Ta-ge) der Aorta descendens

konservative Therapiebei Entwicklung eines Aneu-rysmas: Stentgraft-Implanta-tion (TEVAR)

chronische Dissektion derAorta ascendens

elektive Operation bei:● Aneurysmabildung● Aortenklappeninsuffizienzkonservative Therapie bei un-kompliziertem Verlauf

Aortendissektion

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● wenn die nichtinvasiven Befunde keine ausreichendeDiagnosesicherung ermöglichen

● zum sicheren Nachweis und zur Quantifizierung einesbegleitenden Ventrikelseptumdefektes

● zum Ausschluss oder Nachweis einer koronaren Herz-erkrankung

18.2.3 Durchführung● venöse und arterielle Punktion (5- bis 7-F-Schleusen)● Rechtsherzsondierung mit Platzierung des Katheters inPC-Position (Ballonkatheter)

● rechtskardialer Katheterrückzug (PCWP–PA–RV–RA)mit Druckregistrierung und gleichzeitiger Etagen-Oxymetrie im kleinen Kreislauf

● arterielle Oxymetrie● Aortografie mit Darstellung des Defektes (LAO- undRAO-Projektion)

● Laevokardiografie (LAO-Projektion)● evtl. Koronarangiografie

18.2.4 BesonderheitenPatienten mit perforiertem Sinus Valsalvae sind kritischkrank. Die Untersuchungsdauer sollte daher kurz gehal-ten werden und die Messungen und Darstellungen aufdas Notwendigste beschränkt bleiben. Bei der Erkrankungbesteht eine direkte Verbindung zwischen der Aorta unddem Niederdrucksystem des kleinen Kreislaufs.

●HMerke

Die Flussgeschwindigkeiten durch den Defekt sind hoch;Katheter können den Defekt relativ leicht und auch unbe-absichtigt passieren und damit in den rechten Vorhofoder rechten Ventrikel gelangen, z. B. bei der Sondierungder rechten Koronararterie mit dem Judkins-Katheteroder bei geplanter Sondierung des linken Ventrikels mitdem Pigtail.

18.2.5 HerzkatheterbefundeDruckkurvenAbhängig von der Lokalisation der Perforation und derGröße des Shunts findet sich eine deutliche Erhöhung so-wohl des systolischen als auch des diastolischen RV-Drucks und/oder des mittleren rechtsatrialen Drucks(▶Abb. 18.5). Bei Perforation in den rechten Ventrikelund großem Shunt kann der mittlere Vorhofdruck auchsekundär in Folge der Rechtsherzinsuffizienz erhöht sein.Vielfach kann die perforierte Höhle des rechten Herzensüber die Aorta sondiert und durch entsprechende Druck-kurven der Druckrückzugregistrierung dokumentiertwerden (▶Abb. 18.5).

OxymetrieDeutlicher Sättigungssprung im rechten Ventrikel oderim rechten Vorhof, abhängig von der Lokalisation desShunts (s. Kap. 12). Die Berechnung des Links-Rechts-Shunts erfolgt mit der üblichen Formel.

AortografieDie Aortografie ermöglicht die angiografische Shuntdar-stellung mit Lokalisation der Perforationsstelle. Es zeigtsich ein rascher Kontrastmittelfluss in den rechten Ven-trikel oder in den rechten Vorhof. Wegen des meist sehrhohen Herzzeitvolumens sind größere Kontrastmittel-mengen zur Shuntdarstellung erforderlich (60–80ml miteiner Flussrate von 16–20ml/min). An der Aortenwurzelkann auch die Größe des Defekts beurteilt werden.

LaevokardiografieDie Laevokardiografie dient vor allem zum Ausschlusseines begleitenden Ventrikelseptumdefekts und zeigt an-sonsten keine Besonderheiten.

18.2.6 TherapieBei dem perforierten Sinus-Valsalvae-Aneurysma handeltes sich um einen kardiologischen Notfall mit Indikationzur dringenden operativen Versorgung des Defektes un-abhängig von der Größe des Defektes oder vom Shunt-volumen. Die Prognose nach Operation ist gut. In neue-ren, kleineren Studien wurde auch ein interventionellesVorgehen mit der Implantation eines Verschluss-Systemsals passageres Verfahren zur Stabilisierung des Patientenbis zu einer operativen Versorgung als praktikabel vor-gestellt.

18.2 Perforiertes Aneurysma

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c

Ao

PC76 %

SVC 99 %

PA 94 %

LA

LV

RA

RV

IVC75 %

96 %selektierter SchlagPosition RV

A V S 68 BD ED 32 M 37 HR 129

40

0d

mmHg

RV AoA

100

0

mmHg

a b

Abb. 18.5 Perforiertes Sinus-Valsalvae-Aneurysma. Hämodynamik und Aortografie eines 37- jährigen Patienten; breite Kontrast-mittelregurgitation in den rechten Ventrikel.a RAO-Projektion.b RAO-Projektion.c Oxymetrie.d Katheterrückzug RV–AoA (oben) und RV-Druck (unten).

HämodynamikAorta: 122/70mmHgRV: 68/–8–32mmHgRAm: 18mmHgHZV – großer Kreislauf: 9,5 l/minHZV – kleiner Kreislauf: 44,5 l/minLinks-Rechts-Shunt: 79% oder Qpulm/Qsyst 4,7

Aortendissektion

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