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Kommentar Von Karina Eyrich Kulturlos Natürlich hat es Tradition, zum Bike-Marathon zu gehen und abends noch zum Feiern und Reden zu bleiben. Dass aber so gar keiner von der Stadt- verwaltung, kein Bürgermeis- terstellvertreter, niemand vom Kulturamt oder wenigstens ein Stadtrat den Weg zum Sympo- sium »organ@school2017« gefunden hat, ist mehr als peinlich. Weder für die Arbei- ten der Schüler, die diese am Freitag präsentierten, noch für die hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion am Sams- tag, ja noch nicht einmal für die in jeder Hinsicht außerge- wöhnliche Kunst-, Kultur- und Orgelnacht hat sich die Stadt interessiert, obwohl dort eini- ge der besten Kirchenmusiker des Landes aktiv waren. Be- merkenswert: Genau der Wert von Kultur für ganzheitliche Bildung war Thema der Dis- kussion. Da hätte es einigen gut zu Gesicht gestanden, mal reinzuhören. Und nicht nur Radfahrern zuzuschauen. Beeindruckend vielseitig waren die Arbeiten für das Forschungsprojekt »organ@school2017«, die Schüler dreier Schulen zum Auftakt des gleichna- migen Orgelsymposiums präsentiert haben. Der Ro- te Faden: Mensch Luther! n Von Susanne Grimm Albstadt-Ebingen. Wir wirkt der reformatorische Gedanke heute fort? Worüber hat Lu- ther bei Tisch gesprochen? Und welche Schwierigkeiten waren mit seiner Bibelüber- setzung verbunden, welche Fehler die Folge? Schüler der Schlossberg-Realschule und des Gymnasiums Ebingen so- wie der Realschule Meßstet- ten haben sich all das genauer angeschaut für das Projekt »organ@school2017«, initiiert vom Ebinger Martinskantor Steffen Mark Schwarz, und ihre Ergebnisse unter dem Motto »Wissen in Resonanz« in der Martinskirche vorge- stellt. Luther – »wer war dieser Typ überhaupt?« Ein äußerst lebensfroher, den sich seine Familie und Freunde so gar nicht im Kloster vorstellen konnten. Das haben Schüler von Ute Leins an der Schloss- bergrealschule herausgefun- den und das in die heutige Zeit übersetzt, was den Refor- mator in seiner Zeit bewegt hat, wobei sie Geschichtliches – die damalige Vielstaaterei, die Pest, das Analphabeten- tum und Informationen zum Ostmittelhochdeutschen, Lu- thers Sprache – mit einfließen ließen. Die Zuhörer erfuhren, was Luthers Hauptkritikpunkt an seiner Kirche war: der Ablass- handel. Und was – eben des- halb – die zentrale Botschaft seiner 95 Thesen war: die Rechtfertigungslehre. »Der Mensch erlangt Gerechtigkeit allein durch die Gnade Gottes, nicht durch gute Werke.« »Das Gemurmel des Pries- ters am Altar und das Gemur- mel der Gemeinde« seien ihm ein Gräuel gewesen, so die Schüler. Daher habe er die Bi- bel übersetzt, um Gottes Wort jedem zugänglich zu machen, und mit seinen Kirchenlie- dern – leicht zu merken, da er sich oft Melodien bekannter Volkslieder bediente – die Gläubigen zum Singen ge- bracht, damit sie besser bei der Sache seien. »Musik tut dem Teufel weh« – Luthers Credo. Für heutige Ohren höchst humoristisch Aus den für heutige Ohren höchst humoristischen Tisch- reden Luthers, ausgewählt von Lehrer Christoph John – ein Originalbuch von 1576 hatte er mitgebracht – lasen Lea Gringel und Claire Sebera vor, die diese im Gymnasium Ebingen studiert hatten. Eben- so erstklassig präsentierten Katharina Müller und Lea-Ka- tharina Scherl vom Gymna- sium Ebingen ihre Arbeit, in der sie sich mit den Phänome- nen der Resonanz befasst hat- ten und vor dem Hintergrund der Übersetzungsfehler die rhetorische Frage stellten, ob das Wort Gottes überhaupt verschriftlicht werden dürfe. Stefanie Doldingers Kursstu- fen-Schülerinnen hatten sich auch mit Übersetzungen und den Formen der Kommunika- tion beschäftigt – und festge- stellt, warum Übersetzungs- fehler passieren: Weil jeden Menschen eigene Emotionen, Erinnerungen und Empfin- dungen prägten. Die erste Übersetzung sei bereits die vom Gedanken zum Wort. Zudem habe Luther die Auto- ren des Neuen Testaments nicht mehr befragen und so- mit auch nicht prüfen können, wie es in einem »völlig ande- ren historischen Kontext« zu verstehen sei. Auf einer Wandzeitung hat- ten die Schüler zudem Bibel- übersetzungen einander gegenübergestellt und deren Unterschiede herausgearbei- tet. Die Darstellung zeigte auch klassische Beispiele von Übersetzungsfehlern: Was Luther als »Kamel« bezeichne- te, das eher durch ein Nadel- öhr gehe als dass ein Reicher ins Reich Gottes gelange, müsste eigentlich ein »Schiffs- tau« sein. Irren ist menschlich – und Martin Luther war eben auch nur ein Mensch. Das Kamel ist eigentlich ein Schiffstau organ@school2017 | Schüler setzen sich mit Luther auseinander und präsentieren ihr Wissen in Resonanz Die Schüler von Ute Leins (oben), Claire Sebera, Lea Gringel, Katharina Müller und Lea-Katharina Scherl (unten, von links) glänzten mit ihren Forschungsergebnissen im Projekt »organ@school2017«. Unten Mitte: Christoph John mit einem Original von Luthers »Tischreden« aus dem Jahr 1576. Fotos: Grimm (3), Eyrich (2) Die Wandzeitung brachte Generationen ins Gespräch. Albstadt-Ebingen. Hochkarä- tig besetzt war das Podium am Samstagabend, als Martins- kantor Steffen Mark Schwarz, Organisator des Forschungs- projekts »organ@school2017«, mit In- geborg Mühldorfer, Rektorin der Hochschule Albstadt-Sig- maringen, Karin Dengler vom Evangelischen Jugendwerk Balingen, Landeskirchenmu- sikdirektor Matthias Hanke, dem Weltklasse-Fagottisten Hanno Dönneweg, Marcus Syring von der Ludwig-Maxi- milians-Universität München und Oliver Dermann, Stu- dienrat an einem Gymnasium mit Musik-Schwerpunkt in Böblingen, darüber diskutier- te, wie ein Mehrwert von Wis- sen und Herzensbildung ent- stehen kann: durch das Öff- nen von Systemen mittels Kul- tur, Kunst und Musik. Letztere wirkt sogar auf den Körper: Hanke berichtete, wie eine auf den Raum intonierte Orgel die Schmerzen einer Kollegin nach einem Unfall gelindert, eine andere Orgel sie verstärkt habe. Einig waren sich alle, dass Musizierende oft offener seien für Bildung und andere Men- schen, und dass Bildung nur stattfinden könne, wenn je- mand offen sei. »Ein-Bildung« und »In-Formation« sind Inge- borg Mühldorfer daher lieber als »Aus-Bildung«: »Das heißt für mich, wir bilden jeman- den bis zu einer bestimmten Fertigkeit, dann ist es aus.« Dass Musizieren in Grup- pen auch die Integration för- dert, haben Dengler, Der- mann, Dönneweg und Hanke erlebt. »Musik schafft Mög- lichkeiten, ein anderer Mensch zu werden, eine neue Rolle zu finden«, sagte Der- mann. Sie verschaffe Erfolgs- erlebnisse, fügte Syring hinzu: »Lernprozesse finden in uns statt. Von außen können wir Schüler nur unterstützen, An- knüpfungspunkte zu ihrer Le- benswelt aufzeigen und ihre Bereitschaft zum Lernen erhö- hen.« Für Ingeborg Mühldorfer gehört zur Bildung, »dass ein Mensch sich in der Welt zu- rechtfindet, nicht alles hin- nimmt und nachfragt«. Aus einem Fehler – sie nannte das Beispiel eines Nobelpreisträ- gers – könne eine neue Entde- ckung werden, wenn man in- telligent genug sei, daraus et- was zu machen. »Die Kinder, mit denen wir arbeiten, kön- nen etwas, und wenn wir ih- nen etwas zutrauen, findet auch Bildung statt«, so Karin Dengler. Dass in Kindergärten und Schulen wieder mehr ge- sungen werde – Schwarz be- richtete vom Erfolg des Caru- so-Projekts in Ebingen – ist für Hanke auch ein Mehrwert für Sprachfähigkeit. Umfassende Bildung und Offenheit, darü- ber waren sich alle einig, sei außerdem ein Weg zu besse- rem Sozialverhalten. Wie Bildung heute gelingen kann organ@school2017 | Fachleute diskutieren: Musik öffnet Systeme Organisierte das Orgel- symposium: Steffen Mark Schwarz Fotos: Kemmler Im Gespräch (von links): Oliver Dermann, Ingeborg Mühldorfer, Karin Dengler, Matthias Hanke, Hanno Dönneweg, Marcus Syring.

Das Kamel ist eigentlich ein Schiffstau ALBSTADT … · ALBSTDasSB KLm eaTalLmiNumer 15rN6eMoe tSgiNumer 15rN6eMn ... Von Karina Eyrich Kulturlos Natürlich hat es Tradition, zum

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ALBSTADTNummer 156 Montag, 10. Juli 2017

nDie Bodenaushubdeponie ist heute, 8 bis 12 Uhr und 13 bis 17 Uhr, offen.nDas Integrationsforum Im Hof 28 ist heute, 9 bis 12 Uhr und 13 bis 16 Uhr, offen.

EBINGENnSprechstunde hat die Deut-sche Rentenversicherung heu-te, 8.20 bis 12 und 13 bis 16 Uhr, im Rathaus. Eine Termin-vereinbarung unter der Tele-fonnummer 07121/2 03 70 ist erforderlich.nDas Kauf-Wasch-Café in der Gartenstraße 43 ist heute, 9.30 bis 14 Uhr, offen.nDie Frauenselbsthilfe nach Krebs trifft sich am Montag ab 13.30 Uhr in der Acura-Klinik zur Gymnastik mit Dagmar Fleck. Ab 15 Uhr stellt Ulrich Bläsi im Heilig-Kreuz-Zentrum die Acura-Klinik vor.nEin Barfußpark wird heute ab 14 Uhr im Kinder- und Ju-gendtreff »Westside« gestal-tet.nDie VdK-Geschäftsstelle in der Sonnenstraße 82 ist am heutigen Montag von 17 bis 19 Uhr geöffnet.nNordic Walking bietet der Wintersportverein am heuti-gen Montag an. Treffpunkt um 18.30 Uhr ist auf dem Park-platz Kälberwiese. Infotelefon: 07431/70 17 84.nASV-Boxtraining ist heute, 19.45 Uhr, in der Kirchgraben-turnhalle.nDer Konzertchor Eintracht probt heute ab 20 Uhr im Ci-ty-Haus.nYoga Flow bietet die DJK heute, 20.30 bis 21.30 Uhr, in der Schalksburgturnhalle an.

TAILFINGENnDie Stadtbücherei im Haus am Uhlandsgarten ist heute, 10 bis 12 und 14.30 bis 19 Uhr, geöffnet.nDie Herzgruppe trifft sich heute um 20 Uhr zum Sport in der Lutherhalle.

TRUCHTELFINGENnDer Kneipp-Verein bietet heute Hata-Yoga-Kurse mit Christel Greve, 19 und 20.15 Uhr, in der Alten Schule an.

ONSTMETTINGENnWassergymnastik mit dem Kneipp-Verein ist heute ab 14 Uhr im Hallenbad.nZu einem »Spaziergang mit Gebet« lädt Pastoralreferent Michael Holl heute ein. Treff-punkt zum etwa anderthalb stündigen Rundgang ist um 18.30 Uhr am Wanderpark-platz Nägelehaus.

n Albstadt

LokalredaktionTelefon: 07431/93 64-24Fax: 07431/93 64-51E-Mail: [email protected] Anfragen zu Anzeigen oder zur Zeitungszustellung: Geschäftsstelle Albstadt, Telefon 07431/93 64-0.

n Redaktion

Seniorenkreis fährt nach InneringenAlbstadt-Ebingen. Der Senio-renkreis Heilig Kreuz fährt amMittwoch, 12. Juli, zum Ge-wandhaus-Museum in Inne-ringen mit Führung. Abfahrtist um 13 Uhr vom ParkplatzHeilig-Kreuz. Von Inneringengeht es nach Heiligkreuztalund anschließend zur Vesper-einkehr in die Linde nach Stet-ten am kalten Markt.

Jahrgang 1929/30im Café LangAlbstadt-Tailfingen. Der Jahr-gang 1929/30 aus Tailfingentrifft sich am Mittwoch, 12. Ju-li, im Café Lang zum Stamm-tisch. Beginn ist um 15 Uhr.

Kommentar

Von Karina Eyrich

KulturlosNatürlich hat es Tradition, zum Bike-Marathon zu gehen und abends noch zum Feiern und Reden zu bleiben. Dass aber so gar keiner von der Stadt-verwaltung, kein Bürgermeis-terstellvertreter, niemand vom Kulturamt oder wenigstens ein Stadtrat den Weg zum Sympo-sium »organ@school2017« gefunden hat, ist mehr als peinlich. Weder für die Arbei-ten der Schüler, die diese am Freitag präsentierten, noch für die hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion am Sams-tag, ja noch nicht einmal für die in jeder Hinsicht außerge-wöhnliche Kunst-, Kultur- und Orgelnacht hat sich die Stadt interessiert, obwohl dort eini-ge der besten Kirchenmusiker des Landes aktiv waren. Be-merkenswert: Genau der Wert von Kultur für ganzheitliche Bildung war Thema der Dis-kussion. Da hätte es einigen gut zu Gesicht gestanden, mal reinzuhören. Und nicht nur Radfahrern zuzuschauen.

Beeindruckend vielseitig waren die Arbeiten für das Forschungsprojekt »organ@school2017«, die Schüler dreier Schulen zum Auftakt des gleichna-migen Orgelsymposiums präsentiert haben. Der Ro-te Faden: Mensch Luther! n Von Susanne Grimm

Albstadt-Ebingen. Wir wirktder reformatorische Gedankeheute fort? Worüber hat Lu-ther bei Tisch gesprochen?Und welche Schwierigkeitenwaren mit seiner Bibelüber-setzung verbunden, welcheFehler die Folge? Schüler derSchlossberg-Realschule unddes Gymnasiums Ebingen so-wie der Realschule Meßstet-ten haben sich all das genauerangeschaut für das Projekt»organ@school2017«, initiiertvom Ebinger MartinskantorSteffen Mark Schwarz, undihre Ergebnisse unter demMotto »Wissen in Resonanz«in der Martinskirche vorge-stellt.

Luther – »wer war dieserTyp überhaupt?« Ein äußerstlebensfroher, den sich seineFamilie und Freunde so garnicht im Kloster vorstellenkonnten. Das haben Schülervon Ute Leins an der Schloss-bergrealschule herausgefun-den und das in die heutigeZeit übersetzt, was den Refor-mator in seiner Zeit bewegthat, wobei sie Geschichtliches– die damalige Vielstaaterei,die Pest, das Analphabeten-tum und Informationen zumOstmittelhochdeutschen, Lu-thers Sprache – mit einfließenließen.

Die Zuhörer erfuhren, wasLuthers Hauptkritikpunkt anseiner Kirche war: der Ablass-handel. Und was – eben des-halb – die zentrale Botschaftseiner 95 Thesen war: dieRechtfertigungslehre. »DerMensch erlangt Gerechtigkeitallein durch die Gnade Gottes,nicht durch gute Werke.«

»Das Gemurmel des Pries-ters am Altar und das Gemur-

mel der Gemeinde« seien ihmein Gräuel gewesen, so dieSchüler. Daher habe er die Bi-bel übersetzt, um Gottes Wortjedem zugänglich zu machen,und mit seinen Kirchenlie-dern – leicht zu merken, da ersich oft Melodien bekannterVolkslieder bediente – dieGläubigen zum Singen ge-bracht, damit sie besser beider Sache seien. »Musik tutdem Teufel weh« – LuthersCredo.

Für heutige Ohrenhöchst humoristisch

Aus den für heutige Ohrenhöchst humoristischen Tisch-reden Luthers, ausgewähltvon Lehrer Christoph John –ein Originalbuch von 1576hatte er mitgebracht – lasenLea Gringel und Claire Seberavor, die diese im Gymnasium

Ebingen studiert hatten. Eben-so erstklassig präsentiertenKatharina Müller und Lea-Ka-tharina Scherl vom Gymna-sium Ebingen ihre Arbeit, inder sie sich mit den Phänome-nen der Resonanz befasst hat-ten und vor dem Hintergrundder Übersetzungsfehler dierhetorische Frage stellten, ob

das Wort Gottes überhauptverschriftlicht werden dürfe.Stefanie Doldingers Kursstu-fen-Schülerinnen hatten sichauch mit Übersetzungen undden Formen der Kommunika-tion beschäftigt – und festge-stellt, warum Übersetzungs-fehler passieren: Weil jedenMenschen eigene Emotionen,

Erinnerungen und Empfin-dungen prägten. Die ersteÜbersetzung sei bereits dievom Gedanken zum Wort.Zudem habe Luther die Auto-ren des Neuen Testamentsnicht mehr befragen und so-mit auch nicht prüfen können,wie es in einem »völlig ande-ren historischen Kontext« zuverstehen sei.

Auf einer Wandzeitung hat-ten die Schüler zudem Bibel-übersetzungen einandergegenübergestellt und derenUnterschiede herausgearbei-tet. Die Darstellung zeigteauch klassische Beispiele vonÜbersetzungsfehlern: WasLuther als »Kamel« bezeichne-te, das eher durch ein Nadel-öhr gehe als dass ein Reicherins Reich Gottes gelange,müsste eigentlich ein »Schiffs-tau« sein. Irren ist menschlich– und Martin Luther war ebenauch nur ein Mensch.

Das Kamel ist eigentlich ein Schiffstauorgan@school2017 | Schüler setzen sich mit Luther auseinander und präsentieren ihr Wissen in Resonanz

Die Schüler von Ute Leins (oben), Claire Sebera, Lea Gringel, Katharina Müller und Lea-Katharina Scherl (unten, von links) glänztenmit ihren Forschungsergebnissen im Projekt »organ@school2017«. Unten Mitte: Christoph John mit einem Original von Luthers»Tischreden« aus dem Jahr 1576. Fotos: Grimm (3), Eyrich (2)

Die Wandzeitung brachte Generationen ins Gespräch.

Albstadt-Ebingen. Hochkarä-tig besetzt war das Podium amSamstagabend, als Martins-kantor Steffen Mark Schwarz,Organisator des Forschungs-projekts »organ@school2017«, mit In-geborg Mühldorfer, Rektorinder Hochschule Albstadt-Sig-maringen, Karin Dengler vomEvangelischen JugendwerkBalingen, Landeskirchenmu-sikdirektor Matthias Hanke,dem Weltklasse-FagottistenHanno Dönneweg, MarcusSyring von der Ludwig-Maxi-milians-Universität Münchenund Oliver Dermann, Stu-dienrat an einem Gymnasiummit Musik-Schwerpunkt inBöblingen, darüber diskutier-te, wie ein Mehrwert von Wis-sen und Herzensbildung ent-stehen kann: durch das Öff-

nen von Systemen mittels Kul-tur, Kunst und Musik.

Letztere wirkt sogar auf denKörper: Hanke berichtete, wieeine auf den Raum intonierteOrgel die Schmerzen einerKollegin nach einem Unfallgelindert, eine andere Orgelsie verstärkt habe.

Einig waren sich alle, dassMusizierende oft offener seienfür Bildung und andere Men-schen, und dass Bildung nurstattfinden könne, wenn je-mand offen sei. »Ein-Bildung«und »In-Formation« sind Inge-borg Mühldorfer daher lieberals »Aus-Bildung«: »Das heißtfür mich, wir bilden jeman-den bis zu einer bestimmtenFertigkeit, dann ist es aus.«

Dass Musizieren in Grup-pen auch die Integration för-dert, haben Dengler, Der-

mann, Dönneweg und Hankeerlebt. »Musik schafft Mög-lichkeiten, ein andererMensch zu werden, eine neueRolle zu finden«, sagte Der-mann. Sie verschaffe Erfolgs-erlebnisse, fügte Syring hinzu:»Lernprozesse finden in unsstatt. Von außen können wirSchüler nur unterstützen, An-knüpfungspunkte zu ihrer Le-benswelt aufzeigen und ihreBereitschaft zum Lernen erhö-hen.«

Für Ingeborg Mühldorfergehört zur Bildung, »dass einMensch sich in der Welt zu-rechtfindet, nicht alles hin-nimmt und nachfragt«. Auseinem Fehler – sie nannte dasBeispiel eines Nobelpreisträ-gers – könne eine neue Entde-ckung werden, wenn man in-telligent genug sei, daraus et-

was zu machen. »Die Kinder,mit denen wir arbeiten, kön-nen etwas, und wenn wir ih-nen etwas zutrauen, findetauch Bildung statt«, so KarinDengler. Dass in Kindergärtenund Schulen wieder mehr ge-sungen werde – Schwarz be-richtete vom Erfolg des Caru-so-Projekts in Ebingen – ist fürHanke auch ein Mehrwert fürSprachfähigkeit. UmfassendeBildung und Offenheit, darü-ber waren sich alle einig, seiaußerdem ein Weg zu besse-rem Sozialverhalten.

Wie Bildung heute gelingen kannorgan@school2017 | Fachleute diskutieren: Musik öffnet Systeme

Organisierte das Orgel-symposium: Steffen MarkSchwarz Fotos: Kemmler

Im Gespräch (von links): Oliver Dermann, Ingeborg Mühldorfer, Karin Dengler, Matthias Hanke, Hanno Dönneweg, Marcus Syring.

Sabine
Schreibmaschinentext
Schwarzwälder Bote, Montag 10. Juli 2017