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JOURNAL F~ ORNITHOLOGIE. Elfter Jahrgang. N° 64. Jull. 1863. ii i I I [ Das kirgisische Steppenhuhn (Syrrhaptes paradoxus Illig.) in Deutschland w~hrend des Frilhlings 1@63, eia Beitrag zur ornithologischen Tageschronik. Von Dr. [~arl Bolle. Das Folgende ist eine einfache Zusammenstellung der That- sachen, auf welehen eins der merkwiirdigsten ornithologischeu Phi~nomene der Neuzeit, das Auftreten des kirgisischen Steppen- huhnes in unserem Vaterlande, -- eines so weir 0s~lich wohnenden Vogels mitten im Herzen Europa's -- beruht. Ich liefere die- selbe ohne die Pri~tention der Vollst~tndigkeit, vielmehr mit dem Wunsche~ dass Andere durch Nachtragen des vielleicht meiner Kenntniss Eatgangenen etwaige Lfickcn ausfiillen mSgen. Es lag ursprtinglieh in der Absieht meines werthen Freundes, des Premier- Lieutenants Herrn Alexander yon gomeyer fiber dies Epoche machende Ereigniss zu beriehten ida Berufspfliehten ernster Art ihn indess daran verhindert haben, ergreife ich an seiner Stelle die Feder, um in Betreff der Facta, welehe er selbst, als an einem derselben fast direkt Betheiligter, besser als ieh resiimirt haben wfirde, wenigstens einiges historisches Licht zu verbreiten. Den geehrten Herren, welche mieh durch ihre Mittheilungen da- zu in den Stand setzten, wird der Dank des ornithologisehen Publikums, inmitten dessen sich meine eigene schwaehe Stimme verliert, nieht fehlen. Erstes Vorkommen: Die Kenntniss desselben ward mir durch die Gefalligkeit des Ftir Ornithologie mit lebhaftem Interesse er- Ffillten taxidermischen Kfinstlers" Herrn Lu dwig, Pri~parators am K. zoologischen Museum zu Berlin. Er sagt darfiber: ,,Am 18. ~[ai warde mir yon dem K6niglichen Oberf(~rster Herrn Defert ein Journ. f. Ornith., XI, Jahrg. Nr. 64. Juli i863. 16

Das kirgisische Steppenhuhn (Syrrhaptes paradoxus Illig.) in Deutschland während des Frühlings 1863, ein Beitrag zur ornithologischen Tageschronik

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JOURNAL F~

ORNITHOLOGIE. E l f t e r J a h r g a n g .

N ° 64. Jull. 1863. ii i I I [

Das kirgisische Steppenhuhn (Syrrhaptes paradoxus Illig.) in D e u t s c h l a n d w ~ h r e n d d e s F r i l h l i n g s 1@63,

eia Beitrag zur ornithologischen Tageschronik. Von

Dr. [~arl Bolle. Das Folgende ist eine einfache Zusammenstellung der That-

sachen, auf welehen eins der merkwiirdigsten ornithologischeu Phi~nomene der Neuzeit, das Auftreten des kirgisischen Steppen- huhnes in unserem Vaterlande, - - eines so weir 0s~lich wohnenden Vogels mitten im Herzen Europa's - - beruht. Ich liefere die- selbe ohne die Pri~tention der Vollst~tndigkeit, vielmehr mit dem Wunsche~ dass Andere durch Nachtragen des vielleicht meiner Kenntniss Eatgangenen etwaige Lfickcn ausfiillen mSgen. Es lag ursprtinglieh in der Absieht meines werthen Freundes, des Premier- Lieutenants Herrn Alexander yon g o m e y e r fiber dies Epoche machende Ereigniss zu beriehten i d a Berufspfliehten ernster Art ihn indess daran verhindert haben, ergreife ich an seiner Stelle die Feder, um in Betreff der Facta, welehe er selbst, als an einem derselben fast direkt Betheiligter, besser als ieh resiimirt haben wfirde, wenigstens einiges historisches Licht zu verbreiten. Den geehrten Herren, welche mieh durch ihre Mittheilungen da- zu in den Stand setzten, wird der Dank des ornithologisehen Publikums, inmitten dessen sich meine eigene schwaehe Stimme verliert, nieht fehlen.

Erstes Vorkommen: Die Kenntniss desselben ward mir durch die Gefalligkeit des Ftir Ornithologie mit lebhaftem Interesse er- Ffillten taxidermischen Kfinstlers" Herrn Lu dwig , Pri~parators am K. zoologischen Museum zu Berlin. Er sagt darfiber: ,,Am 18. ~[ai warde mir yon dem K6niglichen Oberf(~rster Herrn Defert ein

Journ. f. Ornith., XI, Jahrg. Nr. 64. Juli i863. 16

242 Dr. Carl Bo l l e :

Sy~rhaptes paradoxus ~ zum Pr~pariren fibersendet. Der Vogel wurde in der Tuehel'scheu Haide in Westpreussen geschossen. Nahere Nachrichten konnte ich leider nicht erfahren. Nach mei- ner Ansieht dttrfte der Vogel etwa am 14. Mai gesehossen wor- den sein. Der Kropf war mit Si~mereien und RoggenkOrnern an- geftfllt. Das Exemplar befindet sieh in der Sammlung der Forst- akademie zu Neustadt-Eberswalde."

Zweites Vorkommen: SyrrhaTte8 paradoxus in Sclflesien. (Mittheflung yon A. yon H o m e y e r an Carl Bol le) . ,,Als eins der interressantesten Ereignisse deutscher Ornithologie ist das neuliche (17. Mai) Vorkommen yon Steppenhtihnern S. paradoxus s. Pallasii) bei Polkwitz in Schlesien zu betrachten. Der Flag, der aus circa 25 Individuen bestand, karambolfi-te derart mit dem Telegraphendrahte, dass drei Exemplare, mehr oder minder ver- wundet (Fliigelbruch, Platzen des Kroptes), unfahig welter zu flie- gen, herabstiirzten und aufgehoben wurden. Der Flag kam aus der Gegend yon Glogau und schlug die Richtung nach Steinau ein, also erst yon Nord nach Stid, dann yon West naeh Ost. Wenn nun aueh dutch Polkwitzer Gourmands zwei VOgel verzehrt wurden, so erhielt ich doeh durch die Freundlichkeit des Herrn yon Massow~ Lieutenant im Schtesisehen Dragoner-Regiment No. 5., ein altes Miinnchen ohne Schwanz, indem derselbe beim Er- greifen des Vogels verloren gegangen war, wie auch Kopf, Flfi- gel, Fiisse und Schwanz eines Weibchens: Theile, die bereits als Trophi~en einer Bratensehiissel gedient hatten. Das Wildpret sell wie das des Birkhuhns gesehmeckt haben. Das alte M~nnchen lebte, trotzdem ihm der Kropf geplatzt war, auf der Stube des Herrn yon Massow noch fast zwei Tage lung, and machte auf Alle, die es sahen, einen durchaus taubenartigen Eindruck. Der Lauf war trippelnd und schnell, schussweise 3--4 Fuss weir, mit dazwisehen liegenden Haltepausen. Die Fltigelbreite: 6,64 D.M., die Totalli~nge yon tier Schnabelspitze bis an die Spitze der zusammengelegten Fliigel 3 D.M. Fi~rbung der Iris nicht mehr siehtbar. Die dicke und starke Haut sitzt an der Brust lose, am Rttcken lest. Brust und Fliigelmuskela stehen in inniger Verbin- dung. Die Fliigelknoehen sind dick und hohl. ttoden stark ge- schwol]en, b

Es dtirfte nieht tiberfliissig erscheinen, wenn wir uns die Oert- Hehkeit, woselbst diese interessanten V6gel vorkamen, ein wenig ansehen. Die Umgegend yon Polkwitz ist sehr freundlieh, ttiigel-

Das kirgisische Steppenhuhn, Syrrhaptes paradoxus. 243

land und tief eingesehnittene Thalri~nder weehseln mit Niederungs- parthieen und mlt yon Erlen und Buschwerk umwachsenen Teichen; iippige Getreidefelder mit Laub- und Nadelholz-Parzellen ab, wi~h- rend in der Entfernung yon einer bis zwei Meilen gr0ssere Wal- dungen das Gebiet umgtirten, wodurch das Ganze einen auenar- tigen Charakter annimmt, am allerwenigsten aber ftir den Aufent- halt eines Steppenbewohners geeignet zu sein scheint.

Es ist bei unseren V0geln ein li~ngeres Verweilen hierselbst wohl nicht anzunehmen, wenngleich auch die entwickelten Ge- schleehtsorgane auf ein baldiges Brtiten deuteten, sondern wohl zu vermuthen, dass diese leicht und vorziiglieh beschwiagten Irr- gi~ste bestrebt gewesen sein wiirden, des Sehleunigsten wieder ihre heimathlichen Steppen Central-Asiens zu erreiehen. Sehr sehwer bleibt die Deutung der Ursache, welcher wir den Besuch verdanken und dtirfte eine Beantwortung der dahin einsehlagen- den Fragen immer nur im Bereiehe der Hypothese bleiben. Viel. leicht sind in manehen Distrikten des Heimathlandes durch grosse Hitze und Diirre die kleinen Steppenquellen und Wi~sserchen ausgetroeknet, wodurch ftir den Vogel Wassermangel entstand, den derselbe naeh Art der nah verwandtea Pterocles-Arten nicht wird haben ertragen k(~nnen. Dass einzetne dieser Auswanderer dabei nicht an den n~tchsten Quellen Halt machten, sondern bis nach Deutschland vorgingen, ist seltsam genug, doeh kann es welter nieht beffemden, indem wit wissen, dass abgekommene, v e r i r r t e V(igel - - und mit solchen, glaube ich, haben wir es hier zu thun - - oftmals in der Weise den Kopf verlieren, dass sie planlos die weitesten Strecken durcheilen; wobei ich nur an einzelne, im Herzen Deutschlands vorgekommene MeeresvCigel erinnere~ die, naehdem sie yon ihrem Element weggefiihrt und in ganz andere Verhi~ltnisse gesehleudert waren, so lange flogen, bis sie ermattet hinfielen und aufgenommen werden konnten."

Drittes Vorkommen: Ein Pi~rchen mi~ anderen im Dessaui- schen erlegt, welches ieh selbst, sowie ich aueh zwei der sehle- sisehen Exemplare in Handen hatte, yon Herrn L u d w i g ' s kunst- getibter, die Natur mit iiberraschender Wahrheit wiedergebender Hand pri~parirt, bei demselben hier in Berlin gesehen babe. Dicse V(igel wurden, laut einer Mittheilung Sr. Erlaucht des Herrn Grafen So lms , yore Amtmann B r a u n e , einem herzoglieh des- sauischen Jagdpachter bei W0hlau am 20. Mai d . J . beim Spazie- renreiten auf einem Braehfelde angetroffen, wo sie vielleieht auf

16"

244 Dr. Call B o l l e :

eine Entfernung yon 2Cl--30 Sehritt vor dem Pferde aufstanden. Es wax ein Flug yon circa 30 St-tick, der besonders durch den merkwtirdig schwirrenden Ton beim Fliegen Aufmerksamkeit er- regte. Herr B r a u n e verfolgte deshalb den Flug mit den Augen und bemerkte, dass derselbe sich in ein Kartoffeffeld dicht neben einer Kornbreite niederliess, aus weleher auf ihn zu schiessen war. Er rift daher naeh Haus, holte seine Flinte und beschlich die V(igel, welehe immer noch auf demselben Platz lagen, yore Kor~felde gedeckt. Er hatte das Gliiek mit dem ersten Schusse auf die ziemlich in einer Reihe sitzenden Htihner fiinf Stiick zu schiessen, wovon jedoeh eins nur flfigellahm war und sieh dutch Laufen so schnell entfernte, dass alles Suchen vergeblich blieb. Die nicht getroffenen V6gel waren nicht zu welt auf ein Brach- feld wieder eingefallen, liessen sich jedoch nun nicht auf Schuss- weite ankommen, so dass yon einer weiteren Jagd abgestanden werden musste. Am anderen Tage und spater sind dieselben auch nicht wieder bemerkt worden.

Ein merkwiirdiger Zufall ist es iedenfalls, class die Erleg~en gerade zwei t)~chen waren, wovon das eine flit die herzoglich- Dessauische Sammlung bestimmt worden ist, wiihrend ein befreun- deter Ornithologe das andere bekommen hat. Eine weitere Bc- obachtung konnte natiirlich nicht angestellt werden, nur ist noch zu erwi~hnen, dass derFlug schnell und geschickt gewesen sein soU.

Diese obigen zwei V6gel, Mi~nnchen uad Weibchen, erhielt Herr L u d w i g im Yleische am 22. Marl Der Kropf des Einen war mit Roggenk~irnern und iunger grfiner Saat; der des ande- ren nur mit etwas Samereien angefiillt. Die Thicre befanden sich in wohlgeni~hrtem Zustande.

Viertes Vorkommen. Lingen (ira westliehen Hannover, an der Eros) den 28. Mai. In unserer NiChe wurde vor einigen Tagen ein merkwiirdiger und h6chst seltener Vogel, das Pallasische Fausthuhn (Syrrhaptes Pallasii) gefangen. Dasselbe war gegcn einen TelegTaphendraht geflogen und butte sich einen Fliigel ge- brochen. Da dieser Vogel nur die kirgisisehen und bucharisehen Steppen his nach China hin bewohnt, so ist es um so unbegreif- lichen; wie derselbe hierher gekommen ist. Es ist ein liebliches, sch6ngefarbtes Thierehen yon der Gr6sse ciner kleinen Taube. Die kurzen Beine trod die drei fast ganz mit einander verwach- senen Zehen sind mit haarartigen Federn besetzt. Der kurze,

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spitze Schwanz hat in der Mitie zwei lunge, diinne Federn; ebenso sind die Schwungfedern der Flfigel sehr lung und schmal.

(Neue Hannoversche Zeitung.) Fiinftes Vorkommen: im Havellande der Mark Brandenburg.

,,£m 4. Juni wurde in einer Gutsforst bei Nauen yon einem Jiiger ein Syrrhaptes 2aradoxus cf auf einem Wege sitzend angetroffen. Der Vogel war unffahig zum Fliegen und wurde yon dem Jigger gefangen und mir zum Priipariren iibersandt. Ich fand alas Thier sehr abgemagert. Der Kropf war fast leer; er enthiett nur 6 bis 8 Roggenk(irner. Die Totalliinge des Vogel betrng 16", die Breite 26,~" rheinllindisch. Das Exemplar befindet sich im k(inigl, zoolo- gisehen Museum zu Berlin. '~ (Ludwig.)

Sechstes Vorkommen. Eine seltene Jagdbeute wurde in diesen Tagen auf der Herrschaft Dobriseh in B(ihmen gemaeht, wo man einen Syrrhaptes paradoxus, Bastardhuhn (sic !), erlegte, weleher Vogel sonst nur auf der Kirgisensteppe zu fiuden ist. (Leipziger Illustrirte Zeitung yore 6. Juni 1863). Vielleieht gehcirt hierher ebenfalls das in derselbea Nummer erwiihnte Vorkommen eines am 24. Mai bei Wolterdingen im gannoversehen in tier Haide erlegten Gangahuhnes (Pterocles Alchata). Die Aehnlichkeit zwi- sehen beiden V~igeIn ist gross und wird dureh das beiden gemein- same Kennzeichen der verliingerten Mitte]sehwanzfedern so ge- steigert, dass eine Verwechselung leicht m(iglieh ist.

Siebentes und achtes Vorkommen: in der Provinz Sachsen. Ueber beide berichtet die Magdeburger Zeitung unter dem Datum des 6. Juni des Weiteren. Wir schlitzen uns gliicklich der Mit- theilung dieses Blattes die direkte eines Augenzeugen, des Herrn Ferdinand Heine, substituiren zu k(innen. Die Aufzeichnung dieses ausgezeiehneten 0rnithologen lautet:

,,Am zweiten Pfingsttage, 25. Mai, fuhr ieh Morgens gegen 10 Uhr auf eiuem yon Halberstadt nach dem Huy-Holze ftihren- den Feldwege an einer jungen Gers~enbreite meines Planes ent- lung, als reich pl~itzlich mein Sohn Albrecht, ein eifriger Jagd- Ireund, auf ein Paar auf dem Wege laufende VSgel aufmerksam machte, welche wir Anfangs aus der Ferne ffir die bei uns haufig vorkommende gelbliche Spielart unseres Rebhuhns hielten. All- miihlig naher kommend, erblickten wit jedoch bald, dass in der Furche uud am Rande der Gerstenbrei~e ein ganzer Trupp yon 18---20 Stiick soleher V(igel vor uns einherlief, und da natiirlieh so viele Rebhfihner um ietzige Zeit nieht zusammen sein konnten,

246 Dr. Carl Bolle:

verfiel ich auf den Gedankenr. es seien dies vielleicht sogenannte kleine Tiiten (Eudromias Morinella Brehm), als wir sic pl6tzlich sich crheben und schnell in eigenthfimlichen Kreisfliigen lange ~iber einer n~her der Stadt zu gelegenen Rfibenbreite schwebend zuletzt in diese einfallen sahen. An Syrrhaptes konn~e ich nat~ir- lich damals noch nicht deaken, well dieser Vogel kaum erst in England und Holland als Besucher aus fernem Osten bekannt ge- wordea, in Deutschland aber noch hie erschienen war und so aehtete ieh denn nicht weiter auf die V~gel und fuhr ruhig meines Weges weiter. Da erschien zuerst in der Magdeburger Zeitung veto 2. Juni iene Notiz yon dem bei Lingen.gefangenen Exem- plare und wenige Tage darauf erhielt ich yon Qucdlinburg ein altes Mannchen, das obschon freilich bereits etwas angegangen, ich doeh noch mit Verlust vieler Kopffedern abbal~e und eiligst an meinen friiheren Conservator, Herrn F. Tiemann, jetzt am zoolo- gisehen Museum zu Breslau, sandte, der hoffentlich das inter- essaate Stfick ffir racine Sammlung retten wird, die die Art sonst nur aus der Kir~sensteppc und ausserdem yon Thibet die zweite gr0ssere Species S. thibetanus Gould besitzt.

Der Kiirschner Kerr Haberkorn aus Quedlinburg, der vor Jahren einmal racine Sammlung sah, vermuthete, dass dieser ihm als Wild zugegangene Vogel einerlei mit dem nach den Bl~ttern bei Lingen gefaagenen sei und machte mir mit demselben ein Ge- schenk. Ich bestatigte denn auch seine Vermuthung und bat um Aufkl~rung, wie er zu dem Thiere gekommen sei. Er schreibt mir nun :

,,Ich habe den Vogel yon dem Jagdp~chter Markworth in Dittfurth bekommen, weleher ihn am 2. Juni e. an dem sogenann- tea Haidberge, nahe bei ttarsleben, gesehossen hat. Derselbe geht gegen Abend in seine Jagd und bemerkt diesen Vogel, der eben nur allein ist, schiess~ danaeh, weiss aber n~cht, ob er ihn getroffen. Darauf geht er auf denselben zu and sieht, dass er nieht mehr fliegen, sondern nur noeh hfipfen kann, worauf er ihn bekommt."

Beim Abziehen habe ich keinen Schuss bemerkt~ doch kann er, wie gesagt, ein Paar K0rner in den Kopf bekommea hahen, wean das Losgehen der Kopffedern nicht vielmehr der beginnen- den Faulniss zuzusehreiben ist; dean der J~ger hat ihn darauf einige Tage h~ngen lassen, ehe er Gelegenheit land, ihn g e r m gaberkorn nach Quedlinburg zu fibersenden. Ich bin lest fiber-

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zeugt~ dass er zu den yon uns gesehenen und yon mir ftir Tilden gehaltenen VOgel geh(irte, die ja mindestens 120 Schritt yore Wagen entfernt waren und sich von diesen verirrt hat. Ueber- haupt war der Plug dieser V~gel so eigenthfimlich, dass ieh keiae anderen mir bekannte damit vergleiehen m6ehte, aueh wegen der im Fliegen siehtbaren, zugespitzten, hellgelblichen Fliigelspitzen. Die V~gel flogen im Trupp lange Kreise beschreibend fort."

(St. Burehard, 23. Juni 1863. Ferdinand Heine.) Es bleibt, sagt die Magdeburger Zeitung am Sehlusse ihrer

Notiz, eine Aufgabe der Ornithologen, zu ermitteln, wie dieses Volk so weir naeh Abend versehlagen worden ist. Eine Tour um die Erde haben die V(~gel schwerlieh gemacht. Sind sie viel- leicht durch die im Anfange des Friihiahrs herrsehenden, starken und anhaltenden Ostwinde nach Westen getrieben worden und kehren nun wieder hcim, oder sind sic gut" die Avantgarden iener Nomaden, die tins einea Besueh zugedaeht haben? Oder haben sie nut als Kundschafter die Grabst~ttten besuchen sollen, in welche vor 50 Jahren die Gebeine der Mitbewohner ihrer Step- pen ge le~ wurden? - -

Neuntes Vorkommen: bei Willenberg, Kreis Ortelsburg, in Ostpreussen, den 16. Juni. ,Es dfirfte die hIittheilung nicht un- interessant sein, dass vor etwa vier Woehen auch auf den Feld- marken um Willenberg mehr als 20 Exemplare des kirgisischen Sandhuhnes gesehen worden sind und sich l~tnger als acht Tage hier aufgehalten haben. Dem hiesigen S~adtk~tmmerer Herrn Tr~Jder ist es gelungen ein solches Huhn zu sehiessen. Nach K(inigsberg an das dortige Museum gesendet, kam es, als zum Ausstopfen leider nicht mehr geeignet, zu spat an."

(Magdeburger Zeitung vom 21. Juni 1863.) So welt die Beriehte fiber das Auftreten des seltenen Gastes

in Norddeutsehland yon jenseits der Weiehsel bis zur Eros, an welche sich gewiss, wit hegen die feste Ueberzeugung, noch un- dere anreihen werden. Yon ausserdeutsehen L~,tndern, die des- selben Vorzugs theilhaftig geworden, kOnnen wit vor der Hand, naeh einer allerdings etwas vagen Notiz, nut D:,inemark namhaft machen, wo, einer kfirzlieh yon zuverl'~ssiger Seite an Herrn Professor Peters zu Berlin gemachten briefliehen Mittheilung zu- folge, im Laufe dieses Friihlings 100--120 S~(ick Syr~'ha2)tes para- doxus gesehen worden sind.

Diinemark and zwar insbesondere Jfitland hat diese V6gel

248 Dr. A l tum:

fibrigens bereits bei ihrem ersten literarisch bekannt gewordenen Erseheinen in Europa, im Sommer 1859, innerhalb seiner Grenz- marken gesehen. Die Details fiber Letzteres finden sich in der englisehen Zeitsehrift I b i s (No. 17. April 1860) niedergelegt und sind yon einer sehr gelungenen Abbildung des Vogels begleitet weleher in dem angegebenen Jahre in Wales und Norfolk in Eng- land, sowie in den Dfinen Hollands bei Leiden beobachtet wor- den ist.

Das Fausthuhn, Syrrhaptes paradoxus Illig. Von

Dr. Altum.

Seit Anfang Juni d. J. erhielt ich mehrfache Kunde yon sporadiseh vorgekommenen Fausthtihnern (Tet.,'ao paradoxus Pall., Syrrhaptes Pallasii Temm.)i bald brachten 0ffentliche BlUrter sol- ches unter den vermischten Naehrichten, bald wurde die ~iitthei- lung yon irgend einem Freunde privatim gemacht. Es hi~tte reich deshalb nicht so sehr fiberraschen sollen, als ieh in Braunschweig am 14. Juni yon Prof. Blasius vernahm, dass auf Itclgoland eine ganze Schaar yon ungefi~hr 30 S~iick angetroffen sei, yon welcher ziemlich viele erlegt waren; 15 herrliche Exemplare fund ich bei ihm vor. Nun ja, wenn schon an manchen anderen Punkten dieser asiatische Steppen~ogel bei uns als Irrgast aufgetreten war, dann musste wohl Helgoland, dieses kleine Felsennest, auf das die meisten versehlagenen Fremdlinge so verpicht zu sein seheinen, eine hiibsche ~[enge beherbergen. So interessant solche Mittheilungen auch waren, so unwichtig scheinen sie der Ent- deckung derjenigen Oertlichkeit gegeniiber zu sein, welche sieh diese komisehen, bis jetzt noeh so wenig bekannten VOgel in Menge als zeitwei]ige zweite tteimath in der Fremde ausersehen hatten, an tier es gelingen konnte, sie in ihrem Leben and Trei- ben in der freien Natur wieder und wieder zu beobachten, ihre Sitten und Betragen, Flugart, Stimme zu erlauschen, beliebig auf sie Jagd zu maehen, sie deshalb frisch im Fleische zu erhalten, Skelett, genossene Nahrung u. s. w. zu untersuehen, kurz, r if les festzustellen, wortiber uns die pri~parirten Bi~lge bisher im Unge- wissen gelassen haben. Ausser einigen Bi~lgen bekam ieh l0 Exem- plate im Fleische.

D i e s e z w e i t e , wenngleich wohl nur voriibergehende ]~ei- ma th de r Syrrhaptes i s t d ie f r i e s i s c h e I n s e l Borkun~, in