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Dss Mikroskop ale Mittel zur Entdeckung eines Diebstahles. 95 Das Wkroskop als Mittel znr Entdeckung eines Diebstahles. Von Otto. In der Nacht vom 10. zum 11. Dezember 1864 wurde im Locale des Herzoglich Meiningenschen Landgerichtes zu Grafenthal , Schloss Wespenstein , die dortige Depositenkasse im Betrage von 3699 Thlr. 18 Sgr. 8 Pf. bestohlen. Der Dieb war mit seinem Raube in den hinter der Wartestube belegenen Garten gegangen und hatte die zugebundenen Geld- siicke von da aus in einen alten Thurm, welcher yon einem etwa 40 Fuss tiefer gelegenen Garten an den oberen Garten herauf reichte , an einem Bindfaden hinabgelassen. Einer der Geldsacke mochte hierbei ) wahrscheinlich weil der Bindfaden zerrim , in den alten Thurm hinabgestiirzt, auf einen Mauer- vorsprung gefallen und zerplatzt sein; denn man fand ausser dem zerrissenen Leinwandsacke, an dem noch ein Stuck abge- rissenen Bindfiidens hing ) noch eine betrachtliche Summe Gel- des im Thurme auf dem Boden umher liegen, auf welchen der Dieb das Geld herabgeworfen hatte. Dieser Boden war mit Staub, Schutt, verfaulten Holzresten und vielen Schiefer- stiicken bedeckt. Und unbr dieser erdig staubigen, mit klei- nen Schieferstiicken vermengten Masse h a t s der Dieb einen Theil des BUS- dem zerplatzten Sacke herabgefallenen Geldes zusammengerafft. Nach einiger Zeit ward in dem mit Geld gefiillten Beutel eines 28jahrigen, wegen auegezeichneten Diebstahles mit drei Jahren Zuchthaus bereits friiher schon bestraften und seit obigem Gelddiebstahle durch ungewohn- liche Ausgaben auffallig gewordenen Mannes eine kleine Menge erdig staubiger und mit kleinen Schieferstiicken ver- mischter Masse bemerkt. Auch zeigten die in dern Beaitze dieses Mannes vorgefundenen Geldstucke besondere Ein- driicke, ahnlich denen, die man an den im obigen Thurme enriickgebliebenen Miimen wahrgenommen hatte. Zur Aufstellung dieser Verdachtsgriinde iibergab das Kreisgericht dem Physicate behufs einer mikroskopischen Un- tersuchung zwei Paokete, von denen das eine (L. A.) die

Das Mikroskop als Mittel zur Entdeckung eines Diebstahles

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Dss Mikroskop ale Mittel zur Entdeckung eines Diebstahles. 95

Das Wkroskop als Mittel znr Entdeckung eines Diebstahles.

Von Otto .

In der Nacht vom 10. zum 11. Dezember 1864 wurde im Locale des Herzoglich Meiningenschen Landgerichtes zu Grafenthal , Schloss Wespenstein , die dortige Depositenkasse im Betrage von 3699 Thlr. 18 Sgr. 8 Pf. bestohlen. Der Dieb war mit seinem Raube in den hinter der Wartestube belegenen Garten gegangen und hatte die zugebundenen Geld- siicke von da aus in einen alten Thurm, welcher yon einem etwa 40 Fuss tiefer gelegenen Garten an den oberen Garten herauf reichte , an einem Bindfaden hinabgelassen. Einer der Geldsacke mochte hierbei ) wahrscheinlich weil der Bindfaden zerrim , in den alten Thurm hinabgestiirzt, auf einen Mauer- vorsprung gefallen und zerplatzt sein; denn man fand ausser dem zerrissenen Leinwandsacke, an dem noch ein Stuck abge- rissenen Bindfiidens hing ) noch eine betrachtliche Summe Gel- des im Thurme auf dem Boden umher liegen, auf welchen der Dieb das Geld herabgeworfen hatte. Dieser Boden war mit Staub, Schutt, verfaulten Holzresten und vielen Schiefer- stiicken bedeckt. Und unbr dieser erdig staubigen, mit klei- nen Schieferstiicken vermengten Masse h a t s der Dieb einen Theil des BUS- dem zerplatzten Sacke herabgefallenen Geldes zusammengerafft. Nach einiger Zeit ward in dem mit Geld gefiillten Beutel eines 28jahrigen, wegen auegezeichneten Diebstahles mit drei Jahren Zuchthaus bereits friiher schon bestraften und seit obigem Gelddiebstahle durch ungewohn- liche Ausgaben auffallig gewordenen Mannes eine kleine Menge erdig staubiger und mit kleinen Schieferstiicken ver- mischter Masse bemerkt. Auch zeigten die in dern Beaitze dieses Mannes vorgefundenen Geldstucke besondere Ein- driicke, ahnlich denen, die man an den im obigen Thurme enriickgebliebenen Miimen wahrgenommen hatte.

Zur Aufstellung dieser Verdachtsgriinde iibergab das Kreisgericht dem Physicate behufs einer mikroskopischen Un- tersuchung zwei Paokete, von denen das eine (L. A.) die

96 Daa Bdikroskop 818 Mittel zur Entdeckung einos Diebstahles.

erdig staubige Masse von dem Boden jenes Thurmes und das andere (L. B.) die kleino, circa einen halbcn Kaffeeloffel voll betragende, Quantitat der staubigen Masse aus dem Geldbeu- tel des Inhaftirten enthielt; ausserdem noch drei Packete mit Geldstiicken, wie solche theils bei dem Verhafteten, theils auf dem Boden jenes Thurmes als zuruckgeblieben sich vor- gefunden hatten.

Gutachten iiber die Beschaffenheit der vom H. Kreisge- richte erhaltonen Packete L. A. und L. B.

Nachdem zuvorderst das Packet L. B. geoffnet und darin eine geringe Quantitiit einer erdig staubigen , init verschiede- nen organischen und anorganischen Substanzen gemengten Masse gefunden worden, ging man zur niiheren Untsrsuchung der einzelnen Bestandthoile derselben iiber. Diese mikros- kopisch - chemische Untersuchung hat Polgendes crgeben.

1) Ein circa neun Linien langes und funf Linien breites Schieferstuck von blaulich - grauschwarzer Farbe , nebst zahl- reichen kleineren. Dieser Schiefer lasst sich in sehr diinne Plattchen spalten , zeigt sich an den Spaltungsflachen schim- mernd, hat einen hellgrauen Strich, und verliert beim Gli- hen seine schwarzliche Farbe, wobei er weisslich bis rothlich wird ; unter dem W o s k o p e erscheint er von kleinen Schwefel- kieskrystallen durchsetzt , und boi chemischer Priifung mittelst des Kaliumeisencyaniirs ergiebt er sich ebenfalls sehr eisenhaltig. Diese Eigenthumlichkeit characterisirt nach Tantscher (cf. Nau- manns Lehrbuch der Geognosie. ,2 . B. S. 290.) hauptsachlich den Griifenthaler Thonschiefer.

2) Bruchstiicke von Blattern (Nadeln) eines Nadelholzes, welche Nadeln sich als dor Fichte (Pinus picea L.) angehorig ergaben, da ein Querschnitt ein verschobenes Viereck mit zwei Harzgangen darstellte ;

3) Quankornchen mit abgeschliffenen Kanten, wie sie sich im Sande finden;

4) zahlreiche Stuckchen einer geringen Sorte rothen Sie- gellackes.

5) eine Masse kleiner Triimmer mulmigen Holzes; des- sen grosstes Stuck unter dem Mikroskope sich als Tannen-

Das Mikroskop a ls Mittcl zur Entdeckung eines Diebstahlee. 97

holz (Abiea pectinata) erwies, indem das Holzparenchym aus gleichartigen Holzzellen , frei von Gefdsszellen , bestand und der den iibrigen Nadolholzern eigenthumliohen Harzgange ermangelte. Die Verwitterung dieses Holzes war von der Art, dass die Holzzellen mittclst der Praparirnadel sich leicht trennen liessen.

6) Ein circa 11/* Zoll langes Bruchstuck eines Blattstie- les , dessen Rindenparenchp durch eine Lage braun gefarb- ter grosscrer Zellen von den nnterliegenden Gefassbiindeln geschieden war;

7) Bruchstucke von Grashalmen ; 3) Bruchstuckc von Blattern eines Laubholzes, und zwar

sowohl wegen der Eigenthumlichkeit der Spaltoffnungen und Parenchymzollcn, als auch wegen der Verzweigung der Ge- fassbundel hochst wahrscheinlich der Rothbuche ;

9) farbige Fasern von Lein, Wolle und Baumwolle. Nach Zusatz von Chlorwasserstoffsiiure zeigten sich an

einzelnen Punkten dieser erdig staubigen Masse kleine auf- brausende Luftblasen , welche Erscheinung auf die Gegen- wart von kohlensaurehaltigen Verbindungen deutet , obgleich das Vorhandensein des Kalkes mittelst des oxalsauren Ammo- niaks nicht nachweisbar, wohl aber eine Spur von Talkerde durch phosphorsaures Natron ersichtlich war. Ferner liess sich nach Zusatz von Kaliumeisencyaniir eine intensiv blaue Farbung, insbesondere an den Riindern aller Schieferstuck- chen und in deren Umkreise wahrnehmen, welche letstere Reaction das Dasein des Eisens constatirt.

Dieselbe chemische Rcactionserscheinung des Eisens bie- tet auch die erdig staubige, mit einer grossen Nenge von Schiefcr - und Xortelstuckchen, Tannen - und Fichtennadeln, Qriarzkornchon, Buchcnbliittern , Fragmenten unbestimmbarer Blatlstiele, Triimmer mulmigen Tannenholzes, Grashalmen, far- bigen Fasern von Lein, Wollc und Baumwolle gemengten Masse dar, welche in den mit L. A. bezeichneten Packete enthalten ist. Auch zeigen die genannten Bestandtheile der sehr umfanglichen Masse des Packets L. A., namentlich die

Arch. d.Phnm. CLXXXIII. Bds. 1. u. 2. Hft. 7

98 Das Ekroskop 81s Mittel zur Entdecknng eines Diebstahles.

Schieferstiicke und Quarzkornchen , sowie die Fichtennadeln, Buchenblatter und Triimmer mulmigen Tannenholzes, die Gras- halmen und die farbigen Fasern von Lein, Wolle und Baum- wolle dieselben Struckturverhaltnisse , wie die oben bezeich- neten Bestsndtheile der erdig staubigen Nasse in dem Packete L. B.

Unser Gutachten lautet demnsch: dieselben Bestandtheile der Masse des Packets L. B. fandcn sich in der Masse des Packets L. A. wieder, mit Ausnahme der Kalkerde, welche durch zahlrciche Mortelstiickc im Packete L. A. vertreten war. Ungeachtet der Abwesenheit dcs Xalkes im Packete L. B. erachten wir die Masse beider Packetc als rnit einan- der ubereinstimmend.

G u t a c h t e n da r i ibe r :

1) ob an den vom H. S. Kreisgerichte zur Untersuchung erhaltenen Miinzen frische Eindriicke wahrnehmbar,

2) ob dicse durch Auffallen aufs Xauerwerk oder andere feste Gegenstinde beim Herabfallen aus einer betriichtlichcn Hohe entstanden und ob

3) diese Eindriicke an den Niinzen aller drei Packete gleichartig seien?

An siimmtlichen Geldstucken der Packete L. A. B. und C. sind mehr oder wenigcr starke Rosch6digungcn wahrnehmbar, und zwar befinden sich dieselbon durchgehends an den Riin- dern der Geldstiicke.

Diese Verleteungen zeichnen sich zavorderst dadurch am, dass deren Flachen sehr uneben und quer ,gegen den Rand, nicht liings desselbon gestreift sind, f'erner charakteri- siren sich dieselben durch ihre aufgeworfenen Riinder und den Mange1 an Substanzverluet. Auch sind einzelne Stel- len dee Randgeprages zusammengedriuckt. Am adallend- sten treton dieselben Merkmale an einem im Jahre 1856 gepragtcn bairischen 2 Guldenstucke des Packets L. A. hervor, wo in der Verletzungsflache ein Quarzkornchen ein- gebcttet liegt.

Das Mikroskop als Mittel zur Entdeckung eince DicbstaNee. 99

Da die bczeichneten Verletzungsflachen an siimmtlichen Geldstucken gliinzend und ohne Anflug einer Oxydation erscheinen, miissen wir die Eindriicke an den betreffenden GeldRtucken als frische erachten. Da ferner die Verletzungs- flachen sammtlicher Geldstiickc sehr uneben , ohne Substan- verlust und quer gegen den Rand, nicht langs desselben gestreift sind ; da endlich einzelne Stellen des Randgeprii- ges zusammengedriickt crscheinen und in der Verletzungs- flache eines Geldstiickcs sogar ein Quarzkornchen eingebet- tet liegt, so geht daraus mit Bestimmtheit hervor, dass die fraglichen Eindriicke an den Miinzen nicht durch Schnitt, sondern vielmchr durch einen starken Druck oder Schlag, der quer gegen den Rand der Geldstiicke gerichtct war, entstanden sind. Und da die Eindriicke an den Munzen aller drci Packete im Wesentlichen gleichartig sind, so ist wohl anzunehmen, dass eine gleiche Ursache die Eindriicke an allen Miinzen der Packete L. A. B. und C. hervorgeru- fen habe.

Von grosser Wichtigkeit scheint uns bei Benrtheilung der Entstehungsweise der fraglichen Eindriicke hauptsachlich dcr Umstand zu sein, dass in der Verletzungsflache eines grosseren Geldstiiickes ein Quarzkornchen eingebettet liegt, denn dieser Umstand diirfte mit Sicherheit zu der Annahme f ~ r e n , dass die Eindriicke an den Munzen durch Anschla- gen letzterer an ein quarzhaltiges Gestein resp. an Sand- stain entstanden sind. Auch ist noch die Erscheinung,. dass an einzelnen Geldsticken sehr starke Eindriicke an den Miinzen mit hoch aufgeworfenen Randern sichtbar sind , her- .vorzuheben , indem hieraus die Einwirkung einer bedeuten- den Kraft ersichtlich ist, mit welcher die Geldstiicke an das quarzhnltige GeRtcin angeschlagen sind. Sollte Letzteres durch Fall geschehen sein, so hat dieser ohne Zweifel aus einer betrachtlichen Hohe und zwar bei gleichzeitiger Ver- einigung mehrerer Miinzen zu einem Ganzen (bei Verpackung in Rollen) stattgehabt.

h'achdem durch vorstehende Gutachten der auf den Inhaf- tirten gerichtete Verdacht begriindet , und in der desfallsigen

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100 Die Giftmischer in den Bierbrauereien.

Hauptverhandlung dcr Assisen die Identitat der mikrosko- pisch untersuchten Msssen und Eindriicke an den Niin- Zen hervorgehobcn und erortert worden, sprachen die Ge- schworenen einstimmig , nach Massgabe des Ergebnisses der mikroskopischen Untersuchung , iibcr den Angeklagten , wel- chcr Alles hartnackig Ieugnete, ihr Schuldig aus. (AZZg. Medicin. Central - Ztg.) Hirscfierg.

T o xi c o 1 o g i e. Die Gif'tmischer in den Bierbrranereien.

Unter dieser Ueberschrift h d e t sich in der Chomnitzer Reisezeitung PTr. 35, November 1866) ein intercssanter Arti- kel, aus welchem das Verzeichniss der schadlichen Zusatze zum Biere hervorgehoben zn werden verdient. Es sind: Bilsenkraut, Brechniisse (Krahenaugen) , Columbowurzel, Colo- quinten, Ignatiusbohnen , Xockelskorner , Niesswurz, Opium, Paradieskorner , Pikrinsiiure , Seidelbas t , spanischer Pfeffer, Stechpalme (Datura Stramonium) , Taumellolch. Die Quassia ist den gewissenlosen Brauern ein ,, holzerner Hopfen. " Un- schadlicho, aber immerhin betriigerische Surrogate des Hopfens : Alant -, Angelica - , Enzian -, Pimpinell - , Cichorienwurzel; An- dorn -, Bitterklee -, Cardobenedicten -, Schafgarben -, Wermuth-, wolf8fuss - und Tausendguldenkraut , islandisches Moos etc. Den ,giftigen Kupfervitriol und noch mehr das ,, Heading, " eine Nischung von Alaun und Kupfervitriol missbranchte man in Porterbrauereien, um dem Porter seinen schonen hohen Schaum zu gehen.

E Ludung.