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Das Monstrum von Quinto Center

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Nr. 115

Das Monstrum vonQuinto-Center

Kampf im Hauptquartier der USO -ein Experiment gerät ausser

Kontrolle

von H. G. Francis

Auf den Stützpunkten der USO, auf den Planeten des Solaren Imperiums und denübrigen Menschheitswelten schreibt man Ende September des Jahres 2842 – einesJahres, dessen erste Hälfte recht turbulent verlief, wie die vorangegangenen Ereig-nisse eindeutig bewiesen.

Jetzt herrscht in der Galaxis relative Ruhe. Der Aufbau des Solaren Imperiumsgeht kontinuierlich voran. Es gibt im Augenblick weder im Bereich des Inneren nochim Bereich des Äußeren Schwierigkeiten von Bedeutung. Kein Wunder daher, daßPerry Rhodan, der Großadministrator, Staatsgeschäfte Staatsgeschäfte sein läßt undzusammen mit seiner Frau Mory Abro, der Regierungschefin von Plophos, zu einerExpedition in ein weit entferntes Sonnensystem aufgebrochen ist.

Dabei wäre, wie es sich plötzlich herausstellt, die Anwesenheit des Großadmini-strators und seiner Frau auf Plophos dringend erforderlich! Denn Plophos, das zu ei-nem Transplantationszentrum ersten Ranges geworden ist, erlebt eine Invasion ganzbesonderer Art: Transplantations-Patienten laufen Amok, und ein Androide explo-diert, bevor er entscheidende Aussagen in Sachen »Weltraumzirkus« machen kann.

Doch das Spezialisten-Team der USO, das auf Plophos tätig wurde, ist bereits derunbekannten Macht auf der Spur. Dann aber kommt es zu einer unerwarteten Krise,die ausgelöst wird durch DAS MONSTRUM VON QUINTOCENTER …

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Die Hautpersonen des Romans:Nancy Chessare - Eine USO-Spezialistin kämpft mit einem Ungeheuer.Ronald Tekener - Stellvertreter des Lordadmirals der USO.Dr. Alf Hurton - Wissenschaftler auf Quint-Center.Stuckey Folus und Thow Tanza - Zwei USO-Spezialisten unter Zirkusleuten.Ro Batten - Ein Mann, der Rache üben will.Aron Yr - Ein Mann, der auf die USO wartet.

1.

Die Kugel raste mit so hoher Geschwin-digkeit durch das Labyrinthfeld, daß sie mitbloßen Augen kaum zu verfolgen war.

Stuckey Folus versuchte erst gar nicht, sieauf diese Weise zu erwischen. Er konzen-trierte sich auf einen Punkt, den die Perlefrüher oder später passieren mußte. Als siesich ihm näherte, krümmte sich sein Zeige-finger, und ein nadelfeiner Blitz zuckte ausder Spitze der Pistole.

»Ein Volltreffer«, sagte Thow Tanza, derkeineswegs überrascht zu sein schien.

Das Ziel hatte sich in einen roten Klum-pen verwandelt, der zitternd in einem Fes-selfeld hing.

Der Spielleiter lächelte Pa zu.»Meine Anerkennung, Sir. Das schaffen

nur wenige. Genau genommen ist es fünfWochen her, daß einer das Ding abgefangenhat.«

»Dann habt ihr inzwischen eine MengeGeld mit dem Kasten verdient«, entgegneteStuckey Folus trocken. Er streckte die Handaus und nahm die beiden Karten für die Lo-genplätze in die Hand. Durch den Trefferwaren sie recht preiswert geworden. Erblickte auf die Scheine herab und fragte:»Muß ich unbedingt ein Mädchen mitneh-men, oder ist es mir auch erlaubt, meinenOpa einzuladen?«

Dabei deutete er mit dem Daumen aufThow Tanza. Der Spielleiter musterte den91jährigen Mann.

»Nehmen Sie mit, wen Sie wollen«, erwi-derte der Spielmanager.

»Uns ist das egal.«Unbehaglich wandte er sich ab und ging

zu einem anderen Gerät, an dem ein blondesMädchen spielte.

»Unfreundlicher Mensch«, bemerkte»Opa« knurrend. Er strich sich mit der Handüber den runden Schädel und ordnete dieschlecht sitzenden Haare. Doch das half nurwenig. Die schwarzen Locken sahen gleichwieder so ungebändigt aus wie zuvor.

»Noch ein Spiel?« fragte Folus.Thow Tanza winkte unwillig ab.»Wir haben, was wir wollen. Verschwin-

den wir von hier. Die Vorstellung beginnt inzwanzig Minuten.«

Stuckey Folus, genannt »Pa«, beobachte-te, wie sich die Augen Tanzas verengten. Erdrehte sich um und blickte in die gleicheRichtung wie der Astrophysiker. Am Ein-gang zu dem Spielsalon stand ein auffallendschlanker Mann, der einen hautengen, blau-en Anzug trug. Auf seiner Brust schimmertedas Symbol der COMOTOOMO.

Folus kannte diesen Artisten nicht, aber erzweifelte nicht daran, daß Opa und er sichirgendwann einmal begegnet waren. DieUmstände schienen keineswegs erfreulichgewesen zu sein. Deutlich zeichneten sichAngst und Betroffenheit in dem Gesicht desUnbekannten ab. Er schien wie gelähmt zusein. Erst als Opa sich bewegte, fiel derBann von ihm ab. Er drehte sich um undverschwand. Folus wartete, daß Tanza ihmnacheilen würde, aber der Astrophysiker tat,als sei nichts Besonderes vorgefallen.

»Was ist?« fragte er. »Wie lange willst dudir noch überlegen, ob wir gehen oder nochein Spielchen machen?«

Stuckey Folus nieste.»Ich muß mich irgendwie erkältet haben«,

erwiderte er zusammenhanglos und wandtesich dem Ausgang zu. Thow Tanza folgte

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ihm wortlos. Vor einem der zahlreichen An-tigravschächte, die zur Arena hinabführten,blieben die beiden Männer stehen. Sie be-fanden sich an Bord des Zirkus-RaumschiffsCOMOTOOMO, das am Rande der StadtTerrakon gelandet war, deren Bevölkerunglebhaftes Interesse an den Darbietungenzeigte.

Stuckey Folus blickte sich um. Sie warenallein auf dem kleinen Vorplatz des Schach-tes, konnten jedoch in mehrere Gänge hin-einsehen, auf denen lebhaftes Treibenherrschte. Unter den Besuchern der Spielhal-len entdeckte Pa den Mann mit dem hauten-gen Anzug erneut. Auch Tanza hatte ihn be-merkt. Er schnaufte und drehte sich um. Miteiner lässigen Bewegung stieg er in denLuftschacht und sank nach unten. Folus glittan ihn heran.

»Du siehst so fröhlich aus«, sagte er spöt-tisch. »Hast du einen triftigen Grund, dichzu ärgern?«

Opa verzog den Mund und hakte die Dau-men in seinen Gürtel. Er hielt es nicht fürnötig, darauf zu antworten.

Folus und Tanza setzten sich in Sessel,die direkt am Rand der Arena standen. Mitweichem Fell überzogene Barrieren trenntensie von anderen Gästen ab.

Stuckey Folus lehnte sich zurück und ent-spannte sich. Er beobachtete die Vorberei-tungsarbeiten von Personal und Roboternund lauschte der Musik, die bewußt alter-tümlich war. Er mußte zugeben, daß es denManagern mühelos gelang, eine reizvolleAtmosphäre zu schaffen.

»Hast du ihn jemals gesehen?« fragte derOpa unvermittelt.

Folus schaltete sofort.»Nein. Sollte ich?«»Nein.«Wieder schwieg Thow Tanza. Gelang-

weilt sah er sich um. Die Gesichter der Be-sucher auf der anderen Seite der Arenakonnten sie kaum erkennen. Sie lagen imHalbdunkel und wurden von den riesigenScheinwerfern nicht erfaßt.

Die Vorstellung begann mit einer Dressur

von BarniterAffen. Das Publikum danktemit Lachsalven für jeden Gag. Opa schiensich jedoch zu langweilen. Er sah kaum ein-mal zu den gescheckten Tieren hinüber, son-dern neigte sich zu Folus hin und sagte: »Erheißt Stuff Hallon. Raubtierbändiger.«

Er schnaufte verächtlich und gab damit zuverstehen, daß er vor dieser Zunft keinegroße Hochachtung hatte.

»Ich hatte vor neun Jahren mit ihm zu tun.Er arbeitete für einen besonders feinen Zir-kel, der sein klägliches Ende mir verdankt.Hallon leistete sich einen Mord und ent-wischte. Er weiß, daß ich ihn überführenkann.«

Stuckey Folus blickte Opa kurz an. Erkannte Tanza gut genug, um sofort erkennenzu können, daß dieser äußerst besorgt war.Natürlich mußten sie immer wieder damitrechnen, Gegnern zu begegnen, die sie iden-tifizieren konnten.

Die Krise war da. Stuff Hallon mußte et-was unternehmen, wenn er nicht für einenMord zur Rechenschaft gezogen werdenwollte. Er befand sich an Bord der COMO-TOOMO auf exterritorialem Boden. Die Ge-richte von Terrakon konnten ihn nicht belan-gen. Aber das war keine Gewähr für ihn, daßihm nichts geschehen würde. Er befand sichnur in einer theoretischen Sicherheit, solan-ge Tanza lebte. Erst wenn der Zeuge seinerTat tot war, konnte er aufatmen.

Stuckey Folus tastete unbehaglich nachseinem Energiestrahler, einer flachen Waffe,die er unter seiner Kleidung verbergen konn-te.

»Er wird nicht tatenlos bleiben«, sagte er.»Natürlich nicht.«»Du weißt schon, was er versuchen

wird?« fragte Pa beunruhigt.Tanza nickte unmerklich.»Ich denke, er wird eines seiner Tierchen

auf uns hetzen«, entgegnete er. »Wir sitzenauf dem denkbar besten Platz – aus seinerSicht. Ein kleiner Unfall würde seine Pro-bleme lösen.«

Eine Fliege setzte sich auf Tanzas Kinn.Opa näherte sich ihr vorsichtig mit der offe-

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nen Hand. Obwohl er blitzschnell zupackte,entkam sie seinem Griff. Sie flog zweimalum seinen Kopf herum und ließ sich dannerneut auf der Kinnspitze nieder.

»Ich könnte es mit einem Kinnhaken ver-suchen, Opa«, sagte Folus grinsend.»Vielleicht schaffe ich es damit.«

»Eine gute Idee«, antwortete Tanza knur-rig. »Wir werden diese Methode zuerst beidir ausprobieren.«

Wieder schnellte seine Hand hoch, undabermals entkam das Insekt. Das Surren sei-ner Flügel klang Tanza wie Hohn in den Oh-ren.

*

25. 9.2842 (Erdzeit) Quint-Center.

Das Blatt glitt knisternd durch die Fingervon Nancy Chessare. Bevor es ihr ganz ent-gleiten konnte, hielt sie es fest. Der Ast, andem es hing, spannte sich, und eine Kreuz-spinne flüchtete erschreckt aus dem Zentrumihres Netzes, das sie nur wenige Blätter wei-ter errichtet hatte.

»Nanu? So nachdenklich?« fragte einedunkle Stimme.

»Ma« schreckte aus ihren Gedanken hoch.Sie blickte auf und drehte sich dabei halbum. Hinter ihr stand ein untersetzter, dunkel-haariger Mann. Er hatte ein hartes, fast bru-tal wirkendes Gesicht mit dunklen, wachenAugen.

»Nancy, als verträumtes Mädchen inmit-ten der künstlichen Pracht des Erho-lungscenters dieser schönen Hohlwelt«, fuhrder Dunkle spöttisch fort. »Das fasziniertmich so an Ihnen. Sie geben mir immer neueRätsel auf.«

Nancy Chessare ließ das Blatt fahren. Sieging über den Rasen zu einem kleinenTeich.

»Was gibt es, Dr. Hurton?« erkundigte siesich mit eisiger Stimme. »Sind Sie zufällighier, oder haben Sie mir etwas Neues mitzu-teilen?«

Er lachte leise.»Wo Sie sind, bin ich niemals zufällig.

Sie sind Grund genug für mich, in Ihrer Nä-he zu erscheinen.«

»Ich fühle mich geschmeichelt«, erwider-te sie in einem Ton, der klar erkennen ließ,wie wenig ihr seine Worte gefielen. Sie setz-te sich auf eine Bank und beobachtete dietropischen Fische in dem Gewässer. Dr. AlfHurton schien für sie nicht mehr vorhandenzu sein. Der Abteilungsleiter für kosmischeBiokybernetik schien jedoch kein Ohr für sodeutliche Zwischentöne zu haben. Mit sicht-lichem Wohlgefallen betrachtete er die rot-haarige Frau, die nicht nur in seinen Augenals ausgesprochene Schönheit galt. NancyChessare trug eine leichte Bluse und knappsitzende Hosen, die ihre aufregend weibli-chen Formen sehr klar zur Geltung brachten.Das rotblonde Haar fiel ihr offen auf dieSchultern.

Als Hurton noch immer schwieg, wandtesie ihm das Gesicht zu und blickte ihn fra-gend an.

»Würden Sie mir sagen, weshalb Sie ge-kommen sind?«

»Habe ich das nicht schon?«Wieder funkelten seine Augen spöttisch,

und sein Mund verzog sich in einer Weise,die ihr nicht gefiel. Alf Hurton gehörte zujenen Männern, die von ihrer männlichenÜberlegenheit gar zu sehr überzeugt waren.

Ma krauste die Stirn.»Haben Sie das? Ich erinnere mich nicht.

Könnten Sie's noch einmal wiederholen?«»Aber sicher doch, Nancy. Ich sprach von

Ihrem Liebreiz und Ihrem Charme, der michimmer wieder gefangenhält. Ich möchte …«

Sie stand auf, nickte ihm zu und entgeg-nete: »Ich komme zurück, wenn Sie wiederbei Verstand sind.«

Er grinste und beobachtete gelassen, wiesie am Ufer des Teiches auf eine Tannen-gruppe zuging. Das Erholungsgebiet bot ei-ne Reihe von natürlichen Landschaften, wieman sie auf der Erde vorfinden konnte.28.444 Lichtjahre von dem Heimatplanetenentfernt war eine Oase entstanden, in der

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sich die Mitarbeiter von Quint-Center fürkurze Zeit der Illusion hingeben konnten,auf Terra zu sein. Ein blauer Himmel spann-te sich über den Bäumen und Büschen, undeine künstliche Sonne spendete belebendeWärme.

Dr. Hurton ging der Spezialistin nach. Siesaß auf einem Felsbrocken, der zwischenden Tannen auf einem Heidehügel lag.

»Ich finde, der Wind fehlt«, sagte der Ky-bernetiker. »Aber natürlich kann man nichteinfach alles durcheinander pusten, weilsonst ein ziemlicher Pflanzenwirrwarr ent-stehen würde.«

Sie verschränkte die Arme vor der Brust.»Sie wissen es immer noch nicht?« fragte

er.»Nein«, erwiderte sie gereizt. »Ich weiß

immer noch nicht, weshalb Sie mich verfol-gen. Falls Sie vorhaben sollten, mich zu ei-nem Barbummel einzuladen, muß ich Ihnensagen …«

»Ich fürchte, den Termin würden Sie auchverpassen«, unterbrach er sie.

Sie blickte ihn betroffen an.»Ach, du meine Güte«, sagte sie. »Das

habe ich vollkommen verschwitzt. Wir woll-ten uns um 14.30 Uhr in Ihrem Büro tref-fen.«

»Und jetzt ist es 15.00 Uhr. Aber dasmacht nichts. Unpünktlichkeit ist das Vor-recht der Weiblichkeit, nicht wahr?«

»Es tut mir leid, Dr. Hurton.«»Ich war keineswegs überrascht, als Sie

nicht bei mir erschienen. Noch niemals habeich erlebt, daß eine weibliche …«

»Ich habe mich entschuldigt. Können wirjetzt zur Sache kommen? Haben Sie etwasWichtiges herausfinden können?«

Jetzt war er verärgert, aber er akzeptierte,daß sie nicht länger auf seine Scherze einge-hen wollte.

»Wir haben mit den Untersuchungen desMaterials begonnen, das Sie uns mitgebrachthaben«, erklärte er kühl. »Bis jetzt steht be-reits eindeutig fest, daß es sich bei den Pro-toplasmakügelchen nicht um Katschkaritshandelt.«

»Also sind es keine Speichererbsen«,stellte sie fest, »aber was sind diese Gallert-kugeln dann?«

»Wir wissen es noch nicht«, sagte Hurton.Nancy Chessare hatte die Überreste des

Androiden Algo mit den darin enthaltenenGallertkügelchen nach Quint-Center ge-bracht, um sie hier analysieren zu lassen.

»Wir haben den Eindruck, daß es sich umTeilstücke eines großen Zellverbandes han-delt«, fügte der Biokybernetiker vorsichtighinzu. »Aber darüber können wir nochnichts sagen. Wir stehen vor einem Rätsel.«

Nancy nickte. Man wußte eigentlich nur,daß sich Menschen mit Hilfe dieser Gallert-kügelchen lenken ließen. Mit ihnen gelanges einer unbekannten Rasse, Menschen voll-kommen unter ihre Kontrolle zu bringen undsie Dinge tun zu lassen, vor denen sie sonstzurückschrecken würden.

»Wir müssen es bald herausfinden, Dr.Hurton«, sagte Nancy betont. »Viel Zeit ha-ben wir nicht mehr. Was geschieht, wenn eswirklich eine Stunde X gibt, in der alle mitGallertkügelchen verseuchten Lebewesen inder Galaxis gemeinsam losschlagen? Siekönnten das Chaos über uns hereinbringen.«

»Ich möchte gern in die Labors gehen.Kommen Sie mit?«

»Ich wüßte nicht, an wessen Seite ich lie-ber durch diese liebliche Landschaft schrei-ten würde.«

Sie warf ihm einen kurzen Blick zu.»Sie können es wohl nicht lassen, wie?«»Da haben Sie natürlich vollkommen

recht.«Sie lachten beide.Wenig später betraten sie den Labortrakt

von Quint-Center. Hier kannte Dr. Hurtonsich bestens aus. Er führte die Spezialistinzielstrebig zu seiner Abteilung und betratschließlich einen sorgfältig abgeschirmtenArbeitsraum, in dem ein hohlwangigerTechniker an einer Versuchsreihe arbeitete.Er erhob sich und begrüßte Nancy.

»Wir haben bereits alles vorbereitet«, sag-te er und führte sie zu einem Tisch, auf demin mehreren Schälchen verschiedene Nähr-

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böden aufbewahrt wurden.»Gut«, lobte Nancy. »Dann geben Sie zu-

nächst fünf Gallertkugeln auf die NährbödenA bis E.«

»Was versprechen Sie sich davon?« fragteder Techniker.

»Das kann ich noch nicht einmal eindeu-tig beantworten, Mr. Perkins«, gab Ma offenzu. »Ich hoffe einfach, auf diese Weise mehrüber diese Kügelchen erfahren zu können.Die Reaktion auf die Nährböden wird unshoffentlich weitere Aufschlüsse über Auf-bau, Herkunft, Aufgabe und das Maß an Ei-genständigkeit geben.«

»Eigenständigkeit?« wiederholte Perkins.Er schüttelte den Kopf. »Tut mir leid. Ichkann mir nicht vorstellen, daß diese Dingerleben.«

»Das hat auch – vorläufig – noch niemandbehauptet«, sagte Alf Hurton. »Ich würdemich hüten, das Wort ›leben‹ in diesem Zu-sammenhang zu benutzen.«

Nancy Chessare beugte sich über dieSchälchen, als Perkins die Kugeln in die Lö-sungen gelegt hatte. Sie versuchte, Verände-rungen zu erkennen, aber nichts geschah.

»Ich glaube, Sie sind zu ungeduldig«, er-klärte Hurton.

»Vielleicht«, erwiderte sie, ohne sich auf-zurichten. »Ich möchte zunächst nur wissen,ob es sofort eine Reaktion gibt oder nicht.«

Sie blickte starr auf eine Kugel. Verände-rungen waren nicht festzustellen.

»Offensichtlich ist das nicht der Fall.«Nancy griff nach einem Vergrößerungsge-

rät und schwenkte es über die Schälchen. Siejustierte es, bis eine der Kugeln in Fußball-größe auf dem Bildschirm aufleuchtete.Auch die beiden Männer betrachteten dasgestochen scharfe Bild.

»Nichts«, stellte Perkins nach etwa fünfMinuten fest. »Es reagiert nicht auf die Lö-sung.«

Nancy untersuchte auch die anderenSchälchen, ohne eine Veränderung feststel-len zu können.

»Vielleicht passiert überhaupt nichts«,sagte sie und erhob sich, »oder es ist einfach

zu früh für Beobachtungen. Warten wir docherst einmal ab. Dr. Hurton – wollten Siemich nicht zu einem Drink einladen, oderhatte ich Sie falsch verstanden?«

»Ich mag Frauen nicht, die trinken«, ant-wortete er knurrig.

»Das war wohl ein Mißverständnis, Alf.Ich habe Sie nicht gebeten, mich zu heiraten,sondern mir einen Drink zu spendieren.Wenn Ihnen das zu teuer ist, wird Mr. Per-kins vielleicht …«

»Aber selbstverständlich, Miß Chessare«,sagte der Techniker hastig.

Dr. Alf Hurton gab ihm mit einer energi-schen Geste zu verstehen, daß dieses Ange-bot unpassend war.

»Sie kümmern sich gefälligst um Ihre Ar-beit«, befahl er grob. »Wenn Nancy und ichauf unsere Weise flirten, dann sollte ein jun-ger Bursche wie Sie sich taktvoll zurückzie-hen.«

Perkins grinste.»Miß Chessare – wenn Sie in die Bar ge-

hen, möchte ich Ihnen einen Reginald-Bull-Flipp empfehlen. Das ist der teuersteDrink, den Sie bestellen können.«

Hurton brummte etwas in seinen Bart.Finster blickte er den Techniker an, der sichjedoch keineswegs beeindruckt zeigte.

»Danke für den Tip«, sagte Nancy. Siehakte sich bei Dr. Hurton unter und ging mitihm hinaus.

Perkins wandte sich einem Serienversuchzu, an dem er schon vorher gearbeitet hatte.Die Gallertkugeln beachtete er nicht. Da sievorher keine Reaktion gezeigt hatten, erwar-tete er auch jetzt von ihnen keine Überra-schung.

Nancy Chessare und Alf Hurton hattendas Labor gerade zwei Minuten verlassen,als eine der Kugeln sich durch explosiveZellteilung schlagartig vergrößerte.

Perkins machte Notizen. Die Serie verliefso, wie er es berechnet hatte. Er wußte, wasdas bedeutete. Damit konnte er dem Spezia-listen Koff Hurlisch einen schlagkräftigenBeweis für einen bisher nur vagen Verdachtliefern. Mit Hilfe der Versuchsserie wurde

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ein Attentäter praktisch entlarvt. Diese Tat-sache versetzte Perkins in eine gewisse Erre-gung, die ihn an seine Arbeit fesselte.

So bemerkte er auch nicht, daß sich dieGallertkugeln nach einigen weiteren Minu-ten abermals schlagartig vergrößerten. Hin-ter seinem Rücken begann ein unheimlichesGeschehen.

Unter einem der Bildgeräte leuchtete einLicht auf. Er schaltete den Apparat ein. Aufdem Bildschirm erschien das Gesicht einesihm gut bekannten Spezialisten. Sie begrüß-ten sich freundschaftlich.

»Ich habe leider keine Zeit«, sagte derAnrufer. »Vielleicht können wir heute abendmehr miteinander reden. Jetzt benötige ichvor allem eine schnelle Auskunft.«

Perkins nickte.»Frage nur. Was gibt es?«Ein Gespräch entwickelte sich, in dem der

Techniker dem Spezialisten biogenetischschwierige Zusammenhänge erläuterte.Nach etwa fünf Minuten schaltete Perkinsab. Er benötigte einige Sekunden, sich wie-der auf die Versuchsserie zu konzentrierenund kam dabei gar nicht auf den Gedanken,nach den Gallertkügelchen zu sehen.

Hinter ihm war ein faustgroßes Gebildeentstanden, das pulsierend in der Schale lag.

Als Perkins sich einige Notizen machte,verdoppelte es sich abermals. Es schob sichüber den Rand der Schale hinaus und nahmeine fladenförmige Gestalt an. Suchend glittes auf dem Labortisch hin und her, als könnees sich noch nicht für eine Richtung ent-scheiden. Dann schien es so, als habe es denMenschen entdeckt. Seltsame Wellen liefendurch seinen Körper. Dann rutschte es biszur Tischkante vor und ließ dabei einefeuchte, schleimige Spur hinter sich zurück.Ein Teil des Körpers schob sich über dieKante hinaus, stellte dann fest, daß es waa-gerecht nicht mehr weiterkam. Langsam bogsich der Rand nach unten, bis er wiederKontakt mit dem festen Material des Tischesbekam. Dann sank der Fladen an der Senk-rechten bis auf den Boden hinab.

Lautlos glitt das Ding über den Boden auf

den Fuß des Technikers zu. Es erreichte ihnund stieß gegen das Porossitmaterial seinesSchuhs. Für einen kurzen Moment schien esso, als werde es davon abgestoßen und zu-rückgetrieben. Dann aber floß das Ding amSchuh hoch und erreichte den Strumpf. Ob-wohl es dabei die Synthetikwolle durchnäß-te, merkte Perkins noch immer nicht, wasgeschah. So verschwand es pulsierend inseinem Hosenbein.

Der Techniker reagierte erst, als der Fla-den seine nackte Haut berührte.

Unwillkürlich griff er nach seinem Bein.Dann erschrak er heftig, fuhr mit seinemRollstuhl zurück und blickte auf den Boden.Er sprang auf. Seine Arme streckten sichaus.

Perkins sah die Schleimspur auf dem Bo-den, die genau bis zu seinen Füßen führte.Die Augen traten ihm aus dem Kopf, undsein Gesicht verzerrte sich. Dann stürzte erlautlos zu Boden, ohne den Alarmknopf aufseinem Arbeitstisch noch erreichen zu kön-nen.

2.

Von diesem Drama in Quint-Center ahn-ten Stuckey Folus und Thow Tanza nichts,als sie auf Smogoon II die Darbietungen derArtisten in der COMOTOOMO verfolgten.Sie waren hier, weil sie ermittelt hatten, daßein Teil der Zirkusmitglieder für eine unbe-kannte Macht tätig war. Sie benutzten diefür diese Unternehmen eingesetzten Andro-iden als unauffälliges Transportmittel vonpräparierten Körperteilen und Organen, indenen sich die Gallertkügelchen verbargen.

»Pa« und »Opa« hatten ihre Nachfor-schungen auf die drei Schiffe ORBAGMANTEY, TERKMAS und COMOTOO-MO konzentriert. Die ORBAG MANTEYwar spurlos verschwunden, und die TERK-MAS war vernichtet worden. So blieb alsvorläufig letzte Hoffnung, das Rätsel zu lö-sen, die COMOTOOMO.

Zwei Stunden lang verfolgten die beidenSpezialisten die Vorstellung, wobei sie meh-

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rere Artisten erlebten, denen es gelang, dieZuschauer in ihren Bann zu schlagen.

»Ich muß zugeben, selten eine so gut or-ganisierte und überzeugende Show gesehenzu haben«, sage Stuckey Folus.

Thow Tanza knurrte Unverständliches.Wieder schnellte seine Hand hoch und ver-suchte, die Fliege auf seiner Kinnspitze zupacken. Pa grinste.

»Dieses Hochplateau bietet so hervorra-gende Startmöglichkeiten, daß du es niemalsschaffen wirst«, stellte er fest.

»Abwarten«, entgegnete Opa mürrisch. Insich zusammengesunken und scheinbar völ-lig interessenlos lag er in seinem Sessel, alsdie Programmtafel »Aramore und seineKauß« ankündigte. Tanza blinzelte Pa zu.

»Das könnte er sein«, sagte er leise.»Aufpassen jetzt.«

Unmittelbar vor ihnen entstand eineschimmernde, durchsichtige Wand. Einenergetisches Prallfeld umspannte die Arenawie eine Halbkugel.

Folus blickte sich forschend um. Er schüt-telte den Kopf.

»Wenn er nicht gerade einen ganz üblenTrick auf Lager hat, brauchen wir nichts zubefürchten. Aus diesem Käfig kommt keinRaubtier heraus.«

»Abwarten«, empfahl Opa abermals. Erlag wieder so tief in seinem Sessel, als habeer vor, ein wenig zu schlafen. Er richtetesich auch nicht auf, als Stuff Hallon, derMann, dem sie im Spielsalon begegnet wa-ren, in die Arena kam. Der Dompteur trugeinen silbrig glänzenden Anzug mit einemleuchtenden Schlangensymbol auf Brust undRücken. In der Hand hielt er eine Metallpeit-sche, mit der er sich nervös gegen die Wadeschlug. Unruhig sah er sich nach seinem As-sistenten um, der wenig später in einemweinroten schlichten Anzug folgte.

Stuckey Folus musterte diesen Mann in-teressiert. Er kam ihm gefährlicher vor alsHallon. Sein Gesicht war von der Sonne tiefgebräunt. Seine Augen standen eng beiein-ander.

Die Scheinwerfer verlöschten. Nur noch

die Arena lag im hellen Licht. Jetzt war dieschimmernde Glocke deutlich auszumachen.Folus und Tanza gegenüber bildete sich einTunnel aus Energie. Auf ihn richtete sich eineinzelner Scheinwerfer mit blutigrotemLicht. Zugleich setzte eine Musik ein, diedie Spannung schürte.

Die Kauß kamen.Mit schweren, langsamen Flügelschlägen

glitten die Schlangen in das Rund. Ihregroßen Augen glänzten wie Rubine, und diegelben Barthaare wehten um ihre ausladen-den Kinnladen. Die weißen Fühler bogensich suchend zu den beiden Männern hin-über. Geschmeidig wanden sich die etwasieben Meter langen Schlangenkörper, die inweißen Federflossen ausliefen. Sie schienenauf einer unsichtbaren, festen Unterlage zugleiten.

»Prachtexemplare«, gab Thow Tanza zu.Er richtete sich ein wenig höher auf, und

seine Augen glänzten. Stuckey Folus wußte,daß er viel mit Kauß-Schlangen zu tun ge-habt hatte. Er war lange Jahre auf Venta IVgewesen. Dort hatte er USO-Spezialisten inden unerschlossenen Dschungeln im Überle-benstraining geschult. Er lauschte dem Rau-schen der weißen Flügel.

»Jede klingt anders«, behauptete er.Stuckey Folus versuchte, ebenfalls Unter-

schiede herauszufinden, doch es gelang ihmnicht.

Eine atemlose Stille herrschte im Zirkus.Das Publikum starrte fasziniert auf diemächtigen Raubtiere, denen man nachsagte,der Mensch sei ihre liebste Beute.

Stuff Hallon und sein Assistent verfolgtenin gespannter Haltung den Flug der Bestienum die Arena, während eine kühle Stimmeeinige Daten über die Kauß bekanntgab.Daß der unsichtbare Sprecher dabei auf jedeSensationsmache verzichtete, erhöhte dieErregung der Zuschauer mehr, als wenn erSchauermärchen erzählt hätte.

»Aramore wird jetzt beweisen, daß erHerr über die Kauß ist«, schloß der Kom-mentator und bat noch einmal um absoluteRuhe.

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»Wenn er versucht, uns mit diesen Tier-chen zu kommen, bringt er sich selbst um«,sagte Tanza flüsternd.

»Du meinst, es wird keine Lücke im Ener-gieschirm geben?« Folus deutete auf dasPrallfeld vor sich. Tanza schüttelte denKopf.

»Nein«, erklärte er. »Hallon könnte seineWürmchen dann nicht mehr halten.«

Mehrere Geräte glitten auf Antigravfel-dern in die Arena. Offensichtlich sollten dieSchlangen an ihnen arbeiten.

»Er ist nervös«, stellte Pa fest.»Ja – er hat mich gerade entdeckt.«Jetzt bemerkte auch Folus, daß der Domp-

teur unruhig zu ihnen herübersah. Er schiennicht damit gerechnet zu haben, sie hier inseiner unmittelbaren Nähe vorzufinden.

»Hoffentlich läßt er sich nicht noch mehrablenken«, wisperte Opa. »Der Weißkopfwird schon nervös.«

Folus ließ sich die Schlange zeigen, dieOpa meinte. Er konnte keinen Unterschiedzu den anderen Tieren feststellen, aber erwußte, daß Tanza es konnte. Jetzt schienauch »Aramore« gemerkt zu haben, daß et-was nicht so war, wie es sein sollte. Er kon-zentrierte sich auf die weißköpfige Schlangeund richtete seine Peitsche auf sie. Mit ei-nem scharfen Zuruf wollte er sie zur Diszi-plin zwingen.

Thow Tanza ruckte hoch. Er atmete hör-bar ein und hielt die Luft an. Unwillkürlichzuckte auch Pa zusammen.

»Das geht nicht gut«, sagte Opa stöhnend.Im nächsten Augenblick geschah es.Der weißköpfige Kauß legte die Flügel an

den Körper und stürzte fast senkrecht zu Bo-den. Bevor er jedoch aufschlagen konnte,breitete er die Flügel wieder aus und schoßwie ein Blitz auf Stuff Hallon zu. Dabeistieß er einen durchdringenden Schrei aus.Der Assistent griff nach seinem Paralysator,während Aramore noch nicht aufgeben woll-te. Er versuchte, die Attacke mit der Peit-sche abzuwehren.

Der Kauß richtete sich kerzengerade vorihm auf. Der gefiederte Schwanz schnellte

nach vorn und schlug den Dompteur zu Bo-den. Im nächsten Moment stieß der Kopfnach unten, und die blitzenden Giftzähnebissen zu. Ein fürchterlicher Schrei verkün-dete das Ende Stuff Hallons, während einchaotisches Durcheinander in der Arena ent-stand. Die anderen Schlangen warfen sichebenfalls auf Aramore. Einige hatten es aufden Assistenten abgesehen, doch dieser be-täubte eine nach der anderen mit seinem Pa-ralysator, bevor er von einem Fesselfeld ge-packt und aus der Arena herausgerissen wur-de. Gleichzeitig verlöschten die Scheinwer-fer.

Nur Sekunden vergingen, dann flammtendie Lichter wieder auf. Die Arena war leer.Nur einige Blutstropfen verkündeten nochvon dem Drama, das sich ereignet hatte. Ei-ne Horde bunt gekleideter Mädchen stürmtelachend und kreischend herein und veran-staltete einen tänzerischen Wirbel, der dasPublikum vergessen lassen sollte, was ge-schehen war.

»Mir wird schlecht«, sagte Thow Tanza.»Kommt. Wir gehn.«

*

Der Gleiter raste durch die Nacht.Stuckey Folus lenkte ihn stets so niedrig

wie möglich über die Hügel und Wälder vonSmogoon II hinweg.

»Wie weit?« fragte Opa.»Dreihundert Kilometer liegt Terrakon

jetzt hinter uns. Das sollte reichen. Er mußhier irgendwo sein.«

»Kannst du schon etwas sehen?«»Noch nicht.«Pas Hand glitt über die Instrumente des

Gleiters. Sie wollten sich noch einmal miteinem Kontaktmann der GERAKINI, mitder sie nach Smogoon II gekommen waren,treffen. Erst vor etwa zwanzig Stunden hat-ten sie das Schiff mit einem Beiboot verlas-sen und waren in einem unerschlossenenTeil des Nordkontinents gelandet. »Da istes!«

Pa deutete auf einen grünen Punkt auf ei-

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nem der Ortungsschirme. Er lenkte denGleiter nach Süden, bis er die Umrisse einesBeiboots zwischen zwei Hügeln erkennenkonnte. Er gab den Funkimpuls, mit dem siesich identifizierten. Dann setzte er die Ma-schine ins Gras ab. Er stieg aus, währendThow Tanza noch auf seinem Platz sitzenblieb. Für einen Nichtinformierten war nichtauszumachen, ob das Flugzeug mit einemoder zwei Mann besetzt war.

Aus dem Dunkel tauchte eine kleine Ge-stalt auf.

»Hallo, Pa«, sagte sie mit heller Stimme.»Sie sind ein paar Minuten über die Zeit.«

»Das ist meine besondere Note«, entgeg-nete er. Damit war für beide klar, daß allesin Ordnung war. Jetzt verließ auch Opa denGleiter. Die Schleuse des Beiboots glitt auf.

»Nach Ihnen, Ira«, sagte Pa.In der Kammer brannte kein Licht. Man

wollte niemanden, der sich zufällig in derNähe befand, aufmerksam machen. Als dieInnenschotte sich öffneten, konnten die bei-den Männer das blonde Mädchen jedoch gutsehen, das sie erwartet hatte. Ira war kleinund trug einige Pfunde zuviel mit sich her-um, doch sie schien sich dabei wohl zu füh-len. Geschäftig eilte sie Opa und Pa vorausund öffnete ihnen das Schott zur Zentrale,wo sie einige kleine Erfrischungen für sievorbereitet hatte. Folus und Tanza setztensich. Während Pa sich bediente, wies Tanzadas Angebot zurück.

»Wir haben etwas anderes zu tun, als unsden Leib vollzuschlagen«, sagte er.

»Es wäre schade, das Fleisch und denWein umkommen zu lassen«, bemerkte Iralächelnd. »Ich werde nehmen, was Sie nichtwollen.«

»Schlagen Sie sich ruhig voll«, sagte Opabrummig. »Wenn Sie sich jetzt noch nichtzu dick vorkommen, wird das bißchen ihreFigur auch nicht mehr ruinieren können.«

»Danke«, erwiderte sie fröhlich. »Mirschmeckt's trotzdem. Außerdem habe icheinen Partner, der pummelige Frauen liebt.«

Thow Tanza ging mit keiner Bemerkungauf diese Worte ein, sondern steuerte sofort

sein Ziel an. Er wollte möglichst schnellüber die ersten Eindrücke und Erlebnisse be-richten.

»Irgend etwas scheint mit der COMO-TOOMO nicht in Ordnung zu sein«, sagteer. »Wir vermuten, daß sie Schwierigkeitenmit der Hyperfunkanlage hat.«

»Dann hätten die Warnsignale der OR-BAG MANTEY diesen Zirkus noch garnicht erreicht?« fragte Ira.

»Anzunehmen«, erklärte Thow Tanza un-willig, weil sie diese in seinen Augen offen-sichtlich so selbstverständliche Schlußfolge-rung überhaupt noch erwähnte. Ira lächelteund nahm noch einen Bissen Fleisch.

»Der Zirkus gastiert also noch«, fuhrStuckey Folus fort. Opa lehnte sich zurückund starrte griesgrämig ins Leere.

»Ein offener Angriff kommt nicht in Fra-ge«, sagte Pa. »Wir wollen nicht noch ein-mal Zwischenfälle wie bei der TERKMASriskieren, denn wir haben nichts davon,wenn die COMOTOOMO zerstört wird. Wirgingen von der Voraussetzung aus, daß unshier niemand kennt. Das war jedoch nichtganz richtig. Ein Dompteur, der inzwischenbei einem Unfall ums Leben kam, kannteOpa. Bis jetzt wissen wir nicht, ob er andereinformiert hat, aber wir nehmen es nichtan.«

»Stuff Hallon hatte zumindest keine Ah-nung davon, daß wir für die USO tätigsind«, fügte Opa hinzu.

»Haben Sie gesehen, ob auch bei diesemZirkus Androiden eingesetzt werden?«

»Mit Sicherheit«, antwortete Pa. »Es sindAndroiden dabei.«

»Dann scheint die Spur richtig zu sein«,stellte Ira fest. Sie trank das Weinglas ausund fuhr sich mit der Zungenspitze über dieLippen. »Und was passiert jetzt?«

»Wir werden versuchen, Arbeit beim Zir-kus zu bekommen. Opa wird als Clown ar-beiten, weil er von Natur aus immer so lu-stig ist. Was ich mache, weiß ich nochnicht.«

Ira lächelte, und Thow Tanza blickte nochfinsterer drein, als zuvor.

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»Damit haben Sie die Basisinformationerhalten, die Sie benötigen«, schloß Folus.»Mehr können wir Ihnen zur Zeit noch nichtgeben. Kehren Sie jetzt auf die GERAKINIzurück.«

»Okay«, stimmte Ira zu und warf einenBlick auf die Weinflasche und den Kuchen.Stuckey Folus schob ihr beides zu.

»Nehmen Sie nur«, sagte er.»Sie haben jetzt schon ein Doppelkinn

und pralle Hüften«, stellte Thow Tanza fest.»Sie sollten sich zusammennehmen.«

»Lieber dick und fröhlich, als dürr undgrantig«, erwiderte sie.

»Wir gehen, Pa«, entschied Opa und standruckartig auf.

Stuckey Folus verabschiedete sich.»Machen Sie sich nichts draus, Ira«, sagte

er. »Wenn Sie gertenschlank wären, würdeer auch maulen.«

»Keine Sorge«, erwiderte sie mit vollemMund. »Ich habe nicht die Absicht, es ihmrecht zu machen. Passen Sie gut auf sichauf.«

Minuten später flog der Gleiter wieder inRichtung Terrakon. Diese Niederlassungzählte 280.000 Einwohner und bildete denMittelpunkt eines interessanten Experi-ments. Auf Betreiben Atlans wurde hier einegemeinsame Kolonie von Terranern undNeu-Arkoniden aufgebaut. Etwa ein Drittelder Bewohner waren Neu-Arkoniden. Schonin den ersten Stunden ihrer Anwesenheit inTerrakon hatten Opa und Pa gespürt, daßman hier harmonisch zusammenlebte.

*

Niemand hinderte sie am nächsten Tagdaran, die COMOTOOMO zu betreten. Esgab nur einen Eingang, der offen war, unddurch ihn konnten die Besucher nur zu denSpielsälen kommen.

Stuckey Folus und Thow Tanza bliebenkurz vor dem Vergnügungstrakt stehen, alssie einen Mann in einer Phantasieuniformsahen.

»He, Sie«, sagte Tanza. »Wo finde ich

den Boß?«»Willst du hier jobben, Alter?«Opa tat, als habe er die respektlosen Wor-

te überhört.»Also?« fragte er schneidend.Der Uniformierte ging auf ein Schott zu

und öffnete es mit einem Spezialschlüssel.»Immer den Gang entlang.«Wortlos befolgten die beiden Männer den

Rat. Sie kamen nach etwa fünfzig Metern zueinem weiteren Schott, das sich automatischvor ihnen öffnete. Von einem quadratischenRaum zweigten drei Türen ab. Auf einer vonihnen stand: »Bewerbungen«.

Die beiden Spezialisten traten ein.Hinter einem Schreibtisch saß ein Terra-

ner, der sie forschend anblickte. Er sah auswie ein verstaubter Bücherwurm und paßtenicht in ein so modernes Gebilde wie diesesRaumschiff. Das graue Gesicht war so un-scheinbar, daß es schwer war, es sich einzu-prägen. Vor ihm flimmerten einige Bild-schirme. Auf ihnen sah Folus den Gang,über den sie gekommen waren.

»Was wollen Sie?« fragte er, wobei er ineinem Buch einige Notizen machte. Erblickte nur einmal kurz auf, um die beidenBesucher flüchtig zu betrachten.

»Einen Job«, antwortete Thow Tanza.»Natürlich. Weshalb wären Sie sonst

wohl hier? Welchen?«»Ich habe gestern abend beobachtet, wie

Aramore starb. Wenn Sie diese Nummernoch bringen wollen, brauchen Sie einenneuen Mann.«

Jetzt legte der Graue seinen Stift zur Sei-te, lehnte sich in seinem Sessel zurück undmusterte Opa scharf. Plötzlich zeichnetensich markante Züge in dem bisher so un-scheinbaren Gesicht ab. Pa erkannte, daß dasbisherige Gehabe nur Maske war, hinter dersich ein beweglicher Geist verbarg.

»Setzen Sie sich«, sagte der Personalchefder COMOTOOMO. »Mein Name istBusch. Sie sind an der richtigen Adresse.Wer sind Sie?«

Die beiden Männer stellten sich unter ih-ren Namen vor. Sie konnten damit rechnen,

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daß sie hier völlig unbekannt waren. Trafdas jedoch nicht zu, weil Stuff Hallon vorseinem Tod noch etwas über Opa verratenhatte, dann war es besser, wenn sich keineWidersprüche ergaben.

»Ich kenne mich mit den Kauß bestensaus«, behauptete Tanza. »Deshalb habe ichdas Unglück gestern auch vorhergesehen.Aramore war nervös und ängstlich. Er hatdie Tiere verrückt gemacht. Es war keinWunder, daß Weißkopf über ihn herfiel undihn tötete.«

Mit diesen wenigen Worten verriet er demPersonalchef, daß er tatsächlich mehr vonden Kauß verstand als andere.

»Wir können über ein Engagement re-den«, sagte Busch. »Tatsächlich brauchenwir jemanden, der mit diesen Tieren umge-hen kann. Sie müssen uns aber erst einmalbeweisen, daß Sie das wirklich können, be-vor wir einen Vertrag machen. Haben Sie et-was gegen einen Test einzuwenden?«

»Das kommt darauf an«, erwiderte Tanzavorsichtig.

»Die Schlangen sind noch immer hoch-gradig nervös. Bis jetzt haben sie jede Nah-rung verweigert. Der Assistent von Aramorewird mit ihnen nicht fertig. Wir werden dieKauß töten müssen, wenn nicht etwas ge-schieht.«

Thow Tanza erhob sich.»Okay«, sagte er. »Worauf warten wir

noch?«Der Personalchef stand ebenfalls auf.»Gut«, sagte er. »Sie werden Ihre Chance

haben.«Er führte sie durch eine andere Tür aus

dem Raum. Sie durchquerten mehrere Bü-ros, in denen junge Mädchen arbeiteten, undstiegen dann in einen Antigravschacht, indem sie etwa einhundert Meter nach untenschwebten. Mit einem Spezialschlüssel öff-nete Busch ein Schott. Dann schlug ihnenheiße und feuchte Luft entgegen. Ein Ge-misch aus stechend scharfen Gerüchen wiesdarauf hin, daß sie sich den Gehegen exoti-scher Tiere näherten.

Der Personalchef hielt sich die Nase zu.

»Ich kann den Gestank nicht ertragen«,erklärte er. »Vermutlich werde ich mich nie-mals daran gewöhnen.«

»Dann haben Sie sich genau den richtigenJob ausgesucht«, antwortete Opa ironisch.

»Meine Aufgabe ist es, Künstler zu enga-gieren, nicht Tiere«, entgegnete Busch er-regt.

Er fuhr ein weiteres Schott auf. Sie kamenauf einen Gang aus Panzerglassitwänden,hinter denen einige Tiere lagen. Pa erkannteKampfkrebse von Oxtorne, Wühlhasen vonAnoplur aus dem NotoneSystem im Blues-Sektor, akkanthosische Tanzkatzen mit grü-nem Schopfhaar und Bartfäden, sowie Mini-Kastas von Nurmo II, die dreibeinigen Heu-schrecken von einem Meter Höhe glichen.Kleine Schilder an den Käfigen wiesen aufdie Herkunft der Tiere hin.

Busch führte sie zu einem kreisrundenVerlies, das einen Durchmesser von etwafünfzig Metern hatte. In diesem Glassitkäfigbewegten sich die Kauß-Schlangen unruhighin und her. Sie glitten über den Boden, wo-bei sie ihre Flügel eng an den Leib preßtenund den Kopf leicht in die Höhe hoben.Selbst ein Laie hätte auf den ersten Blick er-kennen können, daß sie hochgradig erregtwaren.

»Ich bin eigentlich überrascht, daß sienoch nicht übereinander hergefallen sind«,sagte Busch. »Wir hatten einmal einen ähn-lichen Fall. Damals verspeisten die Biesterihren Dompteur beim Training. Sie warendanach so durcheinander, daß wir sie alle tö-ten mußten.«

Er musterte Thow Tanza mit kleinen Au-gen.

»Bisher hatten wir noch keinen Künstler,der länger als sechs Monate überlebte. SindSie verheiratet?«

»Keine Sorge«, antwortete Tanza trocken.»Wenn ich draufgehe, brauchen Sie sich umWitwen und Waisen nicht zu kümmern. Ichhabe bis jetzt auf den Luxus einer Familieverzichtet.«

»Solche Leute sind uns am liebsten«, be-kannte Busch offenherzig. »Sie ahnen gar

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nicht, was für Schwierigkeiten man mit Hin-terbliebenen haben kann.«

»Sie haben's schwer«, sagte Stuckey Fo-lus mitfühlend. »Wie halten Sie das bloßaus?«

Der Assistent von »Aramore« Stuff Hal-lon erschien plötzlich neben ihnen. Keinervon ihnen hatte gesehen, woher er gekom-men war. Mit eisiger Miene starrte er Tanzaan.

»Dafür werden Sie zahlen«, erklärte ermühsam beherrscht. »Sie haben ihn auf demGewissen.«

»Batten – benehmen Sie sich gefälligst.Mr. Tanza ist der neue Chef der Truppe.«

Der Assistent fuhr herum, als habe ihn derSchlag getroffen.

»Sie alter Trottel«, sagte er verächtlich.»Dieser Mensch hat Stuff umgebracht, undSie wollen ihn bei uns arbeiten lassen? Ha-ben Sie den Verstand verloren?«

Pa und Opa blickten sich kurz an. WußteBatten mehr über sie, als gut war? HatteHallon ihm etwas über seine Vergangenheitverraten?

»Ro, nehmen Sie sich zusammen. Wirbrauchen einen neuen Dompteur. Das Ge-schäft geht nun einmal vor.«

»Warum bekomme ich den Job nicht?«Busch deutete auf die Schlangen.»Wenn die Tiere ruhig gewesen wären,

dann hätten Sie vielleicht eine Chance be-kommen, Ro. Sehen Sie sich doch einmalan, was im Käfig los ist. Sie haben die Kaußnicht in Ihrer Gewalt, und Sie werden sieauch in der Arena nicht beherrschen kön-nen.«

»Ich werde Ihnen beweisen, was ichkann.«

Er ging auf eine mit roten Strichen mar-kierte Tür zum Käfig zu. »Wenn Sie hinein-gehen, sind Sie innerhalb von Sekunden eintoter Mann«, erklärte Tanza ruhig.

Ro Batten blieb stehen. Auf seiner Stirnbildete sich Schweiß. Folus sah, daß dieHand, die neben dem Öffnungskontakt lag,leicht zitterte.

»Dafür ist dann eine Schlange satt«, fügte

er hinzu und gähnte. »Die Chancen für Tan-za sind dann um so besser.«

Der Assistent wich zurück. Einen kurzenMoment zögerte er noch, dann drehte er sichum und eilte durch eine andere Tür davon.

»Gehen Sie rein«, befahl der Personalchefund gab Thow Tanza einen entsprechendenWink.

Opa öffnete die Tür zum Käfig.Gelassen betrat er die kleine Sicherheits-

schleuse, die dahinterlag. Die Schlangenwurden aufmerksam. Ihre Unruhe steigertesich noch. Nervös glitten sie vor Tanza hinund her, als könnten sie es gar nicht erwar-ten, daß auch noch die letzte Barriere zwi-schen ihm und ihnen fiel.

Nur Weißkopf hielt sich im Hintergrund.Der Kauß preßte seinen Kopf fest auf denBoden. In dem leicht geöffneten Rachen wardie vielfach gezackte Zunge zu erkennen.Stuckey Folus erschien dieses Tier am ge-fährlichsten. Es schien Opa aus dem Hinter-grund angreifen zu wollen.

Plötzlich kamen ihm Zweifel, ob derFreund wirklich in der Lage war, diese Be-stien zu beherrschen. Hatte er sich nichtdoch ein wenig zuviel vorgenommen?

»Los doch«, schrie Busch. »Nun gehenSie endlich zu den Tierchen, Tanza!«

3.

Zur gleichen Zeit nahm Nancy Chessarezusammen mit Dr. Alf Hurton ein beschei-denes Mahl ein. Beide ahnten nicht, wie dra-matisch ihr Versuch mit den Gallertkügel-chen und den Nährböden verlief.

*

Minutenlang war dem Toten im Labornichts anzusehen. Das fladenförmige Dingverbarg sich unter seiner Kleidung und ver-hielt sich scheinbar ruhig. Dann aber verän-derte sich der Fuß des Technikers. Er über-zog sich mit einer schleimigen, farblosenSubstanz, wobei Schuhe und Strümpfe vonihm abfielen. Er sank zunächst in sich zu-

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sammen, schwoll dann aber deutlich an. DasHosenbein zerriß, als auch der Umfang desBeines zunahm. Darunter wurde jedochnichts sichtbar, was auch nur entfernt anmenschliches Fleisch erinnerte.

Ein Teil des Schleims glitt zuckend überdie Kombination des Toten hinweg zu sei-nen Händen und zu seinem Kopf. Die Masseschloß erst das Gesicht, dann den ganzenSchädel ein. Sehr schnell verlor sich dasmenschliche Aussehen. Haut, Knochen undFleisch verformten sich. Sie lösten sich aufund verwandelten sich in eine farblose, gal-lertartige Masse.

Nach etwa fünfzehn Minuten kroch einmonströses Ding aus den Kleidern des Totenheraus und glitt als amorphe Masse von ih-nen weg.

Langsam kroch das Ding von dem Ortseiner Tat zurück bis an einen der Laborti-sche heran. Es schob sich daran hoch undbedeckte wenig später die anderen Schäl-chen mit den übrigen Kugeln und Nährbö-den. Als es sich von diesen zurückzog, wa-ren sie nicht mehr vorhanden.

Wie erschöpft blieb der Klumpen farblo-ser Masse in dem Gang liegen. Er hob undsenkte sich wie die Brust eines Mannes nacheinem anstrengenden Lauf. Dann sank er insich zusammen und breitete sich zugleichfladenförmig aus. In Sekunden füllte dasWesen den gesamten Gang wie ein Kunst-harzbelag aus.

Ein Roboter betrat das Labor und nähertesich mit schweren Schritten einem der Ti-sche. Er setzte einen Glassitbehälter daraufab und eilte zu einem der anderen Tische,um dort ein leeres Gefäß und einige be-schriftete Bögen aufzunehmen. Dann mar-schierte er quer durch das schleimige Dinghindurch, ohne es zu bemerken.

Als sich die Tür hinter ihm schloß, glittdas Monstrum weiter. Wenig später erreich-te es einen anderen Ausgang. Es stieg su-chend an diesem Schott empor und entdeck-te schließlich eine winzige Öffnung, die füreinen Sicherheitsschlüssel vorgesehen war.Die zähflüssige Masse sickerte langsam hin-

durch. Wiederum verging fast eine Viertel-stunde, bis das Gallertwesen den Laborraumverlassen hatte.

Vor ihm lag ein Gang mit zwei weiterenTüren, aber diese waren nicht verschlossen.So verlor das Ding keine Zeit. Es wandertebis zu einem Antigravschacht und floß überdie Kante hinein. An der Schachtwand sankes herunter, dem Zug der Schwerkraft fol-gend, exakt in der Geschwindigkeit, die derSteuerautomat des Lifts befahl.

Es rann an vier Ausgängen vorbei, bevores durch den fünften aus dem Schacht her-auskam. Auch hier traf es auf niemanden,der es hätte entdecken können. Es schob sichunter einer Tür hindurch und geriet aufeinen verdunkelten Gang, von dem zahlrei-che andere Türen abzweigten.

Gierig drängte es sich vorwärts. Es wälztesich über mehrere Türen, ohne einen Durch-schlupf finden zu können, dann aber traf esauf ein Schott, das einige Scharten aufwies.Sie waren gerade tief genug, es durchzulas-sen.

In dem Raum dahinter brannte Licht. Ineinem der beiden Betten schlief ein Mann.Auf dem anderen lag ein junger Laborant,der in einem Buch las.

Hin und wieder blickte er auf den Trivi-deoschirm, der zu seinen Füßen in der Wandeingelassen war. Auf ihm konnte er einenExpeditionsbericht beobachten, der von ei-ner Welt aus dem Blues-Sektor stammte.

*

»Wohin gehen wir jetzt, Täubchen?« frag-te Dr. Hurton und schob das Schälchen mitdem Nachtisch zur Seite. »Hätten Sie Lustzu einem kleinen Bummel? Man erzählt vielüber die Wega-Ausstellung in Sektor VII.«

Nancy Chessare ließ ihre Zigarette in denAscher fallen, wo sie aufgelöst wurde.

»Ich denke, wir haben genügend mitein-ander gescherzt, Doktorchen«, sagte sie.»Grüßen Sie Ihre Frau und Ihre Kinder vonmir, wenn Sie sie sehen.«

Hurton blickte sie verblüfft an.

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»Sie wissen …«Ma lachte hell.»Glauben Sie, sonst hätte ich soviel Ge-

duld mit Ihnen gehabt?«Sie erhob sich, nickte ihm zu und ging.Ihre gute Laune hielt jedoch nicht lange

an. Als sie wenige Minuten später vor denleeren Test-Schälchen stand, sagte sie einigeWorte, die ganz und gar nicht damenhaftwaren. Sie eilte mit großen Schritten ausdem Labor in die Kantine zurück, wo AlfHurton heftig mit einer blonden Mathemati-kerin flirtete.

»Dr. Hurton!« rief Nancy empört.Er drehte sich betont langsam um und

blickte sie erstaunt an.»Was denn, Nancy? Sie haben mir eben

einen Korb gegeben, und jetzt sind Sie eifer-süchtig? Sie werden doch nicht …?«

»Die Nährböden sind verschwunden«, un-terbrach sie ihn mit eisiger Stimme. »Undmit ihnen sind auch die Gallertkügelchenweg.«

»Wenn das ein Trick sein soll, meine Zu-neigung zurückzugewinnen, dann …«, be-gann er, merkte jedoch sehr schnell, daß siees ernst meinte. Er ergriff ihren Arm undsagte: »Kommen Sie.«

Fassungslos stand er wenige Sekundenspäter vor dem Labortisch, doch sein Au-genmerk richtete sich nicht auf die leerenSchälchen, sondern auf die Kleider, die aufdem Boden lagen.

»Können Sie mir das erklären, Nancy?«fragte er tonlos.

»Ich verstehe nicht, daß ich das übersehenkonnte«, sagte sie betroffen. Sie bückte sichund ließ den Stoff durch ihre Finger gleiten.Die Schleimspur, die unmittelbar nach demÜberfall vorhanden gewesen war, war jetztabgetrocknet. Nichts deutete auf das hin,was hier vorgefallen war.

»Begreifen Sie das?« fragte Hurton.Sie schüttelte den Kopf.»Ich vermutete zunächst, daß irgend je-

mand die Nährböden für einen Versuchs-zweck genommen haben könnte.«

»Das ist ausgeschlossen«, behauptete der

Kybernetiker.»Ich stehe vor einem Rätsel«, gestand Ma.

Sie blickte Dr. Hurton forschend an undfragte dann mit einem drohenden Unterton:»Ich darf doch wohl voraussetzen, daß sichhier niemand einen schlechten Scherz er-laubt hat.«

»Das dürfen Sie, Nancy«, erwiderte derAbteilungsleiter nachdrücklich.

Nancy kniete abermals neben den Klei-dungsstücken nieder, die an einigen Stellenzerrissen waren. Sie durchsuchte sie, fandaber nur Nebensächlichkeiten, die ihr nichtweiterhalfen.

»Lassen Sie sie durchsuchen«, bat sie undreichte sie Hurton. »Vielleicht können Sieherausfinden, was mit ihnen geschehen ist.«

*

Das Buch zu lesen strengte an.Der Laborant gähnte ausgiebig und ent-

schloß sich, die restlichen Freistunden zuschlafen. Er streckte seine Hand nach demLichtschalter aus, als der Rufpunkt unterdem Interkom aufleuchtete. Er legte seinenFinger gegen die Taste daneben, und derBildschirm erhellte sich.

»Ah, Dr. Hurton«, sagte der junge Mann.»Ich habe frei.«

Der Kybernetiker runzelte die Stirn.»Tut mir leid. Das wußte ich nicht. Ich

habe einen interessanten Fall für Sie unddachte … Nun, lassen wir das. Hat BeckerDienst?«

»Ja, natürlich, Sir, aber ich komme natür-lich auch, wenn Sie möchten.«

»Schlafen Sie lieber. Becker wird's schonschaffen.«

Hurton schaltete aus. Der Laborant recktesich, soweit das in seiner Koje möglich war,als er einen erstickten Laut unter sich hörte.

»He, Fraud, was ist?« fragte er.Er bekam keine Antwort. In der Annah-

me, daß der Freund träume, legte er sich zu-rück und griff erneut nach dem Buch. DasGespräch mit Dr. Hurton hatte ihn wiedermunter gemacht. Jetzt ärgerte er sich dar-

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über, daß er den Auftrag nicht doch ange-nommen hatte.

Er entschloß sich, doch noch in die Abtei-lung zu gehen und sich zu melden.

Rasch streifte er sich Hemd und Hoseüber und schwang die Beine über die Bett-kante. Mit einem Satz sprang er von demDoppelbett herunter. Als er sah, was sich aufdem Boden ausbreitete, war es schon zu spätfür ihn.

Zunächst sah er Fraud oder das, was nochvon ihm übriggeblieben war. Der Freund lagverkrümmt auf seinem Bett, die Hände umseinen Hals gekrallt. Schädel, Oberkörper,Arme und Hände waren weitgehend ver-formt, so daß kaum noch menschliches zuerkennen war. Ein schleimiges, farblosesWesen lag über dem Laboranten und sog ihnoffensichtlich in sich auf. Das entsetzlicheDing benötigte jedoch nur einen Teil seinesamorphen Körpers. Mehr als die Hälfte sei-ner Masse hing über die Bettkante herab undbildete auf dem Boden einen pulsierendenFladen.

So sehr der Laborant sich auch bemühte,er schaffte es nicht, diesem Monstrum zuentkommen. Seine nackten Füße drangenmitten in das protoplasmagierige Wesen ein.

Er schrie voller Entsetzen, aber irgend et-was schnürte ihm die Kehle zu. Unfaßbarschnell schoß die zähflüssige Substanz anihm hoch und überzog ihn. Die Augen tratenihm weit aus den Höhlen hervor, und dieHände versuchten, den Todesschleier zu zer-reißen, aber sie griffen ins Leere.

Wie vom Schlag getroffen, stürzte er zuBoden.

Das Gallertwesen arbeitete schnell undlautlos. Der junge Mann löste sich auf. AlsFraud verschwunden war, waren auch vonihm nur noch ein paar unwesentliche Restevorhanden, die wenige Sekunden späterganz in der Masse aufgegangen waren.

*

Thow Tanza öffnete das innere Schott derSchlangengruft.

Er ahnte nicht, daß man ihn nahezu über-all an Bord der COMOTOOMO mit Hilfevon automatischen Überwachungsgerätenbeobachtete. Artisten und Besatzung desZirkus hielten den Atem an. Unter ihnen warkeiner, der etwas Ähnliches gewagt hätte.

Opas Gesicht wirkte wie aus Stein ge-schlagen.

Die Kauß wichen vor ihm zurück. Sieglitten bis an die gegenüberliegende Wand,wo sie sich eng zusammendrängten. Geradeaber das schien Tanza nicht zu gefallen. Erschritt schnell auf sie zu. Ihre Unruhe stei-gerte sich.

Stuckey Folus fluchte leise.Er befürchtete einen Blitzangriff der

Schlangen auf den Freund. Unwillkürlich ta-stete seine Hand nach dem unter der Klei-dung versteckten Blaster, aber er zog ihnnicht hervor, weil er wußte, daß er sich da-mit verraten hätte.

Auch Busch schien sich nicht wohl in sei-ner Haut zu fühlen. Er kaute auf seiner Un-terlippe und schien sich nun doch Vorwürfezu machen, weil er Tanza in den Käfig ge-lassen hatte.

Opa wirkte ruhiger als die beiden Männerzusammen. Fünf Meter vor den Schlangenblieb er stehen und streckte beide Arme vor.Seine Hände zuckten – und die Kauß streb-ten nach beiden Seiten davon. Nur die weiß-köpfige Schlange verharrte auf ihrem Platz.Tanza sprach beruhigend auf sie ein, bis sieden Kopf auf den Boden legte und die Flü-gel ausbreitete.

Busch atmete auf.Thow Tanza ging jetzt einige Schritte von

Weißkopf fort, ohne sie aus den Augen zulassen. Die anderen Kauß befanden sich jetztalle am Eingang des Käfigs.

Gelassen näherte sich Opa ihnen und triebsie mit knappen Gesten auseinander. Dabeiwies er jeder von ihnen einen ganz bestimm-ten Platz zu. Einige befahl er ganz an dieGlassitwand, andere beorderte er weiter indas Innere des Käfigs, bis schließlich alleKauß einen bestimmten Abstand voneinan-der hatten. Er arbeitete so sicher und ruhig,

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als bestehe überhaupt keine Gefahr.Busch griff nach dem Arm von Stuckey

Folus.»Der Mann versteht wirklich etwas von

seiner Arbeit«, sagte er erregt. »So gut warAramore niemals.«

Er rieb sich die Hände.»Die Show ist gerettet«, erklärte er.Thow Tanza blieb noch fünf weitere Mi-

nuten in dem Käfig, dann konnte niemandmehr daran zweifeln, daß er die Kauß-Schlangen absolut in seiner Gewalt hatte.

Als er herauskam, trat Busch auf ihn zuund reichte ihm spontan die Hand.

»Sie und Ihr Partner sind engagiert«, sag-te er feierlich, blickte Tanza einige Sekun-den lang an, und fuhr dann geschäftlichnüchtern fort: »Wann können Sie Ihre ersteVorstellung geben?«

»Das kann ich jetzt noch nicht sagen«,entgegnete Opa ausweichend. »Ich nehmean, in zwei bis drei Tagen kann ich soweitsein.«

»Beeilen Sie sich«, bat der Personalchef.»Viel Zeit haben wir nicht. Eine Show ohnedie Kauß kostet Geld.«

»Welche Quartiere bekommen wir?«»Nehmen Sie die Kabine von Aramore.

Sie ist ja jetzt frei.«Er beschrieb ihnen den Weg dorthin. Sie

war nicht schwer zu finden. Dann verab-schiedete er sich und ließ sie allein. Als erden Ausgang erreicht hatte, drehte er sichnoch einmal um und rief ihnen zu, daß ernoch ihre Papiere benötige. Pa gab ihm miteiner Geste zu verstehen, daß er sich keineSorgen zu machen brauchte.

»Das ging besser, als ich gedacht habe«,sagte Tanza, dem jetzt doch eine gewisse Er-schöpfung anzusehen war.

»Woran lag es?«»Die Schlangen leben normalerweise ki-

lometerweit auseinander. Jede von ihnen hatihren Lebensraum. Begegnen sich einmalzwei von ihnen, weichen sie einander sofortaus. Das aber können sie in dem engen Kä-fig nicht, ohne zugleich den Lebensraum ei-ner anderen Schlange zu berühren. Das hat

Hallon nicht ausreichend beachtet, und die-ser dämliche Assistent hat überhaupt keineAhnung davon. Jetzt herrscht eine stabile Si-tuation. Wir können uns um andere Dingekümmern.«

Die beiden Männer eilten den Gang zwi-schen den Käfigen hinunter. Jetzt zeigten sienur wenig Interesse für die Tiere, die hieruntergebracht waren. Tanza blieb nur einmalstehen, um einem Roboter genaue Anwei-sungen für die Fütterung der Kauß zu geben.

Aramores Kabine lag an einem Oval, indem einige niedrige Pflanzen wuchsen, dieoffensichtlich von den Anwohnern sorgfältiggepflegt wurden. Vor den anderen Unter-künften saßen einige Männer und Frauenund plauderten miteinander. Sie beachtetenTanza und Folus kaum, als diese die Kabinevon Stuff Hallon betraten.

Das Appartement bestand aus drei kleinenRäumen, einer Küche und einem Hygie-neabschnitt.

Stuckey Folus schloß die Außentür hintersich und legte den Finger an den Mund.Tanza blickte ihn an und glitt dann lautlosauf eine halbgeschlossene Tür zu. Im glei-chen Augenblick sprang sie auf, und Ro Bat-ten schoß daraus hervor. Er versuchte, Opaeinen Dolch in die Brust zu stoßen und Fo-lus gleichzeitig mit einem Fußtritt außer Ge-fecht zu setzen.

Tanza fing den Arm ab und drehte ihnblitzschnell herum.

Der ehemalige Assistent des Kauß-Dompteurs schrie leise auf und ließ die Waf-fe fallen. Da er Pa verfehlte, verlor er dasGleichgewicht und stürzte zu Boden. Opagab seinen Arm nicht rechtzeitig frei. Soknirschte er häßlich, und Batten blieb ver-krümmt auf dem Boden liegen. Er hielt sichseinen gebrochenen Arm und stöhnte.

»Das werden Sie mir büßen«, erklärte erstockend. Dabei bemühte er sich, wieder aufdie Beine zu kommen. Thow Tanza nahmden Dolch an sich und half dem Assistentenauf. Kühl blickte er in das haßverzerrte Ge-sicht.

»Es war nicht meine Schuld, daß Aramore

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verunglückte«, sagte er. »Hallon hat Fehlergemacht, die Kauß-Schlangen nun einmalnicht dulden.«

»Er hat Sie gesehen, und er hat sich vorIhnen gefürchtet«, erklärte Batten. »Das hatihn unsicher gemacht. Warum mußten Siesich so dicht an den Käfig setzen?«

Tanza sah ein, daß eine Diskussion nichtsfruchtete. Er schob den Verletzten zur Türund empfahl ihm: »Gehen Sie zum Arzt. Erflickt Sie wieder zurecht.«

Batten wollte ihm ins Gesicht spucken,aber Opa schlug ihm die Tür vor der Nasezu.

»Damit habe ich fast gerechnet«, sagte erund ging auf den Raum zu, aus dem der As-sistent gekommen war. »Batten hat versucht,herauszubekommen, was zwischen mir undStuff Hallon war. Das ist ihm nicht gelun-gen. Wir können also weiterarbeiten.«

Nach Pa betrat er den Raum. Auf den er-sten Blick war zu erkennen, daß jeder Win-kel durchwühlt worden war. Ganz offen-sichtlich hatte Batten jedoch nichts gefun-den.

»Er wird es weiterhin für nötig halten,Aramore zu rächen«, meinte Folus. »Wirsollten ihn nicht unterschätzen. Er wirdFreunde an Bord haben.«

Sie räumten auf und sahen sich dabei an,was sie für wichtig hielten. Viel war esnicht.

Opa schnürte die Nachlassenschaft vonStuff Hallon schließlich zu einem Bündelzusammen und übergab es einem Versor-gungsroboter.

*

Pa kam aus dem Hygienetrakt, als ThowTanza sich mit Hilfe des Interkoms über dieBordordnung informierte.

»Vorsicht«, wisperte Folus.Tanza blickte ihn überrascht an. Pa deute-

te auf einen Punkt über seinem Kopf. AlsOpa seine Augen dorthin richtete, entdeckteer das unscheinbare, braune Insekt, das sichkaum von der Täfelung abhob. Es war so

groß wie ein Daumen und besaß dünne, ge-fächerte Fühler.

»Wir können nicht wissen, ob Ro Battenuns diesen Gruß hiergelassen hat«, sagte Fo-lus.

Er griff nach seinem Hemd, das über ei-nem Stuhl lag, straffte es zwischen seinenHänden und schlug dann mit aller Kraft zu.Er hörte ein häßliches Knacken, knüllte dasHemd zusammen und warf es in den Müll-schacht, wo es desintegriert wurde.

»Das war ein wenig voreilig«, tadelteOpa.

Die beiden Männer sahen sich an. Papreßte die Lippen zusammen. Er sah seinenFehler ein.

Sofort begannen sie damit, die Räume desAppartements zu durchsuchen. Sie ließensich sehr viel Zeit dabei, und ihre Mühewurde belohnt. Nach nahezu zwei Stundenentdeckte Stuckey Folus ein winziges Mi-krophon in einer Deckenleiste. Es sah auswie ein Gußfehler im Verkleidungsmaterial.

Pa rührte es nicht an. Er deutete auf denPunkt und gab Opa damit zu verstehen, daßsein Verdacht berechtigt gewesen war.

»Ich habe Hunger«, erklärte Thow Tanza.»Komm, wir gehen in die Kantine. Viel-leicht bekommt man da ein saftiges Steak.«

»Das wäre möglich. Ich habe gesehen,daß ein Transport von Terrakon herüberge-kommen ist.«

Sie verließen die Räume. Stuckey Folusbegrüßte die Artisten im Oval mit freundli-cher Geste, während Thow Tanza sie glattübersah.

Alle bisherigen Zwischenfälle und Ent-deckungen bewiesen eindeutig, daß die bei-den Spezialisten es nicht mit einem kleinen,relativ unwichtigen Gegner zu tun hatten,sondern mit einer finanzstarken Gruppe, dieeine Art Kleinkrieg führte. Raumschiffe vonder Art wie die COMOTOOMO kosteten al-lein schon ein Vermögen.

Der Zirkus, der nur als Maske diente, un-terhielt sich selbst. Außerordentlich großaber mußten die Aufwendungen für die bis-herigen Vorbereitungen der Organisation ge-

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wesen sein.Ein solcher Gegner improvisierte nicht,

sondern plante bis in die Einzelheiten hin-ein. Er mußte militärisch straff arbeiten,wenn er überhaupt Erfolg haben wollte. Beiihm mußten die USO-Spezialisten damitrechnen, daß es auch so etwas wie eine Si-cherheitsgruppe an Bord der COMOTOO-MO gab. Diese würde jedes neue Mitglieddes Unternehmens genau überprüfen. Viel-leicht behielt sie auch alle anderen Männerund Frauen an Bord ständig im Auge.

Es war ein Fehler gewesen, das Insekt so-fort in den Müllschacht zu werfen. Pa hättees erst untersuchen müssen. Dann hätte erjetzt gewußt, ob man ihnen einen Minirobo-ter geschickt, oder ob Ro Batten mit diesemTier einen Anschlag auf sie geplant hatte.

Sie betraten die gut besetzte Kantine undnahmen an einem freien Tisch Platz. Hierkonnten sie relativ ungefährdet miteinandersprechen, wenngleich sie auch hier abgehörtwerden konnten.

»Wir sollten dem Sicherheitschef denVorfall mit Batten melden«, sagte Tanzaund gab Folus damit zu verstehen, daß erfest an die Existenz eines solchen Gegnersglaubte. »Er hat immerhin versucht, mich zutöten.«

»Du hast recht«, stimmte Pa zu. »Wirsollten es tun, bevor er etwas unternimmt. Erwird nicht damit einverstanden sein, daß dieKauß-Nummer durch einen Narren gleichwieder gefährdet wird.«

Sie blickten sich an und blinzelten sichunmerklich zu. Opa hatte verstanden. Aucher rechnete damit, daß der Sicherheitschefder COMOTOOMO sie früher oder spätertesten würde. Er würde sie in eine Situationbringen, die völlig unverfänglich aussah, inder sie jedoch so reagieren mußten, wie esandere Artisten auch tun würden, die aus-schließlich an ihrer Arbeit interessiert wa-ren.

4.

Ro Batten packte den Mann, der für die

Sicherheit auf der COMOTOOMO verant-wortlich war, am Arm.

»Hören Sie mir doch zu«, sagte er undwarf dem Medoroboter, der ihn versorgte,einen unwilligen Blick zu. Er stemmte sichgegen die Gurte, die ihn auf der Liege hiel-ten. »Mit diesen Männern stimmt etwasnicht. Ich weiß es genau.«

»Was wissen Sie, Batten?« Der Mannschüttelte den Kopf. »Sie haben sie angefal-len und immerhin versucht, einen von ihnenzu töten. Wollen Sie behaupten, das hättenSie nur getan, weil Sie um unser aller Si-cherheit fürchten?«

»Nein«, gab der Verletzte zu. »Ich hasseTanza, weil er Stuff auf dem Gewissen hat.«

Sein Gesprächspartner zog sich bis an denAusgang zurück. Dort setzte er sich aufeinen Stuhl, schlug die Beine übereinanderund stützte den Ellenbogen auf das rechteKnie. Nachdenklich zog er an seiner Ziga-rette.

»Ich bin überzeugt davon, daß Tanza sichalles fein ausgedacht hat. Er hat sich absicht-lich so nahe wie möglich an die Arena ge-setzt, um Stuff zu verwirren«, fuhr Battenfort. Er preßte die Lippen zusammen undsagte: »Seien wir ehrlich. Stuff hätte nur voreinem Polizisten oder vor einem MannAngst, der einmal ähnliche Interessen ver-folgt hat wie er und den er übers Ohr gehau-en hat. Ich verstehe nur nicht, daß er michnicht informiert hat.«

»Sie waren mit Stuff eng befreundet?«»Wir waren Partner.«Der Mann an der Tür lächelte herablas-

send.»Das ist noch kein ausreichendes Motiv,

Batten.«»Das verstehe ich nicht. Was wollen Sie

damit sagen?«»Ich finde Ihre Reaktion auf den Tod

Stuffs übertrieben. Wer jemanden umbrin-gen will, muß schon einen handfesten Grunddafür haben.«

Ro Batten schwieg. Er blickte starr gegendie Decke. Ab und zu zuckte er zusammen,wenn der Roboter seinen Arm berührte.

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»Also?«»Lassen Sie mich in Ruhe.«»Ich will wissen, weshalb Sie die Nerven

verloren haben, Ro, oder Sie werden sichdamit abfinden müssen, daß sich unsere We-ge trennen.«

Der Verletzte wurde blaß. Er wußte, wasdie Bemerkung zu bedeuten hatte.

»Ihr Weg würde durch den Konverter ge-hen.«

»Das brauchen Sie mir nicht zu sagen«,entgegnete Batten heftig. Er hatte schon ver-standen.

»Also?«»Es ist ganz einfach. Stuff wußte, daß ir-

gendwo auf diesem Planeten ein Behälterversteckt ist, in dem Wertgegenstände ent-halten sind, für die wir etwa fünf MillionenSolar bekommen hätten. Er wußte alles. Ichweiß nichts. Das Geld ist weg. Für alle Zei-ten. Und das ist die Schuld von Tanza.«

Die Gurte fielen von ihm ab. Die gebro-chenen Knochen waren verklebt worden.Batten benötigte nur noch eine leichte Stütz-binde.

»Es muß hier irgendwo Aufzeichnungendarüber geben«, sagte er heftig. »Stuff mußsich doch Notizen gemacht haben.«

Der Mann, der für die Sicherheit verant-wortlich war, erhob sich. Er ließ seine Ziga-rette auf den Boden fallen und ging schwei-gend hinaus.

Ro Batten blickte ihm unbehaglich nach.Er wußte nicht, ob er sich richtig verhaltenhatte. Niemand hatte ihnen verboten, eigen-mächtig auf die Jagd nach Reichtümern zugehen. Er war sich jedoch darüber klar, daßseine Situation ungünstiger geworden war.Er hatte sich verpflichtet, sich der Disziplinder Organisation zu unterwerfen. Hatte erjetzt so sehr gegen sie verstoßen, daß ihmder Konverter drohte?

Ohne Stuff Hallon fühlte er sich unsicherund verloren.

*

Busch blickte Tanza erstaunt an. Er schüt-

telte den Kopf.»Einen Sicherheitschef? Nein – so etwas

haben wir nicht. Wozu sollten wir einen Si-cherheitschef haben? Die Schiffsoffizieresorgen dafür, daß an Bord alles seinen Ganggeht.«

»Dann ist es ja gut«, erwiderte Opa. »Wirwollten Ihnen den Vorfall nur gemeldet ha-ben. Immerhin ist es nicht ganz alltäglich füruns, daß jemand mit dem Messer über unsherfällt.«

Sie nickten dem Personalchef zu und ver-ließen sein Büro. Als sie auf den Antigrav-schacht zuschlenderten, kam er ihnen nach.

»Interessiert Sie das Schiff?« erkundigteer sich.

»Ja, warum nicht«, meinte Stuckey Foluszögernd.

»Neue Mitarbeiter möchten oft gern wis-sen, mit was für einem Raumer sie fliegen.Deshalb zeigen wir Ihnen die COMOTOO-MO. Wenn Sie wollen, dann … Ich habe ge-rade Zeit.«

Thow Tanza blickte auf sein Chronome-ter.

»Es ist schon spät«, sagte er gähnend.»Mir wäre es viel lieber, wenn wir das mor-gen machen könnten.«

»Das ist mir auch recht. Schlafen Siegut.«

Busch eilte davon.Die beiden Spezialisten stiegen in den

Antigravschacht. Sie sahen dem Personal-chef nach.

Test oder kein Test? Gehörte Busch zuden Eingeweihten, oder war er nur ein Teilder ahnungslosen Truppe?

Irgendwo an Bord befand sich ein großesLabor. Sie mußten herausfinden, wo das warund wie es darin aussah. Wußte Busch da-von? An Bord der COMOTOOMO gab esAndroiden. Tanza hatte bereits einige gese-hen, wie sie bleich, haarlos und mit stupi-dem Gesichtsausdruck einfache Arbeitenverrichteten. Bis jetzt hatte er noch keineGelegenheit gehabt, mit einem von ihnen zusprechen, aber er war fest entschlossen, daszu tun.

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Wieviel Zeit hatten sie noch?Weshalb blieb die COMOTOOMO immer

noch auf Smogoon II? Gab es hier mehr zutun als zirzensische Darbietungen vorzufüh-ren?

»Vorläufig verhalten wir uns noch ruhig«,sagte Opa.

»Einverstanden«, stimmte Pa zu. »Es hät-te wenig Sinn, schon heute etwas zu versu-chen. Wir müssen einige Tage verstreichenlassen, sonst erwischen sie uns gleich. Ichwürde gern noch einmal nach Terrakon ge-hen. Ob das möglich sein wird?«

»Wir werden Busch fragen, Pa.«Stuckey Folus zündete sich eine Zigarette

an.»Verflucht«, sagte er leise. »Mir wäre

wohler, wenn ich wüßte, wie weit Ma inzwi-schen mit den Resten des Androiden ist.«

*

26. 9. 2842 (Erdzeit) Quinto Center.

Das monströse Ding, das aus dem Laborgeflohen war, hatte nunmehr einen beträcht-lichen Umfang. Es entsprach etwa der Mas-se von drei ausgewachsenen Männern. Den-noch nahm es keine feste Gestalt an, sondernblieb amorph und weitgehend farblos.

Es glitt mühelos an der Wand der Kabinehoch, als sei es von jeder Schwerkraft unab-hängig.

Es glitt durch das Belüftungsgitter hin-durch, ohne in seiner Konsistenz verändertzu werden. Dabei teilte es sich in Einzel-stränge auf, die durch die kleinen Öffnungenpaßten. Unmittelbar hinter dem Gitter verei-nigten sie sich wieder und verschmolzenmiteinander.

Das Ding witterte Protoplasma.Es verspürte einen unbeschreiblichen

Hunger, der es immer schneller vorantrieb.Eine dünne Schleimspur blieb zurück, diejedoch schnell rückstandslos abtrocknete, sodaß kein Hinweis darüber verblieb, welchenWeg das seltsame Wesen genommen hatte.

Der Luftschacht gehörte zu einem vielver-zweigten System, das sich durch ganzQuint-Center fortsetzte und – unterbrochendurch zahllose Sicherheitssysteme – jedenAbschnitt des USO-Zentrums erreichte.

Auf seinem Weg zu dem begehrten Proto-plasma stieß das Ding mehrfach auf energe-tische Hindernisse, die es nicht überwindenkonnte. Dadurch wurde es zu Umwegen ge-zwungen. Mit instinktiver Sicherheit fand esjedoch den Weg, der schließlich zum Zielführte.

Es sickerte feucht und farblos aus einemBelüftungsgitter in einen Lagerraum, der mitdehydrierten Fleischportionen gefüllt war.Zwei Männer arbeiteten in dieser Halle. Sieführten chemische Kontrollen durch, umfestzustellen, ob das Fleisch sich noch ineinwandfreiem Zustand befand und keineVeränderungen erfahren hatte.

Keiner von ihnen achtete auf die Flüssig-keit, die aus dem Gitter quoll. Beide warenviel zu sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt. Siehatten einige Plastikbehälter geöffnet undeinen Teil des Inhalts in Reagenzgläser ge-schüttet. Jetzt gossen sie etwas Wasser hinzuund tauchten gefärbte Teststreifen in die auf-quellende Masse. Dabei verbreitete sich be-reits der Duft appetitlich gewürzten Flei-sches.

»Das Zeug riecht so gut, daß ich am lieb-sten einen kräftigen Bissen zu mir nehmenwürde«, sagte einer von ihnen.

»Tu, was du nicht lassen kannst«, erwi-derte der andere. »Die ganze nächste Wochekannst du dann Appetithemmer schlucken,um die zusätzlichen Pfunde wieder herunter-zubekommen.«

Ein Beutel fiel ihm aus der Hand undklatschte auf den Boden. Der Chemikerblickte auf seine Füße und wunderte sichdarüber, daß Flüssigkeit hochgespritzt war.

»He, Paul, was ist das? Hier stimmt dochwas nicht«, rief er.

Sein Kollege hatte sich etwas Fleischpul-ver in die hohle Hand geschüttet und einigeTropfen Wasser hinzugefügt. Jetzt versuchteer mit spitzer Zunge, etwas von dem entstan-

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denen Brei aufzunehmen.»Was ist denn?« fragte er. »Ist etwas von

dem Zeug schlecht geworden?«Eine Reihe mannshoch aufgestapelter

Fleischbeutel trennte ihn von dem anderenChemiker, so daß er nur dessen Kopf sehenkonnte. Sein Kollege starrte ihn mit weithervorquellenden Augen an. Die Hände fuh-ren hoch und krallten sich in das Gesicht, alswollten sie eine unsichtbare Faust herunter-reißen, die sich über Mund und Nase gelegthatte. Dann verschwanden Kopf und Händelautlos. Paul hörte nur einen ganz schwa-chen Aufprall.

Er lachte leise.»Wenn du glaubst, mir mit derart alber-

nen Scherzen den Appetit verderben zu kön-nen, Junge, dann hast du dich aber geirrt.«Er schob sich den Brei in den Mund undkaute genießerisch. »Komm schon hoch. Ichfinde deine Scherze allmählich albern.«

Nichts rührte sich.Jetzt wurde dem Chemiker doch etwas

seltsam zumute. Er stemmte sich an denFleischbeuteln hoch und kletterte über dietrennende Mauer hinweg, bis er seinen Kol-legen auf dem Boden liegen sehen konnte.Ihm wurde spontan übel.

Von dem Schädel und den Händen warnur noch eine rötliche, formlose Masse übriggeblieben. Er übergab sich und fuhr zurück.Einen kurzen Moment saß er ratlos auf demFleischberg, dann blickte er sich suchendum.

Er mußte Alarm geben.Quint-Center mußte sofort über das Unge-

heuer informiert werden, das sich in seinemInnern breitmachte.

Zwei Beutelreihen weiter befand sich einInterkom mit einem Alarmknopf. Er richtetesich auf und zwang sich, nicht nach unten zusehen. Er wollte dieses grauenhafte Bildnicht noch einmal in sich aufnehmen müs-sen. Angespannt kauerte er sich zusammenund schnellte sich dann zu dem nächstenFleischberg hinüber. Aufatmend blickte erzurück. Er war über das Schleimwesen hin-weggekommen, ohne von ihm angegriffen

worden zu sein.Auf allen vieren kroch er weiter, bis er

den Rand erreichte. Hier spannte er aber-mals alle Muskeln an und sprang zu dernächsten Stapelreihe hinüber.

Von unten zuckte blitzschnell so etwaswie ein Tentakel nach oben und schlang sichum seinen Fuß. Als er auf den Beuteln lan-dete, schob sich die feuchte Masse in seinHosenbein und erreichte die nackte Wade.

Der Chemiker stürzte und fiel kopfüber inden sich anschließenden Gang. Dort wartetebereits ein farbloser Fladen auf ihn, der sichvon dem Mutterkörper abgeteilt hatte. Erhatte einen Durchmesser von etwa einemMeter und war zehn Zentimeter hoch. Alssich ihm die Hände des Mannes näherten,streckte er ihnen Tentakel entgegen undpackte sie. Zu diesem Zeitpunkt war derChemiker jedoch schon tot.

Das monströse Wesen überzog seinenKörper mit seiner Masse und löste ihn auf.Dann sprengten die gebildeten Tentakel dieersten Beutel mit dehydriertem Fleisch.

*

Nancy Chessare machte Dr. Alf Hurtondie Hölle heiß.

»Rufen Sie Ihre sämtlichen Mitarbeiterzusammen«, befahl sie ihm. »Und schonenSie die nicht, die jetzt frei haben. Ich möchtealle hier sehen, und zwar sehr schnell.«

»Nancy, was versprechen Sie sich da-von?« fragte er unwillig. »Es wird sich sehrschnell herausstellen, wer die Präparateweggenommen hat. Vielleicht stehen sie ir-gendwo in einem Kühlschrank. Das kannauf jeden Fall nur jemand getan haben, derDienst hatte.«

»Sie haben gehört, was ich gesagt habe,Alf«, erwiderte sie noch schärfer. »Ich binnicht bereit, an einen Scherz zu glauben. ImGegenteil. Die Tatsache, daß die Kleider Ih-res Assistenten hier lagen, er aber ebenfallsverschwunden ist, beunruhigen mich sehrstark. Rufen Sie Ihre Mitarbeiter zusammen,oder ich werde die Sicherheitszentrale be-

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nachrichtigen. Dann haben Sie einige sehrunangenehme Stunden vor sich.«

Dr. Alf Hurton fluchte.»Ich habe Sie für ein nettes Mädchen ge-

halten, Nancy. Machen Sie jetzt nicht so et-was mit mir!«

Sie blickte ihn nur stumm an. Er fluchteerneut, ging zu einem Sammelkom und gabseine Befehle durch. Sekunden später er-schienen die ersten seiner Mitarbeiter im La-bor.

»Geben Sie Ihre ID-Karte in den Compu-ter«, befahl Dr. Hurton nach fünf Minuten.»Ich will schnell wissen, wer noch fehlt.«

»Das können wir Ihnen auch so sagen«,erklärte einer der Assistenten. Dr. Hurtonwehrte mit verärgerter Geste ab.

»Ich will's vom Computer wissen«, sagteer.

Sekunden später hatten er und Nancy dieInformationen, die sie haben wollten.

»Zwei Mann also. Warten Sie hier.«Er nahm Nancys Arm und eilte mit ihr

durch die Gänge, die sich den Laboratorienanschlossen. Wenig später brach er die Türzu dem Schlafraum auf, in den auch dasMonstrum eingedrungen war. Auf dem Bo-den lag ein Schlafanzug, der so aussah, alshabe unmittelbar vorher noch ein Mann dar-in gesteckt.

»Jetzt gebe ich Ihnen recht, Nancy«, sagteHurton stockend.

Ma drückte einige Knöpfe am Wahlborddes Interkoms. Ein Sicherheitsoffizier mel-dete sich.

»Nancy Chessare«, sagte Ma und schobihre ID-Karte in den Schlitz des Interkoms.»Quint-Center ist gefährdet. Es gibt einenGegner hier, über den ich Ihnen vorläufignoch nichts Genaues sagen kann. Bitte,schicken Sie mir sofort jemanden und rie-geln Sie den Bereich hermetisch ab.«

*

Der Mann war ein Androide. Daran konn-te kein Zweifel bestehen. Er stand teil-nahmslos am Rande des Trainingsbereichs

und starrte mit leeren Augen auf die Kauß-Schlangen, die durch den Energietunnel ab-zogen. Die erste, echte Trainingsstunde mitden Tieren hatte gezeigt, daß Thow Tanzatatsächlich hervorragend mit ihnen umgehenkonnte. Die Auswahl gerade dieses Speziali-sten für diese Aufgabe hatte sich als beson-ders günstig erwiesen, zumal sie getroffenworden war, bevor der USO-Computer dar-über informiert gewesen war, daß Zirkusun-ternehmen an der Organaffäre beteiligt wa-ren.

Stuckey Folus ging auf den Androiden zu.Der BioRoboter war haarlos, hatte eine

weiße Hautfarbe und trug einen stumpfsinni-gen Ausdruck zur Schau. Er hatte die Gestalteines Menschen, war aber keiner, obwohl erüber alle Organe verfügte, die ihn zu einemechten Menschen hätten machen können.Ihm fehlte die Persönlichkeit. Er konntenichts empfinden, weder Trauer noch Freu-de, weder Einsamkeit noch Unternehmungs-lust. Er kannte keine Neugierde und konntesich nicht engagieren. So gesehen, war erweniger als ein Tier.

»Was treibst du hier?« fragte Pa.»Nichts. Ich warte.«»Worauf wartest du?«»Ich warte darauf, daß ich etwas tun soll.«Pa musterte den Androiden.»Gut«, sagte er. »Ich habe eine Aufgabe

für dich. Du wirst meinen Freund und michdurch das Schiff führen.«

»Das ist mir nicht erlaubt, Sir.«»Wir wollen nicht das ganze Schiff sehen.

Es genügt, wenn du uns zum Forschungsla…«

Eine Hand legte sich auf seinen Mund.Opa klopfte ihm auf die Schulter.»Du kannst doch den armen Jungen nicht

so durcheinanderbringen«, sagte er lachend.»Er hat doch keine Ahnung davon, was duwillst. Er ist ein Androide. Sinn für Humordarfst du bei ihm nicht erwarten.«

Er tippte dem künstlichen Menschen mitder Hand vor die Brust.

»Verschwinde, oder ich werde dich an dieKauß verfüttern.«

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Der Androide gehorchte. Er drehte sichum und ging.

»Du hast recht, Opa. Meine Bemerkungwar etwas leichtsinnig.«

Die beiden Männer strebten den Ausgän-gen zu. Tanza rieb sich Gesicht und Nackenmit einem Handtuch ab.

»Es hat gut geklappt mit den Schlangen.Wir werden bald in die Vorstellung gehenkönnen.«

Aus einer der Türen trat ihnen Busch, derPersonalchef, entgegen und begrüßte sie.

»Wenn Sie Lust haben, zeige ich Ihnenjetzt das Schiff«, bot er an.

»Einverstanden«, erwiderte Stuckey Fo-lus.

Ein dreistündiger Marsch durch die CO-MOTOOMO begann. Tanza und Folus zeig-ten sich interessiert, so wie es etwa Männergetan hätten, die noch nicht sehr oft mitgroßen Raumschiffen geflogen waren.Busch zeigte ihnen zahlreiche Abschnitte,ließ jedoch noch weitaus mehr aus. Die bei-den Spezialisten taten so, als merkten sie esnicht.

»Was ist hier?« fragte Tanza, als sie ander Funkleitzentrale vorbeigehen wollten.

»Wir können nicht hinein«, erwiderteBusch und fuhr das Eingangsschott auf.»Wie Sie sehen, arbeiten die Leute am Hy-perfunk. Er ist vor einigen Tagen vollständigausgefallen.«

»Das ist sicherlich sehr schlimm für Sie«,sagte Folus mitfühlend.

Der Personalchef schüttelte den Kopf.»Wir sind jeden Tag bis auf den letzten

Platz besetzt. Solange das der Fall ist, sieht'snicht so schlimm aus.«

Er eilte weiter und führte sie in die Haupt-leitzentrale, die mit einigen Offizieren be-setzt war. Er schien mit ihrer Reaktion zu-frieden zu sein.

Folus und Tanza waren ebenfalls beru-higt. Sie hatten nur einen flüchtigen Blickauf die Hyperfunkgeräte werfen können. AlsSpezialisten, die auch auf dem Gebiet derHyperfunktechnik trainiert waren, vermute-ten sie, daß die COMOTOOMO wenigstens

noch zwanzig Stunden für die Reparaturenbenötigen würde. Solange waren sie in Si-cherheit, denn solange konnte die Schiffs-führung auch nichts über das Schicksal derTERKMAS und der ORBAG MANTEY er-fahren.

Als sie in ihre Kabine zurückkehrten,stellten sie fest, daß diese abermals durch-sucht worden waren.

*

Tanza machte ein Zeichen mit der Hand.Er deutete mit dem Daumen auf die Tür.

»Ich habe Durst«, sagte Stuckey Folus.»Kommst du mit? Ich werde noch ein Spiel-chen machen und einen Whisky trinken.«

Opa antwortete nicht. Er schloß sich demFreund schweigend an. Als sie im Lift wa-ren, sagte er: »Sie haben noch nicht gefun-den, was sie suchten. Offenbar hat Buschuns nicht lange genug aufhalten können. Ge-ben wir ihnen noch eine Stunde.«

Er griff nach dem Arm, als sie an dem Be-reich der Tiergehege vorbeikamen.

»Ich will noch einmal nach den Kauß se-hen. Geh schon voraus.«

»Ich komme mit.«Zusammen verließen sie den Schacht und

durchquerten das erste Schott. Der süßlicheGeruch der exotischen Raubkatzen schlugihnen entgegen. Es war eigenartig still inden Gehegen, obwohl die Tiere unruhig inihnen auf und abliefen.

Tanza und Folus blieben stehen.Sie spürten, daß etwas anders war, als es

sein sollte.Pa griff in seine Hosentasche und holte

ein Klappmesser hervor. Tanza verzichtetedarauf, eine Waffe in die Hand zu nehmen.Sie bemühten sich, leise zu gehen, als sieüber den weichen Boden voranschritten. Siewarfen nur kurze Blicke in die Glassitkäfigezu ihren Seiten, wo zahlreiche gefährlicheRaubtiere gehalten wurden, die niemals indie Arena kommen würden, weil niemandsie bändigen konnte. Sie waren nur hier,weil täglich Publikumsführungen durch die

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Tiergehege veranstaltet wurden und Tiere,die besonders bedrohlich und fremdartigaussahen, sehr beliebt waren.

Sie erreichten ein transparentes Zwischen-schott. Dahinter lag ein großer, quadrati-scher Käfig. Von allen Gehegen in diesemBereich konnten Gänge zu ihm errichtetwerden, so daß jedes Tier nach Wunschdorthin kommen konnte. In der Mitte desVerlieses kauerte ein grauhaariger Mann aufden Knien. Er war offensichtlich nicht Herrseiner selbst. Mit ungelenken Bewegungenversuchte er, aus einer kleinen Bodensenkeherauszukommen, aber das gelang ihmnicht, weil er seine Körperbewegungen nichtkoordinieren konnte.

Tanza wollte das Schott aufstoßen, dochStuckey Folus hielt ihn zurück.

»Vorsicht, Opa. Nicht so eilig«, sagte ermahnend.

Er zeigte auf zwei Gänge, die von anderenKäfigen zu diesem Quadrat führten. In ihnenlagen mächtige Raubkatzen, wie sie sie nochniemals zuvor gesehen hatten. Die eine hatteein dunkelgrünes Fell, mächtige Pranken,armlange und messerscharfe Stacheln aufdem Rücken und ein furchteinflößendes Ge-biß. Das andere Tier schien ein Insektenab-kömmling zu sein. Wie eine rote Spinnekauerte sie in dem Gang. Körper und Kopferinnerten jedoch an einen Säbelzahntiger.

»Wir müssen etwas tun«, sagte Tanza ei-lig, »sonst zerreißen sie ihn.«

Der grauhaarige Mann blickte furchtvollzu den beiden Raubtieren hinüber. Sein Ge-sicht war schweißbedeckt. Er trug eine zer-schlissene Kombination und einen Waffen-gürtel, in dem jedoch keine Waffe steckte.Dunkle Flecken an seinem Kinn, seinen Au-gen und seiner Stirn wiesen darauf hin, daßihn jemand niedergeschlagen hatte.

»Das sieht ganz nach einem Mordversuchaus, Opa.«

»Das ist es auch.«Tanza blickte sich um.»In meiner Trainingsarena gibt es eine

Anlage, mit der man Energiefelder errichtenkann. So etwas muß auch hier vorhanden

sein.«Folus deutete stumm auf eine Schalttafel,

die auf der anderen Seite des Käfigs in eineWand eingelassen worden war. Ein Andro-ide stand dort und blickte mit stumpfen Au-gen auf den Mann im Quadrat.

»Bleib hier, Pa. Ich werde versuchen,dorthin zu kommen.«

Folus nickte, während Tanza den Gangzurückeilte und durch das Ausgangsschottverschwand.

In diesem Augenblick entschloß sich dieSäbelzahnspinne, wie Pa sie nannte, zumAngriff. Der Grauhaarige war auf die Füßegekommen. Aufrecht stand er in der Senkeund bemühte sich, aus ihr herauszukommen.Dabei achtete er nicht mehr auf die Tiere.

Mit unglaublicher Geschwindigkeit eiltedas Spinnenwesen auf ihn zu, während derandere Räuber sich noch zurückhielt. Erbleckte lediglich die Zähne und kroch einigeMeter weiter auf das Opfer zu.

Stuckey Folus erkannte, daß er nicht mehrlänger warten durfte. Er stieß das Schott aufund rannte in den Käfig. Der Mann schrieauf.

»Zurück«, mahnte er mit schwerer Zunge.Das Wort war kaum verständlich für Pa, dersich nicht beeindrucken ließ. Mit einem wil-den Satz sprang er dem Spinnenwesen in dieSeite, klappte das Messer auf und bohrte esihm in den Nacken. Mit einem gellendenSchrei schleuderte ihn die Bestie ab. Folusstürzte. Er rollte sich blitzschnell über denBoden, sah, daß das Raubtier ihn verfolgteund sprang hoch.

Tief geduckt erwartete er den neuen An-griff, die Hand mit der Klinge weit nachvorn gestreckt.

Die Säbelzahnspinne preßte sich fest anden Boden. Hoch standen die Kniegelenkeihrer acht Beine nach oben. Ihre mächtigenKiefer berührten fast die grünen Kunstgras-fliesen. Folus erschauerte, als er die riesigenReißzähne sah. Er wußte plötzlich nichtmehr, wie er mit dem kleinen Messer gegendiesen Giganten bestehen sollte. Er wagte esnicht, zur Seite zu sehen, obwohl er aus den

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Augenwinkeln heraus eine Bewegung wahr-nahm. Die andere Katze schob sich langsamheran.

Zwischen ihr und ihm befand sich derhalbbetäubte Mann, der so stark schwankte,daß er stürzte. Folus erwartete, daß die bei-den Räuber sich dadurch reizen ließen, abersie verharrten in ihrer Drohhaltung.

Warum erschien Tanza noch nicht an derSchalttafel?

Warum unternahm der Androide noch im-mer nichts?

Ihm rann der Schweiß in die Augen, aberer wagte es nicht, den Arm zu heben und ihnwegzuwischen. Langsam, zentimeterweiseschob er seinen Fuß zur Seite. Er wollte zudem Mann in der Mulde. Nur dort konnte erihn gegen die beiden Bestien beschützen.Zugleich bot sich nur dort für Opa eineleichte Möglichkeit, sie gleichzeitig gegendie beiden Tiere abzuschirmen.

Er starrte dem Spinnenwesen in die riesi-gen Augen mit den schmalen, hellen Schlit-zen, und er nahm sich vor, das Messer indiese Organe zu stoßen, falls er angegriffenwurde. Er sah ein, daß er das Raubtier nichttöten konnte. Mit dem Messer konnte er ihmhöchstens die Haut ritzen, aber nicht mehr.

Da hörte er Schritte hinter sich. Jemandschlich sich von hinten an ihn heran.

»Ruhig. Ganz ruhig«, sagte eine vertrauteStimme.

Er atmete auf.Tanza kam ihm zu Hilfe. Das verringerte

die Gefahr ein wenig, aber nicht entschei-dend. Besser wäre es gewesen, wenn OpaEnergiefelder errichtet hätte. Wenn er aufdiesem Wege zu ihm kam, konnte das nurbedeuten, daß alle anderen versperrt waren.

Stuckey Folus ging einen Schritt zurück.Die Säbelzahnspinne fauchte. Er sah, daß ihrBlut über den Hals herablief. Zugleich be-merkte er, daß Opa den grauhaarigen Mannerreicht hatte und ihn aufrichtete. Zusammenmit ihm zog er sich bis zum Ausgang zu-rück.

Pa bekam endlich auch die andere Bestiewieder ins Blickfeld. Sie kauerte noch im-

mer auf dem Boden und schien sich nicht zueinem Angriff entschließen zu können.

»Komm! Schnell!« rief Opa.Stuckey Folus blickte über die Schulter

zurück. Nun trennten ihn nur noch etwa fünfMeter von dem rettenden Ausgangsschott,das Opa und der Grauhaarige schon passierthatten. Er wirbelte herum und sprintete dar-auf zu. Tanza schrie auf. Pa hörte die schar-renden Schritte der Spinne hinter sich. Erschnellte sich mit riesigen Sätzen auf dasSchott zu und sprang kopfüber hindurch. Esschloß sich knallend hinter ihm. Dumpfkrachte das Raubtier gegen die Panzerwand.Und jetzt erwachte auch die andere Bestieaus ihrer Zurückhaltung. Sie raste querdurch den Käfig und warf sich mit vollerWucht gegen das Schott, das diesem An-sturm jedoch mühelos standhielt.

5.

In Quint-Center erwachte zu dieser Zeitein anderes »Raubtier« zu immer größererAktivität.

Das Wesen, das aus einem Gallertkügel-chen von kaum einem Zentimeter Durch-messer entstanden war, machte sich mit un-ersättlichem Hunger über das eingelagerteFleisch her. Daß dabei erhebliche Wasser-mengen fehlten, das dehydrierte Fleisch wie-der in seine ursprüngliche Form zu bringen,spielte offensichtlich keine Rolle. Das Dingbildete Saugnäpfe, die es an die Lagerbeutellegte, und zerriß sie damit. Sodann über-schwemmte es das Fleisch mit seiner Masseund nahm es in Sekundenschnelle in sichauf. Dabei wuchs es deutlich sichtbar an.

Als die beiden Chemiker starben, war esnoch relativ klein. Eine Stunde später be-rührten die Ränder des Fladens die Wändeder Lagerhalle. Einige Zwischen- undStützwände der Lagerhalle behinderten dasDing in seiner Ausdehnung. Es bildete meh-rere Wülste und preßte sie gegen die Hemm-nisse. Das hochverdichtete Panzerplastmate-rial zersplitterte wie sprödes Holz.

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*

Nancy Chessare atmete auf, als der hoch-gewachsene, narbengesichtige Mann auf siezutrat. Sie reichte ihm die Hand.

»Mr. Tekener, ich muß zugeben, daß ichratlos bin«, sagte sie. »Wir wissen bis jetztnicht, was passiert ist.«

Der Stellvertreter Atlans nickte nur.»Ich bin informiert«, erklärte er knapp

und blickte sich in dem Labor um, aus demdie Gallertkugeln und die Nährböden ver-schwunden waren. »Inzwischen habe ich be-reits einige Prüfungen durchführen lassen.«

Dr. Alf Hurton trat aus der Gruppe seinerMitarbeiter hervor.

»Wir haben eine Theorie entwickelt«, be-gann er. »Wir halten es für möglich, daßsich aus den Gallertkugeln eigenständigesLeben entwickelt hat.«

»Sie meinen, ein amorphes Ding, das IhreMitarbeiter umgebracht hat?«

»Genau das, Mr. Tekener.«»Haben Sie die Kugeln analysiert?«»Wir hatten damit begonnen, haben bisher

aber lediglich feststellen können, daß siekeineswegs als Informationsspeicher dienen,wie zunächst angenommen worden war.Weiter sind wir noch nicht gekommen.«

»Sir, wenn die Annahme von Dr. Hurtonrichtig ist«, bemerkte Nancy Chessare,»dann ist das Ding wild nach organischenSubstanzen. Da wir jetzt seit etwa einerStunde von keinem weiteren Zwischenfallgehört haben, sollten wir die Nahrungsmit-teldepots kontrollieren.«

»Genau richtig, Nancy«, stimmte der Nar-bengesichtige zu. »Die Männer sollenSchutzanzüge anlegen und sich zusätzlichmit Individualsphären absichern.«

Die Lippen der Spezialistin zuckten. Sieschien die Situation noch nicht für ganz sogefährlich anzusehen wie Tekener, der of-fensichtlich jedes Risiko ausschalten wollte.

»Bilden Sie einen Krisenstab«, befahl derKosmo-Psychologe. »Unterrichten Sie michlaufend. Ich stelle Ihnen einen Sonderkanal

zur Verfügung, so daß Sie ständig mit mir inVerbindung bleiben können. Falls Sie es alsnotwendig ansehen sollten, rufen Sie mich.«

Ronald Tekener verabschiedete sich undging mit schnellen Schritten davon. Sieblickte ihn kurz nach. Dann kamen ihre An-weisungen hart und präzise. Sie war ent-schlossen, das Rätsel so schnell wie möglichzu klären.

*

»Das alles ist wohl doch ein bißchenübertrieben«, sagte Sergeant Ulf Freely undschloß die Magnetverriegelung seinesSchutzanzugs. Harris hörte seine Stimmeüber die Helmlautsprecher seiner Ausrü-stung. Sie klang jetzt etwas dumpfer:»Mitten in Quint-Center soll sich ein Feindbreitmachen, ohne daß wir ihn sofort ent-decken? Mann, ich wette, daß alles nur eineÜbung ist, mit der man uns auf Trab bringenwill.«

Harris gab keine Antwort. Er wußte nicht,was er von den Anordnungen halten sollte.Er tat, was man von ihm verlangte, mehrnicht. Seine Vorgesetzten wollten, daß er dieNahrungsmitteldepots durchsuchte. VonDenken hatten sie nichts gesagt.

Zusammen mit dem Sergeanten verließ erdie Ausrüstungskammer und eilte einenbreiten Gang entlang. Aus den Seitentürenkamen weitere Männer in Schutzanzügenhervor, die sich in anderen Richtungen ent-fernten.

Ulf Freely hatte seinen Helm noch nichtgeschlossen. So konnte er sich eine Zigaretteanzünden und sie genußvoll rauchen. Er botHarris ebenfalls eine an, doch dieser lehnteab, da er seinen Helm bereits nach vorn ge-klappt hatte. Unmittelbar vor dem erstenSchott zur Lagerhalle warf der Sergeant denRest seiner Zigarette in einen Müllschlucker.Mit einer Geste gab er Harris zu verstehen,daß dieser noch nicht öffnen sollte, bis aucher seinen Schutz vervollständigt hatte. Harriswartete und betätigte dann den Kontakt. DieSchotte glitten lautlos zur Seite. In der Halle

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Page 29: Das Monstrum von Quinto Center

blieb es dunkel.Harris schaltete seinen Helmscheinwerfer

an und trat ein.Der Lichtkegel fiel auf eine graue blasige

Masse, die vom Boden bis zur Decke reich-te. Sie sah starr und hart aus wie gegossenerBeton.

»Vergiß den Individualschirm nicht«,mahnte Freely.

Harris hob die Hand zum Schalter, als ausder grauen Wand etwas hervorgeschossenkam. Eine der Blasen platzte auf, und einarmdicker Bolzen raste blitzschnell daraushervor. Er traf Harris mit unvorstellbarerWucht und schleuderte ihn zu Boden. Ser-geant Freely wirbelte herum. Er versuchte,im Schutz seiner Individualsphäre zu ent-kommen, aber ein sichelförmiger Arm pack-te ihn und riß ihn mit unwiderstehlicher Ge-walt gegen die Wand.

Freely schrie in Todesangst. Er sah, daßauch Harris gepackt wurde und noch vorihm in der Masse versank. Verzweifelt ver-suchte er, seinen Thermostrahler aus derHalfter zu lösen und abzufeuern, aber dasgelang ihm nicht. Es wurde dunkel um ihn,als er in das steinharte Material eindrang.Unmittelbar darauf nahm er jedoch ein rötli-ches Glimmen wahr, das nur von seinem In-dividualschirm stammen konnte.

In seiner ersten Panik war er zu keinemklaren Gedanken fähig. Zu überraschendund zu schnell war der Angriff gekommen.Dann begriff er, daß alle Mahnungen undWarnungen, die sie erhalten hatten, noch un-tertrieben gewesen waren. Hier war etwasentstanden, das ohne weiteres in der Lage zusein schien, das bestgehütete Geheimnis derGalaxis von innen heraus zu zerstören.

»Harris, Harris?«Er hörte nur ein Stöhnen.Das Schimmern des Schirmes wurde

deutlicher und heller. Freely wußte sofort,was das zu bedeuten hatte. Das Ding, in demer steckte, preßte das energetische Feld mitaller Macht zusammen. Er konnte sich nichtvorstellen, wie groß die Kraft war, die ihn zuvernichten versuchte. Er wußte nur, daß

auch der Individualschirm keinen hundert-prozentigen Schutz bot. Würde der Druck zugroß, dann mußte er zusammenbrechen.

Es gab nur einen Ausweg.Freely zwang sich mit aller Energie zur

Ruhe. Wenn er leben wollte, dann brauchteer Hilfe. Und die konnte nur von außenkommen.

»Nancy!« brüllte er mit aller Stimmenge-walt in sein Mikrophon. »Nancy, Ma Ches-sare, hören Sie mich? Nancy, hören Siemich? Hier spricht Sergeant Freely.«

Es knackte in seinen Helmlautsprechern,dann meldete sich die Spezialistin. Eine un-endliche Erleichterung erfaßte ihn. Er hatteVerbindung mit der Außenwelt.

»Nancy«, rief er. »Ich stecke mittendrin indem Ding, das aus Ihrem Labor geflohen ist.Es ist jetzt schon so groß, daß es das gesam-te Fleischdepot Nr. 18 ausfüllt. Es hat michgefressen. Nur mein Individualschirmschützt mich noch, aber ich fürchte, nichtmehr lange.«

»Beruhigen Sie sich, Sergeant«, antworte-te sie. Freely konnte das verhaltene Beben inihrer Stimme nicht überhören. »Wir werdenalles tun, um das Wesen so schnell wie mög-lich zu töten. Wir holen Sie heraus. Verlas-sen Sie sich darauf.«

»Gehen Sie nicht zu nahe heran, Ma. DasBiest entwickelt plötzlich Arme, mit denenes fürchterliche Keile verteilen kann. Ich…«

Er verstummte.Das Leuchten vor seinen Augen wurde so

hell, daß der Blendschutz seiner Ausrüstungnicht mehr ausreichte.

»Ma«, sagte er stöhnend. »Ich glaube,mein Schutzschirm bricht zusammen.«

»Das geht nicht so schnell, Freely«, erwi-derte sie tröstend.

»Das dachte ich bis jetzt auch«, erklärteer. »Dieses Ding aber hat eine Kra …«

Seine Stimme erstarb mitten im Wort.

*

Thow Tanza und Stuckey Folus hatten

Das Monstrum von Quinto-Center 29

Page 30: Das Monstrum von Quinto Center

mehr Erfolg bei ihrer Rettungsaktion.Der grauhaarige Mann lag vor ihnen auf

dem Boden. Eine transparente, aber absolutfeste Wand trennte sie von den beiden Besti-en, die sich um ihre Beute betrogen sahen.

»Na, Alterchen?« fragte Pa und beugtesich über den Geretteten. »Wie sieht's dennaus?«

Der Mann blickte sie unsicher an. KeinLaut kam über seine Lippen.

Hinter ihnen öffnete sich das Schott. Etwazwanzig Männer und Frauen drängten sichaufgeregt herein. Unter ihnen befand sichBusch, der Personalchef der COMOTOO-MO.

»Was ist hier passiert?« fragte er scharf.»Wir fanden den Mann in der Arena«, er-

klärte Tanza. »Er war paralysiert worden.«»Stehen Sie auf, Yr!« befahl Busch dem

Grauhaarigen.Mühsam erhob er sich. Er schwankte ein

wenig, als sei er betrunken.»Wer hat Sie geschockt, Yr? Und wer hat

Sie in den Käfig gesperrt?« fragte der Perso-nalchef mit einer Stimme, die seinen ganzenZorn verriet. Jetzt nahm sein Gesicht wiederharte, markante Formen an.

Yr ließ sich jedoch nicht beeindrucken.»Ich weiß überhaupt nicht, was Sie von

mir wollen«, entgegnete er mürrisch. »Es istdoch alles in Ordnung.«

Er warf Tanza und Stuckey Folus einenbösen Blick zu und schob sich an Busch vor-bei. Dieser packte ihn am Arm und riß ihnherum.

»Hören Sie zu, Aron Yr«, sagte er dro-hend. »Jemand hat versucht, Sie umzubrin-gen. Tun Sie jetzt nicht so, als sei nichts vor-gefallen.«

»So ein Quatsch«, erwiderte Yr und gingmit unsicheren Schritten davon. Folus sah,daß er sich an der Wand abstützen mußte,damit er nicht stürzte. Unmittelbar amSchott traf er mit Ro Batten, dem ehemali-gen Assistenten des verunglückten»Aramore« Stuff Hallon zusammen. Diebeiden Männer blickten sich flüchtig in dieAugen. Dann ging der Grauhaarige stol-

pernd und fluchend weiter.»Wer ist das, Mr. Busch?« fragte Tanza.»Aron Yr, der Tierfänger«, antwortete der

Personalchef. »Er ist einer meiner bestenMänner.«

»Benimmt er sich immer so seltsam?«»Keineswegs. Er ist sonst die Vernunft

selbst. Ich verstehe ihn nicht.«Auf der anderen Seite des Käfigs erschie-

nen einige Männer. Sie hantierten amSchaltkasten. Mehrere Prallfelder entstan-den, die zunächst die beiden Raubtiere von-einander trennten und sie dann mit sanfterGewalt in ihr Gehege zurücktrieben.

»Es geschehen eigenartige Dinge an Bordder COMOTOOMO«, sagte Stuckey Folus.

»Was wollen Sie damit behaupten?« frag-te Busch.

»Nichts«, entgegnete Pa. »Ich finde es nurbefremdend, daß unsere Räume abermalsdurchsucht worden sind. Dann kommen wirzufällig hierher und werden Zeuge einesMordversuchs. Und ist es nicht überra-schend, daß das Opfer über seine Rettunggar nicht so glücklich ist? Ich dachte, Yrwürde wenigstens ein nettes Wort für michhaben, aber das war ein Irrtum.«

»Mir gefällt das alles auch nicht«, erwi-derte Busch. »Sind Sie sicher, daß dieseVorgänge nicht in einem direkten Zusam-menhang mit Ihnen stehen?«

Tanza benutzte die gleiche Formulierungwie Yr: »So ein Quatsch!«

Er gab Stuckey Folus einen Wink. Diebeiden Männer gingen und ließen Busch zu-rück.

»Wir kommen nicht weiter«, stellte Tanzaim Antigravlift fest. »Pa, wir müssen etwasunternehmen. Vielleicht haben wir nichtmehr viel Zeit. Wenn der Hyperkom repa-riert ist, wird die COMOTOOMO vielleichtvon hier verschwinden. Dann sollten wirnicht mehr an Bord sein.«

Sie verließen den Lift und betraten dieSpielsäle, die gut besucht waren. An allenTischen versuchten die Gäste aus der StadtTerrakon ihr Glück.

Tanza blickte auf sein Chronometer. Sie

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hatten noch zwei Stunden Zeit bis zum Be-ginn der Abendvorstellung.

»Wir müssen verschiedene Dinge ausein-anderhalten«, sagte Opa. »Für mich stehtnoch lange nicht fest, daß zum Beispiel RoBatten etwas mit der Organisation zu tunhat. Es scheint überhaupt eine Reihe vonNichteingeweihten an Bord zu geben.«

»Heute nacht werden wir es versuchen«,antwortete Pa. »Wir werden unsere Kabinenverlassen und uns im Schiff umsehen.«

»Es wäre besser, wenn wir jemanden hät-ten, der uns dabei helfen könnte.«

»Warten wir's ab.«Sie setzten sich an einen Tisch, an dem

noch mehrere Plätze frei waren. Vier jungeMädchen bemühten sich aufgeregt, denKlick-Stein eines dreidimensionalen Puzzleszu finden. Der Spielleiter gab ihnen amüsierteinige Hinweise, wobei er sich dessen ziem-lich sicher zu sein schien, daß sie es in dervorgegebenen Zeit nicht schaffen würden.Es galt, aus etwa zweihundert transparentenund leicht getönten Teilen einen Elefantenzusammenzusetzen.

»Dürfen wir Ihnen helfen?« fragteStuckey Folus lächelnd.

Die Mädchen blickten ihn prüfend an.»O ja, machen Sie mit, sonst klappt es

nicht mehr«, rief eine von ihnen. Folus nick-te dem brünetten Mädchen zu und griff nachdem ersten Stein.

Opa beteiligte sich nicht. Er stand nur amTisch und beobachtete mit griesgrämigemGesicht die Vorgänge. Stuckey Folus setzterasch hintereinander vier Steine ein und ern-tete Jubelschreie der Mädchen. Dann griff ernach einem weiteren Teil.

»Noch sieben Sekunden«, sagte der Spiel-leiter.

Pa ließ das Teil wieder fallen, fügte einanderes ein und nahm es danach wieder auf.Es paßte – und es leuchtete laut klickendauf. Die jungen Damen klatschten vor Ver-gnügen in die Hände. Sie umringten Pa undredeten auf ihn ein.

Thow Tanza zog sich an die Bar zurück,wo er sich einen Whisky bestellte. Er beob-

achtete, wie ein Wesen, das aussah wie eingelbroter Pinguin, an Pas Hose zupfte. Folusblickte sich überrascht um und lachte, als erdas kleine Geschöpf sah. Er wollte es auf dieArme nehmen, erhielt jedoch einen kräftigenSchlag auf die Finger. Das dünne Ärmchen,mit dem Folus zurechtgewiesen worden war,verschwand blitzschnell wieder unter demFederkleid.

In diesem Moment erschienen zwei An-droiden. Sie nahmen das Wesen auf undschleppten es rücksichtslos weg, obwohl essich kräftig wehrte. Pa maß dem Zwischen-fall offensichtlich keine Bedeutung bei. Erwidmete sich sofort wieder den Mädchen,die ihn zu einem weiteren Spiel aufforder-ten, nachdem eine von ihnen den nicht unbe-trächtlichen Gewinn entgegengenommenhatte.

Wiederum erschien ein Androide. Er gingauf Stuckey Folus zu und sagte etwas zuihm. Pa blickte ihn überrascht an und kammit ihm zu Tanza.

»Hast du gewußt, daß wir zwei Stundenvor Beginn der Vorstellung nicht mehr hierspielen dürfen – und schon gar nicht mit Gä-sten zusammen?«

Opa schüttelte den Kopf. Er rutschte vonseinem Barhocker herunter. Der Androidebegleitete sie bis zum Antigravschacht. Erwartete, bis sie eingestiegen waren und nachoben schwebten.

Drei Stockwerke höher entdeckte Pa daspinguinähnliche Wesen. Er sprang aus demLift. Opa folgte ihm. Sie befanden sich in ei-nem der runden Vorräume, die den meistenLiftausgängen vorgelagert waren. Von hieraus gingen mehrere Gänge ab, die zu denverschiedenen Unterkünften der Zirkusmit-arbeiter und zu einigen Tiergehegen führten.

»He, Kleiner«, sagte Pa und beugte sichzu dem Gelb-Roten hinab. »Was treibst duhier?«

»Das geht dich einen feuchten Kehrichtan.«

»Du bist aber nett«, sagte Pa grinsend.»Wer bist du eigentlich?«

»Komm, Stuckey«, mahnte Thow Tanza.

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Page 32: Das Monstrum von Quinto Center

»Wir wollen uns nicht unnötig aufhalten.Soviel Zeit haben wir nicht.«

»Wer ist denn dieser Opa, Stuck?«»Das ist Thow Tanza, der Kauß-Bän-

diger.«Das pinguinähnliche Wesen legte den

Kopf zur Seite, öffnete seinen Schnabel undstieß ein meckerndes Lachen aus.

»Also auch einer von denen, die hier Geldgeschenkt bekommen für nichts.«

»Du bist ganz schön frech, mein Kleiner«,stellte Folus fest. Er richtete sich auf undwollte Tanza folgen. Da sagte der Gelb-Rotemit erstaunlich klarer Stimme: »Einen schö-nen Gruß von Yr.«

Tanza fuhr auf der Stelle herum.Der Pinguin streckte die Ärmchen aus und

winkten den beiden Männern.»Aron Yr will mit euch sprechen«, flü-

sterte er. »Er wird euch sagen, wann und woer auf euch wartet. Niemand darf es mer-ken.«

»So? Und warum nicht?« erkundigte sichThow Tanza.

»Weil Opa und Pa dann nichts mehr zu la-chen hätten«, erwiderte das seltsame Ge-schöpf leise. Mit funkelnden Augen beob-achtete es die beiden Männer. Es sah, wiesie erschraken, und lachte schrill auf.

»Was soll das bedeuten?« fragte Pa.Der Kleine tippte ihm mit einem zarten

Fingerchen an die Stirn.»Das heißt, daß ich deine Gedanken ganz

deutlich lesen kann, Pa.«Folus schüttelte den Kopf.»Wir sind im Zirkus, Freundchen, da wird

viel behauptet.«»Wirklich?«»Du könntest mir einen kleinen Beweis

deiner Kunst geben.«»Einverstanden. Was willst du wissen?

Soll ich dir sagen, daß du verliebt bist überbeide Ohren?«

Stuckey Folus lächelte.»Das ist nicht schwer zu erraten, nachdem

du mich mit den vier Hübschen im Salon be-obachtet hast.«

»Die meine ich doch nicht, Trottel. Ich

meine Ma!«Folus und Tanza blickten sich betroffen

an. Der Pinguin kicherte.»Du bist hoffnungslos verknallt in sie,

stimmt's?«»Du übertreibst, du Kanarienvogel.«Das kleine Geschöpf zeigte sich unbeein-

druckt.»Möchtest du gern wissen, was Nancy

jetzt treibt?«Stuckey Folus verschränkte unbehaglich

die Arme vor der Brust. Thow Tanza zünde-te sich eine Zigarette an.

»Wir verschwinden jetzt besser«, sagte er.»Stuckey, wir haben noch eine Menge zutun. Die Vorstellung beginnt bald.«

»Du bist doch heute nicht dran«, bemerk-te der Kleine frech.

»Das ist egal. Dennoch muß ich zusehen.«Tanza wollte so schnell wie möglich weg.

Er fürchtete, daß das pinguinähnliche Ge-schöpf tatsächlich über telepathische Fähig-keiten verfügte und mehr über Quint-Centervon ihnen erfuhr, als recht war.

»Ich habe keine Ahnung, wer Nancy ist«,behauptete Stuckey Folus zögernd. »Duspinnst, Kanarienvogel.«

»Nancy ist das dritte Mitglied der Familieund leider noch nicht mit Pa verheiratet.«

Folus fühlte, wie ihm schwach in denKnien wurde.

»Halt's Maul«, befahl er wütend.Das Geschöpf wackelte mit dem Kopf.»Ich könnte Tränen lachen, wenn ich be-

denke, daß du hier bist, und die von dir sogeliebte Nancy sich jetzt gerade mit tränen-feuchten Augen um einen anderen küm-mert.«

Stuckey Folus vergaß schlagartig die Ge-fahr, die durch die Anwesenheit eines tele-pathischen Gehirns für sie entstanden war.Nancy – und ein anderer Mann? Undenkbar.

»Ich drehe dir den Hals um, du Biest.«»Damit änderst du gar nichts, Pa. Nancy

hält nun einmal das Händchen von einemgewissen Dr. Alf Hurton.«

»Na und? Das wird sie aus dienstlichenGründen tun!«

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Page 33: Das Monstrum von Quinto Center

»Dann finde ich es aber seltsam, daß ernur noch seine Socken anhat.«

Stuckey Folus schlug zu. Seine Faust flogauf das pinguinähnliche Wesen zu und hättees eigentlich treffen müssen, aber es ducktesich gedankenschnell und raste dann mit ko-mischen Sprüngen davon.

Stuckey Folus wollte ihm folgen, dochTanza packte ihn an der Schulter und hieltihn zurück. Opa war blaß geworden.

»Verdammt, Pa«, sagte er betroffen,»unter diesen Umständen können wir nurnoch verschwinden.«

Ernüchtert blickte Folus den Freund an.

6.

An der Seite von Dr. Alf Hurton erreichteNancy Chessare den Depotbereich. In die-sem Teil von Quint-Center konzentriertensich die Sicherheitskräfte. Von allen Seitenrückten Männer in Schutzanzügen heran.

Nancy eilte den Gang entlang und stießnach etwa zwanzig Metern auf einen Sperr-gürtel, der aus acht schwerbewaffnetenMännern bestand. Einer von ihnen trat aufsie zu und schüttelte den Kopf.

Ma deutete auf ein offenes Schott, vordem mehrere Männer mit angeschlagenenEnergiestrahlwaffen standen.

»Ist es dort?« fragte sie.»Das ist die Stelle, an der Freely und Har-

ris verschwunden sind. Da beginnt die graueSubstanz.«

Erst jetzt bemerkte Nancy die Feldprojek-toren. Um das Ding besser beobachten zukönnen, hatte man die Schotts nicht ge-schlossen, sondern ein unsichtbares Prallfelderrichtet.

»Kommen Sie, Nancy. Wir besorgen unsSchutzanzüge«, sagte Alf Hurton. Er griffnach dem Arm der Spezialistin.

In diesem Moment knackte es in derWand neben ihnen. Unwillkürlich bliebensie auf der Stelle stehen und blickten sichum. Hurton wich einen Schritt zurück. Erversuchte, Veränderungen an dem Verklei-dungsmaterial zu erkennen.

»Keine Angst, Nancy«, sagte er mit leichtschwankender Stimme. »Uns kann hiernichts passieren.«

»Weiter geht's nicht«, erklärte er.»Besorgen Sie sich sofort einen Anzug,sonst dürfen Sie noch nicht einmal hier blei-ben.«

Bruchteile von Sekunden später zerplatztedie Wand mit einem ohrenbetäubenden Ge-töse. In den entstehenden Rissen zeigte sichdie graue Masse des monströsen Wesens.Sie quoll zunächst langsam daraus hervor,dann aber sprengte sie das sie einengendeHindernis mit elementarer Wucht auf einerLänge von etwa einhundert Metern. NancyChessare, Alf Hurton und die Soldaten wur-den von dem Luftdruck von den Füßen ge-rissen und hinweggewirbelt. Alf Hurtonprallte gegen einen stahlharten Pseudoarmdes Ungeheuers und verhakte sich mit sei-nen Kleidern in den unzähligen Krallen, diesich daran befanden. Laut kreischend zerrißder Stoff. Hurton überschlug sich mehrmals,stürzte zu Boden, sah fingerförmige Armeauf sich zukommen und flüchtete in panikar-tiger Angst weiter. Dabei wurde ihm derRest seiner Kleidung vom Leib gefetzt. Ir-gend etwas prallte ihm mit fürchterlicherWucht gegen den Rücken, so daß er wie einGeschoß durch den Gang flog und dicht vordem Eingang zum Antigravschacht auf demBoden liegenblieb.

Er trug nur noch seine Socken.Nancy Chessare stolperte über einen Sol-

daten, der am Boden lag. Das rettete sie voreinem Tentakel, der in Kopfhöhe über denGang wirbelte. Dafür traf sie jedoch einWulst, der mit nicht weniger Wucht aus ei-nem Spalt an der Wand hervorschnellte. Imersten Augenblick glaubte sie, ihr Rückgratsei zerschmettert. Der Schmerz trieb ihr dieTränen in die Augen. Dann erhielt sie einenweiteren Stoß, der sie bis an den Antigrav-schacht trieb. Dort sah sie den Kybernetikerliegen.

In ihrem ersten Schreck beugte sie sichüber ihn, griff nach seinem Arm und tastetenach seinem Puls. Er lebte noch.

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»Schnell, bringen Sie ihn weg«, rief sieeinigen Soldaten zu, die aus dem Chaos ausStaub, Trümmerstücken und wild schlagen-den Tentakeln hervorkamen. »Beeilen Siesich.«

Sie wußte, daß sie absolut nichts tunkonnte. Sie sprang in den Liftschacht undließ sich nach oben tragen. Im nächstenStockwerk sprang sie wieder heraus undnahm einen Schutzanzug aus einem der Aus-rüstungsschränke in der Wand. Danach fühl-te sie sich wohler.

In ihrem Helmlautsprecher klang dieStimme von Ronald Tekener auf. Sie melde-te sich.

»Sie werden mir später eine Erklärung da-für geben, weshalb Sie erst jetzt einenSchutzanzug angelegt haben«, sagte Tekenermit eisiger Stimme. »Greifen Sie das Dingsofort an und vernichten Sie es. Sorgen Sievor allem dafür, daß es keinen Kontakt zu ir-gendwelchen Stoffen bekommt, mit dessenHilfe es sich weiter stärken kann.«

»Ich werde tun, was ich kann, Sir.«Ronald Tekener schaltete ab. Nancy sah,

daß Transport und Medoroboter Dr. Hurtonübernommen hatten und wegbrachten. Erhielt die Augen auf. Sein Gesicht war vonSchmerzen verzerrt.

Nancy nahm einen schweren Desintregra-torstrahler von einem Offizier entgegen, deraus dem Antigravschacht kam.

»Da unten ist die Hölle los«, berichtet er.»Wir mußten uns vorläufig von dort zurück-ziehen. Jetzt versucht das Ding, die anderenDepots zu erreichen. Wenn es das schafft,dann wird es so riesig, daß es uns fertigma-chen kann.«

Ma begleitete den Offizier bis zu einemgroßen Schott, an dem bereits mehrere Män-ner auf sie warteten. Jetzt öffneten sie denZugang zu einem Depot, das bis auf kleineRestbestände leer war. Licht flammte auf.Nancy konnte den Spalt im Boden deutlichsehen. Aus ihm floß eine Masse hervor, diebereits einen Teil der noch vorhandenenBeutel überzogen hatte. Dort, wo sie ihreBeute bedeckte, pulsierte die lebende Sub-

stanz kräftig. Ihr Umfang wuchs von Sekun-de zu Sekunde, ohne daß für Nancy feststell-bar war, ob dafür ein Zufluß durch den Spaltim Boden oder das dehydrierte Fleisch ver-antwortlich war.

»Noch hat es uns nicht bemerkt«, sagteder Offizier. Mit befehlenden Gesten verteil-te er die Männer über die ganze Breite derHalle. Dann trat er einige Schritte vor, preß-te den Kolben seines schweren Thermo-strahlers in die Hüfte und löste die Waffeaus. Ein fingerdicker sonnenheller Energie-strahl schoß aus dem Projektor und erfüllteden Raum mit grellem Licht. Die Glutschlug in den Plasmaklumpen, der dieFleischbeutel eingeschlossen hatte. Einedichte Rauchwolke verfärbte sich und wurdeglutrot, sie warf Blasen von mehreren Me-tern Durchmesser. Obwohl der Offizier Dau-erfeuer gab, verlor sich die rote Färbung all-mählich wieder. Die Brandblase platzte undeinige Hautfetzen wirbelten durch die Luft.Dann bildete sich ein mächtiger Trichter, derdie Energieglut in sich aufnahm.

»Hören Sie auf«, rief Nancy. »Damit füh-ren Sie dem Ding Energie zu. Sie machen esnur noch stärker.«

Die Waffe erlosch.»Wir feuern alle gemeinsam. Geben Sie

jedoch nur kurze Feuerstöße ab«, befahl derOffizier.

Nancy wollte etwas einwenden, doch eswar schon zu spät. Eine Feuerflut aus zwan-zig Strahlwaffen schlug dem Ding entgegenund verfärbte es auf einer Länge von etwazwanzig Metern. Jetzt bäumte es sich auf.Dichte Wolken quollen aus der Masse her-vor und versperrten die Sicht. Als sie sichein wenig lichteten, sah Ma, daß riesigePlasmamassen aus dem Boden hervorquol-len und auf sie zubrandeten.

»Zurück«, schrie sie. »Schnell. Ziehen Siesich zurück.«

Männer hasteten an ihr vorbei, währendsie noch neben dem Offizier stehenblieb. Siehob ihren Desintegratorstrahler und zielteauf einen Pseudoarm, der sich ihr näherte.Er hatte einen Durchmesser von etwa zwei

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Metern und bildete an seinem vorderen Endearmlange Krallen aus.

Der grüne Energiestrahl fauchte mitten indie Masse hinein. Im ersten Moment schiensich nichts zu verändern, dann flutete dasDing in wellenförmigen Bewegungen zu-rück, während sich andere Arme Nancy vonzwei Seiten näherten.

Der Offizier riß sie mit sich zum Aus-gang. Dort blieb sie erneut stehen und schoßabermals. Auch jetzt erzielte sie den glei-chen Erfolg. Das Ding zog sich blitzschnellzurück. Dabei konnte Ma jedoch deutlich er-kennen, daß sich große Bezirke der Außen-schicht auflösten und zu Staub zerfielen.

»Das wirkt«, sagte sie erregt. »Das löst esauf.«

Niemand konnte sagen, ob das monströseWesen so etwas wie Intelligenz entwickelteoder nur instinktbewußt handelte. Tatsachewar jedoch, daß es ausgesprochen wütendauf den Desintegratorbeschuß reagierte. Esbildete in rasender Eile Hohlräume in sei-nem Körper und dehnte sich dadurch aus.Sein Volumen wuchs innerhalb von Sekun-den um mehr als die Hälfte. Dabei zerplatz-ten die vertikalen Trennwände wie Papier.

Mehrere große Wassertanks zerbrachen.Eine der Hauptwasserleitungen, die ringför-mig durch die wichtigsten Stationen herum-führten und die zentral gelegene Hauptzen-trale, die 38 atomare Kraftwerke und einigeandere lebenswichtige Bereiche versorgten,öffnete sich. Das Ding, das bisher unglaubli-che Mengen dehydrierten Fleisches, aber nursehr wenig Flüssigkeit in sich aufgenommenhatte, sog die Wassermengen auf wie einSchwamm. Dabei gewann es weitere Ener-gie, die es für seine Ausdehnung einsetzte.

Nancy und die Soldaten mußten sichfluchtartig zurückziehen, wenn sie nicht zer-quetscht werden wollten. Am Ende einesGanges, wo sie sich sicher fühlte, blieb siestehen und schaltete ihr Helmfunkgerät ein.Sie sprach das Kodewort und bekam die ge-wünschte Verbindung mit Ronald Tekenersofort.

»Sir«, sagte sie atemlos. »Die einzige

wirklich wirksame Waffe scheint der Desin-tegrator zu sein. Aber allein kommen wirjetzt nicht mehr aus. Wir benötigen die ge-samte Abwehrkraft von Quint-Center – oderdas Ding macht uns alle fertig.«

»Ich habe verstanden, Nancy. Von jetzt anübernehme ich die Leitung. Mir scheint, wirhaben das Problem bis jetzt etwas unter-schätzt.«

Ma atmete auf. Sie war froh darüber, daßTekener ihr die Verantwortung abnahm.

Noch einmal heulten die Alarmpfeifen inQuint-Center auf. Alle anderen Arbeitenwurden eingestellt. Der wichtigste Stütz-punkt der United Stars Organisation richtetesich auf den Abwehrkampf gegen ein Wesenein, das es noch niemals zuvor gegeben hat-te.

*

USO-Spezialist Thow Tanza rannte aufeinen Antigravschacht zu. Stuckey Folus zö-gerte noch, ihm zu folgen. Er blickte hinterdem pinguinähnlichen Wesen her, das ihnenklargemacht hatte, daß ihre Lage unhaltbargeworden war. Doch er hatte schon zu langegezögert. Bevor er es töten konnte, war esschon verschwunden.

Opa brüllte einen Befehl.Pa fluchte und rannte mit Riesensätzen

hinter ihm her. Noch hatten sie wahrschein-lich eine reelle Chance, die COMOTOOMOverlassen zu können. Die Zirkusarena fülltesich bereits mit Zuschauern, so daß in denunteren Bereichen des Schiffes ein Durch-einander herrschte.

Tanza riß ihn zu sich in den Antigrav-schacht.

»Das ist so ziemlich das Dümmste, wasuns passieren konnte«, stellte er fest.

»Hm, Opa, glaubst du, daß Nancy sichwirklich mit einem anderen Kerl …?«

»Ich habe jetzt andere Sorgen, als einenverliebten Knaben zu trösten«, antworteteTanza mürrisch.

Stuckey Folus blickte nach oben. Dortwimmelte es von Artisten, die ebenfalls zur

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Arena hinab wollten. An allen Schachtöff-nungen standen weitere Männer und Frauen,die nach einer Lücke in der Kette der nachunten gleitenden Menschen suchten.

Eine schier endlos lange Zeit verstrich,bis Pa und Opa den Lift endlich verlassenkonnten. Mit Riesenschritten strebten sieden Zugängen zur Arena zu. Von dort ausführten einige Gänge und weitere Lifts zuden Ausgängen, durch die sie das Schiff ver-lassen konnten.

Plötzlich heulten Alarmpfeifen auf. Tanzaund Folus hatten einen großen Vorraum er-reicht, in dem etwa fünfzig Artisten versam-melt waren und miteinander schwatzten.Schlagartig wurde es still.

»Was soll denn das?« rief eine jüngereFrau in ihrer Nähe. »Wieso starten wirdenn?«

»Los«, sagte Tanza leise. »Tempo.«Sie rannten auf einen der Ausgänge zu,

ohne sich um die anderen Künstler zu küm-mern.

»Das ist doch verrückt«, brüllte ein alsClown maskierter Mann. »Die Vorstellungsoll doch gleich beginnen.«

Jemand stellte Thow Tanza ein Bein. Erstolperte und stürzte zu Boden.

»Wo willst du denn hin?« fragte ihn eineTrapezkünstlerin und beugte sich über ihn.

Tanza sprang auf und folgte Folus, dereinen der Ausgänge erreicht hatte. DieSchotte schlossen sich hinter ihnen.

Da blieb Pa an einem Fenster aus meter-dicken Glassit stehen.

»Zu spät, Opa«, sagte er tonlos.Thow Tanza kam zu ihm. Durch die Öff-

nung konnten sie in die Arena blicken. Keineinziger Zuschauer befand sich auf den Sitz-reihen, die bereits eingefahren wurden.Nichts hätte deutlicher dokumentieren kön-nen, daß der Start unmittelbar bevorstand. Ineinigen der noch bedeckten Abstrahldüsenerwachte bereits das atomare Feuer, dennFolus sah, wie Verkleidungsmaterial in wei-ßer Glut zerfetzt und weggeschleudert wur-de.

Unter diesen Umständen konnten sie die

COMOTOOMO nicht mehr verlassen. Siewaren an Bord gefangen.

*

Als sie in die Halle zurückkamen, in dereben noch die Zirkusmitglieder gewesen wa-ren, erwarteten sie fünf Androiden.

Mit seelenlosen Gesichtern standen dieBio-Roboter vor ihnen. In den Händen tru-gen sie altertümliche Bolzenschußgeräte,wie sie zum Schlachten der Futtertiere be-nutzt wurden.

Einer der künstlichen Menschen trat aufsie zu und warf ihnen eine kleine Schachtelhin. Sie fiel vor Pa auf den Boden. Er bücktesich zögernd und nahm sie auf. Als er sie inden Händen drehte, entdeckte er eine kleineTaste daran.

»Los doch«, drängte Opa. »Drück sieschon runter.«

»Es könnte ein übler Trick sein.«»Mit dem Bolzenschußgerät könnten sie

uns auch umbringen, wenn sie es wollten.«Pa sah ein, daß Tanza recht hatte. Er

drückte die Taste.»Ich habe damit gerechnet, daß Sie versu-

chen würden, von Bord zu gehen, nachdemSie mit Pong gesprochen haben«, erklang ei-ne Stimme, die ihnen vertraut vorkam. »Siehaben sich zu spät zur Flucht entschieden.Kommen Sie deshalb sofort zu mir. FolgenSie den Androiden. Sie werden sie führen.«

»Au«, sagte Pa und ließ das Kästchen fal-len. Rauch kräuselte daraus hervor. Dannknallte es. Das Tonbandgerät verbrannte zuAsche.

»Werden Sie mit uns gehen?« fragte einerder Androiden.

»Wir kommen«, antwortete Thow Tanza.Der Androide gab den anderen einen

Wink. Sie steckten die Waffen weg und ent-fernten sich durch eine Nebentür, die wederPa noch Opa bis dahin aufgefallen war.

Sie schritten nachdenklich hinter demBioRoboter her, der ihnen die Nachrichtübermittelt hatte. Er führte sie zu einemschmalen Antigravschacht, in dem nur ein

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Mann zur Seite nach oben schweben konnte.Er flog ihnen voran. Folus schätzte, daß sieetwa siebzig Meter zurücklegten, bis sie aufeinen Vorraum hinaustraten. Drei Sino-Terraner saßen meditierend auf dem Boden.Ein kleines Räuchergefäß stand zwischen ih-nen und produzierte einen süßlichen Geruch.Die drei phantasievoll gekleideten Männerblickten durch sie hindurch, als seien sienicht vorhanden.

Über einen breiten Gang kamen sie weitervoran. Hier waren zahlreiche Künstler unter-gebracht, von denen einige vor ihren Unter-künften trainierten. Stuckey Folus machteeinem zwergenhaften Wesen undefinierbarerHerkunft Platz, der mit einem Swoon seineScherze trieb. Dabei wäre er fast mit einemtitanenhaften Ertruser zusammengeprallt,der im Rahmen eines gymnastischen Pro-gramms einen Flick-Flack turnte. Der Riesekonnte seinen Schwung beim abschließen-den Salto nicht ganz abfangen und landetemit ohrenbetäubendem Getöse in der offe-nen Tür eines Jongleurs, der mit Hilfe einesverborgenen Antigravgerätes mit dünnflüssi-gen Farben übte. Bei dem Zusammenprallgeriet seine mühsam aufgebaute Training-sordnung durcheinander. Die Farbbälle und -schleier zerplatzten und ergossen sich überden Kopf des Ertrusers.

Stuckey Folus hörte das Gebrüll des Er-trusers, das Protestgeschrei des Jongleursund das schadenfrohe Gelächter der anderenArtisten – und floh eilig hinter Tanza unddem Androiden her.

Sie hatten es nicht mehr weit. Schon nachetwa fünfzig Metern erreichten sie eine feu-errote Tür. Der Androide blieb stehen.

»Hier ist es«, sagte er und legte seineHand auf den Öffnungskontakt.

Pa sah als erstes das pinguinähnliche We-sen. Unwillkürlich trat er einen Schritt vor,aber Tanza packte ihn am Arm und hielt ihnzurück.

»Immer mit der Ruhe, Pa. Du wirst dochPong nicht den Hals umdrehen wollen?«

Sie betraten einen halbkreisförmigenRaum. Auf dem Boden stand eine Schale

mit glühender Kohle. Auf einem Rost brut-zelten drei große Steaks.

»Sie kommen gerade recht«, sagte AronYr, der Mann, dem sie das Leben gerettethatten. »Mögen Sie das Steak blutig oderlieber medium?«

»Wenn ich ganz ehrlich sein soll, dannhätte ich lieber Pong gegrillt«, antworteteStuckey Folus, »aber, bitte, vorher gerupft!«

»Scheusal«, schrie das pinguinähnlicheWesen schrill und schleuderte ein Ei nachPa, der es jedoch geschickt abfing.

»Nehmen Sie doch Platz«, bat Yr. »Esspricht sich leichter, wenn man sitzt.«

Tanza und Folus folgten der Aufforde-rung. Beide hätten nicht erwartet, an Borddieses Schiffes einen Raum wie diesen vor-zufinden. Daß sich jemand sein Essen selbstherrichtete, war schon ungewöhnlich. AronYr verzichtete darüber hinaus aber auch aufdie sonst übliche Plattenbeleuchtung und be-nutzte dafür Wachskerzen. An den Wändenhingen so viele Jagdtrophäen, daß die ein-zelnen Stücke schon nicht mehr auseinan-derzuhalten waren. Auch auf dem Boden la-gen Tierfelle, Knochen, Zähne, Geweihe,Krallen und Federn herum, so daß für diebeiden Gäste des Grauhaarigen nicht vielRaum blieb.

Yr deutete auf einen winzigen Monitor-schirm, der zwischen zwei gescheckten Fel-len zu erkennen war.

»Sehen Sie«, sagte er. »Die COMOTOO-MO hat sich schon weit von Smogoon IIentfernt. Jetzt ist es zu spät für Sie.«

»Ich verstehe nicht ganz, was das allessoll«, sagte Tanza aggressiv. »Es wird Zeit,daß Sie sich einmal klar äußern.«

»Soll ich das?« Der Alte schien maßlosüberrascht zu sein. Er nahm ein Steak vomRost, legte es auf ein Holzbrett und reichtees Stuckey Folus.

»Ich bitte darum«, erwiderte Pa.»Nun gut. Ich weiß, daß Sie USO-

Spezialisten sind.« Er lächelte hintergründigund weidete sich an ihrer Überraschung.»Pong hat es mir verraten.«

Da weder Folus noch Tanza etwas sagten,

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fuhr er fort: »Irgendwann mußte ja etwaspassieren. Ich habe damit gerechnet, daßMänner wie Sie hier erscheinen. Ich habe esgehofft.«

Er blickte Pa erstaunt an.»Sie essen ja gar nicht. Mögen Sie mein

Steak nicht. Es ist aus dem Rückenpanzer ei-ner Lach-Spinne.«

Folus schob das Brett zurück.»Ich warte lieber noch einen Augen-

blick«, entgegnete er und schluckte müh-sam. »Wissen Sie, Spinnen waren noch niemeine Spezialität.«

»Wie Sie meinen.« Aron Yr reichte Tanzaein Stück Fleisch, bediente sich dann selbstund aß laut schmatzend. »Es schmeckt wirk-lich vorzüglich.«

Opa probierte ein kleines Stück – undgriff dann kräftig zu.

Jetzt tat Folus es ihm gleich. Er schobsich ein großes Stück in den Mund, schnittein kleineres ab und bot es dem pinguinähn-lichen Wesen an.

»Ich esse nichts von einem Tier, das sichausschließlich von Würmern ernährt«, riefPong empört und verkroch sich in einerEcke.

Pa wurde blaß.»Von Würmern?« fragte er und schob das

Holzbrett abermals zurück.»Für mich ist das Endergebnis entschei-

dend«, erklärte Yr mit vollem Mund. »Wasdie Spinne gefressen hat, ist mir gleich.«

Pa brachte es nicht fertig, seine Abnei-gung gegen das Fleisch zu überwinden. Mitbleichem Gesicht beobachtete er die beidenMänner, die mit offensichtlichem Genußaßen.

Aron Yr starrte ihn an.»Ich bin Tierfänger«, berichtete er. »Seit

vierzig Jahren arbeite ich für diesen Zirkus,doch seit einiger Zeit geht hier etwas vor,was nicht in Ordnung ist. Ich weiß nicht,was es ist, aber es paßt mir nicht. Deshalbhabe ich Sie rufen lassen. Ich möchte Ihnenhelfen, den Laden auffliegen zu lassen.«

»Was können Sie uns an Informationengeben?« fragte Pa.

»Nicht viel«, gab Yr zu. »Oder besser,praktisch nichts. Aber ich kann Sie durchdas Schiff führen, ohne daß Sie entdecktwerden. Es gibt hier ein großes, geheimesLabor. Das dürfte für Sie interessant sein.«

Folus warf Pong einen Blick zu. Aron Yrmachte eine beruhigende Geste.

»Er verrät Sie nicht«, sagte er. »Viel ge-fährlicher ist Ro Batten, der Assistent vonAramore. Er ist Ihr erklärter Feind und mei-ner dazu. Er hat versucht, mich umzubringen– und er wird Sie auch noch in eine Fallelocken. Ich wünsche Ihnen nur, daß Sie dannsoviel Glück haben wie ich.«

*

Die GERAKINI befand sich in einerKreisbahn um den Planeten Smogoon II.

Die Alarmpfeifen heulten, als die COMO-TOOMO vom Raumhafen Terrakon startete.

Zu diesem Zeitpunkt befand sich derKommandant Corm Damagger nicht in derHauptleitzentrale. Er traf dort erst einige Se-kunden nach dem ersten Alarmzeichen ein.

»Die COMOTOOMO startet«, rief derCheffunker.

Der Kommandant eilte zu den Ortungsge-räten, obwohl er auf dem großen Haupt-schirm beobachten konnte, wie sich das Zir-kusschiff durch die Wolken über Terrakonschob.

»Sie beschleunigen mit Höchstgeschwin-digkeit«, sagte der Waffenleitoffizier. »Dasist schon fast nicht mehr zu verantworten.Sie …?«

Er blickte Damagger fragend an.»Abschießen?«Der Kommandant zögerte.Er wußte, daß Stuckey Folus und Thow

Tanza an Bord sein mußten. Wäre es ihnengelungen, das Schiff rechtzeitig zu verlas-sen, hätte er Nachricht bekommen.

»Nein«, entschied er. »Nicht schießen.«»Sir! Dann entwischt es uns.«»Wir versuchen, es aufzuhalten.«Doch er wußte, daß es schon zu spät dafür

war. Die COMOTOOMO jagte mit schnell

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wachsender Geschwindigkeit auf die Gren-zen des Kalvey-Systems zu. Dennoch gab erden Startbefehl. Die GERAKINI nahm dieJagd auf, obwohl die Chancen minimal wa-ren. Auch sie beschleunigte mit den größt-möglichen Werten.

Doch es war zu spät. Der Vorsprung desZirkusschiffes war bereits zu groß. BevorDamagger eingreifen konnte, ging es zumüberlichtschnellen Flug über und ver-schwand im Linearraum, wo sie ihm nichtmehr folgen konnten.

»Geben Sie sofort die entsprechendenMeldungen raus«, befahl der Kommandant.»Informieren Sie Quint-Center darüber, daßuns die COMOTOOMO entwischt ist.«

7.

Nancy Chessare wurde sich plötzlich des-sen bewußt, daß sie völlig allein war.

Eben noch hatte sie mitten in einer Grup-pe von Offizieren gestanden und den Ab-wehrkampf gegen das monströse Wesen be-sprochen. Dann aber hatte sie sich einigeSchritte von ihnen entfernt. Und jetzt war sieallein.

Sie kämpfte die aufsteigende Panik niederund zwang sich zur Ruhe. Rasch eilte sieeinen Gang entlang, der sie zu den anderenzurückführen mußte. Sie war noch keinezehn Schritte gegangen, als die Wand zu ih-rer Rechten aufplatzte, und sich eine blasige,graue Masse über den Gang ergoß. Sie schi-en zunächst zähflüssig, erstarrte dann abersehr schnell. Unter ihrem Druck bildetensich Risse im Boden und Decke. Langsamschob sich die Substanz auf sie zu.

Nancy wirbelte herum und floh in der ent-gegengesetzten Richtung davon. Sie kam je-doch nur etwa dreißig Meter weit. Unmittel-bar bevor sie eine Abzweigung erreichte, ex-plodierte die Wand zu ihrer Linken. Splitterdes hochverdichteten Materials prasseltengegen ihren Schutzhelm.

Ma versuchte einen Durchbruch. Sie woll-te sich mit einem Hechtsprung in den sichanschließenden Gang retten, doch der graue

Brei quoll so schnell durch die Öffnung her-aus, daß sich die Lücke zu früh für sieschloß.

Ratlos blieb Ma stehen und blickte sichum. Von beiden Seiten rückte das Monstruman sie heran. Die Hautoberfläche sah blasigaus. Unter ihr wirbelten Knötchen undFlecken herum und bildeten an vielen Stel-len vielfarbige Verfärbungen. Vereinzeltschoben sich tentakelartige Arme hervor, de-ren Enden suchend über die glatten Flächendes Ganges glitten.

Nancy schluckte.Sie hob den Desintegrator und löste ihn

auf die Stelle aus, die sie für die günstigstehielt. Das Protoplasma löste sich sofort zuStaub auf, während die Oberfläche in wildeBewegungen geriet. Das Ungeheuer schienSchmerzen zu verspüren. Ein Trichter bilde-te sich, in dem der grüne Desintegratorstrahlverschwand. Doch damit war in diesem Fallnichts zu machen. Wenn das Monstrum dieStrahlung tiefer in seinen Körper hineinließ,dann erreichte es damit nur, daß andere Be-reiche zerstört wurden.

Nancy schwenkte die Waffe hin und her.Sie wollte auf jeden Fall vermeiden, daß ihrunheimlicher Gegner einen Tunnel in sei-nem amorphen Körper bildete, durch dender Vernichtungsstrahl hindurchschoß, umwirkungslos auf der anderen Seite auszutre-ten.

Besorgt blickte sie auf die Energiekam-mer.

Sie konnte es sich nicht leisten, Dauerfeu-er zu geben.

»Achtung – hier spricht Chessare«, riefsie in ihr Mikrophon. »Ich bin eingeschlos-sen. Ich befinde mich auf dem GangRT336/BG und versuche, mir das Biest mitdem Desintegrator vom Leibe zu halten. Bisjetzt klappt es noch, aber das Magazin mei-ner Waffe ist nur noch halb voll.«

Eine harte Stimme meldete sich.»Wir haben Sie gehört, Nancy. Halten Sie

durch. Wir holen Sie schon heraus.«»Okay – ich schaffe es schon, Sir.«Sie lauschte der Stimme nach, während es

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ihr kalt über den Rücken heraufkroch. Siehatte ein Gespür für Zwischentöne. Deshalbhatte sie auch herausgehört, daß ihr Ge-sprächspartner selbst in erheblichen Schwie-rigkeiten steckte.

Was war passiert?Dehnte sich das Ungeheuer so schnell

aus, daß es nicht mehr zu bändigen war?Jetzt mußten doch längst Kampfroboter anallen Fronten eingesetzt worden sein. Siewar überzeugt davon, daß Ronald Tekenerkeine halben Sachen machte, sondern sofortmit den stärksten Waffen angriff, um radikalaufzuräumen. Quint-Center war in akuterGefahr. Da blieb keine Zeit für halbherzigeMittel.

Ein Stoß traf sie in den Rücken und warfsie zu Boden. Im Fallen drehte sie sich um.Zwei mächtige Tentakel glitten suchendüber sie hinweg. Noch schien das Wesenkeine visuellen Wahrnehmungsorgane aus-gebildet zu haben und sich aufs Tasten zuverlassen. Aber es schien, als ob es geradezuunheimlich schnell lernte.

Nancy riß ihre Waffe hoch und trennte diebeiden Tentakel mit dem Energiestrahl ab.Die Stücke fielen dumpf auf den Boden her-ab. Sie atmete auf, weil sie glaubte, sich einwenig Luft verschafft zu haben. Doch dannschrie sie auf.

Sie sah, daß die beiden Stücke ein eigen-ständiges Leben entwickelten. Sie warennicht tot, sondern breiteten sich zu fladen-förmigen Gebilden aus, die in wellenförmi-gen Bewegungen über den Boden krochen.Sie näherten sich ihr!

Nancy schaltete den Schutzschirm ihresAnzugs an. Ein kaum wahrnehmbares Flim-mern umgab sie. Keine Sekunde zu früh.

Die beiden Einzelwesen zerflatterten zuschleierartigen Gebilden und bäumten sichgleichzeitig auf. Dabei vereinigten sie sichund verschmolzen ineinander. Im nächstenMoment umschlossen sie das Mädchen voll-kommen. Sie erwartete, daß sie sich amEnergieschirm verbrennen würden, aber daswar nicht der Fall.

Nancy beobachtete, was um sie herum ge-

schah. Die Hauptmasse des Monstrums warjetzt vergessen, als sie erkannte, daß die bei-den Einzelwesen den Energieschirm zusam-menpressen wollten.

Sie lächelte.Sie fühlte sich sicher. Sie war fest davon

überzeugt, daß ihren Feinden das nicht ge-lingen würde.

»Sir, hier spricht Nancy Chessare«, sagtesie gefaßt.

»Haben Sie Geduld, Nancy«, bat der Offi-zier. Sie erkannte ihn an seiner Stimme.»Wir sind auf dem Wege zu Ihnen.«

»Ich melde mich nicht, weil ich ungedul-dig bin«, erwiderte sie, », sondern weil icheine interessante Beobachtung gemacht ha-be, wie ich meine. Das Wesen kann Einzel-teile abspalten, die unabhängig von ihm le-ben und handeln können. Zwei von ihnenversuchen gerade, mich umzubringen, abersie werden es nicht schaffen.«

»Einzelteile?« Ihr Gesprächspartner schi-en überrascht zu sein. »Das ist eine interes-sante Information, Nancy.«

Er bedankte sich und schaltete ab.Wieder lauschte Ma der Stimme nach,

und wieder beschlich sie ein unheimlichesGefühl. Sekundenlang wußte sie nicht, wa-rum, aber dann dämmerte es ihr. Sie erkann-te mit einem Schlage, warum der Offizier ihrnicht die Wahrheit gesagt hatte.

Das monströse Wesen hatte seine unheim-lichen Fähigkeiten längst auch an anderenOrten bewiesen.

Eine grauenhafte Vision entstand vor ih-ren Augen. Sie sah Tausende von fladenför-migen Einzelwesen, die sich von dem Unge-heuer abspalteten und Quint-Center überflu-teten. Sie sah sie bis in die geheimsten Win-kel des USOZentrums vordringen und allesLeben vernichten.

Einen einzigen Gegner konnte man wir-kungsvoll bekämpfen. Konnte man aberauch einen Feind besiegen, der sich plötzlichin eine Armee aus Einzelwesen aufspaltete,die durch Risse, Spalten und Fugen, durchSchloßöffnungen, Belüftungsschächte über-all hinkommen konnten?

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In einem Anflug von wildem Zorn feuerteNancy um sich und befreite sich von dergrauen Substanz, die sie umgab. Sie schoßin blinder Wut in die Wand hinein, die un-aufhaltsam näherrückte. Damit änderte sienur wenig. Sie zerstörte zwar große Teileder grauen Oberfläche, aber sie ändertenichts daran, daß der Brei ihr unaufhaltsamnäherrückte.

Sie sah sich um.Jetzt blieb ihr nur noch ein freier Raum

von etwa zwei Metern. Falls nicht innerhalbder nächsten Minute etwas zu ihrer Befrei-ung geschah, würde sie das gleiche Schick-sal erleiden wie der Sergeant, der mitsamtseinem Schutzanzug aufgesogen wordenwar. Unter dem ungeheuren Druck würdeselbst ihre Individualsphäre zusammenbre-chen.

Nancy schrie.Sie verlor die Kontrolle über sich und feu-

erte panikerfüllt um sich.

*

»28. 9. 2842«, murmelte Thow Tanza undließ den Arm sinken. Er strich mit dem Dau-men über sein Chronometer, das beschlagenzu sein schien. »Und was passiert.«

»Abwarten«, sagte Stuckey Folus.Er ging zum Automaten und zapfte sich

einen Kaffee ab.Die COMOTOOMO befand sich noch

immer im Linearraum. Vor wenigen Minu-ten waren die beiden Männer in ihre Unter-kunft zurückgekehrt. Sie blieben nicht langeallein.

Der Summer an der Tür ertönte. Pa öffne-te.

»Sie, Yr?« fragte er überrascht.Der Tierfänger schob sich eilig herein und

schloß die Tür hinter sich.»Ich habe mit Ihnen zu reden«, erklärte

er. »Eben habe ich erfahren, daß das Schiffden Linearraum verlassen wird. Der Hyper-funksender ist wieder ausgefallen. Wahr-scheinlich wird der Kommandant irgendwozwischen den Sternen darauf warten, daß die

Apparatur endgültig repariert wird.«»Was tun wir jetzt?« fragte Pa.Aron Yr setzte sich.»Geben Sie einen Kaffee aus. Aber, bitte,

keinen Zucker und keine Milch. Nur etwasRum. Das genügt.«

Folus reichte dem Alten, was er wünschte.»Was passiert jetzt?« fragte er.»Weiß der Teufel«, entgegnete der Tier-

fänger düster. Er schlürfte den Kaffee mitspitzen Lippen. »Zunächst einmal werdenSie Busch erklären müssen, weshalb Sie soüberstürzt von Bord gehen wollten. Und RoBatten wird auch neugierig sein.«

»Wir werden eine vernünftige Erklärungfinden«, versprach Opa. »Was ist mit Battenlos?«

»Er gehört zu den neuen Leuten«, antwor-tete Yr bereitwillig. »Er hat irgend etwas zu-sammen mit Aramore auf Smogoon II ge-trieben, und er glaubt, daß ich ohne seinWissen mit Aramore verhandelt und ihn da-bei betrogen habe.«

Er deutete mit der Kaffeetasse auf Pa.»Das glaubt er übrigens auch von Ihnen.«»Er irrt sich.«»Mag sein, aber das ist nicht mein Pro-

blem, sondern Ihres.«»Weiter. Was geschieht?«»Seien Sie nicht so ungeduldig, junger

Mann«, wies Yr Folus zurecht. »Wir werdensehr viel Zeit haben.«

»Wie meinen Sie das?«»Ich habe erfahren, daß es ziemlich

schlecht mit der Hyperfunkanlage aussieht.Der Kommandant scheint mit wenigstenszehn Tagen für die Reparatur zu rechnen.«Er grinste. »Ihnen steht also eine harte Zeitbevor, USO-Spezialist.«

»Wir wissen, daß wir hier in der Falle sit-zen«, sagte Stuckey Folus ärgerlich. »Siebrauchen uns nicht darauf hinzuweisen.«

Aron Yr zündete sich genüßlich eine Zi-garette an.

»Zunächst wird die Zirkusleitung sich et-was einfallen lassen müssen. Sie muß erklä-ren, weshalb es zu dem überstürzten Auf-bruch gekommen ist. Die Artisten sind unru-

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hig und rebellisch. Man wird also zunächsteinmal damit beschäftigt sein, sie zu beruhi-gen. Später wird man dann für sie mehr Zeithaben.«

Er blickte auf seine Armbanduhr.»Eine Stunde noch«, sagte er. »Dann wer-

de ich Sie zum Labor führen.«

*

Eine Stunde war nahezu verstrichen.Zu Yrs Überraschung hatte Stuckey Folus

sich auf eines der Betten gelegt und geschla-fen. Er wachte eine Minute vor Ablauf derFrist auf und war sofort frisch.

»Was ist, Alterchen?« fragte er provozie-rend. »Wollen wir hier noch ein paar Tageherumhocken, oder geht es jetzt los?«

Aron Yr erhob sich wortlos und gab ihneneinen Wink. Er öffnete die Tür und verließihre Unterkunft. Sie folgten ihm. Auf demGang standen zahlreiche Artisten herum unddiskutierten erregt miteinander. Sie hattensich noch immer nicht beruhigt, zumal dieSchiffsführung noch keine Erklärung für denüberhasteten Aufbruch gegeben hatte.

Es schien sehr viele Uneingeweihte anBord zu geben. Nur ein geringer Teil derBesatzung schien zu der Organisation zu ge-hören, der Pa und Opa das Handwerk legenwollten. Niemand achtete auf die drei Män-ner, als sie sich durch die Menge schoben.

Schon sehr bald merkten Tanza und Fo-lus, daß der Tierfänger sich wirklich sehr gutan Bord auskannte. Er benutzte Seitenver-bindungen und Nebengänge, von deren Exi-stenz nur jemand etwas wissen konnte, derschon sehr lange auf diesem Schiff lebte.Auf diese Weise drangen sie bis in denTriebwerksteil vor, der ihnen normalerweiseversperrt war. Nur wenige Männer arbeite-ten hier. Die meisten Aufgaben wurden vonRobotern erledigt.

Niemand achtete auf sie, und niemandhielt sie auf.

»Wir gehen nach unten?« fragte Tanza.»Warum?«

»Die Labors liegen doch weiter oben.

Sagten Sie das nicht?« fügte Pa hinzu.Aron Yr blieb stehen. Sie hatten einen

Rundgang erreicht, der auf der einen Seitedurch Glassitwände abgegrenzt wurde.Durch sie hindurch konnten sie auf diemächtigen Antigravprojektoren herabsehen,die beim Start und bei der Landung desSchiffes eingesetzt wurden.

»Ganz richtig«, erwiderte der Tierfänger.»Wir müssen jedoch einen Antigravschachterreichen, der seinen Zugang hier unten hat.Er führt bis in die Spitze des Schiffes hochund bringt uns dabei bis in die unmittelbareNähe der Laboratorien. Werden Sie nichtungeduldig. Es wird schwer genug sein zuerklären, was wir hier treiben, wenn wir er-wischt werden.«

Sie ließen sich von einem Band davontra-gen, sprangen aber schon bald wieder ab undschlüpften durch eine winzige Tür in eineReparaturkammer, in der ein buckligerMann an einem Werkstück arbeitete. AronYr wechselte hastig einige Worte mit ihm.Er starrte Tanza und Folus neugierig an,grinste und ließ sie passieren.

Endlich kamen sie zu dem erwähnten An-tigravschacht. Yr überprüfte ihn und stiegdann als erster hinein. Rasch glitten sie nachoben. Sie konnten die ganze Röhre über-blicken. Sie war matt erhellt. Niemand sonstließ sich in ihr transportieren.

Unmittelbar bevor sie den Laborbereichberührten, glitt über ihnen jemand in denSchacht. Yr drängte sie sofort zum nächstenAusgang hinaus. Er war erregt.

»Warten«, flüsterte er und blickte sich be-sorgt um. Folus hörte die Stimmen einigerMänner hinter den sich anschließendenSchotten.

Bange Minuten verstrichen, bis Yr denWeg endlich freigab. Es ging nur etwazwanzig Meter weiter, dann verließen sieden Schacht erneut. Lautlos eilten sie übereinen mit Teppichen belegten Gang bis zueiner kleinen Tür, die in eine winzige Kam-mer führte. Zwischen abgestellten Reini-gungsgeräten blieben sie stehen. Der Tier-fänger schloß die Tür hinter ihnen. Dann

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hantierte er an der Wand und nahm eine derVerkleidungsplatten ab. Ein Schacht öffnetesich, der gerade groß genug war, einenMann hindurchzulassen.

Ohne Erklärung kroch Yr hinein. Pa undOpa blieb nichts anderes übrig, als ihm zufolgen. Mühsam bewegten sie sich vorwärts,bis sie einen Verteiler erreichten, an demmehrere Schächte zusammenliefen. Yr wiesOpa an, sich in einen waagerecht abzwei-genden Gang zu begeben, schob sich selbstin einen anderen hinein und nahm dann imVerteiler selbst eine Bodenplatte heraus.Helles Licht fiel durch die entstandene Öff-nung herein. Stuckey Folus blickte durchdas Loch. Er konnte schräg in ein großes La-bor hinabsehen, in dem etwa zwanzig Män-ner und Frauen arbeiteten.

Unmittelbar unter ihm lag ein Androide,der von einem dunkelhaarigen Mädchen inseine Einzelteile zerlegt wurde. Sein Kopfwurde von einem Tuch bedeckt.

Pa erschauerte, als er die leere, ausge-schlachtete Hülle des menschlichen Körperssah.

*

»Nancy – bewahren Sie die Ruhe«, riefeine männliche Stimme. Ein ungeheuere Ge-lassenheit ging von ihr aus, die augenblick-lich auf sie überstrahlte.

»Ich bin schon okay, Mr. Tekener«, ant-wortete sie. »Es tut mir leid.«

Seltsam, wie groß der Unterschied undder Einfluß der beiden Stimmen auf sie war.Der Mann, mit dem sie vorher gesprochenhatte, war selbst viel zu erregt gewesen, umihr helfen zu können. Der Stellvertreter At-lans schien dagegen unerschütterlich zu sein.

Nancy sah, daß die graue Masse bis aufZentimeter von beiden Seiten an sie heran-gekommen war und sich über ihrem Kopfverband. Jetzt befand sie sich mitten in demDing.

Nur noch der Boden war frei.Ihr kam ein Gedanke. Vielleicht konnte

sie nach unten fliehen? Sofort feuerte sie mit

dem Desintegrator auf den Boden und lösteeine kreisförmige Platte heraus. Sie stürztenach unten und landete weich auf der elasti-schen Oberfläche des monströsen Wesens.Es hatte den Raum, in dem sie sich jetzt be-fand, bis auf wenige Zentimeter bis unter dieDecke gefüllt, von der noch Licht ausging,so daß Ma erkennen konnte, wo sie sich be-fand.

Die Halle hatte Ausmaße von etwa fünf-zig mal fünfzig Metern, und sie lag ungefährin der Mitte auf dem Ungeheuer. Nur für Se-kunden blieb sie unbehelligt, dann teilte sichdie graue Masse unter ihr und verschlucktesie.

Sie wartete ab. Erst als ihr Schutzschirmaufflammte, begann sie wieder zu feuern.Der Druck nahm sofort zu. Das Ding schienzu ahnen, daß es alle Gewalt anwendenmußte, wenn es sich behaupten wollte.

»Ich habe einen Fehler gemacht«, berich-tete Ma über Helmfunk. »Ich habe michdurch den Boden fallen lassen und befindemich jetzt eine Etage tiefer. Dadurch ist mei-ne Lage noch schlechter geworden.«

»Keine Sorge, Nancy, wir holen Sie den-noch raus«, versprach Tekener.

Ma fühlte, daß sie sich in dem Ding be-wegte.

Sie richtete den Desintegrator nach»unten« und schwenkte die Waffe leicht hinund her. Die positronische Steuerung ihresSchutzanzuges schuf die entsprechendenStrukturveränderungen, so daß der Desinte-gratorstrahl den Energieschirm nach außenhin passieren konnte.

Es war dunkel um sie herum. Sie konntenichts sehen. Der blaßgrüne Strahl erhelltenur ihre Beine ein wenig und verschwanddann sofort im Nichts. Der Energieschirmschimmerte nur wenig und spendete keinLicht. Das deutete darauf hin, daß er nichtmehr so stark belastet wurde.

Hatte das Ding den Versuch aufgegeben,ihn zu zerdrücken?

Sie hatte das Gefühl, immer schnellerdurch die amorphe Masse hindurchzuglei-ten. Sie glaubte, auf einem Schlitten zu lie-

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gen und durch das Nichts zu rasen, obwohlsie keinen Windzug verspürte. Immerschneller wurde die Bewegung.

Nancy schaltete die Waffe ab. Der grüneStrahl erlosch.

Augenblicklich wurde sie abgebremst. Ihrwar, als stürze sie aus großer Höhe in einAntigravfeld, das sie sanft abfing. Im näch-sten Moment flammte ihr Energieschirmwieder auf, als das Ding sie zerquetschenwollte.

Ma feuerte erneut.Sie erschrak. Der Desintegratorstrahl war

sehr dünn. Die Energiekammer war also fasterschöpft. Doch das Monstrum hatte ihr ge-zeigt, daß sie nicht nachlassen durfte. Wennsie den Beschuß abbrach, war sie verloren.Sie mußte kämpfen – vielleicht erreichte siedann ihr Ziel.

Unruhig beobachtete sie den grünenStrahl. Er verlor von Minute zu Minute anIntensität. Gleichzeitig aber stieg die Ge-schwindigkeit, mit der sie quer durch dieMasse bewegt wurde.

Wollte das Ding sie ausstoßen, weil sie esinnerlich zerstörte?

Plötzlich blickte sie in grelles Licht. Grü-ne Energiestrahlen umspielten sie.

»Aufhören«, brüllte jemand. »Das istdoch …«

Nancy wurde förmlich herausgeschleu-dert. Sie flog etwa zwei Meter weit und lan-dete vor den Füßen eines Mannes imSchutzanzug, der mit einem schweren Des-integrator auf die graue, wild pulsierendeMasse feuerte.

Er half ihr auf. Sie kannte ihn nicht.»Hier haben Sie eine neue Waffe«, sagte

er.Ma hatte keine Zeit, Erleichterung zu

empfinden. Sie nahm den Desintegrator,stellte sich in die Reihe der Männer und lös-te die Waffe aus. Zusammen mit den ande-ren ging sie langsam vorwärts, über denstaubbedeckten Boden hinweg, und feuerteauf das monströse Ding.

»So schaffen wir es«, sagte jemand nebenihr.

Nancy erinnerte sich daran, daß sie sichzurückmelden mußte.

»Mr. Tekener«, rief sie.»Ja, Nancy? Wo sind Sie?«»Das Biest wollte mich verspeisen«, be-

richtete sie, »aber es mochte mich dann dochnicht und hat mich ausgespuckt, weil ich esmit meinem Desintegrator geärgert habe.«

»Ich freue mich, daß Sie es geschafft ha-ben«, antwortete er knapp.

Sekunden später heulten die Alarmpfeifenabermals auf.

»Achtung – zur Information aller«, klangeine befehlsgewohnte Stimme in NancysHelmlautsprecher auf. »Unser Gegner gehtzu einer anderen Taktik über. Jetzt teilt ersich in Einzelwesen auf. Passen Sie auf, daßIhnen keines entgeht. In Abschnitt C/8 sindbereits siebenhundert kleine Fladen getötetworden. Wir rechnen damit, daß der Haupt-körper sich gleich in Einzelwesen auflöst.«

Die Warnung kam keine Sekunde zu früh.Nancy konnte kaum etwas sehen. Staub

und Wasserdampf verhüllten ihr die Sicht.Sie nahm gerade noch die wallende und pul-sierende Wand vor sich wahr, in die sie im-mer wieder hineinfeuerte. Dann aber verän-derte sich schlagartig etwas. Die Masse schi-en zu zersplittern. Kleine Bälle rollten überden Boden und versuchten, zwischen ihrenBeinen hindurchzukommen.

Diese Taktik erwies sich als äußerst ge-fährlich, da niemand auf den Boden schie-ßen konnte, ohne ihn damit gleichzeitig auf-zulösen und zu zerstören.

Nancy sah sich plötzlich bis zu den Knienin einer wirbelnden, quirlenden Masse ste-hen.

Zusammen mit den anderen Männernwich sie bis zum Ausgang zurück. Einer derOffiziere kniete sich hin und ließ den Ver-nichtungsstrahl dicht über den Boden hin-wegwandern.

Das half.Dennoch spitzte sich die Lage gefährlich

zu. Aus diesem Raum gab es zahlreicheFluchtmöglichkeiten, die niemand kontrol-lieren konnte. So sah Nancy, wie ein breiter

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Strang der lebenden Masse durch ein Belüf-tungsgitter hinausfloß.

*

Aron Yr zuckte zusammen.»Schnell«, sagte er. »Wir müssen zu-

rück.«Er deutete auf seine Armbanduhr, deren

Deckel er aufgeklappt hatte. Darunter zeigtesich ein miniaturisiertes Funkgerät.

»Einer meiner Freunde hat sie mir ge-schenkt. Ein Siganese«, erklärte er. Dabeischloß er die Platte, nachdem Tanza nocheinen letzten Blick durch die Öffnung ge-worfen hatte.

Zufrieden zogen sich die beiden Speziali-sten zurück. Sie waren unverhofft einen Rie-senschritt weitergekommen. Ganz ohneZweifel waren sie dem Geheimnis der Orga-nisation dicht auf der Spur.

Aron Yr drängte sie zur Eile. Sie hastetenzurück und erreichten ihre Unterkunft inner-halb von etwa zehn Minuten. Sie hatten sichkaum gesetzt, als Busch eintrat. Überraschtblickte er von einem zum anderen. Er schienden Tierfänger hier nicht erwartet zu haben.

»Ich habe gehört, daß Sie die COMO-TOOMO verlassen wollten«, sagte er zuThow Tanza.

»Unsinn«, antwortete Opa mürrisch. »Wirwurden vom Start lediglich überrascht.Schließlich hat uns niemand gesagt, daß wirSmogoon II so schnell verlassen würden,sonst hätte ich die Sachen, die dort noch imHotel liegen, mitnehmen können.«

»Sie verdienen hier gut«, sagte der Perso-nalchef. »Den kleinen Verlust werden Sieschon verschmerzen.«

»Sie haben ja keine Ahnung«, erklärteTanza ärgerlich.

Er erhob sich und ging auf den kleinenMann zu. Drohend blickte er auf ihn herab.

»Sie werden für den Schaden aufkommen,Busch«, sagte er. »So können Sie mit unsnicht umspringen.«

»Wir werden darüber reden«, erwiderteder Personalchef versöhnlich. »Wir haben ja

noch Zeit genug.«Damit zog er sich zurück. Er war offen-

sichtlich zufrieden mit den Auskünften, dieTanza ihm gegeben hatte. Opa blickte Yrfragend an.

»Haben Sie gewußt, daß er uns aufsuchenwollte?«

»Ich habe so meine Verbindungen«, er-klärte der Tierfänger mit einem verstecktenLächeln. Er schob Folus die Kaffeetasse hin.»Der Sud war in Ordnung, Pa. Es war nurein bißchen zu wenig Rum darin. Wollen Siedas bitte korrigieren?«

»Und Sie wollen bitte darauf verzichten,uns Pa und Opa zu nennen«, entgegneteStuckey Folus scharf.

»Ich werd's mir überlegen, Pa.«Die drei Männer blickten sich an. Aron Yr

grinste breit, und jetzt zeigte sich selbst aufden Lippen von Thow Tanza ein kleines Lä-cheln.

*

An den nächsten beiden Tagen ergab sichkeine Gelegenheit, den Vorstoß zu den La-boratorien zu wiederholen. Die drei Männerwaren sich einig darüber, daß sie mehr überdas erfahren mußten, was sich dort abspielte.Deshalb versuchte Aron Yr ständig, ihnenneue Wege zu eröffnen.

Vergeblich.Schuld daran waren die Artisten. Sie wa-

ren unruhig und rebellisch. Die COMO-TOOMO schwebte irgendwo zwischen denSternen, weitab von den Schiffahrtslinienund ohne Verbindung zu anderen Raumern.Niemand hatte den Zirkusmitgliedern eineausreichende Erklärung für den Alarmstartvon Smogoon II gegeben. So war es zu eini-gen Übergriffen gekommen, als einigeKünstler eine Besprechung mit den verant-wortlichen Offizieren und dem Direktoriumdes Zirkusunternehmens gefordert hatten.

Es war nicht zu der Konferenz gekom-men. Die Schiffsleitung hatte ein Heer vonbewaffneten Mannschaften und Roboternüber das Schiff verteilt, so daß es für Tanza,

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Folus und Aron Yr unmöglich wurde, sichunbeobachtet bis in die Bereiche des Schif-fes vorzuwagen, die für sie von Interessewaren.

Sie mußten warten, so wie Aron Yr esvorausgesagt hatte.

Fünf quälend lange Tage verstrichen.Pa und Opa harrten aus. Ab und zu gingen

sie in den KaußKäfig, um ein Training zuabsolvieren, aber sie arbeiteten lustlos undohne Druck. Die echten Artisten verhieltensich nicht anders. Einige stellten die Übun-gen aus Protest ganz ein.

»Wenn wir es geschickt anstellen, könn-ten wir einen Aufstand organisieren«, sagteder Tierfänger. »Wir könnten die ganzeBande von Bord jagen und das Schiff über-nehmen.«

Opa schüttelte den Kopf.Darauf kam es ihm nicht an. Er glaubte

auch nicht daran, daß es damit getan war.Befanden sich die Drahtzieher der Organisa-tion überhaupt an Bord? Fraglos gab es auchhier jene geheimnisvollen Gallertkügelchen,die zuerst auf Plophos in den Organbankenaufgetaucht waren. Aber welche Aufgabehatten sie hier zu erfüllen?

Am Abend dieses Tages meldete sich derunbekannte Verbündete des Tierfängers wie-der. Yr klappte seine Armbanduhr auf undblickte starr auf das Funkgerät. Mehrere far-bige Punkte daran leuchteten rhythmischauf.

»Es ist etwas passiert«, sagte er erregt.»Ich muß zu den Tiergehegen.«

Er sprang auf und eilte davon, bevor Tan-za oder Folus ihn halten konnten.

»Wir gehen ihm nach«, entschied Opa.Der Tierfänger hatte den Liftschacht

schon wieder verlassen. Er hatte sich alsonicht sehr tief absinken lassen. Die beidenSpezialisten suchten die Gänge der Etageunter ihrem Appartement ab, konnten ihn je-doch nicht finden. Auch auf dem nächst-tieferen Deck schien er sich nicht aufzuhal-ten. Wohl oder übel schwebten sie weiternach unten und erreichten damit die erstenTiergehege. Sie hörten das Gebrüll einiger

Tiere.»Hier ist es«, sagte Opa und stürmte vor-

an. Ein Wachroboter, der den Gang sichernsollte, ließ sie anstandslos passieren.

Sie stießen auf eine Panzerglassitwand,die den Gang abschloß. Fieberhaft suchtensie nach dem Kontakt, mit dem sie denTransportmechanismus in Bewegung setzenkonnten, der das Hindernis zur Seite schob.Sie konnten hinter weiteren Wänden zweischemenhafte Gestalten erkennen, die mit-einander kämpften.

Fast eine volle Minute verstrich, bis Tan-za auf den entscheidenden Gedanken kam.Er drehte sich herum und rief dem Wachro-boter zu:

»Mach den Weg frei. Schnell!«Die Wand setzte sich in Bewegung. Sie

glitt zur Seite weg.Die beiden Männer stürmten weiter. Die

anderen Glassitschotte ließen sich einfachbeseitigen. Sie brauchten nur einen Fingergegen einen Kontaktschalter an der Wand zulegen.

Als sie die Stelle erreichten, an der sie diebeiden Männer zuletzt gesehen hatten, fan-den sie nur noch Pong, das pinguinähnlicheWesen, vor. Es lag mit durchtrennter Kehleauf dem Boden.

»Tot«, sagte Pa.»Ja, er hat es umgebracht«, rief Aron Yr,

der aus einer Seitentür auftauchte. Er hatteblutige Striemen auf der Stirn. Seine Klei-dung hing in Fetzen an ihm herunter. Er-schöpft kam er auf die beiden Männer zu.Dabei berührte er einen unsichtbaren Kon-taktstrahl. Plötzlich erhob sich eine Energie-wand vor ihm. Er streckte die Hände ausund tastete sie überrascht ab.

Da öffnete sich ein breiter Spalt im Bo-den. Aron Yr wich entsetzt zurück. Mit ge-weiteten Augen starrte er auf Thow Tanza,als könne er nicht begreifen, was geschah.

»Eine Kauß-Schlange«, sagte Stuckey Fo-lus erregt, als der Kopf des Tieres nebendem Tierfänger erschien. »Opa – das giltdir!«

Thow Tanza mühte sich vergeblich ab,

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die Energiewand zu durchdringen oder siezu beseitigen. Sie stand als unsichtbaresHindernis zwischen ihm und Aron Yr, ohnedaß er etwas tun konnte.

Der Alte wich zurück. Er wußte offen-sichtlich nicht, was er tun konnte, um sichzu retten.

»Das kann eigentlich nur Ro Batten getanhaben«, sagte Folus. »Er will Aron umbrin-gen und uns die Schuld daran in die Schuheschieben.«

»Und ich fürchte, das schafft er auch«, er-widerte Opa zornig. Er wandte sich um undeilte zu dem Roboter zurück. Folus sah, daßer auf ihn einredete, aber er hatte keineHoffnung, daß der Automat Aron Yr wirk-lich helfen konnte.

Doch er irrte sich.Die Maschine handelte. Plötzlich löste

sich das Prallfeld in ein Nichts auf. Tanzakonnte bis zur Schlange vordringen. Er riefihr einen scharfen Befehl zu, der sie zurück-trieb, obwohl sie hochgradig erregt war.

Dann baute sich plötzlich ein neues Ener-giefeld auf. Es trennte Tanza von der Kauß,die sich ebenso überraschend zu einem An-griff hinreißen ließ. Er scheiterte an demEnergiefeld.

»Das begreife, wer will«, sagte Aron Yr.Er kam zu Thow Tanza und griff nach sei-

nem Arm.»Lassen Sie uns möglichst schnell von

hier verschwinden«, empfahl er. »Das hiergeht nicht mit rechten Dingen zu.«

Opa blickte sich um. Die anderen Tierge-hege waren leer. Von keiner Seite schienGefahr zu drohen. Von der Schlange, diesich immer wieder wütend gegen das Prall-feld warf, ließ er sich nicht mehr beein-drucken.

Da öffnete sich eine Tür. Die Schotte glit-ten zur Seite, und Ro Batten trat ein. Ermachte einen gehetzten Eindruck. Verblüfftblieb er stehen, als er Tanza und den Tier-fänger sah. Er schien weder den einen nochden anderen hier erwartet zu haben. Aron Yrfluchte. Er ging auf den ehemaligen Assi-stenten des verunglückten Kauß-Dompteurs

zu, kam jedoch nicht weit, da die Energie-wand ihn aufhielt.

In diesem Augenblick erfaßte Batten dieSituation. Er fuhr herum und floh, doch erkam nicht weit. Die mächtige Schlange stießblitzschnell zu und tötete ihn.

Sekunden später trafen etwa zwanzig be-waffnete Männer ein. Unter ihnen befandensich einige Offiziere. Sie führten Yr, Tanzaund Folus ab, während zwei von ihnen dieKauß mit Energieschüssen erledigten.

Stuckey Folus musterte Aron Yr undThow Tanza, als sie in einem großen RaumPlatz nahmen. Neben und hinter ihnen stan-den Kampfroboter und einige bewaffneteMänner. Vor ihnen saß ein Offizier hinter ei-nem Schreibtisch.

Opas Gesicht schien wie aus Stein ge-schlagen zu sein. Kein Muskel bewegte sichin ihm. Aron Yr dagegen sah unendlich mü-de aus. Er schien die Augen kaum noch of-fenhalten zu können.

»Ich hoffe, Sie können mir die Vorgängeim Tiergehege erklären«, begann der Offi-zier.

»Wenn's weiter nichts ist«, sagte der Tier-fänger und gähnte herzhaft. »Was wollenSie denn wissen?«

Pa beobachtete ihn.Noch wußte keiner von ihnen, worum es

wirklich ging. Hatte die Schiffsführung et-was über sie herausgefunden? Ganz offen-sichtlich stand ihnen ein eingehendes Verhörbevor. Worum ging es? Um den Tod RoBattens? Oder ging es um ihren Ausflug zudem geheimen Labor? Hatte der sterbendePong noch etwas über sie verraten?

Voller Spannung wartete Folus auf die er-ste Frage des Offiziers.

*

Nancy Chessare atmete auf.Sie war überzeugt davon, daß sie es ge-

schafft hatten, das monströse Wesen zu be-siegen, das ganz Quint-Center bedroht hatte.Jetzt galt es nur noch, die vielen Einzelkör-per zu töten, die sich von dem Riesen abge-

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zweigt hatten. Das aber konnte nicht mehrihre Aufgabe sein.

Sie blickte auf den Staub, der den Bodenbedeckte. Das war alles, was von dem amor-phen Ding übriggeblieben war. Sie ließ ih-ren Desintegrator sinken. Das Energiemaga-zin war leer.

Ma drehte sich um und verließ den Raum.Mit müden Schritten ging sie in ein großesLabor, um hier ihre Waffe abzulegen. In denAusrüstungsschränken lagen nur noch einigeParalysestrahler.

Sie wollte gerade ihren Helm zurückklap-pen, als sie zwischen den Tischen eine sche-menhafte Bewegung bemerkte. Beunruhigteilte sie zu einem Schrank, von wo aus siebesser sehen konnte. Sie erschrak, als sie et-wa dreißig fladenförmige Gebilde entdeckte,die sich um Verstecke zu bemühen schienen.Jetzt aber waren auch sie aufmerksam ge-worden. Sie flossen zusammen und ver-schmolzen miteinander, um dann auf dasMädchen zuzugleiten. Nancy sah keineMöglichkeit, sich gegen den Angreifer zuwehren. Sie drehte sich um und floh auf dennächsten Ausgang zu, doch schon nach we-nigen Metern packte sie ein Tentakel amFuß und riß sie zu Boden.

Ma stürzte und sprang sofort wieder auf,doch ihr Gegner gab sie nicht mehr frei. DieMasse überschwemmte sie von den Füßenbis zum Kopf und übte sofort Druck auf sieaus, den sie durch den Schutzanzug hin-durch deutlich zu spüren bekam.

Instinktiv warf Nancy sich nach vorn. Siekonnte nichts mehr sehen, fühlte aber mitden Händen, daß sie einen Schrank erreichthatte. Sie umklammerte einen Paralysatorund löste ihn aus.

Ein konvulsivisches Zucken durchlief denSchleimkörper, obwohl nur ein kleiner Teilvon ihm getroffen worden war. Nancy konn-te plötzlich wieder sehen, und sie beobachte-te, daß ein Fladen von ihr floh.

Sie richtete sich auf, zielte auf das Dingund schoß. Es erstarrte.

Jetzt richtete Ma die Waffe auf ihr Bein,das noch immer von dem amorphen Wesen

umspannt wurde. Wieder löste sie den Para-lysator aus – und brach zusammen, weil sieselbst von dem Schock getroffen wurde. Zu-gleich aber fiel das monströse Wesen vonihr ab, rann auf dem Boden zu einemzuckenden Fladen zusammen und verharrtedort.

»Hier spricht Nancy Chessare«, meldetesie sich über Helmfunk. »Ich glaube, ich ha-be eben eine wichtige Beobachtung ge-macht. Unser alter Freund, das Plasmawe-sen, reagiert hervorragend auf Paralysebe-schuß. Es wird gelähmt und ist dann hilflos.Man kann es dann mühelos mit dem Desin-tegrator beseitigen.«

Durch die Tür kamen vier Männer herein.Sie eilten zu Nancy und halfen ihr hoch. Ei-ner von ihnen reichte ihr einen kleinerenDesintegrator und sie ließ es sich nicht neh-men, das paralysierte Wesen damit aufzulö-sen. Eine staubgefüllte Mulde blieb im Bo-den zurück.

Sie setzte sich auf einen Hocker und mas-sierte sich das gefühllose Bein, während dieMänner das Labor bis in den letzten Winkelhinein durchsuchten. Sie entdeckten nochvier weitere Ableger und vernichteten sie.Anschließend versiegelten sie die Belüf-tungsgitter, um zu verhindern, daß der Raumerneut verseucht wurde.

Ma zweifelte jetzt nicht mehr daran, daßdie Gefahr für Quint-Center behoben war,aber sie behielt den Schutzanzug noch anund legte auch die Waffe noch nicht ab.

Sie erhob sich und ging humpelnd hinaus.Dr. Alf Hurton kam ihr entgegen. Auch er

trug einen Schutzanzug. Durch den Helmschimmerten die Verbände um seinen Kopf.Das rechte Bein zog er deutlich nach, undsein Rücken war gekrümmt.

Er blieb vor ihr stehen und lächelte ihrmühsam zu.

Sie blickte ihn forschend an. »Wo sindSie denn die ganze Zeit gewesen?«

»Ich?« Er gab sich erstaunt. »Ich hatteeinen anstrengenden Flirt mit einer Kran-kenschwester. Was, meinen Sie, hätte michdenn sonst so lädieren können?«

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»Ist das das Mädchen?« fragte Ma unddeutete auf etwas, daß sich hinter Dr. Hurtonbefand.

Er drehte sich ächzend um und starrte aufden Medorobot, der mit ausgestreckten Ar-men auf ihn zufuhr, um ihn zu stützen. DerKybernetiker blieb ruhig stehen und wartete,bis der Roboter ihn erreicht hatte.

»Muß Kranksein früher schön gewesensein«, sagte er seufzend. »Stellen Sie sichvor, Nancy, es hat einmal eine Zeit gegeben,in der sich richtige Mädchen um die Kran-ken gekümmert haben. Können Sie sich dasüberhaupt vorstellen?«

Nancy lächelte.»Alf, Sie leben einfach in einer falschen

Zeit«, sagte sie. »Ich an Ihrer Stelle würdeich mich als Spezialist ausbilden und dannvon Atlan ins zwanzigste Jahrhundert zu-rückschicken lassen.«

»Geht denn das?« fragte Dr. Hurton inter-essiert.

Nancy Chessare antwortete nicht. Siekonzentrierte sich auf die Nachricht, die vonder Sicherheitszentrale von Quint-Centerausgestrahlt wurden.

Die USO-Zentrale konnte aufatmen. DieGefahr war gebannt.

8.

Thow Tanza, Stuckey Folus und Aron Yrmußten Verhöre über sich ergehen lassen,die Stunden währten. Dabei zeichnete sichjedoch sehr bald ab, daß die Offiziere derCOMOTOOMO nichts gegen sie in derHand hatten.

Als die drei Männer schließlich in ihreUnterkünfte zurückkehren konnten, standfür sie fest, daß die Schiffsführung nichtmehr erfahren hatte, als sie durfte.

Tanza und Folus blieben nur wenige Mi-nuten allein. Dann kam der Tierfänger zu ih-nen.

»Ich halte es in meiner Bude nicht aus«,gestand er. »Pong fehlt mir.«

Plötzlich zuckte er zusammen. Er bücktesich und drückte die Fingerspitzen gegen

den Boden.»Es geht weiter«, sagte er. »Die COMO-

TOOMO fliegt weiter. Ich kann die Erschüt-terungen fühlen, die der Antrieb verur-sacht.«

»Wissen Sie, wohin das Schiff fliegt?«fragte Folus.

Yr nahm sich einen Becher und bedientesich selbst am Kaffeeautomaten.

»Ich habe nicht die Spur einer Ahnung,wohin man sich jetzt wendet. Ich habe nurein verdammt schlechtes Gefühl. Es tut sichwas an Bord – und es ist nichts Gutes.«

Thow Tanza gestikulierte unwillig.»Darauf verlassen wir uns lieber nicht«,

sagte er schroff. »Wir werden versuchen,noch einmal zu dem Androidenlabor zukommen. Wir müssen mehr über das erfah-ren, was dort vorgeht. Wann brechen wirauf?«

»In vierundzwanzig Stunden«, antworteteYr gelassen. »Vielleicht hat sich dann allesein wenig beruhigt.«

»Wir werden keine Zeit verschenken«,entschied Opa. »Wir gehen sofort, wenn SieIhren Kaffee ausgetrunken haben.«

Aron Yr setzte den Becher ab.»Sie machen einen Fehler, Opa.«»Das wird sich zeigen.«Zehn Minuten später verließen sie das

Appartement, doch dann zeigte sich, daß derTierfänger recht gehabt hatte mit seinen Be-denken. Wohin sie sich auch wandten, über-all stießen sie auf Wachen. Überall wurdenKontrollen durchgeführt.

Unter den gegebenen Umständen wurdees zu gefährlich, Nachforschungen zu betrei-ben. Sie kehrten in die Unterkunft zurück,die man Tanza und Folus angewiesen hatte.Aron Yr blieb bei den beiden Spezialisten.Sie mußten warten, bis sich die Situation anBord besserte, und der Argwohn ihrer Geg-ner sich legte.

Zwanzig Stunden später landete die CO-MOTOOMO.

Thow Tanza, Stuckey Folus und Aron Yrgesellten sich zu den Männern und Frauen,die auf die Gänge hinausgeeilt waren und

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über die neue Lage diskutierten. Niemandwußte, wo man sich befand. Einige Männerberichteten, die COMOTOOMO habe einevon Arkoniden besiedelte Welt erreicht, undeine Serie von Vorstellungen sei geplant.Andere behaupteten, das Schiff stehe auf ei-nem Plateau auf einer unbesiedelten Welt.

»Gerüchte«, stellte Tanza abfällig fest.»Damit läßt sich nichts anfangen. Kommt –wir versuchen es noch einmal.«

Aron Yr machte Einwände geltend. Erglaubte nicht daran, daß sie noch einmal biszu den Laboratorien vorstoßen konnten under sollte recht behalten. Roboter schirmtendie verschiedenen Schiffsbereiche ab undließen niemanden passieren.

Dann endlich meldete sich die Schiffsfüh-rung. Einer der leitenden Offiziere teilte denArtisten mit, alle hätten sich in der Arenaeinzufinden.

Die Unruhe wuchs.»Zum Teufel«, fluchte der Tierfänger.

»Jetzt werfen sie uns alle raus.«»Abwarten«, riet Stuckey Folus. »Noch

ist es nicht soweit.«Sie nahmen einige wichtige Sachen an

sich und stellten sich dann in die Schlangeder Artisten, die darauf warteten, in einemder Antigravlifts nach unten zu kommen.Als sie die Arena erreichten, war diese nahe-zu gefüllt.

Zwei Stunden verstrichen, ohne daß etwasgeschah. Roboter und Mannschaften brach-ten immer noch mehr Männer und Frauen indie Arena. Offensichtlich hatten viele denBefehl des Kommandanten mißachtet undwaren in ihren Quartieren geblieben.

Aron Yr stand zusammen mit den beidenSpezialisten in der Nähe eines Liftschachts.Er war überrascht, als Busch, der Personal-chef, zu ihm kam.

»Komm mit, Aron«, sagte er. »Wir habennoch etwas zu bereden.«

Der Tierfänger zögerte. Busch wiederhol-te seine Worte, faßte nach seinem Arm undzog ihn mit sich.

»Ich will endlich wissen, was los ist«, riefYr wütend. »Vorher gehe ich nicht mit.«

»Wir haben einen wichtigen Auftrag fürdich«, erklärte Busch.

Die beiden Männer verschwanden imLiftschacht.

Ein großer Bildschirm hoch über der Are-na erhellte sich. Zugleich glitten die Panzer-schotte zu den Antigravschächten zu. DasGesicht eines Mannes erschien auf demBildschirm.

»Hier spricht der Kommandant«, hallte ei-ne mächtige Stimme durch das Rund.»Verlassen Sie die Arena jetzt durch dieAusgänge. Gehen Sie sofort hinaus und ent-fernen Sie sich wenigstens fünfhundert Me-ter vom Schiff.«

Ein wildes Geschrei antwortete ihm. Kei-ner der Männer und Frauen bewegte sichvon seinem Platz. Niemand folgte der An-ordnung, bis der Kommandant erneutsprach: »In wenigen Minuten werden wir dieAntriebe einschalten. Wer sich dann noch inder Arena aufhält, wird verbrennen. GehenSie jetzt.«

Tanza und Folus fürchteten, eine Panikwerde ausbrechen, aber das Gegenteil warder Fall. Jetzt begriffen die Artisten, was be-absichtigt war, und sie sahen zugleich ein,daß alle Proteste wirkungslos verhallen wür-den. Sie befanden sich jetzt schon außerhalbdes Schiffes – und damit waren sie macht-los.

Der Auszug der Artisten begann.Thow Tanza und Stuckey Folus wußten,

daß sie über Monitoren beobachtet wurden,dennoch versuchten sie, einen Weg zu fin-den, der ins Schiff zurückführte.

Vergeblich.»Das wär's«, sagte Tanza resignierend.

»Wir haben uns hereinlegen lassen.«Unter den gegebenen Umständen blieb ih-

nen nichts anderes übrig, als sich dem Stromder Artisten nach draußen anzuschließen.

Als sie die Arena verließen, konnten siedas verwahrloste Landefeld sehen, auf demdie COMOTOOMO gelandet war. Ein gutesDutzend verfallener Hütten stand an seinemRand. Technische Einrichtungen irgendwel-cher Art waren nicht zu erkennen.

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Tanza und Folus bewegten sich in demStrom der Menschen, die niedergeschlagenauf die Hütten zustrebten.

»Die Nichteingeweihten werden abge-setzt, damit die Verbrecher unter sich sind«,sagte Pa enttäuscht.

Thow Tanza antwortete nicht. Er grübeltedarüber nach, wie sie es schaffen konnten,wieder an Bord zu kommen. Für ihn warselbstverständlich, daß sie nicht hier bleibendurften. Ihre Aufgabe war es, ein Verbre-chen von galaxisweiter Bedeutung aufzuklä-ren, und das konnten sie nur an Bord derCOMOTOOMO tun.

Vorläufig aber schien es unmöglich zusein, das Schiff wieder zu betreten.

»Sie haben uns nichts an Ausrüstungenmitgegeben«, stellte Pa fest »Sie machensich keine Gedanken darüber, was aus die-sen Menschen wird.«

Sie reihten sich nicht in die Kette derMänner und Frauen ein, die bei den Hüttenstanden, sondern gingen am Landefeld ent-lang, bis sie allein waren. Folus setzte sichauf einen umgestürzten Baum.

»Ich habe keine Ahnung, wie's weiterge-hen soll«, sagte er.

Thow Tanza stand neben ihm. Er starrtezum Raumschiff hinüber.

»Ich möchte wissen, was sie mit Aron an-gestellt haben. Ich begreife nicht, was siemit ihm wollen. Er kann nicht zu ihnen ge-hören.«

Sie warteten.Ihre Befürchtung, daß die COMOTOO-

MO sofort wieder starten werde, erwies sichals verfrüht. Das Zirkusschiff blieb auf demLandefeld. Aus einigen Luken ragten dieLäufe von Energiekanonen heraus. Sie de-monstrierten deutlich, was die Schiffsfüh-rung zu unternehmen gedachte, wenn dieAusgebooteten sich nicht fügten.

»Wir müssen uns einen Trick einfallenlassen«, empfahl Thow Tanza.

Als Stuckey Folus nicht antwortete, dreh-te er sich zu ihm um. Pa lag im Gras undschlief.

Opa ließ eine halbe Stunde lang gewäh-

ren, dann stieß er ihn mit dem Fuß an.»He, Pa«, rief er erregt. »Der Tierfänger

verläßt das Schiff.«Stuckey Folus sprang auf und war sofort

hellwach. Er sah einen Gleiter, der inschneller Fahrt auf sie zu kam.

»Tatsächlich, das ist Aron!«Der Tierfänger näherte sich ihnen schnell,

landete bei ihnen und rief: »Wollt ihr ein-steigen?«

Die beiden Spezialisten ließen sich nichtlange bitten. Sie setzten sich neben ihn. Erbeschleunigte sofort wieder. In hoher Fahrtraste die Maschine über das Blätterdach desUrwalds hinweg auf die Berge zu.

»Was ist passiert?« fragte Folus.»Ich weiß es nicht«, antwortete Yr. »Sie

wollen, daß ich Fleisch mache.«»Das verstehe ich nicht.«»Busch hat mir erklärt, daß die Nahrungs-

mittelbestände durch einen Fehler in derKühlanlage verdorben sind. Die Besatzunghat nicht mehr genügend zu essen. Ich solljetzt einige Großtiere fangen und zum Schiffbringen. Man wird sie schlachten und einla-gern. Auch die Wasserbestände müssen er-neuert werden.«

»Und dann?«»Busch behauptet, ich dürfe an Bord blei-

ben, aber daran glaube ich nicht. Ich habeauch keine Lust, mit diesen Leuten zusam-menzuarbeiten.«

»Warum gehen sie nicht selbst auf dieJagd?«

»Weil sie zu wenig davon verstehen, Pa,und weil sie zuviel an Bord zu tun haben.«

»Werden Sie ihnen die Tiere liefern,Aron?«

Der Tierfänger lachte schallend.»Ich bin doch nicht verrückt! Ich verduf-

te!«

*

Aron Yr zeigte auf die riesigen Tiere, diesich in den Sümpfen wälzten.

»Das sind sie. Davon möchte Busch zweiStück haben. Er sagt, das reicht für ihn.«

Das Monstrum von Quinto-Center 51

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»Das glaube ich«, sagte Tanza. »Gut,Aron, dann bringen Sie ihm die Biester.«

»Ist das wirklich Ihr Ernst, Opa?«»Wenn Sie die Saurier so beherrschen

können, wie Sie behaupten, dann ja.«Aron Yr war schon einmal auf diesem

Planeten gewesen. Er kannte sich aus, undBusch wußte das. Deshalb hatte er ihn fürdiese Aufgabe gewählt. Der Planet gehörtezu einem kleinen, unbedeutenden System,von dem weder Tanza noch Folus je gehörthatten.

Mit einigem Unbehagen blickten die bei-den Spezialisten auf die Giganten. Niemalszuvor hatten sie Tiere von dieser Größe ge-sehen. Sie glichen annähernd den gewaltigenDiplodoci aus der Vorzeit Terras, hatten al-lerdings einen Kopf, der mehr an jenen desTyrannosaurus erinnerte. Thow Tanzaschätzte, daß sie eine Länge von knapp sieb-zig Metern erreichten.

»Es sind Pflanzenfresser«, erklärte AronYr. »Lassen Sie sich von dem Kopf und demGebiß nicht täuschen. Sie sind absolut harm-los.«

»Hoffentlich«, entgegnete Stuckey Folus.Er zog sich seine verrutschte Hose höher.»Sind Sie sicher, daß Sie sie ganz in IhrerGewalt haben werden?«

»Absolut, Pa. Sie können sich auf michverlassen.«

Aron Yr hob ein Spezialgewehr und zielteauf den Kopf eines Sauriers. Er drückte ab,und ein Pfeil durchschlug die dunkle Hautdes Tieres. Es zuckte zusammen und fuhrzurück. Angstvoll bäumte es sich auf, schlugmit den Säulenbeinen um sich und wandtesich zur Flucht.

Der Tierfänger hantierte an einem kleinenGerät, das er in den Händen hielt. Er drehtean einer Justierschraube. Sofort beruhigtesich das Tier. Es blieb stehen und blicktesich suchend um, als sei nichts geschehen.

»Und jetzt den zweiten«, sagte Yr.Er schoß abermals und erzielte die gleiche

Reaktion. Auch dieser Saurier wollte flie-hen, wurde aber mit Hilfe des kleinen Funk-geräts und des Empfängers in seinem Gehirn

daran gehindert. Wenig später schaltete derTierfänger erneut. Die beiden Giganten setz-ten sich in Bewegung. Sie verließen denSumpf und begannen die Wanderung zurCOMOTOOMO.

Aron Yr folgte ihnen im Gleiter.Ein Berg von etwa eintausend Meter Hö-

he trennte sie noch von dem Schiff.»Wenn wir um diesen kleinen Hügel her-

umkommen«, sagte Yr, »dann können sieuns beobachten. Dann sollten Sie schon anBord sein, meine Herren.«

Die beiden Saurier blieben stehen. AronYr reichte Pa und Opa die Hand, um sichvon ihnen zu verabschieden.

»Ich passe schon auf, daß nichts ge-schieht«, versprach er.

Dann flog er mit dem Gleiter bis an denKopf eines der beiden Giganten heran, bissie nur noch Zentimeter von den bräunlich-gelben Zähnen trennten. Die riesigen Lippentroffen von dem Speichel der Tiere.

»Das ist wirklich die einzige Möglichkeit,die ich sehe«, sagte Yr. Er grinste. »VielSpaß. Und – wenn Sie Lust haben, könnenSie ja ein bißchen Zähne putzen. Was haltenSie davon?«

Tanza knurrte nur mürrisch. Stuckey Fo-lus versetzte dem Tierfänger einen freund-schaftlichen Boxhieb in die Seite. Dannsprang er mit einem weiten Satz in das Mauldes Sauriers. Er glitt auf den Lippen aus,konnte sich aber an einem Zahn halten. Keu-chend zog er sich hoch und schob sich in ei-ne Zahnlücke. Er streckte die Hand aus undhalf Thow Tanza hinüber.

»Sorgen Sie bloß dafür, daß das Biestnicht doch einmal zubeißt«, schrie StuckeyFolus zum Tierfänger hinüber.

»Ich habe vergessen, Ihnen zu sagen, daßes ein Wiederkäuer ist«, brüllte Aron Yr.»Sie müssen damit rechnen, daß das halb-verdaute Gemüse wieder hochkommt.«

»Wenn das wahr ist, werde ich mich grau-sam rächen«, schwor Pa und drohte demTierfänger mit der Faust.

Yr hatte nur einen Witz gemacht. Dasmerkten sie sehr bald. Die Reise zwischen

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den Zähnen des Sauriers war bei weitemnicht so gefährlich, wie sie befürchtet hatten.Mit Hilfe des Funkgeräts konnte der Tier-fänger den Giganten so gut aussteuern, daßer das Maul praktisch überhaupt nicht mehrschloß. Opa und Pa hatten sich deshalb ei-gentlich nur gegen den unbeschreiblichenGestank zu behaupten, der zwischen denZähnen des Riesen herrschte.

Sie klammerten sich an die Zähne,schwiegen und starrten beharrlich nach vorn.Die Tiere marschierten mit hohem Tempoauf die COMOTOOMO zu. Hin und wiederkonnte Pa den Tierfänger sehen, der sich inihrer Nähe hielt.

Als sie bis auf einhundert Meter an dasSchiff herangekommen waren, lenkte Yr denGleiter bis unmittelbar neben den Kopf desSauriers.

»Ich verschwinde jetzt«, schrie er. »VielGlück.«

Voller Unbehagen blickten die beidenSpezialisten dem Tierfänger nach, währenddie Saurier unverdrossen in die COMO-TOOMO hineintrotteten. Sie gehorchten denBefehlen, die sie auf dem Funkweg erhiel-ten.

Wenig später wurde es dunkel. Dannblitzte es mehrfach auf. Pa und Opa wurdendurcheinander geschüttelt. Verzweifeltklammerten sie sich an die Zähne. Aus einerHöhe von siebzig Metern blickten sie in dieArena hinab, in der zahlreiche bewaffneteMänner standen. Sie hantierten an einemgroßen Paralysator, mit dem sie auf die Sau-rier geschossen hatten.

Dann senkte sich der Kopf des Tiereslangsam nach unten. Alles verlief genauso,wie Aron Yr es vorausgesagt hatte. Der

Kopf des Sauriers schlug auf den Boden,aber zwischen den weichen Schleimhäutenwurden die Spezialisten weich aufgefangen.Sie schoben sich durch die halbgeöffnetenLippen des Giganten hindurch.

In ihrer Nähe befand sich ein offenesSchott.

Sie sprangen auf den Boden hinab. ThowTanza stürzte. Folus half ihm auf. Zusam-men schleppten sie sich zu dem Einganghinüber. Die Mannschaften waren damit be-schäftigt, die Giganten zu schlachten und fürdie Dehydrieranlage vorzubereiten.

Ungesehen erreichten die beiden Speziali-sten einen Antigravschacht. In ihm schweb-ten sie bis in den Bereich der Tiergehegehoch. Niemand hielt sie auf.

Sie fanden in einer Belüftungsanlage füreinige Raubtierkäfige ein ausreichendesVersteck. Kaum hatten sie sich darin einge-richtet, als Erschütterungen durch das Schiffliefen.

»Die COMOTOOMO startet«, sagteStuckey Folus.

Thow Tanza legte die Hand auf den Bo-den. Er nickte.

»Es geht weiter, Pa. Jetzt wird es sich zei-gen. Man wird sich schon etwas dabei ge-dacht haben, daß man alle Nichteingeweih-ten ausgesetzt hat.«

Stuckey Folus hob den Kopf und zog dieLuft schnüffelnd durch die Nase.

»Opa, du stinkst noch immer«, sagte er.»Das haben alte Leute so an sich«, erwi-

derte Tanza brummig.ENDE

E N D E

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