17
1 DAS NEUE GEORGIANUM Ein Konzept für die künftige Verwendung des „Collegium Georgianum“ Aber meine Herren, noch ein Museum? Ein Dokument der Geschichte Ingolstadts Ja, und ein lebendiges dazu! Ein Dokument der großen Epochen dieser Stadt ?? Aber nein, kein Museum Sondern ? ?

DAS NEUE GEORGIANUM - WordPress.com1776: Adam Weishaupt und die Illuminaten Eine besondere Ausprägung aufklärerischer Aktivitäten entwickelte sich ab 1776 in Ingolstadt auf Initiative

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

  • 1

    DAS NEUE GEORGIANUM Ein Konzept für die künftige Verwendung des

    „Collegium Georgianum“

    Aber meine Herren, noch ein Museum?

    Ein Dokument der Geschichte Ingolstadts

    Ja, und ein lebendiges dazu!

    Ein Dokument der großen Epochen dieser Stadt

    ??

    Aber nein, kein Museum

    Sondern ? ?

  • 2

    In der heutigen schnelllebigen Betrachtungsweise wird Ingolstadt natürlich

    primär mit Audi gleichgesetzt, als Autostadt gesehen, daneben - allgemeiner

    formuliert – als Industriestadt, als Wirtschafts- oder Wissenschaftsstandort, als

    Festungsstadt usw. Je nach Interessenschwerpunkt.

    Unser Anliegen ist, auf einen langen Zeitraum, über 300 Jahre - immerhin

    deutlich mehr als 1/3 der gesamten Stadtgeschichte - hinzuweisen, während

    dessen Ingolstadt eine führende Position in Baiern und weit darüber hinaus

    inne hatte, führend in der damaligen Geisteswelt, Religion, Philosophie,

    Astronomie, Mathematik, Medizin, Literatur …

    Und nicht nur hinzuweisen, sondern real in der Stadtmitte einen Anlauf-

    punkt zu schaffen, der diese Bedeutung wieder in die Erinnerung zurückruft,

    der Jugend die Möglichkeit gibt, diesen bedeutenden Teil der Geschichte In-

    golstadts kennen zu lernen, den neuen Bürgern, gleich ob aus dem Ausland

    oder von anderswo in Deutschland, hilft, eine Ingolstädter Identität zu aufzu-

    bauen, die über das rein wirtschaftliche hinausreicht. Über das „Wie“ wollen

    wir Sie im Folgenden informieren.

    Ingolstadt um 1640, Merian

  • 3

    Buchdruck in Ingolstadt –

    Das Buch dokumentiert die Geistesgeschichte

    Paul Schönhuber

    Die Universität Ingolstadt wurde als erste Bayerische Landesuniversität

    schon bald nach ihrer Gründung ein Zentrum des Humanismus mit großen

    Gelehrten. Die umfassende Verbreitung dieses Gedankengutes ist ohne die

    Jahrtausend-Erfindung der Druckkunst nicht denkbar. So ergab es sich, dass

    Ingolstadt der damals bedeutendste Druckort des damaligen Baiern wurde. Es

    gab im 15. u. 16. Jahr-hundert 18 Drucker in Ingolstadt, 9 in Regensburg, 8 in

    München und weitere 23 über das ganze Land verteilt. Es ist deshalb nur billig,

    wenn man dieser Erscheinung vor Ort endlich mehr öffentliche Aufmerksam-

    keit schenkt. Wichtige Arbeiten dazu haben Alfons Euler 1957 in seiner „Ge-

    schichte der Drucker und Verleger Ingolstadts“, Ilse Ernst im Sammelband

    „Ingolstadt – vom Werden einer Stadt“, Dr. Siegfried Hofmann u. a. in vielen

    Arbeiten veröffentlicht. Diese bedeutende Entwicklung gehört deshalb neben

    anderen kulturellen Erscheinungen der Ingolstädter Geschichte in einem Haus

    wie unserem Georgianum gewürdigt. Die Bibliothek des Georgianums hatte

    übrigens ihren Platz im obersten Geschoß der angebauten Peters- und Pauls-

    kirche.

    Nach der Aufnahme des Lehrbetriebs 1472 scheint es hier bereits bald

    Buchdruckwerkstätten gegeben zu haben. Es fing mit Veröffentlichungen von

    Celtis, Parrut, Engel und Locher an. 1476 wendete der gebürtige Ingolstädter

    Ulrich Han zum ersten Mal seine Erfindung des Notendrucks an. Das Jahr

    1484 steht mit dem Erscheinen eines Druckes von Bischof Maracis fest. 1492

    veröffentlichte Celtis bei Kachelofen in Ingolstadt die Epitoma . Die Wissen-

    schaftliche Stadtbibliothek besitzt einen anonymen Wiegendruck von 1496.

    Weitere Ingolstädter Wiegendrucke sind von Airer und Wirffel bekannt. Der

    Buchhändler, Buchbinder und Verleger Jörg Krapf veröffentlichte Werke von

    Johannes Eck. Es folgen viele bekannte Namen, die in enger Verbindung zur

    Universität standen. Jakob Focker betrieb ab 1531 als Buchhändler, Buchdru-

    cker, Buchbinder und Verleger ein Geschäft. Man trennte damals noch nicht

    zwischen den Sparten. Alles war in einer Hand.

  • 4

    Mit der Übersiedlung von Peter Apian von Landshut nach Ingolstadt folgte

    eine glanzvolle Zeit der Buchdruckkunst in Ingolstadt. Seine Offizin errichtete

    er zusammen mir seinem Bruder Georg. Aus dieser Werkstatt kann man 46

    Drucke nachweisen. Seine mathematischen und astronomischen Werke stellen

    Meister-leistungen der Typographie dar. Das schönste Werk, das in Ingolstadt

    gedruckt wurde, ist das Astronomicum Caesareum, das 1540 erschienen ist.

    Er ist erst 23, als er den Auftrag seines Lebens bekommt: Auf Geheiß von

    Herzog Albrecht V. soll Philipp Apian das gesamte Herzogtum Bayern erst-

    mals vermessen und kartografisch erfassen – und damit die „Bairische Chro-

    nik“ des Johannes Aventinus ergänzen. 1554 reitet er los, zusammen mit sei-

    nem Bruder Timotheus und einem Zeichner. Der junge Mathematikprofessor

    Apian steigt auf Kirchtürme und Berge; er vermisst u. a. mit Jakobsstab, Quad-

    rant, Sonnen- und Sternenuhr. „In schier sieben Summern“, bis 1561, bereist

    er das heutige Ober- und Niederbayern, die Oberpfalz, das Erzbistum und

    Hochstift Salzburg sowie das Bistum Eichstätt. Philipp Apians „24 Bayerischen

    Landtaflen“, in Holz geschnitten und 1568 gedruckt, sollten für die nächsten

    250 Jahre die alleinige Grundlage für Kartenmacher in Bayern bleiben. Selbst

    Napoleon benutzte Apians Werk, als er mit seinen Truppen in Bayern einmar-

    schierte. Erst die zwischen 1812 und 1867 gefertigten Blätter des „Topographi-

    schen Atlas des Königreiches Bayern“ 1:50 000 übertrafen Philipp Apians

    Landtafeln.

    1554 erschien Aventins Annalium Boiorum bei Weissenhorn. Weitere gro-

    ße Namen sind Angermaier, Ostermaier, Sartorius und Hänlin.

    Die Bücherzensur des 16. Jahrhunderts hatte vor allem Ingolstadt hart ge-

    troffen. Sogar der Jesuit Petrus Canisius trat für die Milderung des Index ein.

    1566 erschien in München ein Katalog der Bücher und Schriften, die in Bayern

    veröffentlicht werden durften. Als genehmigte Druckorte wurden nur In-

    golstadt und München genannt.

    Beispiel Gutenbergmuseum

    Was man aus der Erfindung der Drucktechnik für die Volksbildung machen

    kann, zeigt als Vorbild in beeindruckender Weise z. B. das Gutenberg-Museum

    in Mainz. In diesem Schatzhaus der Druckkunst können sich die Besucher auf

    3500 qm Ausstellungsfläche in den Abteilungen Drucktechnik, Buchkunst,

    Akzidenzen, Ex Libris, Grafik, Plakat, Schriftgeschichte, Zeitungsgeschichte

    einen umfassenden Überblick über die Geschichte und die Erscheinungsfor-

  • 5

    men des Drucks verschaffen. Das Museum bietet seinen 110.000 Besuchern

    pro Jahr eine abwechslungsreiche Dauerausstellung sowie ständig wechselnd

    Themenausstellungen, ein museumspädagogisches Angebot, handwerkliche

    Workshops, Vorträge, Führungen, Minipressenmessen und einen Bücherbazar.

    Nicht zu kurz kommt die Darstellung der handwerklichen und graphischen

    Schönheit von Büchern.

    Anhand der Druckkunst lässt sich die gesamte Kulturgeschichte der großen

    Ingolstädter Zeit darstellen und das Druckwerk wird so zum durchgängigen

    Dokumentationsmittel.

    Plakatgestaltung: Lukas Wezel / Simon Störk (FH Mainz).

  • 6

    INGOLSTADT: 550 JAHRE INNOVATIONEN

    Jean-Pol Martin

    Rahmenbedingungen für Innovationen

    - Universitäten und andere Forschungseinrichtungen zur Wissensgenerierung

    - Organisationen zur Innovationsförderung (Technologieparks, Inkubatoren,

    Technologietransferorganisationen etc.)

    - Finanzierungssystem (insbes. Risikokapitalgeber, Business Angels)

    - Schutz geistigen Eigentums (Patentrecht, Copyrights, Designrechte etc.)

    Beispiel 1 - Der Humanismus

    - Rückgriff auf die Antike

    - Positives Menschenbild

    - Naturwissenschaften

    - Exploratives Verhalten

    Konkrete Inventionen und Innovationen, die im Rahmen des Humanismus

    in Ingolstadt entstanden:

    1473: Ulrich Ellenbog (Medizin): verfasst das erste gewerbehygienische

    Merkblatt über giftige Dämpfe;

    1476: Ulrich Han (Ingolstädter Drucker) in Rom: Für die Herausgabe des

    ersten Römischen Messbuches erfand er den Notendruck;

    1524: Leonhard Fuchs: Erste deutsche Pflanzenkunde mit Angabe der

    Standorte, an denen die einzelnen Kräuter vorkommen;

    1540: Peter Apian: Eine beachtliche druckerische Leistung stellte das Kaiser

    Karl V. gewidmete „Astronomicum Caesareum“ mit kunstvollen Initialen und

    astronomischen Drehscheiben und Tafeln dar.

  • 7

    Beispiel 2 – Die Gegenreformation

    15:19: Johannes Eck

    Der Universalgelehrte wandelte sich zum Kontroverstheologen. 1525 er-

    schien Ecks Standardwerk, in dem er seine Ablehnung des Protestantismus

    begründete. Das Buch erreichte 46 Auflagen. Eck mahnte innerkatholisch Re-

    formen an. Diese Forderungen wurden nach seinem Tod auf dem Konzil von

    Trient aufgegriffen und weitgehend umgesetzt. Eck machte aus Ingolstadt das

    Zentrum der Gegenreformation im katholischen Süddeutschland. Durch sei-

    nen Einfluss scheiterten wiederholt Verhandlungsbemühungen zwischen

    Kaiser Karl V. und den protestantischen Fürsten, was 1546 zum Schmalkaldi-

    schen Krieg führte.

    Beispiel 3 - Die Jesuiten

    Der Orden, der als Kampftruppe im Zusammenbruch der katholischen

    Fronten gedacht war, passte sich sehr schnell im eigenen Interesse und zur

    bestmöglichen Ausbildung seines Nachwuchses in psychologischer Menschen-

    führung den Notwendigkeiten der Situationen an. Gerade in der Bildungsarbeit

    sah er vielleicht das wirksamste Mittel zu einer grundlegenden Erneuerung des

    religiösen Lebens und der moralischen Haltung.

    1. Naturwissenschaften: 1611: Christoph Scheiner

    Scheiner baut um 1613 ein astronomisches Fernrohr. Ferner konnte Scheiner

    zusammen mit seinem Schüler Johann Baptist Cysat dunkle Flecken auf der

    Sonne beobachten.

    2. 1741: Jesuitentheater

    Um die Menschen von ihrem geläuterten Glauben zu überzeugen, setzten

    die Jesuiten die starke Propaganda des Theaters ein. Für das Theater schufen

    sie eine neue Verbindung von Schulbühne und großem Schulspiel.

    Beispiel 4 - Die Aufklärung

    - Vernunft

    - Optimismus

    - Naturwissenschaft

    - Weltverbesserung

    https://de.wikipedia.org/wiki/Protestantismushttps://de.wikipedia.org/wiki/Konzil_von_Trienthttps://de.wikipedia.org/wiki/Konzil_von_Trienthttps://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Baptist_Cysat

  • 8

    1746: Johann Adam Freiherr von Ickstatt

    Nach einer überaus erfolgreichen wissenschaftlichen Karriere wurde

    Ickstatt mit 44 Jahren von Kurfürst Max III Josef nach Ingolstadt gesandt, um

    die Universität zu modernisieren. Mit ihm rückte die Kameralwissenschaft

    (Wirtschaft) erstmals offiziell in den Lehrplan. Im Jahre 1770 entwickelte

    Ickstatt seine Gedanken über ein neues geschlossenes Erziehungssystem von

    der Volksschule über Realschule und Gymnasium bis zum zweijährigen Lyze-

    um. Für die Handwerker und nicht zuletzt für die Landjugend formulierte

    Ickstatt ein detailliertes und anspruchsvolles Bildungsprogramm im Sinne des

    Realismus und des Utilitarismus.

    1776: Adam Weishaupt und die Illuminaten

    Eine besondere Ausprägung aufklärerischer Aktivitäten entwickelte sich ab

    1776 in Ingolstadt auf Initiative von Adam Weishaupt, Professor für Kirchen-

    recht. Die Anhänger nannten sich Illuminaten (die Erleuchteten), waren streng

    hierarchisch organisiert und wollten ein Weltreich der Vernunft, der Tugend

    und der Moral einrichten. In kurzer Zeit verbreitete sich der Geheimbund in

    ganz Europa und gewann Mitglieder in verantwortungsvollen Positionen in

    Universitäten und Staat, darunter Goethe, Herder, Klopstock aber auch Her-

    zog Ernst II von Gotha.

    Kurfürst Karl-Theodor sah die Gefahr von politischen Umstürzen und ver-

    bot die Organisation 1785.

    Innovationen nach 1800

    Nach 1800 steckte Ingolstadt in einer schwierigen Situation, die zu Innova-

    tionen zwang. Im rationalistischen Geist der Aufklärung wurde in einer um-

    fangreichen Aktion das Gebiet südlich der Donau für die landwirtschaftliche

    Nutzung erschlossen. Ferner wurde Ingolstadt als Landesfestung reaktiviert,

    was militärische Innovationen und wirtschaftlichen Aufschwung brachte.

    Heute und morgen:

    - CARISSMA

  • 9

    Die Präsentation im Neuen Georgianum

    Klaus Staffel

    Der Betrachtungszeitraum umfasst zwei große geistesgeschichtliche Epo-

    chen: den Humanismus und die Aufklärung, religionsgeschichtlich gesehen

    Reformation und Gegenreformation und kunstgeschichtlich betrachtet Renais-

    sance, Barock und Rokoko. Konzentrieren wollen wir uns auf die geistes- und

    religionsgeschichtlichen Aspekte.

    Die Frage lautete nun „Lässt sich das, was wir wollen, so interessant gestal-

    ten, dass sowohl die Idee selbst als auch ihre Umsetzung so attraktiv für unsere

    Bürger und die Besucher von außerhalb ist, dass das Neue Georgianum ein

    lebendiges Zentrum für die Buch und Druckgeschichte in einem lebendigen

    Zentrum Ingolstadts wird?“ Um die Antwort vorweg zu nehmen: Ja, es ist

    möglich. Wie? Indem wir die große Zeit Ingolstadts lebendig werden lassen

    und – wie Prof. Martin darstellt, indem aufgezeigt wird, dass eine lebendige

    Linie von Innovationen vom Beginn unseres Betrachtungszeitraums bis in die

    heutige Zeit hinein führt.

    Eine absolut wesentliche Voraussetzung für diese Entwicklungen stellt die

    (üblicherweise „Erfindung“ genannte) Systematisierung des Buchdrucks durch

    Johannes Gutenberg um 1450 dar. Letztlich die Auswirkungen dieser Erfin-

    dung (und das Buch selbst) sind ein wichtiger Aspekt unseres Konzepts.

    Sozusagen parallel dazu steht – beginnend mit der Gründung 1472 – die

    Universität in Ingolstadt, die lokal, im damaligen Baiern, aber auch darüber

    hinaus großen Einfluss erlangte. Bis zu ihrem Ende in Ingolstadt, mit dem

    auch das Ende der großen Zeit der Ingolstädter Buchgeschichte einherging.

    Das klingt noch sehr theoretisch, sehr trocken; Wie soll das denn attraktiv

    und lebendig werden? … Indem wir die bedeutenden Personen jener Zeit mit

    ihren Erfindungen, Beobachtungen, Auseinandersetzungen zu Wort kommen

    lassen. Und man wird überrascht sein, was alles an Großem aus Ingolstadt in

    die Welt hinausgegangen ist.

  • 10

    Um es zusammenzufassen: Die Darstellung jener großen Geschichte

    Ingolstadts folgt drei Kerngedanken:

    1. Das Buch gibt uns Kenntnis von den (geistes-)wissenschaftlichen

    Entwicklungen jener Zeit. Ingolstadt war eines der Zentren der süddeutschen

    Buchgeschichte.

    Buch und Buchdruck werden die „Klammer“ der gesamten Präsentation

    sein.

    2. Über die Personen hinter den Werken finden wir Zugang zu ihrer

    Zeit, ihren Entwicklungen und Auseinandersetzungen. Die Universität In-

    golstadts war eines der (geistes-)wissenschaftlichen Zentren in Baiern, teilweise

    aber auch darüber hinaus.

    Durch die Personen werden die Inhalte, wird die Präsentation lebendig.

    3. Wenn wir Innovationen als neuartige Lösungen für (manchmal noch

    nicht einmal formulierte) Anforderungen verstehen, dann bot das universitäre

    Ingolstadt ein fruchtbares Umfeld für eine andauernde Folge an Innovationen

    aus allen Bereichen (Medizin, Geisteswissenschaft, Astronomie usw.).

    Innovation ist der durchgängige rote Faden der Präsentation im Neuen

    Georgianum – bis heute.

    Auch die angedachte Realisierung lässt sich in drei Teilen darstellen:

    1. Ein öffentlicher Bereich, mit (Literatur)Cafe, Vorführungen (Kino),

    Veranstaltungen, Museumshop, die wir uns im Erdgeschoss des Hauptgebäu-

    des und in der Kapelle vorstellen können (wobei wir empfehlen, die hier erst

    im 19. Jahrhundert eingezogenen Zwischendecken teilweise zurückzubauen);

    2. Im 1. und 2. Obergeschoss des Hauptgebäudes stehen ca. 18 Räume

    zur Verfügung, welche für themenbezogene Präsentationen genutzt werden

    können, teil als Dauerpräsentation, teils als variable Installationen – einfach um

    der Fülle der verfügbaren Themen gerecht werden zu können und gleichzeitig

    immer wieder neue Attraktionen für die Besucher zu schaffen. Eine denkbare

    Einteilung siehe nachstehend;

    3. Die Fasshalle bietet den perfekten Rahmen für die von uns angedach-

    ten Werkstätten, Schau- und Handsatzdruckerei, Buchbinder, Künstler-Ateliers

  • 11

    z.B. für Siebdruck, Holzschnitt usw. Durch private, städtische Aufträge und

    solche aus der Wirtschaft können sich Druckerei und Buchbinderei durchaus,

    zumindest teilweise, finanzieren, die Künstler-Ateliers bieten Schulen und Ver-

    einen einen Anlaufpunkt für künstlerisches Arbeiten.

    Daneben kann das Neue Georgianum in der vorgeschlagenen Form auch

    Kristallisationspunkt für verschiedene Events sein, die auf eher unterhaltsame

    Weise mit Ingolstadt im Verbindung gebracht werden können: z.B. die Illumi-

    naten, Frankenstein, Dr. Faust. Ebenso lassen sich Aufführungen (in Weiter-

    führung des Jesuitentheaters – Zusammenarbeit mit dem Stadttheater?), Schul-

    aufführungen zu Themen aus dem Präsentationumfang vorstellen.

    Sowohl durch die zentrale Lage als auch inhaltlich wäre das Georgianum ein

    vortrefflicher Beginn- und Endpunkt für unsere Stadtführungen (und die Füh-

    rerinnen und Führer hätten ein angemessenes „Zuhause“).

    Über die Buchgeschichte der Vergangenheit hinaus drängen sich Ausblicke

    in unsere moderne Welt geradezu auf: elektronische Bücher, Künstlerbücher,

    z.B. Eugen Gomringer - Das Museum für Konkrete Kunst verdankt ihm sei-

    nen Grundstock.

    Mögliche Darstellungsformen

    Hier lässt sich aus dem übergroßen Fundus der Museumspräsentation, Muse-

    umspädagogik, aber auch aus dem Messewesen u.ä. schöpfen, z.B.

    Szenische Arrangements, „real“ mit (Schaufenster-)Puppen, „Original“-

    Gewändern – z.B. Diskussion Eck/ Luther, oder Scheiner im Diskurs mit

    Galilei, …

    Filmische Darstellung der verschiedenen Handwerke (Buchdruck, Buchbin-

    der, Kupferstecher, Holzschnitzer usw.), vergleichbar der Serie des BR

    „Der Letzte seines Standes“;

    Dto. evtl. in Manga-Form (hier können insbesondgre Judendlichew ange-

    sprochen werden;

    Präsentation der jeweiligen Hauptwerke (Originale in gesicherten Vitrinen);

    Faksimiles bzw. Teile daraus zur Nutzung; Computerpräsentation (Hier ist

    zu beachten, dass die Besucher nicht in jedem Fall Lateinische oder Grie-

    chische Texte lesen bzw. jüngere Besucher alte Satzschriften (z.B. Fraktur)

    nur schwer lesen können. Soweit es bei den gezeigten Texten also um das

  • 12

    inhaltliche Verständnis geht, muss dies mit technischen Mitteln gewährleis-

    tet werden. Aus dem Messebau sind solche Präsentationsformen bekannt.)

    „Wissenschaftliche“ Auseinandersetzungen, durch die entsprechenden

    Flugblätter verdeutlicht;

    Lesungen in Verbindung mit temporären Ausstellungen zu relevanten

    Themen,

    z.B. Jiro Taniguchi: "Der Kartograph", Ein Jahr im Leben des Landvermes-

    sers Ino Tadataka im Japan des frühen 19. Jh. – als Parallele zur Tätigkeit

    Apians;

    oder Katrin Ströbel: "Wortreiche Bilder" - Warum lassen Künstler Buchsta-

    ben und Text in ihre Werke einfließen? usw.

    Aufführungen (vielleicht durch Schultheatergruppen) im Sinne des Jesuiten-

    theaters, oder

    die Geschichte der Weißenhornschen Offizin, aufbereitet als

    „Familiensaga“, …

    Die Möglichkeiten sind enorm und können das Neue Georgianum zu einem

    lebendigen Zentrum sowohl der Geschichte Ingolstadts in seiner großen Zeit

    als auch der Buch- und Druckkunst werden lassen.

    Die räumliche Nutzung des Hauses im Einzelnen – Themenräume

    Die grundsätzliche Eignung des Georgianums für museale Zwecke wurde be-

    reits durch das Büro Greiner in Zusammenarbeit mit dem Bauamt der Stadt

    Ingolstadt festgestellt. Darauf aufbauend stellen wir uns beispielsweise folgen-

    de räumliche Verwendung vor:

    Seminargebäude (Haupthaus)

    EG: öffenrlicher Bereich

    I. und II. OG:

    1. Geschichte der Universität Ingolstadt/ Geschichte des Georgianums

    (evtl. Studienraum des Georgianums -nachgestellt)

    2. Die „Erfindung“ Gutenbergs und ihre Auswirkungen

    3. Buchdruck in Ingolstadt

    4. Geschichte/ Bedeutung des Humanismus

    5. (Studien-?)Zimmer Konrad Celtis /“Bücherei eines Humanisten?“

    6. Raum Aventin

  • 13

    7. Raum Reuchlin

    8. Geschichte der Reformation/ Gegenreformation

    9. Raum Eck-/ Luther („inszenierte“ Auseinandersetzung)

    10. Raum Peter Apian („Astronomicum Caesareum“)

    11. Die Jesuiten in Ingolstadt

    12. Kartenraum Philipp Apian (vgl. Präsentation d. Bayerischen Staatsbiblio-

    thek München)

    13. Geschichte der Kartographie

    14. Das „Jesuitentheater“

    15. Raum Scheiner (Inszenierung Entdeckung der Sonnenflecken)

    16. Geschichte der Aufklärung

    17. Raum Weishaupt und die Illuminaten

    Die Themenräume sind in zeitlicher Abfolge angedacht, wobei die beiden As-

    pekte „Buch/ bzw. Buchdruck“ und „Innovation“ durchgehend berücksichtigt

    werden. Dies geschieht implizit durch Auswahl der Ausstellungsstücke bzw.

    der gegebenen Informationen.

    Kapelle

    Es wird dringend empfohlen, die beiden nachträglich eingezogenen Zwischen-

    decken zu Emporen zurückzubauen, soweit dies aus Denkmalschutzgründen

    möglich ist, um den ursprünglichen Raumcharakter wieder herzustellen.

    OG und Galerien: Die Bibliothek des Georgianums hatte ursprünglich ihren

    Platz im II. OG der Kapelle. Daher soll die Kapelle hier weitgehend für Prä-

    sentationen von Büchern genutzt werden ( „Kettenbücher“, evtl. Scriptorium).

    Ergänzend sollten Bedeutung und Auswirkungen der Säkularisation am Bei-

    spiel der Kapelle deutlich gemacht werden.

    Nordgebäude

    Wie in der Untersuchung durch das Büro Greiner bereits festgestellt, bietet das

    so genannte Nordgebäude Raum für sanitäre und technische Installationen

    sowie Aufenthaltsräume für die beschäftigten Personen

    Innenhof

    Hier könnte eine kleine Bühne installiert werden.

  • 14

    Der Genius Loci des Georgianum

    Joachim Haegel

    Die Baugeschichte des Georgianum im Laufe der Jahrhunderte

    Der Bereich, in dem sich neben der Hohe Schule und dem Georgianum

    weitere, zur früheren Universität gehörige Gebäude befinden („Hohenschul-

    kastners Wohnbehausung“ – heute „Pedellhaus“ genannt, das „Churfürstliche

    Universitäts-Kammerariat“), lag am Rande der Planstadt des 13. Jahrhunderts

    an der westlichen Stadtmauer. Nachdem diese Befestigung der Stadterweite-

    rung im 14. Jahrhundert gewichen war, ließ Herzog Ludwig der Gebartete

    Mitte des 15. Jahrhunderts hier ein Pfründnerhaus errichten.

    Die Umwidmung dieses Gebäudes zur 1472 gegründeten Universität führte

    zu einer Aufwertung dieser Stelle im Stadtgrundriss. Es entstanden 1496 auf

    der Nordseite des Platzes stattliche Gebäude. Herzog Georg von Landshut

    stiftet 1494 ein Seminar für Seminaristen für anfangs 11 Alumnen, das nach

    ihm „Georgianum Novum“ benannt wurde und das wir heute verkürzt als

    „Georgianum“ bezeichnen. Am 24. April 1496 wurde das Gebäude feierlich

    eröffnet.

    Auf der Südseite des Platzes dagegen lagen damals die schmalen, mittelalter-

    lichen Hausstellen auf nahezu gleich breiten Parzellen, bebaut mit giebelständi-

    gen, meist nur 2 geschossigen Gebäuden. Auch diese Struktur hat sich bis heu-

    te erhalten.

    Ursprünglich handelt es sich beim Georgianum um 2 Gebäudeteile: Das

    Seminaristengebäude, 3geschossig, zur heutigen Goldknopfgasse mit einem

    hohen Giebel, zum heutigen Hohen-Schul-Platz mit der Traufe, darüber ein

    fast gleich hoher Dachstuhl.

    Die Kapelle St. Peter und Paul mit einer geringfügig höheren Traufe mit ei-

    nem ursprünglich wesentlich steileren Dach.

    Der Nordflügel wurde in seiner ersten Bauform wohl erst 1564 durch Her-

    zog Wilhelm IV errichtet.

    Im Sandtnermodell (1572 / 73) ist dieser Baubestand dokumentiert.

  • 15

    Ausschnitt aus dem großen Stadtmodell von Jakob Sandtner, 1572/73, Stadtmuseum Ingolstadt

    1582 wurde ein Erweiterungsbau östlich der Kapelle errichtet. Im

    Sandtnermodell ist noch der vorherige Zustand dargestellt. Dieses Gebäude

    wurde nach einem Brand 1881 umgebaut. Von den im Sandtnermodell als

    Giebelhäuser dargestellten Vorgängerbauten sind keine erkennbaren Struktu-

    ren überkommen. Der Grundriss dürfte in den äußeren Abmessungen den

    Vorgängerbauten entsprechen.

    1800 wurde das Seminar zusammen mit der Universität nach Landshut und

    1826 nach München verlegt.

    Im Zuge der Säkularisation wurden die bereits 1770 als baufällig bezeichne-

    ten Kolleggebäude, zusammen mit der profanierten Kapelle an den Herrn-

    bräu-Besitzer Alois Ponschab verkauft (um 1809). 1921 erfolgte ein Umbau

    des ehemaligen Kolleggebäudes zum Verwaltungsbau der Brauerei. 1980 ging

    der heute bekannte Gebäudebestand in den Besitz der Stadt Ingolstadt über.

    Eine Nutzung findet sich nicht.

    Das alte „Collegium Georgianum“ lebt als Priesterseminar in neuer Umge-

    bung in München weiter. Das alte, originale Gebäude in Ingolstadt sucht noch

    immer nach einer neuen, angemessenen Bestimmung.

  • 16

    Was aber zeichnet den Ort aus, was ist der Geist des Ortes?

    Von 1472 – 1800 befindet sich hier die erste bayerische Landesuniversität,

    insgesamt also 328 Jahre.

    Als diese Nutzung entfällt, beginnt die erste Minderung, eine Abnahme der

    Wertschätzung. Man findet die Lösung in der Nutzung als Brauerei. Es ist na-

    türlich nicht das erste Mal, dass Gebäude, deren ehemalige, originäre Nutzung

    entfällt, einer neuen zugeführt werden. Gott sei Dank hat man „nutzungslose“

    Gebäude nicht immer abgerissen. Im Gegenteil, es wurden neue Gebäude er-

    richtet oder bestehende Gebäude umgenutzt. So stammt die Fasshalle aus der

    Baualtersphase 8/9 aus dem Jahr 1844. Bis 1921 wird das Gebäude als Brauerei

    genutzt, anschließend als Verwaltung.

    Das sind 147 Jahre einer Zufallsnutzung.

    Noch ein Wort zum öffentlichen Raum.

    Der Hohe-Schul-Platz ist einer der Plätze, die sich in Ihrer städtebaulichen

    Wirkung seit 500 Jahren kaum verändert haben.

    Die Qualität von Plätzen bestimmt sich nach der städtebaulichen Fassung,

    der Form des Platzes, der Lage der einmündenden Straßen, der Höhe der um-

    gebenden Bebauung (den Proportionen), der Qualität der Bauten, dem Belag

    des Platzes, der Platzteilung. Weit davon entfernt, ob der Platz belebt ist.

    Und wie verhalten wir uns heute? Überall soll alles belebt werden; die At-

    traktivität wird daran gemessen, wie viel sich auf diesen Plätzen tut. Haben wir

    den Mut, Plätze auch leer stehen zu lassen. Ein ruhiger Platz, an der Südseite

    eine Steinbank, von der Frühlingssonne beschienen, die Wärme der kommen-

    den Jahreszeit spürend. Das kann viel attraktiver sein als Bierbänke und ein in

    einer Bretterbude versteckter Ausschank.

    Ich darf Dr. Siegried Hofmann zitieren ( Sonderbeilage des DK „500 Jahre

    Universität Ingolstadt – München“ vom Juni 1972):

    „Nicht zuletzt tragen Haus und Kirche wesentlich zur Wirkung dieses Platzes

    bei der Hohen Schule und dem Georgianum bei, der der vielleicht letzte, stille, nicht aus den

    ursprünglichen Proportionen geratene Platz Ingolstadt ist.“

  • 17

    Zum Schluss

    Der Gebäudekomplex des Georgianum ist ein Spiegel der jahrhundertelan-

    gen Nutzung, mit all den Umbauten, Anpassungen, Veränderungen.

    In Regensburg geht man in Bezug auf Denkmäler solcher Art einen beson-

    deren Weg. Dr. Peter Germann-Bauer (Direktor der Museen der Stadt Re-

    gensburg) schreibt dazu „…kann man Geschichte hautnah erleben – nicht nur

    in Museen, sondern an originalen Standorten. […] Für sie, um sie vom klassi-

    schen Museum zu unterscheiden, hat man die Bezeichnung „document“ (we-

    gen des dokumentarischen Charakters der Objekte) gewählt.“

    So ist auch das Georgianum zu verstehen. Dieses Gebäude „dokumentiert“

    Geschichte. Eine künftige Nutzung muss dies respektieren.

    Von Thomas Morus (1478 – 1535) stammt der Ausspruch „Tradition ist

    nicht das Bewahren der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme“. In die-

    sem Sinne wollen wir das neue Georgianum mit Leben erfüllen. Wir sind der

    Überzeugung, dass der von uns vorgelegte Vorschlag beides in besonderer

    Weise erfüllt.

    Vielen Dank

    „Initiative Georgianum“

    Joachim Hägel (Architekt)

    Prof. Dr. Jean-Pol Martin (Didaktiker)

    Ernst Reif sen.

    Paul Schönhuber (Buchhändler)

    Klaus Staffel (Designer)