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ENTWICKLUNG Mess- und Prüftechnik 250 ATZ 3/2003 Jahrgang 105 Dieser Beitrag beschreibt einen neuen Standard für die objektive Erfassung von Geräuschen in und an Kraftfahrzeugen im Labor. Im vorliegenden ersten Teil wird zunächst das Konzept eines auf die Bedürfnisse der Volkswagen AG zugeschnittenen Prüfstand- komplexes dargelegt. Äußerst niedrige Ruhepegel – selbst mit zugeschalteter leistungsfähiger Lüftungsanlage – erlauben jetzt ungestörte akustische Untersuchungen. Die vom Fraunhofer- Institut für Bauphysik (IBP) entwickelte reflexionsarme Raum- auskleidung sowie die Güte der damit erreichten Freifeldeigen- schaften sind Inhalt des zweiten Teils, der in der nächsten ATZ erscheint. Das neue Volkswagen- Akustikzentrum in Wolfsburg Teil 1: Prüfstände VW Phaeton in der Außengeräusch-Messhalle VW Phaeton in the exterior noise measuring hall

Das neue Volkswagen-Akustikzentrum in Wolfsburg

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ENTWICKLUNG Mess- und Prüftechnik

250 ATZ 3/2003 Jahrgang 105

Dieser Beitrag beschreibt einen neuen Standard für die objektiveErfassung von Geräuschen in und an Kraftfahrzeugen im Labor.Im vorliegenden ersten Teil wird zunächst das Konzept eines aufdie Bedürfnisse der Volkswagen AG zugeschnittenen Prüfstand-komplexes dargelegt. Äußerst niedrige Ruhepegel – selbst mitzugeschalteter leistungsfähiger Lüftungsanlage – erlauben jetztungestörte akustische Untersuchungen. Die vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) entwickelte reflexionsarme Raum-auskleidung sowie die Güte der damit erreichten Freifeldeigen-schaften sind Inhalt des zweiten Teils, der in der nächsten ATZ erscheint.

Das neue Volkswagen-Akustikzentrum in WolfsburgTeil 1: Prüfstände

VW Phaeton in der Außengeräusch-MesshalleVW Phaeton in the exteriornoise measuring hall

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1 Einleitung

Mit dem Phaeton und dem Touareg stößtVolkswagen in Fahrzeugklassen vor, in de-nen der Komfort neben Design, Fahrleis-tung und Fahrzeugsicherheit vielleicht dasentscheidende Kaufkriterium darstellt. DerBereich Akustik und Schwingungen be-stimmt den Komforteindruck maßgeblichmit. Aus diesem Grund wurde diese Diszi-plin zu einer der Kernkompetenzen derFahrzeugentwicklung der Volkswagen AGausgebaut.

Mit einer Investition von 25 MillionenEuro in das Akustikzentrum am StandortWolfsburg wurden die Voraussetzungengeschaffen, dieses Fachgebiet weiter zustärken. Um dem hohen Anspruch an dieAkustikeigenschaften der Fahrzeuge undAggregate entsprechen zu können, wurdenhöchste Anforderungen an die schalltech-nische Auslegung der Prüfstände gestellt.Die große Außengeräusch-Messhalle unddie Rollenprüfstände stellen mit ihren in-novativen reflexionsarmen Raumausklei-dungen aus Strukturabsorbern und Ver-bundplatten-Resonatoren [1] einen neuenStandard bei den Halbfreifeld-Räumen [2]für die Fahrzeugakustik dar.

2 Das Gebäude

Auf einer Fläche von 2.600 m2 entstand aufdem Gelände der Technischen Entwicklungdas neue Akustikzentrum in konventionel-ler Stahlbetonbauweise, Bild 1. 36.000 m3

umbauter Raum bieten Platz für zwei All-rad-Rollenprüfstände, einen Rollgeräusch-Prüfstand, zwei Motorenprüfstände, einenAggregateprüfstand sowie einen Fenster-prüfstand zur Untersuchung von Däm-mungs-/Dämpfungsbauteilen. SämtlichePrüfstände sind als Halbfreifeldräume aus-geführt. An die Prüfstände sind geräumigeMesswarten angeschlossen. Bei der Positio-nierung der Rollenprüfstände wurden dieBelange der Nutzfahrzeugentwicklung be-rücksichtigt, was zu großzügigen Verkehrs-zonen und zu lichten Torhöhen von 4,05 mführte. In Nord-Süd-Richtung wurde einezentrale Fahrstraße eingerichtet, über diesämtliche Prüfräume ebenerdig erreichtwerden können und die eine mögliche Er-weiterung des Gebäudes berücksichtigt.

Kurze Wege zwischen Rüst- und Prüfbe-reich waren ein wesentliches Ziel bei derAuslegung des Gebäudes. So befinden sichdie Werkstatt sowie die Fahrzeug- undPrüflingsvorbereitung in unmittelbarerNähe der Prüfstände. Ein voneinander un-abhängiger Betrieb von sieben Akustik-prüfräumen gemäß Tabelle 1 innerhalb desselben Gebäudekomplexes, ohne Störun-gen untereinander und von außen, machte

eine auf Federelementen gelagerte, zwei-schalige Raum-in-Raum-Bauweise erfor-derlich. Lediglich die Außengeräusch-Messhalle wurde einschalig als eigener,vom übrigen Gebäudekomplex getrennterBaukörper ausgeführt. Sehr hohe Anforde-rungen an die durch die Lüftung in diePrüfräume induzierten Schallpegel bedin-gen großvolumige Lüftungskanäle undSchalldämpfersysteme, was besonders inder Planungsphase erhebliche Anstren-gungen erforderte. Die Lüftungszentralebefindet sich im Obergeschoss des Gebäu-des. Weiterhin wurden im Obergeschoss 30Büroarbeitsplätze, ein Hörstudio sowie Be-sprechungs- und Sozialräume geschaffen.

3 Die Prüfräume

3.1 Der Außengeräusch-PrüfstandDen Kern des Akustikzentrums bildet dieAußengeräusch-Messhalle mit lichtenRohbaumaßen von 25 x 20 x 6,8 m. Mit ei-nem 4 x 175-kW-Allrad-Rollenprüfstandund modernster Messtechnik ausgerüstet,bietet dieser Prüfraum die Möglichkeit, Un-tersuchungen zum Vorbeifahrtgeräuschreproduzierbar und unabhängig von derWitterung durchzuführen. Auf dem Prüf-stand lassen sich gezielte Quellenanalysendurchführen, ohne dass straßentauglicheAufbaustände der Fahrzeuge realisiertwerden müssen. In einem seitlichen Ab-

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Dipl.-Ing. Peter Hoppeist verantwortlich fürdie FahrzeugakustikA000-A-Klasse imPkw-Bereich bei derVolkswagen AG.

Prof. Dr.-Ing. WilhelmDreyer ist verantwort-lich für die Fahrzeug-Physik im Pkw-Bereichbei der Volkswagen AGin Wolfsburg.

Die Autoren

Prof. Dr.-Ing. HelmutFuchs ist Leiter derAbteilung Raumakus-tik/Technische Akustikund stellvertretenderLeiter des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik (IBP) in Stuttgart.

2 Das Gebäude

Bild 1: Grundriss Erdgeschoss des Volkswagen-Akustikzentrums in Wolfsburg mit sieben Halbfreifeld-RäumenFigure 1: Plan of the ground floor of the VW Acoustics Centre in Wolfsburg with seven semi-anechoic rooms

Dipl.-Ing. Peter Friederichist Mitarbeiter in derFahrzeugakustik derVolkswagen AG undverantwortlich für dieBetreuung der akustik-relevanten Umfänge desvorgestellten Bauvorha-bens.

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Rollenprüfstände

Bezeichnung des Messraums V F P D v Qmax

[m3] [kN] [kW] [m] [km/h] [m3/h]

Außengeräusch-Messhalle- Rohbau-Volumen 3 454- nutzbares Volumen 2 814- maximaler Luftdurchsatz 32000- Fahrtwindgebläse 40000- Brems-, Zugkraft je Achse 16- Leistung je Achse 350- Rollendurchmesser 1,91- simulierte Fahrgeschwindigkeit 300

Allradrollen-Prüfstand- Rohbau-Volumen 690- nutzbares Volumen 484- maximaler Luftdurchsatz 32000- Fahrtwindgebläse 40000- Brems-, Zugkraft je Achse 12- Leistung je Achse 250- Rollendurchmesser 1,91- simulierte Fahrgeschwindigkeit 300

Rollgeräusch-Prüfstand- Rohbau-Volumen 690- nutzbares Volumen 484- maximaler Luftdurchsatz 36000- Leistung je Achse 326

83,5- Rollendurchmesser 3,14

1,0- simulierte Fahrgeschwindigkeit 280

Motorenprüfstände

Bezeichnung des Messraums V F P D v Qmax

[m3] [kN] [kW] [m] [km/h] [m3/h]

Aggregateprüfstand- Rohbau-Volumen 220- nutzbares Volumen 173- maximaler Luftdurchsatz 27000- Drehmoment Antriebswelle je 1750- Drehmoment Kardanwelle 1000- Leistung Antriebswelle je 110- Leistung Kardanwelle 220- Drehzahl Antriebswelle 3200- Drehzahl Kardanwelle 5400

Motorenprüfstände 1 und 2- Rohbau-Volumen 160- nutzbares Volumen 124- maximaler Luftdurchsatz 27000- Drehmoment 825- Leistung 400- Drehzahl 8000

Sondermessraum

Bezeichnung des Messraums V Qmax

[m3] [m3/h]

Fensterprüfstand- Rohbau-Volumen 347- nutzbares Volumen 284- maximaler Luftdurchsatz 15000

Tabelle 1: Halbfreifeld-Räume im Volkswagen-AkustikzentrumTable 1: Semi-anechoic rooms in the VW Acoustics Centre in Wolfsburg

2 Das Gebäude

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mit einem asphaltähnlichen Belag ausge-legt, der dem Anforderungsprofil nach ISO10844 [4] bezüglich Textur und Reflexions-verhalten genügt.

Über die Möglichkeit der Vorbeifahrtsi-mulation hinaus lassen sich auf dem Prüf-stand akustische und schwingungstechni-sche Untersuchungen bis zu einer maxi-malen Geschwindigkeit von 300 km/hdurchführen.

Zur Fahrzeugkühlung und zur Ab-führung der in den Prüfraum eingetra-genen Wärmelast ist neben der normalenRaumbelüftung mit einer maximalen Dau-erwärmeabfuhr von 250 kW (32.000 m3/h)zusätzlich ein Fahrtwindgebläse installiert.Bei Bedarf können die in den Prüfraumbo-den eingelassenen Ein- beziehungsweiseAuslässe vor und hinter dem Prüfstandausgefahren werden. Das Fahrtwindgeblä-se dient nur zur Kühlung des Prüflings undnicht zur Simulation der durch Fahrtwindentstehenden Geräusche. Zur Erreichungmöglichst niedriger Störpegel durch dieLüftung strömt die auf 17 °C gekühlte, ge-richtete Luft mit einer maximalen Aus-trittsgeschwindigkeit von 30 km/h aus. Be-sonders temperaturempfindliche Bauteilekönnen zusätzlich mit separaten Spots ge-zielt gekühlt werden.

3.2 Der Allrad-Rollenprüfstand Der 15 x 9 x 5 m große Prüfraum ist sowohlvon außen als auch von der zentralen Fahr-straße aus befahrbar und bietet großzügi-gen Raum für alle erdenklichen messtech-nischen Analysearbeiten. Für allgemeineUntersuchungen von Innengeräuschenund zum Schwingungsverhalten dient ei-ne 4 x 125-kW-Allradrolle, Bild 3. Bezüglichder Fahrzeugkühlung ist der Allrad-Rollen-prüfstand mit der bereits beim Außen-geräusch-Prüfstand erwähnten Lüftungs-technik ausgerüstet. Auch hier lässt sichüber das Fahrtwindgebläse ein Luftvolu-menstrom von bis zu 40.000 m3/h einbrin-gen. Eine absenkbare Scherenarbeitsbühnezwischen den Prüfstandsrollen gewähr-leistet eine optimale Erreichbarkeit desFahrzeugunterbodens. Die Fesselung derFahrzeuge erfolgt auf allen drei Rollenprüf-ständen mit an den Abschleppösen angrei-fenden Seilverspannungen. Jeweils viereinzeln ansteuerbare, zugkraftüberwachteSeilspanner sorgen für eine sichere Fahr-zeugbefestigung. Lockert sich wäh-renddes Prüfbetriebs eines der vier Seile, wirddas Prüfprogramm automatisch unterbro-chen und der Prüfstand heruntergefahren.

3.3 Der Rollgeräusch-PrüfstandRollgeräusche gewinnen beim heute er-reichten Akustikniveau aktueller Fahrzeu-ge immer mehr an Bedeutung. Der bezüg-

stand von 7,5 m links und rechts mittig desPrüflings befinden sich die Messpfade mit38 Mikrofonen, Bild 2. Durch Überblendender Messsignale lässt sich bei stationär aufder Rolle betriebenem Fahrzeug der Pegel-verlauf in einer Außengeräusch-Mess-strecke nach ISO 362 [3] simulieren. Der

Messzyklus der beschleunigten Vorbei-fahrt kann entweder manuell durch eineim Fahrzeug befindliche Person oder pro-grammgesteuert mit Hilfe eines Autopilo-ten durchgeführt werden. Zur Gewährleis-tung der bei Straßenmessungen vorliegen-den Verhältnisse ist der Messraumboden

3.2 Der Allrad-Rollenprüfstand

Bild 2: Grund-riss Außen-geräusch-Mess-halle im Volks-wagen-Akus-tikzentrumFigure 2: Plan of the exteriornoise measur-ing hall in theAcousticsCentre

Bild 3: Allrad-Rollenprüfstand mit Auskleidung und FahrtwindsimulationFigure 3: Four-wheel drive roller test bed with lining and wind fan

3.1 Der Außengeräusch-Prüfstand

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lich seiner Raumgröße mit dem Allrad-Rol-lenprüfstand vergleichbare Rollgeräusch-Prüfstand bietet die Möglichkeit der Analy-se der Entstehungsmechanismen sowohlder Geräusche als auch der in die Karosseeingeleiteten Schwingungen. Der Prüf-stand besitzt eine Analyserolle mit 3,14 mDurchmesser sowie eine Stützrolle mit 1 mDurchmesser. Bild 4 aus der Prüfstands-Testphase beim Hersteller verdeutlicht die Größenordnung eines solchen Prüf-stands.

Durch die zusätzliche Stützrolle ist esmöglich, auch Allradfahrzeuge zu analy-sieren. Die Untersuchung von Vorder- undHinterachse erfolgt getrennt auf der ei-gentlichen Analyserolle. Das bedeutet,dass das zu untersuchende Fahrzeug ein-mal vorwärts und einmal rückwärts aufdem Prüfstand positioniert werden muss.Diese Vorgehensweise erlaubt bei der Aus-wertung der Messergebnisse eine eindeu-tige Zuordnung der Anteile der einzelnenAchsen. Beispielhaft zeigt Bild 5 das Ergeb-nis einer Innengeräusch-Messung auf demPrüfstand im Vergleich zur Straßenmes-sung. Zur Simulation unterschiedlicherSchwingungseinleitungen kann die Analy-serolle mit verschiedenen Belägen ausge-stattet werden (Asphalt; Grobasphalt;Kopfsteinpflaster, Schlagleisten). Sowohlbei dem Grobasphalt als auch bei demKopfsteinpflaster handelt es sich um Ab-güsse von Messstrecken-Oberflächen imPrüfgelände Wolfsburg. Kopfsteinpflasterund Schlagleisten sind Wechselbeläge, diewahlweise neben dem Grobasphalt aufge-schraubt werden können. So sind auf denAnalyserollen jeweils zwei Beläge neben-einander angeordnet, Bild 6. Da es sich beiUntersuchungen zum Fahrzeug-Rollge-räusch in der Regel um Schleppversuchehandelt, bei denen das Fahrzeug vom Prüf-stand geschleppt wird, konnte hier auf auf-wändige Fahrtwindgebläse sowie aufSpotanlagen verzichtet werden.

3.4 Der FensterprüfstandDie Schalldämmung großer, verformterBauteile und Bauteilgruppen wird mit Hil-fe eines Fenster- beziehungsweise Decken-prüfstands beurteilt. Die Anlage bestehtaus einem Empfangsraum sowie zwei Sen-de-Hallräumen: Ein Senderaum nebendem Empfangsraum (Fensterprüfstand fürsenkrechte Bauteile/Bauteilgruppen), einzweiter unterhalb des Empfangsraums(Deckenprüfstand für waagerechte Bautei-le/Bauteilgruppen), Bild 7. Die Größen derÖffnungen zwischen Sende- und Emp-fangsraum sind variabel und ermöglichenden Einbau sehr großer Bauteile bis hin zuBodengruppen von Nutzfahrzeugen. DerEmpfangsraum ist als Halbfreifeldraum

3.3 Der Rollgeräusch-Prüfstand

Bild 4: Größenverhältnisse eines Rollgeräusch-PrüfstandsFigure 4: Size ratios of a rolling noise test bed

Bild 5: Vergleich Prüfstand/Straße auf dem Rollgeräusch-PrüfstandFigure 5: Comparison between test bed and road on the rolling noise test bed

Bild 6: Zwei die Fahrbahn simulierende Beläge auf einer Analyserolle im Rollgeräusch-PrüfstandFigure 6: Two surfaces simulating the road surface on an analysis roller in the rolling noise test bed of the Acoustics Centre

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mit einem schallharten Boden für den Ein-satz der akustischen Nahfeldholografieausgelegt. Hierbei handelt es sich um einMessverfahren, das eine räumliche Trans-formation von Schallfeldern ermöglicht.Sie dient dem präzisen Lokalisieren von ab-strahlenden Flächen und Leckagen. DieMesswertaufnahme erfolgt mit Hilfe einesMikrofonarrays. Große Bauteile werdenmit einer rechnergesteuerten Verfahrvor-richtung abgescannt. Somit ist eine Opti-mierung von Maßnahmen zur Verbesse-rung der Schalldämmung zielgerichtet undzeiteffizient möglich.

3.5 Die MotorenprüfständeDie zwei Motor-Akustikprüfstände dienenzur reproduzierbaren Vermessung undAnalyse der vom Verbrennungsmotoremittierten Betriebsgeräusche bei definier-ten Lastzuständen. Neben der Bestim-mung der Schallleistung, das heißt derakustischen Güte des Motors, geht es umdie Beurteilung von Bauteilvarianten, Po-tenzialabschätzungen sowie die Analysebestimmter Geräuschphänomene, bei-spielsweise der Motorrauhigkeit. Aus denneu gewonnenen Analyseergebnissenwerden entsprechende Abhilfemaßnah-men erarbeitet und gegebenenfalls in seri-entaugliche Versuchsteile umgesetzt. DiePrüfstände sind spiegelsymmetrisch zu-einander aufgebaut, Bild 8. Eine maximaleLeistung von 400 kW und Drehzahlen bis8000/min lassen Untersuchungen an Ver-brennungsmotoren im oberen Leistungs-segment zu. Um eine möglichst störungs-freie Schallausbreitung zu gewährleisten,wird der Prüfling auf Einzelstützen mon-tiert. Die Verbindung zu der im Neben-raum befindlichen Belastungsmaschinewurde durch eine CFK-Welle realisiert.Durch diesen relativ leichten Aufbau konn-te die Belastung auf die Präzisionslagerpa-tronen der Abtriebswellen auf ein Mini-mum reduziert werden.

3.5.1 Der AggregateprüfstandAuf diesem Prüfstand, Bild 9, werden Ge-samtaggregate, also der Motor mit Getrie-be, hinsichtlich ihres Schwingungsverhal-tens und ihrer Schallabstrahlung analysiertund beurteilt. Während die kleinen Getrie-be der querverbauten Aggregate die Schall-leistung nur im geringen Maße erhöhen,können die großen Getriebe im Längsein-bau durchaus einen beträchtlichen Anteilan der Gesamtschallleistung liefern. Nebender Gewichtung, wie viel Schall direkt vomMotor kommt und wie viel über die Getrie-beoberfläche abgestrahlt wird, geht es auchum die Fragestellung des motorinduziertenGeräuschs in die Getriebestruktur. Eineweitere Aufgabe ist die Betriebsschwin-

3.5 Die Motorenprüfstände

Bild 7: Vertikalschnittdurch den Fensterprüf-stand des Akustikzen-trums (oben) und Hori-zontalschnitt (unten)Figure 7: Vertical sectionthrough the window testbed of the AcousticsCentre (top) and hori-zontal section (bottom)

Bild 8: Ansicht von einem und Schnitt von zwei Motor-AkustikprüfständenFigure 8: View of one and cross-section of two engine-acoustics test beds

3.4 Der Fensterprüfstand

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gungsanlyse (BSA). Mit ihr wird das Schwingverhalten desAggregats inklusive der angebauten Nebenaggregate be-urteilt. Anhand der Ergebnisse lassen sich sowohl Bauteil-resonanzen als auch die dynamischen „Schwachstellen“des Motor-Getriebe-Verbandes erkennen und Maßnah-

3.5.1 Der Aggregateprüfstand

Bild 9: Ansicht (oben), Vertikalschnitt (Mitte) und Hori-zontalschnitt (unten) des AggregateprüfstandsFigure 9: View (top), vertical section (middle) and hori-zontal section (bottom) of the drive train test bed

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men zur Verbesserung des Schwingungs-verhaltens erarbeiten. Auch auf diesemPrüfstand wird der Prüfling auf Einzelstüt-zen – unter Beachtung der Fahrzeugeinbau-lage – montiert. Die Belastung wird in Ab-hängigkeit vom aufgebauten Antriebskon-zept (Front-, Heck- oder Allradantrieb) aufbis zu drei E-Maschinen verteilt. Um dieAnalysen immer mit den entsprechendenOriginalantriebswellen durchführen zukönnen, sind die Unterbauten der Bela-stungsmaschinen hydraulisch verschiebbaraufgebaut. Es sind Spurweiten vom Lupo biszum Phaeton einstellbar. Für den Frontan-trieb stehen 2 x 110 kW und für den Heckan-trieb 1 x 220 kW zur Verfügung.

3.5.2 Das HörstudioZur Beurteilung von Klängen und Geräu-schen können in dem neu gestalteten Hör-studio, Bild 10, mittels Kopfhörer- oder Laut-sprecherwiedergabe die mit einem Kunst-kopfsystem aufgenommenen Signale na-turgetreu abgespielt werden. So sind direk-te Vergleiche von akustischen Signalen imschnellen Wechsel möglich, zwischen derenAufnahme zum Teil ein erheblicher zeitli-cher Abstand besteht. Die Raumakustik isthierbei durch breitbandig wirkende Platten-absorber speziell für die Lautsprecherwie-dergabe ab einer Frequenz von zirka 80 Hzeinem Freifeld vergleichbar. Tiefe Frequen-zen werden von zwei Subwoofer-Systemenabgestrahlt. Simulationen von zum Beispielmittels Filterung modifizierten Signalensind ebenso möglich. So lassen sich ge-wünschte Zielklänge erzeugen, ohne dieentsprechenden Varianten in zeitrauben-den Umbauten an der Hardware erstellenzu müssen. Zur Visualisierung der Ergebnis-se oder Diagramme ist das Hörstudio mit ei-ner modernen Beamer- und Visualisierung-stechnik ausgestattet.

4 Die neuartige reflexionsarmeAuskleidung der Messräume

4.1 Die KonzeptionNeben dem Erschütterungs- und Schall-schutz der Prüfräume untereinander sowieder lüftungs- und klimatechnischen Anla-gen wird die Güte eines Schallmessraumsmaßgeblich durch die Art der reflexionsar-men Schallauskleidung bestimmt. Aus denunterschiedlichen Messanforderungen derverschiedenen Prüfstände ergeben sichwiederum unterschiedliche Anforderun-gen bezüglich des Schallfelds und der er-wünschten unteren Grenzfrequenz. Umdiesem Umstand Rechnung tragen zu kön-nen, wurden sämtliche Prüfstände bereitsim Planungsstadium ihrer jeweiligen Nut-zung entsprechend individuell ausgelegt.Für die raum- und bauakustische Ausle-

3.5.2 Das Hörstudio

Bild 10: Hörstudio im Volkswagen-AkustikzentrumFigure 10: Listening studio in the VW Acoustics Centre

Freifeld über reflektierender Terzmitten- Grenzwerte für

Ebene (Halbfreifeld) frequenz [Hz] Differenzen [dB]

Anforderungen nach Norm ≤ 630 ± 2,5800 bis 5000 ± 2,0

≥ 6300 ± 3,0

Anforderungen VW-intern 50, 63, 80 ± 2,5≥ 100 ± 1,0

Tabelle 2: Toleranzen für Pegelabnahme in Freifeld-Räumen gemäßGenauigkeitsklasse 1 beziehungsweise „precision method“ nach [5, 6] beziehungsweise [2]Table 2: Tolerance for the sound pressure drop in semi-anechoic rooms inaccordance with accuracy class 1 and/or ”precision method“ according to[5, 6] and/or [2]

4.2 Die Ausführung

4.1 Die Konzeption

Bild 11: Absorberaufbau: Verbundplatten-Resonator (VPR) und Breitband-Kompaktabsorber (BKA) und Asymmetrisch-Strukturierter-Absorber (ASA) Figure 11: Absorber structure: Compound Panel Resonators (CPR), Broad-band Compact Absorbers (BCA) and Asymmetrically Structured Absorbers(ASA)

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gung sowie Überwachung wurde von Be-ginn an das Fraunhofer-Institut für Bau-physik (IBP) Stuttgart hinzugezogen.

Die in Tabelle A.1 in [2] für reflexionsar-me Räume festgelegten zulässigen Abwei-chungen zwischen theoretischem und ge-messenem Schalldruckpegel können fre-quenzabhängig bis zu ± 3 dB betragen. Be-sonders für die Außengeräusch-Messhallemit der Möglichkeit der Vorbeifahrtsimu-lation erschienen diese Abweichungenaber als noch zu groß. Die Anforderungenfür die maximale Pegelabweichung derdrei Rollenprüfstände wurde daher im Fre-quenzbereich oberhalb von 100 Hz auf ± 1dB festgelegt, Tabelle 2. Unterhalb von 100Hz sollten mit ± 2,5 dB die in der Norm an-gegebenen Toleranzen eingehalten wer-den. Die verschärften Anforderungen wur-den einmal als Messquader für jeden Prüf-standsbereich definiert sowie zusätzlichauf den 7,5-m-Messpfaden in der Außen-geräusch-Messhalle vorgegeben. Die untereGrenzfrequenz sollte im Bereich von 50 Hzliegen. Dies hätte jedoch bei einer her-kömmlichen Auskleidung mit Keilabsor-bern einer Auskleidungstiefe von zirka 1,70m bedurft. Das wäre entweder zu Lasten desnutzbaren Messraumvolumens gegangenoder hätte ein dementsprechend größeresVolumen des Baukörpers erfordert. Deshalbwurde zunächst eine deutlich geringere Tie-fe von etwa 50 cm vorgegeben.

4.2 Die Ausführung Die nach dem heutigen Stand der Technik[7] verfügbaren Membranabsorber (MA),Verbundplatten-Resonator (VPR) und Breit-band-Kompaktabsorber (BKA) sowie Asym-metrisch-Strukturierter-Absorber (ASA) ha-ben eine nachhaltige Erneuerung der fast60 Jahre alten Standards für Freifeld-Mess-räume möglich gemacht.

Da die Vorteile der neuartigen Ausklei-dungen erst im ausgeführten Raum voll zurGeltung kommen und auch objektiv – vorallem durch Messung der Schallpegelab-nahme von einer Punktquelle – nachgewie-sen werden können, dauerte es einige Jah-re, bis die neue Technik sich durchsetzenkonnte. Insbesondere die rasche Akzeptanzder neuartigen Auskleidungen in den Frei-feldräumen bei verschiedenen Kfz-Herstel-lern und -Zulieferern [8] hat aber dazu ge-führt, dass der Lizenzpartner des IBP, dieFaist Anlagenbau GmbH, die Ausführungmit konventionellen Keilabsorbern inzwi-schen ganz aufgegeben hat.

Mit Hilfe der in den drei großen Rollen-prüfständen erstmals eingesetzten Ausklei-dung, einer Kombination von VPR und ASA,konnten die Vorgaben bereits bei einerAuskleidungstiefe von 0,62 m erreicht wer-den. Diese besteht wandseitig aus den 100

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mm dicken VPR und raumseitig aus den 520mm tiefen ASA, Bild 11. Als mechanischerSchutz vor Berührung sind umlaufend abBoden bis in 2,4 m Höhe akustisch transpa-rente Lochgitter vorgesetzt. Darüber sinddie ASA-Module im Wandbereich nur miteinem Abdeckvlies vor Verschmutzung ge-schützt, Bild 12.

Die Motorenprüfstände und der Aggre-gateprüfstand wurden im Wandbereich so-wie der Empfangsraum des Fensterprüf-stands komplett mit nur 250 mm dickenBKA ausgekleidet, Bild 11. Der Deckenbe-

reich der erstgenannten Räume ist zusätz-lich mit 520 mm tiefen ASA belegt. DieWände sind ebenfalls als Berührungs-schutz ganzflächig mit einer akustischtransparenten Lochblechabdeckung verse-hen. Wie in allen Prüfräumen sind sämtli-che Lüftungskanäle, Überwachungsein-richtungen, Versorgungsleitungen sowieBeleuchtungselemente vollständig in dieRaumauskleidung integriert, Bild 12.

Detaillierte Ausführungen über diedurchgeführten Schallpegelabnahme-Mes-sungen sowie die erreichten akustischen

Eigenschaften der Prüfräume finden sichim zweiten Teil dieses Beitrags, der in derApril-Ausgabe der ATZ erscheinen wird.

Literaturhinweise

[1] Brandstätt, P.; Fuchs, H. V.; Roller, M.: Novelsilencers and absorbers for wind tunnels andacoustic test cells. Noise Control EngineeringJournal 50, Heft 2, 2002, S. 41-49

[2] ISO/DIS 3745.2 (2002): Acoustics – Determina-tion of sound power levels of noise sourcesusing sound pressure – Precision methods foranechoic and hemi-anechoic rooms

[3] DIN ISO 362 (1997): Messung des von beschleu-nigten Straßenfahrzeugen abgestrahltenGeräuschs – Verfahren der Genauigkeitsklasse 2

[4] DIN ISO 10 844 (1997): Akustik – Anforderungenan Prüfstrecken zur Geräuschmessung anStraßenfahrzeugen

[5] DIN 45 635 (1984): Geräuschmessung an Ma-schinen. Teil 1: Luftschallemission, Hüllflächen-Verfahren. Rahmenverfahren für drei Genauig-keitsklassen

[6] ISO 37 45 (1991): Acoustics – Determination ofsound power levels of noise sources – Precisionmethods for anechoic and semi-anechoic rooms

[7] Fuchs, H. V.; Möser, M.: Schall-Absorber. In: Ta-schenbuch der Technischen Akustik, 3. Auflage.Berlin: Springer-Verlag, 2003 (in Vorbereitung)

[8] Fuchs, H. V.; Zha, X.; Babuke, G.: Freifeld-Mess-räume. Ein neuer Standard für die Automobil-Akustik. Wiesbaden: Teubner/Vieweg, 2003 (inVorbereitung)

[9] Zha, X.; Fuchs, H. V.; Hunecke, J.: Raum- undbauakustische Gestaltung eines Mehrkanal-Abhörraums. Rundfunktechnische Mitteilungen40, Heft 2, 1996, S. 49-57

4.2 Die Ausführung

Bild 12: Schnitt durch eine Raumkante mit schallgedämpften Lüftungs- und Heizungskanälen sowie strukturierter reflexionsarmerRaumauskleidungFigure 12: Section through an edge of the room with sound-insulatedventilation and heating ducts as well as structured anechoic room lining