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KLI NISCHE WOCHENSCHRIFT z. JAHRGANG. Nr. 28. ~8. JULI I922 UBERSICHTEN. DAS PROBLEM DER KUNSTLICHEN ERNAHRUNG. Won Prof. Dr. RIETSCHEL, Vorstand der Univers.-Kinderklinik, Wfirzburg. Jedes Siugetier hat seine spezifische, ffir das Wachstum des Jungen ad~quat zusammengesetzte Milch. Das ist ein allgemein biologisches Gesetz. Insbesondere stehen EiweiB und Mineralstoffe in direkter Beziehung zum Wachstum. Je grGBer der Anteil yon Mineralien und EiweiB in der Milch, um so starker allgemein die Wachstumstendenz. Das zeigt folgende Zusammenstellung: I Zeit bis zur Ver- dgppelung des Geburtsgewiehtes Mensch ..... 120 Tage Kuh . ..... 47 ,, Ziege ....... i 2o ,, Schaf ..... . ii 12 ,, Hund ...... ] 9 Kaninchen . . iJ 6 ,, Cal.-Gehalt in ioo g 656570 80 Io5 I35 16o Milch EiweiB I% 3,3% 5,o% 5,6% 9,7% IS,5% Mineralien o,~9% 0,76% 0,8% 0,9% 1,4% 2,5% Es bedari keines weiteren Wortes, dab jede Tiermilch nur fiir das Junge der eigenen Art bestimmt sein kann, und dab daher das beste Wachstum bei Ern/~hrung mit arteigener Milch stattfindet. Das ist nicht so zu verstehen, als ob die grGBten Gewichtszunahmen stets bei der Ernihrung mit arteigener Milch erfolgen miissen, wohl abet ist die spezifische artgemiBe Entwicklung des Jungen bei Muttermilch fiir jedes Siugetier am besten garantiert. Worin aber diese Unterschiede des Erfolges bei ktinstlicher und natiirlicher Ern/~hrung begrfindet sind, ist heute noch umstritten, zum Tell beriihrt die Beant- wortung dieser Frage das wichfige Problem der Pathogenese der ErnihrungsstGrungen. Grunds~ktzlich muB aber immer wieder bei aller Verschiedenheit yon Frauen- und Tiermilch festgestellt werden, dab diese b~iden Nahrungsmittel auch auBerordentlich ihnlich sind, und da~3 keine andere Nahrung bekannt ist, die an Stelle der Frauenmilch Besseres leisten kGnnte, als Tiermilch. Aber gerade darum wird die Frage um so interessanter, als diese chemisch so nahestehende Nahrung im Erfolg so auBerordentlich viel unzuverl/tssiger ist. In zweierlei Hinsicht hat man geglaubt, das Problem klAren zu k6nnen. Einmal hat man auf die dem Siugling schaden- bringenden Eigenschaften der arffremden Nahrung hin- gewiesen, und andererseits dachte man sich, dab die ,,art- eigene Nahrung einen speziellen Nutzen vermitteln kGnnte", auf den der junge S/~ugling besonders angewiesen were. Beide Anschauungen widersprechen sich nicht, und es l~ge durehaus im Bereich der M6glichkeit, j a der Wahrscheinlichkeit, dab beide Auffassungen zu Recht bestinden. Es hat auch hier wie in so vielen anderen Fragen zweifellos die Erkenntnis geschadet, dab man die LGsung ausschlieBlieh in einem ein- zelnen Faktor, wie z. B. der Sch~dlichkeit eines Stoffes oder des Nutzens gewisser Stoffe, sah, ohne zu bedenken, dab bier stets ein Komplex yon verschiedenen Einzelbedingungen vor- liege, der selbst mit diesen angedeuteten Faktoren nicht er- schGpft ist. Dadurch ist die Diskussion hiufig unfruchtbar geblieben. Trotzdem liegt meist in den verschiedenen An- schauungen fiberall ein K6rnchen Wa]trheit. Wenn neuer- dings die Nutztheorie wieder mehr in den Vordergrund ge- stellt wird, so mag auch bier Vorsicht geboten sein, da eine solche Ansehauung allein uns nicht die ~berlegenheit der arteigenen Milch verstEndlich machen kann . . . . Kurz mag historisch der Gang dieser Frage skizziert werden. Es lag ja nahe, bei der ehemischen Verschiedenheit der beiden Milchen und besonders der biologischen Abwegig- keit des EiweiBes dieses im besonderen verantwortlich zu machen. BIEDERT, der als erster diese"Frage aufgeworfen hat, stellte dabei den Begrifi der ,,Schwerverdaulichkeit" des Ei- weiBes, spezie!l des Caseins aui nnd hielt die nnresorbierten EiweiBstoffe ,,flit einen Herd schidlicher Zersetzung und den N~hrboden iiir die Wucherung der Pilze". BIEDERT hat in- sofern nicht Unrecht gehabt, als unverdautes Casein .in viel hiuiigerem MaBstabe, als wir bisher annahrnen, in den Faeces der mit Kuhmilch ern/~hrten Kinder ausgeschieden wi.rd (TALBOT, UFFENHEIMER U.a.). Under hat welter _damit wohl auch Recht gehabt, als er der bakteriellen Flora im Darm eine groBe Bedeutung ffir den physiologischen, bzw. patholo- gischen Ablaut der Verdauung zuschreibt. Nur hat er f/~lsch- licherweise allein an das EiweiB gedachti). HAMBURGER sah in dem artfremden EiweiB der Kuhmilch einen Stoff, der biologisch wie ein Gift wirkte, wenn er mit den jungen Epithelzellen des Darmes in ]3erfihrung kommt. Die Aufgabe des Darmes besteht also nach HAMBURGER darin, dieses ,,artfremde EiweiB seiner spezifischen und damit sch~d- lichen Eigenschaften zu entkleiden und die Bildung yon art- eigenem EiweiB vorzubereiten oder zu vollenden". Darin !iegt ffir ihn eine Mehrarbeit fiir den Organismus, und unter dieser Mehrarbeit hat der ganze Organismus zu leiden. Zu einer ~hnlichen Auffassung war HEUBNER bei seinen energetischen Arbeiten gekommen, als er in der grGBeren ,,Verdauungsarbeit", die die kfinstliche Ern~hrung vom=S/~ug- ling i0rdert, eine besondere Arbeitsleistung erblickte, wodurch dem S/iugling Schaden erwachsen kGnnte. Eine solche An- schauung hat in der Tat sehr viel Ansprechendes, nur mGchten' wit dabei nicht allein an das EiweiB denken, sondern besonders auch an das Fett (spezifisch dynamische Wirkung dieser Stoffe). In diesem Sinne kommt die so stark befehdete ~-IAMBURGERsche Lehre wieder zu Ehren, freilich nur in ener- getischem Sinne. Neuerdings ist nun yon LANGSTEIN und EDELSTEIN wieder darauf hingewiesen worden, besonders im AnschluB an Untersuchungen yon RUBNBR und THOMAS, ob nicht die hGhere Wertigkeit des FrauenmilcheiweiBes darin liegen kGnne, dab das arteigene EiweiB ftir den Aufbau des KGrpers eine zweckmiBigere Zusammensetzung an einzelnen Baustoffen besitze, so dab kein unntitzer ~berschuB an ein- zelnen Aminosiuren vorhanden sei, insbesondere dadurch, dab die Relation yon Albumin-Casein eine ftir das Wachstums- bedtirfnis des Siuglings besonders gtinstige sei. Line solche Auffassung erscheint sehr plausibel, und Wir mGchten sie wohl ffir wahrscheinlich halten. Dagegen hat die alte Vorstellung, dab das FrauenmilcheiweiB, speziell das Albumin 0hne Sp~l- tung als arteigenes resorbiert wfirde, sich nicht aufrechter- halten lassen, denn auch bei arteigener Nahrung wird alles EiweiB bis auf die niedersten Bausteine abgebaut; wie Versuche beim Kalb und Zicklein (LANGSTEIN,BAHRDT, PFAUNDLER) beweisen. Abet doch best~inde daneben immerhin anch hier die M6glichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit, dab gewisse Aminos~iurenkomplexe resorbiert nnd assimiliert werden k6nnten und direkt zum Aufbau Verwendung f~inden. Man hat nicht minder das Fett und schiieBlich auch die Kohlenhydrat~ und die l~ineralien, spez. dia Molke, als Sch~Ldling der Milch beschuldigt: Wie wenig das Fett an sich die Causa peccans der Kuhmilch sein kann, geht aus der Tatsache hervor, daB Fettmilchen sich zweifellos besser zur Aufzucht von jungen S~uglingen eignen als zuckerreiche Mischungen. Mit weft mehr Berech• konnte die' Molke als Sch~Ldling angesehen werden. Zu der letzteren Annahlfle wurde man besonders durch die Ergebnisse der Molken- -austauschversuche (L. F. MEYER) geffihrt, als man beobachtete, 1 ) Abet anch diese Ansehauung BIEDERTs erlebt einemodeme Aufersfehung, alsz. B. MORO und seine Schiller die alhnent~re Intoxikation als eine EiweiB- bzw:~als etiae Peptonvergiftung auffassen. Klinisehe Wochensehrift, x. Jahrg. 93

Das Problem der Künstlichen Ernährung

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KLI NISCHE WOCHENSCHRIFT z. JAHRGANG. Nr. 28. ~8. JULI I922

UBERSICHTEN. DAS PROBLEM DER KUNSTLICHEN ERNAHRUNG.

Won

Prof. Dr. RIETSCHEL, Vorstand der Univers.-Kinderklinik, Wfirzburg.

Jedes Siugetier hat seine spezifische, ffir das Wachstum des Jungen ad~quat zusammengesetzte Milch. Das ist ein allgemein biologisches Gesetz. Insbesondere stehen EiweiB und Mineralstoffe in direkter Beziehung zum Wachstum. Je grGBer der Anteil yon Mineralien und EiweiB in der Milch, um so starker allgemein die Wachstumstendenz. Das zeigt folgende Zusammenstellung:

I Zeit bis zur Ver- dgppelung des Gebur tsgewiehtes

Mensch . . . . . 120 Tage K u h . . . . . . 47 ,, Ziege . . . . . . . i 2 o ,, Schaf . . . . . . ii 12 ,, Hund . . . . . . ] 9 Kaninchen . . �9 iJ 6 ,,

Cal.-Gehalt in ioo g

656570

80

Io5 I35 16o

M i l c h

EiweiB

I % 3,3% 5,o% 5,6% 9 , 7 %

IS,5%

Mineralien

o,~9% 0,76%

0,8% 0,9% 1 , 4 % 2,5%

Es bedari keines weiteren Wortes, dab jede Tiermilch nur fiir das Junge der eigenen Art best immt sein kann, und dab daher das beste Wachstum bei Ern/~hrung mit arteigener Milch stattfindet. Das ist nicht so zu verstehen, als ob die grGBten Gewichtszunahmen stets bei der E r n i h r u n g mit arteigener Milch erfolgen miissen, wohl abet ist die spezifische artgemiBe Entwicklung des Jungen bei Muttermilch fiir jedes Siugetier am besten garantiert. Worin aber diese Unterschiede des Erfolges bei ktinstlicher und natiirlicher Ern/~hrung begrfindet sind, ist heute noch umstrit ten, zum Tell beriihrt die Beant- wortung dieser Frage das wichfige Problem der Pathogenese der ErnihrungsstGrungen. Grunds~ktzlich muB aber immer wieder bei aller Verschiedenheit yon Frauen- und Tiermilch festgestellt werden, dab diese b~iden Nahrungsmittel auch auBerordentlich ihnl ich sind, und da~3 keine andere Nahrung bekannt ist, die an Stelle der Frauenmilch Besseres leisten kGnnte, als Tiermilch. Aber gerade darum wird die Frage um so interessanter, als diese chemisch so nahestehende Nahrung im Erfolg so auBerordentlich viel unzuverl/tssiger ist.

I n zweierlei Hinsicht hat man geglaubt, das Problem klAren zu k6nnen. Einmal hat man auf die dem Siugling schaden- bringenden Eigenschaften der arffremden Nahrung hin- gewiesen, und andererseits dachte man sich, dab die ,,art- eigene Nahrung einen speziellen Nutzen vermitteln kGnnte", auf den der junge S/~ugling besonders angewiesen were. Beide Anschauungen widersprechen sich nicht, und es l~ge durehaus im Bereich der M6glichkeit, j a der Wahrscheinlichkeit, dab beide Auffassungen zu Recht best inden. Es hat auch hier wie in so vielen anderen Fragen zweifellos die Erkenntnis geschadet, dab man die LGsung ausschlieBlieh in einem ein- zelnen Faktor, wie z. B. der Sch~dlichkeit eines Stoffes oder des Nutzens gewisser Stoffe, sah, ohne zu bedenken, dab bier stets ein Komplex yon verschiedenen Einzelbedingungen vor- liege, der selbst mit diesen angedeuteten Faktoren nicht er- schGpft ist. Dadurch ist die Diskussion hiufig unfruchtbar geblieben. Trotzdem liegt meist in den verschiedenen A n- schauungen fiberall ein K6rnchen Wa]trheit. Wenn neuer- dings die Nutztheorie wieder mehr in den Vordergrund ge- stellt wird, so mag auch bier Vorsicht geboten sein, da eine solche Ansehauung allein uns nicht die ~berlegenheit der arteigenen Milch verstEndlich machen kann . . . .

Kurz mag historisch der Gang dieser Frage skizziert werden. Es lag ja nahe, bei der ehemischen Verschiedenheit der beiden Milchen und besonders der biologischen Abwegig- keit des EiweiBes dieses im besonderen verantwortlich zu

machen. BIEDERT, der als erster diese"Frage aufgeworfen hat, stellte dabei den Begrifi der ,,Schwerverdaulichkeit" des E i - weiBes, spezie!l des Caseins aui nnd hielt die nnresorbierten EiweiBstoffe ,,flit einen Herd schidlicher Zersetzung und den N~hrboden iiir die Wucherung der Pilze". BIEDERT ha t in- sofern nicht Unrecht gehabt, als unverdautes Casein .in viel hiuiigerem MaBstabe, als wir bisher annahrnen, in den Faeces der mit Kuhmilch ern/~hrten Kinder ausgeschieden wi.rd (TALBOT, UFFENHEIMER U.a.). U n d e r hat welter _damit wohl auch Recht gehabt, als er der bakteriellen Flora im Darm eine groBe Bedeutung ffir den physiologischen, bzw. patholo- gischen Ablaut der Verdauung zuschreibt. Nur hat er f/~lsch- licherweise allein a n das EiweiB gedachti).

HAMBURGER sah in dem artfremden EiweiB der Kuhmilch einen Stoff, der biologisch wie ein Gift wirkte, wenn er m i t den jungen Epithelzellen des Darmes in ]3erfihrung kommt. Die Aufgabe des Darmes besteht also nach HAMBURGER darin, dieses ,,artfremde EiweiB seine r spezifischen und damit sch~d- lichen Eigenschaften zu entkleiden und die Bildung yon art- eigenem EiweiB vorzubereiten oder zu vollenden". Darin !iegt ffir ihn eine Mehrarbeit fiir den Organismus, u n d unter dieser Mehrarbeit hat der ganze Organismus zu leiden.

Zu einer ~hnlichen Auffassung war HEUBNER bei seinen energetischen Arbeiten gekommen, als er in der grGBeren ,,Verdauungsarbeit", die die kfinstliche Ern~hrung vom=S/~ug- ling i0rdert, eine besondere Arbeitsleistung erblickte, wodurch dem S/iugling Schaden erwachsen kGnnte. Eine solche An- schauung hat in der Tat sehr viel Ansprechendes, nur mGchten' wit dabei nicht allein an das EiweiB denken, sondern besonders auch an das Fet t (spezifisch dynamische Wirkung dieser Stoffe). In diesem Sinne kommt die so stark befehdete ~-IAMBURGERsche Lehre wieder zu Ehren, freilich nur in ener- getischem Sinne. Neuerdings i s t nun yon LANGSTEIN und EDELSTEIN wieder darauf hingewiesen worden, besonders im AnschluB an Untersuchungen yon RUBNBR und THOMAS, ob nicht die hGhere Wertigkeit des FrauenmilcheiweiBes darin liegen kGnne, dab das arteigene EiweiB ftir d e n Aufbau des KGrpers eine zweckmiBigere Zusammensetzung an einzelnen Baustoffen besitze, so dab kein unnt i tzer ~berschuB an ein- zelnen Aminosiuren vorhanden sei, insbesondere dadurch, dab die Relation yon Albumin-Casein eine ftir das Wachstums- bedtirfnis des Siuglings besonders gtinstige sei. Line solche Auffassung erscheint sehr plausibel, und Wir mGchten sie wohl ffir wahrscheinlich halten. Dagegen hat die alte Vorstellung, dab das FrauenmilcheiweiB, speziell das Albumin 0hne Sp~l- tung als arteigenes resorbiert wfirde, sich nicht aufrechter- halten lassen, denn auch bei arteigener Nahrung wird alles EiweiB bis auf die niedersten Bausteine abgebaut; wie Versuche beim Kalb und Zicklein (LANGSTEIN, BAHRDT, P F A U N D L E R )

beweisen. Abet doch best~inde daneben immerhin anch hier die M6glichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit, dab gewisse Aminos~iurenkomplexe resorbiert nnd assimiliert werden k6nnten und direkt zum Aufbau Verwendung f~inden.

Man hat nicht minder das Fet t und schiieBlich auch die Kohlenhydrat~ und die l~ineralien, spez. dia Molke, als Sch~Ldling der Milch beschuldigt: Wie wenig das Fe t t a n sich die Causa peccans der Kuhmilch sein kann, geht aus der Tatsache hervor, daB Fettmilchen sich zweifellos besser zur Aufzucht von jungen S~uglingen eignen als zuckerreiche Mischungen. Mit weft mehr Berech• konnte die' Molke als Sch~Ldling angesehen werden. Zu der letzteren Annahlfle wurde man besonders durch d i e Ergebnisse der Molken-

-austauschversuche (L. F. MEYER) geffihrt, als man beobachtete, 1 ) Abet anch diese Ansehauung BIEDERTs erlebt einemodeme Aufersfehung, alsz. B.

MORO und seine Schiller die alhnent~re Intoxikation als eine EiweiB- bzw:~als etiae Peptonvergiftung auffassen.

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dab Frauenmilchmolke + Kuhmilch-Casein-Fett weir mehr Frauenmilch enthalten sind. Diese Anschauung vom in ihrem Erfolg der Frauenmilch glichen ais_ I~2uhmilchmolke ..... .Vorzug einer ,,adaptierten Milch" wird auch dadurch llicht + Frauenmilch-Casein-Fett . So lag es llahe, die hohe Bedeu- tung der Molke Iiir den Ern~thru.ngsabtauf in den Vorder- grund z~a setzen. Die Versuche sind zwar llicht nnwider- sprochen geblieben, aber an der Tatsache ist nicht vorbei- zugehen, daB der Molke ein augerordentlich wichtiger Anteil im Ern~hrullgsvorgang im Darm zuk0mmt. Man kdnnte dabei mit FII~KELS*~I~ annehmell, dab die Frauenmilchmolke als Ganzes auf die Vorg~nge im kindlichen Darm nach Art eines Kataiysators reaktiollsbeschleunigend einwirke, w~hrend bet Kuhmilchmolke das Epithel des kindlichert Darmes eine Funk- tionsst6rung erlitte.

Hier haben weitere AufklArullg Ulltersuchungell MOR0S und seiner Schtiler gebracht. M i t d e r Methode der Zell, a tmung am tiberlebenden Darmepithel konlltell sie llach- weisen, dab der Oxydationseffekt der Darmzellen in homologer Frauenmolke durchweg gr613er war als bet Tiermilchmolken. Ferner s~eilten sic lest, dab am fiberlebendell Darm die aktive Resorption (beim Zucker) bet artgleicher Molke eine bessere ist.

Diese Anschauungen wurden aber welter dadt/rch kompli- ziert, ais man den Begriff der ,,Korrelation" einffihrte. Zweifellos.hat man lange ullter dem suggestiven Eindruck ge- standen, dab bet VerXnderungen eines N~larstoffes in der Milch, z. 13. der Entfernung des Fettes, damit llur der eine N~hrstoff ausgeschai~et wiirde, ohne zu bedellken, dab mi~ der Minderflng 0der Ausschaltung dieses einen Stoffes die t3e- dingungen iiir die Assimilation und Dissimilation aller anderen N~hrsfoffe gei~ndert werdell, mi t anderen Worten,:daB z. B. fettfreie Milch fiir den Darm des SgugIings eine vdllig andere Nahrung darstelle, als sie dem oberfl~chlichen Beurteiler erscheint, denn mit der Entfernung des Fettes gebell wir dem Kinde nicht nur eine fettfreie Milch, sondern wir ~ndern den ganzen Ablauf des Ern~hrungsvorgallges sowohl in quanti- tat iver wie in quaii tativer Weise; man denke all lVIenge .ulld Art der Verdauungssekrete sowie die fermentafiven Prozesse. Und ebenso wird dies der Fall bet molkenarmer und molken, reicher Ern~hrung seth. So kann der N~hrstoff , i n dem einen Milieu" gttllstig, in einem anderen ungfinstig wirken, ia sicher wird die Verwertung des einen N~hrstoffes v o n d e r Art und der Mellge eines zweiten oft abh~ngig sein. So scheint die Fettresorption eine andere und zwar bessere zu sein bet Milchzuckerzusatz ais bet Rohrzucker oder Maltose-Dextrin- gemischen, find ebellso wirkt EiweiBzusatz auf den Ablauf der Magenverdaunllg und auf die Feitausnfi tzung oft stdrend. Dieses Gebiet der korrelafiven Beziehullgen ist in seiner grgBen ManntgfMtigkeit noeh nicht im geriI~gsten erschlossen, und bier liegen noch viele wichtige Fragen der Diiitetik besollders der kiinstlichen Erniihrung im Dunkeln. Diese Betrachtullgen der korrelativen Beziehungen der N~hrstoffe untereinander hat zweifellos das Verst~ndnis ffir manche komplizierte Ver, hMtnisse bet der kiillstlichen Ern~hrung leichter gemacht. Abet freilich hat auch diese Lehre eine gesunde Empirie nicht fiberwinden kdnnen. Fo!gerichtig fordert eine s01che AUschau- u n g eine Milch, die in ihren ,,korrelativen Verhi~ltllissen" m6glichst der Muttermilch allgepagt ist. Dieser Versuch, die Kuhmilch der Muttermilch m6glichst ,,adapfieren" zn wollen, ist insofern als llicht geglfickt anzusehell, ais keine ktinstliche Er 'n~hrung das zu leistell imstande is t, was die Mutfermilch mMst ,spielend erreicht. Eine solche Tatsache hat gewi,3 llichts Befremdendes, denn eine ktinstliche Muttermileh ist eben eine biologische Unm6glichkeit. Abet doch wohl ist die Frage erlaubt, ob in dieser. AdaRtion nicht doeh ein richtiger Kern steckt und das mdehten wit yoU be]ahen. ~Vir sind in der

T a t der Meinung, dab eine molkenreduzierte und fettange- reieherte Milch fiir den jungen S~ugling bet der Aufzucht ceteris paribus mlehr leistet als jede andere Mischung, ohne atlerdings in der chemisch mdglichst der Frauenmilch ad~- quat zusammengesetzten Kuhmilch einen besonderen Vorzug,

�9 geschweige denn die Ldsung des Problems zu erblicken~). ]~s sind besonders die Kohle~hydrate, die man bet den Kuhmilch- fettmischungen in anderer Form geben mug, als sie in der

'~)~Ahf . d id - F r age der , ,konzentrierten NShrgr ist absichtlich nicht ein- gegangen.

erschiittert, daf3 zweifellos der Milchzueker als einziges Kohlenhydrat ffir jede Kuhmilchern~ihrung nicht a m gfinstigste~ dasteht, obwohl chemisch der Milchzucker in Frauell- nnd Kuhmilch nach heutiger Auffassung absolut gleichwertig ist. Wenll also auch eine wirkliche ,,Materni- sierung" der Kuhmilch unm6glich bleiben wird, so wird ma!a doch durch eine gewisse Adaprion viel Sehaden vermeiden k6nnenl). Sicher hat der Milch'zucker Vorteile. So scheillt er die bakteriellen Vorg~llge im Darm unter Umst~nden gfinstig zu beeinflussen. Auch die Fettausnfitzuug solt oft eine bessere sein und die Aufenthaltsdauer des gesamten N~hrgemisches ist im Magen-Darmkanal bet den Milchzuckergemischen meist eine ktirzere. Es h~ngt wohl damit zusammen, dab der Milch- zucker einmal g~ridrdernde und dann zweitens peristaltik- f6rdernde Eigensehaften,besitzt. So kommt leicht unresor- bierter Milchzucker in die tieferen Darmabschnitte, wo er der G~trung anheimf~tllt. Das ist wohl sicher beim Brustkind.der Fall und daher rfihrt wohl auch der normale saute Stuhl. Nur ist dabei bemerkenswert, dab diese Ggrung beim Brnst- kind fast stets ill physiologischen Grenzen bleibt, ja also sogar als normal zu betrachten ist und nicht so leicht pathologische Formen annimmt, wie dies bet tguhmilchern~hrung geschehen kann. Dafiir ist wohl in erster Linie die Bakterienfl0ra ~er- antwortlich zu machen, denn normalerweise ist der Dfinndarm des S~uglings .nahezu steril. Die Bak~cerienflora des Magens verschwindet schon im Duodenum immer mehr ulld im oberen und mittleren Diinndarm, also jener St~tte, wo die wichf igs t~ Spaltungs- und Resorptionsv6rg~nge vor sich geheff,'is't ) rak- tisch eine Sterilit~t vorhandell-. In den unteren Dfinndarm, abschnitten und besonders im Diekdarm (trod zwar je tiefer; um so mehr) kommu es zur Bakterienbestedeitmg, die abh~mgig ist einmai yon der Art der 'ErnAhrullg und sodann vom Zu, stande des Kindes, sich aber b e t Brust: u n d KuhmilCh verschieden verh~lt: Von ausschlaggebender Bedeutung sind dabei die Verdauungsvorggnge als solche, so dab die Darmflora direkt abh~llgig ist yon der Art, Menge trod Zu- sammensetzung der Nahrung; and alle St6rungen des.A15- Inures, der Assimilation und Dissimila~cion wirken~ letzten Endes aueh auI die Bakterienflora znrtick und beeinfltlssen damit den Ern~hrungsvorgang. J a es kommt'sog~r ill patt/o, logischen F/~llen zur Bakterienbesiedelung in jenen Dfinndarm- abschnitten, die sonst relativ steril s ind und damit zu patho- logischen Erscheinungen, besonders Durchiai1. Ob dabei diese Bakterien vom Dfinndarm herullter- oderlxeraufwandern (BEssAu, Moao) oder ob autochthon ddrt liegende Baktefien durch die minder baktericid wirkenden Krgffe die Oberhand erlallgen (PFAo.~DLER), was uns wahrscheinlicher ist, ist mehr eine theoretische Frage, wohl aber liegt anI der Hand, wie auBerordentlich wichtig das Verhalten der Bakteriellflora. auf den normalell Ablauf des Verdauungsvorganges ~sein muB Und es schetnt welter wahrscheinlich, dab jene spezifischen Kr&fte gegen diese bakterietlen Angriffe be~ Kuhmilch- ern~hrullg viel geringer sind, und dab es bier viel leichter zum Bakteriellwachstum und damit z n r St6rung des normaten Verdauullgsvorgallges kommen kalln. Dabei mag lloch er- w~hnt werden, .daB bet der B2uhmilchern~hrung i m Darm die Coligruppe fiberwiegt, .w~hrend bet der Brustmilch- ern~hrullg eine Bakterienart gefund~n wird, die man als den -Bacilllls bifidus, einen Anaerobier, bezeichnet. Diese ver- schiedene Flora beruht letzten Endes auch auf den korrelativell VerhMtnissen der Nahrung, insbesondere seheinen es die Frauen- milehmolke, das Fet t und der Milchzucker und manch andere Stoffe zu seth, die f6rdernd auf da s Gedeihen gerade dleses �9 Anaerobiers wirken und damit die andere Flora hemmen. Denn man kann unter Umst~indell auch mit kiinstlichen Kuhmilch- gemischer/ eine ~hnliche Flora-im Dickdarm erzielen. Wenn es gel~nge, diese komplizierten Verh~ltnisse mehr zu kl~irelL

~) DaB bclm kranken ~2lnde gerade jene Nahnmgen die besten Rr$olge aufzuwcisen haben, die sieh in ihrer Zusammensetzung am weitesten yon der Frauenmilch entfernen (Ei~veil3- milch, Buttermilch, Malzsuppe) spricht nicht gegcn diese These, d a w i r hier.eben pa'thc' -

logische Zustfinde bet den Kindern vor uns haben. Dem kranken Kir.d kann untcr Um- stRnden auch die Frauenmileh Schadcn briugem

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dann dfirften wir wohl auch ein groBes Stfick in der Erkennt- his des Problems der kfinstlichen Ern~hrung weitergekommen sein.

Ffir den Nutzen der Frauenmilch iaat man aber niche nut die chemischen und physikalischea Unterschiede der beiden Milchen angeifihrt, sondern die spezifiseh biologischen Eigen- schaiten, tnsbesondere hat man den Vorzug der Frauen- milch in dem Vorhandensein gewisser Fermen~e and anderer spezifischer Stoffe gesehen, die zum Tell koktostabil, meistens aber sehr unbest~ndig gegen Hitze sind, and wie es scheint selbst bet unpfleglicher Behandlung der Milch zugrunde gehen k6nnen. Dem an der ]3rust trinkenden Kind kommen sie in vollem MaBe zugute, fraglich ist es schon, ob das aus der Flasche die Frauenmilch trinkende Kind eine v611ig gleichartige Nahrung in diesem Sinne erh~lt. DaB diese Stoffe der Kuhmilch, selbst w~nn sie roh genossen werden, ffir den S~ugling auch niche ent- iernt die gleiche Bedeutung haben ~vie die der Frauenmilch, braucht niche betont zu werden. Manche Stoffe, wie z. I3. die sog. akzessorischen N~hrstoffe, die das Wachstum in verschiedener Hinsicht spezifisch beeinflussen, scheinen in der Kuhmilch in gleicher Weise vorhanden zu sein. Viele andere kommen in der Kuhmilch niche zur Geltung, da sle ,,artspeziiisch" gebildet sind. Man denke an Immunstoffe u.a . Wir m6chten ganz ailgemein die Bedeutung dieses An- tells der Brustern~Lhrung recht h0ch einschS, tzen, aber die oft daraus abgeleitete Forderung, c~em Kinde robe Milch zu geben, ist mfiBig, denn auch robe Kuhmilch bleibt artfremde Nahrung und die meisten dieser Nhhrstoffe sind sicher fiir die eigene Art biologisch so abgestimmt; dab sie in fremder Nahrung dargereicht, dem Kinde nicht den gleichen Ersatz bringen. Ftir d ie Nutramine scheint dies allerdings niche der Fall zu seth; aber damit sind niche etwa alle Erg~nzfings- stoffe ersch6pft. Kgnisch ist fibrigens kein Vorzug der rohen Milch vor der gekochten erwiesem Im Gegenteil sprechen klinische Erfahrungen gegen rohe Milch, zumal das Casein in der rohen Milch viel gr6ber gelabt und dadurch auch schlech-. re r -ausgenutz t wird-(Caseinbr6ckel im Stuhl). In vielen schweren Krankheitsf~llen sieht man immer wieder den dureh~ schlagenden Nutzen der Frauenmilch, wobei wit aber niche etwa den Eindruck haben, dab es nur. d ie korrelativen N/~hr- _~toifverhf~ltnisse von EiweiB, Fe t t und Zucker usw. s~nd, die n~tzlich wirken. Gibe man z. B. Kuhmilchmischungen in ann~hernd fettg!eiChen Mi.schungsverh~ltnissen der einzelnen N~hrstoife, so b!eibt oft jede Reparation aus. Ja auch bet der Frauenmilchd%rreichung kann der Durchfall welter be- stehen, ja oft wieder starker werder~ und doch sehen wir eine Reparation des Kindes eintreten. Das k6nnen wir wohl nur durch einen positiven NUtzen der Frauenmilch erkl~ren und niche etwa allein dadurch, dab diese Nahrung gtinstig auf den patho- logischen Ablauf der Darmvorg~nge wirkt. Diese kSnnen wit oft ebenso gut, ja 6iter noch besser durch gewisse ktinsttiche Nahrung beeinflussen, (EiweiBmilch) und doch erfolgt die Ge- sundung nicht so r~sch. Es mfissen wohl noch ganz besonders ,hei lende Stofie" in der arteigenen Nahrung ftir das junge Kind vorhanden seth.

Endlich hat man den Keimreichtum in der Kuhmilch als die Ursache 'ifir den wechselnden Eriolg der ktinstlichen E r - nghrung angesehen, wobei wir nur an die Saprophyten der Milch denken. Das bakteriologische Milchprobiem ist bier niche zu behandeln. Das abet darf bier ausgesprochen 5verden, dab es ffir den Erfolg der ktinstlichen Ernghrung wohl niche die Bedeutung" besitzt, die ihm yon mancher Sei~e heute noch zuerkannt wird, wenn auch zugegeben werden soil, dab darfiber das letzte Wore noch niche gesprochen ist.

Wenn immer wieder darauf hingewiesen wird, dab ftir den Erfolg der ktinstlichen Ernghrung niche allein das Nahrungs~ problem maBgebend set, sondern ebenso konstitutionelle and konditionelle Mgngel des Kindes in Betraeht kgmen, Dinge, die le~zten Endes cellulgre Probleme darstellen und daher experimenteller Forschung auBerordentlich schwer zuggng- lidn sind, so is~ das richtig und natiirlich und auch yon groBer Bedeutung; aber streng genommen hat dies mit dem.eigent- lichen Problem der ktinstlicheI1 Ernghrung niches zu-tun, da d iese rFak tor ganz ebenso bet der Brusternghrung zmn Aus-

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druck kommt und sich vielleicht nur bei unnatiirlicher Ern~h- rung deutlicher zu erkennen gibe,

Zusammenfassend ist also etwa folgendes zu sagen: Eine eindeutige Beantwortung der Frage, warum der E r f o l g der unnatfirlichen Ern~hrung ein so viel unsicherer ist, ist nicht zu geben, ja sie wird sicher niemals zu geben sein, da hier eine Artspezifit~t der Brustmilch vorwaltet, die wir nicht ,zu reel- stern v.erm6gen. Der Erfolg der kfinstlichen Ern~hrung wird abh~ngig sein yon dem Verh~ltnis der Leistungsf~higkeit des Kindes zur Inanspruchnahme der zugeffihrten Nahrung. Dabei ist ~ie Leistungsf~higkeit nicht nur in der angeborenen Konstitution begriindet, sondern dauemd wechselnden Ein, fliissen unterlegen (konditionale Faktoren im Sinne TA~D- L~RS). Der Versuch die Sch~den der zugeffihrtea kfinsttichen Ern~hrnng zu vermindern, ist heute fiber eine gesumte Empixie noch nicht hinausgekommen, wenn auch eine: ge- wisse, Anpassung der Kuhmilch an die Frauenmilch f fir den gesunden S~ugling wohl yon Vorteil ist.

DAS PROBLEM DER RONTGENTIEFENTHERAPIE VOM PHYSIKALISCHEN STANDPUNKT1).

Won Prof. Dr, FRIEDRICH DESSAUER,

Direktor des Universit~tsinstituts ffir physikal. Grundlagen d. Medizin, F r a n ~ u r t a. M.

Wenige Dinge sind nach so langer Zei t ihrer Prfifung _h 18 Jahre nach den ersten VerSffentlichungen -- so umstritU~n in den Meinungen der Kliniker Ms die Tiefentherapie des Carcinoms und anderer maligner Tumoren mit R6ntgen- strahlen. Es ffnde~ sich radikale Ansichten, Ablehnung der Tieientherapie als erfolglos, es gibt Kliniker, die behaupten~ noch keinen einzigen r6n• geheilten Fall yon Car- cinom gesehen zu haben, es gibt entgegengesetzt extreme Ansichten, welche der Bestrahlung in allen oder den meisten F~llen derL Vorrang vor der Operation zuerkennen-wollefl, u n d e s gibt dazwischen alle Schattierungen m dcr Ansicht- fiber die Teilung der Therapie zwischen Operation und Bet strahlung.

Eine solch v e r w o r r e ~ Lage muB einen besonderen GrUnd haben. Etwas muB ander Tieientherapie mit R6ntgenstrahlen sein, sonst w~re sm in den 18 Jahren ihres Bestehens als untauglich erkannt worden. Sie n immt aber t~glich breiteren R a u m eln, und wer Lokalbefunde nach Bestrahlung gesehen hat, kann sich der Ansicht einfach nicht verschlie~en, dab hier wirklich eine gewaltige Waife im Kampfe gegen malig~e Tumoren vorliegt. Aber es geht eben so sicher aus dem jetzi- gen Zustande hervor, dab die richtige Handhabung~der Tiefentherapie noch felflt, s0nst W~rendie Widersprfiche uner- kl~rlich und die fiberaus zah!reichen Versager. Auf dem letzten KongreB der amerikanischen RSntgengesellschaft Ende Sep- tember 1921 h6rte ich die ,amerikanischen Radio logea be- richten, welche im vergangenen jahre her~bergesandt worden stud, um die deutschen Resulfate in der Tiefentherapie zu studieren. Sie sagten haup~ss zweierlei: DaB sie in einigen Kliniken an selbst untersuchtem Krankenmaterial erstaunliche Resultate, auch welt zurfickliegendeResultate, gesehen h~t~en, und dab man bei uns in Deutschland:viel welter sei wie bei ihnen; zweitens aber sagten sie, hinsichtlich der deutschen Methode selen sle in Verlegenheit, denn in fast jeder Klinik Wfirde es anders gemacht, jeder h~tte:seine eigene Methode ;und wenn auch gewisse Richtlinien gemeinsam w~ren, so wfiBten sie b e i dem Widerstreit d e r iVieinungen nicht, welche Methode sie empfehlen sollen.

Der zweite Gedanke beleuchtet die Lage. W0 in der Natur- wissenschaft hundert verschiedene IV/e~hoden zum selben sehr schwer erreichbaren Ziel nebeneinander laufen, da fehlt-die Methode. So verschwenderisch ist d i e Natur nicht, dab :sie die Heilung eines ausgebreiteten Cs mit einem ph'ysi- kalischen Medikament auf sehr mannigfache' Ar t :zul-~sser~ k6nnte. C~w6hnlich hat die Na tur nut eine' LSsung,: vielleicht

~) Nach einem Vortrage, gehalteu mn 22. Februar 1922 im Verein der Arzte Wiesbadens~

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