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Das Schwarzbuch Die öffentliche Verschwendung

Das Schwarzbuch...Schwarzbuch 2020/21 7 ein Ende der Corona-Pandemie ist nicht in Sicht – ebenso wenig das ganze Ausmaß der Krise. Schon heute stellen wir fest, dass der Staat nicht

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  • DasSchwarzbuch

    Die öffentlicheVerschwendung

  • DasSchwarzbuch

    Die öffentlicheVerschwendung

    2020/21

  • 32 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/21

    Deshalb mache ich mit!

    „Der Bund der Steuerzahler nimmt eine Kontrollfunktion wahr

    und kritisiert die Ausgabenpolitik mit sachlichen Argumenten – das

    hat Hand und Fuß!“Professor Hans-Jörg Schnitzer

    Diplom-KaufmannInhaber von „KOLB International“

    Korntal bei Stuttgart/Baden-Württemberg

    „Was mich am meisten ärgert,ist die permanente Steuergeldver-

    schwendung in allen möglichen Be-reichen. Der Bund der Steuerzahler

    prangert das an!“Stefan Schmidt (rechts)

    Steinmetz und SteinbildhauerGeschäftsführer der

    Natursteinwerkstätte Stefan SchmidtLorch am Rhein/Hessen

    „Es gibt keine Institution, die das in der Form tut – Steuergeldver-

    schwendung aufdecken!Ich bin vom Bund der Steuerzahler

    überzeugt.“Frank Boost

    MaschinenbauingenieurGeschäftsführer der

    MAB Metall und Anlagenbau GmbHWittenförden/Mecklenburg-Vorpommern

    Mitglied im BdSt

    Der Bund der Steuerzahler

    ⊲ decken Steuergeldverschwendung auf⊲ informieren die Öffentlichkeit⊲ erarbeiten Reformvorschläge⊲ hinterfragen Privilegien von Beamten, Politikern und Regierung⊲ machen Sparvorschläge für die öffentlichen Haushalte⊲ führen Musterprozesse⊲ und stehen Bürgern und Betrieben mit zahlreichen Steuertipps und Serviceinformationen zur Seite

    Mit unserer Arbeit

    www.steuerzahler.de/mitglied_werden

    Mitglied im BdSt

    Gemeinsam erreichen wir mehr!

    Jetzt mitmachen!

    Wir sind seit 70 Jahren die Interessenvertretung für alle Steuerzahler. Wir sind unabhängig, par-teipolitisch neutral und gemeinnützig. Unser Ziel ist es, die Steuern und Abgaben zu senken, Verschwendung zu stoppen, die Staatsverschul-dung zurückzufahren und Bürokratie abzubau-en. Unsere Arbeit finanziert sich ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden.

    leisten wir einen Beitrag für ein besseres Gemeinwesen, denn wir

    Für eine faire Besteuerung und eine sinnvolle Verwendung von Steuergeld

    kämpft Reiner Holznagel als Präsident des Bundes der Steuerzahler.

  • 54 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/21NachleseVorteile der Mitgliedschaft

    Ihre Vorteile einer Mitgliedschaft im Überblick

    Schwarzbuch 2020/214

    Nachlese

    Schwarzbuch 2020/21 Vorteile der Mitgliedschaft 5

    Wir schauen Politik und Verwaltung auf die Finger – Ihre Interessen sind unser Anliegen. Wenn nötig, schalten wir auch den Rechnungshof, den Staats-anwalt und die Gerichte ein.

    Ihre Interessen⊲

    Als Mitglied erhalten Sie schnelle und sichere Informationen zu zahlreichen steuerrechtlichen Fragen sowie aktuelle Steuertipps rund um die Uhr, ganz bequem über unseren Mitgliederbereich unter www.steuerzahler.de

    Rund um die Uhr⊲

    Wir haben verständliche Informationen und wertvolle Tipps zu den wichtigsten Themen des steuerlichen Alltags, wie z. B. zur Betriebsprüfung, Steuern rund ums Haus, Auto und Steuern, Erben und Vererben und vielen anderen mehr.

    Wertvolle Info-Broschüren

    Lesen Sie Berichte über aufgedeckte und verhinderte Steuergeld-Verschwen-dung, interessante Hintergrundartikel zur Haushalts- und Finanzpolitik, Informationen über aktuelle Steuerrechtsänderungen, Steuertipps und vieles mehr…

    Unser Wirtschaftsmagazin „Der Steuerzahler“

    ⊲Starke Stimme für die Steuerzahler

    Mit unseren Musterprozessen setzen wir uns für die Rechte der Steuerzahler ein, in Fällen von grundsätzlicher und allgemeiner Bedeutung. Wir stellen Gutachter und übernehmen auch ganz oder teilweise die Kosten. Erfahren Sie unter www.steuerzahler.de mehr über unsere Musterprozesse.

    BdSt- Musterprozesse

    Wir geben den Steuerzahlern eine Stimme, hartnäckig vertreten wir die Interessen der Steuerzahler in Politik und Verwaltung.

    Einige davon sind ganz in Ihrer Nähe, z. B. „Rechte und Pflichten bei der Außenprü-fung“, „Erben und Vererben“ oder „Haus und Steuern“. Lesen Sie auf unserer Inter-netseite, welche Seminare und Webinare gerade in Ihrer Nähe angeboten werden.

    Zahlreiche Veranstaltungen und Seminare⊲

    ⊲Hotline für Mitglieder

    Wir geben allgemeine Auskünfte und haben Antworten auf Ihre Fragen rund um die Themen Steuern, Gebühren, Abgaben und Behörden.

  • 7Schwarzbuch 2020/21

    ein Ende der Corona-Pandemie ist nicht in Sicht – ebenso wenig das ganze Ausmaß der Krise. Schon heute stellen wir fest, dass der Staat nicht nur zig Milliarden Euro neue Schulden aufgenommen hat, sondern sich auch zunehmend in das Wirtschaften der Bürger und Betriebe einmischt: Der Staat stützt viele Unternehmen reihenweise mit Steuergeld oder ist sogar direkt beteiligt.

    Viele Maßnahmen waren aus der Not geboren und genießen einen breiten gesell-schaftlichen Konsens. Dennoch darf zweier-lei nicht vergessen werden: Erstens werden letztlich die Steuerzahler diese Schulden zurückzahlen müssen. Zweitens gibt es gute Gründe dafür, dass Eingriffe des Staates in einer Sozialen Marktwirtschaft nur die Aus-nahme sein sollten.

    Ein genauer Blick zeigt, dass der Staat seine wirtschaftliche Betätigung bereits vor der Krise ausgeweitet hat. So ist die Anzahl der öffentlichen Unternehmen kräftig ge-stiegen, auch der Anteil der öffentlichen Unternehmen an der Gesamtwirtschaft ist deutlich gewachsen. Unabhängig von einer Notlage hatte sich die wirtschaftliche Betä-tigung von Bund, Ländern und Kommunen ausgeweitet.

    Dass Risiken dabei oft unterschätzt und Chancen überbewertet werden, belegt unser diesjähriges Fokusthema Staatswirtschaft. Anhand vieler konkreter Fälle machen wir deutlich, dass häufig die Steuerzahler für Misswirtschaft haften müssen. Mit unserem

    Liebe Leserin,lieber Leser,

    neuen Schwerpunkt-Kapitel zeigen wir, wie diese Entwicklung gestoppt werden kann.

    Darüber hinaus finden Sie in unserem 48. Schwarzbuch der öffentlichen Ver-schwendung jede Menge weitere Recher-chen von Steuergeldverschwendung. 100 exemplarische Fälle zeigen auf, wo und wie der Staat sorglos mit unserem Steuergeld umgeht. Zudem zeigen wir, wo unsere Arbeit bereits erfolgreich war und in welchen Fällen unser Steuergeld durch beherztes Eingreifen noch gerettet werden kann.

    Alle Fälle, Updates und Videos zu aus-gesuchten Fällen finden Sie auf unserer Re-chercheplattform www.schwarzbuch.de. Dort können Sie uns bei unserem Engage-ment unterstützen und Hinweise zu Steu-ergeldverschwendung in Ihrer Nähe geben. Ihre Hilfe ist auch als Mitglied und Spender wichtig. Nur so können wir die Verschwen-dung Ihres Steuergelds weiterhin aufdecken und Druck auf die Verantwortlichen auch in Ihren Regionen aufbauen, damit unser Geld sinnvoll eingesetzt wird.

    Ich wünsche Ihnen eine interessante und spannende Lektüre des neuen Schwarz-buchs.

    Reiner Holznagel Präsident des Bundes der Steuerzahler

    6 Schwarzbuch 2020/21Editorial Editorial

    48 Jahre Schwarzbuch: Mit Ihrer Hilfe decken wir die Verschwendung von Steuergeld auf.

  • 8 Im Fokus 9Schwarzbuch 2020/21 Im Fokus

    Im Fokus: Staatswirtschaft

    Risiken auf Kosten der Steuerzahler

    Schwarzbuch 2020/21

  • 1110 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/21Im Fokus Im Fokus

    Anzahl der Staatsunternehmen steigt

    Die Corona-Krise hat die Wirtschaft in Deutschland schwer getroffen. Viele Un-ternehmen sind in Schieflage geraten, manche mussten sogar Insolvenz anmel-den. Betriebe wurden reihenweise mit Steuergeld gestützt – direkt oder indirekt. Mehr noch: In einige Unternehmen – wie beispielsweise bei der Lufthansa – stieg der Staat mit Beteiligungen ein, um ihre Existenz zu sichern. Oder es gab – wie beim Impfmittelhersteller CureVac – in-dustriepolitische Gründe.

    Wie selten zuvor – und seit der Staats-schulden- und Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren nicht mehr – hat der Staat während der Corona-Krise in die Wirtschaft einge-griffen. Für viele Maßnahmen gab es gute Gründe und einen breiten gesellschaftli-chen Konsens. Eingriffe des Staates in das Wirtschaften der Bürger sollte jedoch die Ausnahme sein! Stattdessen hat die Coro-na-Krise die Einflussnahme des Staates auf die Wirtschaft beschleunigt.

    Dabei hat der Staat seine wirtschaftliche Betätigung bereits zuvor merklich ausge-baut. So ist der Bund beispielsweise beim Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz einge-stiegen und prüft nach eigenen Aussagen eine Beteiligung am Übertragungsnetzbe-

    treiber TenneT. Auch viele Länder und Kom-munen wagen sich vermehrt aufs unterneh-merische Parkett. So will zum Beispiel die nordrhein-westfälische Stadt Dinslaken über ihre Stadtwerke die Energieversorgung ei-nes neuen Stadtteils der chinesischen Stadt Nanjing in Angriff nehmen (siehe S. 151). Im großen Stil mischt auch die hochverschul-dete Stadt Köln mit. Durch Unternehmens-beteiligungen und einen millionenschweren Zukauf ist die Domstadt mittlerweile zum wohl größten Player in der europäischen Bin-nenschifffahrt aufgestiegen (siehe S. 157).

    Der Staat, der eigentlich Schiedsrichter zwischen den Wettbewerbern sein sollte, jagt selbst und sogar vermehrt dem Ball hinterher – in der Hoffnung, selbst einen guten Schuss zu platzieren und eigene Ziele zu erreichen. Dabei gehört es in der Sozialen Marktwirtschaft zur wesentlichen Aufgabe des Staates, die wirtschaftliche Freiheit und den Wohlstand durch fairen Wettbewerb zu sichern, statt selbst auf dem wirtschaftlichen Spielfeld mitzuspielen. Wohin dies führt, dokumentiert der Bund der Steuerzahler seit Jahren im Schwarz-buch: Wir zeigen auf, wie sich der Staat mit diversen staatlichen Wirtschaftsflops allzu oft selbst verdribbelt oder sogar Eigentore schießt (aktuelle Fälle ab S. 24).

    Zusätzlich zur direkten Staatswirtschaft greift der Staat auch durch Subventionen zunehmend in das Wirtschaften von Bür-gern und Unternehmen ein, um ihr Handeln zu lenken. So haben sich die Finanzhilfen des Bundes in den Jahren 2015 bis 2019 auf rund 10,5  Mrd. Euro pro Jahr nahezu verdoppelt. Da der Staat seine Geldschleu-sen als Reaktion auf die Corona-Pandemie

    weit geöffnet hat, dürften auch die Subven-tionen zuletzt deutlich gestiegen sein. Ein-drückliches Beispiel ist die Verdoppelung der staatlichen Kaufprämie für Elektroautos, die nun zum Teil ohne jede Anreizwirkung als schuldenfinanziertes „Geschenk“ an die Käufer vergeben wird (siehe S. 58). Die Kos-ten für diese lenkenden Eingriffe trägt letzt-lich der Steuerzahler.

    Dass es sich bei der Staatswirtschaft nicht nur um wenige Einzelfälle handelt, belegt eine aktuelle Studie des Deut-schen Steuerzahlerinstituts eindrucksvoll. So wuchs die Anzahl der Unternehmen im Eigentum des Bundes, der Länder und der Kommunen im Zeitraum von 2006 bis 2017 (die jüngsten verfügbaren Daten) ins-gesamt um rund 28 Prozent – von 14.054

    im Jahr 2006 auf 18.014 im Jahr 2017. Die-ser Anstieg ist ein flächendeckendes Phä-nomen – alle Bundesländer und der Bund haben sowohl Anzahl als auch Aktivität ihrer Unternehmen in diesem Zeitraum ausgeweitet – wenn auch unterschiedlich stark: Während sich die Anzahl der Berliner Staatsunternehmen verdreifacht hat, ist sie in Sachsen nur geringfügig gestiegen.

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    Umsätze der Staatsunternehmen wachsenNicht nur die Anzahl, sondern auch die

    Umsätze der staatlichen Unternehmen wuchsen im Betrachtungszeitraum von 2006 bis 2017 erheblich – sowohl absolut als auch relativ zur Gesamtwirtschaft. So betrugen die Umsätze der Unternehmen des Bundes, der Länder und der Kommu-nen 2006 rund 284 Mrd. Euro. 2017 waren es bereits knapp 462  Mrd.  Euro, was ei-nem Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von satten 14 Prozent entspricht. Damit sind die staatswirtschaftlichen Umsätze zwischen 2006 und 2017 um 63 Prozent gestiegen. Die staatlichen Unternehmen haben ihre Aktivitäten jedoch nicht nur

    absolut ausgeweitet, auch ihr Anteil an der gesamten Wertschöpfung der deutschen Volkswirtschaft ist gestiegen. Das BIP ist im gleichen Zeitraum nämlich lediglich um 36  Prozent gewachsen. Somit ist klar: Die Staatswirtschaft breitet sich nicht nur weiter aus, sie verdrängt auch zunehmend private Unternehmen.

    Auch hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. In Bremen haben sich die Umsätze im Betrachtungs-zeitraum in etwa vervierfacht, während die Bilanzsumme der Staatsunternehmen in Sach sen-Anhalt nur um rund ein Drittel ge-wachsen ist.

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    Si, Statistisches Bundesamt

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    Umsatz der Staatsunternehmen in Bund und Ländern (inkl. Kommunen)

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    Staatswirtschaft: Teuer für die SteuerzahlerImmer wieder argumentieren Politiker,

    dass durch öffentliche Unternehmen oder Beteiligungen Einnahmen für die öffent-lichen Haushalte erwirtschaftet werden sollen. Diese Ziele lassen sich jedoch nicht immer realisieren, weil Chancen schnell überbewertet und Risiken nicht hinreichend beachtet werden. Der klare Trend zu mehr Staatswirtschaft ist problematisch und der Auftritt des Staates auf dem unternehme-rischen Parkett keineswegs risikolos oder immer profitabel. Im Gegenteil: Öffentliche Unternehmen können zur Belastung für die Steuerzahler werden.

    Prominente Beispiele sind die Landes-banken, die den Steuerzahlern zum Teil

    bereits zig Milliarden Euro gekostet haben. So musste die BayernLB infolge der Staats-schulden- und Finanzkrise mit direkten Kapitalspritzen in Höhe von 10  Mrd. Euro gestützt werden. Auch die Landesbank Ba-den-Württemberg geriet unter Druck, und die HSH Nordbank hatte sich mit Schiffsfi-nanzierungen verzockt, mit denen sie ein großes Klumpenrisiko eingegangen war. Bei diesen beiden Banken war der Staat zu Rekapitalisierungsmaßnahmen im Umfang von jeweils rund 3 Mrd. Euro gezwungen – zusätzlich zu milliardenschweren Garantie-zusagen. Dies zeigt, dass staatliche Banken ein extrem hohes Risiko für die Steuerzahler bedeuten.

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    Ein klassischer Fall fragwürdiger Staatswirtschaft ist die Übernahme des Energiekonzerns STEAG durch sechs nordrhein-westfälische Stadtwerke. Die STEAG gehört mit über 2 Mrd. Euro Jah-resumsatz und weltweit über 7 GW ins-tallierter Kraftwerksleistung zu den gro-ßen Energieversorgern. Entsprechend teuer verkaufte es der Chemieriese Evon-ik in den Jahren 2010 und 2014 an ein kommunales Stadtwerke-Konsortium (KSBG). Rund 1,2 Mrd. Euro bezahlten die Stadtwerke Duisburg, Dortmund, Essen, Bochum, Dinslaken und Oberhausen, um Eigentümer eines weltweit agieren-den Energiekonzerns zu werden. Finan-ziert wurde die STEAG-Übernahme mit Kommanditeinlagen dieser Stadtwerke in die KSBG in Höhe von rund 374 Mio. Euro und im Übrigen mit Krediten, die die KSBG selbst aufnehmen musste. Warnungen und Kritik gab es von An-fang an und immer wieder; insbesondere

    STEAG – VERLUSTE FÜR DEN STEUERZAHLER

    auch vom Bund der Steuerzahler Nord-rhein-Westfalen.

    Die aktuelle Zwischenbilanz ist für die Steuerzahler mehr als ernüchternd. Die Ertragslage der STEAG hat sich im Zuge der Energiewende immer mehr ver-schlechtert. Die Stadtwerke haben des-halb den Wert ihrer STEAG-Beteiligungen inzwischen deutlich nach unten korrigiert. Dinslaken hat seinen Kommanditanteil von 23,1 Mio. Euro inzwischen sogar kom-plett abgeschrieben. Insgesamt betrug die Wertberichtigung aller Stadtwerke auf ihre KSBG-Kommanditeinlagen Ende 2019 rund 60 Prozent.

    Die Stadtwerke verzichten zudem für die kommenden Jahre auf Gewinnaus-schüttungen. Fünf der sechs Stadtwerke sollen sogar den Verkauf ihrer STEAG-Be-teiligungen erwägen. Damit stellt sich nicht mehr die Frage, ob der STEAG-Deal für die Steuerzahler ein Verlustgeschäft war, son-dern nur noch, wie groß dieses ausfällt.

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  • 1514 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/21Im Fokus Im Fokus

    Auch diverse Beispiele aus Deutschlands Regionen zeigen, dass bei einer wirtschaftli-chen Betätigung der öffentlichen Hand die Chancen offenbar überbewertet und Risiken unterschätzt wurden:

    ⊲ In Friesland fiel die Stadt Schortens mit ihrem Investment in einen Werbeturm auf die Nase. Dieser wurde nicht nur fast dreimal so teuer wie geplant, sondern wurde auch noch niedriger als notwen-dig gebaut, sodass sich die Werbeflächen nur schlecht vermarkten lassen. Die er-hofften Mieteinnahmen bleiben weitest-gehend aus (siehe S. 24).

    ⊲ Luxuriös wollte es die mecklenburgi-sche Kleinstadt Parchim angehen: Sie beteiligte sich an einem Unternehmen, das mit dem Verkauf von „Luxuswasser“ Geld verdienen wollte. Rund 20 Euro kostet ein Liter dieses edlen Tropfens. Anstatt aber die Stadtkasse sprudeln zu lassen, erwirtschaftete sie mit ihrem Ausflug ins Luxussegment nur herbe Verluste (siehe S. 29).

    ⊲ Die Stadt Bergzabern und das Land Rhein-land-Pfalz zahlten ein hohes Lehrgeld für ihren Ausflug in gehobene Sphären: Die Stadt kaufte das Wirtschaftsgebäude ei-nes Schlosses, um es einschließlich Lan-desmittel für mehrere Millionen Euro in ein Schlosshotel umzubauen – doch fuh-ren sie einen Millionenverlust ein, als sie es für einen Bruchteil der Investitionssum-me an den Pächter und früheren Besitzer verkauften (siehe S. 32).

    ⊲ Auch der Bund zahlt als Eigentümer des Grandhotels auf dem Petersberg bei Bonn drauf. Trotz Prestige, großer Historie und luxuriöser Ausstattung mit Spa, Prä-sidentensuite und exklusivem Weinclub ist das Hotel schlichtweg unrentabel (sie-he S. 33).

    ⊲ Ebenfalls in der Tourismuswirtschaft, aber weniger luxuriös, sind zwei Kommu-nen in Nordrhein-Westfalen unterwegs:

    Über eine GmbH betreiben die Stadt Por-ta Westfalica und der Kreis Minden-Lüb-becke einen Campingplatz. Im Jahr 2019 fuhr die Gesellschaft einen schmerzli-chen Verlust ein - die Prognose für 2020 ist noch düsterer. Jetzt suchen Kreis und Stadt nach einem Käufer (siehe S. 34).

    ⊲ Schließlich der Landtag von Mecklen-burg-Vorpommern, der an seinem Sitz – dem Schweriner Schloss – seit diesem Jahr über eine GmbH ein Café, eine Kan-tine und ein Restaurant betreibt und nun versucht, was einem privaten Betreiber zuvor auch nicht gelungen ist: Einen lang-fristig kostendeckenden Betrieb der Gast-ronomie (siehe S. 156).

    Dass es sich nicht nur um Ausnahme-Bei-spiele missglückter wirtschaftlicher Tätig-keiten des Staates handelt, zeigt ein Blick auf die Bilanzen der Staatsunternehmen und die Zuschüsse der öffentlichen Gesell-schafter an die Unternehmen. Zwar sind die Bilanzen der Staatsunternehmen per saldo gewinnträchtig: So betrug der aggre-gierte Jahresgewinn aller Staatsunterneh-men gemäß der Jahresabschluss-Statistik 2017 immerhin 20 Mrd. Euro. Jedoch: Unter Berücksichtigung der öffentlichen Zuwei-sungen und Zuschüsse in Höhe von 51 Mrd. Euro ist die Bilanz der Staatswirtschaft 2017 im Ergebnis ein Zuschussgeschäft von rund 31 Mrd. Euro – und somit weit weniger erfolg-reich, als es so mancher Beteiligungsbericht

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    Jahresgewinn abzüglich öffentlicher Zuschüsse der Staatsunternehmen in Ländern und Kommunen 2017

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    LESE-TIPP

    DSi-Studie zur Staatswirtschaft Öffentliche Unternehmen für politische Ziele ungeeignet

    Immer wieder versucht der Staat durch eigene Unternehmen, politische Ziele zu er-reichen – etwa sozial- oder klimapolitische. Das kann nach hinten losgehen oder für die Steuerzahler teuer werden.

    ⊲ Die Energiewende vorantreiben und gleichzeitig die Stadtkasse füllen – das woll-ten beispielsweise die Verantwortlichen im ostfriesischen Aurich. Für die Übernahme der dortigen Energienetze und den Vertrieb

    von Bund, Ländern und Kommunen sugge-riert. Dabei ging mit 17,4 Mrd. Euro mehr als die Hälfte des effektiven Defizits 2017 (insge-samt 31 Mrd. Euro) zulasten des Bundes, der unter anderen die Deutsche Bahn AG massiv bezuschusst.

    Mit Blick auf die Länder und Kommunen zeigt sich ein gemischtes Bild: In manchen

    Ländern und Kommunen gibt es positive Ergebnisse – 2017 zum Beispiel in Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen und Thüringen. Dies sind jedoch Ausnahmen von der Regel. Insgesamt ist es ein trauriger Fakt: Unter Be-rücksichtigung der öffentlichen Zuweisun-gen und Zuschüsse sind die Staatsunterneh-men zumeist stark defizitär.

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    https://bit.ly/3jHVUKC

  • 1716 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/21Im Fokus Im Fokus

    Die sogenannte Daseinsvorsorge ge-hört zu den klassischen Betätigungsfel-dern des Staates. Gern dient sie der Legiti-mation für wirtschaftliche Aktivitäten des Staates – sei es im Personennahverkehr, der Abfall- oder Energieversorgung. Bei ge-nauerem Hinsehen wird jedoch die große Bandbreite bei der Definition von Daseins-vorsorge deutlich. Deshalb taugt dieser Begriff nicht zur klaren Abgrenzung zwi-

    DASEINSVORSORGE

    schen privater und staatlicher wirtschaft-licher Betätigung. Zudem müssen Aufga-ben, die der Daseinsvorsorge zugeordnet werden, nicht zwangsläufig von staatlicher Seite erbracht werden. Diese können auch private Unternehmen gut leisten, wie dies die vielen Energieversorger und Entsor-gungsunternehmen zeigen. Als Legitima-tion für staatliches Wirtschaften ist die Da-seinsvorsorge somit ungeeignet.

    Für die wirtschaftliche Betätigung des Staates kann es gute Gründe geben. Klar ist jedoch, dass sie mehr Risiken als Chancen birgt. Daher ist Vorsicht geboten! Festzu-stellen ist, dass der Staat weder der bessere Unternehmer ist noch staatliche Unterneh-men besser geeignet sind, politische Ziele umzusetzen, als dies mit originären staat-lichen Mitteln der Fall wäre. Daher ist bei einer wirtschaftlichen Beteiligung des Staa-

    tes Zurückhaltung geboten. Zudem sollte der Staat seine Gründe sowie die Vor- und Nachteile der wirtschaftlichen Betätigung vor den Entscheidungen transparent ma-chen, damit auf dieser Grundlage abgewo-gen werden kann. Nicht zuletzt braucht es auch klare Regeln bei einer wirtschaftlichen Betätigung des Staates.

    Konkret gibt der Bund der Steuerzahler folgende Handlungsempfehlungen:

    von Ökostrom wurde eigens ein Stadtwerk gegründet. Da es der Stadt jedoch nicht gelang, auch die entsprechenden Netze zu erwerben, entfiel die Geschäftsgrundlage. Daraufhin wurde im Sommer 2020 die Ab-wicklung der Stadtwerke beschlossen. Die Verluste, die die Stadt Aurich als Eigentü-merin ausgleichen musste, betragen rund 3,3 Mio. Euro. (siehe S. 31).

    ⊲ Damit Wohnraum „bezahlbar bleibt“, kauf-te 2019 eine landeseigene Berliner Woh-nungsbaugesellschaft von einem priva-ten Investor eine Plattenbausiedlung mit mehr als 1.800 Wohnungen und mehreren Gewerbeeinheiten zurück. Der Zustand der Wohnungen wurde als schlecht, der Sanierungsbedarf als hoch beschrieben. Selbst der Berliner Finanzsenator wurde im Rundfunk mit den Worten zitiert, dass der Wohnungsankauf für die landeseige-ne Wohnungsbaugesellschaft „nur be-dingt wirtschaftlich“ gewesen sei.

    ⊲ Ob die Stadt Kiel mit ihrer jüngsten Grün-dung einer städtischen Wohnungsgesell-schaft glücklich wird, muss sich erst noch zeigen. Da Wohnraum auch in Kiel knapp ist, soll die neue Wohnungsgesellschaft bis zu 4.000 preisgünstige Mietwohnungen anbieten. Dabei haben die Verantwortli-

    chen offenbar vergessen, dass vor genau 20 Jahren die damalige Wohnungsbauge-sellschaft mit mehr als 10.000 Wohnein-heiten verkauft wurde, da der Wohnungs-bestand marode und unwirtschaftlich gewesen war. Und nun? Jetzt lädt sich die Stadt diese Risiken wieder auf Kosten der Steuerzahler auf (siehe S. 155).

    Selbstverständlich ist es nicht nur legitim, sondern auch Aufgabe der Politik, politische Ziele zu verfolgen. In der Regel aber sind öf-fentliche Unternehmen dafür ungeeignet. Dagegen sind die klassischen staatlichen Möglichkeiten – wie das Ordnungsrecht oder Abgaben und Sozialleistungen – in der Regel besser geeignet, um diese Ziele wirksam, vor allem transparent und zu geringeren Kosten zu erreichen.

    Fazit: Mehr Risiken als Chancen

    Handlungsempfehlungen

    Grundsätzlich sollte der Staat jede wirt-schaftliche Betätigung rechtfertigen und gut begründen. In vielen Fällen wäre eine Zu-rückhaltung der öffentlichen Hand sinnvoll.

    … DURCH SUBSIDIARITÄTDer Rechtsrahmen (beispielsweise

    Haushaltsordnungen der Gemeinden, Länder und des Bundes) sollte überall um strenge Subsidiaritätsklauseln ergänzt wer-den, die sicherstellen, dass die öffentliche Hand ein Unternehmen nur dann gründen bzw. sich an ihm beteiligen darf, wenn sich das angestrebte Ziel nicht ebenso gut oder sogar besser durch private Unternehmen erreichen lässt. Auch bei einem Marktver-sagen muss der Staat nicht zwangsläufig wirtschaftlich aktiv werden. Durch geeig-nete Regeln und Ausschreibungen kann er einen „Markt um den Markt“ schaffen – etwa im öffentlichen Personennahverkehr oder beim Betrieb von Stromnetzen.

    Zudem sollte eine Beteiligungsbremse eingeführt werden. Dabei müsste das öf-fentliche Beteiligungsmanagement dazu verpflichtet werden, in regelmäßigen Ab-ständen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die bestehenden Beteiligungen noch

    erfüllt sind und aus welchen Beteiligun-gen sich die öffentliche Hand zurückziehen kann. Bei neuen Beteiligungen sollte grund-sätzlich gelten, dass diese nur dann zulässig sind, wenn bestehende Beteiligungen in gleichem Umfang privatisiert werden. Die Ergebnisse müssen veröffentlicht und dis-kutiert werden!

    … DURCH KARTELLRECHTLICHE KONTROLLE VON GEBÜHREN

    Die kartellrechtliche Gebührenauf-sicht sollte wieder in das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen aufgenom-men werden. Seit der Novelle des Geset-zes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) im Jahr 2013 unterliegen die öffent-lich-rechtlichen Gebühren nicht mehr der Missbrauchskontrolle durch die Kartellbe-hörden. Nun prüfen die zuständigen Kom-munalaufsichtsbehörden, zum Beispiel die Wassergebühren. Bei einer Kommunalauf-sicht besteht jedoch die Gefahr, dass sie ein staatliches Monopol mit potenziell hö-heren Preisen weniger kritisch sieht als die Kartellbehörden, die viel eher in der Lage und interessiert daran sind, dies zu prüfen. Schließlich sind sie unabhängiger als die

    I. ZURÜCKHALTUNG …

    LESE-TIPP

    Warum der Staat selten der bessere Unternehmer ist

    https://bit.ly/2GKnUyA

  • 1918 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/21Im Fokus Im Fokus18

    Foto: sasun Bughdaryan/A

    dobe Stock

    eher an Einnahmen interessierten Kommu-nalaufsichten in Rathäusern und Ministeri-en. Prominente Beispiele sind die Wasser-werke von Mainz und Berlin: Dort wies das Bundeskartellamt missbräuchlich überhöh-

    te Preise nach und sorgte dafür, dass die Wasserpreise substanziell gesenkt werden mussten. Deshalb ist es aus Verbraucher-sicht wünschenswert, dass die Kartellämter ihre früheren Prüfrechte zurückerhalten.

    II. TRANSPARENZ …

    Wenn sich der Staat wirtschaftlich betä-tigt, muss dies transparent geschehen. Nur so können Bürger und Politiker die Verwal-tungen kontrollieren und sich ein Bild da-von machen, welche Risiken im Namen der Steuerzahler eingegangen werden. Nicht zuletzt ist Transparenz auch die Grundlage dafür, offen und ehrlich über Beteiligungen, deren Ziele und Angemessenheit zu disku-tieren.

    … DURCH AUSFÜHRLICHE BETEILIGUNGSBERICHTE

    Die Berichtspflichten zur wirtschaft-lichen Betätigung der Länder und der Kommunen müssen erweitert werden und sollten einem einheitlichen Standard entsprechen. Erklärtes Ziel muss sein, dass sich Bürger und Politiker zweifelsfrei und umfassend über die Wirtschaftstätigkeit des Staates auf allen Ebenen informieren können. Nur so sind eine wirksame Kontrol-le und notwendige Diskussionen über den Umfang möglich. Anzustreben ist insbeson-dere eine deutschlandweite Berichtspflicht über alle privatrechtlichen Unternehmens-beteiligungen, über alle öffentlich-rechtli-chen Beteiligungen sowie über Vergütungs-regelungen der Geschäftsführung und der Kontrollebene.

    … ÖFFENTLICHER HAUSHALTEDie Kommunen, aber auch die Bundes-

    länder sollten den Übergang zur kaufmän-nischen Buchführung und zu sogenannten Gesamtabschlüssen forcieren. Diese Ab-schlüsse fassen den Jahresabschluss der Kernverwaltung mit den Jahresabschlüssen

    der öffentlichen Unternehmen (samt ihren Beteiligungen) zusammen. Diese Form der Rechnungslegung ermöglicht ein realisti-scheres und transparenteres Bild von der tatsächlichen finanziellen Lage der öffent-lichen Hand und wäre eine gute Grundlage für politische Entscheidungen und öffentli-che Kontrolle.

    … DURCH BEGRIFFLICHE KLARHEITBegriffe wie „Gemeinwohlauftrag“ und

    „Daseinsvorsorge“ zur Rechtfertigung von Staatswirtschaft müssen klar definiert wer-den. Erst dann kann fundiert diskutiert und später überprüft werden, inwieweit durch bestimmte Maßnahmen - wie beispiels-weise die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand - angestrebte Ziele tat-sächlich erreicht worden sind.

    III. KLARE REGELN, …

    Da die wirtschaftliche Betätigung des Staates – trotz guter Gegenargumente – zu-genommen hat, sind klare Spielregeln umso wichtiger. Private Unternehmer und Steuer-zahler müssen sich darauf verlassen können, dass diese Regeln eingehalten und gelebt werden.

    … UM INTERESSENKONFLIKTE ZU VERMEIDEN

    Es muss sichergestellt werden, dass die Vertreter der Politik in den Geschäftsfüh-rungs- und Kontrollgremien öffentlicher Un-ternehmen ausdrücklich und vorrangig den Interessen des öffentlichen Trägers verpflich-tet sind. Sie müssen die Unternehmen nach betriebswirtschaftlichen statt politischen Gesichtspunkten steuern, um das Geld der Steuerzahler möglichst nicht zu gefährden.

    … UM KOMPETENZEN ZU SICHERNEinige Länder und Kommunen haben

    bereits Leitfäden für Aufsichtsräte entwi-

    ckelt. Das ist zu begrüßen. Letztlich bedarf es klarer Vorgaben und Regelungen für nö-tige Fachkompetenzen von Aufsichtsgre-mien. Diese müssen gegebenenfalls durch entsprechende Nachweise und nötigenfalls durch Qualifizierung und Weiterbildung sichergestellt werden. Auch müssen Poli-tiker nicht immer selbst in Gremien sitzen, eine bessere Wahl könnte eine Delegation von Experten im staatlichen Auftrag sein. Das Beispiel des Berliner Pannenflughafens BER hat gezeigt, dass in Aufsichtsgremien fachliche Expertise dringend geboten ist.

    … UM FÜR KRISENZEITEN GEWAPPNET ZU SEIN

    Für Krisen müssen klare Grundsätze und Kriterien formuliert und verankert sein, nach denen sich der Staat an Unternehmen betei-ligen kann. Es gilt sicherzustellen, dass nicht Angst und öffentlicher Druck zu falschen Entscheidungen führen. Bereits die Staats-schulden- und Finanzkrise, aber auch jüngst

    Foto: roobcio/Adobe Stock

  • 2120 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/21Im Fokus Im Fokus20

    Die meisten deutschen Regionalflughäfen sind in öffentlicher Hand. Eine aktuelle Ana-lyse des Deutschen Steuerzahlerinstituts (DSi) von 21 Regionalflughäfen zeigt: Schon vor der Corona-Krise waren die Defizite insgesamt hoch und die Geschäftsperspektiven vieler Standorte schlecht.

    Meistens handelt es sich bei den Regio-nalflughäfen um ehemalige Militärflughäfen oder um gemischte Standorte, die inzwischen für Linien- und Charterflüge ausgebaut wur-den. Regionale Impulse für die Wirtschaft  – das war die übliche Hoffnung der Politik. Zweifellos sind durch diese Regionalflughä-fen neue Arbeitsplätze entstanden – doch zu welchem Preis und mit welcher langfristigen Perspektive?

    Die Ergebnisse der jüngsten verfügbaren Bilanzen (2018) der analysierten Flughäfen sind ernüchternd, weil fast alle Standorte im Geschäftsjahr 2018 ein negatives Jahreser-gebnis verbucht haben. Die bilanzierten Jah-resergebnisse zeigen jedoch nur einen Teil der Gesamtsituation. Zusätzlich ist nämlich zu berücksichtigen, dass die Anteilseigner ihre Flughäfen mit Zuschüssen insbesondere für Investitionen sowie für Betriebs- und Sicher-heitskosten unterstützen.

    Beispiel Erfurt: Dieser Flughafen wies 2018 als einer der wenigen Standorte mit 0,7 Mio. Euro bilanziellem Gewinn ein positives Jahres-ergebnis aus. Berücksichtigt man jedoch die Zuschüsse in Höhe von 4,7 Mio. Euro der thü-ringischen Steuerzahler, ist die Erfurter Bilanz für die Anteilseigner nicht plus 0,7 Mio. Euro, sondern minus 4,0 Mio. Euro.

    Das Gesamtergebnis aller 21 Flughäfen be-trug 2018 für die öffentlichen Anteilseigner mi-nus 100,3 Mio. Euro. Damit hat jeder der 21 Re-gionalflughäfen die Steuerzahler im Jahr 2018 durchschnittlich rund 5 Mio. Euro gekostet.

    Hauptursache für die Defizite ist die ne-gative Passagierentwicklung der vergange-nen Jahre. Während die 5 größten Flughäfen Deutschlands (Frankfurt, München, Düssel-dorf, Berlin-Tegel und Hamburg) im Zeitraum 2010 bis 2019 einen Passagierzuwachs von insgesamt 38 Prozent verzeichneten, sank die Passagierzahl der 12 größten Regionalflug-häfen um insgesamt 20 Prozent. Angesichts hoher Fixkosten des Flughafenbetriebs über-raschen die Finanzdefizite nicht.

    Wie lange die Luftfahrtbranche brauchen wird, sich von der Corona-Pandemie zu er-holen, ist noch nicht absehbar. Aber auch schon vor der Krise war nicht erkennbar, dass sich der Trend beim Passagieraufkommen der Regionalflughäfen ändern würde.

    Durch Insolvenzen in den vergangenen Jahren (u.  a. Air Berlin, Germania) hat sich der Markt der Fluggesellschaften und Low-Cost-Airlines konsolidiert, die sich verstärkt in Richtung Großflughäfen orientieren. Zu-dem wurde die Luftverkehrsteuer Anfang 2020 erhöht, sodass Fliegen teuer und somit unattraktiver wird.

    Aus diesen Gründen ist eine Konsolidie-rung der Regionalflughäfen eigentlich unver-meidbar – besonders dort, wo Regionalflug-häfen in der Nähe anderer Regional- oder Großflughäfen liegen. Im Übrigen macht die

    die Corona-Krise haben gezeigt, dass gera-de dann der Druck auf die Politik wachsen kann, in Schieflage geratene Unternehmen zu unterstützen - wie beispielsweise die Lufthansa oder die Commerzbank (siehe S. 26). Vor einer staatlichen Beteiligung ist sicherzustellen, dass ein Unternehmen alle eigenen Finanzierungsmöglichkeiten aus-schöpft, bevor der Staat einspringt – zum Beispiel durch eine Kapitalerhöhung am Aktienmarkt. Sind Staatshilfen unvermeid-bar, sollten diese primär als kreditbesichern-de Garantien und Bürgschaften gewährt werden. Reichen Kreditgarantien nicht aus und werden direkte Rekapitalisierungsmaß-nahmen doch erforderlich, sollte der Staat so wenig Mitbestimmungsrechte wie mög-lich erhalten und das Geschäft – etwa durch stille Beteiligungen – weiterhin der Unter-nehmensführung überlassen. Dies stellt sicher, dass ein Unternehmen sich auf die wirtschaftliche Genesung fokussieren kann, ohne durch politische Ziele abgelenkt zu werden. Auch ein Aktienkauf kann nur die zweitbeste Lösung sein, weil der Steuerzah-ler dabei weitere Risiken in Form von Kursri-siken eingehen muss. Ein Negativbeispiel ist die anhaltende Staatsbeteiligung an der Commerzbank.

    Sollte es zu einer staatlichen Rekapitalisie-rung kommen, ist Folgendes sicherzustellen:

    ⊲ Das Unternehmen darf ausschließlich durch einen externen Schock, auf den es keinen Einfluss hat, in Schieflage geraten sein. Es muss ein tragfähiges Geschäfts-modell vorweisen, wodurch eine hohe Wahrscheinlichkeit der Rückzahlung der Hilfen sichergestellt ist.

    ⊲ Jede Hilfsmaßnahme, die als unabweis-bar definiert wird, muss begründet und zeitlich begrenzt werden. Je schneller die Staatshilfe zurückgezahlt wird, desto besser.

    ⊲ Für die Dauer der Hilfsmaßnahme darf das Unternehmen keine Dividenden, Boni, Sonderzahlungen oder andere Ver-gütungsprämien ausschütten.

    ⊲ Die Staatshilfen müssen zu Konditionen gewährt werden, die zu möglichst gerin-gen Wettbewerbsverzerrungen führen. Sie dürfen nur am inländischen Firmen-sitz eingesetzt werden. Zudem genießen sie Vorrang bei der Rückzahlung gegen-über anderen Kapitalmaßnahmen.

    ⊲ Über die Entwicklung der Maßnahmen und Beteiligungen ist mindestens einmal pro Jahr öffentlich zu berichten.

    EXKURS: REGIONALFLUGHÄFEN – TEUER FÜR DIE STEUERZAHLER

    LESE-TIPP

    DSi-Studie zu Regionalflughäfen

    Foto

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    https://bit.ly/3iEJLon

  • 2322 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/21Im Fokus Im Fokus

    EU-Kommission Druck: Ab 2024 müssen die Flughäfen ohne Betriebskostenzuschüsse auskommen, auch wenn es Bestrebungen gibt, diese Frist zu verlängern.

    Fazit der DSi-Recherche: Für einige Regi-

    onalflughäfen und ihre öffentlichen Eigentü-

    mer ist es höchste Zeit, durchgreifende Refor-

    men in Angriff zu nehmen.

    Effektive Jahresergebnisse der Regionalflughäfen 2018 in Mio. Euro

    Inhalt

    Spannende Neuigkeiten rund um das Thema Steuergeldverschwen-

    dung und die ausufernde Subventi-onspolitik der Bundesregierung:

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    „Der Steuerwächter“!

    www.schwarzbuch.de/newsletteranmeldung

    Quelle: D

    Si, Jahresabschlüsse

    -17,7

    -15,1

    -14,1

    -13,1

    -7,0

    -6,5

    -6,2

    -5,2

    -4,7

    -4,6

    -4,0

    -2,2

    -1,9

    -0,8

    -0,8

    -0,6

    -0,2

    -0,1

    0,1

    0,3

    k. A.

  • 2524 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/2124 Staatliche Wirtschaftsflops

    Staatliche Wirtschaftsflops

    Staatliche WirtschaftsflopsSchwarzbuch 2020/21

    Ursprünglich sollte ein Werbeturm im neuen Gewerbegebiet der Stadt Schor-tens (Landkreis Friesland) 250.000 Euro kosten. Durch Mieteinnahmen der wer-benden Unternehmen sollte er sich inner-halb von 10  Jahren amortisieren. Doch es kam anders.

    Schortens (NI). Der stählerne Turm sollte das Aushängeschild des neuen Schortenser Gewerbegebiets werden und den ortsan-sässigen Firmen eine günstige Werbeplatt-form in unmittelbarer Nähe zur Bundes-straße 210 bieten.

    Der Grundsatzbeschluss zur Errichtung des aus Steuergeld finanzierten Webeturms erfolgte im Oktober 2017. Zu diesem Zeit-

    punkt rechnete die Stadt mit Baukosten von ca. 250.000 Euro. Doch schon wenige Mona-te später stellte sich heraus, dass die Kosten aus Gründen der Statik auf 547.000  Euro steigen würden. Der städtische Verwal-tungsausschuss hielt jedoch am Projekt fest und winkte die Mehrkosten im März 2018 durch. Um die Mietkosten für potenzielle Werbekunden dennoch möglichst gering zu halten, nahm die Stadt den Landkreis Fries-land mit ins Boot. Der erkannte die Baumaß-nahme „im Rahmen der Verbesserung der Wirtschaftsstruktur“ an und gewährte eine Förderung von 92.900 Euro.

    Nach dem Bau im Sommer 2019 stellte sich heraus, dass der Werbeturm doch wohl etwas zu kurz geraten ist. Statt der angepeil-

    Turmbauzu Schortens

    Zu teuer und zu klein – Werbeturm verschlingt Steuergeld

    Der stählerne Turm im Gewerbegebiet von Schortens wurde aus Steuermitteln finan-ziert. Es wird wohl ein Verlustgeschäft für die Stadt.

  • 2726 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/21Staatliche Wirtschaftsflops Staatliche Wirtschaftsflops

    ten 40 Meter ist er lediglich 37 Meter hoch. Die fehlenden 3  Meter und die ungünstige Ausrichtung des Turms sind nun ein Pro-blem: Die Verkehrsteilnehmer auf der Bun-desstraße 210 – also die Hauptadressaten der PR-Botschaften – können die Werbeflächen nur unzureichend sehen. Wegen dieser ge-schmälerten Wirkung ist zu befürchten, dass die Werbeflächen nicht vollständig vermie-tet werden können. Bis Redaktionsschluss waren lediglich 10 der insgesamt 30 Flächen belegt – 2 davon belegt die Stadt Schortens selbst: für ihre Eigenwerbung.

    Zu allem Überfluss waren zwischenzeit-lich auch die Baukosten erneut gestiegen: Bis zu seiner Fertigstellung hat der Turm 707.000  Euro gekostet, fast dreimal so viel wie einst geplant. Auf Nachfrage des Bun-des der Steuerzahler erklärte die Stadt dazu, die Kostensteigerungen seien auf den Baugrund, auf gestiegene Stahlpreise und Nachlässigkeiten der ausführenden Firmen zurückzuführen. Diese wehrten sich jedoch

    gegen die Vorwürfe und sehen die Fehler da-gegen bei der Stadt. Dies würde auch erklä-ren, warum die Prüfung möglicher Regress-ansprüche der Stadt Schortens gegen die beauftragten Firmen negativ ausgefallen ist.

    Angesichts der horrenden Baukosten und dem mäßigen Erfolg bei der Vermark-tung der Werbeflächen bezweifelt der BdSt, dass die Amortisationsrechnung der Stadt aufgeht. Am Ende wird also voraussichtlich der Steuerzahler für die fehlenden Werbe-einnahmen einspringen müssen.

    DER BUND DER STEUERZAHLER KRITISIERT

    Die Errichtung eines Werbeturms ist kei-ne kommunale Aufgabe! Stattdessen hätte der Turm, wie sonst üblich, durch einen In-vestor oder einen Zusammenschluss werbe-williger Firmen errichtet werden können.

    Jan Vermö[email protected]

    Commerzbank-Rettung und kein EndeDie Commerzbank-Rettung ist ein war-nendes Beispiel für risikoreiche Staats-wirtschaft. Das aktuelle Aktienpaket des Bundes hat bisher rund 4,3  Mrd. Euro an Wert verloren.

    Bund. Im Zuge der Finanzkrise 2008 in-vestierte die Bundesregierung Hals über Kopf in die strauchelnde Commerzbank. In den Jahren danach griff der Staat immer wieder mit Steuergeld ein, um die Großbank zu stützen – in der Spitze mit direkten Kapi-talmaßnahmen in Höhe von 18,2 Mrd. Euro.

    Inzwischen konnte die Bundesbeteili-gung deutlich reduziert werden. Noch ist der Steuerzahler über ein Aktienpaket von 15,6 Prozent an der Bank beteiligt, wofür die Regierung 5,1 Mrd. Euro gezahlt hat – ohne zugleich ein konkretes Ausstiegsszenario zu

    klären. Trotz kleineren Engagements birgt die Staatsbeteiligung große Gefahren für die Steuerzahler. Mitte 2020 war der Bör-senwert des Finanzinstituts auf weniger als 5  Mrd. Euro geschrumpft. Der Gesamtwert des Konzerns lag damit sogar unter dem Kaufpreis des 15,6-Prozent-Pakets des Bun-des vor wenigen Jahren. Dieses hatte zur Jahresmitte einen Marktwert von nur noch rund 770  Mio. Euro – ein Minus gegenüber dem Einstiegspreis von rund 4,3  Mrd. Euro bzw. 85 Prozent.

    Derzeit ist nicht absehbar, wann – und ob überhaupt – sich der Bund ohne Verlus-te aus seinem Commerzbank-Engagement zurückziehen kann. Dies wäre nur bei einem Börsenkurs von rund 26 Euro je Aktie mög-lich – davon war der Kurs Mitte 2020 mit we-niger als 4 Euro je Aktie meilenweit entfernt.

    Mit Blick auf den Lufthansa-Deal 2020 zeigt die Regierung zumindest eine Lern-kurve. Neben milliardenschweren direkten Kapitalspritzen hat sich der Bund auch an der Lufthansa mit einem Aktienpaket be-teiligt – 20 Prozent für rund 300 Mio. Euro. Hierbei hat sich die Regierung jedoch ei-nen Sicherheitsabschlag gesichert, denn der Aktienbezugspreis für den Bund lag rund 70  Prozent unter dem seinerzeitigen Börsenkurs. Dennoch: Auch, wenn dieses Aktienpaket mit 300  Mio. Euro deutlich kleiner ist als jenes an der Commerzbank mit 5,1  Mrd. Euro, können Verluste für die Steuerzahler nicht ausgeschlossen werden. Der drastische Kursverfall der Commerz-bank-Aktie offenbart, dass auch das Luft-

    hansa-Aktienpaket nicht risikolos für die Steuerzahler ist.

    DER BUND DER STEUERZAHLER FORDERT

    Staatsbeteiligungen an privatwirtschaft-lichen Unternehmen dürfen nur die absolu-te Ausnahme sein und müssen gegenüber dem Steuerzahler solide begründet werden. Beteiligungen in Form von Aktienpaketen sollten aufgrund der hohen Risiken durch Kursschwankungen allerdings grundsätzlich tabu sein, wie das mahnende Beispiel der Commerzbank verdeutlicht.

    Sebastian [email protected]

    Havarie für die Steuerzahler

    Die Rettung der Commerzbank durch

    den Staat ist noch immer nicht beendet.

    Ob die Steuerzahler das risikoreiche Engagement des

    Bundes ohne Verluste abschließen können, ist mehr als fraglich.

    Foto: Sebastian Pankn

    in

    Die Fähre über den Main zwischen Maintal und Mühlheim musste 2017 wegen Proble-men mit dem damaligen Betreiber stillge-legt werden. Obwohl es wenige Kilometer weiter eine privat betriebene Alternative gibt und es zunächst ohne die stillgelegte Fähre ging, hielt der Landkreis Offenbach an ihr fest – und musste erneut die Segel streichen.

    Landkreis Offenbach (HE). Die Fährstel-le am Main zwischen Maintal-Dörnigheim und Mühlheim existiert seit 1902 und ist da-mit eine sehr traditionsreiche Institution im verkehrsreichen Rhein-Main-Gebiet. Auch das zuletzt eingesetzte Fährschiff hat schon etliche Jahre auf dem Buckel: Es wurde 1963 gebaut und war seit 1971 auf dieser Strecke im Einsatz. Eigentümer ist der Landkreis Of-

  • 2928 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/21Staatliche Wirtschaftsflops Staatliche Wirtschaftsflops

    fenbach. 2017 musste der Kreis die Fähre stilllegen. Dem Pächter wurde fristlos gekün-digt – wegen Verstößen gegen Sicherheits-vorschriften. Pendler konnten den Main aber weiterhin – wenn auch über Umwege – pas-sieren: Entweder über Brücken oder mit ei-ner anderen Fähre, die zwischen Maintal und dem Offenbacher Stadtteil Rumpenheim verkehrt, nur wenige Kilometer von der still-gelegten Fähre entfernt. Dieses Schiff wird privat betrieben und muss ohne öffentliche Zuschüsse auskommen. Und das gelingt of-fensichtlich seit vielen Jahren.

    Trotz der bestehenden Alternativen hielt die öffentliche Hand – der Landkreis Offen-bach, der Main-Kinzig-Kreis, die Stadt Main-tal und die Stadtwerke Mühlheim am Main – am Betrieb der Fähre fest. Deshalb wurden das Fährschiff und die Seilanlage auf Kosten der Steuerzahler instandgesetzt und der Be-trieb neu ausgeschrieben.

    Kurz vor der Wiederinbetriebnahme zählte der Kreis Offenbach in einer Presse-information detailliert auf, wie teuer der Neustart des Fährbetriebs war: „Insgesamt wurden rund 90.000 Euro in das Schiff und

    die dazugehörige Hochseilanlage investiert, um die Wiederaufnahme des Fährbetriebes zu ermöglichen. Davon hat der Main-Kin-zig-Kreis 25.000  Euro übernommen. Hinzu kommen noch rund 20.000 Euro für techni-sche Beratung und Baustellenmanagement, das der Kreis Offenbach extern eingekauft hat. Außerdem noch rund 5.000  Euro für die Aufsicht der Fähre seit Stilllegung und rund 2.000  Euro für Versicherungen.“ Die Gesamtkosten von 2017 bis 2019 lagen also bei 117.000  Euro. Der neue Pächter erhielt vertraglich umfangreiche Zusagen, näm-lich über einen von Maintal und Mühlheim jeweils hälftig zu tragenden Betriebskosten-zuschuss sowie ein Budget zur Abrechnung von Instandsetzungsarbeiten.

    Im Juli 2019 war es dann so weit: Die Fähre konnte wieder ihren Betrieb aufnehmen. Aber nur für 4 Stunden. Durch den Riss eines Seils wurde die Fähre manövrierunfähig, musste gesichert und geborgen werden. In der an-schließenden öffentlichen Diskussion wurde deutlich, dass der Betreiber nicht über ausrei-chend Personal mit Patent für die Fährschiff-fahrt verfügt. Schließlich wurde der Vertrag

    Der Landkreis Offenbach wollte unbedingt seine Fähre über den Main aufrechterhalten und ist damit gescheitert. Nicht weit entfernt setzt eine private Fähre weiterhin Pendler über.

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    mit ihm gekündigt und das Vertragsverhältnis mit einem Vergleich beendet. Damit war das Thema Mainfähre aber noch nicht erledigt.

    Der Landkreis Offenbach schrieb den Betrieb erneut aus, konnte aber keinen ge-eigneten Betreiber finden. Vor allem der Engpass an ausgebildetem Fährpersonal war ein Problem. Dennoch wurde geprüft, ob der Betrieb durch eine kommunale Ge-sellschaft übernommen werden könnte. Ein Businessplan ergab jedoch, dass selbst bei optimistischen Annahmen mit einem jähr-lichen Defizit von mehr als 180.000 Euro zu rechnen ist. Daraufhin zog der Landkreis Of-fenbach endlich die Reißleine und beschloss das Aus für die Fähre. Jetzt soll das Fährschiff verkauft oder „verwertet“ werden.

    Nur wenige Kilometer flussabwärts setzt die private Fähre zwischen Maintal und Rumpenheim weiterhin täglich Pendler über den Main – ohne Zuschüsse der öffent-lichen Hand.

    DER BUND DER STEUERZAHLER KRITISIERT

    Der Landkreis Offenbach hätte bereits 2017 die Schotten dichtmachen müssen, statt an einer eigenen Fähre festzuhalten und sie mit öffentlichen Mitteln teuer in-stand zu setzen. Zumindest hätte vor die-sen Investitionen sorgfältig geprüft werden müssen, ob überhaupt geeignete Betreiber zu finden sind oder ein Betrieb in kommuna-ler Regie zu vertretbaren Kosten möglich ist.

    Jochen [email protected]

    Video dazu auf www.schwarzbuch.de

    Luxuswasser sorgt für Verluste in ParchimEin Luxuswasser aus städtischer Quelle erhitzt die Gemüter in der mecklenbur-gischen Kleinstadt Parchim. Die „Minus 181  GmbH“ erwirtschaftet unter städti-scher Beteiligung große Verluste. Ein öf-fentlicher Zweck liegt nicht vor. Außer-dem kritisiert der Landesrechnungshof die Beteiligung der Stadt.

    Parchim (MV). Edles Wasser sprudelt aus einer Quelle in 181  m Tiefe mitten in der mecklenburgischen Kreisstadt Parchim – ausgerechnet auf einem Gelände der städti-schen Wasserwerke. Schnell war die Idee der Vermarktung eines Luxuswassers und damit die „Minus 181 GmbH“ geboren. Weich und besonders geschmacksneutral sei das Was-ser, das in einer Manufaktur auf dem werksei-genen Gelände gefördert und abgefüllt wird. Der Liter kostet rund 20  Euro und ist nicht

    im Einzelhandel, sondern nur in gastronomi-schen Partnereinrichtungen erhältlich.

    Derlei Angebote im Luxussegment sind nicht ungewöhnlich, doch „Minus 181“ ist eine Luxusmarke, an der eine Stadt – Parchim  – sowohl über die städtischen Was serwerke als auch mit einem direkten Anteil im Wert von 24.000  Euro beteiligt ist. Das rief den Landesrechnungshof auf den Plan. Denn, so steht es im Kommunalfinanzbericht 2019: „Ein öffentlicher Zweck, der eine solche Beteiligung rechtfertigt, liegt nicht vor. Die Beteiligung ist nach Kommunalverfassung unzulässig.“ Diese Auffassung teilte die Stadt allerdings nicht, da die entsprechenden Be-schlüsse durch die Stadtvertretung gefasst worden sind und eine Gewinnerzielungsab-sicht vorgelegen habe.

    Doch es blieb bei dieser Absicht. Bis Ende 2018 hatte das Unternehmen Verlus-

  • 3130 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/21Staatliche Wirtschaftsflops Staatliche Wirtschaftsflops

    te in Höhe von 651.000 Euro erwirtschaftet und damit das Eigenkapital um rund zwei Drittel vermindert. Auch für 2019 sah der Wirtschaftsplan einen Verlustausweis vor. Unterdessen reagierten die Gesellschafter auf die Kritik – auch des Bundes der Steuer-zahler – und suchten private Investoren. Bis dato ohne Erfolg. Zum 1. Juli 2020 wurde die Gesellschaft liquidiert, und die Stadt verlor damit ihren Anteil von 24.000 Euro. Für das Stadtsäckel zumindest indirekt verloren sind auch die hohen Verluste, die die städtischen Wasserwerke gemacht haben.

    Der Geschäftsführer der Parchimer Stadt-werke, der bis zur Liquidation auch der Ge-schäftsführer der „Minus 181 GmbH“ war, zeigte sich im Gespräch mit dem Bund der Steuerzahler zwar enttäuscht, spricht aber von einer nach wie vor guten Idee. Was die

    Suche nach Investoren angeht, gab er sich weiterhin optimistisch: Es gebe zurzeit noch einen Interessenten.

    DER BUND DER STEUERZAHLER MEINT

    Das Luxuswasser sollte zum Aushänge-schild des Mittelzentrums Parchim wer-den  – also ein Marketinginstrument. Doch ist so etwas für eine mecklenburgische Kleinstadt wirklich sinnvoll? Zumindest wa-ren sowohl die Stadt als auch die Stadtwer-ke offenbar schlecht beraten. Das Geld ist weg und so bleibt zu hoffen, dass die Stadt Parchim künftig die Finger von derlei Expe-rimenten lässt.

    Michaela [email protected]

    Mehr als 20 Euro sollte der Liter des Luxuswas-sers „Minus 181“ kosten, das in Parchim tief aus der Erde gefördert wur-de. Die Stadt war betei-ligt und hat ordentlich

    Steuergeld versenkt.

    Foto: Michaela Skott

    Ein teurer Ausflug in die EnergiewirtschaftMit der Übernahme der Auricher Ener-gienetze durch die 2010 eigens hierfür gegründeten Stadtwerke sowie mit dem Vertrieb von Öko-Strom wollte die Stadt Aurich sicher Gewinne erzielen. 10  Jahre später ist der Traum endgültig geplatzt: Die Stadtwerke Aurich werden abgewi-ckelt. Übrig bleibt eine saftige Rechnung für den Steuerzahler, die sich auf rund 3,3 Mio. Euro beläuft.

    Aurich (NI). Mit großen Zielen gingen die Stadtwerke Aurich GmbH im Jahr 2010 und 2014 die – gemeinsam mit einem Windkraft-anlagenhersteller gegründete – Mutterge-sellschaft Stadtwerke Aurich Holding GmbH an den Start. Die Partner wollten Aurich zu einem „Leuchtturm für die Energiewende“ machen und gleichzeitig noch eine Menge Geld damit verdienen.

    Um dies zu bewerkstelligen, wollten die Gesellschafter dem bisherigen Konzessi-onsinhaber, einem großen deutschen Ver-sorgungsunternehmen, an dem mehr als 120 Kommunen direkt beteiligt sind, die Kon-zessionen für den Betrieb des städtischen Energienetzes abjagen und anschließend in den Vertrieb von regional erzeugtem Öko-Strom einsteigen. Der Gedanke dabei: Als Inhaber der Netzkonzessionen würden sich die Stadtwerke beim Vertrieb die Zahlung der ansonsten fälligen Netzentgelte sparen, gleichzeitig könnten sie die Konkurrenz für die Nutzung der Stadtwerke-Netze zur Kas-se bitten. Ein todsicheres Ding, dachte die Mehrheit der Stadtpolitiker, denn schließlich war es die Stadt, die den Netzbetrieb aus-schreiben und vergeben durfte.

    Falsch gedacht. Die Stadtwerke Aurich scheiterten gleich zweimal beim Erwerb der Netze – und zwar am Widerstand des bis-herigen Konzessionsinhabers. Der erwirkte

    eine einstweilige Verfügung, die es der Stadt Aurich untersagte, einen Konzessionsvertrag mit den Stadtwerken abzuschließen, bevor nicht eine diskriminierungsfreie und trans-parente Konzessionsvergabe durchgeführt wird. Dazu kam es jedoch nicht, die Konzessi-on liegt daher weiterhin bei dem bisherigen Inhaber. Damit entfällt die Geschäftsgrund-lage der Stadtwerke Aurich, was letztlich auch der Stadtrat einsehen musste und im Sommer 2020 mehrheitlich die Abwicklung beschloss.

    Dumm nur, dass die Stadtwerke Aurich entgegen der eigentlichen Planungen be-reits Jahre zuvor in den Vertrieb von Strom und Gas eingestiegen waren – mit beschei-

    ALTERNATIVE INVESTITION

    Mit 3,3 Mio. Euro hätten

    der chronisch klammen Stadt Aurich getilgt werden können.

    rund 5 Prozent der Schulden

  • 3332 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/21Staatliche Wirtschaftsflops Staatliche Wirtschaftsflops

    denem Erfolg. Nur ca. 4.000 Verträge zählten die Stadtwerke zuletzt. Hohe Einnahmen konnten hierdurch nicht generiert werden, zudem mussten mangels Konzession wei-terhin Netzentgelte entrichtet werden. Hin-zu kommen hohe Ausgaben für Marketing und den Aufbau einer Vertriebsinfrastruktur. Die Verluste, die die Stadt Aurich seit 2014 als Mitgesellschafterin der Stadtwerke an-teilig ausgleichen musste, liegen bei rund 3,3 Mio. Euro – Geld, das der Stadt jetzt für andere wichtige öffentliche Aufgaben nicht mehr zur Verfügung steht.

    DER BUND DER STEUERZAHLER MEINT

    Der Ausflug der Stadt Aurich in die grüne Energiewirtschaft hat sich zu einem finan-ziellen Desaster entwickelt. Dieser Fall zeigt einmal mehr, dass der Staat nicht der bes-sere Unternehmer ist. Besonders ärgerlich: Für die Fehleinschätzung der Politik haften nicht die Verantwortlichen, sondern die Steuerzahler.

    Jan Vermö[email protected]

    König Kurts Schloss zum Spottpreis verkauftBerühmt-berüchtigt wurde das Schlossho-tel in Bad Bergzabern durch explosive Baukostensteigerungen und anrüchige Deals zulasten der Steuerzahler. Nun hat der langjährige Pächter eine vor 10  Jahren vereinbarte Vertragsoption gezogen: das Vorkaufsrecht zu einem Bruchteil der staat-lichen Investitionskosten. Aus dem Schloss-projekt ist für die Steuerzahler ein Verlust von mehr als 4 Mio. Euro entstanden.

    Bad Bergzabern (RP). Alles begann vor mehr als 10 Jahren mit der Idee eines Inves-tors, die marode Remise eines Barockschlöss-chens in Bad Bergzabern in ein schickes Vier-Sterne-Hotel umzuwandeln. Das ehe-malige Wirtschaftsgebäude gehörte ihm bereits, doch die finanziellen Mittel für den Umbau konnte der Investor nicht allein auf-bringen. Im Land Rheinland-Pfalz und in der Stadt Bad Bergzabern fand er aber willige Sponsoren.

    Der anrüchige Deal: Bad Bergzabern kaufte das alte Gebäude von dem Investor für rund 570.000  Euro, nachdem sich die Baukostensteigerung bereits abgezeichnet hatte. Unter der Regie der Stadt explodier-

    ten die Umbaukosten dann von anfänglich rund 3  Mio.  Euro auf mehr als 6  Mio. Euro. Davon übernahm das Land 3,1 Mio. Euro und die Stadt 2,9 Mio. Euro.

    Im Fokus der heftigen Kritik stand vor allem der damalige Ministerpräsident Kurt Beck als Förderer und Protegé des umstrit-tenen Projekts. In dessen Wahlkreis lag die nun nobel ausgebaute Remise, auch als „Kö-nig Kurts Schloss“ verspottet. Doch Beck ver-teidigte den Umbau als „Leuchtturmprojekt“.

    Nachdem das Schlosshotel im Jahr 2011 fertiggestellt worden war, wurde es an den früheren Eigentümer und Investor ver-pachtet – insgesamt beliefen sich die Net-to-Pachtzahlungen an die Stadt bis 2020 auf rund 1 Mio. Euro. Zudem wurde dem Inves-tor ein Vorkaufsrecht gewährt, das Gebäude nach 10 Jahren für nur rund 1,4 Mio. Euro zu erwerben. Und dieses Vorkaufsrecht hat der Investor im Jahr 2020 auch genutzt.

    Kauf, Umbau und Verkauf des früheren Wirtschaftsgebäudes bedeuten für die Stadt Bad Bergzabern – selbst mit der eingenom-menen Pacht – ein Verlustgeschäft in Höhe von rund 1,1 Mio. Euro. Noch schlechter sieht die Gesamtbilanz für die Steuerzahler aus,

    wenn die Landesgelder dazugerechnet wer-den: Dann liegt der Verlust für die Steuerzah-ler bei mehr als 4 Mio. Euro.

    Grund zur Selbstkritik sieht die Stadt aber nicht. Im Gegenteil: Bad Bergzabern betont, dass die städtebaulichen Ziele erreicht wor-den wären.

    DER BUND DER STEUERZAHLER KRITISIERT

    Ein marodes Objekt kaufen, dessen Um-baukosten explodieren zu lassen und dann das Objekt zu einem Bruchteil der Investi-

    tionskosten wieder zu verkaufen – was wie eine Anleitung klingt, sich als Immobilien-investor konsequent zu ruinieren, gilt in Bad Bergzabern offenbar immer noch als gute Politik. Doch Grund zum Lachen hat eigent-lich nur der private Investor. Denn Sponso-ren zu finden, die das Geschäftsrisiko weit-gehend übernehmen und Millionenverluste auch noch als Erfolg werten, dürfte wie ein Sechser im Lotto sein.

    Frank [email protected]

    Das Schlosshotel in Bad Bergzabern galt als „Leuchtturmprojekt“. Es wurde marode gekauft, teuer saniert – und dann mit Verlust verkauft. Schaden für den Steuerzahler: mehr als 4 Mio. Euro.

    Staatshotel macht MieseDas berühmte Grandhotel auf dem Pe-tersberg bei Bonn gehört dem Staat. Trotz Prestige und großer Historie ist das Staatshotel für die Steuerzahler unrentabel.

    Bund. Hoch auf dem Petersberg bei Bonn thront ein luxuriöses Grand- und Spa-Hotel – mit Präsidentensuite, exklusi-vem Weinclub, Beautyfarm und großem

  • 3534 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/21Staatliche Wirtschaftsflops Staatliche Wirtschaftsflops

    Biergarten. Eigentümer ist die Gästehaus Petersberg GmbH, die zu 100 Prozent dem Bund gehört. Seit 2013 wird die GmbH von der Bundesanstalt für Immobilienaufga-ben verantwortet, die dem Bundesfinanz-ministerium untersteht. Gemanagt wird das Grandhotel von einer renommierten Hotelkette – im Namen und auf Rechnung der Gästehaus Petersberg GmbH.

    Das Luxushotel war früher das Gäste-haus der Bundesregierung und hat eine bewegte Geschichte. Inzwischen residieren Staatsgäste im Schloss Meseberg bei Berlin, das seit Jahren das offizielle Gästehaus der Regierung ist. Dennoch lässt die Geschich-te des Petersberger Hauses die Regierung nicht los – offiziell ist dies der Hauptgrund dafür, dass sie sich nicht von der Immobilie trennen will.

    Die politische Entscheidung, das Grand-hotel aus historischen Gründen in Staatsbe-sitz zu halten, ist aber nur die halbe Wahr-heit. Dass der Bund verpflichtet ist, seine Immobilien nicht verfallen zu lassen, um den Wert des Staatsvermögens zu pflegen, dürfte einleuchten. Den Staatsbeamten geht es jedoch nicht nur um den Erhalt der gesunden Substanz des Komplexes – sie wollen mit dem Hotel auch Kasse machen.

    Dafür hat der Bund seit 2013 rund 45 Mio. Euro in den Petersberg investiert – in weitere Zimmer, in luxuriösere Zimmer, in den Neubau eines Pavillons mit Außen-gastronomie, in die Vergrößerung des Spa-, Wellness- und Fitnessbereichs und den Aus-bau eines Wanderwegs am Hotel. Die teure und inzwischen abgeschlossene Moderni-

    sierungsoffensive versteht das zuständige Finanzministerium als „Pflicht zum wirt-schaftlichen Handeln“, um „das Hotel nach-haltig wirtschaftlich betreiben zu können.“

    Davon ist die Gästehaus Petersberg GmbH allerdings weit entfernt. Seit 2013 schreibt die Hotel-Gesellschaft der Bun-desimmobilienanstalt durchgehend rote Zahlen. Die Verluste für die Steuerzahler summieren sich seither auf rund 7  Mio. Euro, allein in den Jahren 2018 und 2019 betrug das Minus 3,8 Mio. Euro. Zwar geht das Finanzministerium nach dem Abebben der coronabedingten Flaute von „positiven Erträgen“ aus – ob es diese tatsächlich ge-ben wird und sich die hohen Investitionen irgendwann einmal tragen, steht in den Sternen. Das Ministerium jedenfalls kann „momentan keine Aussagen zur Amortisie-rung der Investitionsmaßnahmen“ machen.

    DER BUND DER STEUERZAHLER MEINT

    Die Pflege und Wahrung deutscher Ge-schichte kann auch ohne dieses Hotel in Staatseigentum erfolgen. Trotz des professi-onellen Managements kommt der Bund mit seinem Petersberger Grandhotel nicht auf einen grünen Zweig, sodass die „Pflicht zum wirtschaftlichen Handeln“ auch als Aufforde-rung verstanden werden kann, den Verkauf des ehemaligen Gästehauses intensiv zu prüfen. So könnten weitere Verluste für die Steuerzahler vermieden werden.

    Sebastian [email protected]

    Keine Lust mehr auf CampingDer Campingplatz in der Anlage Großer Weserbogen macht Verluste. Die Eigen-tümer, die Stadt Porta Westfalica und der Kreis Minden-Lübbecke, wollen die Anlage daher jetzt verkaufen.

    Porta Westfalica (NW). Ein Camping-platz mit Dauer- und Kurzzeitplätzen direkt am See, Restaurant, Freibadeanlage, Fähr-betrieb, Vogelparadies – das klingt alles nach einem begehrten Urlaubsort. Doch weit ge-

    fehlt: Die Wochenend- und Ferienerholungs-anlage Großer Weserbogen in Porta Westfa-lica hat all das zu bieten und schreibt doch rote Zahlen.

    Die Eigentümer der Großer Weserbo-gen Kommunale Gesellschaft mbH sind die Stadt Porta Westfalica und der Kreis Min-den-Lübbecke zu je 50 Prozent. Im Jahr 2019 machte die Gesellschaft ein Minus in Höhe von 148.000  Euro, der Wirtschaftsplan für das Jahr 2020 sagte einen Jahresfehlbetrag in Höhe von 247.000  Euro voraus. Das Sor-genkind ist der Campingplatz. Nachdem 2018 ein Pachtvertrag endete, wurde er von der kommunalen GmbH betrieben, das Res-taurant ist seit Jahren geschlossen.

    Kreis und Stadt haben nun entschieden, den Campingplatz zu verkaufen, weil sie we-der von einer Verpachtung noch von einem Eigenbetrieb einen wirtschaftlichen Erfolg erwarten. Aktuelle wirtschaftliche Zahlen wollten sie wegen aktueller Verkaufsver-handlungen nicht nennen.

    DER BUND DER STEUERZAHLER MEINT

    Der Betrieb von Campingplätzen ist kei-ne Aufgabe für Kommunen. Es kann nicht sein, dass die Steuerzahler Defizite wie im Fall Großer Weserbogen tragen müssen. Gut, dass Stadt und Kreis nun die Reißleine zie-hen und sich von ihrem Sorgenkind trennen wollen.

    Jens [email protected]

    Aufgrund von Ver-lusten ziehen sie die Reißleine: Die Stadt

    Porta Westfalica und der Kreis Münden-Lüb-becke haben beschlos-sen, den Campingplatz

    Großer Weserbogen zu verkaufen.

    Foto: Bärbel Hildebrand

    ALTERNATIVE INVESTITION

    Für 148.000 Euro könnten 477 Kinder und Jugendliche

    an den Ferienspielen der Stadt Porta Westfalica inklusive

    zubuchbarer Frühbetreuung teilnehmen.

  • 3736 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/21

    www.schwarzbuch.de/newsletteranmeldung

    Spannende Neuigkeiten rund um das Thema Steuergeldverschwen-

    dung und die ausufernde Subventi-onspolitik der Bundesregierung:

    Bleiben Sie auf dem Laufenden und abonnieren Sie unseren Newsletter

    „Der Steuerwächter“!

  • 3938 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/2138 Teure Annehmlichkeiten Teure Annehmlichkeiten

    Teure Annehmlichkeiten

    Hoher Preis für kurze Wege

    Schwarzbuch 2020/21

    Seit Januar 2019 hat Hessen eine Ministe-rin für Digitale Strategie und Entwicklung. Doch anstatt die Möglichkeiten der Digita-lisierung zu nutzen und die Mitarbeiter des Ressorts zumindest teilweise dezen tral anzusiedeln, entschied man sich für die Anmietung einer Immobilie in der noblen Wiesbadener Innenstadt. Die Lage vis-à-vis zur Staatskanzlei kommt die Steuerzahler teuer zu stehen.

    Hessen. Die schwarz-grüne Landesre-gierung in Hessen etablierte Anfang 2019 erstmals ein unmittelbar dem Ministerprä-sidenten zugeordnetes Ressort „Digitale Strategie und Entwicklung“, umgangs-sprachlich „Digitalministerium“. Dort sol-

    len unter der Leitung der neuen Ministerin Kompetenzen zum Thema Digitalisierung aus vielen Bereichen der Landesverwal-tung gebündelt und so dessen zuneh-mender Bedeutung Rechnung getragen werden.

    Als die Pläne vorgestellt wurden, kri-tisierte der Bund der Steuerzahler nicht, dass hier ein bedeutsames Thema aufge-griffen wird. Vielmehr stand im Fokus, dass dadurch das Kabinett aufgebläht wurde, ohne dafür an anderer Stelle zu sparen – beispielsweise durch das Zusammenlegen verwandter Ressorts.

    Trotz der engen Anbindung an die Staatskanzlei wurden für das neue Res-sort 69 zusätzliche Stellen geschaffen, was

    Stadt Aalen bezuschusst Festival –nachträglichDie Steuerzahler in Aalen mussten für ein Musikfestival die Zeche bezahlen, weil ein privates Musikfestival im vergange-nen Jahr weniger Zuschauer anlockte als erhofft. Das Defizit des Veranstalters hat die Stadt nachträglich mit 175.000  Euro bezuschusst.

    Aalen (BW). Man hatte große Pläne auf der Ostalb. Nachdem es in der Vergangen-heit immer mal wieder Open-Air-Konzerte im Aalener Stadion gegeben hatte, stellte ein privater Veranstalter ein zweitägiges Fes-tival für Schlagerfreunde und Hip-Hop-Fans auf die Beine. Die Zuschauerresonanz war je-doch geringer als erwartet: Es kamen insge-samt nur rund 20.000 Besucher. Laut Stadt hatte das Festivalwochenende dennoch ei-nen großen Mehrwert für die ganze Region.

    Für diesen „Mehrwert“ mussten die Steu-erzahler aber einen gehörigen Beitrag leis-ten. Bereits vor dem Festival wurde dem Veranstalter eine städtische Kostenbeteili-gung in Höhe von 63.000 Euro zugesichert. Nachdem das Festival mit einem Defizit be-

    endet worden war, entschied eine Mehrheit im Gemeinderat, dem Veranstalter sogar noch einen Zuschuss von 175.000  Euro zu gewähren.

    Doch im Gemeinderat machte sich spä-ter Unmut breit: Einige Gemeinderatsmit-glieder sehen das Thema auch 2020 noch nicht als abschließend behandelt an. Insbe-sondere wurde gefordert, eine Übernahme des Defizits durch die städtische Haftpflicht-versicherung zu prüfen. Die Nachfrage des Bundes der Steuerzahler dazu bei der Stadt blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

    DER BUND DER STEUERZAHLER MEINT

    Sollte in Aalen je wieder ein Festival stattfinden, muss im Vorfeld vertraglich klar geregelt werden, dass der Veranstalter für eventuelle Verluste einzustehen hat. Steu-erzahler sollten nicht für unternehmerische Risiken haften.

    Michael [email protected]

    Das neue „Digitalministerium“ in einer noblen Immobilie (links) nahe der Staatskanzlei (rechts) in Wiesbaden ist weder besonders wirtschaftlich, noch ist es ein Vorbild in Sachen Digitalisierung.

    Foto: Moritz Ven

    ner

  • 4140 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/21Teure Annehmlichkeiten Teure Annehmlichkeiten

    für das digitale Arbeiten an Schulen angeschafft werden.

    rund 400 Laptops

    Bei einer günstigeren Miete von 17 Euro/qm (z. B. in der Wiesbadener Peripherie oder auf dem Land) hätten

    pro Jahr über 150.000 Euro gespart werden können. Dafür könnten jährlich

    schon für sich genommen fragwürdig ist. Für die nun insgesamt 108 Posten muss-te man sich jetzt Gedanken machen, wo diese Arbeitsplätze überhaupt angesiedelt sein sollten. Für das „Digitalministerium“ wurde daher eine Immobilie in direkter Nachbarschaft zur Staatskanzlei, am nob-len Wiesbadener Kureck, angemietet. Be-gründet wurde dies mit dem „Interesse ei-nes möglichst wirtschaftlichen Betriebes“.

    Angesichts einer monatlichen Miete von 62.250 Euro dürfte dies allerdings frag-lich sein. Vergleichszahlen der IHK Wiesba-den legen nahe, dass der Mietpreis selbst für die Wiesbadener Innenstadt sehr hoch ist. Oppositionspolitiker kritisierten, bei der langen Vertragslaufzeit von 17,5  Jah-ren hätte ein deutlich geringerer Mietzins erreicht werden müssen. Die Digitalminis-terin argumentierte hingegen, der Netto-mietpreis läge bei 21,95 Euro pro qm und sei damit im Rahmen dessen, was ein Gut-achten des Landesbetriebs Immobilien Hessen (LBIH) als verhältnismäßig bestä-

    tigt habe. Bei der Beurteilung müsse man das „Gesamtpaket […] aus der räumlichen Lage, der Verfügbarkeit, dem Bezugszeit-punkt, den energetischen Aspekten und den gemeinsamen Nutzungen von zentra-len Diensten sowie der Nähe von landes-politischen Institutionen“ berücksichtigen.

    Doch es stellt sich grundsätzlich die Fra-ge, wieso es überhaupt ein so prominenter Standort sein musste. Die hessische Lan-desregierung will mit dem Projekt „Arbeit in die Heimat und zu den Menschen brin-gen“, den ländlichen Raum stärken und gleichzeitig ein attraktiver Arbeitgeber sein, der seinen Mitarbeitern auch jenseits der Ballungszentren langfristige Perspek-tiven bietet. Wenn man diese Ziele ernst nimmt, dann hätte man das neue Res-sort auch auf dem Land oder zumindest in der Wiesbadener Peripherie ansiedeln können. Gerade ein „Digitalministerium“ hätte im Übrigen mit gutem Beispiel vo-rangehen sollen, indem es die vielfältigen digitalen Kollaborationsmöglichkeiten so intensiv wie möglich nutzt. Nicht zuletzt die Corona-Krise und das vielfach damit verbundene Arbeiten im Homeoffice zeigt, dass eine effektive Zusammenarbeit keine Frage räumlicher Nähe sein muss.

    DER BUND DER STEUERZAHLER KRITISIERT

    Die Hessische Landesregierung ist bei der Einrichtung des sogenannten Digitalmi-nisteriums gleich mehrfach an ihren eigenen Ansprüchen gescheitert: Weder ist das neue Haus besonders wirtschaftlich, noch bietet es den Bediensteten Perspektiven auf dem Land, noch ist es ein Vorbild für fortgeschrit-tene Digitalisierung.

    Moritz Venner/Clemens [email protected]

    Video dazu auf www.schwarzbuch.de

    ALTERNATIVE INVESTITION

    Sieben neue Segelyachten für die MarineDie Marineschule Mürwik erhält in die-sem Jahr sieben neue Segelyachten für insgesamt rund 1,8  Mio.  Euro: Eine frag-würdige Prioritätensetzung angesichts der großen Probleme mit der Einsatzbe-reitschaft der Flotte.

    Bund/Flensburg (SH). „Mit ihren Ein-satzschiffen hatte die Deutsche Marine in den letzten Jahren nicht viel Glück: Fregat-ten und Korvetten kommen nicht in Fahrt, U-Boote liegen meist defekt im Hafen oder

    in der Werft. Auch das Aushängeschild „Gorch Fock“, dessen Grundsanierung min-destens 135 Mio. Euro kosten wird, liegt seit 2015 im Dock.

    Wesentlich besser geklappt hat dagegen die Beschaffung ganz neuer Segelyachten für die Marineschule in Flensburg-Mürwik: Die österreichische Bootswerft lieferte die Boote termingerecht zum vereinbarten Preis. Zum Bestand von bereits 16  Sport-booten aus den 1980er-Jahren kamen im Juli fünf neue Segelyachten vom Typ „Sun-beam 36.2“ hinzu. Bis Ende des Jahres wer-den zwei weitere Sportboote erwartet. Die 11  m langen Sportyachten haben alle An-nehmlichkeiten: Neben einer Toilettenkabi-ne gibt es eine voll ausgestattete Küche mit Kühlschrank, Doppelspüle, Gasherd und Backofen. Neben dem Ausbilder finden vier Offiziersanwärter für bis zu zweiwöchigen Törns auf Nord- und Ostsee Platz.

    Der Ausbau der Segelflotte wird mit der zunehmenden Zahl an Offiziersbewerbern begründet: Die Marine hält die Segelaus-bildung für einen wesentlichen Bestandteil der Offiziersausbildung. Dazu gehöre neben dem Praktikum auf einem Großsegler – der-zeit wird dazu die „Alexander von Humboldt 2“ gechartert – auch die praktische Ausbil-dung auf Sportyachten.

    DER BUND DER STEUERZAHLER MEINT

    Den Elan, mit dem die neuen Segelyach-ten beschafft worden sind, wünschen wir uns auch beim Bau und der Instandhaltung der Einsatzschiffe. Hier fehlt es an den rich-tigen Prioritäten!

    Rainer [email protected]

    Anders als viele Einsatzschiffe der Marine sind die sieben neuen Segelyachten funktionstüchtig.

    Foto

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    ehr

  • 4342 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/2142 Teure Fehler

    Teure Fehler

    Teure FehlerSchwarzbuch 2020/21

    Mit einem zu schweren Feuerwehrwagen Steuergeld verbrannt2016 schaffte die Stadt Eschborn für ihre freiwillige Feuerwehr ein Teleskop- Hubrettungsfahrzeug im Wert von knapp 680.000  Euro an. Doch weil es zu schwer war, konnte es für keinen Einsatz genutzt werden. Deshalb wurde es knapp zwei-einhalb Jahre später für gerade einmal 440.000 Euro zurückgegeben.

    Eschborn (HE). Im Jahr 2016 beschloss der Magistrat der Stadt Eschborn, ein Te-leskop-Hubrettungsfahrzeug für die ört-liche freiwillige Feuerwehr zum Preis von 679.434  Euro anzuschaffen. Aufgrund un-geklärter Umstände entschieden sich die politisch Verantwortlichen jedoch für ein viel zu schweres Fahrzeug. Nach rechtlichen Vorgaben dürfen diese Art Rettungsfahrzeu-ge ein Gewicht von 16 t nicht überschreiten, der neue Eschborner Wagen wog nun aber 17  t. Die Konsequenz: Er durfte nicht ein-gesetzt werden. Nach knapp zweieinhalb Jahren wurde das Rettungsfahrzeug für 440.000  Euro zurückgegeben – also mit ei-

    nem Abschlag in Höhe von fast 240.000 Euro. Eine teure Schadensbegrenzung.

    Besonders pikant ist an der Angelegen-heit, dass es ein Schreiben des Main-Tau-nus-Kreises gab, in dem rechtzeitig, unter Berufung auf Informationen des Landes, auf das Problem hingewiesen wurde. Nach den Erkenntnissen eines 2019 eingesetzten Akteneinsichtsausschusses soll dem dama-ligen Stadtbrandinspektor, der an der Vor-lage zum Kauf des Fahrzeugs mitgearbeitet hatte, und dem Wehrführerausschuss der Inhalt des Schreibens bekannt gewesen sein. Der Magistrat habe beim Beschluss über den Kauf des Fahrzeugs jedoch nichts von der Gewichtsüberschreitung gewusst. Die Gründe für den mangelhaften Infor-mationsfluss sind ungeklärt. Offenbar ver-ließ man sich aber im Magistrat auf die Vorarbeit von Feuerwehr und Verwaltung, ohne selbst genau genug hinzuschauen. Das ändert nichts an der Tatsache, dass der Magistrat für den teuren Fehler politisch verantwortlich ist. Eine Prüfung haftungs-

    Acht Jahre lang geschlafen2012 gab Microsoft bekannt, dass der Sup-port für Windows 7 im Jahr 2020 eingestellt wird. Acht Jahre lang hatte die Stadt somit Zeit, sich für ein anderes Betriebssystem zu entscheiden. 8 Jahre waren jedoch nicht ge-nug. Deshalb wird es nun teuer.

    Hamburg. IT und Hamburg – ein schwieri-ges Thema. Während in der Hansestadt schon seit vielen Jahren kleine, mittlere und große IT-Unternehmen erfolgreich am Markt beste-hen, haben sich Politik, Behörden und Verwal-tung in jüngster Vergangenheit nicht gerade mit Ruhm bekleckert, wenn es um Bits und Bytes ging. Nun wurde ein weiteres Kapitel von Pleiten, Pech und Pannen geschrieben.

    Bereits 2012 gab der amerikanische Tech-Gigant Microsoft bekannt, dass zum 14. Januar 2020 der Support und damit auch

    die Sicherheitsupdates für sein Betriebssys-tem Windows  7 eingestellt wird. Immerhin hatten die User somit 8 Jahre Zeit, ihre Tech-nik umzurüsten. Genügend Zeit – sollte man meinen.

    Für Hamburg waren jedoch 8  Jahre nicht ausreichend. Wie dem Bund der Steu-erzahler auf Nachfrage mitgeteilt wurde, liefen zum Stichtag noch 9.123 Computer mit Windows  7 – 8.082 davon bei der Po-lizei. Daraus machte der Senat folgende Bilanz: „Abzüglich der polizeilichen Endge-räte waren am 14. Januar 2020 bereits circa 98 Prozent der Endgeräte auf Windows 10 migriert.“

    Und die Ursachen für die Verzögerung? „Dies ist im Wesentlichen durch noch nicht bereitgestellte Hard- oder Software begrün-det“, so die Antwort. Die hamburgische Ver-waltung habe „bereits“ im November 2016 mit den Planungen zur Umstellung auf Windows 10 begonnen. Die Umstellung dau-ere bei der Polizei Hamburg und wenigen weiteren Fällen noch an.

    Bis zur endgültigen Umstellung wird der Weiterbetrieb mit der veralteten Windows-Version den Steuerzahler viel Geld kosten. Durch den Abschluss eines erweiter-ten Windows-7-Supportvertrags sind Kosten in Höhe von 526.000 Euro entstanden – davon entfallen auf die Polizei: 476.000 Euro.

    DER BUND DER STEUERZAHLER KRITISIERT

    Hätten die Verantwortlichen rechtzeitig auf die Ankündigung von Microsoft reagiert und die Umrüstung früher in die Wege ge-leitet, wäre die Stadtkasse heute nicht um 526.000 Euro leichter – viel Geld für unnötige Supportverträge statt für aktuelle Technik.

    Lorenz [email protected]

    In der Hamburger Polizei laufen 8.082 Computer immer noch auf dem alten Windows 7.

    Foto

    : Sas

    cha

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    men

    hoff

    Trotz Warnung: Die Stadt Eschborn

    kaufte ein zu schwe-res Teleskop-Hubret-

    tungsfahrzeug und durfte es nicht einset-

    zen. Der Schaden für den Steuerzahler:

    240.000 Euro.

    Foto: Jochen Kilp

  • 4544 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/21

    Auch ordentliches Kündigen will gelernt sein

    Teure Fehler Teure Fehler

    rechtlicher Ansprüche der Stadt war Ende Juli 2020 noch nicht abgeschlossen.

    DER BUND DER STEUERZAHLER KRITISIERT

    Es ist unverantwortlich, dass sich die Eschborner Politik bei ihrer Entscheidung

    zu sehr auf Verwaltung und Feuerwehr ver-lassen hat. Bleibt zu hoffen, dass die Stadt Ansprüche gegen die für den Fehler Verant-wortlichen geltend machen kann.

    Clemens [email protected]

    Früher wurde in den Hochöfen des heu-tigen Weltkulturerbes Völklinger Hütte im Saarland Eisenerz eingeschmolzen, doch mittlerweile ist das Weltkulturerbe auch im Verheizen von Steuergeld ganz gut geworden. So kostete die verpatzte Kündigung des damaligen Geschäfts-führers der landeseigenen Gesellschaft rund 150.000  Euro. Zu den genauen Hin-tergründen und Folgen dieses Fiaskos schweigt die Leitung gegenüber dem Steuerzahlerbund.

    Saarland. Das Weltkulturerbe Völklinger Hütte (kurz WVH) ist ein Industriedenkmal und Ort für Ausstellungen sowie andere Veranstaltungen im Saarland. Alleiniger Ge-sellschafter der WVH ist das Land Saarland. Allerdings ist das Hüttenensemble kein finanzieller Selbstläufer, vielmehr hängt die WVH zu einem guten Teil am Landestropf. Grund genug also, im Sinne der Steuerzah-ler effizient und kostensparsam zu wirtschaf-ten. Der Landesrechnungshof war bei einer Prüfung aber alles andere als begeistert.

    Zur vielfältigen Kritik des Prüfberichts aus dem Jahr 2014 gehörte auch der festge-stellte Wasserkopf bei der kaufmännischen Leitung der WVH. So gab es einen kaufmän-nischen Geschäftsführer, dem zusätzlich ein Verwaltungsleiter nachgeordnet war. Den Posten des Verwaltungsleiters hielt der Rechnungshof letztlich für überflüssig, weil sich die Zuständigkeiten in weiten Bereichen überlagerten.

    Die Kritik schien zwar Eindruck gemacht zu haben – aber es kam anders als vorge-schlagen. So wurde dem kaufmännischen Geschäftsführer zum 31. Juli 2015 gekündigt und stattdessen der Vertriebsleiter zu seinem Nachfolger ernannt. Das Kündigungsschrei-ben wurde ministerial abgestimmt und soll-te durch einen Boten persönlich übergeben werden; der damalige kaufmännische Ge-schäftsführer sollte zudem ein Empfangsbe-kenntnis unterschreiben. Das Problem: Am Übergabetag wurde der Bote nach eigenen Angaben nicht zum Geschäftsführer vorge-lassen. Die Kündigung wurde stattdessen einer Mitarbeiterin übergeben.

    Und welch Überraschung: Der in Ungna-de gefallene Geschäftsführer bestritt später den ordentlichen wie fristgerechten Erhalt der Kündigung. Es folgte ein Rechtsstreit vor dem Saarbrücker Arbeitsgericht, bei dem der Geschäftsführer in erster Instanz obsieg-te. Im Zuge des zweitinstanzlichen Verfah-rens kam es im Jahr 2019 zu einem Vergleich.

    Laut Presse kostete dieser banale Formfehler die Landesgesellschaft rund 150.000 Euro.

    Alle Fragen des Bundes der Steuerzahler zu diesem teuren Fiasko wurden jedoch von der WVH-Leitung nicht beantwortet. Bei-spielsweise, wieso nicht sicherheitshalber eine zweite ordnungsgemäße Kündigung zugestellt wurde, wie die Vergleichssum-me konkret zustande kam, ob die Versiche-rung den Schaden übernommen hat und wie hoch die Anwalts- und Gerichtskosten ausfielen.

    DER BUND DER STEUERZAHLER KRITISIERT

    Kündigungsschutzklagen gehören in Deutschland zum Alltag. Oft spielt dabei der fristgerechte oder ordnungsgemäße Zugang der Kündigung eine große Rolle. Wie das rechtssicher zu bewerkstelligen ist, ist kein Hexenwerk. Ebenso wenig, was zu tun ist, wenn die erste Kündigung zu schei-tern droht. Insofern ist schwer zu sagen, was die Steuerzahler wütender machen sollte: Der Umstand, dass die Zustellung der Kündigung so dilettantisch gescheitert ist? Oder dass sich die Landesgesellschaft zu diesem teuren Fiasko in eisiges Schwei-gen hüllt?

    Christoph [email protected]

    Dem Geschäftsführer des Weltkulturerbes Völklinger Hütte wurde gekündigt. Die ordnungsgemäße Übergabe der Kündigung wurde verpatzt – geschätzter Schaden für die Steuerzahler: rund 150.000 Euro.

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    Frankfurt mietet überdimensionierte ImmobilieDie multikulturell geprägte Stadt Frank-furt am Main hat ein Integrationszentrum geschaffen, um die Arbeit der Ämter, Ein-richtungen und Initiativen zu bündeln und zu vernetzen. Doch die dafür ange-mietete Immobilie ist völlig überdimensi-oniert. Nun müssen die Steuerzahler für

    die horrenden Mietkosten des unzurei-chend genutzten Gebäudes aufkommen.

    Frankfurt am Main (HE). Im August 2017 unterzeichnete die Stadt Frankfurt am Main einen Mietvertrag über 20 Jahre für ein Ge-bäude mit 15.000  qm, um dort unter dem

  • 4746 Schwarzbuch 2020/21 Schwarzbuch 2020/21Teure Fehler

    Energiegewinnung teuer bezahlt oder: Plastik-Panne in der SchleiFür die Energiegewinnung im Faulturm ih-rer Kläranlage haben sich die Stadtwerke Schleswig Lebensmittelreste anliefern las-sen. Diese waren aber mit kleinsten Plas-tikteilen versetzt, die von den Filtern nicht erfasst werden konnten. So sind vermutlich rund 5 Tonnen Plastik in die Schlei mit ihren Naturschutzgebieten gelangt. Diese Panne hat zu Mehrkosten von 1,8 Mio. Euro geführt.

    Schleswig (SH). Die Stadtwerke Schles-wig betreiben eine Kläranlage an der Schlei, einem Nebenarm der Ostsee, der in Teilen un-ter Naturschutz steht. Im Faulturm der Klär-anlage wird Biogas zur Energieerzeugung ge-wonnen. Um die Biogasausbeute zu erhöhen, nahmen die Stadtwerke auch Lebensmittel-reste von einem Entsorgungsunternehmen entgegen, das abgelaufene und nicht mehr zum Verzehr geeignete Lebensmittel inklu-sive ihrer Verpackung entsorgt. Nach dem Walzen und Schreddern wurden größere Ver-packungsanteile herausgesiebt – aber nicht alle. Weil die Kläranlage nicht geeignet war, Kleinstteile herauszufiltern, gelangten feine Plastikteile in den Faulturm und – über den Ablauf – anschließend in die Schlei.

    Erstmals im März 2016 bemerkten Na-turschützer am Schleiufer auffallend viele Plastikschnipsel, doch erst im März 2018 verdichteten sich die Hinweise auf den Ver-ursacher: das Klärwerk in Schleswig. Von da an bemühte man sich um Schadensbe-grenzung: Arbeitstrupps versuchten, so viel Plastikmüll wie möglich vom Uferbereich zu sammeln, doch dabei wurden insgesamt auch 650 Tonnen organischen Materials mit aufgegriffen. Außerdem mussten 8.500 Ton-nen Klärschlamm verbrannt werden, die für die Landwirtschaft vorgesehen waren.

    Namen „stadtRAUMfrankfurt“ ein Integrati-onszentrum zu errichten. Die Gesamtmiete beträgt rund 3 Mio. Euro jährlich. Die Stadt will dort Ämter, zivilgesellschaftliche Initia-tiven und Organisationen mit dem Schwer-punkt Integration zusammenführen, ver-netzen und fördern – eine Idee, die in einer Großstadt mit fast 30 Prozent Ausländeran-teil und zahlreichen Deutschen mit Migrati-onshintergrund ein guter Ansatz ist. Für das Projekt gab es deshalb breite Unterstützung in der Kommunalpolitik.

    Nach der Eröffnung 2019 zogen das Amt für multikulturelle Angelegenheiten und eine Rei