Das Spiel der Götter

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Liebe Fantasy-Freunde,

dem vorangegangenen Mammutbrief in zwei Teilen wollen wir einen weiteren von hnlicher Lnge gegenberstellen, der sich weniger mit Spekulationen ber die mgliche Fortsetzung der MYTHOR-Serie beschftigt, sondern das Bisherige analysiert und im zweiten Teil eine interessante Betrachtung zur Fantasy im allgemeinen enthlt. Schlielich verblfft es, wie sehr sich die Geister an dem unerschpflichen Thema Gut und Bse scheiden knnen.

Andreas Rentzing, Steigerwaldstr. 22, 1 Berlin 20:Als vor mehr als drei Jahren, im April 1980, der erste Band einer neuen Fantasyserie mit dem bedeutungsvollen Namen MYTHOR auf den deutschen Markt gelangte, wurde der Grundstein zu einer Entwicklung gelegt, die meines Wissens eine Einmaligkeit im deutschen Sprachraum darstellt. Keine andere Fantasyserie hatte sich so lange behaupten knnen, der verlagsinterne Vorgnger DRAGON war bereits mit Band 55 eingestellt worden, und ich glaube behaupten zu knnen, da selbst die Autoren von MYTHOR nicht einen solchen Erfolg erwartet htten. Sicher, auch MYTHOR mute einige Schwierigkeiten berstehen, die in der Umstellung von ein- auf zweiwchentliche Erscheinungsweise gipfelten, doch letztendlich hat die Serie unbeirrt ihren Weg fortgesetzt und schreitet nun ihrem dritten Jubilum, Band 150, entgegen. Natrlich konnte man von Anfang an nicht mit einer vergleichbaren Erfolgswelle rechnen, wie sie seinerzeit die PERRY RHODAN-Serie zu immer neuen Rekorden getragen hatte und weiter trgt, denn die Anfangsbedingungen waren weitaus schlechter. Das lag zum einen an dem relativ bersttigten Fantasymarkt, insbesondere dem Taschenbuchmarkt, der eine starke Konkurrenz darstellt, zum anderen, brigens meines Erachtens der wesentliche Punkt, an der kleinen Lesergemeinde, denn der groe Bruder der Fantasy, die Science Fiction, band doch die meisten an phantastischer Literatur Interessierten an sich und lie keinen Platz fr neue Entwicklungen. Hinzu kam der Ruf der Fantasy als Fluchtliteratur oder Mrchen fr Erwachsene, was viele potentielle Leser wohl noch abschreckte. Glcklicherweise scheint sich diese Meinung aber nicht durchgesetzt zu haben, was die eindrucksvolle Entwicklung dieses Genres hierzulande beweist. Stellte in der Anfangszeit von MYTHOR auch die im Vergleich zu heute geringe Fantasyproduktion der Taschenbuchverlage angesichts der kleinen Lesergemeinde eine nicht zu verachtende Konkurrenz dar, so kommt die jetzige Expansion des Fantasymarktes auch der Serie zugute, denn mit wachsender Bekanntheit und Beliebtheit dieser Literatur vergrert sich auch die Chance fr MYTHOR, neue Leser zu gewinnen und so ein Weiterbestehen zu sichern. Ich selbst bin vom reinen SF-Leser ber die MYTHOR-Serie zur Fantasy gekommen und verfolge MYTHOR weiterhin mit groer, eher wachsender Begeisterung. Damit bin ich fast beim eigentlichen Grund meines Briefes angelangt, nmlich einer Betrachtung ber die Grnde dieser Begeisterung. Es handelt sich zwar um eine rein persnliche und subjektive Darstellung, doch ich kann mir vorstellen, da ein Groteil der Leserschaft hnliche Beweggrnde hat und vielleicht bietet dies den Autoren einige Anhaltspunkte fr ihre weitere Arbeit an der Gestaltung der Serie.Ganz obenan bei dieser Analyse steht fr mich die Konzeption von MYTHOR als eine fortlaufende, zusammenhngende Serie aus regelmig erscheinenden Romanen, bei der im Grunde genommen kein Ende abzusehen ist. Dies bt auf mich als Leser eine ganze Reihe von Reizen aus, die bei der normalen Romanproduktion natrlich nicht vorhanden sind. Ein ewiger Fortsetzungsroman (diesmal nicht negativ gemeint) wie die MYTHOR-Serie bietet dem oder den Autoren die Mglichkeit, den Handlungsrahmen systematisch und bis ins kleinste Detail gehend auszubauen, ohne Rcksicht auf den Umfang des Romanes zu nehmen. Dadurch knnen groe Gedankensprnge, denen der Leser nicht so leicht zu folgen vermag, oder auch pltzliche Ortswechsel der Hauptpersonen, die nicht zu berblicken sind, vermieden werden. Auerdem verbleibt weitaus mehr Raum zur Beschreibung von Flora und Fauna, Kultur und Religion der im Text behandelten Lnder und Gebiete. Wie in einem Reisebericht verfolgt man mit den Helden der Handlung deren Fahrten und Irrfahrten durch unbekannte Zonen ihrer Welt und entdeckt neue Kulturen und Reiche. Stck um Stck wird das Bild von MYTHORs Welt dem Leser dargeboten, und wenn man die in Band 100 eingeheftete Karte als Mastab verwenden kann, so bedeutet dies, da bisher nur 1/6 der Gesamtflche bekannt sind, denn die Karte umfat nur zwei der insgesamt zwlf gleichgroen Machtbereiche der Zaubermtter. Der Raum fr weitere Entdeckungen ist also gegeben und lngst noch nicht ausgeschpft, was den Leser eigentlich in eine freudige Erwartung versetzen mu. Durch das Fortlaufen der Handlung erhlt der Text eine weitere interessante Komponente, nmlich eine zeitliche. Die Geschichte der Welt MYTHORs vermittelt sich dem Leser nicht allein durch die in den Text eingefgten Hinweise und Erluterungen, sondern er wird Zeuge des aktuellen Geschehens, und das von den handelnden Personen Erlebte wandelt sich gleichsam in die jngere Geschichte dieser erdachten Welt um. Damit sprengt MYTHOR durch die Serienkonzeption den normalerweise vorgegebenen Rahmen anderer Romane, die sich darauf beschrnken mssen, einen relativ kleinen Zeitraum der Gesamtgeschichte ihrer dargestellten Welt herauszugreifen. Als Serie schliet MYTHOR aber noch einen besonders fr die Leser interessanten Aspekt mit ein, und zwar die Mglichkeit der direkten Mitgestaltung der Handlung. ber die Einsendung von Leserbriefen wird ihm sozusagen ein Mitbestimmungsrecht eingerumt, und im Verlauf der drei Jahre des Bestehens von MYTHOR hat es schon zahlreiche Beispiele fr ein Funktionieren dieser Art von Rckkopplung zwischen Autor und Fan gegeben, die sich besonders auf die, brigens zur Zeit hervorragende, graphische Gestaltung der Romane ausgewirkt hat.Da ich nun schon bei diesem Thema angelangt bin, mchte ich ein paar Worte ber die Innenillustration verlieren, die schlielich auch ihren Teil zum Reiz von MYTHOR beitragen. Die drei Zeichner liefern allesamt hervorragende Arbeiten ab, wobei ich jedoch den Vorwurf mancher Leser an Peter Eilhardt teilen mu, manchmal Probleme mit den menschlichen und nichtmenschlichen Proportionen zu haben, was Jochen Fortmann hingegen niemals Probleme bereitet. Erwhnenswert ist meines Erachtens auch der neue Zeichenstil von Franz Berthold, der an den von Peter erinnert, jedoch noch plastischer wirkt und sich damit bei mir persnlich zum Favoriten der drei emporgeschwungen hat. Alles in allem eine unbedingt beizubehaltende Einrichtung. Nach diesen mehr allgemeinen Betrachtungen zum Gesamtrahmen kann ich wohl getrost ein wenig ins Detail gehen, denn all das Obengenannte kommt nicht oder nur wenig zum Tragen, wenn der Roman nicht ein Mindestma an literarischer Qualitt aufzuweisen hat. Diese lt sich am leichtesten an der Charakterisierung der Hauptpersonen ablesen. In vielen Romanen hat man es mit schablonenhaften Charakteren zu tun, deren einziger Zweck das Fortfhren der Handlung zu sein scheint. Solche Art von Unterhaltung ist kaum wnschenswert, denn sie wird mit der Zeit langweilig, fehlen doch die typisch menschlichen Seiten, die oftmals Abwechslung bringen, ohne auf konventionelle Spannungsmomente angewiesen zu sein. Glcklicherweise vermieden die Autoren von MYTHOR eine derart oberflchliche Arbeitsweise, obwohl die Serie natrlich hauptschlich der spannenden Unterhaltung dienen soll. Dabei kommt selbstverstndlich wieder der Vorteil des ewigen Fortsetzungsromanes zum Tragen, viel Platz auch fr detailliertere Schilderungen der Hauptpersonen zu haben und deren Charaktere systematisch zu entwickeln. So ist es gelungen, den Helden und ihren Begleitern ein lebendiges Image zu verschaffen, was zum Beispiel besonders die Identifikationsmglichkeiten der Leser mit den Romanfiguren erleichtert, brigens ein weiterer wichtiger Punkt fr die positive Wirkung der Romane. Man braucht sich blo einige der Hauptpersonen herauszugreifen, um dies zu belegen. An erster Stelle drfte MYTHOR stehen, der sich im Verlauf der Ereignisse vom ungestmen und nur wenig nachdenkenden Krieger zum den Verstand einsetzenden Kmpfer der Lichtwelt wandelte, sich aber nicht immer den Ansichten und Wnschen der Lichtgtter anschliet.Ebenso verhlt es sich mit Luxon, der nach einem von Unbeschwertheit geprgten Leben als reicher Hndler und Dieb die schwere Verantwortung als Alptraumritter und Shallad bernahm.Als dritte Person mchte ich Fronja herausgreifen, die aus einem sorglosen Leben als Erste Frau von Vanga in die harte Wirklichkeit der Welt gerissen wurde und nur langsam in ihre neue Rolle hineinwachsen konnte. Schien sie in den ersten Bnden nach dem Verlassen des Hexensterns eher ein hinderlicher Ballast fr den Helden Mythor zu sein, so entwickelte sie sich zunehmend zu einer eigenen Persnlichkeit und gewann an Selbstvertrauen, um nun zu einer wichtigen Hauptperson zu werden. Nachdem sie sich nunmehr von MYTHOR in Richtung Vanga verabschiedet hat, hoffe ich, sie wird jetzt nicht fr einige Zeit von der Bildflche verschwinden oder in ihre ehemalige Rolle zurckversetzt, sondern greift aktiv und durch ihre gewonnenen Erfahrungen gestrkt in die Entwicklung in Vanga ein.Natrlich sind dies nur drei Beispiele aus dem groen Ensemble der Hauptfiguren von MYTHOR, das zu meinem leichten Bedauern drastisch reduziert werden soll, doch sie zeigen sehr deutlich, da die Autoren Wert darauf gelegt haben, die realistischen Entwicklungsmglichkeiten der menschlichen Persnlichkeit berzeugend zu schildern und so dem Leser zumindest die Illusion von wirklich existierenden Menschen zu geben, was ihnen auch gelungen ist, ebenso bei den vielen anderen Figuren wie Nottr, Burra, Gerrek usw. In diesem Zusammenhang ist es meiner Meinung nach bezeichnend, wenn es einen Leser wie mich immer wieder rgert, da von Zeit zu Zeit wichtige Personen aus der Handlung verschwinden, wie dies zum Beispiel bei Kalathee oder Kalisse der Fall war, auch wenn solches natrlich unumgnglich ist, will man die Realitt nicht vollkommen umgehen. Nichts verdeutlicht aber eher, welchen Eindruck die Figuren der Handlung auf den Konsumenten machen, was einzig und allein auf deren gelungene Darstellung zurckzufhren ist.

(Fortsetzung folgt)

Bis in 14 Tagen! Euer Ernst Vlcek

Die Illustrationen in diesem Band stammen von Jochen Fortmann.