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20 Von Lic. theol. Martin Reinecke Der folgende Text ist der Abdruck eines Vortrags auf der liturgischen Schulung in Heiloo (NL) vom 30.6. bis 2.7.2014 Einleitung Von der Messe in der ordentlichen Form des römischen Ritus ist man es gewohnt, daß sie mit einem gemein- samen Bußakt der Gemeinde beginnt. Der Bußakt kennt dort verschiedene Formen und enthält meist Elemente, die in der außerordentlichen Form ebenfalls vorkommen, aber in ande- rem Zusammenhang und mit völlig anderer Bedeutung, sogar das Kyrie eleison kann Teil des Bußaktes sein, das doch eher ein hymnischer Lobpreis der göttlichen Barmherzigkeit ist, die uns in der Messe zuteil wird. Ein solcher Bußakt zu Beginn eines Gottesdienstes, und nicht nur der Messe, erscheint inzwischen als völlig normal und sinnvoll. Man meint, das müsse immer so gewesen sein. Doch ein Blick in die Geschichte der römi- schen Liturgie zeigt, daß dem nicht so war. Einen vergleichbaren Bußakt der Gemeinde zu Beginn der Messe gab es nie. Zwar weist schon die Didache gegen Ende des ersten Jahrhundert an: „Wenn ihr am Herrentag zusam- menkommt, brecht das Brot und sagt Dank, nachdem ihr zuvor eure Über- tretungen bekannt habt, damit euer Opfer rein sei.“ 1 Doch für eine irgend- wie gestaltete rituelle Ausgestaltung dieser Weisung gibt es in den ersten Jahrhunderten kein Zeugnis. 1 Didache, 14,1; F.C. 1, 132. Das Stufengebet Seine Entstehung und Entwicklung sowie seine Bedeutung und Funktion im Rahmen der Vormesse Levitiertes Hochamt 2012 in Paderborn (Marktkirche St. Franz-Xaver)

Das Stufengebet - Pro Missa Tridentina€¦ · Von Lic. theol. Martin Reinecke Der folgende Text ist der Abdruck eines Vortrags auf der liturgischen Schulung in Heiloo (NL) vom 30.6

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Page 1: Das Stufengebet - Pro Missa Tridentina€¦ · Von Lic. theol. Martin Reinecke Der folgende Text ist der Abdruck eines Vortrags auf der liturgischen Schulung in Heiloo (NL) vom 30.6

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Von Lic theol Martin Reinecke Der folgende Text ist der Abdruck eines Vortrags auf der liturgi schen Schulung in Heiloo (NL) vom 306 bis 272014

EinleitungVon der Messe in der ordentlichen Form des roumlmischen Ritus ist man es gewohnt daszlig sie mit einem gemein-samen Buszligakt der Gemeinde beginnt Der Buszligakt kennt dort verschiedene Formen und enthaumllt meist Elemente die in der auszligerordentlichen Form ebenfalls vorkommen aber in ande-

rem Zusammenhang und mit voumlllig anderer Bedeutung sogar das Kyrie eleison kann Teil des Buszligaktes sein das doch eher ein hymnischer Lobpreis der goumlttlichen Barmherzigkeit ist die uns in der Messe zuteil wirdEin solcher Buszligakt zu Beginn eines Gottesdienstes und nicht nur der Messe erscheint inzwischen als voumlllig normal und sinnvoll Man meint das muumlsse immer so gewesen sein Doch ein Blick in die Geschichte der roumlmi-schen Liturgie zeigt daszlig dem nicht so war Einen vergleichbaren Buszligakt der

Gemeinde zu Be ginn der Messe gab es nie Zwar weist schon die Didache gegen Ende des ersten Jahrhundert an bdquoWenn ihr am Herrentag zusam-menkommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlber-tretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquo1 Doch fuumlr eine irgend-wie gestaltete rituelle Ausgestaltung dieser Weisung gibt es in den ersten Jahrhunderten kein Zeugnis

1 Didache 141 FC 1 132

Das StufengebetSeine Entstehung und Entwicklung sowie seine Bedeutung und Funktion im Rahmen der Vormesse

Levitiertes Hochamt 2012 in Paderborn (Marktkirche St Franz-Xaver)

21Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

GeschichteWir werfen zunaumlchst einen Blick in die Geschichte der Liturgie und fragen nach den Urspruumlngen des Stufenge-bets und seiner reich verzweigten Entwicklungsgeschichte Anhand des geschichtlichen Befundes koumlnnen wir dann die Frage nach seiner Bedeutung und Funktion im Rahmen der Vormes-se beantworten

Fruumlhe roumlmische LiturgiebdquoDie fruumlhe Liturgie der Stadt Rom liegt im Dunkelldquo2 Das aumllteste liturgische Dokument ist ein griechisches Gebet am Ende des 1 Clemens-Briefes an die Gemeinde in Korinth worin ein Dankgebet fuumlr die Erloumlsung mit einem Bittgebet fuumlr die Anliegen der Kirche verbunden ist Es duumlrfte sich deshalb um Anklaumlnge an ein Eucharistiegebet handeln Ansonsten haben wir fuumlr die ersten Jahrhunderte lediglich Zitate liturgischer Texte bei einigen roumlmi-schen Schriftstellern Fuumlr diese fruumlhe Zeit finden wir also kein Zeugnis das uns Auskunft uumlber einen Buszligakt der Gemeinde oder eine private Vorbe-reitung des Priesters auf die Meszligfeier geben koumlnnte

Die fruumlhe roumlmische Liturgie nach den irischen Meszlig-LibelliAuch fuumlr die Zeit der Spaumltantike und das fruumlhe Mittelalter ist die Quellen-lage aumluszligerst duumlrftig Daran Schuld sind mehrere Braumlnde und die blinde Zerstoumlrungswut in den Unruhen der Voumllkerwanderung und vor allem im saeculum obscurum im dunklen 10

2 K Gamber Missa Romensis Regensburg 197011

Jahrhundert Dabei ist das Archiv der roumlmischen Kirche beim Lateran das chartarium romanae ecclesiae in dem die paumlpstlichen Urkunden und wei-tere wichtige Dokumente verwahrt wurden sowie die bibliotheca cubiculi in der die liturgischen Buumlcher aufbe-wahrt wurden3 fast voumlllig vernichtet

3 So sandte Papst Hadrian gegen Ende des 8 Jahrshyhundert ein paumlpstliches Sakramentar an den fraumlnkishyschen Koumlnigshof das nach dem in der bdquobibliotheca cubi cu lildquo hinterlegten Exemplar angefertigt war Das geht aus einem Vermerk im Titel des Codex hervor

worden Roumlmisches Liturgiegut fuumlr diese Zeit finden wir deshalb vor allem in auszligerroumlmischen Quellen so im so-genannten Leonianum (CLLA Nr 601) das wohl am Anfang des 7 Jahrhun-derts in Verona entstand und eine (pri-vate) Sammlung von Meszligformularen (libelli missae) darstellt die kaum fuumlr

bdquo ex authentico libro bibliothecae cubiculi scripshytumldquo (cgl CLLA Nr 720) Einen aumlhnlichen Vermerk tragen die im Rom des 8 Jahrhundert gebrauchten Gregoriana mixta bdquo ex authen tico bibliothecae cushybiculi scriptusldquo (vgl CLLA Nr 901)

erste Seite des Stowe-Missal

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den liturgischen Gebrauch bestimmt war4 und vor allem in Zeugnissen aus IrlandIrland das nie roumlmische Provinz war blieb von den Wogen der Voumllkerwan-derung verschont und war darum auch weniger spaumlteren Einfluumlssen un-terworfen Es konnten sich deshalb dort verschiedene fruumlhchristliche Ge-wohnheiten fruumlhe bestimmte Fassun-gen des biblischen Textes und vor al-lem ein altertuumlmlicher Meszligbuchtypus lange Zeit rein erhaltenDer Roumlmer Palladius war 431 von Papst Coelestinus (422-432) zum Bi-schof geweiht und mit vier Priestern nach Irland gesandt worden um die dort bereits zahlreich lebenden Chri-sten zu betreuen5 Palladius hat nun wie es uumlblich war liturgische Buumlcher mit in sein Missionsgebiet gebracht wie sie zu seiner Zeit in seiner Heimat Rom gebraumluchlich waren Auf dieses Exemplar gehen die spaumlteren irischen Meszliglibelli zuruumlck Sie stellen deshalb

4 Vgl CLLA S 2595 Eine Notiz des Prosper von Aquitanien zum Jahr 431 bezeugt das bdquoAd Scotos in Christum credentes ordinatus a papa Coelestinus Palladius primus episcopus mittitur (Zu den an Christus glaubenden Scoten wurde Palladius der von Caelestin geweiht worden war als erster Bischof gesandt)ldquo Opera I 401 ed Bassani

Zeugnisse fuumlr die stadtroumlmische Litur-gie des 5 Jahrhundert dar Sie haben jeweils nur wenige Meszligformulare die keinen Bezug zum Kirchenjahr haben Daraus schlieszligen wir daszlig es in Rom allem Anschein nach noch bis ins 6 Jahrhundert vielleicht sogar bis zu Gregor dem Groszligen kein offizielles Jahres-Sakramentar gab sondern aumlhnlich wie noch heute in den orien-talischen Riten das ganze Jahr uumlber eine missa communis in Uumlbung war die eben Palladius nach Irland mitge-bracht hat und die sich in einigen spauml-teren Abschriften erhalten hatDie bekannteste davon ist das soge-nannte Stowe-Missal aus dem 89 Jahrhundert geschrieben in Tallaght und vollstaumlndig erhalten Am Anfang dieses Missales steht eine missa canoni-ca in der wir nun erstmals eine Art Buszlig-ritus zu Beginn der Meszligfeier findenZu Beginn der missa cononica des Sto-we-Missal steht eine altertuumlmliche le-tania eine Allerheiligenlitanei mit der vorausgehenden Antiphon Wir haben gesuumlndigt o Herr wir haben gesuumlndigt Erbarme dich uumlber unsere Suumlnden und rette uns Der du den Noe uumlber die Wogen der Sintflut geleitet hast erhoumlre uns Und Ionas aus dem Abgrund durch (dein) Wort zuruumlckgerufen hast befreie uns Der du dem sinkenden Pe-

trus die Hand ausgestreckt hast hilf uns Christus Sohn Gottes

Du hast Wunder getan o Herr mit unse-ren Vaumltern erbarme dich auch unserer Zeiten Sende aus deinen Arm aus der Houmlhe befreie uns 6

Dieselbe Antiphon kennt das roumlmische Antiphonar fuumlr die Bittprozession am 25 April Daraus kann man schlieszligen daszlig sich in den irischen Meszlig-Libelli stadtroumlmisches Liturgiegut erhalten hat Bei dieser Antiphon handelt es sich um den Eroumlffnungsgesang in der Collecta-Kirche bevor sich die Prozes-sion zur Stationskirche in Bewegung setzte Bei dieser Prozession durch die Straszligen Roms wurde die letania gesungen wobei die einzelnen Bitten bis zu siebenmal wiederholt wurden Der Text im Stowe-Missal zeigt daszlig die Litanei urspruumlnglich relativ kurz gewe-sen ist

6 Peccauimus domine peccauimus Parce peccatis nostris et salua nos Qui gubernasti Noe super undas diluiuii exaudi nos Et Ionam de abysso verbo reuoshycasti libera nos Qui Petro mergenti manum porrexshyisti auxiliare nobis Christe fili deiFecisti mirabilia domine cum patribus nostris et nostris propitiare temporibus Emitte manum tuam de alto libera nos

Schutzhuumllle des Stowe-Missal

23Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Die Litanei mit ihren Anrufungen der einzelnen Heiligen ist etwas typisch Roumlmisches wie es sich in der Fruumlhzeit sonst nirgendwo findet Sie entspricht in etwa den Ektenien im byzantini-schen und gallikanischen Ritus die ebenfalls Fuumlrbitten und das Kyrie elei-son kennenLetzteres ist in den Ektenien die Ant-wort des Volkes auf die einzelnen Bit-ten des Diakons In der roumlmischen leta-nia steht es dagegen als selbstaumlndiger Ruf jeweils am Anfang und am Ende Dem Kyrie eleison voraus geht ein drei-maliges Christe audi nos das eine freie Uumlbersetzung des griechischen Rufes darstelltDas spaumltere Kyrie zu Beginn der rouml-mischen Messe wie wir es noch heu-te kennen ist nichts anderes als der Schluszlig der alten letania wie sie auf dem Weg zur Stationskirche gesungen wurde In spaumlteren Liturgiebuumlchern heiszligt es deshalb das Kyrie der Messe falle aus wenn eine solche Prozession

mit der Allerheiligenlitanei voraus-geht7

Da die irischen Meszlig-Libelli offensicht-lich stadtroumlmisches Li tur gie gut wie-dergeben ist davon auszugehen daszlig man in Rom urspruumlnglich eine Prozes-sion mit Allerheiligenlitanei zur Kir-che kannte wo dann die stets gleiche missa canonica gefeiert wurde Dieser Auftakt zur Messe hatte Buszligcharak-ter Der Ritus konnte sich aber fuumlr die normale Messe nicht erhalten auszliger wie gesagt im fruumlhen Irland Wann er in Rom auszliger Gebrauch gekommen ist wissen wir nicht Lediglich an be-stimmten Tagen kennt die spaumltere rouml-mische Liturgie eine solche Prozession noch bei der StationsliturgieHier haben wir also ein sehr fruumlhes Zeugnis eines allgemeinen Buszlig ritus zu Beginn der Messe der aber mit dem Buszligakt der neuen Messe nichts gemein hat und auch nicht als Vorbild gegolten hat Auch hat das spaumltere Stufengebet der alten Messe keinen Bezug zu dieser urspruumlnglichen Eroumlff-nung der stadtroumlmischen Liturgie

Die Papstmesse nach dem Ordo Romanus IAuf unserer Suche nach den Urspruumln-gen des Stufengebets muumlssen wir also

7 So im stadtroumlmischen Ordo der Quadragesima (Vgl M Andrieu Ordines Romani III 261 ldquoNam quando letania nec Gloria in excelsis nec Cyrieleishyson post introitum nec Alleluia cantatur (Denn wenn letania ist wird weder Gloria in excelsis noch Cyireleison nach dem Introitus noch Alleluja gesunshygenhellip)ldquo PL 78 1039 Quando efficitur Collecta ad missam non cantatur Kyrie quia regionarius dixit in litania (Wenn die Collecta gehalten worden ist wird zur Messe kein Kyrie gesungen weil der regionarius es in der Litanei gesprochen hat)

in anderen Quellen suchen Aufgrund der fehlenden Quellenlage uumlber die

Liturgie der roumlmischen Stadtkirchen muumlssen wir in der paumlpstlichen Liturgie su chen zumal ja unsere Messe in der Tradition der paumlpstlichen Messe seit Gregor dem Groszligen steht

Den rituellen Verlauf des paumlpstlichen Stationsgottesdienstes kennen wir aus den Ordines Romani die Michel Andrieu im vorigen Jahrhundert unter Heranziehung der gesamten auf uns gekommenen Manuskripte kritisch ORDO ROMANE EC[C]L[ESI]E

DENVNTIATIONE STATVTIS DIEB[VS] FES[TIVIS](Seite aus dem Ordo Romanus I)

Papst Benedikt XVI am Karfreitag

Meszligbuch aus dem 12 Jahrhundert

Das Stufengebet

Das spaumltere Kyrie zu Beginn der roumlmischen Messe ist nichts anderes als der Schluszlig der alten letaniawie sie auf dem Weg zur Stationskirche gesungen wurde

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herausgegeben hat Trotz des Namens stammen laumlngst nicht alle dieser Ordi-nes aus Rom selber sondern sind oft an anderen Orten erstellte Bearbei-tungen stadtroumlmischer Buumlcher und BraumlucheFuumlr unsere Frage kommt der Ordo ro-manus I aus dem Ende des 7 Jahrhun-derts in Betracht der eine rein stadtrouml-mische Quelle darstellt Er beschreibt den groszligen roumlmischen Stationsgottes-dienst wie er sich bis zum 8 Jahrhun-dert entwickelt hat Er ist zum Vorbild und Muster fuumlr die weitere Gestaltung der Messe uumlberhaupt geworden und hat Auswirkungen bis in die letzte Dorfpfarrei und sogar bis in die soge-nannte stille Messe gehabt8

Er beschreibt den Anfang der Stati-onsmesse wie der Papst unter dem Gesang des Introitus in die Kirche ein-zieht Am Altar angekommen laumlszligt er sich auf einem zu diesem Zweck aus-gebreiteten Teppich zu stillem Gebet nieder9 wie es heute noch der Priester zu Beginn der Karfreitagsliturgie tut Danach erhebt er sich und gruumlszligt das Evangeliar und den Altar mit einem Kuszlig In dieser schweigenden Anbe-tung des Papstes vor dem Altar liegen offensichtlich die Anfaumlnge des heuti-gen Confiteor mit seiner Umrahmung das den zweiten Teil des Stufengebets bildetDer Ordo fuumlhrt nicht weiter aus was die Funktion dieses stillen Gebetes

8 Vgl J A Jungmann Missarum Sollemnia Bd 1 41958 889 Ordo romano I n 8 bdquout ponat oratorium (darunter muszlig ein Teppich verstanden werden) ante altare Et accedens pontifex orat super ipsumldquo (hellipdaszlig er ein oratorium vor den Altar plaziert Und der Pontifex tritt hinzu und betet auf diesem)

war oder was der Papst dabei betete Der Wortlaut war wohl noch ihm uumlber-lassen ein fixiertes Gebet ist zu dieser Zeit nicht zu erwartenWie bereits erwaumlhnt wurde der Ordo romanus I immer wieder uumlberarbeitet um die Anweisungen fuumlr die paumlpstli-che Liturgie in Rom an die Verhaumlltnisse in anderen Kirchen anzupassen Eine solche Bearbeitung des Ordo aus dem Frankenreich stellt der Ordo romanus XV das Capitulare ecclesiastici ordinis aus der 2 Haumllfte des 8 Jahrhunderts dar Hier wird in der Beschreibung der Stationsmesse das stille Gebet des Papstes zu Beginn wie folgt be-schrieben bdquoInde praecedit ab altare et prostrato omni corpore in terram facit orationemldquo [Darauf geht er zum Altar wirft sich mit dem gesamten Koumlrper nie-der und betet] Damit wird die Rubrik des Ordo I naumlher bestimmt und kon-kretisiert entgegen der spaumlteren fraumln-kischen Uumlberlieferung die an dieser

Stelle fast nur das verbeugte Stehen an dieser Stelle kennt wie noch heute beim ConfiteorEine Erweiterung dieser Rubrik des Capitulare im Breviarium ecclesiastici ordinis dem Ordo Romanus XVII aus dem Ende des 8 Jahrhundert deutet nach Jungmann schon bdquodie Richtung auf das Buszliggebetldquo10 an Hier wird prauml-zisiert fundens orationem pro se vel pro peccata populi [er sagt ein Gebet fuumlr sich beziehungsweise fuumlr die Suumlnden des Volkes]11 Hier haben wir den ersten direkten Hinweis in einem liturgischen Buch darauf daszlig am Beginn der Mes-se ein Gebet fuumlr die eigenen und die Suumlnden des Volkes steht Jungmann wertet das als einen Hinweis auf die spaumlteren Apologien an dieser Stelle12

10 J A Jungmann 38611 Andrieu III 17912 J A Jungmann 387

Hochamt beim Katholikentag in Mannheim (2012)

25Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Erste Formen eines Schuldbekenntnisses ApologienMit dem Beduumlrfnis das Gebet pro se vel pro peccata populi naumlher zu bestim-men kommen im fraumlnkischen Bereich im 9 bis 11 Jahrhundert an dieser Stelle zahlreiche Apologien auf bdquoper-soumlnliche Schuld- und Unwuumlrdigkeits-bekenntnisse des Zelebranten von meist betraumlchtlichem Umfang die sich mit der Bitte um Gottes erbarmende Gnade verbindenldquo13

Apologien sind eine typisch fraumlnkische Erscheinung und waren dem roumlmi-schen Geist eher fremd Diese Entwick-lung des stillen Gebets pro se vel pro peccata populi zu Beginn der Meszligfei-er konnte deshalb keine Zukunft ha-ben Spaumltestens bei der Ruumlckkehr der nunmehr roumlmischfraumlnkischen Liturgie nach Rom ab dem 11 Jahrhundert wauml-ren diese Apologien ebenso entfernt worden wie die meisten anderen Apo-logien auch und durch andere ersetzt die der roumlmischen Mentalitaumlt mehr entsprachen

Entwicklung des Stufengebets ab dem 10 JahrhundertDoch so weit solle es nicht kommen denn noch vor dem Ende des 10 Jahr-hunderts tritt eine neue Ordnung auf die im rheinischen Meszligordo enthalten ist Ihr sollte die Zukunft gehoumlren zu-mal sie auch bedeutend mehr roumlmi-schem Geist entsprichtSo lautet die entsprechende Rubrik im Pontifikale des Halinardus bdquoDanach tritt der Bischof in die Kirche ein (hellip) kuumlszligt die Diakone und zwei Priester

13 Ebd 103shy104

Und er beginnt von sich sbquoIntroibo ad altare Deilsquo mit dem Psalm sbquoIudica me Deuslsquo Wenn er zum Altar kommt sagt er diese Orationen sbquoAufer a nobishelliplsquo sbquoOmnipotens sempiterne Deus qui me peccatoremhelliplsquoldquo14

Der Psalm bdquoIudica meldquoHier wird also erstmals auf dem Weg zum Altar Psalm 42 gesprochen dem bei der Ankunft am Altar zwei Oratio-nen folgen darunter unser Aufer a no-bis Auszligerdem gibt es Apologien die Vorlaumlufer unseres Confiteor darstellen

14 Postquam in ecclesiam intrat episcopus () osculetur diaconos et presbytero duos Et incipiat per se rsquoIntroibo ad altare Deilsquo cum psalmo lsquoIudica me Deusrsquo Cum venerit ad altare dicat has orationes lsquoAufer a nobis rsquo lsquoOmnipotens sempiterne Deus qui me peccatorem rsquo

und auf verschiedene Weise einbezo-gen sind Wir haben hier zum ersten Mal die Struktur des spaumlteren Stufen-gebets wobei die Stelle des Confiteor noch von Apologien vertreten ist Ein foumlrmliches Confiteor mit Vergebungs-bitte erscheint dann um die Mitte des 11 Jahrhundert in der Normandie15 und auf italischem Boden16Diese neue Ordnung der Eroumlffnung der Messe hat sich auf den Wegen der cluniazensischen Reform bald in Italien und Deutschland ausgebreitet ohne schon eine einheitliche Fassung zu haben Es wurde fast uumlberall an den Stufen des Altares ein foumlrmliches Confiteor in irgendeiner Fassung mit der entsprechenden Antwort und die nachfolgende Oration Aufer a nobis

15 Bei Johannes von Avranche16 Vgl Codex Chigi ed Martegravene 1 4 XII (I 569)

Levitiertes Hochamt beim Katholikentag in Mannheim

Das Stufengebet

Im 8 Jahrhundert warf sich der Papst zu Beginn der Messevor dem Altar auf den Boden hin undbetete fuumlr sich und fuumlr die Suumlnden des Volkes

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gesprochen Das gehoumlrte seit dem 12 Jahrhundert zur festen Ordnung eines jeden Meszligordo17 Der Psalm Iudica me war noch nicht so verbrei-tet Er gehoumlrt im spaumlteren Mittelalter zahlreichen Meszligordnungen noch nicht an Deshalb fehlt der Psalm noch heute in den Liturgien der Kar-taumluser der beschuhten Karmeliten und der Dominikaner die ihre Ord-nungen im 13 Jahrhundert festge-legt haben und ihn den damaligen Schwankungen entsprechend nicht aufgenommen haben Jungmann berichtet daszlig sogar noch auf der ersten Generalkongregation der Je-suiten 1558 beschlossen wurde auf den Psalm zu verzichten18 Erst das Missale Piuslsquo V machte den Psalm zur allgemeinen Vorschrift da es sich auf das Missale Curiae stuumltzte das den Psalm kannte ebenso wie die meisten italischen MeszligbuumlcherWaumlhrend des ganzen Mittelalters blieb es vorherrschende Regel den Psalm Iudica me auf dem Weg zum Altar zu beten wie es schon die oben ange-fuumlhrte Rubrik des 10 Jahrhunderts festgesetzt hatte bdquoNoch nach dem Missale Pauls III konnte der Zelebrans ihn laut oder still auf dem Wege zum Altar betenldquo19 Nur seltene Ausnahmen verlegen ihn bereits eindeutig an die Stufen des Altares meist dort wo das Ankleiden oder das Anlegen der Kasel am Altar geschieht Daszlig das Missale Piuslsquo V ihn entgegen der weit verbrei-

17 Mit Ausnahme eines Missale von Toul um 1400 das vor dem Aufer a nobis nur die Apologie Ante conshyspectum hat18 J A Jungmann 38019 J Brinktrine Die heilige Messe in ihrem Werden und Wesen Paderborn 1931 51

teten Gewohnheit an die Altarstufen verlegt hat wohl seinen Grund in der Tatsache daszlig man dem Psalm ein sorgfaumlltiges Sprechen sichern und ihm mehr Gewicht geben wollteDoch auch nach der Kodifizierung durch Pius V war der Ort des Stufen-gebets - und damit auch des Psalms 42 - noch nicht uumlberall an den Stufen des Altares So berichtet Pierre Lebrun noch 1716 uumlber Sonderbraumluche im Frankreich seiner Zeit bdquodie einen ma-chen sie in einer eigenen Kapelle wie man sie noch in Tours am Grab des heiligen Martin macht die anderen im Chor wie in Laon und Chartres oder am Eingang des Chorraums weit vom Altar wie in Soissons und Chacirclons-sur-Marne andere an der linken Seite des Altars beim Eingang das heiszligt auf der Evangelienseite wie in Vienne und bei den Kartaumlusern die den Brauch aus dieser Metropole uumlbernommen ha-

ben andere schlieszliglich in der Sakristei wie in Reimsldquo20

Seit dem 11 Jahrhundert wird dem Psalm die Antiphon Introibo voran-gestellt die spaumlter und bis heute als Versikel behandelt wird Die Versikel Adiutorium nostrum erscheint bereits im Meszlig ordo der paumlpstlichen Kapelle um 129021 Das dem Taufbefehl Jesu entnommene Kreuzzeichen vor dem Psalm ist erst seit dem 14 Jahrhundert vereinzelt nachweisbar

Das bdquoConfiteorldquoWie der Psalm Iudica lange Zeit keine einheitliche Ordnung kannte so ging

20 P Lebrun Explication litteacuterale historique et dogamtique des priegraveres et des ceacutereacutemonies de la messe suivant les anciens auteurs et les monument de la plupart des eacuteglises avec des dissertations et des notes sur les endroit difficiles et sur lrsquoorigine des rites Paris 1716 Nachdruck Tours 1976 8021 Ebd 383

Stufengebet bei einer stillen heiligen Messe

27Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

es auch dem Confiteor Ein einheitli-ches Formular gab es lange Zeit nicht dafuumlr Ein Vorlaumlufer der spaumlteren Confiteor-Formeln war die verbreitete Apologie ldquoVor dem Angesicht deiner goumlttlichen Majestaumlt o Herr und dieser deiner Hei-ligen bekenne ich dir meinem Gott und meinem Schoumlpfer durch meine Schuld denn ich habe gesuumlndigt in Stolz in Haszlig und Neid in Begierde und Geiz in Un-zucht und Unreinheit in Rausch und Trunkenheit in Luumlge und Meineid und in allen Lastern die aus diesen hervor-gehen Was noch Durch Sehen Houmlren Geruch Geschmack und Tasten und durchaus in Gedanken Worten und Ta-ten bin ich verdorben deshalb der du den Suumlnder ge recht fer tigst rechtfertige auch mich und laszlig mich auferstehen vom Tod zum Leben Herr mein Gottldquo22

In dieser Apologie spricht der Zele-brant ein ausfuumlhrliches Bekenntnis seiner Suumlnden und Fehler vor seinem bdquoGott und Schoumlpferldquo in dem auch be-reits das spaumltere mea culpa vorkommt wobei ein ausfuumlhrlicher Suumlndenka-talog erwaumlhnt wird In den spaumlteren Confiteor-Formeln geht man von die-sen Suumlndenkatalogen weg zu einem allgemeinen Bekenntnis peccavi nimis cogitatione verbo et opere [daszlig ich viel

22 Ante conspectum divinae maiestatis tuae Domine his sanctis tuis confiteor tibi Deo meo et creatori meo mea culpa quia peccavi in superbia in odio et invidia in cupiditate et avaritia in forshynicatione et inmunditia in ebrie tate et crapula in mendacio et periurio et in omnibus vitiis quae ex his prodeunt Quid plura Visu auditu olfactu gustu et tactu et omnino in cogitatione et locutione et actione perditus sum quapropter qui iustificas imshypio iustifica me et resuscita me de morte ad vitam Domine Deus meus

gesuumlndigt habe in Gedanken Worten und Werken] Der bedeutendste Un-terschied liegt aber darin daszlig das Be-kenntnis nur vor Gott erfolgt waumlhrend in den Confiteor-Formeln die soziale Dimension von Suumlnde aufscheint Das Bekenntnis wird vor vobis fratres und den Heiligen abgelegt die auch um Fuumlrbitte vor Gott gebeten werdenDiese urspruumlngliche und weitver-breitete Apologie fuumlhrte dann ab der Jahrtausendwende zu den er sten foumlrmlichen Confiteor-For meln Eine sehr kurze fruumlhe For mel war in Clu-ny um 1080 in Gebrauch bdquoIch beken-ne Gott und allen seinen Heiligen und euch Vater daszlig ich gesuumlndigt habe in Gedanken Worten und Werken durch meine Schuld Ich bitte euch betet fuumlr

michldquo23 Diese neue Form des Suumlnden-bekenntnisses bringt bereits gut zum Ausdruck was fuumlr alle spaumlteren Confi-teor-Formeln auch gilt das Bekenntnis des ersten Teils geschieht vor Gott und der himmlischen Kirche die Fuumlrbitte im zweiten Teil richtet sich zuerst an die irdische Kirche und im Bewuszligt-sein der communio sanc to rum an die himmlischeSchon bald auch schon im 11 Jahr-hundert waren auch laumlngere Formeln uumlblich Sie wurden immer ausgedehn-ter so daszlig das Generalkapitel der Zi-sterzienser im Jahr 1184 bestimmen

23 Udalrici Consuet Clun II 30 (PL 149 716) ldquoConfiteor Deo et omnibus sanctis eius et vobis pashyter quia peccavi in cogitatione locutione et opere mea culpa Precor vos orate pro merdquo

Stufengebet im Meszligbuch

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muszligte daszlig vor allen Heiligen die Got-tesmutter zu nennen sei Confiteor Deo et beatae Mariae et omnibus Sanctis24 Im Verlauf des Mittelalters wuchs die Zahl der Heiligen vor allem im zwei-ten Teil immer weiter an Das Konzil zu Ravenna bestimmte deshalb 1314 au-szliger Maria nur noch Michael Johannes den Taumlufer und die Apostel Petrus und Paulus zu nennen25 wie wir es noch heute tunAuch die Umschreibung und Aufzaumlh-lung der Suumlnden wurde immer kon-kreter Das Bekenntnis wurde nahezu zu einem Suumlndenbekennt nis in specie wie man es mancherorts vom Chor-gebet kannte Dabei wirkten wohl Confiteor-Formeln ein die fuumlr die sa-kramentale Beichte dienten Die mit-telalterlichen Liturgieerklaumlrer miszligbilli-gen diese Entwicklung da es sich hier nicht um ein geheimes sondern ein oumlffentliches Bekenntnis handle26

24 Schneider CistshyChr 1926 25525 Mansi XXV 54726 Vgl Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217

Von Anfang an wurde das Confiteor tief verbeugt gesprochen wie diverse Meszligordines erwaumlhnen wenngleich auch das Knien verbreitet gewesen sein muszlig Auch das Schlagen an die Brust beim mea culpa wird schon fruumlh erwaumlhnt27

Die Urspruumlnge des Confiteor liegen jedoch nicht in der Messe Ab dem 9 Jahrhundert sind uns Fassungen uumlberliefert die bei der sakramentalen Beichte gebraucht wurden Oft ent-hielten sie einen langen Suumlndenka-talog aumlhnlich wie in einigen Laumlndern noch heute traditionellerweise das persoumlnliche Suumlndenbekenntnis in das Confiteor nach dem mea maxima culpa eingefuumlgt wird In dieser fruumlhen Zeit stand der standardmaumlszligige Suumlndenka-

806) Sicard von Cremona Mitrale III 2 (PL213 96 A) Durandus IV 7 2 Joh Beleth Explicatio c33 (PL 202 43) die Suumlnden duumlrfen hier nur generaliter beshykannt werden nec mensuram accedere27 Stephan von Baugeacute De sacr altaris c 12 (PL172 1283 B) Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217 806) Durandus IV 7 3

talog allerdings noch an Stelle eines detaillierten persoumlnlichen Bekenntnis-ses28 Bald auch schon im 9 Jahr hun-dert kommt ein solches Suumlndenbe-kenntnis taumlglich in Prim und Komplet vorVon daher wird nun auch ein Confi-teor in die Messe uumlbernommen Bis zur Mitte des 11 Jahrhunderts ist der entscheidende Uumlbergang abgeschlos-sen29 In der ersten Zeit gab es dabei vielfach ein Gegenuumlber von Priester und Diakon das an das kloumlsterliche gegenseitige Bekennen erinnert So sprach in Cluny der Priester das Confi-teor vor dem Altar an der Evangelien-seite inclinis contra diaconum similiter inclinem [verbeugt zum Diakon der ebenfalls verbeugt ist]30 Aumlhnlich war es

28 Auch in der Orthodoxie kennt man neben dem individuellen Suumlndenbekenntnis beim geistlichen Vater ein solches standardmaumlszligiges Bekenntnis mit einem langen Suumlndenkatalog vor dem Empfang der Kommunion29 Vgl J A Jungmann 38930 Udalrici Consuet Clun II 30 (PL 149 716A)

Confiteor beim Levitierten Hochamt (Mannheim 2012)

29Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

an vielen Orten so bei den Kartaumlusern und im Missale von Westminster waumlh-rend in Sarum Diakon und Subdiakon rechts und links vom Priester stehen und beide antworten Letztere Form hat sich schlieszliglich durchgesetzt und wurde von Pius V endguumlltig bestaumltigt und festgelegtSofort ist das Confiteor in der Messe mit dem Misereatur verbunden das auch Nichtgeweihte als fuumlrbittende Antwort sprechen durften31 Auch das Indulgentiam bzw oft mit dem zwei-ten Wort Absolutionem beginnend wurde von Anfang an in die Messe aufgenommen das in dieser Zeit und noch mehrere Jahrhunderte lang Aus-druck der priesterlich-sakramentalen Lossprechung ist Seit kurz vorher die Gewohnheit aufgekommen war Be-kenntnis und Lossprechung bei der Beichte in ein und derselben Feier abzuhalten hatte man auch fuumlr das in den Kloumlstern uumlbliche woumlchentliche Suumlndenbekenntnis vor dem geist-lichen Vater dem Misereatur die sa-kramentale Lossprechung Indulgen-tiam hinzugefuumlgt32 Von daher kam es nun auch in die Meszligliturgie Da es sakramentalen Charakter hatte kam es zunaumlchst nur dem Priester zu der Diakon und eventuell der Subdiakon antwortet nur mit Misereatur Eine fruuml-he Form des Misereatur wie es sich im 910 Jahrhundert haumlufig findet lau-tet bdquoEs erbarme sich deiner der allmaumlch-tige Gott und lasse dir alle deine Suumlnden nach er befreie dich von allem Boumlsen (Werk) er bewahre dich in allem Guten

31 Vgl J A Jungmann Die lateinischen Buszligriten in ihrer geschichtlichen Entwicklung Innsbruck 1932 282shy28332 Ebd 283shy284

(Werk) und fuumlhre dich (durch die Fuumlrbitte aller Heiligen) zur ewigen Herrlichkeitldquo33

Umrahmende VersikelZu dem Confiteor-Ritus kam dann im Mittelalter noch eine Umrahmung hinzu indem man dem Confiteor ver-schiedene Versikel unmittelbar voran-gestellt hat Das noch heute uumlbliche Adiutorium nostrum in nomine Domini erscheint in Italien schon im 11 Jahr-hundert an dieser Stelle auszligerhalb Italiens anscheinend erst seit dem 15 JahrhundertAuch nach dem Buszligakt wurden schon fruumlh eine Reihe Versikel als Uumlberlei-tung zum Aufer a nobis eingefuumlgt Sie haben eine aumlhnliche Funktion wie die Preces vor der Oration im Offizium Daran erinnert auch verbeugte Koumlr-perhaltung Meist handelt es sich da-

33 Misereatur tui omnipotens Deus et dimittat tibi omnia peccata tua liberet te ab omni (opere) malo conservet te in omni (opere) bono et perducat te (per intercessionem omnium sanctorum) ad gloriam sempiternam

bei um Versikel die schon fruumlher beim Hintreten zum Altar gesprochen wur-den wie auch die noch jetzt uumlblichen Deus tu conversus und Ostende Schon das Missale der paumlpstlichen Kapelle um 1290 beschraumlnkt sich auf diese beiden Versikel34 waumlhrend andernorts noch eine Anzahl anderer hinzugefuumlgt sind Do mi ne exaudi orationem meam und Dominus vobiscum vor dem Aufer a nobis sind die uumlblichen Einleitungen einer Oration und stammen aus fruumlher Zeit Das Aufer a nobis selbst ist das aumllte ste Element des Stufengebets und ist jetzt nurmehr seine Schluszligoration Es stammt aus alter roumlmischer Traditi-on und gehoumlrte der Paschafeier an35 Spaumlter sprach man es bei der Kirchwei-he zum Einzug ins Heiligtum wo man die Reliquien abholte Beim Hintritt zum Altar wird es seit dem spaumlten Mit-

34 Vgl J Brinktrine (Eph liturg 1937) 20035 Im Leonianum am Gruumlndonnerstag im aumllteren Gelasianum am Beginn der Quadragesima im Greshygorianum von Padua am Donnerstag der ersten Fastenwoche

Confiteor bei einer Primiz in St Albert Stuttgart (2009)

Das Stufengebet

30

telalter leise gesprochen wohl zuerst in EnglandDer Trierer Patristiker Michael Fiedro-wicz schreibt zusammenfassend bdquoDie Entstehung des Stufengebets ist ein anschauliches Beispiel fuumlr die organi-

sche Entwicklung der Meszligliturgie Aus einem betenden Innehalten bzw sich Niederwerfen des Papstes bzw Zele-branten vor dem Altar (78 Jahrhun-dert) einem Bekenntnis der eigenen Unwuumlrdigkeit mit Vergebungsbitte (Apologien 9 Jahrhundert) dem ge-meinsamen Beten von Psalm 42 - ne-ben anderen Ak zeszlig psalmen - auf dem Weg zum Altar (910 Jahrhundert) verschiedenen Psalm-Versikeln (12 Jahrhundert) die vom Buszligakt zur Ora-tion Aufer a nobis (10 Jahrhundert) uumlberleiteten ist allmaumlhlich jener Be-

stand an Vorbereitungsgebeten zu-sammen ge wachsen der mit der An-ordnung Papst Piuslsquo V an den Stufen des Altares Psalm 42 zu beten seine endguumlltige Gestalt gefunden hatldquo36

Die Funktion des Stufengebets im Rahmen der MesseNachdem wir die - mitunter etwas ver-wirrende - geschichtliche Entstehung und Entwicklung des Stufengebets gesehen haben koumlnnen wir uns nun daran machen seine Funktion inner-halb der Vormesse zu klaumlren Diese laumlszligt sich nur aus der Geschichte her-aus richtig deuten

36 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 76

Die Liturgische Bewegung des letzten Jahrhunderts die faumllschlicherweise von der missa lecta [gelesene Messe] als Normalform der Messe ausging waumlhrend das natuumlrlich die missa can-tata [gesungene Messe] ist betrachtete das Stufengebet als einen Dialog von Priester und Volk bzw Prie ster und Mi-nistrant wobei der Ministrant als Ver-treter des Volkes angesehen wurde In der im 20 Jahrhundert erfundenen missa dialogata [dialogisierte Messe] betete folgerichtig das Volk im Wech-sel mit dem Priester das Stufengebet Das Volk war zuvor nie an diesem Dia-log beteiligt weil parallel zum Stufen-gebet der Introitus gesungen wird

Oumlffentliche Vorbereitung an den Stufen des AltaresDer historische Befund laumlszligt eine sol-che Deutung nicht zu auch wenn es im spaumlten Mittelalter vereinzelt zu einer Einbeziehung der Gemeinde gekommen ist37 was Jungmann aber richtig als Grenzfall bezeichnet Der Ursprung des Stufengebets ist wie wir sahen die stille Verneigung oder das Niederwerfen des Pontifex vor dem Altar nach dem Einzug wobei er nach dem Ordo Romanus XVII pro se vel pro peccata populi betet Das ist eindeutig ein privates Vorbereitungsgebet auf die Meszligfeier wie es auch die Apolo-gien des 9 Jahrhundert waren Von einer irgendwie gearteten Beteiligung des Volkes ist dort keine Rede

37 So beginnt im Missale von Tours von 1533 das Misereatur des Priesters mit Fratres et sorores (Marshytegravene I 4 2 4 [I 361]) und in der Konventmesse der Kartaumluser betet nach dem Caeremoniale von 1370 und ebenso noch heute die ganze Kommunitaumlt das Stufengebet der Introitus beginnt erst danach

Stufengebet in der Zisterzienserabtei Mariawald

Die Entstehung des Stufengebetsist ein anschauliches Beispielfuumlr die organische Entwicklung der Meszligliturgie

31Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Auch mit dem Aufkommen des Con fiteor als neuer Form des Suumln-denbekenntnisses ab der er sten Jahr-tausendwende aumlndert sich das nicht Eine Beteiligung des Volkes gab es nicht auszliger in den erwaumlhnten spaumlten Einzelfaumlllen Vielmehr zeigt das im An-fang haumlufige Gegenuumlber von Priester und Diakon beim Confiteor deutlich daszlig es sich hierbei um einen Dialog zwischen den Zelebranten also Prie-ster und Diakon handelt Der Brauch

von Sarum sieht den Subdiakon eben-falls als Zelebranten entsprechend der um diese Zeit aufkommenden An-sicht den Subdiakonat unter die houml-heren Weihen zu zaumlhlen der Priester steht zwischen Diakon und Subdiakon und betet abwechselnd mit ihnen das Stufengebet So ist es bis heute geblie-ben Das Stufengebet ist demnach die private Vorbereitung des Altarklerus auf die Meszligfeier38 Pierre Lebrun nann-te es Anfang des 18 Jahrhundert ganz

38 Vgl J Brinktrine a a O 50 bdquoHinzu kommt daszlig das Staffelgebet mehr die private Vorbereitung des Priesters und seiner ministri darstelltldquo

richtig die bdquoPreacuteparation publique au bas de lrsquoautelldquo39

bdquoIntroibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuventutem meamrdquoDiese Vorbereitung besteht wie schon gesagt aus zwei Teilen dem Psalm 42 zum Hinzutritt zum Altar und dem Suumlndenbekenntnis des ConfiteorDer Psalm der ur spruumlnglich auf dem Weg zum Al tar gebetet wurde und die Sehnsucht nach dem Altar zum Aus-druck bringt hat diese urspruumlngliche Funktion auch nach der Verlegung an die Altarstufen durch Pius V nicht ver-loren Nach wie vor ist der vierte Vers Introibo ad altare Dei ad Deum qui lae-tificat iuventutem meam der beste Aus-druck fuumlr das was gerade geschieht Der Psalm ist im Alten Testament das bdquoGebet eines Bedraumlngten der fern des Heiligtums sich danach sehnt wieder an den Festen des Herrn teilnehmen zu koumlnnenldquo40 bdquoDieses Hintreten vor Gott nach dem es den Saumlnger verlangt hat ist eigentlich erst im Neuen Bun-de vollends moumlglich geworden denn erst durch Christus haben wir das sbquofreie Wort und den Zutritt des Vaterslsquo (Eph 312 vgl Roumlm 52) Der Altar des Neu-en Bundes ist die Stelle an der sich die Begegnung mit Gott im Diesseits am vollsten verwirklichen darfldquo41Der Psalm ist bdquobestens geeignet zur Stim-me der Kirche zu werden die in den aumluszligeren und inneren Bedraumlngnissen der Welt danach verlangt vor Gott zu treten sich von ihm fuumlhren zu lassen und ihn im Lobpreis seiner Treue freu-

39 P Lebrun a a O 7940 M Fiedrowicz a a O 7641 J Jungmann a a O 380

Johannes Chrysostomos

Das Stufengebet

Das Stufengebet ist die private Vorbereitung des Altarklerus auf die MeszligfeierEine Beteiligung des Volkes gab es nicht

32

dig Dank zu sagenldquo42 Auf dem Weg zum Altar haumllt der Priester an den Al-tarstufen inne und bringt seine Sehn-sucht zum Altar und zu bdquoGott der mei-ne Jugend erfreutldquo zum Ausdruck

bdquoAber nicht bloszlig das Hintreten erfuumlllt sich hier auch die Situation aus der der Psalmist zu Gott verlangt waumlchst ins Typische Wenn wir zu Gott wollen stellt sich immer irgendwo der homo iniquus [der boumlse Mensch] in den Weg Und so rufen wir zu ihm der uns Staumlr-ke ist er moumlge sein Licht aufleuch-ten und seine Treue wirksam werden lassen und uns hinfuumlhren in montem sanctum zur Houmlhe auf der sich das Opfer von Golgotha erneuern sollldquo43 Die abschlieszligenden Worte der Freude und des Jubels gelten dann schon der Eucharistie

bdquoWenn ihr am Herrentag zusammenkommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquoDer zweite Teil des Stufengebets ist das Suumlndenbekenntnis mit sei ner

42 M Fiedrowicz a a O 7643 J Jungmann a a O 381

Umrahmung das nach Abschluszlig des Psalms folgt Das Be wuszligtsein der Grouml-szlige der Euchari stiefeier und das dazu erforderliche Freisein von Suumlnde geht schon aus der Forderung der Didache aus der Fruumlhzeit der Kirche hervor bdquoWenn ihr am Herrentag zusammen-kommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquo Hier war aber wohl an ein auszligerlitur-gisches Bekenntnis der Teilnehmer gedacht In besonderer Weise gilt die Forderung nach Suumlndenfreiheit natuumlr-lich vom zelebrierenden Priester

So verlangt die Goumlttliche Liturgie des hl Johannes Chrysostomos bdquoBevor der Priester das goumlttliche Mysterium feiert soll er zunaumlchst mit allen ver-soumlhnt sein und gegen niemand etwas haben Er soll sein Herz vor boumlsen Ge-danken bewahrenldquo44 Im Westen legt er im Rahmen seines privaten Vorbe-reitungsgebetes der Messe ein allge-meines Suumlndenbekenntnis mit seinen ministri sacri bzw den diese vertreten-den Ministranten ab

44 S Heitz Mysterium der Anbetung Goumlttliche Liturgie und Stundengebet der Orthodoxen Kirche Koumlln 1986 315

Der dialogische Aufbau des Bekennt-nisses entspricht der Forderung des Apostels Jakobus bdquoBekennt also einan-der eure Suumlnden und betet fuumlreinander damit ihr geheilt werdetldquo (Jak 5 16) Im Gegenuumlber von Zelebrant und ministri wird die Forderung des Apostels be-wuszligt vollzogen Es kommt darin auch die soziale und ekklesiale Dimension von Suumlnde und Vergebung zum Aus-druck

Im getrennten Sprechen des Schuld-bekenntnisses wird auch die beson-dere Stellung des Prie sters sichtbar Er ist ebenso wie seine ministri und das glaumlubige Volk der Schwaumlche und Schuld unterworfen und auf Gottes Barm her zig keit angewiesen aber kraft seiner Weihe ist er doch von ihnen un-terschieden Daszlig der Priester das Con-fiteor allein betet ist bdquodemuumltiger Aus-druck dafuumlr daszlig der Priester der erste ist der sich fuumlr seine Suumlnden anzukla-gen hat um wuumlrdig die heiligen My-sterien feiern zu koumlnnenldquo45 Waumlhrend sich alle genseitig der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen ist der Priester der einzige der kraft seiner Weihe das ehemals sakramental verstandene In-dulgentiam sprechen kann

Die abschlieszligenden Versikel erbit-ten die Zuwendung Gottes (Deus tu conversus) und seine Barmherzigkeit (Ostende nobis) Das letzte ist die Bitte um das gnadenhafte Kommen Chri-sti in der Eucharistie46 Im Aufer a no-bis erbittet der Priester sodann beim

45 M Fiedrowicz a O 7946 Vgl K Gamber Zeige uns o Herr deine Barshymherzigkeit Vom byzantinischen ProthesisshyBild zum spaumltmittelalterlichen ErbaumlrmdeshyChristus Reshygensburg 1986 12

Stufengebet in Mariawald

33Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Aufstieg zum Altar mit reiner Seele zum Altar hinzutreten zu duumlrfen Die-ses Gebet faszligt eigentlich das ganze Stufengebet noch einmal zusammen Am Altar angelangt legt er die Haumlnde an den Altar und ruft die Fuumlrbitte der Heiligen an (Oramus te Domine) Der Altarkuszlig ehrt diesen als Symbol Christi und stellt den Priester in die Gemein-schaft der Heiligen besonders derer deren Reliquien sich im Altar befinden (quorum reliquiae hic sunt)

bdquoIndem der Zutritt zum Altar im Stufen-gebet gleichsam schrittweise erbetet wird und von fortwaumlhrenden Entsuumln-digungsbitten begleitet ist zeigt der Ri-tus eindringlich wie mit der je groumlszligeren Naumlhe zu Gott das immer staumlrkere Verlan-gen einhergehen muszlig sei ner Heiligkeit zu entsprechenldquo47

Zusammenfassung und SchluszligfolgerungAus dem urchristlichen Bewuszligtsein um Heiligkeit und Groumlszlige der Euchari-stie und der damit verbundenen For-derung nach Buszlige bdquodamit euer Opfer rein seildquo entstanden in den verschie-denen Riten diverse rituelle Formen eines Suumlndenbekenntnisses zu Beginn der Messe Im Westen steht am Anfang der Entwicklung das stille Verbeugen oder Niederwerfen des Papstes vor dem Altar beim roumlmischen Stations-gottesdienst bei dem er frei pro se vel pro peccata populi betet Spaumlter ver-langten die liturgischen Stilgesetze im Frankenreich diese Stille foumlrmlich aus-zufuumlllen Zahlreiche Apologien entste-hen bis im 9 Jahrhundert eine Ord-nung aufkommt die vorherrschend

47 M Fiedrowicz a a O 80

werden sollte und bis heute fortbe-steht Es entstehen die ersten Ansaumltze des spaumlteren Stufengebets die zwar alle diesel be Struktur aber keines-wegs denselben Wortlaut haben Wir haben gesehen wie in tastenden Ver-suchen eine fast verwirrende Vielzahl von Stufengebeten entstehen bis die Entwicklung endguumlltig durch die Li-turgiereform Piuslsquo V ihren Abschluszlig findet

Aus dem historischen Uumlberblick konn-ten wir die eigentliche Funktion des Stufengebets in der Vor messe erken-nen Von seinem ge schichtlichen Ur-sprung her ist es ein privates Gebet des Priesters mit seinem assistieren-den Klerus Am Anfang stand ein re-gelrechtes Gegenuumlber von Priester und Diakon Es ist wie J Brinktrine sagte bdquoprivate Vorbereitung des Prie-sters und seiner ministrildquo48

Daraus ergeben sich vor allem zwei Folgerungen Es muszlig sichtbar blei-ben daszlig hier der Priester und seine Assistenz (Diakon und Subdiakon bzw Ministranten die die ministri sacri ver-

48 S Anm 34

treten) sich privat auf die Feier der hei-ligen Messe betend vorbereiten Ge-maumlszlig der Maszliggabe von Sacro sanctum Concilium daszlig jeder Teilnehmer an der Liturgie bdquonur das und all das tun (soll) was ihm aus der Natur der Sa-che und nach den liturgischen Regeln zukommtldquo49 ist dementsprechend der Brauch zu vermeiden in der missa dialogata die Glaumlubigen das Stufen-gebet laut mitbeten zu lassen Das ist eindeutig eine sbquoRollenvermischunglsquo die erst mit der Liturgischen Bewe-gung aufkam und auf einem falschen Verstaumlndnis der eigentlichen Funktion des Stufengebets beruht

Die zweite Folgerung hat mit der ars celebrandi zu tun Um die Messe wuumlr-dig und gut zu feiern ist es wichtig die Funktion und Bedeutung der einzel-nen Teile gut zu kennen und dement-sprechend zu vollziehen Damit das Stufengebet nicht zum leeren Geplap-per wird gilt es sich in die Bedeutung seiner beider Teile zu vertiefen und wirklich die Sehnsucht zu Gott und seinem Altar und die Reue uumlber die ei-genen Suumlnden zu erwecken

49 SC n 28

Das Stufengebet

Page 2: Das Stufengebet - Pro Missa Tridentina€¦ · Von Lic. theol. Martin Reinecke Der folgende Text ist der Abdruck eines Vortrags auf der liturgischen Schulung in Heiloo (NL) vom 30.6

21Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

GeschichteWir werfen zunaumlchst einen Blick in die Geschichte der Liturgie und fragen nach den Urspruumlngen des Stufenge-bets und seiner reich verzweigten Entwicklungsgeschichte Anhand des geschichtlichen Befundes koumlnnen wir dann die Frage nach seiner Bedeutung und Funktion im Rahmen der Vormes-se beantworten

Fruumlhe roumlmische LiturgiebdquoDie fruumlhe Liturgie der Stadt Rom liegt im Dunkelldquo2 Das aumllteste liturgische Dokument ist ein griechisches Gebet am Ende des 1 Clemens-Briefes an die Gemeinde in Korinth worin ein Dankgebet fuumlr die Erloumlsung mit einem Bittgebet fuumlr die Anliegen der Kirche verbunden ist Es duumlrfte sich deshalb um Anklaumlnge an ein Eucharistiegebet handeln Ansonsten haben wir fuumlr die ersten Jahrhunderte lediglich Zitate liturgischer Texte bei einigen roumlmi-schen Schriftstellern Fuumlr diese fruumlhe Zeit finden wir also kein Zeugnis das uns Auskunft uumlber einen Buszligakt der Gemeinde oder eine private Vorbe-reitung des Priesters auf die Meszligfeier geben koumlnnte

Die fruumlhe roumlmische Liturgie nach den irischen Meszlig-LibelliAuch fuumlr die Zeit der Spaumltantike und das fruumlhe Mittelalter ist die Quellen-lage aumluszligerst duumlrftig Daran Schuld sind mehrere Braumlnde und die blinde Zerstoumlrungswut in den Unruhen der Voumllkerwanderung und vor allem im saeculum obscurum im dunklen 10

2 K Gamber Missa Romensis Regensburg 197011

Jahrhundert Dabei ist das Archiv der roumlmischen Kirche beim Lateran das chartarium romanae ecclesiae in dem die paumlpstlichen Urkunden und wei-tere wichtige Dokumente verwahrt wurden sowie die bibliotheca cubiculi in der die liturgischen Buumlcher aufbe-wahrt wurden3 fast voumlllig vernichtet

3 So sandte Papst Hadrian gegen Ende des 8 Jahrshyhundert ein paumlpstliches Sakramentar an den fraumlnkishyschen Koumlnigshof das nach dem in der bdquobibliotheca cubi cu lildquo hinterlegten Exemplar angefertigt war Das geht aus einem Vermerk im Titel des Codex hervor

worden Roumlmisches Liturgiegut fuumlr diese Zeit finden wir deshalb vor allem in auszligerroumlmischen Quellen so im so-genannten Leonianum (CLLA Nr 601) das wohl am Anfang des 7 Jahrhun-derts in Verona entstand und eine (pri-vate) Sammlung von Meszligformularen (libelli missae) darstellt die kaum fuumlr

bdquo ex authentico libro bibliothecae cubiculi scripshytumldquo (cgl CLLA Nr 720) Einen aumlhnlichen Vermerk tragen die im Rom des 8 Jahrhundert gebrauchten Gregoriana mixta bdquo ex authen tico bibliothecae cushybiculi scriptusldquo (vgl CLLA Nr 901)

erste Seite des Stowe-Missal

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den liturgischen Gebrauch bestimmt war4 und vor allem in Zeugnissen aus IrlandIrland das nie roumlmische Provinz war blieb von den Wogen der Voumllkerwan-derung verschont und war darum auch weniger spaumlteren Einfluumlssen un-terworfen Es konnten sich deshalb dort verschiedene fruumlhchristliche Ge-wohnheiten fruumlhe bestimmte Fassun-gen des biblischen Textes und vor al-lem ein altertuumlmlicher Meszligbuchtypus lange Zeit rein erhaltenDer Roumlmer Palladius war 431 von Papst Coelestinus (422-432) zum Bi-schof geweiht und mit vier Priestern nach Irland gesandt worden um die dort bereits zahlreich lebenden Chri-sten zu betreuen5 Palladius hat nun wie es uumlblich war liturgische Buumlcher mit in sein Missionsgebiet gebracht wie sie zu seiner Zeit in seiner Heimat Rom gebraumluchlich waren Auf dieses Exemplar gehen die spaumlteren irischen Meszliglibelli zuruumlck Sie stellen deshalb

4 Vgl CLLA S 2595 Eine Notiz des Prosper von Aquitanien zum Jahr 431 bezeugt das bdquoAd Scotos in Christum credentes ordinatus a papa Coelestinus Palladius primus episcopus mittitur (Zu den an Christus glaubenden Scoten wurde Palladius der von Caelestin geweiht worden war als erster Bischof gesandt)ldquo Opera I 401 ed Bassani

Zeugnisse fuumlr die stadtroumlmische Litur-gie des 5 Jahrhundert dar Sie haben jeweils nur wenige Meszligformulare die keinen Bezug zum Kirchenjahr haben Daraus schlieszligen wir daszlig es in Rom allem Anschein nach noch bis ins 6 Jahrhundert vielleicht sogar bis zu Gregor dem Groszligen kein offizielles Jahres-Sakramentar gab sondern aumlhnlich wie noch heute in den orien-talischen Riten das ganze Jahr uumlber eine missa communis in Uumlbung war die eben Palladius nach Irland mitge-bracht hat und die sich in einigen spauml-teren Abschriften erhalten hatDie bekannteste davon ist das soge-nannte Stowe-Missal aus dem 89 Jahrhundert geschrieben in Tallaght und vollstaumlndig erhalten Am Anfang dieses Missales steht eine missa canoni-ca in der wir nun erstmals eine Art Buszlig-ritus zu Beginn der Meszligfeier findenZu Beginn der missa cononica des Sto-we-Missal steht eine altertuumlmliche le-tania eine Allerheiligenlitanei mit der vorausgehenden Antiphon Wir haben gesuumlndigt o Herr wir haben gesuumlndigt Erbarme dich uumlber unsere Suumlnden und rette uns Der du den Noe uumlber die Wogen der Sintflut geleitet hast erhoumlre uns Und Ionas aus dem Abgrund durch (dein) Wort zuruumlckgerufen hast befreie uns Der du dem sinkenden Pe-

trus die Hand ausgestreckt hast hilf uns Christus Sohn Gottes

Du hast Wunder getan o Herr mit unse-ren Vaumltern erbarme dich auch unserer Zeiten Sende aus deinen Arm aus der Houmlhe befreie uns 6

Dieselbe Antiphon kennt das roumlmische Antiphonar fuumlr die Bittprozession am 25 April Daraus kann man schlieszligen daszlig sich in den irischen Meszlig-Libelli stadtroumlmisches Liturgiegut erhalten hat Bei dieser Antiphon handelt es sich um den Eroumlffnungsgesang in der Collecta-Kirche bevor sich die Prozes-sion zur Stationskirche in Bewegung setzte Bei dieser Prozession durch die Straszligen Roms wurde die letania gesungen wobei die einzelnen Bitten bis zu siebenmal wiederholt wurden Der Text im Stowe-Missal zeigt daszlig die Litanei urspruumlnglich relativ kurz gewe-sen ist

6 Peccauimus domine peccauimus Parce peccatis nostris et salua nos Qui gubernasti Noe super undas diluiuii exaudi nos Et Ionam de abysso verbo reuoshycasti libera nos Qui Petro mergenti manum porrexshyisti auxiliare nobis Christe fili deiFecisti mirabilia domine cum patribus nostris et nostris propitiare temporibus Emitte manum tuam de alto libera nos

Schutzhuumllle des Stowe-Missal

23Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Die Litanei mit ihren Anrufungen der einzelnen Heiligen ist etwas typisch Roumlmisches wie es sich in der Fruumlhzeit sonst nirgendwo findet Sie entspricht in etwa den Ektenien im byzantini-schen und gallikanischen Ritus die ebenfalls Fuumlrbitten und das Kyrie elei-son kennenLetzteres ist in den Ektenien die Ant-wort des Volkes auf die einzelnen Bit-ten des Diakons In der roumlmischen leta-nia steht es dagegen als selbstaumlndiger Ruf jeweils am Anfang und am Ende Dem Kyrie eleison voraus geht ein drei-maliges Christe audi nos das eine freie Uumlbersetzung des griechischen Rufes darstelltDas spaumltere Kyrie zu Beginn der rouml-mischen Messe wie wir es noch heu-te kennen ist nichts anderes als der Schluszlig der alten letania wie sie auf dem Weg zur Stationskirche gesungen wurde In spaumlteren Liturgiebuumlchern heiszligt es deshalb das Kyrie der Messe falle aus wenn eine solche Prozession

mit der Allerheiligenlitanei voraus-geht7

Da die irischen Meszlig-Libelli offensicht-lich stadtroumlmisches Li tur gie gut wie-dergeben ist davon auszugehen daszlig man in Rom urspruumlnglich eine Prozes-sion mit Allerheiligenlitanei zur Kir-che kannte wo dann die stets gleiche missa canonica gefeiert wurde Dieser Auftakt zur Messe hatte Buszligcharak-ter Der Ritus konnte sich aber fuumlr die normale Messe nicht erhalten auszliger wie gesagt im fruumlhen Irland Wann er in Rom auszliger Gebrauch gekommen ist wissen wir nicht Lediglich an be-stimmten Tagen kennt die spaumltere rouml-mische Liturgie eine solche Prozession noch bei der StationsliturgieHier haben wir also ein sehr fruumlhes Zeugnis eines allgemeinen Buszlig ritus zu Beginn der Messe der aber mit dem Buszligakt der neuen Messe nichts gemein hat und auch nicht als Vorbild gegolten hat Auch hat das spaumltere Stufengebet der alten Messe keinen Bezug zu dieser urspruumlnglichen Eroumlff-nung der stadtroumlmischen Liturgie

Die Papstmesse nach dem Ordo Romanus IAuf unserer Suche nach den Urspruumln-gen des Stufengebets muumlssen wir also

7 So im stadtroumlmischen Ordo der Quadragesima (Vgl M Andrieu Ordines Romani III 261 ldquoNam quando letania nec Gloria in excelsis nec Cyrieleishyson post introitum nec Alleluia cantatur (Denn wenn letania ist wird weder Gloria in excelsis noch Cyireleison nach dem Introitus noch Alleluja gesunshygenhellip)ldquo PL 78 1039 Quando efficitur Collecta ad missam non cantatur Kyrie quia regionarius dixit in litania (Wenn die Collecta gehalten worden ist wird zur Messe kein Kyrie gesungen weil der regionarius es in der Litanei gesprochen hat)

in anderen Quellen suchen Aufgrund der fehlenden Quellenlage uumlber die

Liturgie der roumlmischen Stadtkirchen muumlssen wir in der paumlpstlichen Liturgie su chen zumal ja unsere Messe in der Tradition der paumlpstlichen Messe seit Gregor dem Groszligen steht

Den rituellen Verlauf des paumlpstlichen Stationsgottesdienstes kennen wir aus den Ordines Romani die Michel Andrieu im vorigen Jahrhundert unter Heranziehung der gesamten auf uns gekommenen Manuskripte kritisch ORDO ROMANE EC[C]L[ESI]E

DENVNTIATIONE STATVTIS DIEB[VS] FES[TIVIS](Seite aus dem Ordo Romanus I)

Papst Benedikt XVI am Karfreitag

Meszligbuch aus dem 12 Jahrhundert

Das Stufengebet

Das spaumltere Kyrie zu Beginn der roumlmischen Messe ist nichts anderes als der Schluszlig der alten letaniawie sie auf dem Weg zur Stationskirche gesungen wurde

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herausgegeben hat Trotz des Namens stammen laumlngst nicht alle dieser Ordi-nes aus Rom selber sondern sind oft an anderen Orten erstellte Bearbei-tungen stadtroumlmischer Buumlcher und BraumlucheFuumlr unsere Frage kommt der Ordo ro-manus I aus dem Ende des 7 Jahrhun-derts in Betracht der eine rein stadtrouml-mische Quelle darstellt Er beschreibt den groszligen roumlmischen Stationsgottes-dienst wie er sich bis zum 8 Jahrhun-dert entwickelt hat Er ist zum Vorbild und Muster fuumlr die weitere Gestaltung der Messe uumlberhaupt geworden und hat Auswirkungen bis in die letzte Dorfpfarrei und sogar bis in die soge-nannte stille Messe gehabt8

Er beschreibt den Anfang der Stati-onsmesse wie der Papst unter dem Gesang des Introitus in die Kirche ein-zieht Am Altar angekommen laumlszligt er sich auf einem zu diesem Zweck aus-gebreiteten Teppich zu stillem Gebet nieder9 wie es heute noch der Priester zu Beginn der Karfreitagsliturgie tut Danach erhebt er sich und gruumlszligt das Evangeliar und den Altar mit einem Kuszlig In dieser schweigenden Anbe-tung des Papstes vor dem Altar liegen offensichtlich die Anfaumlnge des heuti-gen Confiteor mit seiner Umrahmung das den zweiten Teil des Stufengebets bildetDer Ordo fuumlhrt nicht weiter aus was die Funktion dieses stillen Gebetes

8 Vgl J A Jungmann Missarum Sollemnia Bd 1 41958 889 Ordo romano I n 8 bdquout ponat oratorium (darunter muszlig ein Teppich verstanden werden) ante altare Et accedens pontifex orat super ipsumldquo (hellipdaszlig er ein oratorium vor den Altar plaziert Und der Pontifex tritt hinzu und betet auf diesem)

war oder was der Papst dabei betete Der Wortlaut war wohl noch ihm uumlber-lassen ein fixiertes Gebet ist zu dieser Zeit nicht zu erwartenWie bereits erwaumlhnt wurde der Ordo romanus I immer wieder uumlberarbeitet um die Anweisungen fuumlr die paumlpstli-che Liturgie in Rom an die Verhaumlltnisse in anderen Kirchen anzupassen Eine solche Bearbeitung des Ordo aus dem Frankenreich stellt der Ordo romanus XV das Capitulare ecclesiastici ordinis aus der 2 Haumllfte des 8 Jahrhunderts dar Hier wird in der Beschreibung der Stationsmesse das stille Gebet des Papstes zu Beginn wie folgt be-schrieben bdquoInde praecedit ab altare et prostrato omni corpore in terram facit orationemldquo [Darauf geht er zum Altar wirft sich mit dem gesamten Koumlrper nie-der und betet] Damit wird die Rubrik des Ordo I naumlher bestimmt und kon-kretisiert entgegen der spaumlteren fraumln-kischen Uumlberlieferung die an dieser

Stelle fast nur das verbeugte Stehen an dieser Stelle kennt wie noch heute beim ConfiteorEine Erweiterung dieser Rubrik des Capitulare im Breviarium ecclesiastici ordinis dem Ordo Romanus XVII aus dem Ende des 8 Jahrhundert deutet nach Jungmann schon bdquodie Richtung auf das Buszliggebetldquo10 an Hier wird prauml-zisiert fundens orationem pro se vel pro peccata populi [er sagt ein Gebet fuumlr sich beziehungsweise fuumlr die Suumlnden des Volkes]11 Hier haben wir den ersten direkten Hinweis in einem liturgischen Buch darauf daszlig am Beginn der Mes-se ein Gebet fuumlr die eigenen und die Suumlnden des Volkes steht Jungmann wertet das als einen Hinweis auf die spaumlteren Apologien an dieser Stelle12

10 J A Jungmann 38611 Andrieu III 17912 J A Jungmann 387

Hochamt beim Katholikentag in Mannheim (2012)

25Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Erste Formen eines Schuldbekenntnisses ApologienMit dem Beduumlrfnis das Gebet pro se vel pro peccata populi naumlher zu bestim-men kommen im fraumlnkischen Bereich im 9 bis 11 Jahrhundert an dieser Stelle zahlreiche Apologien auf bdquoper-soumlnliche Schuld- und Unwuumlrdigkeits-bekenntnisse des Zelebranten von meist betraumlchtlichem Umfang die sich mit der Bitte um Gottes erbarmende Gnade verbindenldquo13

Apologien sind eine typisch fraumlnkische Erscheinung und waren dem roumlmi-schen Geist eher fremd Diese Entwick-lung des stillen Gebets pro se vel pro peccata populi zu Beginn der Meszligfei-er konnte deshalb keine Zukunft ha-ben Spaumltestens bei der Ruumlckkehr der nunmehr roumlmischfraumlnkischen Liturgie nach Rom ab dem 11 Jahrhundert wauml-ren diese Apologien ebenso entfernt worden wie die meisten anderen Apo-logien auch und durch andere ersetzt die der roumlmischen Mentalitaumlt mehr entsprachen

Entwicklung des Stufengebets ab dem 10 JahrhundertDoch so weit solle es nicht kommen denn noch vor dem Ende des 10 Jahr-hunderts tritt eine neue Ordnung auf die im rheinischen Meszligordo enthalten ist Ihr sollte die Zukunft gehoumlren zu-mal sie auch bedeutend mehr roumlmi-schem Geist entsprichtSo lautet die entsprechende Rubrik im Pontifikale des Halinardus bdquoDanach tritt der Bischof in die Kirche ein (hellip) kuumlszligt die Diakone und zwei Priester

13 Ebd 103shy104

Und er beginnt von sich sbquoIntroibo ad altare Deilsquo mit dem Psalm sbquoIudica me Deuslsquo Wenn er zum Altar kommt sagt er diese Orationen sbquoAufer a nobishelliplsquo sbquoOmnipotens sempiterne Deus qui me peccatoremhelliplsquoldquo14

Der Psalm bdquoIudica meldquoHier wird also erstmals auf dem Weg zum Altar Psalm 42 gesprochen dem bei der Ankunft am Altar zwei Oratio-nen folgen darunter unser Aufer a no-bis Auszligerdem gibt es Apologien die Vorlaumlufer unseres Confiteor darstellen

14 Postquam in ecclesiam intrat episcopus () osculetur diaconos et presbytero duos Et incipiat per se rsquoIntroibo ad altare Deilsquo cum psalmo lsquoIudica me Deusrsquo Cum venerit ad altare dicat has orationes lsquoAufer a nobis rsquo lsquoOmnipotens sempiterne Deus qui me peccatorem rsquo

und auf verschiedene Weise einbezo-gen sind Wir haben hier zum ersten Mal die Struktur des spaumlteren Stufen-gebets wobei die Stelle des Confiteor noch von Apologien vertreten ist Ein foumlrmliches Confiteor mit Vergebungs-bitte erscheint dann um die Mitte des 11 Jahrhundert in der Normandie15 und auf italischem Boden16Diese neue Ordnung der Eroumlffnung der Messe hat sich auf den Wegen der cluniazensischen Reform bald in Italien und Deutschland ausgebreitet ohne schon eine einheitliche Fassung zu haben Es wurde fast uumlberall an den Stufen des Altares ein foumlrmliches Confiteor in irgendeiner Fassung mit der entsprechenden Antwort und die nachfolgende Oration Aufer a nobis

15 Bei Johannes von Avranche16 Vgl Codex Chigi ed Martegravene 1 4 XII (I 569)

Levitiertes Hochamt beim Katholikentag in Mannheim

Das Stufengebet

Im 8 Jahrhundert warf sich der Papst zu Beginn der Messevor dem Altar auf den Boden hin undbetete fuumlr sich und fuumlr die Suumlnden des Volkes

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gesprochen Das gehoumlrte seit dem 12 Jahrhundert zur festen Ordnung eines jeden Meszligordo17 Der Psalm Iudica me war noch nicht so verbrei-tet Er gehoumlrt im spaumlteren Mittelalter zahlreichen Meszligordnungen noch nicht an Deshalb fehlt der Psalm noch heute in den Liturgien der Kar-taumluser der beschuhten Karmeliten und der Dominikaner die ihre Ord-nungen im 13 Jahrhundert festge-legt haben und ihn den damaligen Schwankungen entsprechend nicht aufgenommen haben Jungmann berichtet daszlig sogar noch auf der ersten Generalkongregation der Je-suiten 1558 beschlossen wurde auf den Psalm zu verzichten18 Erst das Missale Piuslsquo V machte den Psalm zur allgemeinen Vorschrift da es sich auf das Missale Curiae stuumltzte das den Psalm kannte ebenso wie die meisten italischen MeszligbuumlcherWaumlhrend des ganzen Mittelalters blieb es vorherrschende Regel den Psalm Iudica me auf dem Weg zum Altar zu beten wie es schon die oben ange-fuumlhrte Rubrik des 10 Jahrhunderts festgesetzt hatte bdquoNoch nach dem Missale Pauls III konnte der Zelebrans ihn laut oder still auf dem Wege zum Altar betenldquo19 Nur seltene Ausnahmen verlegen ihn bereits eindeutig an die Stufen des Altares meist dort wo das Ankleiden oder das Anlegen der Kasel am Altar geschieht Daszlig das Missale Piuslsquo V ihn entgegen der weit verbrei-

17 Mit Ausnahme eines Missale von Toul um 1400 das vor dem Aufer a nobis nur die Apologie Ante conshyspectum hat18 J A Jungmann 38019 J Brinktrine Die heilige Messe in ihrem Werden und Wesen Paderborn 1931 51

teten Gewohnheit an die Altarstufen verlegt hat wohl seinen Grund in der Tatsache daszlig man dem Psalm ein sorgfaumlltiges Sprechen sichern und ihm mehr Gewicht geben wollteDoch auch nach der Kodifizierung durch Pius V war der Ort des Stufen-gebets - und damit auch des Psalms 42 - noch nicht uumlberall an den Stufen des Altares So berichtet Pierre Lebrun noch 1716 uumlber Sonderbraumluche im Frankreich seiner Zeit bdquodie einen ma-chen sie in einer eigenen Kapelle wie man sie noch in Tours am Grab des heiligen Martin macht die anderen im Chor wie in Laon und Chartres oder am Eingang des Chorraums weit vom Altar wie in Soissons und Chacirclons-sur-Marne andere an der linken Seite des Altars beim Eingang das heiszligt auf der Evangelienseite wie in Vienne und bei den Kartaumlusern die den Brauch aus dieser Metropole uumlbernommen ha-

ben andere schlieszliglich in der Sakristei wie in Reimsldquo20

Seit dem 11 Jahrhundert wird dem Psalm die Antiphon Introibo voran-gestellt die spaumlter und bis heute als Versikel behandelt wird Die Versikel Adiutorium nostrum erscheint bereits im Meszlig ordo der paumlpstlichen Kapelle um 129021 Das dem Taufbefehl Jesu entnommene Kreuzzeichen vor dem Psalm ist erst seit dem 14 Jahrhundert vereinzelt nachweisbar

Das bdquoConfiteorldquoWie der Psalm Iudica lange Zeit keine einheitliche Ordnung kannte so ging

20 P Lebrun Explication litteacuterale historique et dogamtique des priegraveres et des ceacutereacutemonies de la messe suivant les anciens auteurs et les monument de la plupart des eacuteglises avec des dissertations et des notes sur les endroit difficiles et sur lrsquoorigine des rites Paris 1716 Nachdruck Tours 1976 8021 Ebd 383

Stufengebet bei einer stillen heiligen Messe

27Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

es auch dem Confiteor Ein einheitli-ches Formular gab es lange Zeit nicht dafuumlr Ein Vorlaumlufer der spaumlteren Confiteor-Formeln war die verbreitete Apologie ldquoVor dem Angesicht deiner goumlttlichen Majestaumlt o Herr und dieser deiner Hei-ligen bekenne ich dir meinem Gott und meinem Schoumlpfer durch meine Schuld denn ich habe gesuumlndigt in Stolz in Haszlig und Neid in Begierde und Geiz in Un-zucht und Unreinheit in Rausch und Trunkenheit in Luumlge und Meineid und in allen Lastern die aus diesen hervor-gehen Was noch Durch Sehen Houmlren Geruch Geschmack und Tasten und durchaus in Gedanken Worten und Ta-ten bin ich verdorben deshalb der du den Suumlnder ge recht fer tigst rechtfertige auch mich und laszlig mich auferstehen vom Tod zum Leben Herr mein Gottldquo22

In dieser Apologie spricht der Zele-brant ein ausfuumlhrliches Bekenntnis seiner Suumlnden und Fehler vor seinem bdquoGott und Schoumlpferldquo in dem auch be-reits das spaumltere mea culpa vorkommt wobei ein ausfuumlhrlicher Suumlndenka-talog erwaumlhnt wird In den spaumlteren Confiteor-Formeln geht man von die-sen Suumlndenkatalogen weg zu einem allgemeinen Bekenntnis peccavi nimis cogitatione verbo et opere [daszlig ich viel

22 Ante conspectum divinae maiestatis tuae Domine his sanctis tuis confiteor tibi Deo meo et creatori meo mea culpa quia peccavi in superbia in odio et invidia in cupiditate et avaritia in forshynicatione et inmunditia in ebrie tate et crapula in mendacio et periurio et in omnibus vitiis quae ex his prodeunt Quid plura Visu auditu olfactu gustu et tactu et omnino in cogitatione et locutione et actione perditus sum quapropter qui iustificas imshypio iustifica me et resuscita me de morte ad vitam Domine Deus meus

gesuumlndigt habe in Gedanken Worten und Werken] Der bedeutendste Un-terschied liegt aber darin daszlig das Be-kenntnis nur vor Gott erfolgt waumlhrend in den Confiteor-Formeln die soziale Dimension von Suumlnde aufscheint Das Bekenntnis wird vor vobis fratres und den Heiligen abgelegt die auch um Fuumlrbitte vor Gott gebeten werdenDiese urspruumlngliche und weitver-breitete Apologie fuumlhrte dann ab der Jahrtausendwende zu den er sten foumlrmlichen Confiteor-For meln Eine sehr kurze fruumlhe For mel war in Clu-ny um 1080 in Gebrauch bdquoIch beken-ne Gott und allen seinen Heiligen und euch Vater daszlig ich gesuumlndigt habe in Gedanken Worten und Werken durch meine Schuld Ich bitte euch betet fuumlr

michldquo23 Diese neue Form des Suumlnden-bekenntnisses bringt bereits gut zum Ausdruck was fuumlr alle spaumlteren Confi-teor-Formeln auch gilt das Bekenntnis des ersten Teils geschieht vor Gott und der himmlischen Kirche die Fuumlrbitte im zweiten Teil richtet sich zuerst an die irdische Kirche und im Bewuszligt-sein der communio sanc to rum an die himmlischeSchon bald auch schon im 11 Jahr-hundert waren auch laumlngere Formeln uumlblich Sie wurden immer ausgedehn-ter so daszlig das Generalkapitel der Zi-sterzienser im Jahr 1184 bestimmen

23 Udalrici Consuet Clun II 30 (PL 149 716) ldquoConfiteor Deo et omnibus sanctis eius et vobis pashyter quia peccavi in cogitatione locutione et opere mea culpa Precor vos orate pro merdquo

Stufengebet im Meszligbuch

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muszligte daszlig vor allen Heiligen die Got-tesmutter zu nennen sei Confiteor Deo et beatae Mariae et omnibus Sanctis24 Im Verlauf des Mittelalters wuchs die Zahl der Heiligen vor allem im zwei-ten Teil immer weiter an Das Konzil zu Ravenna bestimmte deshalb 1314 au-szliger Maria nur noch Michael Johannes den Taumlufer und die Apostel Petrus und Paulus zu nennen25 wie wir es noch heute tunAuch die Umschreibung und Aufzaumlh-lung der Suumlnden wurde immer kon-kreter Das Bekenntnis wurde nahezu zu einem Suumlndenbekennt nis in specie wie man es mancherorts vom Chor-gebet kannte Dabei wirkten wohl Confiteor-Formeln ein die fuumlr die sa-kramentale Beichte dienten Die mit-telalterlichen Liturgieerklaumlrer miszligbilli-gen diese Entwicklung da es sich hier nicht um ein geheimes sondern ein oumlffentliches Bekenntnis handle26

24 Schneider CistshyChr 1926 25525 Mansi XXV 54726 Vgl Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217

Von Anfang an wurde das Confiteor tief verbeugt gesprochen wie diverse Meszligordines erwaumlhnen wenngleich auch das Knien verbreitet gewesen sein muszlig Auch das Schlagen an die Brust beim mea culpa wird schon fruumlh erwaumlhnt27

Die Urspruumlnge des Confiteor liegen jedoch nicht in der Messe Ab dem 9 Jahrhundert sind uns Fassungen uumlberliefert die bei der sakramentalen Beichte gebraucht wurden Oft ent-hielten sie einen langen Suumlndenka-talog aumlhnlich wie in einigen Laumlndern noch heute traditionellerweise das persoumlnliche Suumlndenbekenntnis in das Confiteor nach dem mea maxima culpa eingefuumlgt wird In dieser fruumlhen Zeit stand der standardmaumlszligige Suumlndenka-

806) Sicard von Cremona Mitrale III 2 (PL213 96 A) Durandus IV 7 2 Joh Beleth Explicatio c33 (PL 202 43) die Suumlnden duumlrfen hier nur generaliter beshykannt werden nec mensuram accedere27 Stephan von Baugeacute De sacr altaris c 12 (PL172 1283 B) Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217 806) Durandus IV 7 3

talog allerdings noch an Stelle eines detaillierten persoumlnlichen Bekenntnis-ses28 Bald auch schon im 9 Jahr hun-dert kommt ein solches Suumlndenbe-kenntnis taumlglich in Prim und Komplet vorVon daher wird nun auch ein Confi-teor in die Messe uumlbernommen Bis zur Mitte des 11 Jahrhunderts ist der entscheidende Uumlbergang abgeschlos-sen29 In der ersten Zeit gab es dabei vielfach ein Gegenuumlber von Priester und Diakon das an das kloumlsterliche gegenseitige Bekennen erinnert So sprach in Cluny der Priester das Confi-teor vor dem Altar an der Evangelien-seite inclinis contra diaconum similiter inclinem [verbeugt zum Diakon der ebenfalls verbeugt ist]30 Aumlhnlich war es

28 Auch in der Orthodoxie kennt man neben dem individuellen Suumlndenbekenntnis beim geistlichen Vater ein solches standardmaumlszligiges Bekenntnis mit einem langen Suumlndenkatalog vor dem Empfang der Kommunion29 Vgl J A Jungmann 38930 Udalrici Consuet Clun II 30 (PL 149 716A)

Confiteor beim Levitierten Hochamt (Mannheim 2012)

29Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

an vielen Orten so bei den Kartaumlusern und im Missale von Westminster waumlh-rend in Sarum Diakon und Subdiakon rechts und links vom Priester stehen und beide antworten Letztere Form hat sich schlieszliglich durchgesetzt und wurde von Pius V endguumlltig bestaumltigt und festgelegtSofort ist das Confiteor in der Messe mit dem Misereatur verbunden das auch Nichtgeweihte als fuumlrbittende Antwort sprechen durften31 Auch das Indulgentiam bzw oft mit dem zwei-ten Wort Absolutionem beginnend wurde von Anfang an in die Messe aufgenommen das in dieser Zeit und noch mehrere Jahrhunderte lang Aus-druck der priesterlich-sakramentalen Lossprechung ist Seit kurz vorher die Gewohnheit aufgekommen war Be-kenntnis und Lossprechung bei der Beichte in ein und derselben Feier abzuhalten hatte man auch fuumlr das in den Kloumlstern uumlbliche woumlchentliche Suumlndenbekenntnis vor dem geist-lichen Vater dem Misereatur die sa-kramentale Lossprechung Indulgen-tiam hinzugefuumlgt32 Von daher kam es nun auch in die Meszligliturgie Da es sakramentalen Charakter hatte kam es zunaumlchst nur dem Priester zu der Diakon und eventuell der Subdiakon antwortet nur mit Misereatur Eine fruuml-he Form des Misereatur wie es sich im 910 Jahrhundert haumlufig findet lau-tet bdquoEs erbarme sich deiner der allmaumlch-tige Gott und lasse dir alle deine Suumlnden nach er befreie dich von allem Boumlsen (Werk) er bewahre dich in allem Guten

31 Vgl J A Jungmann Die lateinischen Buszligriten in ihrer geschichtlichen Entwicklung Innsbruck 1932 282shy28332 Ebd 283shy284

(Werk) und fuumlhre dich (durch die Fuumlrbitte aller Heiligen) zur ewigen Herrlichkeitldquo33

Umrahmende VersikelZu dem Confiteor-Ritus kam dann im Mittelalter noch eine Umrahmung hinzu indem man dem Confiteor ver-schiedene Versikel unmittelbar voran-gestellt hat Das noch heute uumlbliche Adiutorium nostrum in nomine Domini erscheint in Italien schon im 11 Jahr-hundert an dieser Stelle auszligerhalb Italiens anscheinend erst seit dem 15 JahrhundertAuch nach dem Buszligakt wurden schon fruumlh eine Reihe Versikel als Uumlberlei-tung zum Aufer a nobis eingefuumlgt Sie haben eine aumlhnliche Funktion wie die Preces vor der Oration im Offizium Daran erinnert auch verbeugte Koumlr-perhaltung Meist handelt es sich da-

33 Misereatur tui omnipotens Deus et dimittat tibi omnia peccata tua liberet te ab omni (opere) malo conservet te in omni (opere) bono et perducat te (per intercessionem omnium sanctorum) ad gloriam sempiternam

bei um Versikel die schon fruumlher beim Hintreten zum Altar gesprochen wur-den wie auch die noch jetzt uumlblichen Deus tu conversus und Ostende Schon das Missale der paumlpstlichen Kapelle um 1290 beschraumlnkt sich auf diese beiden Versikel34 waumlhrend andernorts noch eine Anzahl anderer hinzugefuumlgt sind Do mi ne exaudi orationem meam und Dominus vobiscum vor dem Aufer a nobis sind die uumlblichen Einleitungen einer Oration und stammen aus fruumlher Zeit Das Aufer a nobis selbst ist das aumllte ste Element des Stufengebets und ist jetzt nurmehr seine Schluszligoration Es stammt aus alter roumlmischer Traditi-on und gehoumlrte der Paschafeier an35 Spaumlter sprach man es bei der Kirchwei-he zum Einzug ins Heiligtum wo man die Reliquien abholte Beim Hintritt zum Altar wird es seit dem spaumlten Mit-

34 Vgl J Brinktrine (Eph liturg 1937) 20035 Im Leonianum am Gruumlndonnerstag im aumllteren Gelasianum am Beginn der Quadragesima im Greshygorianum von Padua am Donnerstag der ersten Fastenwoche

Confiteor bei einer Primiz in St Albert Stuttgart (2009)

Das Stufengebet

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telalter leise gesprochen wohl zuerst in EnglandDer Trierer Patristiker Michael Fiedro-wicz schreibt zusammenfassend bdquoDie Entstehung des Stufengebets ist ein anschauliches Beispiel fuumlr die organi-

sche Entwicklung der Meszligliturgie Aus einem betenden Innehalten bzw sich Niederwerfen des Papstes bzw Zele-branten vor dem Altar (78 Jahrhun-dert) einem Bekenntnis der eigenen Unwuumlrdigkeit mit Vergebungsbitte (Apologien 9 Jahrhundert) dem ge-meinsamen Beten von Psalm 42 - ne-ben anderen Ak zeszlig psalmen - auf dem Weg zum Altar (910 Jahrhundert) verschiedenen Psalm-Versikeln (12 Jahrhundert) die vom Buszligakt zur Ora-tion Aufer a nobis (10 Jahrhundert) uumlberleiteten ist allmaumlhlich jener Be-

stand an Vorbereitungsgebeten zu-sammen ge wachsen der mit der An-ordnung Papst Piuslsquo V an den Stufen des Altares Psalm 42 zu beten seine endguumlltige Gestalt gefunden hatldquo36

Die Funktion des Stufengebets im Rahmen der MesseNachdem wir die - mitunter etwas ver-wirrende - geschichtliche Entstehung und Entwicklung des Stufengebets gesehen haben koumlnnen wir uns nun daran machen seine Funktion inner-halb der Vormesse zu klaumlren Diese laumlszligt sich nur aus der Geschichte her-aus richtig deuten

36 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 76

Die Liturgische Bewegung des letzten Jahrhunderts die faumllschlicherweise von der missa lecta [gelesene Messe] als Normalform der Messe ausging waumlhrend das natuumlrlich die missa can-tata [gesungene Messe] ist betrachtete das Stufengebet als einen Dialog von Priester und Volk bzw Prie ster und Mi-nistrant wobei der Ministrant als Ver-treter des Volkes angesehen wurde In der im 20 Jahrhundert erfundenen missa dialogata [dialogisierte Messe] betete folgerichtig das Volk im Wech-sel mit dem Priester das Stufengebet Das Volk war zuvor nie an diesem Dia-log beteiligt weil parallel zum Stufen-gebet der Introitus gesungen wird

Oumlffentliche Vorbereitung an den Stufen des AltaresDer historische Befund laumlszligt eine sol-che Deutung nicht zu auch wenn es im spaumlten Mittelalter vereinzelt zu einer Einbeziehung der Gemeinde gekommen ist37 was Jungmann aber richtig als Grenzfall bezeichnet Der Ursprung des Stufengebets ist wie wir sahen die stille Verneigung oder das Niederwerfen des Pontifex vor dem Altar nach dem Einzug wobei er nach dem Ordo Romanus XVII pro se vel pro peccata populi betet Das ist eindeutig ein privates Vorbereitungsgebet auf die Meszligfeier wie es auch die Apolo-gien des 9 Jahrhundert waren Von einer irgendwie gearteten Beteiligung des Volkes ist dort keine Rede

37 So beginnt im Missale von Tours von 1533 das Misereatur des Priesters mit Fratres et sorores (Marshytegravene I 4 2 4 [I 361]) und in der Konventmesse der Kartaumluser betet nach dem Caeremoniale von 1370 und ebenso noch heute die ganze Kommunitaumlt das Stufengebet der Introitus beginnt erst danach

Stufengebet in der Zisterzienserabtei Mariawald

Die Entstehung des Stufengebetsist ein anschauliches Beispielfuumlr die organische Entwicklung der Meszligliturgie

31Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Auch mit dem Aufkommen des Con fiteor als neuer Form des Suumln-denbekenntnisses ab der er sten Jahr-tausendwende aumlndert sich das nicht Eine Beteiligung des Volkes gab es nicht auszliger in den erwaumlhnten spaumlten Einzelfaumlllen Vielmehr zeigt das im An-fang haumlufige Gegenuumlber von Priester und Diakon beim Confiteor deutlich daszlig es sich hierbei um einen Dialog zwischen den Zelebranten also Prie-ster und Diakon handelt Der Brauch

von Sarum sieht den Subdiakon eben-falls als Zelebranten entsprechend der um diese Zeit aufkommenden An-sicht den Subdiakonat unter die houml-heren Weihen zu zaumlhlen der Priester steht zwischen Diakon und Subdiakon und betet abwechselnd mit ihnen das Stufengebet So ist es bis heute geblie-ben Das Stufengebet ist demnach die private Vorbereitung des Altarklerus auf die Meszligfeier38 Pierre Lebrun nann-te es Anfang des 18 Jahrhundert ganz

38 Vgl J Brinktrine a a O 50 bdquoHinzu kommt daszlig das Staffelgebet mehr die private Vorbereitung des Priesters und seiner ministri darstelltldquo

richtig die bdquoPreacuteparation publique au bas de lrsquoautelldquo39

bdquoIntroibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuventutem meamrdquoDiese Vorbereitung besteht wie schon gesagt aus zwei Teilen dem Psalm 42 zum Hinzutritt zum Altar und dem Suumlndenbekenntnis des ConfiteorDer Psalm der ur spruumlnglich auf dem Weg zum Al tar gebetet wurde und die Sehnsucht nach dem Altar zum Aus-druck bringt hat diese urspruumlngliche Funktion auch nach der Verlegung an die Altarstufen durch Pius V nicht ver-loren Nach wie vor ist der vierte Vers Introibo ad altare Dei ad Deum qui lae-tificat iuventutem meam der beste Aus-druck fuumlr das was gerade geschieht Der Psalm ist im Alten Testament das bdquoGebet eines Bedraumlngten der fern des Heiligtums sich danach sehnt wieder an den Festen des Herrn teilnehmen zu koumlnnenldquo40 bdquoDieses Hintreten vor Gott nach dem es den Saumlnger verlangt hat ist eigentlich erst im Neuen Bun-de vollends moumlglich geworden denn erst durch Christus haben wir das sbquofreie Wort und den Zutritt des Vaterslsquo (Eph 312 vgl Roumlm 52) Der Altar des Neu-en Bundes ist die Stelle an der sich die Begegnung mit Gott im Diesseits am vollsten verwirklichen darfldquo41Der Psalm ist bdquobestens geeignet zur Stim-me der Kirche zu werden die in den aumluszligeren und inneren Bedraumlngnissen der Welt danach verlangt vor Gott zu treten sich von ihm fuumlhren zu lassen und ihn im Lobpreis seiner Treue freu-

39 P Lebrun a a O 7940 M Fiedrowicz a a O 7641 J Jungmann a a O 380

Johannes Chrysostomos

Das Stufengebet

Das Stufengebet ist die private Vorbereitung des Altarklerus auf die MeszligfeierEine Beteiligung des Volkes gab es nicht

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dig Dank zu sagenldquo42 Auf dem Weg zum Altar haumllt der Priester an den Al-tarstufen inne und bringt seine Sehn-sucht zum Altar und zu bdquoGott der mei-ne Jugend erfreutldquo zum Ausdruck

bdquoAber nicht bloszlig das Hintreten erfuumlllt sich hier auch die Situation aus der der Psalmist zu Gott verlangt waumlchst ins Typische Wenn wir zu Gott wollen stellt sich immer irgendwo der homo iniquus [der boumlse Mensch] in den Weg Und so rufen wir zu ihm der uns Staumlr-ke ist er moumlge sein Licht aufleuch-ten und seine Treue wirksam werden lassen und uns hinfuumlhren in montem sanctum zur Houmlhe auf der sich das Opfer von Golgotha erneuern sollldquo43 Die abschlieszligenden Worte der Freude und des Jubels gelten dann schon der Eucharistie

bdquoWenn ihr am Herrentag zusammenkommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquoDer zweite Teil des Stufengebets ist das Suumlndenbekenntnis mit sei ner

42 M Fiedrowicz a a O 7643 J Jungmann a a O 381

Umrahmung das nach Abschluszlig des Psalms folgt Das Be wuszligtsein der Grouml-szlige der Euchari stiefeier und das dazu erforderliche Freisein von Suumlnde geht schon aus der Forderung der Didache aus der Fruumlhzeit der Kirche hervor bdquoWenn ihr am Herrentag zusammen-kommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquo Hier war aber wohl an ein auszligerlitur-gisches Bekenntnis der Teilnehmer gedacht In besonderer Weise gilt die Forderung nach Suumlndenfreiheit natuumlr-lich vom zelebrierenden Priester

So verlangt die Goumlttliche Liturgie des hl Johannes Chrysostomos bdquoBevor der Priester das goumlttliche Mysterium feiert soll er zunaumlchst mit allen ver-soumlhnt sein und gegen niemand etwas haben Er soll sein Herz vor boumlsen Ge-danken bewahrenldquo44 Im Westen legt er im Rahmen seines privaten Vorbe-reitungsgebetes der Messe ein allge-meines Suumlndenbekenntnis mit seinen ministri sacri bzw den diese vertreten-den Ministranten ab

44 S Heitz Mysterium der Anbetung Goumlttliche Liturgie und Stundengebet der Orthodoxen Kirche Koumlln 1986 315

Der dialogische Aufbau des Bekennt-nisses entspricht der Forderung des Apostels Jakobus bdquoBekennt also einan-der eure Suumlnden und betet fuumlreinander damit ihr geheilt werdetldquo (Jak 5 16) Im Gegenuumlber von Zelebrant und ministri wird die Forderung des Apostels be-wuszligt vollzogen Es kommt darin auch die soziale und ekklesiale Dimension von Suumlnde und Vergebung zum Aus-druck

Im getrennten Sprechen des Schuld-bekenntnisses wird auch die beson-dere Stellung des Prie sters sichtbar Er ist ebenso wie seine ministri und das glaumlubige Volk der Schwaumlche und Schuld unterworfen und auf Gottes Barm her zig keit angewiesen aber kraft seiner Weihe ist er doch von ihnen un-terschieden Daszlig der Priester das Con-fiteor allein betet ist bdquodemuumltiger Aus-druck dafuumlr daszlig der Priester der erste ist der sich fuumlr seine Suumlnden anzukla-gen hat um wuumlrdig die heiligen My-sterien feiern zu koumlnnenldquo45 Waumlhrend sich alle genseitig der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen ist der Priester der einzige der kraft seiner Weihe das ehemals sakramental verstandene In-dulgentiam sprechen kann

Die abschlieszligenden Versikel erbit-ten die Zuwendung Gottes (Deus tu conversus) und seine Barmherzigkeit (Ostende nobis) Das letzte ist die Bitte um das gnadenhafte Kommen Chri-sti in der Eucharistie46 Im Aufer a no-bis erbittet der Priester sodann beim

45 M Fiedrowicz a O 7946 Vgl K Gamber Zeige uns o Herr deine Barshymherzigkeit Vom byzantinischen ProthesisshyBild zum spaumltmittelalterlichen ErbaumlrmdeshyChristus Reshygensburg 1986 12

Stufengebet in Mariawald

33Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Aufstieg zum Altar mit reiner Seele zum Altar hinzutreten zu duumlrfen Die-ses Gebet faszligt eigentlich das ganze Stufengebet noch einmal zusammen Am Altar angelangt legt er die Haumlnde an den Altar und ruft die Fuumlrbitte der Heiligen an (Oramus te Domine) Der Altarkuszlig ehrt diesen als Symbol Christi und stellt den Priester in die Gemein-schaft der Heiligen besonders derer deren Reliquien sich im Altar befinden (quorum reliquiae hic sunt)

bdquoIndem der Zutritt zum Altar im Stufen-gebet gleichsam schrittweise erbetet wird und von fortwaumlhrenden Entsuumln-digungsbitten begleitet ist zeigt der Ri-tus eindringlich wie mit der je groumlszligeren Naumlhe zu Gott das immer staumlrkere Verlan-gen einhergehen muszlig sei ner Heiligkeit zu entsprechenldquo47

Zusammenfassung und SchluszligfolgerungAus dem urchristlichen Bewuszligtsein um Heiligkeit und Groumlszlige der Euchari-stie und der damit verbundenen For-derung nach Buszlige bdquodamit euer Opfer rein seildquo entstanden in den verschie-denen Riten diverse rituelle Formen eines Suumlndenbekenntnisses zu Beginn der Messe Im Westen steht am Anfang der Entwicklung das stille Verbeugen oder Niederwerfen des Papstes vor dem Altar beim roumlmischen Stations-gottesdienst bei dem er frei pro se vel pro peccata populi betet Spaumlter ver-langten die liturgischen Stilgesetze im Frankenreich diese Stille foumlrmlich aus-zufuumlllen Zahlreiche Apologien entste-hen bis im 9 Jahrhundert eine Ord-nung aufkommt die vorherrschend

47 M Fiedrowicz a a O 80

werden sollte und bis heute fortbe-steht Es entstehen die ersten Ansaumltze des spaumlteren Stufengebets die zwar alle diesel be Struktur aber keines-wegs denselben Wortlaut haben Wir haben gesehen wie in tastenden Ver-suchen eine fast verwirrende Vielzahl von Stufengebeten entstehen bis die Entwicklung endguumlltig durch die Li-turgiereform Piuslsquo V ihren Abschluszlig findet

Aus dem historischen Uumlberblick konn-ten wir die eigentliche Funktion des Stufengebets in der Vor messe erken-nen Von seinem ge schichtlichen Ur-sprung her ist es ein privates Gebet des Priesters mit seinem assistieren-den Klerus Am Anfang stand ein re-gelrechtes Gegenuumlber von Priester und Diakon Es ist wie J Brinktrine sagte bdquoprivate Vorbereitung des Prie-sters und seiner ministrildquo48

Daraus ergeben sich vor allem zwei Folgerungen Es muszlig sichtbar blei-ben daszlig hier der Priester und seine Assistenz (Diakon und Subdiakon bzw Ministranten die die ministri sacri ver-

48 S Anm 34

treten) sich privat auf die Feier der hei-ligen Messe betend vorbereiten Ge-maumlszlig der Maszliggabe von Sacro sanctum Concilium daszlig jeder Teilnehmer an der Liturgie bdquonur das und all das tun (soll) was ihm aus der Natur der Sa-che und nach den liturgischen Regeln zukommtldquo49 ist dementsprechend der Brauch zu vermeiden in der missa dialogata die Glaumlubigen das Stufen-gebet laut mitbeten zu lassen Das ist eindeutig eine sbquoRollenvermischunglsquo die erst mit der Liturgischen Bewe-gung aufkam und auf einem falschen Verstaumlndnis der eigentlichen Funktion des Stufengebets beruht

Die zweite Folgerung hat mit der ars celebrandi zu tun Um die Messe wuumlr-dig und gut zu feiern ist es wichtig die Funktion und Bedeutung der einzel-nen Teile gut zu kennen und dement-sprechend zu vollziehen Damit das Stufengebet nicht zum leeren Geplap-per wird gilt es sich in die Bedeutung seiner beider Teile zu vertiefen und wirklich die Sehnsucht zu Gott und seinem Altar und die Reue uumlber die ei-genen Suumlnden zu erwecken

49 SC n 28

Das Stufengebet

Page 3: Das Stufengebet - Pro Missa Tridentina€¦ · Von Lic. theol. Martin Reinecke Der folgende Text ist der Abdruck eines Vortrags auf der liturgischen Schulung in Heiloo (NL) vom 30.6

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den liturgischen Gebrauch bestimmt war4 und vor allem in Zeugnissen aus IrlandIrland das nie roumlmische Provinz war blieb von den Wogen der Voumllkerwan-derung verschont und war darum auch weniger spaumlteren Einfluumlssen un-terworfen Es konnten sich deshalb dort verschiedene fruumlhchristliche Ge-wohnheiten fruumlhe bestimmte Fassun-gen des biblischen Textes und vor al-lem ein altertuumlmlicher Meszligbuchtypus lange Zeit rein erhaltenDer Roumlmer Palladius war 431 von Papst Coelestinus (422-432) zum Bi-schof geweiht und mit vier Priestern nach Irland gesandt worden um die dort bereits zahlreich lebenden Chri-sten zu betreuen5 Palladius hat nun wie es uumlblich war liturgische Buumlcher mit in sein Missionsgebiet gebracht wie sie zu seiner Zeit in seiner Heimat Rom gebraumluchlich waren Auf dieses Exemplar gehen die spaumlteren irischen Meszliglibelli zuruumlck Sie stellen deshalb

4 Vgl CLLA S 2595 Eine Notiz des Prosper von Aquitanien zum Jahr 431 bezeugt das bdquoAd Scotos in Christum credentes ordinatus a papa Coelestinus Palladius primus episcopus mittitur (Zu den an Christus glaubenden Scoten wurde Palladius der von Caelestin geweiht worden war als erster Bischof gesandt)ldquo Opera I 401 ed Bassani

Zeugnisse fuumlr die stadtroumlmische Litur-gie des 5 Jahrhundert dar Sie haben jeweils nur wenige Meszligformulare die keinen Bezug zum Kirchenjahr haben Daraus schlieszligen wir daszlig es in Rom allem Anschein nach noch bis ins 6 Jahrhundert vielleicht sogar bis zu Gregor dem Groszligen kein offizielles Jahres-Sakramentar gab sondern aumlhnlich wie noch heute in den orien-talischen Riten das ganze Jahr uumlber eine missa communis in Uumlbung war die eben Palladius nach Irland mitge-bracht hat und die sich in einigen spauml-teren Abschriften erhalten hatDie bekannteste davon ist das soge-nannte Stowe-Missal aus dem 89 Jahrhundert geschrieben in Tallaght und vollstaumlndig erhalten Am Anfang dieses Missales steht eine missa canoni-ca in der wir nun erstmals eine Art Buszlig-ritus zu Beginn der Meszligfeier findenZu Beginn der missa cononica des Sto-we-Missal steht eine altertuumlmliche le-tania eine Allerheiligenlitanei mit der vorausgehenden Antiphon Wir haben gesuumlndigt o Herr wir haben gesuumlndigt Erbarme dich uumlber unsere Suumlnden und rette uns Der du den Noe uumlber die Wogen der Sintflut geleitet hast erhoumlre uns Und Ionas aus dem Abgrund durch (dein) Wort zuruumlckgerufen hast befreie uns Der du dem sinkenden Pe-

trus die Hand ausgestreckt hast hilf uns Christus Sohn Gottes

Du hast Wunder getan o Herr mit unse-ren Vaumltern erbarme dich auch unserer Zeiten Sende aus deinen Arm aus der Houmlhe befreie uns 6

Dieselbe Antiphon kennt das roumlmische Antiphonar fuumlr die Bittprozession am 25 April Daraus kann man schlieszligen daszlig sich in den irischen Meszlig-Libelli stadtroumlmisches Liturgiegut erhalten hat Bei dieser Antiphon handelt es sich um den Eroumlffnungsgesang in der Collecta-Kirche bevor sich die Prozes-sion zur Stationskirche in Bewegung setzte Bei dieser Prozession durch die Straszligen Roms wurde die letania gesungen wobei die einzelnen Bitten bis zu siebenmal wiederholt wurden Der Text im Stowe-Missal zeigt daszlig die Litanei urspruumlnglich relativ kurz gewe-sen ist

6 Peccauimus domine peccauimus Parce peccatis nostris et salua nos Qui gubernasti Noe super undas diluiuii exaudi nos Et Ionam de abysso verbo reuoshycasti libera nos Qui Petro mergenti manum porrexshyisti auxiliare nobis Christe fili deiFecisti mirabilia domine cum patribus nostris et nostris propitiare temporibus Emitte manum tuam de alto libera nos

Schutzhuumllle des Stowe-Missal

23Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Die Litanei mit ihren Anrufungen der einzelnen Heiligen ist etwas typisch Roumlmisches wie es sich in der Fruumlhzeit sonst nirgendwo findet Sie entspricht in etwa den Ektenien im byzantini-schen und gallikanischen Ritus die ebenfalls Fuumlrbitten und das Kyrie elei-son kennenLetzteres ist in den Ektenien die Ant-wort des Volkes auf die einzelnen Bit-ten des Diakons In der roumlmischen leta-nia steht es dagegen als selbstaumlndiger Ruf jeweils am Anfang und am Ende Dem Kyrie eleison voraus geht ein drei-maliges Christe audi nos das eine freie Uumlbersetzung des griechischen Rufes darstelltDas spaumltere Kyrie zu Beginn der rouml-mischen Messe wie wir es noch heu-te kennen ist nichts anderes als der Schluszlig der alten letania wie sie auf dem Weg zur Stationskirche gesungen wurde In spaumlteren Liturgiebuumlchern heiszligt es deshalb das Kyrie der Messe falle aus wenn eine solche Prozession

mit der Allerheiligenlitanei voraus-geht7

Da die irischen Meszlig-Libelli offensicht-lich stadtroumlmisches Li tur gie gut wie-dergeben ist davon auszugehen daszlig man in Rom urspruumlnglich eine Prozes-sion mit Allerheiligenlitanei zur Kir-che kannte wo dann die stets gleiche missa canonica gefeiert wurde Dieser Auftakt zur Messe hatte Buszligcharak-ter Der Ritus konnte sich aber fuumlr die normale Messe nicht erhalten auszliger wie gesagt im fruumlhen Irland Wann er in Rom auszliger Gebrauch gekommen ist wissen wir nicht Lediglich an be-stimmten Tagen kennt die spaumltere rouml-mische Liturgie eine solche Prozession noch bei der StationsliturgieHier haben wir also ein sehr fruumlhes Zeugnis eines allgemeinen Buszlig ritus zu Beginn der Messe der aber mit dem Buszligakt der neuen Messe nichts gemein hat und auch nicht als Vorbild gegolten hat Auch hat das spaumltere Stufengebet der alten Messe keinen Bezug zu dieser urspruumlnglichen Eroumlff-nung der stadtroumlmischen Liturgie

Die Papstmesse nach dem Ordo Romanus IAuf unserer Suche nach den Urspruumln-gen des Stufengebets muumlssen wir also

7 So im stadtroumlmischen Ordo der Quadragesima (Vgl M Andrieu Ordines Romani III 261 ldquoNam quando letania nec Gloria in excelsis nec Cyrieleishyson post introitum nec Alleluia cantatur (Denn wenn letania ist wird weder Gloria in excelsis noch Cyireleison nach dem Introitus noch Alleluja gesunshygenhellip)ldquo PL 78 1039 Quando efficitur Collecta ad missam non cantatur Kyrie quia regionarius dixit in litania (Wenn die Collecta gehalten worden ist wird zur Messe kein Kyrie gesungen weil der regionarius es in der Litanei gesprochen hat)

in anderen Quellen suchen Aufgrund der fehlenden Quellenlage uumlber die

Liturgie der roumlmischen Stadtkirchen muumlssen wir in der paumlpstlichen Liturgie su chen zumal ja unsere Messe in der Tradition der paumlpstlichen Messe seit Gregor dem Groszligen steht

Den rituellen Verlauf des paumlpstlichen Stationsgottesdienstes kennen wir aus den Ordines Romani die Michel Andrieu im vorigen Jahrhundert unter Heranziehung der gesamten auf uns gekommenen Manuskripte kritisch ORDO ROMANE EC[C]L[ESI]E

DENVNTIATIONE STATVTIS DIEB[VS] FES[TIVIS](Seite aus dem Ordo Romanus I)

Papst Benedikt XVI am Karfreitag

Meszligbuch aus dem 12 Jahrhundert

Das Stufengebet

Das spaumltere Kyrie zu Beginn der roumlmischen Messe ist nichts anderes als der Schluszlig der alten letaniawie sie auf dem Weg zur Stationskirche gesungen wurde

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herausgegeben hat Trotz des Namens stammen laumlngst nicht alle dieser Ordi-nes aus Rom selber sondern sind oft an anderen Orten erstellte Bearbei-tungen stadtroumlmischer Buumlcher und BraumlucheFuumlr unsere Frage kommt der Ordo ro-manus I aus dem Ende des 7 Jahrhun-derts in Betracht der eine rein stadtrouml-mische Quelle darstellt Er beschreibt den groszligen roumlmischen Stationsgottes-dienst wie er sich bis zum 8 Jahrhun-dert entwickelt hat Er ist zum Vorbild und Muster fuumlr die weitere Gestaltung der Messe uumlberhaupt geworden und hat Auswirkungen bis in die letzte Dorfpfarrei und sogar bis in die soge-nannte stille Messe gehabt8

Er beschreibt den Anfang der Stati-onsmesse wie der Papst unter dem Gesang des Introitus in die Kirche ein-zieht Am Altar angekommen laumlszligt er sich auf einem zu diesem Zweck aus-gebreiteten Teppich zu stillem Gebet nieder9 wie es heute noch der Priester zu Beginn der Karfreitagsliturgie tut Danach erhebt er sich und gruumlszligt das Evangeliar und den Altar mit einem Kuszlig In dieser schweigenden Anbe-tung des Papstes vor dem Altar liegen offensichtlich die Anfaumlnge des heuti-gen Confiteor mit seiner Umrahmung das den zweiten Teil des Stufengebets bildetDer Ordo fuumlhrt nicht weiter aus was die Funktion dieses stillen Gebetes

8 Vgl J A Jungmann Missarum Sollemnia Bd 1 41958 889 Ordo romano I n 8 bdquout ponat oratorium (darunter muszlig ein Teppich verstanden werden) ante altare Et accedens pontifex orat super ipsumldquo (hellipdaszlig er ein oratorium vor den Altar plaziert Und der Pontifex tritt hinzu und betet auf diesem)

war oder was der Papst dabei betete Der Wortlaut war wohl noch ihm uumlber-lassen ein fixiertes Gebet ist zu dieser Zeit nicht zu erwartenWie bereits erwaumlhnt wurde der Ordo romanus I immer wieder uumlberarbeitet um die Anweisungen fuumlr die paumlpstli-che Liturgie in Rom an die Verhaumlltnisse in anderen Kirchen anzupassen Eine solche Bearbeitung des Ordo aus dem Frankenreich stellt der Ordo romanus XV das Capitulare ecclesiastici ordinis aus der 2 Haumllfte des 8 Jahrhunderts dar Hier wird in der Beschreibung der Stationsmesse das stille Gebet des Papstes zu Beginn wie folgt be-schrieben bdquoInde praecedit ab altare et prostrato omni corpore in terram facit orationemldquo [Darauf geht er zum Altar wirft sich mit dem gesamten Koumlrper nie-der und betet] Damit wird die Rubrik des Ordo I naumlher bestimmt und kon-kretisiert entgegen der spaumlteren fraumln-kischen Uumlberlieferung die an dieser

Stelle fast nur das verbeugte Stehen an dieser Stelle kennt wie noch heute beim ConfiteorEine Erweiterung dieser Rubrik des Capitulare im Breviarium ecclesiastici ordinis dem Ordo Romanus XVII aus dem Ende des 8 Jahrhundert deutet nach Jungmann schon bdquodie Richtung auf das Buszliggebetldquo10 an Hier wird prauml-zisiert fundens orationem pro se vel pro peccata populi [er sagt ein Gebet fuumlr sich beziehungsweise fuumlr die Suumlnden des Volkes]11 Hier haben wir den ersten direkten Hinweis in einem liturgischen Buch darauf daszlig am Beginn der Mes-se ein Gebet fuumlr die eigenen und die Suumlnden des Volkes steht Jungmann wertet das als einen Hinweis auf die spaumlteren Apologien an dieser Stelle12

10 J A Jungmann 38611 Andrieu III 17912 J A Jungmann 387

Hochamt beim Katholikentag in Mannheim (2012)

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Erste Formen eines Schuldbekenntnisses ApologienMit dem Beduumlrfnis das Gebet pro se vel pro peccata populi naumlher zu bestim-men kommen im fraumlnkischen Bereich im 9 bis 11 Jahrhundert an dieser Stelle zahlreiche Apologien auf bdquoper-soumlnliche Schuld- und Unwuumlrdigkeits-bekenntnisse des Zelebranten von meist betraumlchtlichem Umfang die sich mit der Bitte um Gottes erbarmende Gnade verbindenldquo13

Apologien sind eine typisch fraumlnkische Erscheinung und waren dem roumlmi-schen Geist eher fremd Diese Entwick-lung des stillen Gebets pro se vel pro peccata populi zu Beginn der Meszligfei-er konnte deshalb keine Zukunft ha-ben Spaumltestens bei der Ruumlckkehr der nunmehr roumlmischfraumlnkischen Liturgie nach Rom ab dem 11 Jahrhundert wauml-ren diese Apologien ebenso entfernt worden wie die meisten anderen Apo-logien auch und durch andere ersetzt die der roumlmischen Mentalitaumlt mehr entsprachen

Entwicklung des Stufengebets ab dem 10 JahrhundertDoch so weit solle es nicht kommen denn noch vor dem Ende des 10 Jahr-hunderts tritt eine neue Ordnung auf die im rheinischen Meszligordo enthalten ist Ihr sollte die Zukunft gehoumlren zu-mal sie auch bedeutend mehr roumlmi-schem Geist entsprichtSo lautet die entsprechende Rubrik im Pontifikale des Halinardus bdquoDanach tritt der Bischof in die Kirche ein (hellip) kuumlszligt die Diakone und zwei Priester

13 Ebd 103shy104

Und er beginnt von sich sbquoIntroibo ad altare Deilsquo mit dem Psalm sbquoIudica me Deuslsquo Wenn er zum Altar kommt sagt er diese Orationen sbquoAufer a nobishelliplsquo sbquoOmnipotens sempiterne Deus qui me peccatoremhelliplsquoldquo14

Der Psalm bdquoIudica meldquoHier wird also erstmals auf dem Weg zum Altar Psalm 42 gesprochen dem bei der Ankunft am Altar zwei Oratio-nen folgen darunter unser Aufer a no-bis Auszligerdem gibt es Apologien die Vorlaumlufer unseres Confiteor darstellen

14 Postquam in ecclesiam intrat episcopus () osculetur diaconos et presbytero duos Et incipiat per se rsquoIntroibo ad altare Deilsquo cum psalmo lsquoIudica me Deusrsquo Cum venerit ad altare dicat has orationes lsquoAufer a nobis rsquo lsquoOmnipotens sempiterne Deus qui me peccatorem rsquo

und auf verschiedene Weise einbezo-gen sind Wir haben hier zum ersten Mal die Struktur des spaumlteren Stufen-gebets wobei die Stelle des Confiteor noch von Apologien vertreten ist Ein foumlrmliches Confiteor mit Vergebungs-bitte erscheint dann um die Mitte des 11 Jahrhundert in der Normandie15 und auf italischem Boden16Diese neue Ordnung der Eroumlffnung der Messe hat sich auf den Wegen der cluniazensischen Reform bald in Italien und Deutschland ausgebreitet ohne schon eine einheitliche Fassung zu haben Es wurde fast uumlberall an den Stufen des Altares ein foumlrmliches Confiteor in irgendeiner Fassung mit der entsprechenden Antwort und die nachfolgende Oration Aufer a nobis

15 Bei Johannes von Avranche16 Vgl Codex Chigi ed Martegravene 1 4 XII (I 569)

Levitiertes Hochamt beim Katholikentag in Mannheim

Das Stufengebet

Im 8 Jahrhundert warf sich der Papst zu Beginn der Messevor dem Altar auf den Boden hin undbetete fuumlr sich und fuumlr die Suumlnden des Volkes

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gesprochen Das gehoumlrte seit dem 12 Jahrhundert zur festen Ordnung eines jeden Meszligordo17 Der Psalm Iudica me war noch nicht so verbrei-tet Er gehoumlrt im spaumlteren Mittelalter zahlreichen Meszligordnungen noch nicht an Deshalb fehlt der Psalm noch heute in den Liturgien der Kar-taumluser der beschuhten Karmeliten und der Dominikaner die ihre Ord-nungen im 13 Jahrhundert festge-legt haben und ihn den damaligen Schwankungen entsprechend nicht aufgenommen haben Jungmann berichtet daszlig sogar noch auf der ersten Generalkongregation der Je-suiten 1558 beschlossen wurde auf den Psalm zu verzichten18 Erst das Missale Piuslsquo V machte den Psalm zur allgemeinen Vorschrift da es sich auf das Missale Curiae stuumltzte das den Psalm kannte ebenso wie die meisten italischen MeszligbuumlcherWaumlhrend des ganzen Mittelalters blieb es vorherrschende Regel den Psalm Iudica me auf dem Weg zum Altar zu beten wie es schon die oben ange-fuumlhrte Rubrik des 10 Jahrhunderts festgesetzt hatte bdquoNoch nach dem Missale Pauls III konnte der Zelebrans ihn laut oder still auf dem Wege zum Altar betenldquo19 Nur seltene Ausnahmen verlegen ihn bereits eindeutig an die Stufen des Altares meist dort wo das Ankleiden oder das Anlegen der Kasel am Altar geschieht Daszlig das Missale Piuslsquo V ihn entgegen der weit verbrei-

17 Mit Ausnahme eines Missale von Toul um 1400 das vor dem Aufer a nobis nur die Apologie Ante conshyspectum hat18 J A Jungmann 38019 J Brinktrine Die heilige Messe in ihrem Werden und Wesen Paderborn 1931 51

teten Gewohnheit an die Altarstufen verlegt hat wohl seinen Grund in der Tatsache daszlig man dem Psalm ein sorgfaumlltiges Sprechen sichern und ihm mehr Gewicht geben wollteDoch auch nach der Kodifizierung durch Pius V war der Ort des Stufen-gebets - und damit auch des Psalms 42 - noch nicht uumlberall an den Stufen des Altares So berichtet Pierre Lebrun noch 1716 uumlber Sonderbraumluche im Frankreich seiner Zeit bdquodie einen ma-chen sie in einer eigenen Kapelle wie man sie noch in Tours am Grab des heiligen Martin macht die anderen im Chor wie in Laon und Chartres oder am Eingang des Chorraums weit vom Altar wie in Soissons und Chacirclons-sur-Marne andere an der linken Seite des Altars beim Eingang das heiszligt auf der Evangelienseite wie in Vienne und bei den Kartaumlusern die den Brauch aus dieser Metropole uumlbernommen ha-

ben andere schlieszliglich in der Sakristei wie in Reimsldquo20

Seit dem 11 Jahrhundert wird dem Psalm die Antiphon Introibo voran-gestellt die spaumlter und bis heute als Versikel behandelt wird Die Versikel Adiutorium nostrum erscheint bereits im Meszlig ordo der paumlpstlichen Kapelle um 129021 Das dem Taufbefehl Jesu entnommene Kreuzzeichen vor dem Psalm ist erst seit dem 14 Jahrhundert vereinzelt nachweisbar

Das bdquoConfiteorldquoWie der Psalm Iudica lange Zeit keine einheitliche Ordnung kannte so ging

20 P Lebrun Explication litteacuterale historique et dogamtique des priegraveres et des ceacutereacutemonies de la messe suivant les anciens auteurs et les monument de la plupart des eacuteglises avec des dissertations et des notes sur les endroit difficiles et sur lrsquoorigine des rites Paris 1716 Nachdruck Tours 1976 8021 Ebd 383

Stufengebet bei einer stillen heiligen Messe

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es auch dem Confiteor Ein einheitli-ches Formular gab es lange Zeit nicht dafuumlr Ein Vorlaumlufer der spaumlteren Confiteor-Formeln war die verbreitete Apologie ldquoVor dem Angesicht deiner goumlttlichen Majestaumlt o Herr und dieser deiner Hei-ligen bekenne ich dir meinem Gott und meinem Schoumlpfer durch meine Schuld denn ich habe gesuumlndigt in Stolz in Haszlig und Neid in Begierde und Geiz in Un-zucht und Unreinheit in Rausch und Trunkenheit in Luumlge und Meineid und in allen Lastern die aus diesen hervor-gehen Was noch Durch Sehen Houmlren Geruch Geschmack und Tasten und durchaus in Gedanken Worten und Ta-ten bin ich verdorben deshalb der du den Suumlnder ge recht fer tigst rechtfertige auch mich und laszlig mich auferstehen vom Tod zum Leben Herr mein Gottldquo22

In dieser Apologie spricht der Zele-brant ein ausfuumlhrliches Bekenntnis seiner Suumlnden und Fehler vor seinem bdquoGott und Schoumlpferldquo in dem auch be-reits das spaumltere mea culpa vorkommt wobei ein ausfuumlhrlicher Suumlndenka-talog erwaumlhnt wird In den spaumlteren Confiteor-Formeln geht man von die-sen Suumlndenkatalogen weg zu einem allgemeinen Bekenntnis peccavi nimis cogitatione verbo et opere [daszlig ich viel

22 Ante conspectum divinae maiestatis tuae Domine his sanctis tuis confiteor tibi Deo meo et creatori meo mea culpa quia peccavi in superbia in odio et invidia in cupiditate et avaritia in forshynicatione et inmunditia in ebrie tate et crapula in mendacio et periurio et in omnibus vitiis quae ex his prodeunt Quid plura Visu auditu olfactu gustu et tactu et omnino in cogitatione et locutione et actione perditus sum quapropter qui iustificas imshypio iustifica me et resuscita me de morte ad vitam Domine Deus meus

gesuumlndigt habe in Gedanken Worten und Werken] Der bedeutendste Un-terschied liegt aber darin daszlig das Be-kenntnis nur vor Gott erfolgt waumlhrend in den Confiteor-Formeln die soziale Dimension von Suumlnde aufscheint Das Bekenntnis wird vor vobis fratres und den Heiligen abgelegt die auch um Fuumlrbitte vor Gott gebeten werdenDiese urspruumlngliche und weitver-breitete Apologie fuumlhrte dann ab der Jahrtausendwende zu den er sten foumlrmlichen Confiteor-For meln Eine sehr kurze fruumlhe For mel war in Clu-ny um 1080 in Gebrauch bdquoIch beken-ne Gott und allen seinen Heiligen und euch Vater daszlig ich gesuumlndigt habe in Gedanken Worten und Werken durch meine Schuld Ich bitte euch betet fuumlr

michldquo23 Diese neue Form des Suumlnden-bekenntnisses bringt bereits gut zum Ausdruck was fuumlr alle spaumlteren Confi-teor-Formeln auch gilt das Bekenntnis des ersten Teils geschieht vor Gott und der himmlischen Kirche die Fuumlrbitte im zweiten Teil richtet sich zuerst an die irdische Kirche und im Bewuszligt-sein der communio sanc to rum an die himmlischeSchon bald auch schon im 11 Jahr-hundert waren auch laumlngere Formeln uumlblich Sie wurden immer ausgedehn-ter so daszlig das Generalkapitel der Zi-sterzienser im Jahr 1184 bestimmen

23 Udalrici Consuet Clun II 30 (PL 149 716) ldquoConfiteor Deo et omnibus sanctis eius et vobis pashyter quia peccavi in cogitatione locutione et opere mea culpa Precor vos orate pro merdquo

Stufengebet im Meszligbuch

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muszligte daszlig vor allen Heiligen die Got-tesmutter zu nennen sei Confiteor Deo et beatae Mariae et omnibus Sanctis24 Im Verlauf des Mittelalters wuchs die Zahl der Heiligen vor allem im zwei-ten Teil immer weiter an Das Konzil zu Ravenna bestimmte deshalb 1314 au-szliger Maria nur noch Michael Johannes den Taumlufer und die Apostel Petrus und Paulus zu nennen25 wie wir es noch heute tunAuch die Umschreibung und Aufzaumlh-lung der Suumlnden wurde immer kon-kreter Das Bekenntnis wurde nahezu zu einem Suumlndenbekennt nis in specie wie man es mancherorts vom Chor-gebet kannte Dabei wirkten wohl Confiteor-Formeln ein die fuumlr die sa-kramentale Beichte dienten Die mit-telalterlichen Liturgieerklaumlrer miszligbilli-gen diese Entwicklung da es sich hier nicht um ein geheimes sondern ein oumlffentliches Bekenntnis handle26

24 Schneider CistshyChr 1926 25525 Mansi XXV 54726 Vgl Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217

Von Anfang an wurde das Confiteor tief verbeugt gesprochen wie diverse Meszligordines erwaumlhnen wenngleich auch das Knien verbreitet gewesen sein muszlig Auch das Schlagen an die Brust beim mea culpa wird schon fruumlh erwaumlhnt27

Die Urspruumlnge des Confiteor liegen jedoch nicht in der Messe Ab dem 9 Jahrhundert sind uns Fassungen uumlberliefert die bei der sakramentalen Beichte gebraucht wurden Oft ent-hielten sie einen langen Suumlndenka-talog aumlhnlich wie in einigen Laumlndern noch heute traditionellerweise das persoumlnliche Suumlndenbekenntnis in das Confiteor nach dem mea maxima culpa eingefuumlgt wird In dieser fruumlhen Zeit stand der standardmaumlszligige Suumlndenka-

806) Sicard von Cremona Mitrale III 2 (PL213 96 A) Durandus IV 7 2 Joh Beleth Explicatio c33 (PL 202 43) die Suumlnden duumlrfen hier nur generaliter beshykannt werden nec mensuram accedere27 Stephan von Baugeacute De sacr altaris c 12 (PL172 1283 B) Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217 806) Durandus IV 7 3

talog allerdings noch an Stelle eines detaillierten persoumlnlichen Bekenntnis-ses28 Bald auch schon im 9 Jahr hun-dert kommt ein solches Suumlndenbe-kenntnis taumlglich in Prim und Komplet vorVon daher wird nun auch ein Confi-teor in die Messe uumlbernommen Bis zur Mitte des 11 Jahrhunderts ist der entscheidende Uumlbergang abgeschlos-sen29 In der ersten Zeit gab es dabei vielfach ein Gegenuumlber von Priester und Diakon das an das kloumlsterliche gegenseitige Bekennen erinnert So sprach in Cluny der Priester das Confi-teor vor dem Altar an der Evangelien-seite inclinis contra diaconum similiter inclinem [verbeugt zum Diakon der ebenfalls verbeugt ist]30 Aumlhnlich war es

28 Auch in der Orthodoxie kennt man neben dem individuellen Suumlndenbekenntnis beim geistlichen Vater ein solches standardmaumlszligiges Bekenntnis mit einem langen Suumlndenkatalog vor dem Empfang der Kommunion29 Vgl J A Jungmann 38930 Udalrici Consuet Clun II 30 (PL 149 716A)

Confiteor beim Levitierten Hochamt (Mannheim 2012)

29Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

an vielen Orten so bei den Kartaumlusern und im Missale von Westminster waumlh-rend in Sarum Diakon und Subdiakon rechts und links vom Priester stehen und beide antworten Letztere Form hat sich schlieszliglich durchgesetzt und wurde von Pius V endguumlltig bestaumltigt und festgelegtSofort ist das Confiteor in der Messe mit dem Misereatur verbunden das auch Nichtgeweihte als fuumlrbittende Antwort sprechen durften31 Auch das Indulgentiam bzw oft mit dem zwei-ten Wort Absolutionem beginnend wurde von Anfang an in die Messe aufgenommen das in dieser Zeit und noch mehrere Jahrhunderte lang Aus-druck der priesterlich-sakramentalen Lossprechung ist Seit kurz vorher die Gewohnheit aufgekommen war Be-kenntnis und Lossprechung bei der Beichte in ein und derselben Feier abzuhalten hatte man auch fuumlr das in den Kloumlstern uumlbliche woumlchentliche Suumlndenbekenntnis vor dem geist-lichen Vater dem Misereatur die sa-kramentale Lossprechung Indulgen-tiam hinzugefuumlgt32 Von daher kam es nun auch in die Meszligliturgie Da es sakramentalen Charakter hatte kam es zunaumlchst nur dem Priester zu der Diakon und eventuell der Subdiakon antwortet nur mit Misereatur Eine fruuml-he Form des Misereatur wie es sich im 910 Jahrhundert haumlufig findet lau-tet bdquoEs erbarme sich deiner der allmaumlch-tige Gott und lasse dir alle deine Suumlnden nach er befreie dich von allem Boumlsen (Werk) er bewahre dich in allem Guten

31 Vgl J A Jungmann Die lateinischen Buszligriten in ihrer geschichtlichen Entwicklung Innsbruck 1932 282shy28332 Ebd 283shy284

(Werk) und fuumlhre dich (durch die Fuumlrbitte aller Heiligen) zur ewigen Herrlichkeitldquo33

Umrahmende VersikelZu dem Confiteor-Ritus kam dann im Mittelalter noch eine Umrahmung hinzu indem man dem Confiteor ver-schiedene Versikel unmittelbar voran-gestellt hat Das noch heute uumlbliche Adiutorium nostrum in nomine Domini erscheint in Italien schon im 11 Jahr-hundert an dieser Stelle auszligerhalb Italiens anscheinend erst seit dem 15 JahrhundertAuch nach dem Buszligakt wurden schon fruumlh eine Reihe Versikel als Uumlberlei-tung zum Aufer a nobis eingefuumlgt Sie haben eine aumlhnliche Funktion wie die Preces vor der Oration im Offizium Daran erinnert auch verbeugte Koumlr-perhaltung Meist handelt es sich da-

33 Misereatur tui omnipotens Deus et dimittat tibi omnia peccata tua liberet te ab omni (opere) malo conservet te in omni (opere) bono et perducat te (per intercessionem omnium sanctorum) ad gloriam sempiternam

bei um Versikel die schon fruumlher beim Hintreten zum Altar gesprochen wur-den wie auch die noch jetzt uumlblichen Deus tu conversus und Ostende Schon das Missale der paumlpstlichen Kapelle um 1290 beschraumlnkt sich auf diese beiden Versikel34 waumlhrend andernorts noch eine Anzahl anderer hinzugefuumlgt sind Do mi ne exaudi orationem meam und Dominus vobiscum vor dem Aufer a nobis sind die uumlblichen Einleitungen einer Oration und stammen aus fruumlher Zeit Das Aufer a nobis selbst ist das aumllte ste Element des Stufengebets und ist jetzt nurmehr seine Schluszligoration Es stammt aus alter roumlmischer Traditi-on und gehoumlrte der Paschafeier an35 Spaumlter sprach man es bei der Kirchwei-he zum Einzug ins Heiligtum wo man die Reliquien abholte Beim Hintritt zum Altar wird es seit dem spaumlten Mit-

34 Vgl J Brinktrine (Eph liturg 1937) 20035 Im Leonianum am Gruumlndonnerstag im aumllteren Gelasianum am Beginn der Quadragesima im Greshygorianum von Padua am Donnerstag der ersten Fastenwoche

Confiteor bei einer Primiz in St Albert Stuttgart (2009)

Das Stufengebet

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telalter leise gesprochen wohl zuerst in EnglandDer Trierer Patristiker Michael Fiedro-wicz schreibt zusammenfassend bdquoDie Entstehung des Stufengebets ist ein anschauliches Beispiel fuumlr die organi-

sche Entwicklung der Meszligliturgie Aus einem betenden Innehalten bzw sich Niederwerfen des Papstes bzw Zele-branten vor dem Altar (78 Jahrhun-dert) einem Bekenntnis der eigenen Unwuumlrdigkeit mit Vergebungsbitte (Apologien 9 Jahrhundert) dem ge-meinsamen Beten von Psalm 42 - ne-ben anderen Ak zeszlig psalmen - auf dem Weg zum Altar (910 Jahrhundert) verschiedenen Psalm-Versikeln (12 Jahrhundert) die vom Buszligakt zur Ora-tion Aufer a nobis (10 Jahrhundert) uumlberleiteten ist allmaumlhlich jener Be-

stand an Vorbereitungsgebeten zu-sammen ge wachsen der mit der An-ordnung Papst Piuslsquo V an den Stufen des Altares Psalm 42 zu beten seine endguumlltige Gestalt gefunden hatldquo36

Die Funktion des Stufengebets im Rahmen der MesseNachdem wir die - mitunter etwas ver-wirrende - geschichtliche Entstehung und Entwicklung des Stufengebets gesehen haben koumlnnen wir uns nun daran machen seine Funktion inner-halb der Vormesse zu klaumlren Diese laumlszligt sich nur aus der Geschichte her-aus richtig deuten

36 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 76

Die Liturgische Bewegung des letzten Jahrhunderts die faumllschlicherweise von der missa lecta [gelesene Messe] als Normalform der Messe ausging waumlhrend das natuumlrlich die missa can-tata [gesungene Messe] ist betrachtete das Stufengebet als einen Dialog von Priester und Volk bzw Prie ster und Mi-nistrant wobei der Ministrant als Ver-treter des Volkes angesehen wurde In der im 20 Jahrhundert erfundenen missa dialogata [dialogisierte Messe] betete folgerichtig das Volk im Wech-sel mit dem Priester das Stufengebet Das Volk war zuvor nie an diesem Dia-log beteiligt weil parallel zum Stufen-gebet der Introitus gesungen wird

Oumlffentliche Vorbereitung an den Stufen des AltaresDer historische Befund laumlszligt eine sol-che Deutung nicht zu auch wenn es im spaumlten Mittelalter vereinzelt zu einer Einbeziehung der Gemeinde gekommen ist37 was Jungmann aber richtig als Grenzfall bezeichnet Der Ursprung des Stufengebets ist wie wir sahen die stille Verneigung oder das Niederwerfen des Pontifex vor dem Altar nach dem Einzug wobei er nach dem Ordo Romanus XVII pro se vel pro peccata populi betet Das ist eindeutig ein privates Vorbereitungsgebet auf die Meszligfeier wie es auch die Apolo-gien des 9 Jahrhundert waren Von einer irgendwie gearteten Beteiligung des Volkes ist dort keine Rede

37 So beginnt im Missale von Tours von 1533 das Misereatur des Priesters mit Fratres et sorores (Marshytegravene I 4 2 4 [I 361]) und in der Konventmesse der Kartaumluser betet nach dem Caeremoniale von 1370 und ebenso noch heute die ganze Kommunitaumlt das Stufengebet der Introitus beginnt erst danach

Stufengebet in der Zisterzienserabtei Mariawald

Die Entstehung des Stufengebetsist ein anschauliches Beispielfuumlr die organische Entwicklung der Meszligliturgie

31Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Auch mit dem Aufkommen des Con fiteor als neuer Form des Suumln-denbekenntnisses ab der er sten Jahr-tausendwende aumlndert sich das nicht Eine Beteiligung des Volkes gab es nicht auszliger in den erwaumlhnten spaumlten Einzelfaumlllen Vielmehr zeigt das im An-fang haumlufige Gegenuumlber von Priester und Diakon beim Confiteor deutlich daszlig es sich hierbei um einen Dialog zwischen den Zelebranten also Prie-ster und Diakon handelt Der Brauch

von Sarum sieht den Subdiakon eben-falls als Zelebranten entsprechend der um diese Zeit aufkommenden An-sicht den Subdiakonat unter die houml-heren Weihen zu zaumlhlen der Priester steht zwischen Diakon und Subdiakon und betet abwechselnd mit ihnen das Stufengebet So ist es bis heute geblie-ben Das Stufengebet ist demnach die private Vorbereitung des Altarklerus auf die Meszligfeier38 Pierre Lebrun nann-te es Anfang des 18 Jahrhundert ganz

38 Vgl J Brinktrine a a O 50 bdquoHinzu kommt daszlig das Staffelgebet mehr die private Vorbereitung des Priesters und seiner ministri darstelltldquo

richtig die bdquoPreacuteparation publique au bas de lrsquoautelldquo39

bdquoIntroibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuventutem meamrdquoDiese Vorbereitung besteht wie schon gesagt aus zwei Teilen dem Psalm 42 zum Hinzutritt zum Altar und dem Suumlndenbekenntnis des ConfiteorDer Psalm der ur spruumlnglich auf dem Weg zum Al tar gebetet wurde und die Sehnsucht nach dem Altar zum Aus-druck bringt hat diese urspruumlngliche Funktion auch nach der Verlegung an die Altarstufen durch Pius V nicht ver-loren Nach wie vor ist der vierte Vers Introibo ad altare Dei ad Deum qui lae-tificat iuventutem meam der beste Aus-druck fuumlr das was gerade geschieht Der Psalm ist im Alten Testament das bdquoGebet eines Bedraumlngten der fern des Heiligtums sich danach sehnt wieder an den Festen des Herrn teilnehmen zu koumlnnenldquo40 bdquoDieses Hintreten vor Gott nach dem es den Saumlnger verlangt hat ist eigentlich erst im Neuen Bun-de vollends moumlglich geworden denn erst durch Christus haben wir das sbquofreie Wort und den Zutritt des Vaterslsquo (Eph 312 vgl Roumlm 52) Der Altar des Neu-en Bundes ist die Stelle an der sich die Begegnung mit Gott im Diesseits am vollsten verwirklichen darfldquo41Der Psalm ist bdquobestens geeignet zur Stim-me der Kirche zu werden die in den aumluszligeren und inneren Bedraumlngnissen der Welt danach verlangt vor Gott zu treten sich von ihm fuumlhren zu lassen und ihn im Lobpreis seiner Treue freu-

39 P Lebrun a a O 7940 M Fiedrowicz a a O 7641 J Jungmann a a O 380

Johannes Chrysostomos

Das Stufengebet

Das Stufengebet ist die private Vorbereitung des Altarklerus auf die MeszligfeierEine Beteiligung des Volkes gab es nicht

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dig Dank zu sagenldquo42 Auf dem Weg zum Altar haumllt der Priester an den Al-tarstufen inne und bringt seine Sehn-sucht zum Altar und zu bdquoGott der mei-ne Jugend erfreutldquo zum Ausdruck

bdquoAber nicht bloszlig das Hintreten erfuumlllt sich hier auch die Situation aus der der Psalmist zu Gott verlangt waumlchst ins Typische Wenn wir zu Gott wollen stellt sich immer irgendwo der homo iniquus [der boumlse Mensch] in den Weg Und so rufen wir zu ihm der uns Staumlr-ke ist er moumlge sein Licht aufleuch-ten und seine Treue wirksam werden lassen und uns hinfuumlhren in montem sanctum zur Houmlhe auf der sich das Opfer von Golgotha erneuern sollldquo43 Die abschlieszligenden Worte der Freude und des Jubels gelten dann schon der Eucharistie

bdquoWenn ihr am Herrentag zusammenkommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquoDer zweite Teil des Stufengebets ist das Suumlndenbekenntnis mit sei ner

42 M Fiedrowicz a a O 7643 J Jungmann a a O 381

Umrahmung das nach Abschluszlig des Psalms folgt Das Be wuszligtsein der Grouml-szlige der Euchari stiefeier und das dazu erforderliche Freisein von Suumlnde geht schon aus der Forderung der Didache aus der Fruumlhzeit der Kirche hervor bdquoWenn ihr am Herrentag zusammen-kommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquo Hier war aber wohl an ein auszligerlitur-gisches Bekenntnis der Teilnehmer gedacht In besonderer Weise gilt die Forderung nach Suumlndenfreiheit natuumlr-lich vom zelebrierenden Priester

So verlangt die Goumlttliche Liturgie des hl Johannes Chrysostomos bdquoBevor der Priester das goumlttliche Mysterium feiert soll er zunaumlchst mit allen ver-soumlhnt sein und gegen niemand etwas haben Er soll sein Herz vor boumlsen Ge-danken bewahrenldquo44 Im Westen legt er im Rahmen seines privaten Vorbe-reitungsgebetes der Messe ein allge-meines Suumlndenbekenntnis mit seinen ministri sacri bzw den diese vertreten-den Ministranten ab

44 S Heitz Mysterium der Anbetung Goumlttliche Liturgie und Stundengebet der Orthodoxen Kirche Koumlln 1986 315

Der dialogische Aufbau des Bekennt-nisses entspricht der Forderung des Apostels Jakobus bdquoBekennt also einan-der eure Suumlnden und betet fuumlreinander damit ihr geheilt werdetldquo (Jak 5 16) Im Gegenuumlber von Zelebrant und ministri wird die Forderung des Apostels be-wuszligt vollzogen Es kommt darin auch die soziale und ekklesiale Dimension von Suumlnde und Vergebung zum Aus-druck

Im getrennten Sprechen des Schuld-bekenntnisses wird auch die beson-dere Stellung des Prie sters sichtbar Er ist ebenso wie seine ministri und das glaumlubige Volk der Schwaumlche und Schuld unterworfen und auf Gottes Barm her zig keit angewiesen aber kraft seiner Weihe ist er doch von ihnen un-terschieden Daszlig der Priester das Con-fiteor allein betet ist bdquodemuumltiger Aus-druck dafuumlr daszlig der Priester der erste ist der sich fuumlr seine Suumlnden anzukla-gen hat um wuumlrdig die heiligen My-sterien feiern zu koumlnnenldquo45 Waumlhrend sich alle genseitig der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen ist der Priester der einzige der kraft seiner Weihe das ehemals sakramental verstandene In-dulgentiam sprechen kann

Die abschlieszligenden Versikel erbit-ten die Zuwendung Gottes (Deus tu conversus) und seine Barmherzigkeit (Ostende nobis) Das letzte ist die Bitte um das gnadenhafte Kommen Chri-sti in der Eucharistie46 Im Aufer a no-bis erbittet der Priester sodann beim

45 M Fiedrowicz a O 7946 Vgl K Gamber Zeige uns o Herr deine Barshymherzigkeit Vom byzantinischen ProthesisshyBild zum spaumltmittelalterlichen ErbaumlrmdeshyChristus Reshygensburg 1986 12

Stufengebet in Mariawald

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Aufstieg zum Altar mit reiner Seele zum Altar hinzutreten zu duumlrfen Die-ses Gebet faszligt eigentlich das ganze Stufengebet noch einmal zusammen Am Altar angelangt legt er die Haumlnde an den Altar und ruft die Fuumlrbitte der Heiligen an (Oramus te Domine) Der Altarkuszlig ehrt diesen als Symbol Christi und stellt den Priester in die Gemein-schaft der Heiligen besonders derer deren Reliquien sich im Altar befinden (quorum reliquiae hic sunt)

bdquoIndem der Zutritt zum Altar im Stufen-gebet gleichsam schrittweise erbetet wird und von fortwaumlhrenden Entsuumln-digungsbitten begleitet ist zeigt der Ri-tus eindringlich wie mit der je groumlszligeren Naumlhe zu Gott das immer staumlrkere Verlan-gen einhergehen muszlig sei ner Heiligkeit zu entsprechenldquo47

Zusammenfassung und SchluszligfolgerungAus dem urchristlichen Bewuszligtsein um Heiligkeit und Groumlszlige der Euchari-stie und der damit verbundenen For-derung nach Buszlige bdquodamit euer Opfer rein seildquo entstanden in den verschie-denen Riten diverse rituelle Formen eines Suumlndenbekenntnisses zu Beginn der Messe Im Westen steht am Anfang der Entwicklung das stille Verbeugen oder Niederwerfen des Papstes vor dem Altar beim roumlmischen Stations-gottesdienst bei dem er frei pro se vel pro peccata populi betet Spaumlter ver-langten die liturgischen Stilgesetze im Frankenreich diese Stille foumlrmlich aus-zufuumlllen Zahlreiche Apologien entste-hen bis im 9 Jahrhundert eine Ord-nung aufkommt die vorherrschend

47 M Fiedrowicz a a O 80

werden sollte und bis heute fortbe-steht Es entstehen die ersten Ansaumltze des spaumlteren Stufengebets die zwar alle diesel be Struktur aber keines-wegs denselben Wortlaut haben Wir haben gesehen wie in tastenden Ver-suchen eine fast verwirrende Vielzahl von Stufengebeten entstehen bis die Entwicklung endguumlltig durch die Li-turgiereform Piuslsquo V ihren Abschluszlig findet

Aus dem historischen Uumlberblick konn-ten wir die eigentliche Funktion des Stufengebets in der Vor messe erken-nen Von seinem ge schichtlichen Ur-sprung her ist es ein privates Gebet des Priesters mit seinem assistieren-den Klerus Am Anfang stand ein re-gelrechtes Gegenuumlber von Priester und Diakon Es ist wie J Brinktrine sagte bdquoprivate Vorbereitung des Prie-sters und seiner ministrildquo48

Daraus ergeben sich vor allem zwei Folgerungen Es muszlig sichtbar blei-ben daszlig hier der Priester und seine Assistenz (Diakon und Subdiakon bzw Ministranten die die ministri sacri ver-

48 S Anm 34

treten) sich privat auf die Feier der hei-ligen Messe betend vorbereiten Ge-maumlszlig der Maszliggabe von Sacro sanctum Concilium daszlig jeder Teilnehmer an der Liturgie bdquonur das und all das tun (soll) was ihm aus der Natur der Sa-che und nach den liturgischen Regeln zukommtldquo49 ist dementsprechend der Brauch zu vermeiden in der missa dialogata die Glaumlubigen das Stufen-gebet laut mitbeten zu lassen Das ist eindeutig eine sbquoRollenvermischunglsquo die erst mit der Liturgischen Bewe-gung aufkam und auf einem falschen Verstaumlndnis der eigentlichen Funktion des Stufengebets beruht

Die zweite Folgerung hat mit der ars celebrandi zu tun Um die Messe wuumlr-dig und gut zu feiern ist es wichtig die Funktion und Bedeutung der einzel-nen Teile gut zu kennen und dement-sprechend zu vollziehen Damit das Stufengebet nicht zum leeren Geplap-per wird gilt es sich in die Bedeutung seiner beider Teile zu vertiefen und wirklich die Sehnsucht zu Gott und seinem Altar und die Reue uumlber die ei-genen Suumlnden zu erwecken

49 SC n 28

Das Stufengebet

Page 4: Das Stufengebet - Pro Missa Tridentina€¦ · Von Lic. theol. Martin Reinecke Der folgende Text ist der Abdruck eines Vortrags auf der liturgischen Schulung in Heiloo (NL) vom 30.6

23Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Die Litanei mit ihren Anrufungen der einzelnen Heiligen ist etwas typisch Roumlmisches wie es sich in der Fruumlhzeit sonst nirgendwo findet Sie entspricht in etwa den Ektenien im byzantini-schen und gallikanischen Ritus die ebenfalls Fuumlrbitten und das Kyrie elei-son kennenLetzteres ist in den Ektenien die Ant-wort des Volkes auf die einzelnen Bit-ten des Diakons In der roumlmischen leta-nia steht es dagegen als selbstaumlndiger Ruf jeweils am Anfang und am Ende Dem Kyrie eleison voraus geht ein drei-maliges Christe audi nos das eine freie Uumlbersetzung des griechischen Rufes darstelltDas spaumltere Kyrie zu Beginn der rouml-mischen Messe wie wir es noch heu-te kennen ist nichts anderes als der Schluszlig der alten letania wie sie auf dem Weg zur Stationskirche gesungen wurde In spaumlteren Liturgiebuumlchern heiszligt es deshalb das Kyrie der Messe falle aus wenn eine solche Prozession

mit der Allerheiligenlitanei voraus-geht7

Da die irischen Meszlig-Libelli offensicht-lich stadtroumlmisches Li tur gie gut wie-dergeben ist davon auszugehen daszlig man in Rom urspruumlnglich eine Prozes-sion mit Allerheiligenlitanei zur Kir-che kannte wo dann die stets gleiche missa canonica gefeiert wurde Dieser Auftakt zur Messe hatte Buszligcharak-ter Der Ritus konnte sich aber fuumlr die normale Messe nicht erhalten auszliger wie gesagt im fruumlhen Irland Wann er in Rom auszliger Gebrauch gekommen ist wissen wir nicht Lediglich an be-stimmten Tagen kennt die spaumltere rouml-mische Liturgie eine solche Prozession noch bei der StationsliturgieHier haben wir also ein sehr fruumlhes Zeugnis eines allgemeinen Buszlig ritus zu Beginn der Messe der aber mit dem Buszligakt der neuen Messe nichts gemein hat und auch nicht als Vorbild gegolten hat Auch hat das spaumltere Stufengebet der alten Messe keinen Bezug zu dieser urspruumlnglichen Eroumlff-nung der stadtroumlmischen Liturgie

Die Papstmesse nach dem Ordo Romanus IAuf unserer Suche nach den Urspruumln-gen des Stufengebets muumlssen wir also

7 So im stadtroumlmischen Ordo der Quadragesima (Vgl M Andrieu Ordines Romani III 261 ldquoNam quando letania nec Gloria in excelsis nec Cyrieleishyson post introitum nec Alleluia cantatur (Denn wenn letania ist wird weder Gloria in excelsis noch Cyireleison nach dem Introitus noch Alleluja gesunshygenhellip)ldquo PL 78 1039 Quando efficitur Collecta ad missam non cantatur Kyrie quia regionarius dixit in litania (Wenn die Collecta gehalten worden ist wird zur Messe kein Kyrie gesungen weil der regionarius es in der Litanei gesprochen hat)

in anderen Quellen suchen Aufgrund der fehlenden Quellenlage uumlber die

Liturgie der roumlmischen Stadtkirchen muumlssen wir in der paumlpstlichen Liturgie su chen zumal ja unsere Messe in der Tradition der paumlpstlichen Messe seit Gregor dem Groszligen steht

Den rituellen Verlauf des paumlpstlichen Stationsgottesdienstes kennen wir aus den Ordines Romani die Michel Andrieu im vorigen Jahrhundert unter Heranziehung der gesamten auf uns gekommenen Manuskripte kritisch ORDO ROMANE EC[C]L[ESI]E

DENVNTIATIONE STATVTIS DIEB[VS] FES[TIVIS](Seite aus dem Ordo Romanus I)

Papst Benedikt XVI am Karfreitag

Meszligbuch aus dem 12 Jahrhundert

Das Stufengebet

Das spaumltere Kyrie zu Beginn der roumlmischen Messe ist nichts anderes als der Schluszlig der alten letaniawie sie auf dem Weg zur Stationskirche gesungen wurde

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herausgegeben hat Trotz des Namens stammen laumlngst nicht alle dieser Ordi-nes aus Rom selber sondern sind oft an anderen Orten erstellte Bearbei-tungen stadtroumlmischer Buumlcher und BraumlucheFuumlr unsere Frage kommt der Ordo ro-manus I aus dem Ende des 7 Jahrhun-derts in Betracht der eine rein stadtrouml-mische Quelle darstellt Er beschreibt den groszligen roumlmischen Stationsgottes-dienst wie er sich bis zum 8 Jahrhun-dert entwickelt hat Er ist zum Vorbild und Muster fuumlr die weitere Gestaltung der Messe uumlberhaupt geworden und hat Auswirkungen bis in die letzte Dorfpfarrei und sogar bis in die soge-nannte stille Messe gehabt8

Er beschreibt den Anfang der Stati-onsmesse wie der Papst unter dem Gesang des Introitus in die Kirche ein-zieht Am Altar angekommen laumlszligt er sich auf einem zu diesem Zweck aus-gebreiteten Teppich zu stillem Gebet nieder9 wie es heute noch der Priester zu Beginn der Karfreitagsliturgie tut Danach erhebt er sich und gruumlszligt das Evangeliar und den Altar mit einem Kuszlig In dieser schweigenden Anbe-tung des Papstes vor dem Altar liegen offensichtlich die Anfaumlnge des heuti-gen Confiteor mit seiner Umrahmung das den zweiten Teil des Stufengebets bildetDer Ordo fuumlhrt nicht weiter aus was die Funktion dieses stillen Gebetes

8 Vgl J A Jungmann Missarum Sollemnia Bd 1 41958 889 Ordo romano I n 8 bdquout ponat oratorium (darunter muszlig ein Teppich verstanden werden) ante altare Et accedens pontifex orat super ipsumldquo (hellipdaszlig er ein oratorium vor den Altar plaziert Und der Pontifex tritt hinzu und betet auf diesem)

war oder was der Papst dabei betete Der Wortlaut war wohl noch ihm uumlber-lassen ein fixiertes Gebet ist zu dieser Zeit nicht zu erwartenWie bereits erwaumlhnt wurde der Ordo romanus I immer wieder uumlberarbeitet um die Anweisungen fuumlr die paumlpstli-che Liturgie in Rom an die Verhaumlltnisse in anderen Kirchen anzupassen Eine solche Bearbeitung des Ordo aus dem Frankenreich stellt der Ordo romanus XV das Capitulare ecclesiastici ordinis aus der 2 Haumllfte des 8 Jahrhunderts dar Hier wird in der Beschreibung der Stationsmesse das stille Gebet des Papstes zu Beginn wie folgt be-schrieben bdquoInde praecedit ab altare et prostrato omni corpore in terram facit orationemldquo [Darauf geht er zum Altar wirft sich mit dem gesamten Koumlrper nie-der und betet] Damit wird die Rubrik des Ordo I naumlher bestimmt und kon-kretisiert entgegen der spaumlteren fraumln-kischen Uumlberlieferung die an dieser

Stelle fast nur das verbeugte Stehen an dieser Stelle kennt wie noch heute beim ConfiteorEine Erweiterung dieser Rubrik des Capitulare im Breviarium ecclesiastici ordinis dem Ordo Romanus XVII aus dem Ende des 8 Jahrhundert deutet nach Jungmann schon bdquodie Richtung auf das Buszliggebetldquo10 an Hier wird prauml-zisiert fundens orationem pro se vel pro peccata populi [er sagt ein Gebet fuumlr sich beziehungsweise fuumlr die Suumlnden des Volkes]11 Hier haben wir den ersten direkten Hinweis in einem liturgischen Buch darauf daszlig am Beginn der Mes-se ein Gebet fuumlr die eigenen und die Suumlnden des Volkes steht Jungmann wertet das als einen Hinweis auf die spaumlteren Apologien an dieser Stelle12

10 J A Jungmann 38611 Andrieu III 17912 J A Jungmann 387

Hochamt beim Katholikentag in Mannheim (2012)

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Erste Formen eines Schuldbekenntnisses ApologienMit dem Beduumlrfnis das Gebet pro se vel pro peccata populi naumlher zu bestim-men kommen im fraumlnkischen Bereich im 9 bis 11 Jahrhundert an dieser Stelle zahlreiche Apologien auf bdquoper-soumlnliche Schuld- und Unwuumlrdigkeits-bekenntnisse des Zelebranten von meist betraumlchtlichem Umfang die sich mit der Bitte um Gottes erbarmende Gnade verbindenldquo13

Apologien sind eine typisch fraumlnkische Erscheinung und waren dem roumlmi-schen Geist eher fremd Diese Entwick-lung des stillen Gebets pro se vel pro peccata populi zu Beginn der Meszligfei-er konnte deshalb keine Zukunft ha-ben Spaumltestens bei der Ruumlckkehr der nunmehr roumlmischfraumlnkischen Liturgie nach Rom ab dem 11 Jahrhundert wauml-ren diese Apologien ebenso entfernt worden wie die meisten anderen Apo-logien auch und durch andere ersetzt die der roumlmischen Mentalitaumlt mehr entsprachen

Entwicklung des Stufengebets ab dem 10 JahrhundertDoch so weit solle es nicht kommen denn noch vor dem Ende des 10 Jahr-hunderts tritt eine neue Ordnung auf die im rheinischen Meszligordo enthalten ist Ihr sollte die Zukunft gehoumlren zu-mal sie auch bedeutend mehr roumlmi-schem Geist entsprichtSo lautet die entsprechende Rubrik im Pontifikale des Halinardus bdquoDanach tritt der Bischof in die Kirche ein (hellip) kuumlszligt die Diakone und zwei Priester

13 Ebd 103shy104

Und er beginnt von sich sbquoIntroibo ad altare Deilsquo mit dem Psalm sbquoIudica me Deuslsquo Wenn er zum Altar kommt sagt er diese Orationen sbquoAufer a nobishelliplsquo sbquoOmnipotens sempiterne Deus qui me peccatoremhelliplsquoldquo14

Der Psalm bdquoIudica meldquoHier wird also erstmals auf dem Weg zum Altar Psalm 42 gesprochen dem bei der Ankunft am Altar zwei Oratio-nen folgen darunter unser Aufer a no-bis Auszligerdem gibt es Apologien die Vorlaumlufer unseres Confiteor darstellen

14 Postquam in ecclesiam intrat episcopus () osculetur diaconos et presbytero duos Et incipiat per se rsquoIntroibo ad altare Deilsquo cum psalmo lsquoIudica me Deusrsquo Cum venerit ad altare dicat has orationes lsquoAufer a nobis rsquo lsquoOmnipotens sempiterne Deus qui me peccatorem rsquo

und auf verschiedene Weise einbezo-gen sind Wir haben hier zum ersten Mal die Struktur des spaumlteren Stufen-gebets wobei die Stelle des Confiteor noch von Apologien vertreten ist Ein foumlrmliches Confiteor mit Vergebungs-bitte erscheint dann um die Mitte des 11 Jahrhundert in der Normandie15 und auf italischem Boden16Diese neue Ordnung der Eroumlffnung der Messe hat sich auf den Wegen der cluniazensischen Reform bald in Italien und Deutschland ausgebreitet ohne schon eine einheitliche Fassung zu haben Es wurde fast uumlberall an den Stufen des Altares ein foumlrmliches Confiteor in irgendeiner Fassung mit der entsprechenden Antwort und die nachfolgende Oration Aufer a nobis

15 Bei Johannes von Avranche16 Vgl Codex Chigi ed Martegravene 1 4 XII (I 569)

Levitiertes Hochamt beim Katholikentag in Mannheim

Das Stufengebet

Im 8 Jahrhundert warf sich der Papst zu Beginn der Messevor dem Altar auf den Boden hin undbetete fuumlr sich und fuumlr die Suumlnden des Volkes

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gesprochen Das gehoumlrte seit dem 12 Jahrhundert zur festen Ordnung eines jeden Meszligordo17 Der Psalm Iudica me war noch nicht so verbrei-tet Er gehoumlrt im spaumlteren Mittelalter zahlreichen Meszligordnungen noch nicht an Deshalb fehlt der Psalm noch heute in den Liturgien der Kar-taumluser der beschuhten Karmeliten und der Dominikaner die ihre Ord-nungen im 13 Jahrhundert festge-legt haben und ihn den damaligen Schwankungen entsprechend nicht aufgenommen haben Jungmann berichtet daszlig sogar noch auf der ersten Generalkongregation der Je-suiten 1558 beschlossen wurde auf den Psalm zu verzichten18 Erst das Missale Piuslsquo V machte den Psalm zur allgemeinen Vorschrift da es sich auf das Missale Curiae stuumltzte das den Psalm kannte ebenso wie die meisten italischen MeszligbuumlcherWaumlhrend des ganzen Mittelalters blieb es vorherrschende Regel den Psalm Iudica me auf dem Weg zum Altar zu beten wie es schon die oben ange-fuumlhrte Rubrik des 10 Jahrhunderts festgesetzt hatte bdquoNoch nach dem Missale Pauls III konnte der Zelebrans ihn laut oder still auf dem Wege zum Altar betenldquo19 Nur seltene Ausnahmen verlegen ihn bereits eindeutig an die Stufen des Altares meist dort wo das Ankleiden oder das Anlegen der Kasel am Altar geschieht Daszlig das Missale Piuslsquo V ihn entgegen der weit verbrei-

17 Mit Ausnahme eines Missale von Toul um 1400 das vor dem Aufer a nobis nur die Apologie Ante conshyspectum hat18 J A Jungmann 38019 J Brinktrine Die heilige Messe in ihrem Werden und Wesen Paderborn 1931 51

teten Gewohnheit an die Altarstufen verlegt hat wohl seinen Grund in der Tatsache daszlig man dem Psalm ein sorgfaumlltiges Sprechen sichern und ihm mehr Gewicht geben wollteDoch auch nach der Kodifizierung durch Pius V war der Ort des Stufen-gebets - und damit auch des Psalms 42 - noch nicht uumlberall an den Stufen des Altares So berichtet Pierre Lebrun noch 1716 uumlber Sonderbraumluche im Frankreich seiner Zeit bdquodie einen ma-chen sie in einer eigenen Kapelle wie man sie noch in Tours am Grab des heiligen Martin macht die anderen im Chor wie in Laon und Chartres oder am Eingang des Chorraums weit vom Altar wie in Soissons und Chacirclons-sur-Marne andere an der linken Seite des Altars beim Eingang das heiszligt auf der Evangelienseite wie in Vienne und bei den Kartaumlusern die den Brauch aus dieser Metropole uumlbernommen ha-

ben andere schlieszliglich in der Sakristei wie in Reimsldquo20

Seit dem 11 Jahrhundert wird dem Psalm die Antiphon Introibo voran-gestellt die spaumlter und bis heute als Versikel behandelt wird Die Versikel Adiutorium nostrum erscheint bereits im Meszlig ordo der paumlpstlichen Kapelle um 129021 Das dem Taufbefehl Jesu entnommene Kreuzzeichen vor dem Psalm ist erst seit dem 14 Jahrhundert vereinzelt nachweisbar

Das bdquoConfiteorldquoWie der Psalm Iudica lange Zeit keine einheitliche Ordnung kannte so ging

20 P Lebrun Explication litteacuterale historique et dogamtique des priegraveres et des ceacutereacutemonies de la messe suivant les anciens auteurs et les monument de la plupart des eacuteglises avec des dissertations et des notes sur les endroit difficiles et sur lrsquoorigine des rites Paris 1716 Nachdruck Tours 1976 8021 Ebd 383

Stufengebet bei einer stillen heiligen Messe

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es auch dem Confiteor Ein einheitli-ches Formular gab es lange Zeit nicht dafuumlr Ein Vorlaumlufer der spaumlteren Confiteor-Formeln war die verbreitete Apologie ldquoVor dem Angesicht deiner goumlttlichen Majestaumlt o Herr und dieser deiner Hei-ligen bekenne ich dir meinem Gott und meinem Schoumlpfer durch meine Schuld denn ich habe gesuumlndigt in Stolz in Haszlig und Neid in Begierde und Geiz in Un-zucht und Unreinheit in Rausch und Trunkenheit in Luumlge und Meineid und in allen Lastern die aus diesen hervor-gehen Was noch Durch Sehen Houmlren Geruch Geschmack und Tasten und durchaus in Gedanken Worten und Ta-ten bin ich verdorben deshalb der du den Suumlnder ge recht fer tigst rechtfertige auch mich und laszlig mich auferstehen vom Tod zum Leben Herr mein Gottldquo22

In dieser Apologie spricht der Zele-brant ein ausfuumlhrliches Bekenntnis seiner Suumlnden und Fehler vor seinem bdquoGott und Schoumlpferldquo in dem auch be-reits das spaumltere mea culpa vorkommt wobei ein ausfuumlhrlicher Suumlndenka-talog erwaumlhnt wird In den spaumlteren Confiteor-Formeln geht man von die-sen Suumlndenkatalogen weg zu einem allgemeinen Bekenntnis peccavi nimis cogitatione verbo et opere [daszlig ich viel

22 Ante conspectum divinae maiestatis tuae Domine his sanctis tuis confiteor tibi Deo meo et creatori meo mea culpa quia peccavi in superbia in odio et invidia in cupiditate et avaritia in forshynicatione et inmunditia in ebrie tate et crapula in mendacio et periurio et in omnibus vitiis quae ex his prodeunt Quid plura Visu auditu olfactu gustu et tactu et omnino in cogitatione et locutione et actione perditus sum quapropter qui iustificas imshypio iustifica me et resuscita me de morte ad vitam Domine Deus meus

gesuumlndigt habe in Gedanken Worten und Werken] Der bedeutendste Un-terschied liegt aber darin daszlig das Be-kenntnis nur vor Gott erfolgt waumlhrend in den Confiteor-Formeln die soziale Dimension von Suumlnde aufscheint Das Bekenntnis wird vor vobis fratres und den Heiligen abgelegt die auch um Fuumlrbitte vor Gott gebeten werdenDiese urspruumlngliche und weitver-breitete Apologie fuumlhrte dann ab der Jahrtausendwende zu den er sten foumlrmlichen Confiteor-For meln Eine sehr kurze fruumlhe For mel war in Clu-ny um 1080 in Gebrauch bdquoIch beken-ne Gott und allen seinen Heiligen und euch Vater daszlig ich gesuumlndigt habe in Gedanken Worten und Werken durch meine Schuld Ich bitte euch betet fuumlr

michldquo23 Diese neue Form des Suumlnden-bekenntnisses bringt bereits gut zum Ausdruck was fuumlr alle spaumlteren Confi-teor-Formeln auch gilt das Bekenntnis des ersten Teils geschieht vor Gott und der himmlischen Kirche die Fuumlrbitte im zweiten Teil richtet sich zuerst an die irdische Kirche und im Bewuszligt-sein der communio sanc to rum an die himmlischeSchon bald auch schon im 11 Jahr-hundert waren auch laumlngere Formeln uumlblich Sie wurden immer ausgedehn-ter so daszlig das Generalkapitel der Zi-sterzienser im Jahr 1184 bestimmen

23 Udalrici Consuet Clun II 30 (PL 149 716) ldquoConfiteor Deo et omnibus sanctis eius et vobis pashyter quia peccavi in cogitatione locutione et opere mea culpa Precor vos orate pro merdquo

Stufengebet im Meszligbuch

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muszligte daszlig vor allen Heiligen die Got-tesmutter zu nennen sei Confiteor Deo et beatae Mariae et omnibus Sanctis24 Im Verlauf des Mittelalters wuchs die Zahl der Heiligen vor allem im zwei-ten Teil immer weiter an Das Konzil zu Ravenna bestimmte deshalb 1314 au-szliger Maria nur noch Michael Johannes den Taumlufer und die Apostel Petrus und Paulus zu nennen25 wie wir es noch heute tunAuch die Umschreibung und Aufzaumlh-lung der Suumlnden wurde immer kon-kreter Das Bekenntnis wurde nahezu zu einem Suumlndenbekennt nis in specie wie man es mancherorts vom Chor-gebet kannte Dabei wirkten wohl Confiteor-Formeln ein die fuumlr die sa-kramentale Beichte dienten Die mit-telalterlichen Liturgieerklaumlrer miszligbilli-gen diese Entwicklung da es sich hier nicht um ein geheimes sondern ein oumlffentliches Bekenntnis handle26

24 Schneider CistshyChr 1926 25525 Mansi XXV 54726 Vgl Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217

Von Anfang an wurde das Confiteor tief verbeugt gesprochen wie diverse Meszligordines erwaumlhnen wenngleich auch das Knien verbreitet gewesen sein muszlig Auch das Schlagen an die Brust beim mea culpa wird schon fruumlh erwaumlhnt27

Die Urspruumlnge des Confiteor liegen jedoch nicht in der Messe Ab dem 9 Jahrhundert sind uns Fassungen uumlberliefert die bei der sakramentalen Beichte gebraucht wurden Oft ent-hielten sie einen langen Suumlndenka-talog aumlhnlich wie in einigen Laumlndern noch heute traditionellerweise das persoumlnliche Suumlndenbekenntnis in das Confiteor nach dem mea maxima culpa eingefuumlgt wird In dieser fruumlhen Zeit stand der standardmaumlszligige Suumlndenka-

806) Sicard von Cremona Mitrale III 2 (PL213 96 A) Durandus IV 7 2 Joh Beleth Explicatio c33 (PL 202 43) die Suumlnden duumlrfen hier nur generaliter beshykannt werden nec mensuram accedere27 Stephan von Baugeacute De sacr altaris c 12 (PL172 1283 B) Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217 806) Durandus IV 7 3

talog allerdings noch an Stelle eines detaillierten persoumlnlichen Bekenntnis-ses28 Bald auch schon im 9 Jahr hun-dert kommt ein solches Suumlndenbe-kenntnis taumlglich in Prim und Komplet vorVon daher wird nun auch ein Confi-teor in die Messe uumlbernommen Bis zur Mitte des 11 Jahrhunderts ist der entscheidende Uumlbergang abgeschlos-sen29 In der ersten Zeit gab es dabei vielfach ein Gegenuumlber von Priester und Diakon das an das kloumlsterliche gegenseitige Bekennen erinnert So sprach in Cluny der Priester das Confi-teor vor dem Altar an der Evangelien-seite inclinis contra diaconum similiter inclinem [verbeugt zum Diakon der ebenfalls verbeugt ist]30 Aumlhnlich war es

28 Auch in der Orthodoxie kennt man neben dem individuellen Suumlndenbekenntnis beim geistlichen Vater ein solches standardmaumlszligiges Bekenntnis mit einem langen Suumlndenkatalog vor dem Empfang der Kommunion29 Vgl J A Jungmann 38930 Udalrici Consuet Clun II 30 (PL 149 716A)

Confiteor beim Levitierten Hochamt (Mannheim 2012)

29Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

an vielen Orten so bei den Kartaumlusern und im Missale von Westminster waumlh-rend in Sarum Diakon und Subdiakon rechts und links vom Priester stehen und beide antworten Letztere Form hat sich schlieszliglich durchgesetzt und wurde von Pius V endguumlltig bestaumltigt und festgelegtSofort ist das Confiteor in der Messe mit dem Misereatur verbunden das auch Nichtgeweihte als fuumlrbittende Antwort sprechen durften31 Auch das Indulgentiam bzw oft mit dem zwei-ten Wort Absolutionem beginnend wurde von Anfang an in die Messe aufgenommen das in dieser Zeit und noch mehrere Jahrhunderte lang Aus-druck der priesterlich-sakramentalen Lossprechung ist Seit kurz vorher die Gewohnheit aufgekommen war Be-kenntnis und Lossprechung bei der Beichte in ein und derselben Feier abzuhalten hatte man auch fuumlr das in den Kloumlstern uumlbliche woumlchentliche Suumlndenbekenntnis vor dem geist-lichen Vater dem Misereatur die sa-kramentale Lossprechung Indulgen-tiam hinzugefuumlgt32 Von daher kam es nun auch in die Meszligliturgie Da es sakramentalen Charakter hatte kam es zunaumlchst nur dem Priester zu der Diakon und eventuell der Subdiakon antwortet nur mit Misereatur Eine fruuml-he Form des Misereatur wie es sich im 910 Jahrhundert haumlufig findet lau-tet bdquoEs erbarme sich deiner der allmaumlch-tige Gott und lasse dir alle deine Suumlnden nach er befreie dich von allem Boumlsen (Werk) er bewahre dich in allem Guten

31 Vgl J A Jungmann Die lateinischen Buszligriten in ihrer geschichtlichen Entwicklung Innsbruck 1932 282shy28332 Ebd 283shy284

(Werk) und fuumlhre dich (durch die Fuumlrbitte aller Heiligen) zur ewigen Herrlichkeitldquo33

Umrahmende VersikelZu dem Confiteor-Ritus kam dann im Mittelalter noch eine Umrahmung hinzu indem man dem Confiteor ver-schiedene Versikel unmittelbar voran-gestellt hat Das noch heute uumlbliche Adiutorium nostrum in nomine Domini erscheint in Italien schon im 11 Jahr-hundert an dieser Stelle auszligerhalb Italiens anscheinend erst seit dem 15 JahrhundertAuch nach dem Buszligakt wurden schon fruumlh eine Reihe Versikel als Uumlberlei-tung zum Aufer a nobis eingefuumlgt Sie haben eine aumlhnliche Funktion wie die Preces vor der Oration im Offizium Daran erinnert auch verbeugte Koumlr-perhaltung Meist handelt es sich da-

33 Misereatur tui omnipotens Deus et dimittat tibi omnia peccata tua liberet te ab omni (opere) malo conservet te in omni (opere) bono et perducat te (per intercessionem omnium sanctorum) ad gloriam sempiternam

bei um Versikel die schon fruumlher beim Hintreten zum Altar gesprochen wur-den wie auch die noch jetzt uumlblichen Deus tu conversus und Ostende Schon das Missale der paumlpstlichen Kapelle um 1290 beschraumlnkt sich auf diese beiden Versikel34 waumlhrend andernorts noch eine Anzahl anderer hinzugefuumlgt sind Do mi ne exaudi orationem meam und Dominus vobiscum vor dem Aufer a nobis sind die uumlblichen Einleitungen einer Oration und stammen aus fruumlher Zeit Das Aufer a nobis selbst ist das aumllte ste Element des Stufengebets und ist jetzt nurmehr seine Schluszligoration Es stammt aus alter roumlmischer Traditi-on und gehoumlrte der Paschafeier an35 Spaumlter sprach man es bei der Kirchwei-he zum Einzug ins Heiligtum wo man die Reliquien abholte Beim Hintritt zum Altar wird es seit dem spaumlten Mit-

34 Vgl J Brinktrine (Eph liturg 1937) 20035 Im Leonianum am Gruumlndonnerstag im aumllteren Gelasianum am Beginn der Quadragesima im Greshygorianum von Padua am Donnerstag der ersten Fastenwoche

Confiteor bei einer Primiz in St Albert Stuttgart (2009)

Das Stufengebet

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telalter leise gesprochen wohl zuerst in EnglandDer Trierer Patristiker Michael Fiedro-wicz schreibt zusammenfassend bdquoDie Entstehung des Stufengebets ist ein anschauliches Beispiel fuumlr die organi-

sche Entwicklung der Meszligliturgie Aus einem betenden Innehalten bzw sich Niederwerfen des Papstes bzw Zele-branten vor dem Altar (78 Jahrhun-dert) einem Bekenntnis der eigenen Unwuumlrdigkeit mit Vergebungsbitte (Apologien 9 Jahrhundert) dem ge-meinsamen Beten von Psalm 42 - ne-ben anderen Ak zeszlig psalmen - auf dem Weg zum Altar (910 Jahrhundert) verschiedenen Psalm-Versikeln (12 Jahrhundert) die vom Buszligakt zur Ora-tion Aufer a nobis (10 Jahrhundert) uumlberleiteten ist allmaumlhlich jener Be-

stand an Vorbereitungsgebeten zu-sammen ge wachsen der mit der An-ordnung Papst Piuslsquo V an den Stufen des Altares Psalm 42 zu beten seine endguumlltige Gestalt gefunden hatldquo36

Die Funktion des Stufengebets im Rahmen der MesseNachdem wir die - mitunter etwas ver-wirrende - geschichtliche Entstehung und Entwicklung des Stufengebets gesehen haben koumlnnen wir uns nun daran machen seine Funktion inner-halb der Vormesse zu klaumlren Diese laumlszligt sich nur aus der Geschichte her-aus richtig deuten

36 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 76

Die Liturgische Bewegung des letzten Jahrhunderts die faumllschlicherweise von der missa lecta [gelesene Messe] als Normalform der Messe ausging waumlhrend das natuumlrlich die missa can-tata [gesungene Messe] ist betrachtete das Stufengebet als einen Dialog von Priester und Volk bzw Prie ster und Mi-nistrant wobei der Ministrant als Ver-treter des Volkes angesehen wurde In der im 20 Jahrhundert erfundenen missa dialogata [dialogisierte Messe] betete folgerichtig das Volk im Wech-sel mit dem Priester das Stufengebet Das Volk war zuvor nie an diesem Dia-log beteiligt weil parallel zum Stufen-gebet der Introitus gesungen wird

Oumlffentliche Vorbereitung an den Stufen des AltaresDer historische Befund laumlszligt eine sol-che Deutung nicht zu auch wenn es im spaumlten Mittelalter vereinzelt zu einer Einbeziehung der Gemeinde gekommen ist37 was Jungmann aber richtig als Grenzfall bezeichnet Der Ursprung des Stufengebets ist wie wir sahen die stille Verneigung oder das Niederwerfen des Pontifex vor dem Altar nach dem Einzug wobei er nach dem Ordo Romanus XVII pro se vel pro peccata populi betet Das ist eindeutig ein privates Vorbereitungsgebet auf die Meszligfeier wie es auch die Apolo-gien des 9 Jahrhundert waren Von einer irgendwie gearteten Beteiligung des Volkes ist dort keine Rede

37 So beginnt im Missale von Tours von 1533 das Misereatur des Priesters mit Fratres et sorores (Marshytegravene I 4 2 4 [I 361]) und in der Konventmesse der Kartaumluser betet nach dem Caeremoniale von 1370 und ebenso noch heute die ganze Kommunitaumlt das Stufengebet der Introitus beginnt erst danach

Stufengebet in der Zisterzienserabtei Mariawald

Die Entstehung des Stufengebetsist ein anschauliches Beispielfuumlr die organische Entwicklung der Meszligliturgie

31Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Auch mit dem Aufkommen des Con fiteor als neuer Form des Suumln-denbekenntnisses ab der er sten Jahr-tausendwende aumlndert sich das nicht Eine Beteiligung des Volkes gab es nicht auszliger in den erwaumlhnten spaumlten Einzelfaumlllen Vielmehr zeigt das im An-fang haumlufige Gegenuumlber von Priester und Diakon beim Confiteor deutlich daszlig es sich hierbei um einen Dialog zwischen den Zelebranten also Prie-ster und Diakon handelt Der Brauch

von Sarum sieht den Subdiakon eben-falls als Zelebranten entsprechend der um diese Zeit aufkommenden An-sicht den Subdiakonat unter die houml-heren Weihen zu zaumlhlen der Priester steht zwischen Diakon und Subdiakon und betet abwechselnd mit ihnen das Stufengebet So ist es bis heute geblie-ben Das Stufengebet ist demnach die private Vorbereitung des Altarklerus auf die Meszligfeier38 Pierre Lebrun nann-te es Anfang des 18 Jahrhundert ganz

38 Vgl J Brinktrine a a O 50 bdquoHinzu kommt daszlig das Staffelgebet mehr die private Vorbereitung des Priesters und seiner ministri darstelltldquo

richtig die bdquoPreacuteparation publique au bas de lrsquoautelldquo39

bdquoIntroibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuventutem meamrdquoDiese Vorbereitung besteht wie schon gesagt aus zwei Teilen dem Psalm 42 zum Hinzutritt zum Altar und dem Suumlndenbekenntnis des ConfiteorDer Psalm der ur spruumlnglich auf dem Weg zum Al tar gebetet wurde und die Sehnsucht nach dem Altar zum Aus-druck bringt hat diese urspruumlngliche Funktion auch nach der Verlegung an die Altarstufen durch Pius V nicht ver-loren Nach wie vor ist der vierte Vers Introibo ad altare Dei ad Deum qui lae-tificat iuventutem meam der beste Aus-druck fuumlr das was gerade geschieht Der Psalm ist im Alten Testament das bdquoGebet eines Bedraumlngten der fern des Heiligtums sich danach sehnt wieder an den Festen des Herrn teilnehmen zu koumlnnenldquo40 bdquoDieses Hintreten vor Gott nach dem es den Saumlnger verlangt hat ist eigentlich erst im Neuen Bun-de vollends moumlglich geworden denn erst durch Christus haben wir das sbquofreie Wort und den Zutritt des Vaterslsquo (Eph 312 vgl Roumlm 52) Der Altar des Neu-en Bundes ist die Stelle an der sich die Begegnung mit Gott im Diesseits am vollsten verwirklichen darfldquo41Der Psalm ist bdquobestens geeignet zur Stim-me der Kirche zu werden die in den aumluszligeren und inneren Bedraumlngnissen der Welt danach verlangt vor Gott zu treten sich von ihm fuumlhren zu lassen und ihn im Lobpreis seiner Treue freu-

39 P Lebrun a a O 7940 M Fiedrowicz a a O 7641 J Jungmann a a O 380

Johannes Chrysostomos

Das Stufengebet

Das Stufengebet ist die private Vorbereitung des Altarklerus auf die MeszligfeierEine Beteiligung des Volkes gab es nicht

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dig Dank zu sagenldquo42 Auf dem Weg zum Altar haumllt der Priester an den Al-tarstufen inne und bringt seine Sehn-sucht zum Altar und zu bdquoGott der mei-ne Jugend erfreutldquo zum Ausdruck

bdquoAber nicht bloszlig das Hintreten erfuumlllt sich hier auch die Situation aus der der Psalmist zu Gott verlangt waumlchst ins Typische Wenn wir zu Gott wollen stellt sich immer irgendwo der homo iniquus [der boumlse Mensch] in den Weg Und so rufen wir zu ihm der uns Staumlr-ke ist er moumlge sein Licht aufleuch-ten und seine Treue wirksam werden lassen und uns hinfuumlhren in montem sanctum zur Houmlhe auf der sich das Opfer von Golgotha erneuern sollldquo43 Die abschlieszligenden Worte der Freude und des Jubels gelten dann schon der Eucharistie

bdquoWenn ihr am Herrentag zusammenkommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquoDer zweite Teil des Stufengebets ist das Suumlndenbekenntnis mit sei ner

42 M Fiedrowicz a a O 7643 J Jungmann a a O 381

Umrahmung das nach Abschluszlig des Psalms folgt Das Be wuszligtsein der Grouml-szlige der Euchari stiefeier und das dazu erforderliche Freisein von Suumlnde geht schon aus der Forderung der Didache aus der Fruumlhzeit der Kirche hervor bdquoWenn ihr am Herrentag zusammen-kommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquo Hier war aber wohl an ein auszligerlitur-gisches Bekenntnis der Teilnehmer gedacht In besonderer Weise gilt die Forderung nach Suumlndenfreiheit natuumlr-lich vom zelebrierenden Priester

So verlangt die Goumlttliche Liturgie des hl Johannes Chrysostomos bdquoBevor der Priester das goumlttliche Mysterium feiert soll er zunaumlchst mit allen ver-soumlhnt sein und gegen niemand etwas haben Er soll sein Herz vor boumlsen Ge-danken bewahrenldquo44 Im Westen legt er im Rahmen seines privaten Vorbe-reitungsgebetes der Messe ein allge-meines Suumlndenbekenntnis mit seinen ministri sacri bzw den diese vertreten-den Ministranten ab

44 S Heitz Mysterium der Anbetung Goumlttliche Liturgie und Stundengebet der Orthodoxen Kirche Koumlln 1986 315

Der dialogische Aufbau des Bekennt-nisses entspricht der Forderung des Apostels Jakobus bdquoBekennt also einan-der eure Suumlnden und betet fuumlreinander damit ihr geheilt werdetldquo (Jak 5 16) Im Gegenuumlber von Zelebrant und ministri wird die Forderung des Apostels be-wuszligt vollzogen Es kommt darin auch die soziale und ekklesiale Dimension von Suumlnde und Vergebung zum Aus-druck

Im getrennten Sprechen des Schuld-bekenntnisses wird auch die beson-dere Stellung des Prie sters sichtbar Er ist ebenso wie seine ministri und das glaumlubige Volk der Schwaumlche und Schuld unterworfen und auf Gottes Barm her zig keit angewiesen aber kraft seiner Weihe ist er doch von ihnen un-terschieden Daszlig der Priester das Con-fiteor allein betet ist bdquodemuumltiger Aus-druck dafuumlr daszlig der Priester der erste ist der sich fuumlr seine Suumlnden anzukla-gen hat um wuumlrdig die heiligen My-sterien feiern zu koumlnnenldquo45 Waumlhrend sich alle genseitig der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen ist der Priester der einzige der kraft seiner Weihe das ehemals sakramental verstandene In-dulgentiam sprechen kann

Die abschlieszligenden Versikel erbit-ten die Zuwendung Gottes (Deus tu conversus) und seine Barmherzigkeit (Ostende nobis) Das letzte ist die Bitte um das gnadenhafte Kommen Chri-sti in der Eucharistie46 Im Aufer a no-bis erbittet der Priester sodann beim

45 M Fiedrowicz a O 7946 Vgl K Gamber Zeige uns o Herr deine Barshymherzigkeit Vom byzantinischen ProthesisshyBild zum spaumltmittelalterlichen ErbaumlrmdeshyChristus Reshygensburg 1986 12

Stufengebet in Mariawald

33Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Aufstieg zum Altar mit reiner Seele zum Altar hinzutreten zu duumlrfen Die-ses Gebet faszligt eigentlich das ganze Stufengebet noch einmal zusammen Am Altar angelangt legt er die Haumlnde an den Altar und ruft die Fuumlrbitte der Heiligen an (Oramus te Domine) Der Altarkuszlig ehrt diesen als Symbol Christi und stellt den Priester in die Gemein-schaft der Heiligen besonders derer deren Reliquien sich im Altar befinden (quorum reliquiae hic sunt)

bdquoIndem der Zutritt zum Altar im Stufen-gebet gleichsam schrittweise erbetet wird und von fortwaumlhrenden Entsuumln-digungsbitten begleitet ist zeigt der Ri-tus eindringlich wie mit der je groumlszligeren Naumlhe zu Gott das immer staumlrkere Verlan-gen einhergehen muszlig sei ner Heiligkeit zu entsprechenldquo47

Zusammenfassung und SchluszligfolgerungAus dem urchristlichen Bewuszligtsein um Heiligkeit und Groumlszlige der Euchari-stie und der damit verbundenen For-derung nach Buszlige bdquodamit euer Opfer rein seildquo entstanden in den verschie-denen Riten diverse rituelle Formen eines Suumlndenbekenntnisses zu Beginn der Messe Im Westen steht am Anfang der Entwicklung das stille Verbeugen oder Niederwerfen des Papstes vor dem Altar beim roumlmischen Stations-gottesdienst bei dem er frei pro se vel pro peccata populi betet Spaumlter ver-langten die liturgischen Stilgesetze im Frankenreich diese Stille foumlrmlich aus-zufuumlllen Zahlreiche Apologien entste-hen bis im 9 Jahrhundert eine Ord-nung aufkommt die vorherrschend

47 M Fiedrowicz a a O 80

werden sollte und bis heute fortbe-steht Es entstehen die ersten Ansaumltze des spaumlteren Stufengebets die zwar alle diesel be Struktur aber keines-wegs denselben Wortlaut haben Wir haben gesehen wie in tastenden Ver-suchen eine fast verwirrende Vielzahl von Stufengebeten entstehen bis die Entwicklung endguumlltig durch die Li-turgiereform Piuslsquo V ihren Abschluszlig findet

Aus dem historischen Uumlberblick konn-ten wir die eigentliche Funktion des Stufengebets in der Vor messe erken-nen Von seinem ge schichtlichen Ur-sprung her ist es ein privates Gebet des Priesters mit seinem assistieren-den Klerus Am Anfang stand ein re-gelrechtes Gegenuumlber von Priester und Diakon Es ist wie J Brinktrine sagte bdquoprivate Vorbereitung des Prie-sters und seiner ministrildquo48

Daraus ergeben sich vor allem zwei Folgerungen Es muszlig sichtbar blei-ben daszlig hier der Priester und seine Assistenz (Diakon und Subdiakon bzw Ministranten die die ministri sacri ver-

48 S Anm 34

treten) sich privat auf die Feier der hei-ligen Messe betend vorbereiten Ge-maumlszlig der Maszliggabe von Sacro sanctum Concilium daszlig jeder Teilnehmer an der Liturgie bdquonur das und all das tun (soll) was ihm aus der Natur der Sa-che und nach den liturgischen Regeln zukommtldquo49 ist dementsprechend der Brauch zu vermeiden in der missa dialogata die Glaumlubigen das Stufen-gebet laut mitbeten zu lassen Das ist eindeutig eine sbquoRollenvermischunglsquo die erst mit der Liturgischen Bewe-gung aufkam und auf einem falschen Verstaumlndnis der eigentlichen Funktion des Stufengebets beruht

Die zweite Folgerung hat mit der ars celebrandi zu tun Um die Messe wuumlr-dig und gut zu feiern ist es wichtig die Funktion und Bedeutung der einzel-nen Teile gut zu kennen und dement-sprechend zu vollziehen Damit das Stufengebet nicht zum leeren Geplap-per wird gilt es sich in die Bedeutung seiner beider Teile zu vertiefen und wirklich die Sehnsucht zu Gott und seinem Altar und die Reue uumlber die ei-genen Suumlnden zu erwecken

49 SC n 28

Das Stufengebet

Page 5: Das Stufengebet - Pro Missa Tridentina€¦ · Von Lic. theol. Martin Reinecke Der folgende Text ist der Abdruck eines Vortrags auf der liturgischen Schulung in Heiloo (NL) vom 30.6

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herausgegeben hat Trotz des Namens stammen laumlngst nicht alle dieser Ordi-nes aus Rom selber sondern sind oft an anderen Orten erstellte Bearbei-tungen stadtroumlmischer Buumlcher und BraumlucheFuumlr unsere Frage kommt der Ordo ro-manus I aus dem Ende des 7 Jahrhun-derts in Betracht der eine rein stadtrouml-mische Quelle darstellt Er beschreibt den groszligen roumlmischen Stationsgottes-dienst wie er sich bis zum 8 Jahrhun-dert entwickelt hat Er ist zum Vorbild und Muster fuumlr die weitere Gestaltung der Messe uumlberhaupt geworden und hat Auswirkungen bis in die letzte Dorfpfarrei und sogar bis in die soge-nannte stille Messe gehabt8

Er beschreibt den Anfang der Stati-onsmesse wie der Papst unter dem Gesang des Introitus in die Kirche ein-zieht Am Altar angekommen laumlszligt er sich auf einem zu diesem Zweck aus-gebreiteten Teppich zu stillem Gebet nieder9 wie es heute noch der Priester zu Beginn der Karfreitagsliturgie tut Danach erhebt er sich und gruumlszligt das Evangeliar und den Altar mit einem Kuszlig In dieser schweigenden Anbe-tung des Papstes vor dem Altar liegen offensichtlich die Anfaumlnge des heuti-gen Confiteor mit seiner Umrahmung das den zweiten Teil des Stufengebets bildetDer Ordo fuumlhrt nicht weiter aus was die Funktion dieses stillen Gebetes

8 Vgl J A Jungmann Missarum Sollemnia Bd 1 41958 889 Ordo romano I n 8 bdquout ponat oratorium (darunter muszlig ein Teppich verstanden werden) ante altare Et accedens pontifex orat super ipsumldquo (hellipdaszlig er ein oratorium vor den Altar plaziert Und der Pontifex tritt hinzu und betet auf diesem)

war oder was der Papst dabei betete Der Wortlaut war wohl noch ihm uumlber-lassen ein fixiertes Gebet ist zu dieser Zeit nicht zu erwartenWie bereits erwaumlhnt wurde der Ordo romanus I immer wieder uumlberarbeitet um die Anweisungen fuumlr die paumlpstli-che Liturgie in Rom an die Verhaumlltnisse in anderen Kirchen anzupassen Eine solche Bearbeitung des Ordo aus dem Frankenreich stellt der Ordo romanus XV das Capitulare ecclesiastici ordinis aus der 2 Haumllfte des 8 Jahrhunderts dar Hier wird in der Beschreibung der Stationsmesse das stille Gebet des Papstes zu Beginn wie folgt be-schrieben bdquoInde praecedit ab altare et prostrato omni corpore in terram facit orationemldquo [Darauf geht er zum Altar wirft sich mit dem gesamten Koumlrper nie-der und betet] Damit wird die Rubrik des Ordo I naumlher bestimmt und kon-kretisiert entgegen der spaumlteren fraumln-kischen Uumlberlieferung die an dieser

Stelle fast nur das verbeugte Stehen an dieser Stelle kennt wie noch heute beim ConfiteorEine Erweiterung dieser Rubrik des Capitulare im Breviarium ecclesiastici ordinis dem Ordo Romanus XVII aus dem Ende des 8 Jahrhundert deutet nach Jungmann schon bdquodie Richtung auf das Buszliggebetldquo10 an Hier wird prauml-zisiert fundens orationem pro se vel pro peccata populi [er sagt ein Gebet fuumlr sich beziehungsweise fuumlr die Suumlnden des Volkes]11 Hier haben wir den ersten direkten Hinweis in einem liturgischen Buch darauf daszlig am Beginn der Mes-se ein Gebet fuumlr die eigenen und die Suumlnden des Volkes steht Jungmann wertet das als einen Hinweis auf die spaumlteren Apologien an dieser Stelle12

10 J A Jungmann 38611 Andrieu III 17912 J A Jungmann 387

Hochamt beim Katholikentag in Mannheim (2012)

25Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Erste Formen eines Schuldbekenntnisses ApologienMit dem Beduumlrfnis das Gebet pro se vel pro peccata populi naumlher zu bestim-men kommen im fraumlnkischen Bereich im 9 bis 11 Jahrhundert an dieser Stelle zahlreiche Apologien auf bdquoper-soumlnliche Schuld- und Unwuumlrdigkeits-bekenntnisse des Zelebranten von meist betraumlchtlichem Umfang die sich mit der Bitte um Gottes erbarmende Gnade verbindenldquo13

Apologien sind eine typisch fraumlnkische Erscheinung und waren dem roumlmi-schen Geist eher fremd Diese Entwick-lung des stillen Gebets pro se vel pro peccata populi zu Beginn der Meszligfei-er konnte deshalb keine Zukunft ha-ben Spaumltestens bei der Ruumlckkehr der nunmehr roumlmischfraumlnkischen Liturgie nach Rom ab dem 11 Jahrhundert wauml-ren diese Apologien ebenso entfernt worden wie die meisten anderen Apo-logien auch und durch andere ersetzt die der roumlmischen Mentalitaumlt mehr entsprachen

Entwicklung des Stufengebets ab dem 10 JahrhundertDoch so weit solle es nicht kommen denn noch vor dem Ende des 10 Jahr-hunderts tritt eine neue Ordnung auf die im rheinischen Meszligordo enthalten ist Ihr sollte die Zukunft gehoumlren zu-mal sie auch bedeutend mehr roumlmi-schem Geist entsprichtSo lautet die entsprechende Rubrik im Pontifikale des Halinardus bdquoDanach tritt der Bischof in die Kirche ein (hellip) kuumlszligt die Diakone und zwei Priester

13 Ebd 103shy104

Und er beginnt von sich sbquoIntroibo ad altare Deilsquo mit dem Psalm sbquoIudica me Deuslsquo Wenn er zum Altar kommt sagt er diese Orationen sbquoAufer a nobishelliplsquo sbquoOmnipotens sempiterne Deus qui me peccatoremhelliplsquoldquo14

Der Psalm bdquoIudica meldquoHier wird also erstmals auf dem Weg zum Altar Psalm 42 gesprochen dem bei der Ankunft am Altar zwei Oratio-nen folgen darunter unser Aufer a no-bis Auszligerdem gibt es Apologien die Vorlaumlufer unseres Confiteor darstellen

14 Postquam in ecclesiam intrat episcopus () osculetur diaconos et presbytero duos Et incipiat per se rsquoIntroibo ad altare Deilsquo cum psalmo lsquoIudica me Deusrsquo Cum venerit ad altare dicat has orationes lsquoAufer a nobis rsquo lsquoOmnipotens sempiterne Deus qui me peccatorem rsquo

und auf verschiedene Weise einbezo-gen sind Wir haben hier zum ersten Mal die Struktur des spaumlteren Stufen-gebets wobei die Stelle des Confiteor noch von Apologien vertreten ist Ein foumlrmliches Confiteor mit Vergebungs-bitte erscheint dann um die Mitte des 11 Jahrhundert in der Normandie15 und auf italischem Boden16Diese neue Ordnung der Eroumlffnung der Messe hat sich auf den Wegen der cluniazensischen Reform bald in Italien und Deutschland ausgebreitet ohne schon eine einheitliche Fassung zu haben Es wurde fast uumlberall an den Stufen des Altares ein foumlrmliches Confiteor in irgendeiner Fassung mit der entsprechenden Antwort und die nachfolgende Oration Aufer a nobis

15 Bei Johannes von Avranche16 Vgl Codex Chigi ed Martegravene 1 4 XII (I 569)

Levitiertes Hochamt beim Katholikentag in Mannheim

Das Stufengebet

Im 8 Jahrhundert warf sich der Papst zu Beginn der Messevor dem Altar auf den Boden hin undbetete fuumlr sich und fuumlr die Suumlnden des Volkes

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gesprochen Das gehoumlrte seit dem 12 Jahrhundert zur festen Ordnung eines jeden Meszligordo17 Der Psalm Iudica me war noch nicht so verbrei-tet Er gehoumlrt im spaumlteren Mittelalter zahlreichen Meszligordnungen noch nicht an Deshalb fehlt der Psalm noch heute in den Liturgien der Kar-taumluser der beschuhten Karmeliten und der Dominikaner die ihre Ord-nungen im 13 Jahrhundert festge-legt haben und ihn den damaligen Schwankungen entsprechend nicht aufgenommen haben Jungmann berichtet daszlig sogar noch auf der ersten Generalkongregation der Je-suiten 1558 beschlossen wurde auf den Psalm zu verzichten18 Erst das Missale Piuslsquo V machte den Psalm zur allgemeinen Vorschrift da es sich auf das Missale Curiae stuumltzte das den Psalm kannte ebenso wie die meisten italischen MeszligbuumlcherWaumlhrend des ganzen Mittelalters blieb es vorherrschende Regel den Psalm Iudica me auf dem Weg zum Altar zu beten wie es schon die oben ange-fuumlhrte Rubrik des 10 Jahrhunderts festgesetzt hatte bdquoNoch nach dem Missale Pauls III konnte der Zelebrans ihn laut oder still auf dem Wege zum Altar betenldquo19 Nur seltene Ausnahmen verlegen ihn bereits eindeutig an die Stufen des Altares meist dort wo das Ankleiden oder das Anlegen der Kasel am Altar geschieht Daszlig das Missale Piuslsquo V ihn entgegen der weit verbrei-

17 Mit Ausnahme eines Missale von Toul um 1400 das vor dem Aufer a nobis nur die Apologie Ante conshyspectum hat18 J A Jungmann 38019 J Brinktrine Die heilige Messe in ihrem Werden und Wesen Paderborn 1931 51

teten Gewohnheit an die Altarstufen verlegt hat wohl seinen Grund in der Tatsache daszlig man dem Psalm ein sorgfaumlltiges Sprechen sichern und ihm mehr Gewicht geben wollteDoch auch nach der Kodifizierung durch Pius V war der Ort des Stufen-gebets - und damit auch des Psalms 42 - noch nicht uumlberall an den Stufen des Altares So berichtet Pierre Lebrun noch 1716 uumlber Sonderbraumluche im Frankreich seiner Zeit bdquodie einen ma-chen sie in einer eigenen Kapelle wie man sie noch in Tours am Grab des heiligen Martin macht die anderen im Chor wie in Laon und Chartres oder am Eingang des Chorraums weit vom Altar wie in Soissons und Chacirclons-sur-Marne andere an der linken Seite des Altars beim Eingang das heiszligt auf der Evangelienseite wie in Vienne und bei den Kartaumlusern die den Brauch aus dieser Metropole uumlbernommen ha-

ben andere schlieszliglich in der Sakristei wie in Reimsldquo20

Seit dem 11 Jahrhundert wird dem Psalm die Antiphon Introibo voran-gestellt die spaumlter und bis heute als Versikel behandelt wird Die Versikel Adiutorium nostrum erscheint bereits im Meszlig ordo der paumlpstlichen Kapelle um 129021 Das dem Taufbefehl Jesu entnommene Kreuzzeichen vor dem Psalm ist erst seit dem 14 Jahrhundert vereinzelt nachweisbar

Das bdquoConfiteorldquoWie der Psalm Iudica lange Zeit keine einheitliche Ordnung kannte so ging

20 P Lebrun Explication litteacuterale historique et dogamtique des priegraveres et des ceacutereacutemonies de la messe suivant les anciens auteurs et les monument de la plupart des eacuteglises avec des dissertations et des notes sur les endroit difficiles et sur lrsquoorigine des rites Paris 1716 Nachdruck Tours 1976 8021 Ebd 383

Stufengebet bei einer stillen heiligen Messe

27Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

es auch dem Confiteor Ein einheitli-ches Formular gab es lange Zeit nicht dafuumlr Ein Vorlaumlufer der spaumlteren Confiteor-Formeln war die verbreitete Apologie ldquoVor dem Angesicht deiner goumlttlichen Majestaumlt o Herr und dieser deiner Hei-ligen bekenne ich dir meinem Gott und meinem Schoumlpfer durch meine Schuld denn ich habe gesuumlndigt in Stolz in Haszlig und Neid in Begierde und Geiz in Un-zucht und Unreinheit in Rausch und Trunkenheit in Luumlge und Meineid und in allen Lastern die aus diesen hervor-gehen Was noch Durch Sehen Houmlren Geruch Geschmack und Tasten und durchaus in Gedanken Worten und Ta-ten bin ich verdorben deshalb der du den Suumlnder ge recht fer tigst rechtfertige auch mich und laszlig mich auferstehen vom Tod zum Leben Herr mein Gottldquo22

In dieser Apologie spricht der Zele-brant ein ausfuumlhrliches Bekenntnis seiner Suumlnden und Fehler vor seinem bdquoGott und Schoumlpferldquo in dem auch be-reits das spaumltere mea culpa vorkommt wobei ein ausfuumlhrlicher Suumlndenka-talog erwaumlhnt wird In den spaumlteren Confiteor-Formeln geht man von die-sen Suumlndenkatalogen weg zu einem allgemeinen Bekenntnis peccavi nimis cogitatione verbo et opere [daszlig ich viel

22 Ante conspectum divinae maiestatis tuae Domine his sanctis tuis confiteor tibi Deo meo et creatori meo mea culpa quia peccavi in superbia in odio et invidia in cupiditate et avaritia in forshynicatione et inmunditia in ebrie tate et crapula in mendacio et periurio et in omnibus vitiis quae ex his prodeunt Quid plura Visu auditu olfactu gustu et tactu et omnino in cogitatione et locutione et actione perditus sum quapropter qui iustificas imshypio iustifica me et resuscita me de morte ad vitam Domine Deus meus

gesuumlndigt habe in Gedanken Worten und Werken] Der bedeutendste Un-terschied liegt aber darin daszlig das Be-kenntnis nur vor Gott erfolgt waumlhrend in den Confiteor-Formeln die soziale Dimension von Suumlnde aufscheint Das Bekenntnis wird vor vobis fratres und den Heiligen abgelegt die auch um Fuumlrbitte vor Gott gebeten werdenDiese urspruumlngliche und weitver-breitete Apologie fuumlhrte dann ab der Jahrtausendwende zu den er sten foumlrmlichen Confiteor-For meln Eine sehr kurze fruumlhe For mel war in Clu-ny um 1080 in Gebrauch bdquoIch beken-ne Gott und allen seinen Heiligen und euch Vater daszlig ich gesuumlndigt habe in Gedanken Worten und Werken durch meine Schuld Ich bitte euch betet fuumlr

michldquo23 Diese neue Form des Suumlnden-bekenntnisses bringt bereits gut zum Ausdruck was fuumlr alle spaumlteren Confi-teor-Formeln auch gilt das Bekenntnis des ersten Teils geschieht vor Gott und der himmlischen Kirche die Fuumlrbitte im zweiten Teil richtet sich zuerst an die irdische Kirche und im Bewuszligt-sein der communio sanc to rum an die himmlischeSchon bald auch schon im 11 Jahr-hundert waren auch laumlngere Formeln uumlblich Sie wurden immer ausgedehn-ter so daszlig das Generalkapitel der Zi-sterzienser im Jahr 1184 bestimmen

23 Udalrici Consuet Clun II 30 (PL 149 716) ldquoConfiteor Deo et omnibus sanctis eius et vobis pashyter quia peccavi in cogitatione locutione et opere mea culpa Precor vos orate pro merdquo

Stufengebet im Meszligbuch

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muszligte daszlig vor allen Heiligen die Got-tesmutter zu nennen sei Confiteor Deo et beatae Mariae et omnibus Sanctis24 Im Verlauf des Mittelalters wuchs die Zahl der Heiligen vor allem im zwei-ten Teil immer weiter an Das Konzil zu Ravenna bestimmte deshalb 1314 au-szliger Maria nur noch Michael Johannes den Taumlufer und die Apostel Petrus und Paulus zu nennen25 wie wir es noch heute tunAuch die Umschreibung und Aufzaumlh-lung der Suumlnden wurde immer kon-kreter Das Bekenntnis wurde nahezu zu einem Suumlndenbekennt nis in specie wie man es mancherorts vom Chor-gebet kannte Dabei wirkten wohl Confiteor-Formeln ein die fuumlr die sa-kramentale Beichte dienten Die mit-telalterlichen Liturgieerklaumlrer miszligbilli-gen diese Entwicklung da es sich hier nicht um ein geheimes sondern ein oumlffentliches Bekenntnis handle26

24 Schneider CistshyChr 1926 25525 Mansi XXV 54726 Vgl Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217

Von Anfang an wurde das Confiteor tief verbeugt gesprochen wie diverse Meszligordines erwaumlhnen wenngleich auch das Knien verbreitet gewesen sein muszlig Auch das Schlagen an die Brust beim mea culpa wird schon fruumlh erwaumlhnt27

Die Urspruumlnge des Confiteor liegen jedoch nicht in der Messe Ab dem 9 Jahrhundert sind uns Fassungen uumlberliefert die bei der sakramentalen Beichte gebraucht wurden Oft ent-hielten sie einen langen Suumlndenka-talog aumlhnlich wie in einigen Laumlndern noch heute traditionellerweise das persoumlnliche Suumlndenbekenntnis in das Confiteor nach dem mea maxima culpa eingefuumlgt wird In dieser fruumlhen Zeit stand der standardmaumlszligige Suumlndenka-

806) Sicard von Cremona Mitrale III 2 (PL213 96 A) Durandus IV 7 2 Joh Beleth Explicatio c33 (PL 202 43) die Suumlnden duumlrfen hier nur generaliter beshykannt werden nec mensuram accedere27 Stephan von Baugeacute De sacr altaris c 12 (PL172 1283 B) Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217 806) Durandus IV 7 3

talog allerdings noch an Stelle eines detaillierten persoumlnlichen Bekenntnis-ses28 Bald auch schon im 9 Jahr hun-dert kommt ein solches Suumlndenbe-kenntnis taumlglich in Prim und Komplet vorVon daher wird nun auch ein Confi-teor in die Messe uumlbernommen Bis zur Mitte des 11 Jahrhunderts ist der entscheidende Uumlbergang abgeschlos-sen29 In der ersten Zeit gab es dabei vielfach ein Gegenuumlber von Priester und Diakon das an das kloumlsterliche gegenseitige Bekennen erinnert So sprach in Cluny der Priester das Confi-teor vor dem Altar an der Evangelien-seite inclinis contra diaconum similiter inclinem [verbeugt zum Diakon der ebenfalls verbeugt ist]30 Aumlhnlich war es

28 Auch in der Orthodoxie kennt man neben dem individuellen Suumlndenbekenntnis beim geistlichen Vater ein solches standardmaumlszligiges Bekenntnis mit einem langen Suumlndenkatalog vor dem Empfang der Kommunion29 Vgl J A Jungmann 38930 Udalrici Consuet Clun II 30 (PL 149 716A)

Confiteor beim Levitierten Hochamt (Mannheim 2012)

29Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

an vielen Orten so bei den Kartaumlusern und im Missale von Westminster waumlh-rend in Sarum Diakon und Subdiakon rechts und links vom Priester stehen und beide antworten Letztere Form hat sich schlieszliglich durchgesetzt und wurde von Pius V endguumlltig bestaumltigt und festgelegtSofort ist das Confiteor in der Messe mit dem Misereatur verbunden das auch Nichtgeweihte als fuumlrbittende Antwort sprechen durften31 Auch das Indulgentiam bzw oft mit dem zwei-ten Wort Absolutionem beginnend wurde von Anfang an in die Messe aufgenommen das in dieser Zeit und noch mehrere Jahrhunderte lang Aus-druck der priesterlich-sakramentalen Lossprechung ist Seit kurz vorher die Gewohnheit aufgekommen war Be-kenntnis und Lossprechung bei der Beichte in ein und derselben Feier abzuhalten hatte man auch fuumlr das in den Kloumlstern uumlbliche woumlchentliche Suumlndenbekenntnis vor dem geist-lichen Vater dem Misereatur die sa-kramentale Lossprechung Indulgen-tiam hinzugefuumlgt32 Von daher kam es nun auch in die Meszligliturgie Da es sakramentalen Charakter hatte kam es zunaumlchst nur dem Priester zu der Diakon und eventuell der Subdiakon antwortet nur mit Misereatur Eine fruuml-he Form des Misereatur wie es sich im 910 Jahrhundert haumlufig findet lau-tet bdquoEs erbarme sich deiner der allmaumlch-tige Gott und lasse dir alle deine Suumlnden nach er befreie dich von allem Boumlsen (Werk) er bewahre dich in allem Guten

31 Vgl J A Jungmann Die lateinischen Buszligriten in ihrer geschichtlichen Entwicklung Innsbruck 1932 282shy28332 Ebd 283shy284

(Werk) und fuumlhre dich (durch die Fuumlrbitte aller Heiligen) zur ewigen Herrlichkeitldquo33

Umrahmende VersikelZu dem Confiteor-Ritus kam dann im Mittelalter noch eine Umrahmung hinzu indem man dem Confiteor ver-schiedene Versikel unmittelbar voran-gestellt hat Das noch heute uumlbliche Adiutorium nostrum in nomine Domini erscheint in Italien schon im 11 Jahr-hundert an dieser Stelle auszligerhalb Italiens anscheinend erst seit dem 15 JahrhundertAuch nach dem Buszligakt wurden schon fruumlh eine Reihe Versikel als Uumlberlei-tung zum Aufer a nobis eingefuumlgt Sie haben eine aumlhnliche Funktion wie die Preces vor der Oration im Offizium Daran erinnert auch verbeugte Koumlr-perhaltung Meist handelt es sich da-

33 Misereatur tui omnipotens Deus et dimittat tibi omnia peccata tua liberet te ab omni (opere) malo conservet te in omni (opere) bono et perducat te (per intercessionem omnium sanctorum) ad gloriam sempiternam

bei um Versikel die schon fruumlher beim Hintreten zum Altar gesprochen wur-den wie auch die noch jetzt uumlblichen Deus tu conversus und Ostende Schon das Missale der paumlpstlichen Kapelle um 1290 beschraumlnkt sich auf diese beiden Versikel34 waumlhrend andernorts noch eine Anzahl anderer hinzugefuumlgt sind Do mi ne exaudi orationem meam und Dominus vobiscum vor dem Aufer a nobis sind die uumlblichen Einleitungen einer Oration und stammen aus fruumlher Zeit Das Aufer a nobis selbst ist das aumllte ste Element des Stufengebets und ist jetzt nurmehr seine Schluszligoration Es stammt aus alter roumlmischer Traditi-on und gehoumlrte der Paschafeier an35 Spaumlter sprach man es bei der Kirchwei-he zum Einzug ins Heiligtum wo man die Reliquien abholte Beim Hintritt zum Altar wird es seit dem spaumlten Mit-

34 Vgl J Brinktrine (Eph liturg 1937) 20035 Im Leonianum am Gruumlndonnerstag im aumllteren Gelasianum am Beginn der Quadragesima im Greshygorianum von Padua am Donnerstag der ersten Fastenwoche

Confiteor bei einer Primiz in St Albert Stuttgart (2009)

Das Stufengebet

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telalter leise gesprochen wohl zuerst in EnglandDer Trierer Patristiker Michael Fiedro-wicz schreibt zusammenfassend bdquoDie Entstehung des Stufengebets ist ein anschauliches Beispiel fuumlr die organi-

sche Entwicklung der Meszligliturgie Aus einem betenden Innehalten bzw sich Niederwerfen des Papstes bzw Zele-branten vor dem Altar (78 Jahrhun-dert) einem Bekenntnis der eigenen Unwuumlrdigkeit mit Vergebungsbitte (Apologien 9 Jahrhundert) dem ge-meinsamen Beten von Psalm 42 - ne-ben anderen Ak zeszlig psalmen - auf dem Weg zum Altar (910 Jahrhundert) verschiedenen Psalm-Versikeln (12 Jahrhundert) die vom Buszligakt zur Ora-tion Aufer a nobis (10 Jahrhundert) uumlberleiteten ist allmaumlhlich jener Be-

stand an Vorbereitungsgebeten zu-sammen ge wachsen der mit der An-ordnung Papst Piuslsquo V an den Stufen des Altares Psalm 42 zu beten seine endguumlltige Gestalt gefunden hatldquo36

Die Funktion des Stufengebets im Rahmen der MesseNachdem wir die - mitunter etwas ver-wirrende - geschichtliche Entstehung und Entwicklung des Stufengebets gesehen haben koumlnnen wir uns nun daran machen seine Funktion inner-halb der Vormesse zu klaumlren Diese laumlszligt sich nur aus der Geschichte her-aus richtig deuten

36 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 76

Die Liturgische Bewegung des letzten Jahrhunderts die faumllschlicherweise von der missa lecta [gelesene Messe] als Normalform der Messe ausging waumlhrend das natuumlrlich die missa can-tata [gesungene Messe] ist betrachtete das Stufengebet als einen Dialog von Priester und Volk bzw Prie ster und Mi-nistrant wobei der Ministrant als Ver-treter des Volkes angesehen wurde In der im 20 Jahrhundert erfundenen missa dialogata [dialogisierte Messe] betete folgerichtig das Volk im Wech-sel mit dem Priester das Stufengebet Das Volk war zuvor nie an diesem Dia-log beteiligt weil parallel zum Stufen-gebet der Introitus gesungen wird

Oumlffentliche Vorbereitung an den Stufen des AltaresDer historische Befund laumlszligt eine sol-che Deutung nicht zu auch wenn es im spaumlten Mittelalter vereinzelt zu einer Einbeziehung der Gemeinde gekommen ist37 was Jungmann aber richtig als Grenzfall bezeichnet Der Ursprung des Stufengebets ist wie wir sahen die stille Verneigung oder das Niederwerfen des Pontifex vor dem Altar nach dem Einzug wobei er nach dem Ordo Romanus XVII pro se vel pro peccata populi betet Das ist eindeutig ein privates Vorbereitungsgebet auf die Meszligfeier wie es auch die Apolo-gien des 9 Jahrhundert waren Von einer irgendwie gearteten Beteiligung des Volkes ist dort keine Rede

37 So beginnt im Missale von Tours von 1533 das Misereatur des Priesters mit Fratres et sorores (Marshytegravene I 4 2 4 [I 361]) und in der Konventmesse der Kartaumluser betet nach dem Caeremoniale von 1370 und ebenso noch heute die ganze Kommunitaumlt das Stufengebet der Introitus beginnt erst danach

Stufengebet in der Zisterzienserabtei Mariawald

Die Entstehung des Stufengebetsist ein anschauliches Beispielfuumlr die organische Entwicklung der Meszligliturgie

31Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Auch mit dem Aufkommen des Con fiteor als neuer Form des Suumln-denbekenntnisses ab der er sten Jahr-tausendwende aumlndert sich das nicht Eine Beteiligung des Volkes gab es nicht auszliger in den erwaumlhnten spaumlten Einzelfaumlllen Vielmehr zeigt das im An-fang haumlufige Gegenuumlber von Priester und Diakon beim Confiteor deutlich daszlig es sich hierbei um einen Dialog zwischen den Zelebranten also Prie-ster und Diakon handelt Der Brauch

von Sarum sieht den Subdiakon eben-falls als Zelebranten entsprechend der um diese Zeit aufkommenden An-sicht den Subdiakonat unter die houml-heren Weihen zu zaumlhlen der Priester steht zwischen Diakon und Subdiakon und betet abwechselnd mit ihnen das Stufengebet So ist es bis heute geblie-ben Das Stufengebet ist demnach die private Vorbereitung des Altarklerus auf die Meszligfeier38 Pierre Lebrun nann-te es Anfang des 18 Jahrhundert ganz

38 Vgl J Brinktrine a a O 50 bdquoHinzu kommt daszlig das Staffelgebet mehr die private Vorbereitung des Priesters und seiner ministri darstelltldquo

richtig die bdquoPreacuteparation publique au bas de lrsquoautelldquo39

bdquoIntroibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuventutem meamrdquoDiese Vorbereitung besteht wie schon gesagt aus zwei Teilen dem Psalm 42 zum Hinzutritt zum Altar und dem Suumlndenbekenntnis des ConfiteorDer Psalm der ur spruumlnglich auf dem Weg zum Al tar gebetet wurde und die Sehnsucht nach dem Altar zum Aus-druck bringt hat diese urspruumlngliche Funktion auch nach der Verlegung an die Altarstufen durch Pius V nicht ver-loren Nach wie vor ist der vierte Vers Introibo ad altare Dei ad Deum qui lae-tificat iuventutem meam der beste Aus-druck fuumlr das was gerade geschieht Der Psalm ist im Alten Testament das bdquoGebet eines Bedraumlngten der fern des Heiligtums sich danach sehnt wieder an den Festen des Herrn teilnehmen zu koumlnnenldquo40 bdquoDieses Hintreten vor Gott nach dem es den Saumlnger verlangt hat ist eigentlich erst im Neuen Bun-de vollends moumlglich geworden denn erst durch Christus haben wir das sbquofreie Wort und den Zutritt des Vaterslsquo (Eph 312 vgl Roumlm 52) Der Altar des Neu-en Bundes ist die Stelle an der sich die Begegnung mit Gott im Diesseits am vollsten verwirklichen darfldquo41Der Psalm ist bdquobestens geeignet zur Stim-me der Kirche zu werden die in den aumluszligeren und inneren Bedraumlngnissen der Welt danach verlangt vor Gott zu treten sich von ihm fuumlhren zu lassen und ihn im Lobpreis seiner Treue freu-

39 P Lebrun a a O 7940 M Fiedrowicz a a O 7641 J Jungmann a a O 380

Johannes Chrysostomos

Das Stufengebet

Das Stufengebet ist die private Vorbereitung des Altarklerus auf die MeszligfeierEine Beteiligung des Volkes gab es nicht

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dig Dank zu sagenldquo42 Auf dem Weg zum Altar haumllt der Priester an den Al-tarstufen inne und bringt seine Sehn-sucht zum Altar und zu bdquoGott der mei-ne Jugend erfreutldquo zum Ausdruck

bdquoAber nicht bloszlig das Hintreten erfuumlllt sich hier auch die Situation aus der der Psalmist zu Gott verlangt waumlchst ins Typische Wenn wir zu Gott wollen stellt sich immer irgendwo der homo iniquus [der boumlse Mensch] in den Weg Und so rufen wir zu ihm der uns Staumlr-ke ist er moumlge sein Licht aufleuch-ten und seine Treue wirksam werden lassen und uns hinfuumlhren in montem sanctum zur Houmlhe auf der sich das Opfer von Golgotha erneuern sollldquo43 Die abschlieszligenden Worte der Freude und des Jubels gelten dann schon der Eucharistie

bdquoWenn ihr am Herrentag zusammenkommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquoDer zweite Teil des Stufengebets ist das Suumlndenbekenntnis mit sei ner

42 M Fiedrowicz a a O 7643 J Jungmann a a O 381

Umrahmung das nach Abschluszlig des Psalms folgt Das Be wuszligtsein der Grouml-szlige der Euchari stiefeier und das dazu erforderliche Freisein von Suumlnde geht schon aus der Forderung der Didache aus der Fruumlhzeit der Kirche hervor bdquoWenn ihr am Herrentag zusammen-kommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquo Hier war aber wohl an ein auszligerlitur-gisches Bekenntnis der Teilnehmer gedacht In besonderer Weise gilt die Forderung nach Suumlndenfreiheit natuumlr-lich vom zelebrierenden Priester

So verlangt die Goumlttliche Liturgie des hl Johannes Chrysostomos bdquoBevor der Priester das goumlttliche Mysterium feiert soll er zunaumlchst mit allen ver-soumlhnt sein und gegen niemand etwas haben Er soll sein Herz vor boumlsen Ge-danken bewahrenldquo44 Im Westen legt er im Rahmen seines privaten Vorbe-reitungsgebetes der Messe ein allge-meines Suumlndenbekenntnis mit seinen ministri sacri bzw den diese vertreten-den Ministranten ab

44 S Heitz Mysterium der Anbetung Goumlttliche Liturgie und Stundengebet der Orthodoxen Kirche Koumlln 1986 315

Der dialogische Aufbau des Bekennt-nisses entspricht der Forderung des Apostels Jakobus bdquoBekennt also einan-der eure Suumlnden und betet fuumlreinander damit ihr geheilt werdetldquo (Jak 5 16) Im Gegenuumlber von Zelebrant und ministri wird die Forderung des Apostels be-wuszligt vollzogen Es kommt darin auch die soziale und ekklesiale Dimension von Suumlnde und Vergebung zum Aus-druck

Im getrennten Sprechen des Schuld-bekenntnisses wird auch die beson-dere Stellung des Prie sters sichtbar Er ist ebenso wie seine ministri und das glaumlubige Volk der Schwaumlche und Schuld unterworfen und auf Gottes Barm her zig keit angewiesen aber kraft seiner Weihe ist er doch von ihnen un-terschieden Daszlig der Priester das Con-fiteor allein betet ist bdquodemuumltiger Aus-druck dafuumlr daszlig der Priester der erste ist der sich fuumlr seine Suumlnden anzukla-gen hat um wuumlrdig die heiligen My-sterien feiern zu koumlnnenldquo45 Waumlhrend sich alle genseitig der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen ist der Priester der einzige der kraft seiner Weihe das ehemals sakramental verstandene In-dulgentiam sprechen kann

Die abschlieszligenden Versikel erbit-ten die Zuwendung Gottes (Deus tu conversus) und seine Barmherzigkeit (Ostende nobis) Das letzte ist die Bitte um das gnadenhafte Kommen Chri-sti in der Eucharistie46 Im Aufer a no-bis erbittet der Priester sodann beim

45 M Fiedrowicz a O 7946 Vgl K Gamber Zeige uns o Herr deine Barshymherzigkeit Vom byzantinischen ProthesisshyBild zum spaumltmittelalterlichen ErbaumlrmdeshyChristus Reshygensburg 1986 12

Stufengebet in Mariawald

33Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Aufstieg zum Altar mit reiner Seele zum Altar hinzutreten zu duumlrfen Die-ses Gebet faszligt eigentlich das ganze Stufengebet noch einmal zusammen Am Altar angelangt legt er die Haumlnde an den Altar und ruft die Fuumlrbitte der Heiligen an (Oramus te Domine) Der Altarkuszlig ehrt diesen als Symbol Christi und stellt den Priester in die Gemein-schaft der Heiligen besonders derer deren Reliquien sich im Altar befinden (quorum reliquiae hic sunt)

bdquoIndem der Zutritt zum Altar im Stufen-gebet gleichsam schrittweise erbetet wird und von fortwaumlhrenden Entsuumln-digungsbitten begleitet ist zeigt der Ri-tus eindringlich wie mit der je groumlszligeren Naumlhe zu Gott das immer staumlrkere Verlan-gen einhergehen muszlig sei ner Heiligkeit zu entsprechenldquo47

Zusammenfassung und SchluszligfolgerungAus dem urchristlichen Bewuszligtsein um Heiligkeit und Groumlszlige der Euchari-stie und der damit verbundenen For-derung nach Buszlige bdquodamit euer Opfer rein seildquo entstanden in den verschie-denen Riten diverse rituelle Formen eines Suumlndenbekenntnisses zu Beginn der Messe Im Westen steht am Anfang der Entwicklung das stille Verbeugen oder Niederwerfen des Papstes vor dem Altar beim roumlmischen Stations-gottesdienst bei dem er frei pro se vel pro peccata populi betet Spaumlter ver-langten die liturgischen Stilgesetze im Frankenreich diese Stille foumlrmlich aus-zufuumlllen Zahlreiche Apologien entste-hen bis im 9 Jahrhundert eine Ord-nung aufkommt die vorherrschend

47 M Fiedrowicz a a O 80

werden sollte und bis heute fortbe-steht Es entstehen die ersten Ansaumltze des spaumlteren Stufengebets die zwar alle diesel be Struktur aber keines-wegs denselben Wortlaut haben Wir haben gesehen wie in tastenden Ver-suchen eine fast verwirrende Vielzahl von Stufengebeten entstehen bis die Entwicklung endguumlltig durch die Li-turgiereform Piuslsquo V ihren Abschluszlig findet

Aus dem historischen Uumlberblick konn-ten wir die eigentliche Funktion des Stufengebets in der Vor messe erken-nen Von seinem ge schichtlichen Ur-sprung her ist es ein privates Gebet des Priesters mit seinem assistieren-den Klerus Am Anfang stand ein re-gelrechtes Gegenuumlber von Priester und Diakon Es ist wie J Brinktrine sagte bdquoprivate Vorbereitung des Prie-sters und seiner ministrildquo48

Daraus ergeben sich vor allem zwei Folgerungen Es muszlig sichtbar blei-ben daszlig hier der Priester und seine Assistenz (Diakon und Subdiakon bzw Ministranten die die ministri sacri ver-

48 S Anm 34

treten) sich privat auf die Feier der hei-ligen Messe betend vorbereiten Ge-maumlszlig der Maszliggabe von Sacro sanctum Concilium daszlig jeder Teilnehmer an der Liturgie bdquonur das und all das tun (soll) was ihm aus der Natur der Sa-che und nach den liturgischen Regeln zukommtldquo49 ist dementsprechend der Brauch zu vermeiden in der missa dialogata die Glaumlubigen das Stufen-gebet laut mitbeten zu lassen Das ist eindeutig eine sbquoRollenvermischunglsquo die erst mit der Liturgischen Bewe-gung aufkam und auf einem falschen Verstaumlndnis der eigentlichen Funktion des Stufengebets beruht

Die zweite Folgerung hat mit der ars celebrandi zu tun Um die Messe wuumlr-dig und gut zu feiern ist es wichtig die Funktion und Bedeutung der einzel-nen Teile gut zu kennen und dement-sprechend zu vollziehen Damit das Stufengebet nicht zum leeren Geplap-per wird gilt es sich in die Bedeutung seiner beider Teile zu vertiefen und wirklich die Sehnsucht zu Gott und seinem Altar und die Reue uumlber die ei-genen Suumlnden zu erwecken

49 SC n 28

Das Stufengebet

Page 6: Das Stufengebet - Pro Missa Tridentina€¦ · Von Lic. theol. Martin Reinecke Der folgende Text ist der Abdruck eines Vortrags auf der liturgischen Schulung in Heiloo (NL) vom 30.6

25Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Erste Formen eines Schuldbekenntnisses ApologienMit dem Beduumlrfnis das Gebet pro se vel pro peccata populi naumlher zu bestim-men kommen im fraumlnkischen Bereich im 9 bis 11 Jahrhundert an dieser Stelle zahlreiche Apologien auf bdquoper-soumlnliche Schuld- und Unwuumlrdigkeits-bekenntnisse des Zelebranten von meist betraumlchtlichem Umfang die sich mit der Bitte um Gottes erbarmende Gnade verbindenldquo13

Apologien sind eine typisch fraumlnkische Erscheinung und waren dem roumlmi-schen Geist eher fremd Diese Entwick-lung des stillen Gebets pro se vel pro peccata populi zu Beginn der Meszligfei-er konnte deshalb keine Zukunft ha-ben Spaumltestens bei der Ruumlckkehr der nunmehr roumlmischfraumlnkischen Liturgie nach Rom ab dem 11 Jahrhundert wauml-ren diese Apologien ebenso entfernt worden wie die meisten anderen Apo-logien auch und durch andere ersetzt die der roumlmischen Mentalitaumlt mehr entsprachen

Entwicklung des Stufengebets ab dem 10 JahrhundertDoch so weit solle es nicht kommen denn noch vor dem Ende des 10 Jahr-hunderts tritt eine neue Ordnung auf die im rheinischen Meszligordo enthalten ist Ihr sollte die Zukunft gehoumlren zu-mal sie auch bedeutend mehr roumlmi-schem Geist entsprichtSo lautet die entsprechende Rubrik im Pontifikale des Halinardus bdquoDanach tritt der Bischof in die Kirche ein (hellip) kuumlszligt die Diakone und zwei Priester

13 Ebd 103shy104

Und er beginnt von sich sbquoIntroibo ad altare Deilsquo mit dem Psalm sbquoIudica me Deuslsquo Wenn er zum Altar kommt sagt er diese Orationen sbquoAufer a nobishelliplsquo sbquoOmnipotens sempiterne Deus qui me peccatoremhelliplsquoldquo14

Der Psalm bdquoIudica meldquoHier wird also erstmals auf dem Weg zum Altar Psalm 42 gesprochen dem bei der Ankunft am Altar zwei Oratio-nen folgen darunter unser Aufer a no-bis Auszligerdem gibt es Apologien die Vorlaumlufer unseres Confiteor darstellen

14 Postquam in ecclesiam intrat episcopus () osculetur diaconos et presbytero duos Et incipiat per se rsquoIntroibo ad altare Deilsquo cum psalmo lsquoIudica me Deusrsquo Cum venerit ad altare dicat has orationes lsquoAufer a nobis rsquo lsquoOmnipotens sempiterne Deus qui me peccatorem rsquo

und auf verschiedene Weise einbezo-gen sind Wir haben hier zum ersten Mal die Struktur des spaumlteren Stufen-gebets wobei die Stelle des Confiteor noch von Apologien vertreten ist Ein foumlrmliches Confiteor mit Vergebungs-bitte erscheint dann um die Mitte des 11 Jahrhundert in der Normandie15 und auf italischem Boden16Diese neue Ordnung der Eroumlffnung der Messe hat sich auf den Wegen der cluniazensischen Reform bald in Italien und Deutschland ausgebreitet ohne schon eine einheitliche Fassung zu haben Es wurde fast uumlberall an den Stufen des Altares ein foumlrmliches Confiteor in irgendeiner Fassung mit der entsprechenden Antwort und die nachfolgende Oration Aufer a nobis

15 Bei Johannes von Avranche16 Vgl Codex Chigi ed Martegravene 1 4 XII (I 569)

Levitiertes Hochamt beim Katholikentag in Mannheim

Das Stufengebet

Im 8 Jahrhundert warf sich der Papst zu Beginn der Messevor dem Altar auf den Boden hin undbetete fuumlr sich und fuumlr die Suumlnden des Volkes

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gesprochen Das gehoumlrte seit dem 12 Jahrhundert zur festen Ordnung eines jeden Meszligordo17 Der Psalm Iudica me war noch nicht so verbrei-tet Er gehoumlrt im spaumlteren Mittelalter zahlreichen Meszligordnungen noch nicht an Deshalb fehlt der Psalm noch heute in den Liturgien der Kar-taumluser der beschuhten Karmeliten und der Dominikaner die ihre Ord-nungen im 13 Jahrhundert festge-legt haben und ihn den damaligen Schwankungen entsprechend nicht aufgenommen haben Jungmann berichtet daszlig sogar noch auf der ersten Generalkongregation der Je-suiten 1558 beschlossen wurde auf den Psalm zu verzichten18 Erst das Missale Piuslsquo V machte den Psalm zur allgemeinen Vorschrift da es sich auf das Missale Curiae stuumltzte das den Psalm kannte ebenso wie die meisten italischen MeszligbuumlcherWaumlhrend des ganzen Mittelalters blieb es vorherrschende Regel den Psalm Iudica me auf dem Weg zum Altar zu beten wie es schon die oben ange-fuumlhrte Rubrik des 10 Jahrhunderts festgesetzt hatte bdquoNoch nach dem Missale Pauls III konnte der Zelebrans ihn laut oder still auf dem Wege zum Altar betenldquo19 Nur seltene Ausnahmen verlegen ihn bereits eindeutig an die Stufen des Altares meist dort wo das Ankleiden oder das Anlegen der Kasel am Altar geschieht Daszlig das Missale Piuslsquo V ihn entgegen der weit verbrei-

17 Mit Ausnahme eines Missale von Toul um 1400 das vor dem Aufer a nobis nur die Apologie Ante conshyspectum hat18 J A Jungmann 38019 J Brinktrine Die heilige Messe in ihrem Werden und Wesen Paderborn 1931 51

teten Gewohnheit an die Altarstufen verlegt hat wohl seinen Grund in der Tatsache daszlig man dem Psalm ein sorgfaumlltiges Sprechen sichern und ihm mehr Gewicht geben wollteDoch auch nach der Kodifizierung durch Pius V war der Ort des Stufen-gebets - und damit auch des Psalms 42 - noch nicht uumlberall an den Stufen des Altares So berichtet Pierre Lebrun noch 1716 uumlber Sonderbraumluche im Frankreich seiner Zeit bdquodie einen ma-chen sie in einer eigenen Kapelle wie man sie noch in Tours am Grab des heiligen Martin macht die anderen im Chor wie in Laon und Chartres oder am Eingang des Chorraums weit vom Altar wie in Soissons und Chacirclons-sur-Marne andere an der linken Seite des Altars beim Eingang das heiszligt auf der Evangelienseite wie in Vienne und bei den Kartaumlusern die den Brauch aus dieser Metropole uumlbernommen ha-

ben andere schlieszliglich in der Sakristei wie in Reimsldquo20

Seit dem 11 Jahrhundert wird dem Psalm die Antiphon Introibo voran-gestellt die spaumlter und bis heute als Versikel behandelt wird Die Versikel Adiutorium nostrum erscheint bereits im Meszlig ordo der paumlpstlichen Kapelle um 129021 Das dem Taufbefehl Jesu entnommene Kreuzzeichen vor dem Psalm ist erst seit dem 14 Jahrhundert vereinzelt nachweisbar

Das bdquoConfiteorldquoWie der Psalm Iudica lange Zeit keine einheitliche Ordnung kannte so ging

20 P Lebrun Explication litteacuterale historique et dogamtique des priegraveres et des ceacutereacutemonies de la messe suivant les anciens auteurs et les monument de la plupart des eacuteglises avec des dissertations et des notes sur les endroit difficiles et sur lrsquoorigine des rites Paris 1716 Nachdruck Tours 1976 8021 Ebd 383

Stufengebet bei einer stillen heiligen Messe

27Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

es auch dem Confiteor Ein einheitli-ches Formular gab es lange Zeit nicht dafuumlr Ein Vorlaumlufer der spaumlteren Confiteor-Formeln war die verbreitete Apologie ldquoVor dem Angesicht deiner goumlttlichen Majestaumlt o Herr und dieser deiner Hei-ligen bekenne ich dir meinem Gott und meinem Schoumlpfer durch meine Schuld denn ich habe gesuumlndigt in Stolz in Haszlig und Neid in Begierde und Geiz in Un-zucht und Unreinheit in Rausch und Trunkenheit in Luumlge und Meineid und in allen Lastern die aus diesen hervor-gehen Was noch Durch Sehen Houmlren Geruch Geschmack und Tasten und durchaus in Gedanken Worten und Ta-ten bin ich verdorben deshalb der du den Suumlnder ge recht fer tigst rechtfertige auch mich und laszlig mich auferstehen vom Tod zum Leben Herr mein Gottldquo22

In dieser Apologie spricht der Zele-brant ein ausfuumlhrliches Bekenntnis seiner Suumlnden und Fehler vor seinem bdquoGott und Schoumlpferldquo in dem auch be-reits das spaumltere mea culpa vorkommt wobei ein ausfuumlhrlicher Suumlndenka-talog erwaumlhnt wird In den spaumlteren Confiteor-Formeln geht man von die-sen Suumlndenkatalogen weg zu einem allgemeinen Bekenntnis peccavi nimis cogitatione verbo et opere [daszlig ich viel

22 Ante conspectum divinae maiestatis tuae Domine his sanctis tuis confiteor tibi Deo meo et creatori meo mea culpa quia peccavi in superbia in odio et invidia in cupiditate et avaritia in forshynicatione et inmunditia in ebrie tate et crapula in mendacio et periurio et in omnibus vitiis quae ex his prodeunt Quid plura Visu auditu olfactu gustu et tactu et omnino in cogitatione et locutione et actione perditus sum quapropter qui iustificas imshypio iustifica me et resuscita me de morte ad vitam Domine Deus meus

gesuumlndigt habe in Gedanken Worten und Werken] Der bedeutendste Un-terschied liegt aber darin daszlig das Be-kenntnis nur vor Gott erfolgt waumlhrend in den Confiteor-Formeln die soziale Dimension von Suumlnde aufscheint Das Bekenntnis wird vor vobis fratres und den Heiligen abgelegt die auch um Fuumlrbitte vor Gott gebeten werdenDiese urspruumlngliche und weitver-breitete Apologie fuumlhrte dann ab der Jahrtausendwende zu den er sten foumlrmlichen Confiteor-For meln Eine sehr kurze fruumlhe For mel war in Clu-ny um 1080 in Gebrauch bdquoIch beken-ne Gott und allen seinen Heiligen und euch Vater daszlig ich gesuumlndigt habe in Gedanken Worten und Werken durch meine Schuld Ich bitte euch betet fuumlr

michldquo23 Diese neue Form des Suumlnden-bekenntnisses bringt bereits gut zum Ausdruck was fuumlr alle spaumlteren Confi-teor-Formeln auch gilt das Bekenntnis des ersten Teils geschieht vor Gott und der himmlischen Kirche die Fuumlrbitte im zweiten Teil richtet sich zuerst an die irdische Kirche und im Bewuszligt-sein der communio sanc to rum an die himmlischeSchon bald auch schon im 11 Jahr-hundert waren auch laumlngere Formeln uumlblich Sie wurden immer ausgedehn-ter so daszlig das Generalkapitel der Zi-sterzienser im Jahr 1184 bestimmen

23 Udalrici Consuet Clun II 30 (PL 149 716) ldquoConfiteor Deo et omnibus sanctis eius et vobis pashyter quia peccavi in cogitatione locutione et opere mea culpa Precor vos orate pro merdquo

Stufengebet im Meszligbuch

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muszligte daszlig vor allen Heiligen die Got-tesmutter zu nennen sei Confiteor Deo et beatae Mariae et omnibus Sanctis24 Im Verlauf des Mittelalters wuchs die Zahl der Heiligen vor allem im zwei-ten Teil immer weiter an Das Konzil zu Ravenna bestimmte deshalb 1314 au-szliger Maria nur noch Michael Johannes den Taumlufer und die Apostel Petrus und Paulus zu nennen25 wie wir es noch heute tunAuch die Umschreibung und Aufzaumlh-lung der Suumlnden wurde immer kon-kreter Das Bekenntnis wurde nahezu zu einem Suumlndenbekennt nis in specie wie man es mancherorts vom Chor-gebet kannte Dabei wirkten wohl Confiteor-Formeln ein die fuumlr die sa-kramentale Beichte dienten Die mit-telalterlichen Liturgieerklaumlrer miszligbilli-gen diese Entwicklung da es sich hier nicht um ein geheimes sondern ein oumlffentliches Bekenntnis handle26

24 Schneider CistshyChr 1926 25525 Mansi XXV 54726 Vgl Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217

Von Anfang an wurde das Confiteor tief verbeugt gesprochen wie diverse Meszligordines erwaumlhnen wenngleich auch das Knien verbreitet gewesen sein muszlig Auch das Schlagen an die Brust beim mea culpa wird schon fruumlh erwaumlhnt27

Die Urspruumlnge des Confiteor liegen jedoch nicht in der Messe Ab dem 9 Jahrhundert sind uns Fassungen uumlberliefert die bei der sakramentalen Beichte gebraucht wurden Oft ent-hielten sie einen langen Suumlndenka-talog aumlhnlich wie in einigen Laumlndern noch heute traditionellerweise das persoumlnliche Suumlndenbekenntnis in das Confiteor nach dem mea maxima culpa eingefuumlgt wird In dieser fruumlhen Zeit stand der standardmaumlszligige Suumlndenka-

806) Sicard von Cremona Mitrale III 2 (PL213 96 A) Durandus IV 7 2 Joh Beleth Explicatio c33 (PL 202 43) die Suumlnden duumlrfen hier nur generaliter beshykannt werden nec mensuram accedere27 Stephan von Baugeacute De sacr altaris c 12 (PL172 1283 B) Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217 806) Durandus IV 7 3

talog allerdings noch an Stelle eines detaillierten persoumlnlichen Bekenntnis-ses28 Bald auch schon im 9 Jahr hun-dert kommt ein solches Suumlndenbe-kenntnis taumlglich in Prim und Komplet vorVon daher wird nun auch ein Confi-teor in die Messe uumlbernommen Bis zur Mitte des 11 Jahrhunderts ist der entscheidende Uumlbergang abgeschlos-sen29 In der ersten Zeit gab es dabei vielfach ein Gegenuumlber von Priester und Diakon das an das kloumlsterliche gegenseitige Bekennen erinnert So sprach in Cluny der Priester das Confi-teor vor dem Altar an der Evangelien-seite inclinis contra diaconum similiter inclinem [verbeugt zum Diakon der ebenfalls verbeugt ist]30 Aumlhnlich war es

28 Auch in der Orthodoxie kennt man neben dem individuellen Suumlndenbekenntnis beim geistlichen Vater ein solches standardmaumlszligiges Bekenntnis mit einem langen Suumlndenkatalog vor dem Empfang der Kommunion29 Vgl J A Jungmann 38930 Udalrici Consuet Clun II 30 (PL 149 716A)

Confiteor beim Levitierten Hochamt (Mannheim 2012)

29Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

an vielen Orten so bei den Kartaumlusern und im Missale von Westminster waumlh-rend in Sarum Diakon und Subdiakon rechts und links vom Priester stehen und beide antworten Letztere Form hat sich schlieszliglich durchgesetzt und wurde von Pius V endguumlltig bestaumltigt und festgelegtSofort ist das Confiteor in der Messe mit dem Misereatur verbunden das auch Nichtgeweihte als fuumlrbittende Antwort sprechen durften31 Auch das Indulgentiam bzw oft mit dem zwei-ten Wort Absolutionem beginnend wurde von Anfang an in die Messe aufgenommen das in dieser Zeit und noch mehrere Jahrhunderte lang Aus-druck der priesterlich-sakramentalen Lossprechung ist Seit kurz vorher die Gewohnheit aufgekommen war Be-kenntnis und Lossprechung bei der Beichte in ein und derselben Feier abzuhalten hatte man auch fuumlr das in den Kloumlstern uumlbliche woumlchentliche Suumlndenbekenntnis vor dem geist-lichen Vater dem Misereatur die sa-kramentale Lossprechung Indulgen-tiam hinzugefuumlgt32 Von daher kam es nun auch in die Meszligliturgie Da es sakramentalen Charakter hatte kam es zunaumlchst nur dem Priester zu der Diakon und eventuell der Subdiakon antwortet nur mit Misereatur Eine fruuml-he Form des Misereatur wie es sich im 910 Jahrhundert haumlufig findet lau-tet bdquoEs erbarme sich deiner der allmaumlch-tige Gott und lasse dir alle deine Suumlnden nach er befreie dich von allem Boumlsen (Werk) er bewahre dich in allem Guten

31 Vgl J A Jungmann Die lateinischen Buszligriten in ihrer geschichtlichen Entwicklung Innsbruck 1932 282shy28332 Ebd 283shy284

(Werk) und fuumlhre dich (durch die Fuumlrbitte aller Heiligen) zur ewigen Herrlichkeitldquo33

Umrahmende VersikelZu dem Confiteor-Ritus kam dann im Mittelalter noch eine Umrahmung hinzu indem man dem Confiteor ver-schiedene Versikel unmittelbar voran-gestellt hat Das noch heute uumlbliche Adiutorium nostrum in nomine Domini erscheint in Italien schon im 11 Jahr-hundert an dieser Stelle auszligerhalb Italiens anscheinend erst seit dem 15 JahrhundertAuch nach dem Buszligakt wurden schon fruumlh eine Reihe Versikel als Uumlberlei-tung zum Aufer a nobis eingefuumlgt Sie haben eine aumlhnliche Funktion wie die Preces vor der Oration im Offizium Daran erinnert auch verbeugte Koumlr-perhaltung Meist handelt es sich da-

33 Misereatur tui omnipotens Deus et dimittat tibi omnia peccata tua liberet te ab omni (opere) malo conservet te in omni (opere) bono et perducat te (per intercessionem omnium sanctorum) ad gloriam sempiternam

bei um Versikel die schon fruumlher beim Hintreten zum Altar gesprochen wur-den wie auch die noch jetzt uumlblichen Deus tu conversus und Ostende Schon das Missale der paumlpstlichen Kapelle um 1290 beschraumlnkt sich auf diese beiden Versikel34 waumlhrend andernorts noch eine Anzahl anderer hinzugefuumlgt sind Do mi ne exaudi orationem meam und Dominus vobiscum vor dem Aufer a nobis sind die uumlblichen Einleitungen einer Oration und stammen aus fruumlher Zeit Das Aufer a nobis selbst ist das aumllte ste Element des Stufengebets und ist jetzt nurmehr seine Schluszligoration Es stammt aus alter roumlmischer Traditi-on und gehoumlrte der Paschafeier an35 Spaumlter sprach man es bei der Kirchwei-he zum Einzug ins Heiligtum wo man die Reliquien abholte Beim Hintritt zum Altar wird es seit dem spaumlten Mit-

34 Vgl J Brinktrine (Eph liturg 1937) 20035 Im Leonianum am Gruumlndonnerstag im aumllteren Gelasianum am Beginn der Quadragesima im Greshygorianum von Padua am Donnerstag der ersten Fastenwoche

Confiteor bei einer Primiz in St Albert Stuttgart (2009)

Das Stufengebet

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telalter leise gesprochen wohl zuerst in EnglandDer Trierer Patristiker Michael Fiedro-wicz schreibt zusammenfassend bdquoDie Entstehung des Stufengebets ist ein anschauliches Beispiel fuumlr die organi-

sche Entwicklung der Meszligliturgie Aus einem betenden Innehalten bzw sich Niederwerfen des Papstes bzw Zele-branten vor dem Altar (78 Jahrhun-dert) einem Bekenntnis der eigenen Unwuumlrdigkeit mit Vergebungsbitte (Apologien 9 Jahrhundert) dem ge-meinsamen Beten von Psalm 42 - ne-ben anderen Ak zeszlig psalmen - auf dem Weg zum Altar (910 Jahrhundert) verschiedenen Psalm-Versikeln (12 Jahrhundert) die vom Buszligakt zur Ora-tion Aufer a nobis (10 Jahrhundert) uumlberleiteten ist allmaumlhlich jener Be-

stand an Vorbereitungsgebeten zu-sammen ge wachsen der mit der An-ordnung Papst Piuslsquo V an den Stufen des Altares Psalm 42 zu beten seine endguumlltige Gestalt gefunden hatldquo36

Die Funktion des Stufengebets im Rahmen der MesseNachdem wir die - mitunter etwas ver-wirrende - geschichtliche Entstehung und Entwicklung des Stufengebets gesehen haben koumlnnen wir uns nun daran machen seine Funktion inner-halb der Vormesse zu klaumlren Diese laumlszligt sich nur aus der Geschichte her-aus richtig deuten

36 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 76

Die Liturgische Bewegung des letzten Jahrhunderts die faumllschlicherweise von der missa lecta [gelesene Messe] als Normalform der Messe ausging waumlhrend das natuumlrlich die missa can-tata [gesungene Messe] ist betrachtete das Stufengebet als einen Dialog von Priester und Volk bzw Prie ster und Mi-nistrant wobei der Ministrant als Ver-treter des Volkes angesehen wurde In der im 20 Jahrhundert erfundenen missa dialogata [dialogisierte Messe] betete folgerichtig das Volk im Wech-sel mit dem Priester das Stufengebet Das Volk war zuvor nie an diesem Dia-log beteiligt weil parallel zum Stufen-gebet der Introitus gesungen wird

Oumlffentliche Vorbereitung an den Stufen des AltaresDer historische Befund laumlszligt eine sol-che Deutung nicht zu auch wenn es im spaumlten Mittelalter vereinzelt zu einer Einbeziehung der Gemeinde gekommen ist37 was Jungmann aber richtig als Grenzfall bezeichnet Der Ursprung des Stufengebets ist wie wir sahen die stille Verneigung oder das Niederwerfen des Pontifex vor dem Altar nach dem Einzug wobei er nach dem Ordo Romanus XVII pro se vel pro peccata populi betet Das ist eindeutig ein privates Vorbereitungsgebet auf die Meszligfeier wie es auch die Apolo-gien des 9 Jahrhundert waren Von einer irgendwie gearteten Beteiligung des Volkes ist dort keine Rede

37 So beginnt im Missale von Tours von 1533 das Misereatur des Priesters mit Fratres et sorores (Marshytegravene I 4 2 4 [I 361]) und in der Konventmesse der Kartaumluser betet nach dem Caeremoniale von 1370 und ebenso noch heute die ganze Kommunitaumlt das Stufengebet der Introitus beginnt erst danach

Stufengebet in der Zisterzienserabtei Mariawald

Die Entstehung des Stufengebetsist ein anschauliches Beispielfuumlr die organische Entwicklung der Meszligliturgie

31Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Auch mit dem Aufkommen des Con fiteor als neuer Form des Suumln-denbekenntnisses ab der er sten Jahr-tausendwende aumlndert sich das nicht Eine Beteiligung des Volkes gab es nicht auszliger in den erwaumlhnten spaumlten Einzelfaumlllen Vielmehr zeigt das im An-fang haumlufige Gegenuumlber von Priester und Diakon beim Confiteor deutlich daszlig es sich hierbei um einen Dialog zwischen den Zelebranten also Prie-ster und Diakon handelt Der Brauch

von Sarum sieht den Subdiakon eben-falls als Zelebranten entsprechend der um diese Zeit aufkommenden An-sicht den Subdiakonat unter die houml-heren Weihen zu zaumlhlen der Priester steht zwischen Diakon und Subdiakon und betet abwechselnd mit ihnen das Stufengebet So ist es bis heute geblie-ben Das Stufengebet ist demnach die private Vorbereitung des Altarklerus auf die Meszligfeier38 Pierre Lebrun nann-te es Anfang des 18 Jahrhundert ganz

38 Vgl J Brinktrine a a O 50 bdquoHinzu kommt daszlig das Staffelgebet mehr die private Vorbereitung des Priesters und seiner ministri darstelltldquo

richtig die bdquoPreacuteparation publique au bas de lrsquoautelldquo39

bdquoIntroibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuventutem meamrdquoDiese Vorbereitung besteht wie schon gesagt aus zwei Teilen dem Psalm 42 zum Hinzutritt zum Altar und dem Suumlndenbekenntnis des ConfiteorDer Psalm der ur spruumlnglich auf dem Weg zum Al tar gebetet wurde und die Sehnsucht nach dem Altar zum Aus-druck bringt hat diese urspruumlngliche Funktion auch nach der Verlegung an die Altarstufen durch Pius V nicht ver-loren Nach wie vor ist der vierte Vers Introibo ad altare Dei ad Deum qui lae-tificat iuventutem meam der beste Aus-druck fuumlr das was gerade geschieht Der Psalm ist im Alten Testament das bdquoGebet eines Bedraumlngten der fern des Heiligtums sich danach sehnt wieder an den Festen des Herrn teilnehmen zu koumlnnenldquo40 bdquoDieses Hintreten vor Gott nach dem es den Saumlnger verlangt hat ist eigentlich erst im Neuen Bun-de vollends moumlglich geworden denn erst durch Christus haben wir das sbquofreie Wort und den Zutritt des Vaterslsquo (Eph 312 vgl Roumlm 52) Der Altar des Neu-en Bundes ist die Stelle an der sich die Begegnung mit Gott im Diesseits am vollsten verwirklichen darfldquo41Der Psalm ist bdquobestens geeignet zur Stim-me der Kirche zu werden die in den aumluszligeren und inneren Bedraumlngnissen der Welt danach verlangt vor Gott zu treten sich von ihm fuumlhren zu lassen und ihn im Lobpreis seiner Treue freu-

39 P Lebrun a a O 7940 M Fiedrowicz a a O 7641 J Jungmann a a O 380

Johannes Chrysostomos

Das Stufengebet

Das Stufengebet ist die private Vorbereitung des Altarklerus auf die MeszligfeierEine Beteiligung des Volkes gab es nicht

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dig Dank zu sagenldquo42 Auf dem Weg zum Altar haumllt der Priester an den Al-tarstufen inne und bringt seine Sehn-sucht zum Altar und zu bdquoGott der mei-ne Jugend erfreutldquo zum Ausdruck

bdquoAber nicht bloszlig das Hintreten erfuumlllt sich hier auch die Situation aus der der Psalmist zu Gott verlangt waumlchst ins Typische Wenn wir zu Gott wollen stellt sich immer irgendwo der homo iniquus [der boumlse Mensch] in den Weg Und so rufen wir zu ihm der uns Staumlr-ke ist er moumlge sein Licht aufleuch-ten und seine Treue wirksam werden lassen und uns hinfuumlhren in montem sanctum zur Houmlhe auf der sich das Opfer von Golgotha erneuern sollldquo43 Die abschlieszligenden Worte der Freude und des Jubels gelten dann schon der Eucharistie

bdquoWenn ihr am Herrentag zusammenkommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquoDer zweite Teil des Stufengebets ist das Suumlndenbekenntnis mit sei ner

42 M Fiedrowicz a a O 7643 J Jungmann a a O 381

Umrahmung das nach Abschluszlig des Psalms folgt Das Be wuszligtsein der Grouml-szlige der Euchari stiefeier und das dazu erforderliche Freisein von Suumlnde geht schon aus der Forderung der Didache aus der Fruumlhzeit der Kirche hervor bdquoWenn ihr am Herrentag zusammen-kommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquo Hier war aber wohl an ein auszligerlitur-gisches Bekenntnis der Teilnehmer gedacht In besonderer Weise gilt die Forderung nach Suumlndenfreiheit natuumlr-lich vom zelebrierenden Priester

So verlangt die Goumlttliche Liturgie des hl Johannes Chrysostomos bdquoBevor der Priester das goumlttliche Mysterium feiert soll er zunaumlchst mit allen ver-soumlhnt sein und gegen niemand etwas haben Er soll sein Herz vor boumlsen Ge-danken bewahrenldquo44 Im Westen legt er im Rahmen seines privaten Vorbe-reitungsgebetes der Messe ein allge-meines Suumlndenbekenntnis mit seinen ministri sacri bzw den diese vertreten-den Ministranten ab

44 S Heitz Mysterium der Anbetung Goumlttliche Liturgie und Stundengebet der Orthodoxen Kirche Koumlln 1986 315

Der dialogische Aufbau des Bekennt-nisses entspricht der Forderung des Apostels Jakobus bdquoBekennt also einan-der eure Suumlnden und betet fuumlreinander damit ihr geheilt werdetldquo (Jak 5 16) Im Gegenuumlber von Zelebrant und ministri wird die Forderung des Apostels be-wuszligt vollzogen Es kommt darin auch die soziale und ekklesiale Dimension von Suumlnde und Vergebung zum Aus-druck

Im getrennten Sprechen des Schuld-bekenntnisses wird auch die beson-dere Stellung des Prie sters sichtbar Er ist ebenso wie seine ministri und das glaumlubige Volk der Schwaumlche und Schuld unterworfen und auf Gottes Barm her zig keit angewiesen aber kraft seiner Weihe ist er doch von ihnen un-terschieden Daszlig der Priester das Con-fiteor allein betet ist bdquodemuumltiger Aus-druck dafuumlr daszlig der Priester der erste ist der sich fuumlr seine Suumlnden anzukla-gen hat um wuumlrdig die heiligen My-sterien feiern zu koumlnnenldquo45 Waumlhrend sich alle genseitig der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen ist der Priester der einzige der kraft seiner Weihe das ehemals sakramental verstandene In-dulgentiam sprechen kann

Die abschlieszligenden Versikel erbit-ten die Zuwendung Gottes (Deus tu conversus) und seine Barmherzigkeit (Ostende nobis) Das letzte ist die Bitte um das gnadenhafte Kommen Chri-sti in der Eucharistie46 Im Aufer a no-bis erbittet der Priester sodann beim

45 M Fiedrowicz a O 7946 Vgl K Gamber Zeige uns o Herr deine Barshymherzigkeit Vom byzantinischen ProthesisshyBild zum spaumltmittelalterlichen ErbaumlrmdeshyChristus Reshygensburg 1986 12

Stufengebet in Mariawald

33Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Aufstieg zum Altar mit reiner Seele zum Altar hinzutreten zu duumlrfen Die-ses Gebet faszligt eigentlich das ganze Stufengebet noch einmal zusammen Am Altar angelangt legt er die Haumlnde an den Altar und ruft die Fuumlrbitte der Heiligen an (Oramus te Domine) Der Altarkuszlig ehrt diesen als Symbol Christi und stellt den Priester in die Gemein-schaft der Heiligen besonders derer deren Reliquien sich im Altar befinden (quorum reliquiae hic sunt)

bdquoIndem der Zutritt zum Altar im Stufen-gebet gleichsam schrittweise erbetet wird und von fortwaumlhrenden Entsuumln-digungsbitten begleitet ist zeigt der Ri-tus eindringlich wie mit der je groumlszligeren Naumlhe zu Gott das immer staumlrkere Verlan-gen einhergehen muszlig sei ner Heiligkeit zu entsprechenldquo47

Zusammenfassung und SchluszligfolgerungAus dem urchristlichen Bewuszligtsein um Heiligkeit und Groumlszlige der Euchari-stie und der damit verbundenen For-derung nach Buszlige bdquodamit euer Opfer rein seildquo entstanden in den verschie-denen Riten diverse rituelle Formen eines Suumlndenbekenntnisses zu Beginn der Messe Im Westen steht am Anfang der Entwicklung das stille Verbeugen oder Niederwerfen des Papstes vor dem Altar beim roumlmischen Stations-gottesdienst bei dem er frei pro se vel pro peccata populi betet Spaumlter ver-langten die liturgischen Stilgesetze im Frankenreich diese Stille foumlrmlich aus-zufuumlllen Zahlreiche Apologien entste-hen bis im 9 Jahrhundert eine Ord-nung aufkommt die vorherrschend

47 M Fiedrowicz a a O 80

werden sollte und bis heute fortbe-steht Es entstehen die ersten Ansaumltze des spaumlteren Stufengebets die zwar alle diesel be Struktur aber keines-wegs denselben Wortlaut haben Wir haben gesehen wie in tastenden Ver-suchen eine fast verwirrende Vielzahl von Stufengebeten entstehen bis die Entwicklung endguumlltig durch die Li-turgiereform Piuslsquo V ihren Abschluszlig findet

Aus dem historischen Uumlberblick konn-ten wir die eigentliche Funktion des Stufengebets in der Vor messe erken-nen Von seinem ge schichtlichen Ur-sprung her ist es ein privates Gebet des Priesters mit seinem assistieren-den Klerus Am Anfang stand ein re-gelrechtes Gegenuumlber von Priester und Diakon Es ist wie J Brinktrine sagte bdquoprivate Vorbereitung des Prie-sters und seiner ministrildquo48

Daraus ergeben sich vor allem zwei Folgerungen Es muszlig sichtbar blei-ben daszlig hier der Priester und seine Assistenz (Diakon und Subdiakon bzw Ministranten die die ministri sacri ver-

48 S Anm 34

treten) sich privat auf die Feier der hei-ligen Messe betend vorbereiten Ge-maumlszlig der Maszliggabe von Sacro sanctum Concilium daszlig jeder Teilnehmer an der Liturgie bdquonur das und all das tun (soll) was ihm aus der Natur der Sa-che und nach den liturgischen Regeln zukommtldquo49 ist dementsprechend der Brauch zu vermeiden in der missa dialogata die Glaumlubigen das Stufen-gebet laut mitbeten zu lassen Das ist eindeutig eine sbquoRollenvermischunglsquo die erst mit der Liturgischen Bewe-gung aufkam und auf einem falschen Verstaumlndnis der eigentlichen Funktion des Stufengebets beruht

Die zweite Folgerung hat mit der ars celebrandi zu tun Um die Messe wuumlr-dig und gut zu feiern ist es wichtig die Funktion und Bedeutung der einzel-nen Teile gut zu kennen und dement-sprechend zu vollziehen Damit das Stufengebet nicht zum leeren Geplap-per wird gilt es sich in die Bedeutung seiner beider Teile zu vertiefen und wirklich die Sehnsucht zu Gott und seinem Altar und die Reue uumlber die ei-genen Suumlnden zu erwecken

49 SC n 28

Das Stufengebet

Page 7: Das Stufengebet - Pro Missa Tridentina€¦ · Von Lic. theol. Martin Reinecke Der folgende Text ist der Abdruck eines Vortrags auf der liturgischen Schulung in Heiloo (NL) vom 30.6

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gesprochen Das gehoumlrte seit dem 12 Jahrhundert zur festen Ordnung eines jeden Meszligordo17 Der Psalm Iudica me war noch nicht so verbrei-tet Er gehoumlrt im spaumlteren Mittelalter zahlreichen Meszligordnungen noch nicht an Deshalb fehlt der Psalm noch heute in den Liturgien der Kar-taumluser der beschuhten Karmeliten und der Dominikaner die ihre Ord-nungen im 13 Jahrhundert festge-legt haben und ihn den damaligen Schwankungen entsprechend nicht aufgenommen haben Jungmann berichtet daszlig sogar noch auf der ersten Generalkongregation der Je-suiten 1558 beschlossen wurde auf den Psalm zu verzichten18 Erst das Missale Piuslsquo V machte den Psalm zur allgemeinen Vorschrift da es sich auf das Missale Curiae stuumltzte das den Psalm kannte ebenso wie die meisten italischen MeszligbuumlcherWaumlhrend des ganzen Mittelalters blieb es vorherrschende Regel den Psalm Iudica me auf dem Weg zum Altar zu beten wie es schon die oben ange-fuumlhrte Rubrik des 10 Jahrhunderts festgesetzt hatte bdquoNoch nach dem Missale Pauls III konnte der Zelebrans ihn laut oder still auf dem Wege zum Altar betenldquo19 Nur seltene Ausnahmen verlegen ihn bereits eindeutig an die Stufen des Altares meist dort wo das Ankleiden oder das Anlegen der Kasel am Altar geschieht Daszlig das Missale Piuslsquo V ihn entgegen der weit verbrei-

17 Mit Ausnahme eines Missale von Toul um 1400 das vor dem Aufer a nobis nur die Apologie Ante conshyspectum hat18 J A Jungmann 38019 J Brinktrine Die heilige Messe in ihrem Werden und Wesen Paderborn 1931 51

teten Gewohnheit an die Altarstufen verlegt hat wohl seinen Grund in der Tatsache daszlig man dem Psalm ein sorgfaumlltiges Sprechen sichern und ihm mehr Gewicht geben wollteDoch auch nach der Kodifizierung durch Pius V war der Ort des Stufen-gebets - und damit auch des Psalms 42 - noch nicht uumlberall an den Stufen des Altares So berichtet Pierre Lebrun noch 1716 uumlber Sonderbraumluche im Frankreich seiner Zeit bdquodie einen ma-chen sie in einer eigenen Kapelle wie man sie noch in Tours am Grab des heiligen Martin macht die anderen im Chor wie in Laon und Chartres oder am Eingang des Chorraums weit vom Altar wie in Soissons und Chacirclons-sur-Marne andere an der linken Seite des Altars beim Eingang das heiszligt auf der Evangelienseite wie in Vienne und bei den Kartaumlusern die den Brauch aus dieser Metropole uumlbernommen ha-

ben andere schlieszliglich in der Sakristei wie in Reimsldquo20

Seit dem 11 Jahrhundert wird dem Psalm die Antiphon Introibo voran-gestellt die spaumlter und bis heute als Versikel behandelt wird Die Versikel Adiutorium nostrum erscheint bereits im Meszlig ordo der paumlpstlichen Kapelle um 129021 Das dem Taufbefehl Jesu entnommene Kreuzzeichen vor dem Psalm ist erst seit dem 14 Jahrhundert vereinzelt nachweisbar

Das bdquoConfiteorldquoWie der Psalm Iudica lange Zeit keine einheitliche Ordnung kannte so ging

20 P Lebrun Explication litteacuterale historique et dogamtique des priegraveres et des ceacutereacutemonies de la messe suivant les anciens auteurs et les monument de la plupart des eacuteglises avec des dissertations et des notes sur les endroit difficiles et sur lrsquoorigine des rites Paris 1716 Nachdruck Tours 1976 8021 Ebd 383

Stufengebet bei einer stillen heiligen Messe

27Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

es auch dem Confiteor Ein einheitli-ches Formular gab es lange Zeit nicht dafuumlr Ein Vorlaumlufer der spaumlteren Confiteor-Formeln war die verbreitete Apologie ldquoVor dem Angesicht deiner goumlttlichen Majestaumlt o Herr und dieser deiner Hei-ligen bekenne ich dir meinem Gott und meinem Schoumlpfer durch meine Schuld denn ich habe gesuumlndigt in Stolz in Haszlig und Neid in Begierde und Geiz in Un-zucht und Unreinheit in Rausch und Trunkenheit in Luumlge und Meineid und in allen Lastern die aus diesen hervor-gehen Was noch Durch Sehen Houmlren Geruch Geschmack und Tasten und durchaus in Gedanken Worten und Ta-ten bin ich verdorben deshalb der du den Suumlnder ge recht fer tigst rechtfertige auch mich und laszlig mich auferstehen vom Tod zum Leben Herr mein Gottldquo22

In dieser Apologie spricht der Zele-brant ein ausfuumlhrliches Bekenntnis seiner Suumlnden und Fehler vor seinem bdquoGott und Schoumlpferldquo in dem auch be-reits das spaumltere mea culpa vorkommt wobei ein ausfuumlhrlicher Suumlndenka-talog erwaumlhnt wird In den spaumlteren Confiteor-Formeln geht man von die-sen Suumlndenkatalogen weg zu einem allgemeinen Bekenntnis peccavi nimis cogitatione verbo et opere [daszlig ich viel

22 Ante conspectum divinae maiestatis tuae Domine his sanctis tuis confiteor tibi Deo meo et creatori meo mea culpa quia peccavi in superbia in odio et invidia in cupiditate et avaritia in forshynicatione et inmunditia in ebrie tate et crapula in mendacio et periurio et in omnibus vitiis quae ex his prodeunt Quid plura Visu auditu olfactu gustu et tactu et omnino in cogitatione et locutione et actione perditus sum quapropter qui iustificas imshypio iustifica me et resuscita me de morte ad vitam Domine Deus meus

gesuumlndigt habe in Gedanken Worten und Werken] Der bedeutendste Un-terschied liegt aber darin daszlig das Be-kenntnis nur vor Gott erfolgt waumlhrend in den Confiteor-Formeln die soziale Dimension von Suumlnde aufscheint Das Bekenntnis wird vor vobis fratres und den Heiligen abgelegt die auch um Fuumlrbitte vor Gott gebeten werdenDiese urspruumlngliche und weitver-breitete Apologie fuumlhrte dann ab der Jahrtausendwende zu den er sten foumlrmlichen Confiteor-For meln Eine sehr kurze fruumlhe For mel war in Clu-ny um 1080 in Gebrauch bdquoIch beken-ne Gott und allen seinen Heiligen und euch Vater daszlig ich gesuumlndigt habe in Gedanken Worten und Werken durch meine Schuld Ich bitte euch betet fuumlr

michldquo23 Diese neue Form des Suumlnden-bekenntnisses bringt bereits gut zum Ausdruck was fuumlr alle spaumlteren Confi-teor-Formeln auch gilt das Bekenntnis des ersten Teils geschieht vor Gott und der himmlischen Kirche die Fuumlrbitte im zweiten Teil richtet sich zuerst an die irdische Kirche und im Bewuszligt-sein der communio sanc to rum an die himmlischeSchon bald auch schon im 11 Jahr-hundert waren auch laumlngere Formeln uumlblich Sie wurden immer ausgedehn-ter so daszlig das Generalkapitel der Zi-sterzienser im Jahr 1184 bestimmen

23 Udalrici Consuet Clun II 30 (PL 149 716) ldquoConfiteor Deo et omnibus sanctis eius et vobis pashyter quia peccavi in cogitatione locutione et opere mea culpa Precor vos orate pro merdquo

Stufengebet im Meszligbuch

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muszligte daszlig vor allen Heiligen die Got-tesmutter zu nennen sei Confiteor Deo et beatae Mariae et omnibus Sanctis24 Im Verlauf des Mittelalters wuchs die Zahl der Heiligen vor allem im zwei-ten Teil immer weiter an Das Konzil zu Ravenna bestimmte deshalb 1314 au-szliger Maria nur noch Michael Johannes den Taumlufer und die Apostel Petrus und Paulus zu nennen25 wie wir es noch heute tunAuch die Umschreibung und Aufzaumlh-lung der Suumlnden wurde immer kon-kreter Das Bekenntnis wurde nahezu zu einem Suumlndenbekennt nis in specie wie man es mancherorts vom Chor-gebet kannte Dabei wirkten wohl Confiteor-Formeln ein die fuumlr die sa-kramentale Beichte dienten Die mit-telalterlichen Liturgieerklaumlrer miszligbilli-gen diese Entwicklung da es sich hier nicht um ein geheimes sondern ein oumlffentliches Bekenntnis handle26

24 Schneider CistshyChr 1926 25525 Mansi XXV 54726 Vgl Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217

Von Anfang an wurde das Confiteor tief verbeugt gesprochen wie diverse Meszligordines erwaumlhnen wenngleich auch das Knien verbreitet gewesen sein muszlig Auch das Schlagen an die Brust beim mea culpa wird schon fruumlh erwaumlhnt27

Die Urspruumlnge des Confiteor liegen jedoch nicht in der Messe Ab dem 9 Jahrhundert sind uns Fassungen uumlberliefert die bei der sakramentalen Beichte gebraucht wurden Oft ent-hielten sie einen langen Suumlndenka-talog aumlhnlich wie in einigen Laumlndern noch heute traditionellerweise das persoumlnliche Suumlndenbekenntnis in das Confiteor nach dem mea maxima culpa eingefuumlgt wird In dieser fruumlhen Zeit stand der standardmaumlszligige Suumlndenka-

806) Sicard von Cremona Mitrale III 2 (PL213 96 A) Durandus IV 7 2 Joh Beleth Explicatio c33 (PL 202 43) die Suumlnden duumlrfen hier nur generaliter beshykannt werden nec mensuram accedere27 Stephan von Baugeacute De sacr altaris c 12 (PL172 1283 B) Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217 806) Durandus IV 7 3

talog allerdings noch an Stelle eines detaillierten persoumlnlichen Bekenntnis-ses28 Bald auch schon im 9 Jahr hun-dert kommt ein solches Suumlndenbe-kenntnis taumlglich in Prim und Komplet vorVon daher wird nun auch ein Confi-teor in die Messe uumlbernommen Bis zur Mitte des 11 Jahrhunderts ist der entscheidende Uumlbergang abgeschlos-sen29 In der ersten Zeit gab es dabei vielfach ein Gegenuumlber von Priester und Diakon das an das kloumlsterliche gegenseitige Bekennen erinnert So sprach in Cluny der Priester das Confi-teor vor dem Altar an der Evangelien-seite inclinis contra diaconum similiter inclinem [verbeugt zum Diakon der ebenfalls verbeugt ist]30 Aumlhnlich war es

28 Auch in der Orthodoxie kennt man neben dem individuellen Suumlndenbekenntnis beim geistlichen Vater ein solches standardmaumlszligiges Bekenntnis mit einem langen Suumlndenkatalog vor dem Empfang der Kommunion29 Vgl J A Jungmann 38930 Udalrici Consuet Clun II 30 (PL 149 716A)

Confiteor beim Levitierten Hochamt (Mannheim 2012)

29Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

an vielen Orten so bei den Kartaumlusern und im Missale von Westminster waumlh-rend in Sarum Diakon und Subdiakon rechts und links vom Priester stehen und beide antworten Letztere Form hat sich schlieszliglich durchgesetzt und wurde von Pius V endguumlltig bestaumltigt und festgelegtSofort ist das Confiteor in der Messe mit dem Misereatur verbunden das auch Nichtgeweihte als fuumlrbittende Antwort sprechen durften31 Auch das Indulgentiam bzw oft mit dem zwei-ten Wort Absolutionem beginnend wurde von Anfang an in die Messe aufgenommen das in dieser Zeit und noch mehrere Jahrhunderte lang Aus-druck der priesterlich-sakramentalen Lossprechung ist Seit kurz vorher die Gewohnheit aufgekommen war Be-kenntnis und Lossprechung bei der Beichte in ein und derselben Feier abzuhalten hatte man auch fuumlr das in den Kloumlstern uumlbliche woumlchentliche Suumlndenbekenntnis vor dem geist-lichen Vater dem Misereatur die sa-kramentale Lossprechung Indulgen-tiam hinzugefuumlgt32 Von daher kam es nun auch in die Meszligliturgie Da es sakramentalen Charakter hatte kam es zunaumlchst nur dem Priester zu der Diakon und eventuell der Subdiakon antwortet nur mit Misereatur Eine fruuml-he Form des Misereatur wie es sich im 910 Jahrhundert haumlufig findet lau-tet bdquoEs erbarme sich deiner der allmaumlch-tige Gott und lasse dir alle deine Suumlnden nach er befreie dich von allem Boumlsen (Werk) er bewahre dich in allem Guten

31 Vgl J A Jungmann Die lateinischen Buszligriten in ihrer geschichtlichen Entwicklung Innsbruck 1932 282shy28332 Ebd 283shy284

(Werk) und fuumlhre dich (durch die Fuumlrbitte aller Heiligen) zur ewigen Herrlichkeitldquo33

Umrahmende VersikelZu dem Confiteor-Ritus kam dann im Mittelalter noch eine Umrahmung hinzu indem man dem Confiteor ver-schiedene Versikel unmittelbar voran-gestellt hat Das noch heute uumlbliche Adiutorium nostrum in nomine Domini erscheint in Italien schon im 11 Jahr-hundert an dieser Stelle auszligerhalb Italiens anscheinend erst seit dem 15 JahrhundertAuch nach dem Buszligakt wurden schon fruumlh eine Reihe Versikel als Uumlberlei-tung zum Aufer a nobis eingefuumlgt Sie haben eine aumlhnliche Funktion wie die Preces vor der Oration im Offizium Daran erinnert auch verbeugte Koumlr-perhaltung Meist handelt es sich da-

33 Misereatur tui omnipotens Deus et dimittat tibi omnia peccata tua liberet te ab omni (opere) malo conservet te in omni (opere) bono et perducat te (per intercessionem omnium sanctorum) ad gloriam sempiternam

bei um Versikel die schon fruumlher beim Hintreten zum Altar gesprochen wur-den wie auch die noch jetzt uumlblichen Deus tu conversus und Ostende Schon das Missale der paumlpstlichen Kapelle um 1290 beschraumlnkt sich auf diese beiden Versikel34 waumlhrend andernorts noch eine Anzahl anderer hinzugefuumlgt sind Do mi ne exaudi orationem meam und Dominus vobiscum vor dem Aufer a nobis sind die uumlblichen Einleitungen einer Oration und stammen aus fruumlher Zeit Das Aufer a nobis selbst ist das aumllte ste Element des Stufengebets und ist jetzt nurmehr seine Schluszligoration Es stammt aus alter roumlmischer Traditi-on und gehoumlrte der Paschafeier an35 Spaumlter sprach man es bei der Kirchwei-he zum Einzug ins Heiligtum wo man die Reliquien abholte Beim Hintritt zum Altar wird es seit dem spaumlten Mit-

34 Vgl J Brinktrine (Eph liturg 1937) 20035 Im Leonianum am Gruumlndonnerstag im aumllteren Gelasianum am Beginn der Quadragesima im Greshygorianum von Padua am Donnerstag der ersten Fastenwoche

Confiteor bei einer Primiz in St Albert Stuttgart (2009)

Das Stufengebet

30

telalter leise gesprochen wohl zuerst in EnglandDer Trierer Patristiker Michael Fiedro-wicz schreibt zusammenfassend bdquoDie Entstehung des Stufengebets ist ein anschauliches Beispiel fuumlr die organi-

sche Entwicklung der Meszligliturgie Aus einem betenden Innehalten bzw sich Niederwerfen des Papstes bzw Zele-branten vor dem Altar (78 Jahrhun-dert) einem Bekenntnis der eigenen Unwuumlrdigkeit mit Vergebungsbitte (Apologien 9 Jahrhundert) dem ge-meinsamen Beten von Psalm 42 - ne-ben anderen Ak zeszlig psalmen - auf dem Weg zum Altar (910 Jahrhundert) verschiedenen Psalm-Versikeln (12 Jahrhundert) die vom Buszligakt zur Ora-tion Aufer a nobis (10 Jahrhundert) uumlberleiteten ist allmaumlhlich jener Be-

stand an Vorbereitungsgebeten zu-sammen ge wachsen der mit der An-ordnung Papst Piuslsquo V an den Stufen des Altares Psalm 42 zu beten seine endguumlltige Gestalt gefunden hatldquo36

Die Funktion des Stufengebets im Rahmen der MesseNachdem wir die - mitunter etwas ver-wirrende - geschichtliche Entstehung und Entwicklung des Stufengebets gesehen haben koumlnnen wir uns nun daran machen seine Funktion inner-halb der Vormesse zu klaumlren Diese laumlszligt sich nur aus der Geschichte her-aus richtig deuten

36 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 76

Die Liturgische Bewegung des letzten Jahrhunderts die faumllschlicherweise von der missa lecta [gelesene Messe] als Normalform der Messe ausging waumlhrend das natuumlrlich die missa can-tata [gesungene Messe] ist betrachtete das Stufengebet als einen Dialog von Priester und Volk bzw Prie ster und Mi-nistrant wobei der Ministrant als Ver-treter des Volkes angesehen wurde In der im 20 Jahrhundert erfundenen missa dialogata [dialogisierte Messe] betete folgerichtig das Volk im Wech-sel mit dem Priester das Stufengebet Das Volk war zuvor nie an diesem Dia-log beteiligt weil parallel zum Stufen-gebet der Introitus gesungen wird

Oumlffentliche Vorbereitung an den Stufen des AltaresDer historische Befund laumlszligt eine sol-che Deutung nicht zu auch wenn es im spaumlten Mittelalter vereinzelt zu einer Einbeziehung der Gemeinde gekommen ist37 was Jungmann aber richtig als Grenzfall bezeichnet Der Ursprung des Stufengebets ist wie wir sahen die stille Verneigung oder das Niederwerfen des Pontifex vor dem Altar nach dem Einzug wobei er nach dem Ordo Romanus XVII pro se vel pro peccata populi betet Das ist eindeutig ein privates Vorbereitungsgebet auf die Meszligfeier wie es auch die Apolo-gien des 9 Jahrhundert waren Von einer irgendwie gearteten Beteiligung des Volkes ist dort keine Rede

37 So beginnt im Missale von Tours von 1533 das Misereatur des Priesters mit Fratres et sorores (Marshytegravene I 4 2 4 [I 361]) und in der Konventmesse der Kartaumluser betet nach dem Caeremoniale von 1370 und ebenso noch heute die ganze Kommunitaumlt das Stufengebet der Introitus beginnt erst danach

Stufengebet in der Zisterzienserabtei Mariawald

Die Entstehung des Stufengebetsist ein anschauliches Beispielfuumlr die organische Entwicklung der Meszligliturgie

31Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Auch mit dem Aufkommen des Con fiteor als neuer Form des Suumln-denbekenntnisses ab der er sten Jahr-tausendwende aumlndert sich das nicht Eine Beteiligung des Volkes gab es nicht auszliger in den erwaumlhnten spaumlten Einzelfaumlllen Vielmehr zeigt das im An-fang haumlufige Gegenuumlber von Priester und Diakon beim Confiteor deutlich daszlig es sich hierbei um einen Dialog zwischen den Zelebranten also Prie-ster und Diakon handelt Der Brauch

von Sarum sieht den Subdiakon eben-falls als Zelebranten entsprechend der um diese Zeit aufkommenden An-sicht den Subdiakonat unter die houml-heren Weihen zu zaumlhlen der Priester steht zwischen Diakon und Subdiakon und betet abwechselnd mit ihnen das Stufengebet So ist es bis heute geblie-ben Das Stufengebet ist demnach die private Vorbereitung des Altarklerus auf die Meszligfeier38 Pierre Lebrun nann-te es Anfang des 18 Jahrhundert ganz

38 Vgl J Brinktrine a a O 50 bdquoHinzu kommt daszlig das Staffelgebet mehr die private Vorbereitung des Priesters und seiner ministri darstelltldquo

richtig die bdquoPreacuteparation publique au bas de lrsquoautelldquo39

bdquoIntroibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuventutem meamrdquoDiese Vorbereitung besteht wie schon gesagt aus zwei Teilen dem Psalm 42 zum Hinzutritt zum Altar und dem Suumlndenbekenntnis des ConfiteorDer Psalm der ur spruumlnglich auf dem Weg zum Al tar gebetet wurde und die Sehnsucht nach dem Altar zum Aus-druck bringt hat diese urspruumlngliche Funktion auch nach der Verlegung an die Altarstufen durch Pius V nicht ver-loren Nach wie vor ist der vierte Vers Introibo ad altare Dei ad Deum qui lae-tificat iuventutem meam der beste Aus-druck fuumlr das was gerade geschieht Der Psalm ist im Alten Testament das bdquoGebet eines Bedraumlngten der fern des Heiligtums sich danach sehnt wieder an den Festen des Herrn teilnehmen zu koumlnnenldquo40 bdquoDieses Hintreten vor Gott nach dem es den Saumlnger verlangt hat ist eigentlich erst im Neuen Bun-de vollends moumlglich geworden denn erst durch Christus haben wir das sbquofreie Wort und den Zutritt des Vaterslsquo (Eph 312 vgl Roumlm 52) Der Altar des Neu-en Bundes ist die Stelle an der sich die Begegnung mit Gott im Diesseits am vollsten verwirklichen darfldquo41Der Psalm ist bdquobestens geeignet zur Stim-me der Kirche zu werden die in den aumluszligeren und inneren Bedraumlngnissen der Welt danach verlangt vor Gott zu treten sich von ihm fuumlhren zu lassen und ihn im Lobpreis seiner Treue freu-

39 P Lebrun a a O 7940 M Fiedrowicz a a O 7641 J Jungmann a a O 380

Johannes Chrysostomos

Das Stufengebet

Das Stufengebet ist die private Vorbereitung des Altarklerus auf die MeszligfeierEine Beteiligung des Volkes gab es nicht

32

dig Dank zu sagenldquo42 Auf dem Weg zum Altar haumllt der Priester an den Al-tarstufen inne und bringt seine Sehn-sucht zum Altar und zu bdquoGott der mei-ne Jugend erfreutldquo zum Ausdruck

bdquoAber nicht bloszlig das Hintreten erfuumlllt sich hier auch die Situation aus der der Psalmist zu Gott verlangt waumlchst ins Typische Wenn wir zu Gott wollen stellt sich immer irgendwo der homo iniquus [der boumlse Mensch] in den Weg Und so rufen wir zu ihm der uns Staumlr-ke ist er moumlge sein Licht aufleuch-ten und seine Treue wirksam werden lassen und uns hinfuumlhren in montem sanctum zur Houmlhe auf der sich das Opfer von Golgotha erneuern sollldquo43 Die abschlieszligenden Worte der Freude und des Jubels gelten dann schon der Eucharistie

bdquoWenn ihr am Herrentag zusammenkommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquoDer zweite Teil des Stufengebets ist das Suumlndenbekenntnis mit sei ner

42 M Fiedrowicz a a O 7643 J Jungmann a a O 381

Umrahmung das nach Abschluszlig des Psalms folgt Das Be wuszligtsein der Grouml-szlige der Euchari stiefeier und das dazu erforderliche Freisein von Suumlnde geht schon aus der Forderung der Didache aus der Fruumlhzeit der Kirche hervor bdquoWenn ihr am Herrentag zusammen-kommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquo Hier war aber wohl an ein auszligerlitur-gisches Bekenntnis der Teilnehmer gedacht In besonderer Weise gilt die Forderung nach Suumlndenfreiheit natuumlr-lich vom zelebrierenden Priester

So verlangt die Goumlttliche Liturgie des hl Johannes Chrysostomos bdquoBevor der Priester das goumlttliche Mysterium feiert soll er zunaumlchst mit allen ver-soumlhnt sein und gegen niemand etwas haben Er soll sein Herz vor boumlsen Ge-danken bewahrenldquo44 Im Westen legt er im Rahmen seines privaten Vorbe-reitungsgebetes der Messe ein allge-meines Suumlndenbekenntnis mit seinen ministri sacri bzw den diese vertreten-den Ministranten ab

44 S Heitz Mysterium der Anbetung Goumlttliche Liturgie und Stundengebet der Orthodoxen Kirche Koumlln 1986 315

Der dialogische Aufbau des Bekennt-nisses entspricht der Forderung des Apostels Jakobus bdquoBekennt also einan-der eure Suumlnden und betet fuumlreinander damit ihr geheilt werdetldquo (Jak 5 16) Im Gegenuumlber von Zelebrant und ministri wird die Forderung des Apostels be-wuszligt vollzogen Es kommt darin auch die soziale und ekklesiale Dimension von Suumlnde und Vergebung zum Aus-druck

Im getrennten Sprechen des Schuld-bekenntnisses wird auch die beson-dere Stellung des Prie sters sichtbar Er ist ebenso wie seine ministri und das glaumlubige Volk der Schwaumlche und Schuld unterworfen und auf Gottes Barm her zig keit angewiesen aber kraft seiner Weihe ist er doch von ihnen un-terschieden Daszlig der Priester das Con-fiteor allein betet ist bdquodemuumltiger Aus-druck dafuumlr daszlig der Priester der erste ist der sich fuumlr seine Suumlnden anzukla-gen hat um wuumlrdig die heiligen My-sterien feiern zu koumlnnenldquo45 Waumlhrend sich alle genseitig der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen ist der Priester der einzige der kraft seiner Weihe das ehemals sakramental verstandene In-dulgentiam sprechen kann

Die abschlieszligenden Versikel erbit-ten die Zuwendung Gottes (Deus tu conversus) und seine Barmherzigkeit (Ostende nobis) Das letzte ist die Bitte um das gnadenhafte Kommen Chri-sti in der Eucharistie46 Im Aufer a no-bis erbittet der Priester sodann beim

45 M Fiedrowicz a O 7946 Vgl K Gamber Zeige uns o Herr deine Barshymherzigkeit Vom byzantinischen ProthesisshyBild zum spaumltmittelalterlichen ErbaumlrmdeshyChristus Reshygensburg 1986 12

Stufengebet in Mariawald

33Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Aufstieg zum Altar mit reiner Seele zum Altar hinzutreten zu duumlrfen Die-ses Gebet faszligt eigentlich das ganze Stufengebet noch einmal zusammen Am Altar angelangt legt er die Haumlnde an den Altar und ruft die Fuumlrbitte der Heiligen an (Oramus te Domine) Der Altarkuszlig ehrt diesen als Symbol Christi und stellt den Priester in die Gemein-schaft der Heiligen besonders derer deren Reliquien sich im Altar befinden (quorum reliquiae hic sunt)

bdquoIndem der Zutritt zum Altar im Stufen-gebet gleichsam schrittweise erbetet wird und von fortwaumlhrenden Entsuumln-digungsbitten begleitet ist zeigt der Ri-tus eindringlich wie mit der je groumlszligeren Naumlhe zu Gott das immer staumlrkere Verlan-gen einhergehen muszlig sei ner Heiligkeit zu entsprechenldquo47

Zusammenfassung und SchluszligfolgerungAus dem urchristlichen Bewuszligtsein um Heiligkeit und Groumlszlige der Euchari-stie und der damit verbundenen For-derung nach Buszlige bdquodamit euer Opfer rein seildquo entstanden in den verschie-denen Riten diverse rituelle Formen eines Suumlndenbekenntnisses zu Beginn der Messe Im Westen steht am Anfang der Entwicklung das stille Verbeugen oder Niederwerfen des Papstes vor dem Altar beim roumlmischen Stations-gottesdienst bei dem er frei pro se vel pro peccata populi betet Spaumlter ver-langten die liturgischen Stilgesetze im Frankenreich diese Stille foumlrmlich aus-zufuumlllen Zahlreiche Apologien entste-hen bis im 9 Jahrhundert eine Ord-nung aufkommt die vorherrschend

47 M Fiedrowicz a a O 80

werden sollte und bis heute fortbe-steht Es entstehen die ersten Ansaumltze des spaumlteren Stufengebets die zwar alle diesel be Struktur aber keines-wegs denselben Wortlaut haben Wir haben gesehen wie in tastenden Ver-suchen eine fast verwirrende Vielzahl von Stufengebeten entstehen bis die Entwicklung endguumlltig durch die Li-turgiereform Piuslsquo V ihren Abschluszlig findet

Aus dem historischen Uumlberblick konn-ten wir die eigentliche Funktion des Stufengebets in der Vor messe erken-nen Von seinem ge schichtlichen Ur-sprung her ist es ein privates Gebet des Priesters mit seinem assistieren-den Klerus Am Anfang stand ein re-gelrechtes Gegenuumlber von Priester und Diakon Es ist wie J Brinktrine sagte bdquoprivate Vorbereitung des Prie-sters und seiner ministrildquo48

Daraus ergeben sich vor allem zwei Folgerungen Es muszlig sichtbar blei-ben daszlig hier der Priester und seine Assistenz (Diakon und Subdiakon bzw Ministranten die die ministri sacri ver-

48 S Anm 34

treten) sich privat auf die Feier der hei-ligen Messe betend vorbereiten Ge-maumlszlig der Maszliggabe von Sacro sanctum Concilium daszlig jeder Teilnehmer an der Liturgie bdquonur das und all das tun (soll) was ihm aus der Natur der Sa-che und nach den liturgischen Regeln zukommtldquo49 ist dementsprechend der Brauch zu vermeiden in der missa dialogata die Glaumlubigen das Stufen-gebet laut mitbeten zu lassen Das ist eindeutig eine sbquoRollenvermischunglsquo die erst mit der Liturgischen Bewe-gung aufkam und auf einem falschen Verstaumlndnis der eigentlichen Funktion des Stufengebets beruht

Die zweite Folgerung hat mit der ars celebrandi zu tun Um die Messe wuumlr-dig und gut zu feiern ist es wichtig die Funktion und Bedeutung der einzel-nen Teile gut zu kennen und dement-sprechend zu vollziehen Damit das Stufengebet nicht zum leeren Geplap-per wird gilt es sich in die Bedeutung seiner beider Teile zu vertiefen und wirklich die Sehnsucht zu Gott und seinem Altar und die Reue uumlber die ei-genen Suumlnden zu erwecken

49 SC n 28

Das Stufengebet

Page 8: Das Stufengebet - Pro Missa Tridentina€¦ · Von Lic. theol. Martin Reinecke Der folgende Text ist der Abdruck eines Vortrags auf der liturgischen Schulung in Heiloo (NL) vom 30.6

27Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

es auch dem Confiteor Ein einheitli-ches Formular gab es lange Zeit nicht dafuumlr Ein Vorlaumlufer der spaumlteren Confiteor-Formeln war die verbreitete Apologie ldquoVor dem Angesicht deiner goumlttlichen Majestaumlt o Herr und dieser deiner Hei-ligen bekenne ich dir meinem Gott und meinem Schoumlpfer durch meine Schuld denn ich habe gesuumlndigt in Stolz in Haszlig und Neid in Begierde und Geiz in Un-zucht und Unreinheit in Rausch und Trunkenheit in Luumlge und Meineid und in allen Lastern die aus diesen hervor-gehen Was noch Durch Sehen Houmlren Geruch Geschmack und Tasten und durchaus in Gedanken Worten und Ta-ten bin ich verdorben deshalb der du den Suumlnder ge recht fer tigst rechtfertige auch mich und laszlig mich auferstehen vom Tod zum Leben Herr mein Gottldquo22

In dieser Apologie spricht der Zele-brant ein ausfuumlhrliches Bekenntnis seiner Suumlnden und Fehler vor seinem bdquoGott und Schoumlpferldquo in dem auch be-reits das spaumltere mea culpa vorkommt wobei ein ausfuumlhrlicher Suumlndenka-talog erwaumlhnt wird In den spaumlteren Confiteor-Formeln geht man von die-sen Suumlndenkatalogen weg zu einem allgemeinen Bekenntnis peccavi nimis cogitatione verbo et opere [daszlig ich viel

22 Ante conspectum divinae maiestatis tuae Domine his sanctis tuis confiteor tibi Deo meo et creatori meo mea culpa quia peccavi in superbia in odio et invidia in cupiditate et avaritia in forshynicatione et inmunditia in ebrie tate et crapula in mendacio et periurio et in omnibus vitiis quae ex his prodeunt Quid plura Visu auditu olfactu gustu et tactu et omnino in cogitatione et locutione et actione perditus sum quapropter qui iustificas imshypio iustifica me et resuscita me de morte ad vitam Domine Deus meus

gesuumlndigt habe in Gedanken Worten und Werken] Der bedeutendste Un-terschied liegt aber darin daszlig das Be-kenntnis nur vor Gott erfolgt waumlhrend in den Confiteor-Formeln die soziale Dimension von Suumlnde aufscheint Das Bekenntnis wird vor vobis fratres und den Heiligen abgelegt die auch um Fuumlrbitte vor Gott gebeten werdenDiese urspruumlngliche und weitver-breitete Apologie fuumlhrte dann ab der Jahrtausendwende zu den er sten foumlrmlichen Confiteor-For meln Eine sehr kurze fruumlhe For mel war in Clu-ny um 1080 in Gebrauch bdquoIch beken-ne Gott und allen seinen Heiligen und euch Vater daszlig ich gesuumlndigt habe in Gedanken Worten und Werken durch meine Schuld Ich bitte euch betet fuumlr

michldquo23 Diese neue Form des Suumlnden-bekenntnisses bringt bereits gut zum Ausdruck was fuumlr alle spaumlteren Confi-teor-Formeln auch gilt das Bekenntnis des ersten Teils geschieht vor Gott und der himmlischen Kirche die Fuumlrbitte im zweiten Teil richtet sich zuerst an die irdische Kirche und im Bewuszligt-sein der communio sanc to rum an die himmlischeSchon bald auch schon im 11 Jahr-hundert waren auch laumlngere Formeln uumlblich Sie wurden immer ausgedehn-ter so daszlig das Generalkapitel der Zi-sterzienser im Jahr 1184 bestimmen

23 Udalrici Consuet Clun II 30 (PL 149 716) ldquoConfiteor Deo et omnibus sanctis eius et vobis pashyter quia peccavi in cogitatione locutione et opere mea culpa Precor vos orate pro merdquo

Stufengebet im Meszligbuch

28

muszligte daszlig vor allen Heiligen die Got-tesmutter zu nennen sei Confiteor Deo et beatae Mariae et omnibus Sanctis24 Im Verlauf des Mittelalters wuchs die Zahl der Heiligen vor allem im zwei-ten Teil immer weiter an Das Konzil zu Ravenna bestimmte deshalb 1314 au-szliger Maria nur noch Michael Johannes den Taumlufer und die Apostel Petrus und Paulus zu nennen25 wie wir es noch heute tunAuch die Umschreibung und Aufzaumlh-lung der Suumlnden wurde immer kon-kreter Das Bekenntnis wurde nahezu zu einem Suumlndenbekennt nis in specie wie man es mancherorts vom Chor-gebet kannte Dabei wirkten wohl Confiteor-Formeln ein die fuumlr die sa-kramentale Beichte dienten Die mit-telalterlichen Liturgieerklaumlrer miszligbilli-gen diese Entwicklung da es sich hier nicht um ein geheimes sondern ein oumlffentliches Bekenntnis handle26

24 Schneider CistshyChr 1926 25525 Mansi XXV 54726 Vgl Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217

Von Anfang an wurde das Confiteor tief verbeugt gesprochen wie diverse Meszligordines erwaumlhnen wenngleich auch das Knien verbreitet gewesen sein muszlig Auch das Schlagen an die Brust beim mea culpa wird schon fruumlh erwaumlhnt27

Die Urspruumlnge des Confiteor liegen jedoch nicht in der Messe Ab dem 9 Jahrhundert sind uns Fassungen uumlberliefert die bei der sakramentalen Beichte gebraucht wurden Oft ent-hielten sie einen langen Suumlndenka-talog aumlhnlich wie in einigen Laumlndern noch heute traditionellerweise das persoumlnliche Suumlndenbekenntnis in das Confiteor nach dem mea maxima culpa eingefuumlgt wird In dieser fruumlhen Zeit stand der standardmaumlszligige Suumlndenka-

806) Sicard von Cremona Mitrale III 2 (PL213 96 A) Durandus IV 7 2 Joh Beleth Explicatio c33 (PL 202 43) die Suumlnden duumlrfen hier nur generaliter beshykannt werden nec mensuram accedere27 Stephan von Baugeacute De sacr altaris c 12 (PL172 1283 B) Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217 806) Durandus IV 7 3

talog allerdings noch an Stelle eines detaillierten persoumlnlichen Bekenntnis-ses28 Bald auch schon im 9 Jahr hun-dert kommt ein solches Suumlndenbe-kenntnis taumlglich in Prim und Komplet vorVon daher wird nun auch ein Confi-teor in die Messe uumlbernommen Bis zur Mitte des 11 Jahrhunderts ist der entscheidende Uumlbergang abgeschlos-sen29 In der ersten Zeit gab es dabei vielfach ein Gegenuumlber von Priester und Diakon das an das kloumlsterliche gegenseitige Bekennen erinnert So sprach in Cluny der Priester das Confi-teor vor dem Altar an der Evangelien-seite inclinis contra diaconum similiter inclinem [verbeugt zum Diakon der ebenfalls verbeugt ist]30 Aumlhnlich war es

28 Auch in der Orthodoxie kennt man neben dem individuellen Suumlndenbekenntnis beim geistlichen Vater ein solches standardmaumlszligiges Bekenntnis mit einem langen Suumlndenkatalog vor dem Empfang der Kommunion29 Vgl J A Jungmann 38930 Udalrici Consuet Clun II 30 (PL 149 716A)

Confiteor beim Levitierten Hochamt (Mannheim 2012)

29Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

an vielen Orten so bei den Kartaumlusern und im Missale von Westminster waumlh-rend in Sarum Diakon und Subdiakon rechts und links vom Priester stehen und beide antworten Letztere Form hat sich schlieszliglich durchgesetzt und wurde von Pius V endguumlltig bestaumltigt und festgelegtSofort ist das Confiteor in der Messe mit dem Misereatur verbunden das auch Nichtgeweihte als fuumlrbittende Antwort sprechen durften31 Auch das Indulgentiam bzw oft mit dem zwei-ten Wort Absolutionem beginnend wurde von Anfang an in die Messe aufgenommen das in dieser Zeit und noch mehrere Jahrhunderte lang Aus-druck der priesterlich-sakramentalen Lossprechung ist Seit kurz vorher die Gewohnheit aufgekommen war Be-kenntnis und Lossprechung bei der Beichte in ein und derselben Feier abzuhalten hatte man auch fuumlr das in den Kloumlstern uumlbliche woumlchentliche Suumlndenbekenntnis vor dem geist-lichen Vater dem Misereatur die sa-kramentale Lossprechung Indulgen-tiam hinzugefuumlgt32 Von daher kam es nun auch in die Meszligliturgie Da es sakramentalen Charakter hatte kam es zunaumlchst nur dem Priester zu der Diakon und eventuell der Subdiakon antwortet nur mit Misereatur Eine fruuml-he Form des Misereatur wie es sich im 910 Jahrhundert haumlufig findet lau-tet bdquoEs erbarme sich deiner der allmaumlch-tige Gott und lasse dir alle deine Suumlnden nach er befreie dich von allem Boumlsen (Werk) er bewahre dich in allem Guten

31 Vgl J A Jungmann Die lateinischen Buszligriten in ihrer geschichtlichen Entwicklung Innsbruck 1932 282shy28332 Ebd 283shy284

(Werk) und fuumlhre dich (durch die Fuumlrbitte aller Heiligen) zur ewigen Herrlichkeitldquo33

Umrahmende VersikelZu dem Confiteor-Ritus kam dann im Mittelalter noch eine Umrahmung hinzu indem man dem Confiteor ver-schiedene Versikel unmittelbar voran-gestellt hat Das noch heute uumlbliche Adiutorium nostrum in nomine Domini erscheint in Italien schon im 11 Jahr-hundert an dieser Stelle auszligerhalb Italiens anscheinend erst seit dem 15 JahrhundertAuch nach dem Buszligakt wurden schon fruumlh eine Reihe Versikel als Uumlberlei-tung zum Aufer a nobis eingefuumlgt Sie haben eine aumlhnliche Funktion wie die Preces vor der Oration im Offizium Daran erinnert auch verbeugte Koumlr-perhaltung Meist handelt es sich da-

33 Misereatur tui omnipotens Deus et dimittat tibi omnia peccata tua liberet te ab omni (opere) malo conservet te in omni (opere) bono et perducat te (per intercessionem omnium sanctorum) ad gloriam sempiternam

bei um Versikel die schon fruumlher beim Hintreten zum Altar gesprochen wur-den wie auch die noch jetzt uumlblichen Deus tu conversus und Ostende Schon das Missale der paumlpstlichen Kapelle um 1290 beschraumlnkt sich auf diese beiden Versikel34 waumlhrend andernorts noch eine Anzahl anderer hinzugefuumlgt sind Do mi ne exaudi orationem meam und Dominus vobiscum vor dem Aufer a nobis sind die uumlblichen Einleitungen einer Oration und stammen aus fruumlher Zeit Das Aufer a nobis selbst ist das aumllte ste Element des Stufengebets und ist jetzt nurmehr seine Schluszligoration Es stammt aus alter roumlmischer Traditi-on und gehoumlrte der Paschafeier an35 Spaumlter sprach man es bei der Kirchwei-he zum Einzug ins Heiligtum wo man die Reliquien abholte Beim Hintritt zum Altar wird es seit dem spaumlten Mit-

34 Vgl J Brinktrine (Eph liturg 1937) 20035 Im Leonianum am Gruumlndonnerstag im aumllteren Gelasianum am Beginn der Quadragesima im Greshygorianum von Padua am Donnerstag der ersten Fastenwoche

Confiteor bei einer Primiz in St Albert Stuttgart (2009)

Das Stufengebet

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telalter leise gesprochen wohl zuerst in EnglandDer Trierer Patristiker Michael Fiedro-wicz schreibt zusammenfassend bdquoDie Entstehung des Stufengebets ist ein anschauliches Beispiel fuumlr die organi-

sche Entwicklung der Meszligliturgie Aus einem betenden Innehalten bzw sich Niederwerfen des Papstes bzw Zele-branten vor dem Altar (78 Jahrhun-dert) einem Bekenntnis der eigenen Unwuumlrdigkeit mit Vergebungsbitte (Apologien 9 Jahrhundert) dem ge-meinsamen Beten von Psalm 42 - ne-ben anderen Ak zeszlig psalmen - auf dem Weg zum Altar (910 Jahrhundert) verschiedenen Psalm-Versikeln (12 Jahrhundert) die vom Buszligakt zur Ora-tion Aufer a nobis (10 Jahrhundert) uumlberleiteten ist allmaumlhlich jener Be-

stand an Vorbereitungsgebeten zu-sammen ge wachsen der mit der An-ordnung Papst Piuslsquo V an den Stufen des Altares Psalm 42 zu beten seine endguumlltige Gestalt gefunden hatldquo36

Die Funktion des Stufengebets im Rahmen der MesseNachdem wir die - mitunter etwas ver-wirrende - geschichtliche Entstehung und Entwicklung des Stufengebets gesehen haben koumlnnen wir uns nun daran machen seine Funktion inner-halb der Vormesse zu klaumlren Diese laumlszligt sich nur aus der Geschichte her-aus richtig deuten

36 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 76

Die Liturgische Bewegung des letzten Jahrhunderts die faumllschlicherweise von der missa lecta [gelesene Messe] als Normalform der Messe ausging waumlhrend das natuumlrlich die missa can-tata [gesungene Messe] ist betrachtete das Stufengebet als einen Dialog von Priester und Volk bzw Prie ster und Mi-nistrant wobei der Ministrant als Ver-treter des Volkes angesehen wurde In der im 20 Jahrhundert erfundenen missa dialogata [dialogisierte Messe] betete folgerichtig das Volk im Wech-sel mit dem Priester das Stufengebet Das Volk war zuvor nie an diesem Dia-log beteiligt weil parallel zum Stufen-gebet der Introitus gesungen wird

Oumlffentliche Vorbereitung an den Stufen des AltaresDer historische Befund laumlszligt eine sol-che Deutung nicht zu auch wenn es im spaumlten Mittelalter vereinzelt zu einer Einbeziehung der Gemeinde gekommen ist37 was Jungmann aber richtig als Grenzfall bezeichnet Der Ursprung des Stufengebets ist wie wir sahen die stille Verneigung oder das Niederwerfen des Pontifex vor dem Altar nach dem Einzug wobei er nach dem Ordo Romanus XVII pro se vel pro peccata populi betet Das ist eindeutig ein privates Vorbereitungsgebet auf die Meszligfeier wie es auch die Apolo-gien des 9 Jahrhundert waren Von einer irgendwie gearteten Beteiligung des Volkes ist dort keine Rede

37 So beginnt im Missale von Tours von 1533 das Misereatur des Priesters mit Fratres et sorores (Marshytegravene I 4 2 4 [I 361]) und in der Konventmesse der Kartaumluser betet nach dem Caeremoniale von 1370 und ebenso noch heute die ganze Kommunitaumlt das Stufengebet der Introitus beginnt erst danach

Stufengebet in der Zisterzienserabtei Mariawald

Die Entstehung des Stufengebetsist ein anschauliches Beispielfuumlr die organische Entwicklung der Meszligliturgie

31Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Auch mit dem Aufkommen des Con fiteor als neuer Form des Suumln-denbekenntnisses ab der er sten Jahr-tausendwende aumlndert sich das nicht Eine Beteiligung des Volkes gab es nicht auszliger in den erwaumlhnten spaumlten Einzelfaumlllen Vielmehr zeigt das im An-fang haumlufige Gegenuumlber von Priester und Diakon beim Confiteor deutlich daszlig es sich hierbei um einen Dialog zwischen den Zelebranten also Prie-ster und Diakon handelt Der Brauch

von Sarum sieht den Subdiakon eben-falls als Zelebranten entsprechend der um diese Zeit aufkommenden An-sicht den Subdiakonat unter die houml-heren Weihen zu zaumlhlen der Priester steht zwischen Diakon und Subdiakon und betet abwechselnd mit ihnen das Stufengebet So ist es bis heute geblie-ben Das Stufengebet ist demnach die private Vorbereitung des Altarklerus auf die Meszligfeier38 Pierre Lebrun nann-te es Anfang des 18 Jahrhundert ganz

38 Vgl J Brinktrine a a O 50 bdquoHinzu kommt daszlig das Staffelgebet mehr die private Vorbereitung des Priesters und seiner ministri darstelltldquo

richtig die bdquoPreacuteparation publique au bas de lrsquoautelldquo39

bdquoIntroibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuventutem meamrdquoDiese Vorbereitung besteht wie schon gesagt aus zwei Teilen dem Psalm 42 zum Hinzutritt zum Altar und dem Suumlndenbekenntnis des ConfiteorDer Psalm der ur spruumlnglich auf dem Weg zum Al tar gebetet wurde und die Sehnsucht nach dem Altar zum Aus-druck bringt hat diese urspruumlngliche Funktion auch nach der Verlegung an die Altarstufen durch Pius V nicht ver-loren Nach wie vor ist der vierte Vers Introibo ad altare Dei ad Deum qui lae-tificat iuventutem meam der beste Aus-druck fuumlr das was gerade geschieht Der Psalm ist im Alten Testament das bdquoGebet eines Bedraumlngten der fern des Heiligtums sich danach sehnt wieder an den Festen des Herrn teilnehmen zu koumlnnenldquo40 bdquoDieses Hintreten vor Gott nach dem es den Saumlnger verlangt hat ist eigentlich erst im Neuen Bun-de vollends moumlglich geworden denn erst durch Christus haben wir das sbquofreie Wort und den Zutritt des Vaterslsquo (Eph 312 vgl Roumlm 52) Der Altar des Neu-en Bundes ist die Stelle an der sich die Begegnung mit Gott im Diesseits am vollsten verwirklichen darfldquo41Der Psalm ist bdquobestens geeignet zur Stim-me der Kirche zu werden die in den aumluszligeren und inneren Bedraumlngnissen der Welt danach verlangt vor Gott zu treten sich von ihm fuumlhren zu lassen und ihn im Lobpreis seiner Treue freu-

39 P Lebrun a a O 7940 M Fiedrowicz a a O 7641 J Jungmann a a O 380

Johannes Chrysostomos

Das Stufengebet

Das Stufengebet ist die private Vorbereitung des Altarklerus auf die MeszligfeierEine Beteiligung des Volkes gab es nicht

32

dig Dank zu sagenldquo42 Auf dem Weg zum Altar haumllt der Priester an den Al-tarstufen inne und bringt seine Sehn-sucht zum Altar und zu bdquoGott der mei-ne Jugend erfreutldquo zum Ausdruck

bdquoAber nicht bloszlig das Hintreten erfuumlllt sich hier auch die Situation aus der der Psalmist zu Gott verlangt waumlchst ins Typische Wenn wir zu Gott wollen stellt sich immer irgendwo der homo iniquus [der boumlse Mensch] in den Weg Und so rufen wir zu ihm der uns Staumlr-ke ist er moumlge sein Licht aufleuch-ten und seine Treue wirksam werden lassen und uns hinfuumlhren in montem sanctum zur Houmlhe auf der sich das Opfer von Golgotha erneuern sollldquo43 Die abschlieszligenden Worte der Freude und des Jubels gelten dann schon der Eucharistie

bdquoWenn ihr am Herrentag zusammenkommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquoDer zweite Teil des Stufengebets ist das Suumlndenbekenntnis mit sei ner

42 M Fiedrowicz a a O 7643 J Jungmann a a O 381

Umrahmung das nach Abschluszlig des Psalms folgt Das Be wuszligtsein der Grouml-szlige der Euchari stiefeier und das dazu erforderliche Freisein von Suumlnde geht schon aus der Forderung der Didache aus der Fruumlhzeit der Kirche hervor bdquoWenn ihr am Herrentag zusammen-kommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquo Hier war aber wohl an ein auszligerlitur-gisches Bekenntnis der Teilnehmer gedacht In besonderer Weise gilt die Forderung nach Suumlndenfreiheit natuumlr-lich vom zelebrierenden Priester

So verlangt die Goumlttliche Liturgie des hl Johannes Chrysostomos bdquoBevor der Priester das goumlttliche Mysterium feiert soll er zunaumlchst mit allen ver-soumlhnt sein und gegen niemand etwas haben Er soll sein Herz vor boumlsen Ge-danken bewahrenldquo44 Im Westen legt er im Rahmen seines privaten Vorbe-reitungsgebetes der Messe ein allge-meines Suumlndenbekenntnis mit seinen ministri sacri bzw den diese vertreten-den Ministranten ab

44 S Heitz Mysterium der Anbetung Goumlttliche Liturgie und Stundengebet der Orthodoxen Kirche Koumlln 1986 315

Der dialogische Aufbau des Bekennt-nisses entspricht der Forderung des Apostels Jakobus bdquoBekennt also einan-der eure Suumlnden und betet fuumlreinander damit ihr geheilt werdetldquo (Jak 5 16) Im Gegenuumlber von Zelebrant und ministri wird die Forderung des Apostels be-wuszligt vollzogen Es kommt darin auch die soziale und ekklesiale Dimension von Suumlnde und Vergebung zum Aus-druck

Im getrennten Sprechen des Schuld-bekenntnisses wird auch die beson-dere Stellung des Prie sters sichtbar Er ist ebenso wie seine ministri und das glaumlubige Volk der Schwaumlche und Schuld unterworfen und auf Gottes Barm her zig keit angewiesen aber kraft seiner Weihe ist er doch von ihnen un-terschieden Daszlig der Priester das Con-fiteor allein betet ist bdquodemuumltiger Aus-druck dafuumlr daszlig der Priester der erste ist der sich fuumlr seine Suumlnden anzukla-gen hat um wuumlrdig die heiligen My-sterien feiern zu koumlnnenldquo45 Waumlhrend sich alle genseitig der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen ist der Priester der einzige der kraft seiner Weihe das ehemals sakramental verstandene In-dulgentiam sprechen kann

Die abschlieszligenden Versikel erbit-ten die Zuwendung Gottes (Deus tu conversus) und seine Barmherzigkeit (Ostende nobis) Das letzte ist die Bitte um das gnadenhafte Kommen Chri-sti in der Eucharistie46 Im Aufer a no-bis erbittet der Priester sodann beim

45 M Fiedrowicz a O 7946 Vgl K Gamber Zeige uns o Herr deine Barshymherzigkeit Vom byzantinischen ProthesisshyBild zum spaumltmittelalterlichen ErbaumlrmdeshyChristus Reshygensburg 1986 12

Stufengebet in Mariawald

33Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Aufstieg zum Altar mit reiner Seele zum Altar hinzutreten zu duumlrfen Die-ses Gebet faszligt eigentlich das ganze Stufengebet noch einmal zusammen Am Altar angelangt legt er die Haumlnde an den Altar und ruft die Fuumlrbitte der Heiligen an (Oramus te Domine) Der Altarkuszlig ehrt diesen als Symbol Christi und stellt den Priester in die Gemein-schaft der Heiligen besonders derer deren Reliquien sich im Altar befinden (quorum reliquiae hic sunt)

bdquoIndem der Zutritt zum Altar im Stufen-gebet gleichsam schrittweise erbetet wird und von fortwaumlhrenden Entsuumln-digungsbitten begleitet ist zeigt der Ri-tus eindringlich wie mit der je groumlszligeren Naumlhe zu Gott das immer staumlrkere Verlan-gen einhergehen muszlig sei ner Heiligkeit zu entsprechenldquo47

Zusammenfassung und SchluszligfolgerungAus dem urchristlichen Bewuszligtsein um Heiligkeit und Groumlszlige der Euchari-stie und der damit verbundenen For-derung nach Buszlige bdquodamit euer Opfer rein seildquo entstanden in den verschie-denen Riten diverse rituelle Formen eines Suumlndenbekenntnisses zu Beginn der Messe Im Westen steht am Anfang der Entwicklung das stille Verbeugen oder Niederwerfen des Papstes vor dem Altar beim roumlmischen Stations-gottesdienst bei dem er frei pro se vel pro peccata populi betet Spaumlter ver-langten die liturgischen Stilgesetze im Frankenreich diese Stille foumlrmlich aus-zufuumlllen Zahlreiche Apologien entste-hen bis im 9 Jahrhundert eine Ord-nung aufkommt die vorherrschend

47 M Fiedrowicz a a O 80

werden sollte und bis heute fortbe-steht Es entstehen die ersten Ansaumltze des spaumlteren Stufengebets die zwar alle diesel be Struktur aber keines-wegs denselben Wortlaut haben Wir haben gesehen wie in tastenden Ver-suchen eine fast verwirrende Vielzahl von Stufengebeten entstehen bis die Entwicklung endguumlltig durch die Li-turgiereform Piuslsquo V ihren Abschluszlig findet

Aus dem historischen Uumlberblick konn-ten wir die eigentliche Funktion des Stufengebets in der Vor messe erken-nen Von seinem ge schichtlichen Ur-sprung her ist es ein privates Gebet des Priesters mit seinem assistieren-den Klerus Am Anfang stand ein re-gelrechtes Gegenuumlber von Priester und Diakon Es ist wie J Brinktrine sagte bdquoprivate Vorbereitung des Prie-sters und seiner ministrildquo48

Daraus ergeben sich vor allem zwei Folgerungen Es muszlig sichtbar blei-ben daszlig hier der Priester und seine Assistenz (Diakon und Subdiakon bzw Ministranten die die ministri sacri ver-

48 S Anm 34

treten) sich privat auf die Feier der hei-ligen Messe betend vorbereiten Ge-maumlszlig der Maszliggabe von Sacro sanctum Concilium daszlig jeder Teilnehmer an der Liturgie bdquonur das und all das tun (soll) was ihm aus der Natur der Sa-che und nach den liturgischen Regeln zukommtldquo49 ist dementsprechend der Brauch zu vermeiden in der missa dialogata die Glaumlubigen das Stufen-gebet laut mitbeten zu lassen Das ist eindeutig eine sbquoRollenvermischunglsquo die erst mit der Liturgischen Bewe-gung aufkam und auf einem falschen Verstaumlndnis der eigentlichen Funktion des Stufengebets beruht

Die zweite Folgerung hat mit der ars celebrandi zu tun Um die Messe wuumlr-dig und gut zu feiern ist es wichtig die Funktion und Bedeutung der einzel-nen Teile gut zu kennen und dement-sprechend zu vollziehen Damit das Stufengebet nicht zum leeren Geplap-per wird gilt es sich in die Bedeutung seiner beider Teile zu vertiefen und wirklich die Sehnsucht zu Gott und seinem Altar und die Reue uumlber die ei-genen Suumlnden zu erwecken

49 SC n 28

Das Stufengebet

Page 9: Das Stufengebet - Pro Missa Tridentina€¦ · Von Lic. theol. Martin Reinecke Der folgende Text ist der Abdruck eines Vortrags auf der liturgischen Schulung in Heiloo (NL) vom 30.6

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muszligte daszlig vor allen Heiligen die Got-tesmutter zu nennen sei Confiteor Deo et beatae Mariae et omnibus Sanctis24 Im Verlauf des Mittelalters wuchs die Zahl der Heiligen vor allem im zwei-ten Teil immer weiter an Das Konzil zu Ravenna bestimmte deshalb 1314 au-szliger Maria nur noch Michael Johannes den Taumlufer und die Apostel Petrus und Paulus zu nennen25 wie wir es noch heute tunAuch die Umschreibung und Aufzaumlh-lung der Suumlnden wurde immer kon-kreter Das Bekenntnis wurde nahezu zu einem Suumlndenbekennt nis in specie wie man es mancherorts vom Chor-gebet kannte Dabei wirkten wohl Confiteor-Formeln ein die fuumlr die sa-kramentale Beichte dienten Die mit-telalterlichen Liturgieerklaumlrer miszligbilli-gen diese Entwicklung da es sich hier nicht um ein geheimes sondern ein oumlffentliches Bekenntnis handle26

24 Schneider CistshyChr 1926 25525 Mansi XXV 54726 Vgl Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217

Von Anfang an wurde das Confiteor tief verbeugt gesprochen wie diverse Meszligordines erwaumlhnen wenngleich auch das Knien verbreitet gewesen sein muszlig Auch das Schlagen an die Brust beim mea culpa wird schon fruumlh erwaumlhnt27

Die Urspruumlnge des Confiteor liegen jedoch nicht in der Messe Ab dem 9 Jahrhundert sind uns Fassungen uumlberliefert die bei der sakramentalen Beichte gebraucht wurden Oft ent-hielten sie einen langen Suumlndenka-talog aumlhnlich wie in einigen Laumlndern noch heute traditionellerweise das persoumlnliche Suumlndenbekenntnis in das Confiteor nach dem mea maxima culpa eingefuumlgt wird In dieser fruumlhen Zeit stand der standardmaumlszligige Suumlndenka-

806) Sicard von Cremona Mitrale III 2 (PL213 96 A) Durandus IV 7 2 Joh Beleth Explicatio c33 (PL 202 43) die Suumlnden duumlrfen hier nur generaliter beshykannt werden nec mensuram accedere27 Stephan von Baugeacute De sacr altaris c 12 (PL172 1283 B) Innozenz III De s alt mysterio II 13 (PL217 806) Durandus IV 7 3

talog allerdings noch an Stelle eines detaillierten persoumlnlichen Bekenntnis-ses28 Bald auch schon im 9 Jahr hun-dert kommt ein solches Suumlndenbe-kenntnis taumlglich in Prim und Komplet vorVon daher wird nun auch ein Confi-teor in die Messe uumlbernommen Bis zur Mitte des 11 Jahrhunderts ist der entscheidende Uumlbergang abgeschlos-sen29 In der ersten Zeit gab es dabei vielfach ein Gegenuumlber von Priester und Diakon das an das kloumlsterliche gegenseitige Bekennen erinnert So sprach in Cluny der Priester das Confi-teor vor dem Altar an der Evangelien-seite inclinis contra diaconum similiter inclinem [verbeugt zum Diakon der ebenfalls verbeugt ist]30 Aumlhnlich war es

28 Auch in der Orthodoxie kennt man neben dem individuellen Suumlndenbekenntnis beim geistlichen Vater ein solches standardmaumlszligiges Bekenntnis mit einem langen Suumlndenkatalog vor dem Empfang der Kommunion29 Vgl J A Jungmann 38930 Udalrici Consuet Clun II 30 (PL 149 716A)

Confiteor beim Levitierten Hochamt (Mannheim 2012)

29Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

an vielen Orten so bei den Kartaumlusern und im Missale von Westminster waumlh-rend in Sarum Diakon und Subdiakon rechts und links vom Priester stehen und beide antworten Letztere Form hat sich schlieszliglich durchgesetzt und wurde von Pius V endguumlltig bestaumltigt und festgelegtSofort ist das Confiteor in der Messe mit dem Misereatur verbunden das auch Nichtgeweihte als fuumlrbittende Antwort sprechen durften31 Auch das Indulgentiam bzw oft mit dem zwei-ten Wort Absolutionem beginnend wurde von Anfang an in die Messe aufgenommen das in dieser Zeit und noch mehrere Jahrhunderte lang Aus-druck der priesterlich-sakramentalen Lossprechung ist Seit kurz vorher die Gewohnheit aufgekommen war Be-kenntnis und Lossprechung bei der Beichte in ein und derselben Feier abzuhalten hatte man auch fuumlr das in den Kloumlstern uumlbliche woumlchentliche Suumlndenbekenntnis vor dem geist-lichen Vater dem Misereatur die sa-kramentale Lossprechung Indulgen-tiam hinzugefuumlgt32 Von daher kam es nun auch in die Meszligliturgie Da es sakramentalen Charakter hatte kam es zunaumlchst nur dem Priester zu der Diakon und eventuell der Subdiakon antwortet nur mit Misereatur Eine fruuml-he Form des Misereatur wie es sich im 910 Jahrhundert haumlufig findet lau-tet bdquoEs erbarme sich deiner der allmaumlch-tige Gott und lasse dir alle deine Suumlnden nach er befreie dich von allem Boumlsen (Werk) er bewahre dich in allem Guten

31 Vgl J A Jungmann Die lateinischen Buszligriten in ihrer geschichtlichen Entwicklung Innsbruck 1932 282shy28332 Ebd 283shy284

(Werk) und fuumlhre dich (durch die Fuumlrbitte aller Heiligen) zur ewigen Herrlichkeitldquo33

Umrahmende VersikelZu dem Confiteor-Ritus kam dann im Mittelalter noch eine Umrahmung hinzu indem man dem Confiteor ver-schiedene Versikel unmittelbar voran-gestellt hat Das noch heute uumlbliche Adiutorium nostrum in nomine Domini erscheint in Italien schon im 11 Jahr-hundert an dieser Stelle auszligerhalb Italiens anscheinend erst seit dem 15 JahrhundertAuch nach dem Buszligakt wurden schon fruumlh eine Reihe Versikel als Uumlberlei-tung zum Aufer a nobis eingefuumlgt Sie haben eine aumlhnliche Funktion wie die Preces vor der Oration im Offizium Daran erinnert auch verbeugte Koumlr-perhaltung Meist handelt es sich da-

33 Misereatur tui omnipotens Deus et dimittat tibi omnia peccata tua liberet te ab omni (opere) malo conservet te in omni (opere) bono et perducat te (per intercessionem omnium sanctorum) ad gloriam sempiternam

bei um Versikel die schon fruumlher beim Hintreten zum Altar gesprochen wur-den wie auch die noch jetzt uumlblichen Deus tu conversus und Ostende Schon das Missale der paumlpstlichen Kapelle um 1290 beschraumlnkt sich auf diese beiden Versikel34 waumlhrend andernorts noch eine Anzahl anderer hinzugefuumlgt sind Do mi ne exaudi orationem meam und Dominus vobiscum vor dem Aufer a nobis sind die uumlblichen Einleitungen einer Oration und stammen aus fruumlher Zeit Das Aufer a nobis selbst ist das aumllte ste Element des Stufengebets und ist jetzt nurmehr seine Schluszligoration Es stammt aus alter roumlmischer Traditi-on und gehoumlrte der Paschafeier an35 Spaumlter sprach man es bei der Kirchwei-he zum Einzug ins Heiligtum wo man die Reliquien abholte Beim Hintritt zum Altar wird es seit dem spaumlten Mit-

34 Vgl J Brinktrine (Eph liturg 1937) 20035 Im Leonianum am Gruumlndonnerstag im aumllteren Gelasianum am Beginn der Quadragesima im Greshygorianum von Padua am Donnerstag der ersten Fastenwoche

Confiteor bei einer Primiz in St Albert Stuttgart (2009)

Das Stufengebet

30

telalter leise gesprochen wohl zuerst in EnglandDer Trierer Patristiker Michael Fiedro-wicz schreibt zusammenfassend bdquoDie Entstehung des Stufengebets ist ein anschauliches Beispiel fuumlr die organi-

sche Entwicklung der Meszligliturgie Aus einem betenden Innehalten bzw sich Niederwerfen des Papstes bzw Zele-branten vor dem Altar (78 Jahrhun-dert) einem Bekenntnis der eigenen Unwuumlrdigkeit mit Vergebungsbitte (Apologien 9 Jahrhundert) dem ge-meinsamen Beten von Psalm 42 - ne-ben anderen Ak zeszlig psalmen - auf dem Weg zum Altar (910 Jahrhundert) verschiedenen Psalm-Versikeln (12 Jahrhundert) die vom Buszligakt zur Ora-tion Aufer a nobis (10 Jahrhundert) uumlberleiteten ist allmaumlhlich jener Be-

stand an Vorbereitungsgebeten zu-sammen ge wachsen der mit der An-ordnung Papst Piuslsquo V an den Stufen des Altares Psalm 42 zu beten seine endguumlltige Gestalt gefunden hatldquo36

Die Funktion des Stufengebets im Rahmen der MesseNachdem wir die - mitunter etwas ver-wirrende - geschichtliche Entstehung und Entwicklung des Stufengebets gesehen haben koumlnnen wir uns nun daran machen seine Funktion inner-halb der Vormesse zu klaumlren Diese laumlszligt sich nur aus der Geschichte her-aus richtig deuten

36 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 76

Die Liturgische Bewegung des letzten Jahrhunderts die faumllschlicherweise von der missa lecta [gelesene Messe] als Normalform der Messe ausging waumlhrend das natuumlrlich die missa can-tata [gesungene Messe] ist betrachtete das Stufengebet als einen Dialog von Priester und Volk bzw Prie ster und Mi-nistrant wobei der Ministrant als Ver-treter des Volkes angesehen wurde In der im 20 Jahrhundert erfundenen missa dialogata [dialogisierte Messe] betete folgerichtig das Volk im Wech-sel mit dem Priester das Stufengebet Das Volk war zuvor nie an diesem Dia-log beteiligt weil parallel zum Stufen-gebet der Introitus gesungen wird

Oumlffentliche Vorbereitung an den Stufen des AltaresDer historische Befund laumlszligt eine sol-che Deutung nicht zu auch wenn es im spaumlten Mittelalter vereinzelt zu einer Einbeziehung der Gemeinde gekommen ist37 was Jungmann aber richtig als Grenzfall bezeichnet Der Ursprung des Stufengebets ist wie wir sahen die stille Verneigung oder das Niederwerfen des Pontifex vor dem Altar nach dem Einzug wobei er nach dem Ordo Romanus XVII pro se vel pro peccata populi betet Das ist eindeutig ein privates Vorbereitungsgebet auf die Meszligfeier wie es auch die Apolo-gien des 9 Jahrhundert waren Von einer irgendwie gearteten Beteiligung des Volkes ist dort keine Rede

37 So beginnt im Missale von Tours von 1533 das Misereatur des Priesters mit Fratres et sorores (Marshytegravene I 4 2 4 [I 361]) und in der Konventmesse der Kartaumluser betet nach dem Caeremoniale von 1370 und ebenso noch heute die ganze Kommunitaumlt das Stufengebet der Introitus beginnt erst danach

Stufengebet in der Zisterzienserabtei Mariawald

Die Entstehung des Stufengebetsist ein anschauliches Beispielfuumlr die organische Entwicklung der Meszligliturgie

31Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Auch mit dem Aufkommen des Con fiteor als neuer Form des Suumln-denbekenntnisses ab der er sten Jahr-tausendwende aumlndert sich das nicht Eine Beteiligung des Volkes gab es nicht auszliger in den erwaumlhnten spaumlten Einzelfaumlllen Vielmehr zeigt das im An-fang haumlufige Gegenuumlber von Priester und Diakon beim Confiteor deutlich daszlig es sich hierbei um einen Dialog zwischen den Zelebranten also Prie-ster und Diakon handelt Der Brauch

von Sarum sieht den Subdiakon eben-falls als Zelebranten entsprechend der um diese Zeit aufkommenden An-sicht den Subdiakonat unter die houml-heren Weihen zu zaumlhlen der Priester steht zwischen Diakon und Subdiakon und betet abwechselnd mit ihnen das Stufengebet So ist es bis heute geblie-ben Das Stufengebet ist demnach die private Vorbereitung des Altarklerus auf die Meszligfeier38 Pierre Lebrun nann-te es Anfang des 18 Jahrhundert ganz

38 Vgl J Brinktrine a a O 50 bdquoHinzu kommt daszlig das Staffelgebet mehr die private Vorbereitung des Priesters und seiner ministri darstelltldquo

richtig die bdquoPreacuteparation publique au bas de lrsquoautelldquo39

bdquoIntroibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuventutem meamrdquoDiese Vorbereitung besteht wie schon gesagt aus zwei Teilen dem Psalm 42 zum Hinzutritt zum Altar und dem Suumlndenbekenntnis des ConfiteorDer Psalm der ur spruumlnglich auf dem Weg zum Al tar gebetet wurde und die Sehnsucht nach dem Altar zum Aus-druck bringt hat diese urspruumlngliche Funktion auch nach der Verlegung an die Altarstufen durch Pius V nicht ver-loren Nach wie vor ist der vierte Vers Introibo ad altare Dei ad Deum qui lae-tificat iuventutem meam der beste Aus-druck fuumlr das was gerade geschieht Der Psalm ist im Alten Testament das bdquoGebet eines Bedraumlngten der fern des Heiligtums sich danach sehnt wieder an den Festen des Herrn teilnehmen zu koumlnnenldquo40 bdquoDieses Hintreten vor Gott nach dem es den Saumlnger verlangt hat ist eigentlich erst im Neuen Bun-de vollends moumlglich geworden denn erst durch Christus haben wir das sbquofreie Wort und den Zutritt des Vaterslsquo (Eph 312 vgl Roumlm 52) Der Altar des Neu-en Bundes ist die Stelle an der sich die Begegnung mit Gott im Diesseits am vollsten verwirklichen darfldquo41Der Psalm ist bdquobestens geeignet zur Stim-me der Kirche zu werden die in den aumluszligeren und inneren Bedraumlngnissen der Welt danach verlangt vor Gott zu treten sich von ihm fuumlhren zu lassen und ihn im Lobpreis seiner Treue freu-

39 P Lebrun a a O 7940 M Fiedrowicz a a O 7641 J Jungmann a a O 380

Johannes Chrysostomos

Das Stufengebet

Das Stufengebet ist die private Vorbereitung des Altarklerus auf die MeszligfeierEine Beteiligung des Volkes gab es nicht

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dig Dank zu sagenldquo42 Auf dem Weg zum Altar haumllt der Priester an den Al-tarstufen inne und bringt seine Sehn-sucht zum Altar und zu bdquoGott der mei-ne Jugend erfreutldquo zum Ausdruck

bdquoAber nicht bloszlig das Hintreten erfuumlllt sich hier auch die Situation aus der der Psalmist zu Gott verlangt waumlchst ins Typische Wenn wir zu Gott wollen stellt sich immer irgendwo der homo iniquus [der boumlse Mensch] in den Weg Und so rufen wir zu ihm der uns Staumlr-ke ist er moumlge sein Licht aufleuch-ten und seine Treue wirksam werden lassen und uns hinfuumlhren in montem sanctum zur Houmlhe auf der sich das Opfer von Golgotha erneuern sollldquo43 Die abschlieszligenden Worte der Freude und des Jubels gelten dann schon der Eucharistie

bdquoWenn ihr am Herrentag zusammenkommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquoDer zweite Teil des Stufengebets ist das Suumlndenbekenntnis mit sei ner

42 M Fiedrowicz a a O 7643 J Jungmann a a O 381

Umrahmung das nach Abschluszlig des Psalms folgt Das Be wuszligtsein der Grouml-szlige der Euchari stiefeier und das dazu erforderliche Freisein von Suumlnde geht schon aus der Forderung der Didache aus der Fruumlhzeit der Kirche hervor bdquoWenn ihr am Herrentag zusammen-kommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquo Hier war aber wohl an ein auszligerlitur-gisches Bekenntnis der Teilnehmer gedacht In besonderer Weise gilt die Forderung nach Suumlndenfreiheit natuumlr-lich vom zelebrierenden Priester

So verlangt die Goumlttliche Liturgie des hl Johannes Chrysostomos bdquoBevor der Priester das goumlttliche Mysterium feiert soll er zunaumlchst mit allen ver-soumlhnt sein und gegen niemand etwas haben Er soll sein Herz vor boumlsen Ge-danken bewahrenldquo44 Im Westen legt er im Rahmen seines privaten Vorbe-reitungsgebetes der Messe ein allge-meines Suumlndenbekenntnis mit seinen ministri sacri bzw den diese vertreten-den Ministranten ab

44 S Heitz Mysterium der Anbetung Goumlttliche Liturgie und Stundengebet der Orthodoxen Kirche Koumlln 1986 315

Der dialogische Aufbau des Bekennt-nisses entspricht der Forderung des Apostels Jakobus bdquoBekennt also einan-der eure Suumlnden und betet fuumlreinander damit ihr geheilt werdetldquo (Jak 5 16) Im Gegenuumlber von Zelebrant und ministri wird die Forderung des Apostels be-wuszligt vollzogen Es kommt darin auch die soziale und ekklesiale Dimension von Suumlnde und Vergebung zum Aus-druck

Im getrennten Sprechen des Schuld-bekenntnisses wird auch die beson-dere Stellung des Prie sters sichtbar Er ist ebenso wie seine ministri und das glaumlubige Volk der Schwaumlche und Schuld unterworfen und auf Gottes Barm her zig keit angewiesen aber kraft seiner Weihe ist er doch von ihnen un-terschieden Daszlig der Priester das Con-fiteor allein betet ist bdquodemuumltiger Aus-druck dafuumlr daszlig der Priester der erste ist der sich fuumlr seine Suumlnden anzukla-gen hat um wuumlrdig die heiligen My-sterien feiern zu koumlnnenldquo45 Waumlhrend sich alle genseitig der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen ist der Priester der einzige der kraft seiner Weihe das ehemals sakramental verstandene In-dulgentiam sprechen kann

Die abschlieszligenden Versikel erbit-ten die Zuwendung Gottes (Deus tu conversus) und seine Barmherzigkeit (Ostende nobis) Das letzte ist die Bitte um das gnadenhafte Kommen Chri-sti in der Eucharistie46 Im Aufer a no-bis erbittet der Priester sodann beim

45 M Fiedrowicz a O 7946 Vgl K Gamber Zeige uns o Herr deine Barshymherzigkeit Vom byzantinischen ProthesisshyBild zum spaumltmittelalterlichen ErbaumlrmdeshyChristus Reshygensburg 1986 12

Stufengebet in Mariawald

33Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Aufstieg zum Altar mit reiner Seele zum Altar hinzutreten zu duumlrfen Die-ses Gebet faszligt eigentlich das ganze Stufengebet noch einmal zusammen Am Altar angelangt legt er die Haumlnde an den Altar und ruft die Fuumlrbitte der Heiligen an (Oramus te Domine) Der Altarkuszlig ehrt diesen als Symbol Christi und stellt den Priester in die Gemein-schaft der Heiligen besonders derer deren Reliquien sich im Altar befinden (quorum reliquiae hic sunt)

bdquoIndem der Zutritt zum Altar im Stufen-gebet gleichsam schrittweise erbetet wird und von fortwaumlhrenden Entsuumln-digungsbitten begleitet ist zeigt der Ri-tus eindringlich wie mit der je groumlszligeren Naumlhe zu Gott das immer staumlrkere Verlan-gen einhergehen muszlig sei ner Heiligkeit zu entsprechenldquo47

Zusammenfassung und SchluszligfolgerungAus dem urchristlichen Bewuszligtsein um Heiligkeit und Groumlszlige der Euchari-stie und der damit verbundenen For-derung nach Buszlige bdquodamit euer Opfer rein seildquo entstanden in den verschie-denen Riten diverse rituelle Formen eines Suumlndenbekenntnisses zu Beginn der Messe Im Westen steht am Anfang der Entwicklung das stille Verbeugen oder Niederwerfen des Papstes vor dem Altar beim roumlmischen Stations-gottesdienst bei dem er frei pro se vel pro peccata populi betet Spaumlter ver-langten die liturgischen Stilgesetze im Frankenreich diese Stille foumlrmlich aus-zufuumlllen Zahlreiche Apologien entste-hen bis im 9 Jahrhundert eine Ord-nung aufkommt die vorherrschend

47 M Fiedrowicz a a O 80

werden sollte und bis heute fortbe-steht Es entstehen die ersten Ansaumltze des spaumlteren Stufengebets die zwar alle diesel be Struktur aber keines-wegs denselben Wortlaut haben Wir haben gesehen wie in tastenden Ver-suchen eine fast verwirrende Vielzahl von Stufengebeten entstehen bis die Entwicklung endguumlltig durch die Li-turgiereform Piuslsquo V ihren Abschluszlig findet

Aus dem historischen Uumlberblick konn-ten wir die eigentliche Funktion des Stufengebets in der Vor messe erken-nen Von seinem ge schichtlichen Ur-sprung her ist es ein privates Gebet des Priesters mit seinem assistieren-den Klerus Am Anfang stand ein re-gelrechtes Gegenuumlber von Priester und Diakon Es ist wie J Brinktrine sagte bdquoprivate Vorbereitung des Prie-sters und seiner ministrildquo48

Daraus ergeben sich vor allem zwei Folgerungen Es muszlig sichtbar blei-ben daszlig hier der Priester und seine Assistenz (Diakon und Subdiakon bzw Ministranten die die ministri sacri ver-

48 S Anm 34

treten) sich privat auf die Feier der hei-ligen Messe betend vorbereiten Ge-maumlszlig der Maszliggabe von Sacro sanctum Concilium daszlig jeder Teilnehmer an der Liturgie bdquonur das und all das tun (soll) was ihm aus der Natur der Sa-che und nach den liturgischen Regeln zukommtldquo49 ist dementsprechend der Brauch zu vermeiden in der missa dialogata die Glaumlubigen das Stufen-gebet laut mitbeten zu lassen Das ist eindeutig eine sbquoRollenvermischunglsquo die erst mit der Liturgischen Bewe-gung aufkam und auf einem falschen Verstaumlndnis der eigentlichen Funktion des Stufengebets beruht

Die zweite Folgerung hat mit der ars celebrandi zu tun Um die Messe wuumlr-dig und gut zu feiern ist es wichtig die Funktion und Bedeutung der einzel-nen Teile gut zu kennen und dement-sprechend zu vollziehen Damit das Stufengebet nicht zum leeren Geplap-per wird gilt es sich in die Bedeutung seiner beider Teile zu vertiefen und wirklich die Sehnsucht zu Gott und seinem Altar und die Reue uumlber die ei-genen Suumlnden zu erwecken

49 SC n 28

Das Stufengebet

Page 10: Das Stufengebet - Pro Missa Tridentina€¦ · Von Lic. theol. Martin Reinecke Der folgende Text ist der Abdruck eines Vortrags auf der liturgischen Schulung in Heiloo (NL) vom 30.6

29Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

an vielen Orten so bei den Kartaumlusern und im Missale von Westminster waumlh-rend in Sarum Diakon und Subdiakon rechts und links vom Priester stehen und beide antworten Letztere Form hat sich schlieszliglich durchgesetzt und wurde von Pius V endguumlltig bestaumltigt und festgelegtSofort ist das Confiteor in der Messe mit dem Misereatur verbunden das auch Nichtgeweihte als fuumlrbittende Antwort sprechen durften31 Auch das Indulgentiam bzw oft mit dem zwei-ten Wort Absolutionem beginnend wurde von Anfang an in die Messe aufgenommen das in dieser Zeit und noch mehrere Jahrhunderte lang Aus-druck der priesterlich-sakramentalen Lossprechung ist Seit kurz vorher die Gewohnheit aufgekommen war Be-kenntnis und Lossprechung bei der Beichte in ein und derselben Feier abzuhalten hatte man auch fuumlr das in den Kloumlstern uumlbliche woumlchentliche Suumlndenbekenntnis vor dem geist-lichen Vater dem Misereatur die sa-kramentale Lossprechung Indulgen-tiam hinzugefuumlgt32 Von daher kam es nun auch in die Meszligliturgie Da es sakramentalen Charakter hatte kam es zunaumlchst nur dem Priester zu der Diakon und eventuell der Subdiakon antwortet nur mit Misereatur Eine fruuml-he Form des Misereatur wie es sich im 910 Jahrhundert haumlufig findet lau-tet bdquoEs erbarme sich deiner der allmaumlch-tige Gott und lasse dir alle deine Suumlnden nach er befreie dich von allem Boumlsen (Werk) er bewahre dich in allem Guten

31 Vgl J A Jungmann Die lateinischen Buszligriten in ihrer geschichtlichen Entwicklung Innsbruck 1932 282shy28332 Ebd 283shy284

(Werk) und fuumlhre dich (durch die Fuumlrbitte aller Heiligen) zur ewigen Herrlichkeitldquo33

Umrahmende VersikelZu dem Confiteor-Ritus kam dann im Mittelalter noch eine Umrahmung hinzu indem man dem Confiteor ver-schiedene Versikel unmittelbar voran-gestellt hat Das noch heute uumlbliche Adiutorium nostrum in nomine Domini erscheint in Italien schon im 11 Jahr-hundert an dieser Stelle auszligerhalb Italiens anscheinend erst seit dem 15 JahrhundertAuch nach dem Buszligakt wurden schon fruumlh eine Reihe Versikel als Uumlberlei-tung zum Aufer a nobis eingefuumlgt Sie haben eine aumlhnliche Funktion wie die Preces vor der Oration im Offizium Daran erinnert auch verbeugte Koumlr-perhaltung Meist handelt es sich da-

33 Misereatur tui omnipotens Deus et dimittat tibi omnia peccata tua liberet te ab omni (opere) malo conservet te in omni (opere) bono et perducat te (per intercessionem omnium sanctorum) ad gloriam sempiternam

bei um Versikel die schon fruumlher beim Hintreten zum Altar gesprochen wur-den wie auch die noch jetzt uumlblichen Deus tu conversus und Ostende Schon das Missale der paumlpstlichen Kapelle um 1290 beschraumlnkt sich auf diese beiden Versikel34 waumlhrend andernorts noch eine Anzahl anderer hinzugefuumlgt sind Do mi ne exaudi orationem meam und Dominus vobiscum vor dem Aufer a nobis sind die uumlblichen Einleitungen einer Oration und stammen aus fruumlher Zeit Das Aufer a nobis selbst ist das aumllte ste Element des Stufengebets und ist jetzt nurmehr seine Schluszligoration Es stammt aus alter roumlmischer Traditi-on und gehoumlrte der Paschafeier an35 Spaumlter sprach man es bei der Kirchwei-he zum Einzug ins Heiligtum wo man die Reliquien abholte Beim Hintritt zum Altar wird es seit dem spaumlten Mit-

34 Vgl J Brinktrine (Eph liturg 1937) 20035 Im Leonianum am Gruumlndonnerstag im aumllteren Gelasianum am Beginn der Quadragesima im Greshygorianum von Padua am Donnerstag der ersten Fastenwoche

Confiteor bei einer Primiz in St Albert Stuttgart (2009)

Das Stufengebet

30

telalter leise gesprochen wohl zuerst in EnglandDer Trierer Patristiker Michael Fiedro-wicz schreibt zusammenfassend bdquoDie Entstehung des Stufengebets ist ein anschauliches Beispiel fuumlr die organi-

sche Entwicklung der Meszligliturgie Aus einem betenden Innehalten bzw sich Niederwerfen des Papstes bzw Zele-branten vor dem Altar (78 Jahrhun-dert) einem Bekenntnis der eigenen Unwuumlrdigkeit mit Vergebungsbitte (Apologien 9 Jahrhundert) dem ge-meinsamen Beten von Psalm 42 - ne-ben anderen Ak zeszlig psalmen - auf dem Weg zum Altar (910 Jahrhundert) verschiedenen Psalm-Versikeln (12 Jahrhundert) die vom Buszligakt zur Ora-tion Aufer a nobis (10 Jahrhundert) uumlberleiteten ist allmaumlhlich jener Be-

stand an Vorbereitungsgebeten zu-sammen ge wachsen der mit der An-ordnung Papst Piuslsquo V an den Stufen des Altares Psalm 42 zu beten seine endguumlltige Gestalt gefunden hatldquo36

Die Funktion des Stufengebets im Rahmen der MesseNachdem wir die - mitunter etwas ver-wirrende - geschichtliche Entstehung und Entwicklung des Stufengebets gesehen haben koumlnnen wir uns nun daran machen seine Funktion inner-halb der Vormesse zu klaumlren Diese laumlszligt sich nur aus der Geschichte her-aus richtig deuten

36 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 76

Die Liturgische Bewegung des letzten Jahrhunderts die faumllschlicherweise von der missa lecta [gelesene Messe] als Normalform der Messe ausging waumlhrend das natuumlrlich die missa can-tata [gesungene Messe] ist betrachtete das Stufengebet als einen Dialog von Priester und Volk bzw Prie ster und Mi-nistrant wobei der Ministrant als Ver-treter des Volkes angesehen wurde In der im 20 Jahrhundert erfundenen missa dialogata [dialogisierte Messe] betete folgerichtig das Volk im Wech-sel mit dem Priester das Stufengebet Das Volk war zuvor nie an diesem Dia-log beteiligt weil parallel zum Stufen-gebet der Introitus gesungen wird

Oumlffentliche Vorbereitung an den Stufen des AltaresDer historische Befund laumlszligt eine sol-che Deutung nicht zu auch wenn es im spaumlten Mittelalter vereinzelt zu einer Einbeziehung der Gemeinde gekommen ist37 was Jungmann aber richtig als Grenzfall bezeichnet Der Ursprung des Stufengebets ist wie wir sahen die stille Verneigung oder das Niederwerfen des Pontifex vor dem Altar nach dem Einzug wobei er nach dem Ordo Romanus XVII pro se vel pro peccata populi betet Das ist eindeutig ein privates Vorbereitungsgebet auf die Meszligfeier wie es auch die Apolo-gien des 9 Jahrhundert waren Von einer irgendwie gearteten Beteiligung des Volkes ist dort keine Rede

37 So beginnt im Missale von Tours von 1533 das Misereatur des Priesters mit Fratres et sorores (Marshytegravene I 4 2 4 [I 361]) und in der Konventmesse der Kartaumluser betet nach dem Caeremoniale von 1370 und ebenso noch heute die ganze Kommunitaumlt das Stufengebet der Introitus beginnt erst danach

Stufengebet in der Zisterzienserabtei Mariawald

Die Entstehung des Stufengebetsist ein anschauliches Beispielfuumlr die organische Entwicklung der Meszligliturgie

31Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Auch mit dem Aufkommen des Con fiteor als neuer Form des Suumln-denbekenntnisses ab der er sten Jahr-tausendwende aumlndert sich das nicht Eine Beteiligung des Volkes gab es nicht auszliger in den erwaumlhnten spaumlten Einzelfaumlllen Vielmehr zeigt das im An-fang haumlufige Gegenuumlber von Priester und Diakon beim Confiteor deutlich daszlig es sich hierbei um einen Dialog zwischen den Zelebranten also Prie-ster und Diakon handelt Der Brauch

von Sarum sieht den Subdiakon eben-falls als Zelebranten entsprechend der um diese Zeit aufkommenden An-sicht den Subdiakonat unter die houml-heren Weihen zu zaumlhlen der Priester steht zwischen Diakon und Subdiakon und betet abwechselnd mit ihnen das Stufengebet So ist es bis heute geblie-ben Das Stufengebet ist demnach die private Vorbereitung des Altarklerus auf die Meszligfeier38 Pierre Lebrun nann-te es Anfang des 18 Jahrhundert ganz

38 Vgl J Brinktrine a a O 50 bdquoHinzu kommt daszlig das Staffelgebet mehr die private Vorbereitung des Priesters und seiner ministri darstelltldquo

richtig die bdquoPreacuteparation publique au bas de lrsquoautelldquo39

bdquoIntroibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuventutem meamrdquoDiese Vorbereitung besteht wie schon gesagt aus zwei Teilen dem Psalm 42 zum Hinzutritt zum Altar und dem Suumlndenbekenntnis des ConfiteorDer Psalm der ur spruumlnglich auf dem Weg zum Al tar gebetet wurde und die Sehnsucht nach dem Altar zum Aus-druck bringt hat diese urspruumlngliche Funktion auch nach der Verlegung an die Altarstufen durch Pius V nicht ver-loren Nach wie vor ist der vierte Vers Introibo ad altare Dei ad Deum qui lae-tificat iuventutem meam der beste Aus-druck fuumlr das was gerade geschieht Der Psalm ist im Alten Testament das bdquoGebet eines Bedraumlngten der fern des Heiligtums sich danach sehnt wieder an den Festen des Herrn teilnehmen zu koumlnnenldquo40 bdquoDieses Hintreten vor Gott nach dem es den Saumlnger verlangt hat ist eigentlich erst im Neuen Bun-de vollends moumlglich geworden denn erst durch Christus haben wir das sbquofreie Wort und den Zutritt des Vaterslsquo (Eph 312 vgl Roumlm 52) Der Altar des Neu-en Bundes ist die Stelle an der sich die Begegnung mit Gott im Diesseits am vollsten verwirklichen darfldquo41Der Psalm ist bdquobestens geeignet zur Stim-me der Kirche zu werden die in den aumluszligeren und inneren Bedraumlngnissen der Welt danach verlangt vor Gott zu treten sich von ihm fuumlhren zu lassen und ihn im Lobpreis seiner Treue freu-

39 P Lebrun a a O 7940 M Fiedrowicz a a O 7641 J Jungmann a a O 380

Johannes Chrysostomos

Das Stufengebet

Das Stufengebet ist die private Vorbereitung des Altarklerus auf die MeszligfeierEine Beteiligung des Volkes gab es nicht

32

dig Dank zu sagenldquo42 Auf dem Weg zum Altar haumllt der Priester an den Al-tarstufen inne und bringt seine Sehn-sucht zum Altar und zu bdquoGott der mei-ne Jugend erfreutldquo zum Ausdruck

bdquoAber nicht bloszlig das Hintreten erfuumlllt sich hier auch die Situation aus der der Psalmist zu Gott verlangt waumlchst ins Typische Wenn wir zu Gott wollen stellt sich immer irgendwo der homo iniquus [der boumlse Mensch] in den Weg Und so rufen wir zu ihm der uns Staumlr-ke ist er moumlge sein Licht aufleuch-ten und seine Treue wirksam werden lassen und uns hinfuumlhren in montem sanctum zur Houmlhe auf der sich das Opfer von Golgotha erneuern sollldquo43 Die abschlieszligenden Worte der Freude und des Jubels gelten dann schon der Eucharistie

bdquoWenn ihr am Herrentag zusammenkommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquoDer zweite Teil des Stufengebets ist das Suumlndenbekenntnis mit sei ner

42 M Fiedrowicz a a O 7643 J Jungmann a a O 381

Umrahmung das nach Abschluszlig des Psalms folgt Das Be wuszligtsein der Grouml-szlige der Euchari stiefeier und das dazu erforderliche Freisein von Suumlnde geht schon aus der Forderung der Didache aus der Fruumlhzeit der Kirche hervor bdquoWenn ihr am Herrentag zusammen-kommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquo Hier war aber wohl an ein auszligerlitur-gisches Bekenntnis der Teilnehmer gedacht In besonderer Weise gilt die Forderung nach Suumlndenfreiheit natuumlr-lich vom zelebrierenden Priester

So verlangt die Goumlttliche Liturgie des hl Johannes Chrysostomos bdquoBevor der Priester das goumlttliche Mysterium feiert soll er zunaumlchst mit allen ver-soumlhnt sein und gegen niemand etwas haben Er soll sein Herz vor boumlsen Ge-danken bewahrenldquo44 Im Westen legt er im Rahmen seines privaten Vorbe-reitungsgebetes der Messe ein allge-meines Suumlndenbekenntnis mit seinen ministri sacri bzw den diese vertreten-den Ministranten ab

44 S Heitz Mysterium der Anbetung Goumlttliche Liturgie und Stundengebet der Orthodoxen Kirche Koumlln 1986 315

Der dialogische Aufbau des Bekennt-nisses entspricht der Forderung des Apostels Jakobus bdquoBekennt also einan-der eure Suumlnden und betet fuumlreinander damit ihr geheilt werdetldquo (Jak 5 16) Im Gegenuumlber von Zelebrant und ministri wird die Forderung des Apostels be-wuszligt vollzogen Es kommt darin auch die soziale und ekklesiale Dimension von Suumlnde und Vergebung zum Aus-druck

Im getrennten Sprechen des Schuld-bekenntnisses wird auch die beson-dere Stellung des Prie sters sichtbar Er ist ebenso wie seine ministri und das glaumlubige Volk der Schwaumlche und Schuld unterworfen und auf Gottes Barm her zig keit angewiesen aber kraft seiner Weihe ist er doch von ihnen un-terschieden Daszlig der Priester das Con-fiteor allein betet ist bdquodemuumltiger Aus-druck dafuumlr daszlig der Priester der erste ist der sich fuumlr seine Suumlnden anzukla-gen hat um wuumlrdig die heiligen My-sterien feiern zu koumlnnenldquo45 Waumlhrend sich alle genseitig der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen ist der Priester der einzige der kraft seiner Weihe das ehemals sakramental verstandene In-dulgentiam sprechen kann

Die abschlieszligenden Versikel erbit-ten die Zuwendung Gottes (Deus tu conversus) und seine Barmherzigkeit (Ostende nobis) Das letzte ist die Bitte um das gnadenhafte Kommen Chri-sti in der Eucharistie46 Im Aufer a no-bis erbittet der Priester sodann beim

45 M Fiedrowicz a O 7946 Vgl K Gamber Zeige uns o Herr deine Barshymherzigkeit Vom byzantinischen ProthesisshyBild zum spaumltmittelalterlichen ErbaumlrmdeshyChristus Reshygensburg 1986 12

Stufengebet in Mariawald

33Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Aufstieg zum Altar mit reiner Seele zum Altar hinzutreten zu duumlrfen Die-ses Gebet faszligt eigentlich das ganze Stufengebet noch einmal zusammen Am Altar angelangt legt er die Haumlnde an den Altar und ruft die Fuumlrbitte der Heiligen an (Oramus te Domine) Der Altarkuszlig ehrt diesen als Symbol Christi und stellt den Priester in die Gemein-schaft der Heiligen besonders derer deren Reliquien sich im Altar befinden (quorum reliquiae hic sunt)

bdquoIndem der Zutritt zum Altar im Stufen-gebet gleichsam schrittweise erbetet wird und von fortwaumlhrenden Entsuumln-digungsbitten begleitet ist zeigt der Ri-tus eindringlich wie mit der je groumlszligeren Naumlhe zu Gott das immer staumlrkere Verlan-gen einhergehen muszlig sei ner Heiligkeit zu entsprechenldquo47

Zusammenfassung und SchluszligfolgerungAus dem urchristlichen Bewuszligtsein um Heiligkeit und Groumlszlige der Euchari-stie und der damit verbundenen For-derung nach Buszlige bdquodamit euer Opfer rein seildquo entstanden in den verschie-denen Riten diverse rituelle Formen eines Suumlndenbekenntnisses zu Beginn der Messe Im Westen steht am Anfang der Entwicklung das stille Verbeugen oder Niederwerfen des Papstes vor dem Altar beim roumlmischen Stations-gottesdienst bei dem er frei pro se vel pro peccata populi betet Spaumlter ver-langten die liturgischen Stilgesetze im Frankenreich diese Stille foumlrmlich aus-zufuumlllen Zahlreiche Apologien entste-hen bis im 9 Jahrhundert eine Ord-nung aufkommt die vorherrschend

47 M Fiedrowicz a a O 80

werden sollte und bis heute fortbe-steht Es entstehen die ersten Ansaumltze des spaumlteren Stufengebets die zwar alle diesel be Struktur aber keines-wegs denselben Wortlaut haben Wir haben gesehen wie in tastenden Ver-suchen eine fast verwirrende Vielzahl von Stufengebeten entstehen bis die Entwicklung endguumlltig durch die Li-turgiereform Piuslsquo V ihren Abschluszlig findet

Aus dem historischen Uumlberblick konn-ten wir die eigentliche Funktion des Stufengebets in der Vor messe erken-nen Von seinem ge schichtlichen Ur-sprung her ist es ein privates Gebet des Priesters mit seinem assistieren-den Klerus Am Anfang stand ein re-gelrechtes Gegenuumlber von Priester und Diakon Es ist wie J Brinktrine sagte bdquoprivate Vorbereitung des Prie-sters und seiner ministrildquo48

Daraus ergeben sich vor allem zwei Folgerungen Es muszlig sichtbar blei-ben daszlig hier der Priester und seine Assistenz (Diakon und Subdiakon bzw Ministranten die die ministri sacri ver-

48 S Anm 34

treten) sich privat auf die Feier der hei-ligen Messe betend vorbereiten Ge-maumlszlig der Maszliggabe von Sacro sanctum Concilium daszlig jeder Teilnehmer an der Liturgie bdquonur das und all das tun (soll) was ihm aus der Natur der Sa-che und nach den liturgischen Regeln zukommtldquo49 ist dementsprechend der Brauch zu vermeiden in der missa dialogata die Glaumlubigen das Stufen-gebet laut mitbeten zu lassen Das ist eindeutig eine sbquoRollenvermischunglsquo die erst mit der Liturgischen Bewe-gung aufkam und auf einem falschen Verstaumlndnis der eigentlichen Funktion des Stufengebets beruht

Die zweite Folgerung hat mit der ars celebrandi zu tun Um die Messe wuumlr-dig und gut zu feiern ist es wichtig die Funktion und Bedeutung der einzel-nen Teile gut zu kennen und dement-sprechend zu vollziehen Damit das Stufengebet nicht zum leeren Geplap-per wird gilt es sich in die Bedeutung seiner beider Teile zu vertiefen und wirklich die Sehnsucht zu Gott und seinem Altar und die Reue uumlber die ei-genen Suumlnden zu erwecken

49 SC n 28

Das Stufengebet

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telalter leise gesprochen wohl zuerst in EnglandDer Trierer Patristiker Michael Fiedro-wicz schreibt zusammenfassend bdquoDie Entstehung des Stufengebets ist ein anschauliches Beispiel fuumlr die organi-

sche Entwicklung der Meszligliturgie Aus einem betenden Innehalten bzw sich Niederwerfen des Papstes bzw Zele-branten vor dem Altar (78 Jahrhun-dert) einem Bekenntnis der eigenen Unwuumlrdigkeit mit Vergebungsbitte (Apologien 9 Jahrhundert) dem ge-meinsamen Beten von Psalm 42 - ne-ben anderen Ak zeszlig psalmen - auf dem Weg zum Altar (910 Jahrhundert) verschiedenen Psalm-Versikeln (12 Jahrhundert) die vom Buszligakt zur Ora-tion Aufer a nobis (10 Jahrhundert) uumlberleiteten ist allmaumlhlich jener Be-

stand an Vorbereitungsgebeten zu-sammen ge wachsen der mit der An-ordnung Papst Piuslsquo V an den Stufen des Altares Psalm 42 zu beten seine endguumlltige Gestalt gefunden hatldquo36

Die Funktion des Stufengebets im Rahmen der MesseNachdem wir die - mitunter etwas ver-wirrende - geschichtliche Entstehung und Entwicklung des Stufengebets gesehen haben koumlnnen wir uns nun daran machen seine Funktion inner-halb der Vormesse zu klaumlren Diese laumlszligt sich nur aus der Geschichte her-aus richtig deuten

36 M Fiedrowicz Die uumlberlieferte Messe Geshyschichte Gestalt und Theologie des klassischen roumlmischen Ritus MuumllheimMosel 2011 76

Die Liturgische Bewegung des letzten Jahrhunderts die faumllschlicherweise von der missa lecta [gelesene Messe] als Normalform der Messe ausging waumlhrend das natuumlrlich die missa can-tata [gesungene Messe] ist betrachtete das Stufengebet als einen Dialog von Priester und Volk bzw Prie ster und Mi-nistrant wobei der Ministrant als Ver-treter des Volkes angesehen wurde In der im 20 Jahrhundert erfundenen missa dialogata [dialogisierte Messe] betete folgerichtig das Volk im Wech-sel mit dem Priester das Stufengebet Das Volk war zuvor nie an diesem Dia-log beteiligt weil parallel zum Stufen-gebet der Introitus gesungen wird

Oumlffentliche Vorbereitung an den Stufen des AltaresDer historische Befund laumlszligt eine sol-che Deutung nicht zu auch wenn es im spaumlten Mittelalter vereinzelt zu einer Einbeziehung der Gemeinde gekommen ist37 was Jungmann aber richtig als Grenzfall bezeichnet Der Ursprung des Stufengebets ist wie wir sahen die stille Verneigung oder das Niederwerfen des Pontifex vor dem Altar nach dem Einzug wobei er nach dem Ordo Romanus XVII pro se vel pro peccata populi betet Das ist eindeutig ein privates Vorbereitungsgebet auf die Meszligfeier wie es auch die Apolo-gien des 9 Jahrhundert waren Von einer irgendwie gearteten Beteiligung des Volkes ist dort keine Rede

37 So beginnt im Missale von Tours von 1533 das Misereatur des Priesters mit Fratres et sorores (Marshytegravene I 4 2 4 [I 361]) und in der Konventmesse der Kartaumluser betet nach dem Caeremoniale von 1370 und ebenso noch heute die ganze Kommunitaumlt das Stufengebet der Introitus beginnt erst danach

Stufengebet in der Zisterzienserabtei Mariawald

Die Entstehung des Stufengebetsist ein anschauliches Beispielfuumlr die organische Entwicklung der Meszligliturgie

31Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Auch mit dem Aufkommen des Con fiteor als neuer Form des Suumln-denbekenntnisses ab der er sten Jahr-tausendwende aumlndert sich das nicht Eine Beteiligung des Volkes gab es nicht auszliger in den erwaumlhnten spaumlten Einzelfaumlllen Vielmehr zeigt das im An-fang haumlufige Gegenuumlber von Priester und Diakon beim Confiteor deutlich daszlig es sich hierbei um einen Dialog zwischen den Zelebranten also Prie-ster und Diakon handelt Der Brauch

von Sarum sieht den Subdiakon eben-falls als Zelebranten entsprechend der um diese Zeit aufkommenden An-sicht den Subdiakonat unter die houml-heren Weihen zu zaumlhlen der Priester steht zwischen Diakon und Subdiakon und betet abwechselnd mit ihnen das Stufengebet So ist es bis heute geblie-ben Das Stufengebet ist demnach die private Vorbereitung des Altarklerus auf die Meszligfeier38 Pierre Lebrun nann-te es Anfang des 18 Jahrhundert ganz

38 Vgl J Brinktrine a a O 50 bdquoHinzu kommt daszlig das Staffelgebet mehr die private Vorbereitung des Priesters und seiner ministri darstelltldquo

richtig die bdquoPreacuteparation publique au bas de lrsquoautelldquo39

bdquoIntroibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuventutem meamrdquoDiese Vorbereitung besteht wie schon gesagt aus zwei Teilen dem Psalm 42 zum Hinzutritt zum Altar und dem Suumlndenbekenntnis des ConfiteorDer Psalm der ur spruumlnglich auf dem Weg zum Al tar gebetet wurde und die Sehnsucht nach dem Altar zum Aus-druck bringt hat diese urspruumlngliche Funktion auch nach der Verlegung an die Altarstufen durch Pius V nicht ver-loren Nach wie vor ist der vierte Vers Introibo ad altare Dei ad Deum qui lae-tificat iuventutem meam der beste Aus-druck fuumlr das was gerade geschieht Der Psalm ist im Alten Testament das bdquoGebet eines Bedraumlngten der fern des Heiligtums sich danach sehnt wieder an den Festen des Herrn teilnehmen zu koumlnnenldquo40 bdquoDieses Hintreten vor Gott nach dem es den Saumlnger verlangt hat ist eigentlich erst im Neuen Bun-de vollends moumlglich geworden denn erst durch Christus haben wir das sbquofreie Wort und den Zutritt des Vaterslsquo (Eph 312 vgl Roumlm 52) Der Altar des Neu-en Bundes ist die Stelle an der sich die Begegnung mit Gott im Diesseits am vollsten verwirklichen darfldquo41Der Psalm ist bdquobestens geeignet zur Stim-me der Kirche zu werden die in den aumluszligeren und inneren Bedraumlngnissen der Welt danach verlangt vor Gott zu treten sich von ihm fuumlhren zu lassen und ihn im Lobpreis seiner Treue freu-

39 P Lebrun a a O 7940 M Fiedrowicz a a O 7641 J Jungmann a a O 380

Johannes Chrysostomos

Das Stufengebet

Das Stufengebet ist die private Vorbereitung des Altarklerus auf die MeszligfeierEine Beteiligung des Volkes gab es nicht

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dig Dank zu sagenldquo42 Auf dem Weg zum Altar haumllt der Priester an den Al-tarstufen inne und bringt seine Sehn-sucht zum Altar und zu bdquoGott der mei-ne Jugend erfreutldquo zum Ausdruck

bdquoAber nicht bloszlig das Hintreten erfuumlllt sich hier auch die Situation aus der der Psalmist zu Gott verlangt waumlchst ins Typische Wenn wir zu Gott wollen stellt sich immer irgendwo der homo iniquus [der boumlse Mensch] in den Weg Und so rufen wir zu ihm der uns Staumlr-ke ist er moumlge sein Licht aufleuch-ten und seine Treue wirksam werden lassen und uns hinfuumlhren in montem sanctum zur Houmlhe auf der sich das Opfer von Golgotha erneuern sollldquo43 Die abschlieszligenden Worte der Freude und des Jubels gelten dann schon der Eucharistie

bdquoWenn ihr am Herrentag zusammenkommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquoDer zweite Teil des Stufengebets ist das Suumlndenbekenntnis mit sei ner

42 M Fiedrowicz a a O 7643 J Jungmann a a O 381

Umrahmung das nach Abschluszlig des Psalms folgt Das Be wuszligtsein der Grouml-szlige der Euchari stiefeier und das dazu erforderliche Freisein von Suumlnde geht schon aus der Forderung der Didache aus der Fruumlhzeit der Kirche hervor bdquoWenn ihr am Herrentag zusammen-kommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquo Hier war aber wohl an ein auszligerlitur-gisches Bekenntnis der Teilnehmer gedacht In besonderer Weise gilt die Forderung nach Suumlndenfreiheit natuumlr-lich vom zelebrierenden Priester

So verlangt die Goumlttliche Liturgie des hl Johannes Chrysostomos bdquoBevor der Priester das goumlttliche Mysterium feiert soll er zunaumlchst mit allen ver-soumlhnt sein und gegen niemand etwas haben Er soll sein Herz vor boumlsen Ge-danken bewahrenldquo44 Im Westen legt er im Rahmen seines privaten Vorbe-reitungsgebetes der Messe ein allge-meines Suumlndenbekenntnis mit seinen ministri sacri bzw den diese vertreten-den Ministranten ab

44 S Heitz Mysterium der Anbetung Goumlttliche Liturgie und Stundengebet der Orthodoxen Kirche Koumlln 1986 315

Der dialogische Aufbau des Bekennt-nisses entspricht der Forderung des Apostels Jakobus bdquoBekennt also einan-der eure Suumlnden und betet fuumlreinander damit ihr geheilt werdetldquo (Jak 5 16) Im Gegenuumlber von Zelebrant und ministri wird die Forderung des Apostels be-wuszligt vollzogen Es kommt darin auch die soziale und ekklesiale Dimension von Suumlnde und Vergebung zum Aus-druck

Im getrennten Sprechen des Schuld-bekenntnisses wird auch die beson-dere Stellung des Prie sters sichtbar Er ist ebenso wie seine ministri und das glaumlubige Volk der Schwaumlche und Schuld unterworfen und auf Gottes Barm her zig keit angewiesen aber kraft seiner Weihe ist er doch von ihnen un-terschieden Daszlig der Priester das Con-fiteor allein betet ist bdquodemuumltiger Aus-druck dafuumlr daszlig der Priester der erste ist der sich fuumlr seine Suumlnden anzukla-gen hat um wuumlrdig die heiligen My-sterien feiern zu koumlnnenldquo45 Waumlhrend sich alle genseitig der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen ist der Priester der einzige der kraft seiner Weihe das ehemals sakramental verstandene In-dulgentiam sprechen kann

Die abschlieszligenden Versikel erbit-ten die Zuwendung Gottes (Deus tu conversus) und seine Barmherzigkeit (Ostende nobis) Das letzte ist die Bitte um das gnadenhafte Kommen Chri-sti in der Eucharistie46 Im Aufer a no-bis erbittet der Priester sodann beim

45 M Fiedrowicz a O 7946 Vgl K Gamber Zeige uns o Herr deine Barshymherzigkeit Vom byzantinischen ProthesisshyBild zum spaumltmittelalterlichen ErbaumlrmdeshyChristus Reshygensburg 1986 12

Stufengebet in Mariawald

33Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Aufstieg zum Altar mit reiner Seele zum Altar hinzutreten zu duumlrfen Die-ses Gebet faszligt eigentlich das ganze Stufengebet noch einmal zusammen Am Altar angelangt legt er die Haumlnde an den Altar und ruft die Fuumlrbitte der Heiligen an (Oramus te Domine) Der Altarkuszlig ehrt diesen als Symbol Christi und stellt den Priester in die Gemein-schaft der Heiligen besonders derer deren Reliquien sich im Altar befinden (quorum reliquiae hic sunt)

bdquoIndem der Zutritt zum Altar im Stufen-gebet gleichsam schrittweise erbetet wird und von fortwaumlhrenden Entsuumln-digungsbitten begleitet ist zeigt der Ri-tus eindringlich wie mit der je groumlszligeren Naumlhe zu Gott das immer staumlrkere Verlan-gen einhergehen muszlig sei ner Heiligkeit zu entsprechenldquo47

Zusammenfassung und SchluszligfolgerungAus dem urchristlichen Bewuszligtsein um Heiligkeit und Groumlszlige der Euchari-stie und der damit verbundenen For-derung nach Buszlige bdquodamit euer Opfer rein seildquo entstanden in den verschie-denen Riten diverse rituelle Formen eines Suumlndenbekenntnisses zu Beginn der Messe Im Westen steht am Anfang der Entwicklung das stille Verbeugen oder Niederwerfen des Papstes vor dem Altar beim roumlmischen Stations-gottesdienst bei dem er frei pro se vel pro peccata populi betet Spaumlter ver-langten die liturgischen Stilgesetze im Frankenreich diese Stille foumlrmlich aus-zufuumlllen Zahlreiche Apologien entste-hen bis im 9 Jahrhundert eine Ord-nung aufkommt die vorherrschend

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werden sollte und bis heute fortbe-steht Es entstehen die ersten Ansaumltze des spaumlteren Stufengebets die zwar alle diesel be Struktur aber keines-wegs denselben Wortlaut haben Wir haben gesehen wie in tastenden Ver-suchen eine fast verwirrende Vielzahl von Stufengebeten entstehen bis die Entwicklung endguumlltig durch die Li-turgiereform Piuslsquo V ihren Abschluszlig findet

Aus dem historischen Uumlberblick konn-ten wir die eigentliche Funktion des Stufengebets in der Vor messe erken-nen Von seinem ge schichtlichen Ur-sprung her ist es ein privates Gebet des Priesters mit seinem assistieren-den Klerus Am Anfang stand ein re-gelrechtes Gegenuumlber von Priester und Diakon Es ist wie J Brinktrine sagte bdquoprivate Vorbereitung des Prie-sters und seiner ministrildquo48

Daraus ergeben sich vor allem zwei Folgerungen Es muszlig sichtbar blei-ben daszlig hier der Priester und seine Assistenz (Diakon und Subdiakon bzw Ministranten die die ministri sacri ver-

48 S Anm 34

treten) sich privat auf die Feier der hei-ligen Messe betend vorbereiten Ge-maumlszlig der Maszliggabe von Sacro sanctum Concilium daszlig jeder Teilnehmer an der Liturgie bdquonur das und all das tun (soll) was ihm aus der Natur der Sa-che und nach den liturgischen Regeln zukommtldquo49 ist dementsprechend der Brauch zu vermeiden in der missa dialogata die Glaumlubigen das Stufen-gebet laut mitbeten zu lassen Das ist eindeutig eine sbquoRollenvermischunglsquo die erst mit der Liturgischen Bewe-gung aufkam und auf einem falschen Verstaumlndnis der eigentlichen Funktion des Stufengebets beruht

Die zweite Folgerung hat mit der ars celebrandi zu tun Um die Messe wuumlr-dig und gut zu feiern ist es wichtig die Funktion und Bedeutung der einzel-nen Teile gut zu kennen und dement-sprechend zu vollziehen Damit das Stufengebet nicht zum leeren Geplap-per wird gilt es sich in die Bedeutung seiner beider Teile zu vertiefen und wirklich die Sehnsucht zu Gott und seinem Altar und die Reue uumlber die ei-genen Suumlnden zu erwecken

49 SC n 28

Das Stufengebet

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31Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Auch mit dem Aufkommen des Con fiteor als neuer Form des Suumln-denbekenntnisses ab der er sten Jahr-tausendwende aumlndert sich das nicht Eine Beteiligung des Volkes gab es nicht auszliger in den erwaumlhnten spaumlten Einzelfaumlllen Vielmehr zeigt das im An-fang haumlufige Gegenuumlber von Priester und Diakon beim Confiteor deutlich daszlig es sich hierbei um einen Dialog zwischen den Zelebranten also Prie-ster und Diakon handelt Der Brauch

von Sarum sieht den Subdiakon eben-falls als Zelebranten entsprechend der um diese Zeit aufkommenden An-sicht den Subdiakonat unter die houml-heren Weihen zu zaumlhlen der Priester steht zwischen Diakon und Subdiakon und betet abwechselnd mit ihnen das Stufengebet So ist es bis heute geblie-ben Das Stufengebet ist demnach die private Vorbereitung des Altarklerus auf die Meszligfeier38 Pierre Lebrun nann-te es Anfang des 18 Jahrhundert ganz

38 Vgl J Brinktrine a a O 50 bdquoHinzu kommt daszlig das Staffelgebet mehr die private Vorbereitung des Priesters und seiner ministri darstelltldquo

richtig die bdquoPreacuteparation publique au bas de lrsquoautelldquo39

bdquoIntroibo ad altare Dei ad Deum qui laetificat iuventutem meamrdquoDiese Vorbereitung besteht wie schon gesagt aus zwei Teilen dem Psalm 42 zum Hinzutritt zum Altar und dem Suumlndenbekenntnis des ConfiteorDer Psalm der ur spruumlnglich auf dem Weg zum Al tar gebetet wurde und die Sehnsucht nach dem Altar zum Aus-druck bringt hat diese urspruumlngliche Funktion auch nach der Verlegung an die Altarstufen durch Pius V nicht ver-loren Nach wie vor ist der vierte Vers Introibo ad altare Dei ad Deum qui lae-tificat iuventutem meam der beste Aus-druck fuumlr das was gerade geschieht Der Psalm ist im Alten Testament das bdquoGebet eines Bedraumlngten der fern des Heiligtums sich danach sehnt wieder an den Festen des Herrn teilnehmen zu koumlnnenldquo40 bdquoDieses Hintreten vor Gott nach dem es den Saumlnger verlangt hat ist eigentlich erst im Neuen Bun-de vollends moumlglich geworden denn erst durch Christus haben wir das sbquofreie Wort und den Zutritt des Vaterslsquo (Eph 312 vgl Roumlm 52) Der Altar des Neu-en Bundes ist die Stelle an der sich die Begegnung mit Gott im Diesseits am vollsten verwirklichen darfldquo41Der Psalm ist bdquobestens geeignet zur Stim-me der Kirche zu werden die in den aumluszligeren und inneren Bedraumlngnissen der Welt danach verlangt vor Gott zu treten sich von ihm fuumlhren zu lassen und ihn im Lobpreis seiner Treue freu-

39 P Lebrun a a O 7940 M Fiedrowicz a a O 7641 J Jungmann a a O 380

Johannes Chrysostomos

Das Stufengebet

Das Stufengebet ist die private Vorbereitung des Altarklerus auf die MeszligfeierEine Beteiligung des Volkes gab es nicht

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dig Dank zu sagenldquo42 Auf dem Weg zum Altar haumllt der Priester an den Al-tarstufen inne und bringt seine Sehn-sucht zum Altar und zu bdquoGott der mei-ne Jugend erfreutldquo zum Ausdruck

bdquoAber nicht bloszlig das Hintreten erfuumlllt sich hier auch die Situation aus der der Psalmist zu Gott verlangt waumlchst ins Typische Wenn wir zu Gott wollen stellt sich immer irgendwo der homo iniquus [der boumlse Mensch] in den Weg Und so rufen wir zu ihm der uns Staumlr-ke ist er moumlge sein Licht aufleuch-ten und seine Treue wirksam werden lassen und uns hinfuumlhren in montem sanctum zur Houmlhe auf der sich das Opfer von Golgotha erneuern sollldquo43 Die abschlieszligenden Worte der Freude und des Jubels gelten dann schon der Eucharistie

bdquoWenn ihr am Herrentag zusammenkommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquoDer zweite Teil des Stufengebets ist das Suumlndenbekenntnis mit sei ner

42 M Fiedrowicz a a O 7643 J Jungmann a a O 381

Umrahmung das nach Abschluszlig des Psalms folgt Das Be wuszligtsein der Grouml-szlige der Euchari stiefeier und das dazu erforderliche Freisein von Suumlnde geht schon aus der Forderung der Didache aus der Fruumlhzeit der Kirche hervor bdquoWenn ihr am Herrentag zusammen-kommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquo Hier war aber wohl an ein auszligerlitur-gisches Bekenntnis der Teilnehmer gedacht In besonderer Weise gilt die Forderung nach Suumlndenfreiheit natuumlr-lich vom zelebrierenden Priester

So verlangt die Goumlttliche Liturgie des hl Johannes Chrysostomos bdquoBevor der Priester das goumlttliche Mysterium feiert soll er zunaumlchst mit allen ver-soumlhnt sein und gegen niemand etwas haben Er soll sein Herz vor boumlsen Ge-danken bewahrenldquo44 Im Westen legt er im Rahmen seines privaten Vorbe-reitungsgebetes der Messe ein allge-meines Suumlndenbekenntnis mit seinen ministri sacri bzw den diese vertreten-den Ministranten ab

44 S Heitz Mysterium der Anbetung Goumlttliche Liturgie und Stundengebet der Orthodoxen Kirche Koumlln 1986 315

Der dialogische Aufbau des Bekennt-nisses entspricht der Forderung des Apostels Jakobus bdquoBekennt also einan-der eure Suumlnden und betet fuumlreinander damit ihr geheilt werdetldquo (Jak 5 16) Im Gegenuumlber von Zelebrant und ministri wird die Forderung des Apostels be-wuszligt vollzogen Es kommt darin auch die soziale und ekklesiale Dimension von Suumlnde und Vergebung zum Aus-druck

Im getrennten Sprechen des Schuld-bekenntnisses wird auch die beson-dere Stellung des Prie sters sichtbar Er ist ebenso wie seine ministri und das glaumlubige Volk der Schwaumlche und Schuld unterworfen und auf Gottes Barm her zig keit angewiesen aber kraft seiner Weihe ist er doch von ihnen un-terschieden Daszlig der Priester das Con-fiteor allein betet ist bdquodemuumltiger Aus-druck dafuumlr daszlig der Priester der erste ist der sich fuumlr seine Suumlnden anzukla-gen hat um wuumlrdig die heiligen My-sterien feiern zu koumlnnenldquo45 Waumlhrend sich alle genseitig der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen ist der Priester der einzige der kraft seiner Weihe das ehemals sakramental verstandene In-dulgentiam sprechen kann

Die abschlieszligenden Versikel erbit-ten die Zuwendung Gottes (Deus tu conversus) und seine Barmherzigkeit (Ostende nobis) Das letzte ist die Bitte um das gnadenhafte Kommen Chri-sti in der Eucharistie46 Im Aufer a no-bis erbittet der Priester sodann beim

45 M Fiedrowicz a O 7946 Vgl K Gamber Zeige uns o Herr deine Barshymherzigkeit Vom byzantinischen ProthesisshyBild zum spaumltmittelalterlichen ErbaumlrmdeshyChristus Reshygensburg 1986 12

Stufengebet in Mariawald

33Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Aufstieg zum Altar mit reiner Seele zum Altar hinzutreten zu duumlrfen Die-ses Gebet faszligt eigentlich das ganze Stufengebet noch einmal zusammen Am Altar angelangt legt er die Haumlnde an den Altar und ruft die Fuumlrbitte der Heiligen an (Oramus te Domine) Der Altarkuszlig ehrt diesen als Symbol Christi und stellt den Priester in die Gemein-schaft der Heiligen besonders derer deren Reliquien sich im Altar befinden (quorum reliquiae hic sunt)

bdquoIndem der Zutritt zum Altar im Stufen-gebet gleichsam schrittweise erbetet wird und von fortwaumlhrenden Entsuumln-digungsbitten begleitet ist zeigt der Ri-tus eindringlich wie mit der je groumlszligeren Naumlhe zu Gott das immer staumlrkere Verlan-gen einhergehen muszlig sei ner Heiligkeit zu entsprechenldquo47

Zusammenfassung und SchluszligfolgerungAus dem urchristlichen Bewuszligtsein um Heiligkeit und Groumlszlige der Euchari-stie und der damit verbundenen For-derung nach Buszlige bdquodamit euer Opfer rein seildquo entstanden in den verschie-denen Riten diverse rituelle Formen eines Suumlndenbekenntnisses zu Beginn der Messe Im Westen steht am Anfang der Entwicklung das stille Verbeugen oder Niederwerfen des Papstes vor dem Altar beim roumlmischen Stations-gottesdienst bei dem er frei pro se vel pro peccata populi betet Spaumlter ver-langten die liturgischen Stilgesetze im Frankenreich diese Stille foumlrmlich aus-zufuumlllen Zahlreiche Apologien entste-hen bis im 9 Jahrhundert eine Ord-nung aufkommt die vorherrschend

47 M Fiedrowicz a a O 80

werden sollte und bis heute fortbe-steht Es entstehen die ersten Ansaumltze des spaumlteren Stufengebets die zwar alle diesel be Struktur aber keines-wegs denselben Wortlaut haben Wir haben gesehen wie in tastenden Ver-suchen eine fast verwirrende Vielzahl von Stufengebeten entstehen bis die Entwicklung endguumlltig durch die Li-turgiereform Piuslsquo V ihren Abschluszlig findet

Aus dem historischen Uumlberblick konn-ten wir die eigentliche Funktion des Stufengebets in der Vor messe erken-nen Von seinem ge schichtlichen Ur-sprung her ist es ein privates Gebet des Priesters mit seinem assistieren-den Klerus Am Anfang stand ein re-gelrechtes Gegenuumlber von Priester und Diakon Es ist wie J Brinktrine sagte bdquoprivate Vorbereitung des Prie-sters und seiner ministrildquo48

Daraus ergeben sich vor allem zwei Folgerungen Es muszlig sichtbar blei-ben daszlig hier der Priester und seine Assistenz (Diakon und Subdiakon bzw Ministranten die die ministri sacri ver-

48 S Anm 34

treten) sich privat auf die Feier der hei-ligen Messe betend vorbereiten Ge-maumlszlig der Maszliggabe von Sacro sanctum Concilium daszlig jeder Teilnehmer an der Liturgie bdquonur das und all das tun (soll) was ihm aus der Natur der Sa-che und nach den liturgischen Regeln zukommtldquo49 ist dementsprechend der Brauch zu vermeiden in der missa dialogata die Glaumlubigen das Stufen-gebet laut mitbeten zu lassen Das ist eindeutig eine sbquoRollenvermischunglsquo die erst mit der Liturgischen Bewe-gung aufkam und auf einem falschen Verstaumlndnis der eigentlichen Funktion des Stufengebets beruht

Die zweite Folgerung hat mit der ars celebrandi zu tun Um die Messe wuumlr-dig und gut zu feiern ist es wichtig die Funktion und Bedeutung der einzel-nen Teile gut zu kennen und dement-sprechend zu vollziehen Damit das Stufengebet nicht zum leeren Geplap-per wird gilt es sich in die Bedeutung seiner beider Teile zu vertiefen und wirklich die Sehnsucht zu Gott und seinem Altar und die Reue uumlber die ei-genen Suumlnden zu erwecken

49 SC n 28

Das Stufengebet

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dig Dank zu sagenldquo42 Auf dem Weg zum Altar haumllt der Priester an den Al-tarstufen inne und bringt seine Sehn-sucht zum Altar und zu bdquoGott der mei-ne Jugend erfreutldquo zum Ausdruck

bdquoAber nicht bloszlig das Hintreten erfuumlllt sich hier auch die Situation aus der der Psalmist zu Gott verlangt waumlchst ins Typische Wenn wir zu Gott wollen stellt sich immer irgendwo der homo iniquus [der boumlse Mensch] in den Weg Und so rufen wir zu ihm der uns Staumlr-ke ist er moumlge sein Licht aufleuch-ten und seine Treue wirksam werden lassen und uns hinfuumlhren in montem sanctum zur Houmlhe auf der sich das Opfer von Golgotha erneuern sollldquo43 Die abschlieszligenden Worte der Freude und des Jubels gelten dann schon der Eucharistie

bdquoWenn ihr am Herrentag zusammenkommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquoDer zweite Teil des Stufengebets ist das Suumlndenbekenntnis mit sei ner

42 M Fiedrowicz a a O 7643 J Jungmann a a O 381

Umrahmung das nach Abschluszlig des Psalms folgt Das Be wuszligtsein der Grouml-szlige der Euchari stiefeier und das dazu erforderliche Freisein von Suumlnde geht schon aus der Forderung der Didache aus der Fruumlhzeit der Kirche hervor bdquoWenn ihr am Herrentag zusammen-kommt brecht das Brot und sagt Dank nachdem ihr zuvor eure Uumlbertretungen bekannt habt damit euer Opfer rein seildquo Hier war aber wohl an ein auszligerlitur-gisches Bekenntnis der Teilnehmer gedacht In besonderer Weise gilt die Forderung nach Suumlndenfreiheit natuumlr-lich vom zelebrierenden Priester

So verlangt die Goumlttliche Liturgie des hl Johannes Chrysostomos bdquoBevor der Priester das goumlttliche Mysterium feiert soll er zunaumlchst mit allen ver-soumlhnt sein und gegen niemand etwas haben Er soll sein Herz vor boumlsen Ge-danken bewahrenldquo44 Im Westen legt er im Rahmen seines privaten Vorbe-reitungsgebetes der Messe ein allge-meines Suumlndenbekenntnis mit seinen ministri sacri bzw den diese vertreten-den Ministranten ab

44 S Heitz Mysterium der Anbetung Goumlttliche Liturgie und Stundengebet der Orthodoxen Kirche Koumlln 1986 315

Der dialogische Aufbau des Bekennt-nisses entspricht der Forderung des Apostels Jakobus bdquoBekennt also einan-der eure Suumlnden und betet fuumlreinander damit ihr geheilt werdetldquo (Jak 5 16) Im Gegenuumlber von Zelebrant und ministri wird die Forderung des Apostels be-wuszligt vollzogen Es kommt darin auch die soziale und ekklesiale Dimension von Suumlnde und Vergebung zum Aus-druck

Im getrennten Sprechen des Schuld-bekenntnisses wird auch die beson-dere Stellung des Prie sters sichtbar Er ist ebenso wie seine ministri und das glaumlubige Volk der Schwaumlche und Schuld unterworfen und auf Gottes Barm her zig keit angewiesen aber kraft seiner Weihe ist er doch von ihnen un-terschieden Daszlig der Priester das Con-fiteor allein betet ist bdquodemuumltiger Aus-druck dafuumlr daszlig der Priester der erste ist der sich fuumlr seine Suumlnden anzukla-gen hat um wuumlrdig die heiligen My-sterien feiern zu koumlnnenldquo45 Waumlhrend sich alle genseitig der Barmherzigkeit Gottes anvertrauen ist der Priester der einzige der kraft seiner Weihe das ehemals sakramental verstandene In-dulgentiam sprechen kann

Die abschlieszligenden Versikel erbit-ten die Zuwendung Gottes (Deus tu conversus) und seine Barmherzigkeit (Ostende nobis) Das letzte ist die Bitte um das gnadenhafte Kommen Chri-sti in der Eucharistie46 Im Aufer a no-bis erbittet der Priester sodann beim

45 M Fiedrowicz a O 7946 Vgl K Gamber Zeige uns o Herr deine Barshymherzigkeit Vom byzantinischen ProthesisshyBild zum spaumltmittelalterlichen ErbaumlrmdeshyChristus Reshygensburg 1986 12

Stufengebet in Mariawald

33Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Aufstieg zum Altar mit reiner Seele zum Altar hinzutreten zu duumlrfen Die-ses Gebet faszligt eigentlich das ganze Stufengebet noch einmal zusammen Am Altar angelangt legt er die Haumlnde an den Altar und ruft die Fuumlrbitte der Heiligen an (Oramus te Domine) Der Altarkuszlig ehrt diesen als Symbol Christi und stellt den Priester in die Gemein-schaft der Heiligen besonders derer deren Reliquien sich im Altar befinden (quorum reliquiae hic sunt)

bdquoIndem der Zutritt zum Altar im Stufen-gebet gleichsam schrittweise erbetet wird und von fortwaumlhrenden Entsuumln-digungsbitten begleitet ist zeigt der Ri-tus eindringlich wie mit der je groumlszligeren Naumlhe zu Gott das immer staumlrkere Verlan-gen einhergehen muszlig sei ner Heiligkeit zu entsprechenldquo47

Zusammenfassung und SchluszligfolgerungAus dem urchristlichen Bewuszligtsein um Heiligkeit und Groumlszlige der Euchari-stie und der damit verbundenen For-derung nach Buszlige bdquodamit euer Opfer rein seildquo entstanden in den verschie-denen Riten diverse rituelle Formen eines Suumlndenbekenntnisses zu Beginn der Messe Im Westen steht am Anfang der Entwicklung das stille Verbeugen oder Niederwerfen des Papstes vor dem Altar beim roumlmischen Stations-gottesdienst bei dem er frei pro se vel pro peccata populi betet Spaumlter ver-langten die liturgischen Stilgesetze im Frankenreich diese Stille foumlrmlich aus-zufuumlllen Zahlreiche Apologien entste-hen bis im 9 Jahrhundert eine Ord-nung aufkommt die vorherrschend

47 M Fiedrowicz a a O 80

werden sollte und bis heute fortbe-steht Es entstehen die ersten Ansaumltze des spaumlteren Stufengebets die zwar alle diesel be Struktur aber keines-wegs denselben Wortlaut haben Wir haben gesehen wie in tastenden Ver-suchen eine fast verwirrende Vielzahl von Stufengebeten entstehen bis die Entwicklung endguumlltig durch die Li-turgiereform Piuslsquo V ihren Abschluszlig findet

Aus dem historischen Uumlberblick konn-ten wir die eigentliche Funktion des Stufengebets in der Vor messe erken-nen Von seinem ge schichtlichen Ur-sprung her ist es ein privates Gebet des Priesters mit seinem assistieren-den Klerus Am Anfang stand ein re-gelrechtes Gegenuumlber von Priester und Diakon Es ist wie J Brinktrine sagte bdquoprivate Vorbereitung des Prie-sters und seiner ministrildquo48

Daraus ergeben sich vor allem zwei Folgerungen Es muszlig sichtbar blei-ben daszlig hier der Priester und seine Assistenz (Diakon und Subdiakon bzw Ministranten die die ministri sacri ver-

48 S Anm 34

treten) sich privat auf die Feier der hei-ligen Messe betend vorbereiten Ge-maumlszlig der Maszliggabe von Sacro sanctum Concilium daszlig jeder Teilnehmer an der Liturgie bdquonur das und all das tun (soll) was ihm aus der Natur der Sa-che und nach den liturgischen Regeln zukommtldquo49 ist dementsprechend der Brauch zu vermeiden in der missa dialogata die Glaumlubigen das Stufen-gebet laut mitbeten zu lassen Das ist eindeutig eine sbquoRollenvermischunglsquo die erst mit der Liturgischen Bewe-gung aufkam und auf einem falschen Verstaumlndnis der eigentlichen Funktion des Stufengebets beruht

Die zweite Folgerung hat mit der ars celebrandi zu tun Um die Messe wuumlr-dig und gut zu feiern ist es wichtig die Funktion und Bedeutung der einzel-nen Teile gut zu kennen und dement-sprechend zu vollziehen Damit das Stufengebet nicht zum leeren Geplap-per wird gilt es sich in die Bedeutung seiner beider Teile zu vertiefen und wirklich die Sehnsucht zu Gott und seinem Altar und die Reue uumlber die ei-genen Suumlnden zu erwecken

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Das Stufengebet

Page 14: Das Stufengebet - Pro Missa Tridentina€¦ · Von Lic. theol. Martin Reinecke Der folgende Text ist der Abdruck eines Vortrags auf der liturgischen Schulung in Heiloo (NL) vom 30.6

33Dominus Vobiscum Nr 10 Maumlrz 2015

Aufstieg zum Altar mit reiner Seele zum Altar hinzutreten zu duumlrfen Die-ses Gebet faszligt eigentlich das ganze Stufengebet noch einmal zusammen Am Altar angelangt legt er die Haumlnde an den Altar und ruft die Fuumlrbitte der Heiligen an (Oramus te Domine) Der Altarkuszlig ehrt diesen als Symbol Christi und stellt den Priester in die Gemein-schaft der Heiligen besonders derer deren Reliquien sich im Altar befinden (quorum reliquiae hic sunt)

bdquoIndem der Zutritt zum Altar im Stufen-gebet gleichsam schrittweise erbetet wird und von fortwaumlhrenden Entsuumln-digungsbitten begleitet ist zeigt der Ri-tus eindringlich wie mit der je groumlszligeren Naumlhe zu Gott das immer staumlrkere Verlan-gen einhergehen muszlig sei ner Heiligkeit zu entsprechenldquo47

Zusammenfassung und SchluszligfolgerungAus dem urchristlichen Bewuszligtsein um Heiligkeit und Groumlszlige der Euchari-stie und der damit verbundenen For-derung nach Buszlige bdquodamit euer Opfer rein seildquo entstanden in den verschie-denen Riten diverse rituelle Formen eines Suumlndenbekenntnisses zu Beginn der Messe Im Westen steht am Anfang der Entwicklung das stille Verbeugen oder Niederwerfen des Papstes vor dem Altar beim roumlmischen Stations-gottesdienst bei dem er frei pro se vel pro peccata populi betet Spaumlter ver-langten die liturgischen Stilgesetze im Frankenreich diese Stille foumlrmlich aus-zufuumlllen Zahlreiche Apologien entste-hen bis im 9 Jahrhundert eine Ord-nung aufkommt die vorherrschend

47 M Fiedrowicz a a O 80

werden sollte und bis heute fortbe-steht Es entstehen die ersten Ansaumltze des spaumlteren Stufengebets die zwar alle diesel be Struktur aber keines-wegs denselben Wortlaut haben Wir haben gesehen wie in tastenden Ver-suchen eine fast verwirrende Vielzahl von Stufengebeten entstehen bis die Entwicklung endguumlltig durch die Li-turgiereform Piuslsquo V ihren Abschluszlig findet

Aus dem historischen Uumlberblick konn-ten wir die eigentliche Funktion des Stufengebets in der Vor messe erken-nen Von seinem ge schichtlichen Ur-sprung her ist es ein privates Gebet des Priesters mit seinem assistieren-den Klerus Am Anfang stand ein re-gelrechtes Gegenuumlber von Priester und Diakon Es ist wie J Brinktrine sagte bdquoprivate Vorbereitung des Prie-sters und seiner ministrildquo48

Daraus ergeben sich vor allem zwei Folgerungen Es muszlig sichtbar blei-ben daszlig hier der Priester und seine Assistenz (Diakon und Subdiakon bzw Ministranten die die ministri sacri ver-

48 S Anm 34

treten) sich privat auf die Feier der hei-ligen Messe betend vorbereiten Ge-maumlszlig der Maszliggabe von Sacro sanctum Concilium daszlig jeder Teilnehmer an der Liturgie bdquonur das und all das tun (soll) was ihm aus der Natur der Sa-che und nach den liturgischen Regeln zukommtldquo49 ist dementsprechend der Brauch zu vermeiden in der missa dialogata die Glaumlubigen das Stufen-gebet laut mitbeten zu lassen Das ist eindeutig eine sbquoRollenvermischunglsquo die erst mit der Liturgischen Bewe-gung aufkam und auf einem falschen Verstaumlndnis der eigentlichen Funktion des Stufengebets beruht

Die zweite Folgerung hat mit der ars celebrandi zu tun Um die Messe wuumlr-dig und gut zu feiern ist es wichtig die Funktion und Bedeutung der einzel-nen Teile gut zu kennen und dement-sprechend zu vollziehen Damit das Stufengebet nicht zum leeren Geplap-per wird gilt es sich in die Bedeutung seiner beider Teile zu vertiefen und wirklich die Sehnsucht zu Gott und seinem Altar und die Reue uumlber die ei-genen Suumlnden zu erwecken

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Das Stufengebet