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541.123.3 : 547.495.2 : 546.215 DAS TERNARE SYSTEM HARNSTOFF- WASSER- WASSERSTOFFPEROXYD VON ERNST JANECKE. Harnstoff bildet mit vielen organischen und anorganischen Stoffen Additionsverbindungen, unter denen die Verbindung Harnstof f- Wasserstoffperoxyd, CO( NH2)2 . H202 1) grossere Bedeutung er- langt hat. Die folgende Mitteilung gibt eine systematische Unter- suchung des Systems Harnstoff-Wasserstoffsuperoxyd mit HzO. I. Harnstoff- Wasser. Die Loslichkeit von Harnstoff in Wasser wurde untersucht von Speyer 2), Pinck u. Kelly 3) sowie Janecke 4). Die von Speyer gefun- denen Werte stimmen nicht mit den richtigen der anderen Forscher iiberein, Die Loslichkeitskurve von Harnstoff in Wasser ist die typische Kurve eines binaren Gemisches mit einem eutektischen Punkt bei -11.5O C und einem Gehalt von 32.5 Gew. Prozenten Harnstof f. 2. Wassersfoffsuperoxyd- Wasser. In der Literatur finden sich folgende Angaben iiber das System H20-H202: In einer Dissertation von Ahrle 5) ist ein Schmelz- punktdiagramm H20-H202 angegeben, das aber keinen Anspruch auf Richtigkeit machen kann. Nach diesen Angaben sollte ein eutek- tisches Gemisch bei 64 o/a Wasserstoffsuperoxyd bestehen. Von 0. Maas und 0. W. Herzberg 6) ist die Erstarrungskurve H202-H20 ebenfalls aufgenommen worden. Aus ihr ersieht man, dass es eine Verbindung 2 H20. H202 gibt, mit 48 6 % Wasserstoffperoxyd und I) Ein von Bayer 6 Co., Leverkusen, hergestelltes Praparat, in der Hauptsache aus dieser Doppelverbindung mit einem Zusatz von Amylum bestehend, kommt bekanntlich unter dem Namen .,Ortizon" in den Handel und dient zur Munddes- infektion und Wundbehandlung. 7 A. Speyer, Am. J. Sci [4] 14, 293 (1902). 3, Pinck u. Kelly, J. Am. Chem. SOC. 47. 2171 (1925). i, Janecke, Z. Elektrochem. 36. 647/48 (1930). 5, Ahrle, Diss. Darmstadt 1908, 2 7 : J. prakt. Chem. (2) 79, 129 (1909). ") 0. Maas u. 0. W . Herzberg. 1. Am. Chem. SOC. 42, 2569 (1920).

Das Ternäre System Harnstoff-Wasser-Wasserstoffperoxyd

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541.123.3 : 547.495.2 : 546.215

DAS TERNARE SYSTEM HARNSTOFF- WASSER- WASSERSTOFFPEROXYD

VON

ERNST JANECKE.

Harnstoff bildet mit vielen organischen und anorganischen Stoffen Additionsverbindungen, unter denen die Verbindung Harnstof f - Wasserstoffperoxyd, CO( NH2)2 . H 2 0 2 1) grossere Bedeutung er- langt hat. Die folgende Mitteilung gibt eine systematische Unter- suchung des Systems Harnstoff-Wasserstoffsuperoxyd mit HzO.

I . Harnstoff- Wasser .

Die Loslichkeit von Harnstoff in Wasser wurde untersucht von Speyer 2 ) , Pinck u. Kelly 3) sowie Janecke 4 ) . Die von Speyer gefun- denen Werte stimmen nicht mit den richtigen der anderen Forscher iiberein, Die Loslichkeitskurve von Harnstoff in Wasser ist die typische Kurve eines binaren Gemisches mit einem eutektischen Punkt bei - 1 1 . 5 O C und einem Gehalt von 32.5 Gew. Prozenten Harnstof f.

2. Wassersfoffsuperoxyd- Wasser .

In der Literatur finden sich folgende Angaben iiber das System H20-H202: In einer Dissertation von Ahrle 5 ) ist ein Schmelz- punktdiagramm H20-H202 angegeben, das aber keinen Anspruch auf Richtigkeit machen kann. Nach diesen Angaben sollte ein eutek- tisches Gemisch bei 64 o/a Wasserstoffsuperoxyd bestehen. Von 0. Maas und 0. W. Herzberg 6 ) ist die Erstarrungskurve H202-H20 ebenfalls aufgenommen worden. Aus ihr ersieht man, dass es eine Verbindung 2 H 2 0 . H202 gibt, mit 48 6 % Wasserstoffperoxyd und

I ) Ein von Bayer 6 Co., Leverkusen, hergestelltes Praparat, in der Hauptsache aus dieser Doppelverbindung mit einem Zusatz von Amylum bestehend, kommt bekanntlich unter dem Namen .,Ortizon" in den Handel und dient zur Munddes- infektion und Wundbehandlung.

7 A. Speyer, Am. J. Sci [4] 14, 293 (1902). 3, Pinck u. Kelly, J. Am. Chem. SOC. 47. 2171 (1925). i, Janecke, Z. Elektrochem. 36. 647/48 (1930). 5, Ahrle, Diss. Darmstadt 1908, 27 : J. prakt. Chem. (2) 79, 129 (1909). ") 0. Maas u. 0. W . Herzberg. 1. Am. Chem. SOC. 42, 2569 (1920).

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einem Schmelzpunkt von - 5 1 O . Sie bildet mit H 2 0 und H202 beider- seits Eutektika.

3. Harnstoff- Wasserstoffperoxyd.

Die Verbindung der Formel CO( NH2), . H202 wurde von Te- natar 7 ) beim Eindampfen einer Lasung von Harnstoff (1 Mol.) mit H202 (1% Mol.) von 30 % Gehalt erhalten. Sie bildet Kristalle, die heim Stehen an der Luft H 2 0 nur sehr langsam verlieren. Nach Bayer 8 ) kann die Verbindung hergestellt werden aus Harnstoff und H202 bei tiefen Temperaturen. Ihre Kristalle werden als farblose Prismen bezeichnet, die bei 85O unter lebhafter Sauerstoffentwicklung schmelzen. Merck 9 ) erhalt das Harnstoff-Wasserstoffperoxyd-Pro- dukt durch Eindampfen von Harnstoff mit einer Lasung von 3 % Gehalt.

4. Das ternare System.

Experimenteller Teil. Zur Aufstellung des Zustandsdiagramms des ternaren Systems

H20-H202-C0 ( NH2) 2 wurde die Lijslichkeit des Harnstoffes bezw. von CO( NH2), . H 2 0 2 in verschieden konzentrierten Wasser- stoffperoxyd-Losungen untersucht. Hierbei wurden verschieden starke Lasungen von H202 benutzt. Lasungen mit einem Gehalt unter 30 % Wasserstoff-superoxyd wurden durch entsprechende Verdiin- nung des Merckschen Perhydrols erhalten, hoherprozentige Lozungen durch Destillation dieses Peroxyds unter vermindertem Druck. Es wur- ,den mit einer dazu geeigneten Apparatur Wasserstoffperoxydlosun- gen bis zu 91.8 "/o Gehalt an H202 hergestellt. Von diesen Losungen, deren Konzentration also zwischen 3 % und 91.8 % H 2 0 2 schwankte, wurden die Temperaturen der, Sattigung bei Zusatz verschiedener Mengen Harnstof f bestimmt. Der Harnstof f wurde jeder einzelnen Wasserstoffsuperoxydlosung in steigender Menge zugesetzt. Durch vorsichtiges Erwarmen wurde klare Lijsung erzielt und aus dieser wurden durch Abkiihlen Kristalle zur Abscheidung gebracht und die Temperatur der Ausscheidung beobachtet. Bodenkorper sind Eis, Doppelverbindung oder Harnstoff. Da in der Regel Unterkuhlungs- erscheinungen auftraten, wurden durch langsames Erwarmen unter kraftigem Riihren, wobei das Gefass durch einen Luftmantel vor zu starker Erhitzung geschiitzt war, die genauen Sattigungstemperaturen bestimmt.

Die Figuren I (a bis 1) und die Tabelle geben die Ergebnisse wieder. Einer jeden bestimmten Wasserstoffperoxydlosung mit ver- schiedenen Zusatzmengen von Harnstoff entspricht eine der Figuren

') Tpnatar. Chem. Zentr. 1908, 11. 503. *) Fr. Bayer 6 Co., Ibid. 1918, 11. 209. O) Merck. Ibid. 1918, 1. 497; 1921, 11. 788.

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T a be 11 e. Sgttigungstemperaturen im System Wasserstoffperoxyd-Harnstoff-Wasser.

Gewichts- prozente

Harnstoff.

10 20 30 40 50 60

5.0 10.0 15.0 20.0 25.0 30.8 33.7 37.7 43.3

3 OIo

OC. - 5 - 6.5 - 9.7 - 0.8 4- 16.5 + 35.0

__- __-

36.0 '10

- 1.0 + 12.0 + 20.0 + 34.5 + 38.5

+ 25.0 + 30.5 + 36.0 + 40.5

30

20

f 0

0

- 70

SO

1 0

90

Sgttigungstemperaturen der Losungen.

6 ' l o

OC. - 6.0 - 7.5 - 7.3 - 2.3 + 15.0 + 35.0 47.7 O j o

+ 0.0 15.0 + 25.0

$- EO"

10 010

OC. - 8.0 - 2.0 + 3.3 + 5.5 + 34.5 59.9 OJ0

+ 2.0 + 11.0

+ 14.0

* f3:Z -

15 ' 10

OC. - 3.0

$1::: + 13.5 f 15.2 f 32.0

79.1 o/o

+ 12.5 - 8.0

$2:; 4-47.5

20 OIO

OC. t 122:; $ ;;:: + 22.5 + 31.5 91.8 O/o

- 20.0

+ 31.5 $2;::

+ 45.5

30 oio

OC. + 7.0 + 20.3 + 27.5 + 32.0

Fig. 1.

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a bis 1. Die Ordinate der graphischen Darstellung ist die Sattigungs- temperatur und die Abszisse der Gehalt an Harnstoff in Gewichts- prozenten. Die auftretenden Bodenkorper sind verschieden. Bei Fig. l a (3 % H202-Losung) ist bei sinkender Temperatur zunachst Eis Bodenkorper, dann Harnstoff; bei Figur b zuerst Eis, alsdann langs der gekriimmten Linie die Doppelverbindung, darauf wieder Harn- stoff. Das Temperaturgebiet, in welchem CO( NH2)2 . H202 aus- kristallisiert, wird fur die folgenden Versuchsangaben von c bis 1 bei wachsender Konzentration an H202 immer grosser, Harnstoff tritt in den Mischungen von f an nicht mehr als Bodenkorper auf. Die Sat- tigungstemperaturen konnten nur bis ca. + 40" aufgenommen werden, da bei hoheren Temperaturen beim Lijsen Zersetzung eintrat.

.

Das Zustandsdiagramrn. Aus den erhaltenen Versuchsdaten lasst sich das Gleichgewichts-

diagramm des ternaren Systems im Dreieck ableiten, Die von der Spitze

Fig. 2.

des Dreieckes gezogenen Geraden a bis 1 enthalten die Versuchsdaten der Figur 1. In der Figur 2 sind die Loslichkeitsisothermen von -10". * Oo, + 10". + 20°, + 30" und 40" eingezeichnet. Auf der Seite Wasser-Harnstoff tritt eine geradlinig verlaufende eutektische

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Kurve auf, welche die Gebiete Harnstoff-Harnstoffwasserstoffperoxyd von einander trennt. Der Grenzpunkt auf der Seite Harnstoff- Wasserstoffsuperoxyd lasst sich zu 15 % H,Oz extrapolieren mit einer Temperatur von 52". In ihrem weiteren Verlaufe gruppieren sich die Kurven konzentrisch um den Punkt, auf dem bei 63,82 % Harnstoff und 36,18 G/o H,Oz die Verbindung CO(NH2) , . H202 liegt. Die Isothermen fur Temperaturen oberhalb + 40" wurden unter Benutzung des Schmelzpunktes der Doppelverbindung extrapoliert. Die Figur 3 zeigt die Schmelzpunkte auf den von der Doppelverbindung 'ausgehenden Linien 2 H 2 0 . H,O, - CO( NH2)2 . H 2 0 z ,

H,Oz - C O ( N H 2 ) , . H 2 0 2 und H 2 0 - CO(NH2)z . H202 im Dreieck. Als Ordinate ist die Temperatur, als Abszisse sind die Gewichtsprozente Harnstoff angegeben.

Fig. 3.

Bei der Bestimmung des Schmelzpunktes von CO(NH,), . HzOz wurde bei 8 1 O ein Zusammensintern des trockenen Salzes und bei 82.3" Zersetzung unter starker Sauerstof fentwicklung beobachtet. Die Bestimmung des Schmelzpunktes ist unsicher, da vielleicht bei hoherer Temperatur schon vor dem Schmelzen ein Verlust an H202 und somit teilweise Zersetzung des Salzes stattgefunden hat. Das vollstan- dige Zustandsbild des ternaren System H,0-H202 - CO( NH2)Z zerlegt sich in drei Teile mit je einem ternaren Eutektikum. Das grosste Gebiet in der bildlichen Darstellung hat die Doppelverbin- dung CO( NH,), . Hz02, das kleinste die Verbindung 2 H,O .HzOz. In den experimentell gefundenen Kurven kommt ihre Existenz infolge ihres tiefen Schmelzpunktes (-51 " ) nicht mehr zum Ausdruck.

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Andere Verbindungen treten in dem ternaren System nicht auf. Die Gebiete fur Harnstoff, Wasser und Wasserstoffperoxyd sind unter sich und von den beiden Verbindungen CO(NH2)2 .H202 und 2 H 2 0 . H202 durch eutektische Kurven getrennt. Die Verbindung CO( NH,), . H z 0 2 bildet mit Harnstoff und 2 H 2 0 . H 2 0 2 je ein binares Eutektikum.

Zusammen fassung.

Durch Loslichkeitsuntersuchungen wurde ein vollstandiges Zu- standsbild des ternaren Systems H 2 0 - H202 - CO(NH2)a ge- funden. Es bilden sich zwei Verbindungen 2 H 2 0 . H202 und CO( NH2)2 . H202. Das System zerlegt sich in drei ternare Systeme mit je einem Eutektikum.

Bei den Versuchen, die im Forschungslaboratorium Oppau der J. G. Farbenindustrie, ausgefuhrt wurden, unterstutzte mich Herr Dr. Klippel.

( R e p le 28 decembre 1931).