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- Z. Tierpsychol., 47,268-280 (1978) @ 1978 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg ISSN 0044-3573 / ASTM-Coden: ZETIAG Aus dem Institut fur Biologie 111, Lehrstuhl Zoophysiologie, Abteilung Physiologische Cjkologie der Universitat Tiibingen Das Verhalten der Groi3en Hufeisennase (Rhinolophtls ferrtlm-equintlm) bei einer Flugdressur Von ERWIN KULZER und HEINZ WEIGOLD Mit 9 Abbildungen Eingegangen am 15.11.1977 Angenommen am 21.2.1978 Abstract The flight patterns of a group of trained horseshoe bats are described. The wing-beat cycle and the landing manoeuvres were analysed from a film with 200 framesfs. Marking the bats showed that the numbers and sequences of orientation flights and landings were individually different. During the feeding period the bats were aggressive. A hicrarchy among them was noticed. During the resting period the horseshoe bats roosted in contact with each other. Einleitung und Fragestellung Ober den Flug der Chiropteren gibt es eine Reihe eingehender Unter- suchungen, die jedoch in erster Linie anatomisch-physiologische Details behan- deln (Zusammenfassungen EISENTRAUT 1936; FELTEN 1960; VAUGHAN 1970 a, b; KOPKA 1973). Ober das Verhalten der Fledermause im Flug liegen dagegen nur wenige Beobachtungen vor. EISENTRAUT (1936) untersuchte erstmals die Flugtechnik und das Flugverhalten der mitteleuropaischen Arten. Ober ein kompliziertes Lande- und Abflugmanover dressierter Hufeisennasen berichtete MOHRES (1953). Durch Filmaufnahmen gelang es NORBERG (1976a, b), die Flugmanover des Abendseglers (Nyctalus noctula), der Bulldogfledermaus (Otomops martiensseni) und der Langohrfledermaus (Plecotus auritus) zu ana- lysieren. Bei der bluten besuchenden Fledermaus Gfossophaga soricina konnten D. und 0. v. HELVERSEN (1975) den ,,kolibrihaften" Flug mit hoher Film- geschwindigkeit darstellen. Eine besonders eindrucksvolle Analyse der Jagd- fliige nach Insekten gelang WEBSTER und GRIFFIN (1962). In der vorliegenden Arbeit untersuchten wir das Flugverhalten einer Gruppe von GroDen Hufeiseiinasen und wahlten dazu den Weg der Flug- dressur (MOHRES 1951). Es gelang, die tagliche Flugaktivitat auf eine sehr kurze Zeitspanne einzuschranken und alle damit im 2usammenhang.xehenden Verhaltensweisen zu erfnssen. Die Markierung der Flederniause ermoglichte es, U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0044-3573/78/4703-0268$02.50/0

Das Verhalten der Großen Hufeisennase (Rhinolophus ferrum-equinum) bei einer Flugdressur

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- Z. Tierpsychol., 47,268-280 (1978) @ 1978 Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg ISSN 0044-3573 / ASTM-Coden: ZETIAG

Aus dem Institut fur Biologie 111, Lehrstuhl Zoophysiologie, Abteilung Physiologische Cjkologie der Universitat Tiibingen

Das Verhalten der Groi3en Hufeisennase (Rhinolophtls ferrtlm-equintlm) bei einer Flugdressur

Von ERWIN KULZER und HEINZ WEIGOLD

Mit 9 Abbildungen

Eingegangen am 15.11.1977

Angenommen am 21.2 .1978

Abstract

The flight patterns of a group of trained horseshoe bats are described. The wing-beat cycle and the landing manoeuvres were analysed from a film with 200 framesfs. Marking the bats showed that the numbers and sequences of orientation flights and landings were individually different. During the feeding period the bats were aggressive. A hicrarchy among them was noticed. During the resting period the horseshoe bats roosted in contact with each other.

Einleitung und Fragestellung

Ober den Flug der Chiropteren gibt es eine Reihe eingehender Unter- suchungen, die jedoch in erster Linie anatomisch-physiologische Details behan- deln (Zusammenfassungen EISENTRAUT 1936; FELTEN 1960; VAUGHAN 1970 a, b; KOPKA 1973). Ober das Verhalten der Fledermause im Flug liegen dagegen nur wenige Beobachtungen vor. EISENTRAUT (1936) untersuchte erstmals die Flugtechnik und das Flugverhalten der mitteleuropaischen Arten. Ober ein kompliziertes Lande- und Abflugmanover dressierter Hufeisennasen berichtete MOHRES (1953). Durch Filmaufnahmen gelang es NORBERG (1976a, b), die Flugmanover des Abendseglers (Nyctalus noctula), der Bulldogfledermaus (Otomops martiensseni) und der Langohrfledermaus (Plecotus auritus) zu ana- lysieren. Bei der bluten besuchenden Fledermaus Gfossophaga soricina konnten D. und 0. v. HELVERSEN (1975) den ,,kolibrihaften" Flug mit hoher Film- geschwindigkeit darstellen. Eine besonders eindrucksvolle Analyse der Jagd- fliige nach Insekten gelang WEBSTER und GRIFFIN (1962).

In der vorliegenden Arbeit untersuchten wir das Flugverhalten einer Gruppe von GroDen Hufeiseiinasen und wahlten dazu den Weg der Flug- dressur (MOHRES 1951). Es gelang, die tagliche Flugaktivitat auf eine sehr kurze Zeitspanne einzuschranken und alle damit im 2usammenhang.xehenden Verhaltensweisen zu erfnssen. Die Markierung der Flederniause ermoglichte es,

U.S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0044-3573/78/4703-0268$02.50/0

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Das Verhalten der Groflen Hufeisennase bei eincr Flugdressur 269

auch individuelle Flugmuster zu unterscheiden und aggressive Verhaltensweisen aufzuzeichnen. Die Untersuchung erfolgte zusammen mit der Herstellung eines Schulfilmes uber ,,Flug und Orientierung der Fledermause"').

Versuchstiere und Methoden

Als Versuchstiere dienten 5 GroRe Hufeisennasen (99), die im Herbst 1975 in einer Hohle im Franzosischen Jura gefangen wurden. Nachdem sie im Labor gelernt hatten, Mehl- kaferlarven als Nahrung von der Pinzette zu nehmen, brachten wir sie in einen Flugraum (6 X 6 X 2 ni), in dem sie sich frei bewegen konnten. Die Umgebungstemperatur betrug 2 3 O f 2 OC; die Lichtbedingungen entsprachcn dem Naturtag. Schon nach wenigen Tagen be- vorzugten die Fledermause einen bestimmten Schlafplatz; eine Schale mit Trinkwasser stand stets zur Verfugung. Die Tiere wurden taglich von H a n d gefuttert. Auf ein akustisches Signal flogen sic zu der futternden Person und landeten an deren Hand. Hier schnappten sic nach den entgegengehaltenen Mehlkaferlarven. Im Verlaufe der Untersuchung wurden die Fleder- mause einmal mit einem Schmetterlingsnctz eingefangen und mit roter Farbe individuell mar- kiert. Die Hal tung entsprach weitgehend den naturlichen Bedingungen in einem Sommer- quartier (ohne die grogen Temperaturgegensatze); der Unterschied bestand vor allem in der kurzen Futtcrungsperiode, die den abendlichen Ausflug ersetzen sollte.

Nach dem AbschluR der Filmaufnahmen (Locam-Kamera, Bildgeschwindigkeit 2OO/s, digital einstellbar, vom Werk geeicht) waren die dressierten Fledermause optimal fur eine Untersuchung des Flugverhaltens geeignet. Durch zahlreiche Einzelaufnahmen (Rolleicord, Mecablitz 218, L 27) konnten wir die aus deni 16-nini-Film erhaltenen Bilder erganzen.

Die Futterung mit Mehlkaferlarven ad lib. ergab eine durchschnittliche Flugaktivitat (entsprechend der Sattigung der Tiere) von 30 min. Durch Beobachtung und Tonbandproto- kolle wurde ein Verhaltensinventar "ber die kurze Aktivitatsphase erstellt. Die Registrierung der Ortungslaute erfolgte uber ein Koqdensatormikrophon auf ein Tonbandgerat (Tape Re- corder 6000/673, Lennartz-Electronic, Tubingen). Weitere Einzelheiten werden an betreffender Srelle angefuhrt.

Verhalten vor der Fiitterung

Die tagsuber ungestorten Fledermause halten untereinander engen Korper- kontakt. Ihr Schlaf ist in der Regel so tief, dai3 sie auf das Betreten des Raumes hin ihre typische Stellung noch nicht andern. Auf das Futtersignal reagieren sie niit einem lebhaften Spiel der Ohren; sie kundigen dadurch ihr Erwachen an.

Innerhalb von 5 min setzen sich die Tiere durch Hangeln an der Decke voneinander ab und fiihren die ersten Peilbewegungen durch (Ohrspiel und Drehbewegungen urn die Korperlangsachse). Anschliei3end bereiten sie sich mit einern ausgepriigten Korperpfiegeverhalten auf die Flugaktivitat vor.

Schon wahrend des Auseinanderriickens gahnen die Fledermause mit weit aufgesperrtetn Maul; sie spreizen die Unterarme und strecken den Rumpf. Es folgt eine Reihe von typischen Putzbewegungen. Dazu schlagen die Tiere eines der Beine ventralwarts um und durchkammen mit den Fuf3krallen die ver- schiedenen Fellbereiche. Bereits nach einigen s wird das Kammen wieder unter- brochen, der Fui3 zum Maul gefuhrt und intensiv rnit den Zahnen bearbeitet. Sofort danach beginnt eine neue Putzperiode. Die oft nur wenige s dauernden Putzhandlungen konnen sich bis zu lOmal wiederholen. Der Wechsel der Korperseite ist rnit einem Wechsel des zur Aufhangung dienenden Beines ver- bunden. Um die untere Riickenseite zu erreichen, wird ein Bein dorsalwarts gelegt und dann im Knie und Fuflgelenk nochmals eingewinkelt. In die Schul- terregion greift die Fledermaus mit einem Bein unter dem Fliigel hindurch. Nach einer Serie von Kammbewegungen werden die Flughaute, incbesondere die Handgelenke, beleckt. Kurz vor dem Abflug strecken die Tiere ihre Fliigel erst horizontal und d a m dorsad (V-Stellung). Damit sind sie abflugbereit. Die

1) Fur die Filniaufnahmen danken wir Herrn Kurt HIRSCHEL, Kornwestheim; fur die Uberlassung eines grogen Teils des Filmmaterials danken wir dern Klett-Verlag, Stuttgart.

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ersten Fliige dienen nur der Ovientierung; die Fledermause landen dabei noch haufig nebeneinander und reagieren dann sofort aggressiv. Korperkontakte werden von diesem Augenblick an nicht mehr geduldet. Die Zeitspanne, die zur Vorbereitung der Fliige benotigt wird, betragt oft bis zu 10 min; sie hangt von der Tageszeit ab.

Horizontaler Geradeausflug und Wendung

D e r Film zeigt die fliegende Hufeisennase aus zwei Richtungen, frontal und von der Seite, sowie ein vollstandiges Wendernanover. Da die Bildqualitft des 16-mm-Films trot2 der hohen Aufnahmegeschwindigkeit von 200 Bilderds fur starke VergroBerungen nicht ausreicht, versuchten wir durch Einzelaufnahmen die jeweiligen Flugelstellungen genauer zu erfassen. Sie wurden bei der Darstellung der Flugelschlagperiode mit herangezogen. In den Abb. 1 und 2 sind die wichtigsten Einzelbilder aus dem Film dargestellr. In Abb.3 wurden danach die Einzelaufnahmen geordnet.

Zu Beginn des Abschlages stehen die Fliigel in V-Stellung nach oben und nach hinten gerichtet (hinter den Korperschwerpunkt) und sind voll aus- gestreckt. Es folgt ein sehr schneller Abschlag von oben hinten nach vorne unten, so dai3 die Fliigelspitze weit vor die Nase gelangt (Abb. 1 d). Bis zu dieser Stellung bleiben die Flughaute voll entfaltet; durch ihren groi3en Wider- stand sind sie wie ein Segel nach hinten oben geblaht. Im Film entfallen jeweils die ersten 14-1 7 Bilder einer Fliigelschlagperiode auf den Abschlag (70-85 ms). Er bringt der Fledermaus im wesentlichen den H u b und den Vortrieb.

Abb. 1 ; Flugelstellungen wahrend einer Schlagperiode (nach 25 Filmbildern gezeichnet); (a) Beginn des Abschlages, (y.-f) Riidcschlag nach oben und nach riickwarts, (untxn) Flugel- schlagzyklus bei einem Wendemanover nach Filmbildern gezeichnet; das Tier ist von hinten

zu sehen. (a) Abschlagfolge, (b) Riickschlagfolge erneute Streckung

(b-d) der Flugel wird nach vorne und abwarts gefuhrt, (g) Flughaute erneut entfaltet.

Ausgangsposition fur den Riickschlag ist eine weitgehende Parallelstellung der Fliigel vor der Kopfregion. Die Filmbilder 15-18 (innerhalb der Schlag- periode) lassen eine Flexion des Unterarms und der Finger erkennen. Dabei zeigt ein Teil der Fliigeloberseite nach abwarts, so dai3 zu Beginn des Riick- schlages nochmals etwas H u b erzeugt wird. Auf den nachfolgenden Filmbildern (19-22) ist der Unterarm steil aufgerichtet und weit iiber den Kopf hoch- gefiihrt (Abb. 1 f). Der Handflugel offnet sich daraufhin wieder und geht in

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Das Vcrhaltcn dcr GroBen Hufeisennase bei ciner Flugdressur 271

Abb. 2: kung,

Fliigclstellungcn (fast frontal) nach 26 Filrnbildern; (a-c) Riickschlag rnit Strck- (f-i) Abschlag von hinten oben nach vorne unten, (d-e) vollstiindigc Entfaltung,

(k) Bcginn cines neuen Riickschlages

O M

die neue Abschlagposition uber. Beide Bewegun- gen, Abschlag und Ruckschlag, gehen ,,weich" in- einander uber. Die Amplitude des Abschlages kann 95' erreichen. Aus 1 3 Schlagperioden ergibt sich ein Mittelwert von 25,6 k 0,7 (S.D.) Bildern (= 128 ms) pro Schlagperiode. Das zeitliche Ver- haltnis Abschlag : Ruckschlag betragt dabei 1,6:1.

Start und Landung

Der Abflug ist in den meisten Fallen ein ,,Sturzflug", der mit halb ausgebreiteten Flugeln beginnt und in etwa 1 m Hohe uber dem Boden abgefangeii wird. In annahernd horizontaler Richtung fliegen die Tiere zur Hand; sie richten dabei ihr Gesicht deutlich auf den Landepunkt

Abb. 3: Fliigelstcllungcn (von dorsal) nach Einzelfotos bcim Durchflicgen eincs Turrahmens. (a-d) Abschlag, (e bis g) Einfaltcn und Hochfiihren der Fliigel wahrend des

Riickschlages

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bzw. auf die Pinzette. Noch kurz von der Hand zeigt die Korperlangsachse schrag aufwarts, die Bauchseite entsprechend vorwarts und abwarts. Die Fledermause landen dann besonders sicher, wenn sie unmittelbar vor der Hand noch einen steilen Aufstieg ausfuhren konnen. 1st dies nicht moglich (2. B. durch zu hohen Anflug), so wenden sie fast auf der Stelle und beginnen mit einem neuen Anflug.

Abb. 4 : Landemanover nach 94 Filmbildern; Kopfstand und Zufassen des ersten FuRes,

(a-d) Anflug, Rollbewegung nach rechts mit (e-i) Abfangen des Landeschwunges und Zu-

fassen des zweiten FuBes; vgl. Text

Ein Beispiel (Abb. 4a-e): Das Landemanover beginnt rnit einer Neigung der Korper- Iangsachse. Die Bauchseite weist dabei senkrecht nach unten (a). Sobald die Fledermaus die horizontale Lage erreicht hat, dreht sic sich um ihre Langsachse (b), so daR ihr Bauch jetzt zur Seite (aus der Bildebene heraus) weist. Im gleichen Augenblick wird der linke FuB nach oben und der linke Flugel in einem Bogen dorsalwarts gefiihrt. Dies ist der Beginn einer voll- standigen Drehung urn die Langsachse. Der zweite FUR folgt der Wendung nach aufwarts und nach vorwarts. In den folgenden Bildern (c-d) richtet sich der Korper fast bis zu eineni Kopfstand auf; der steil gestellte FuB gelangt dabei noch weiter nach vorne, wahrend der durch den Korper verdeckte Flugel nach hinten und nach abwarts gefuhrt wird. D e r bcim Anflug nach rechts weisende Flugel gelangt im Bild nach vorne. Der Rumpf fiihrt die nach rechts laufende Rollbewegung weiter, so dafi die Bauchseite nach vorne zeigt (d). Das Gesicht der Hufeisennase ist auf die Fingerspitze gerichtet; ihre Ruckenseite weist nach abwarts. Bei der Landung fal3t zuerst der vorgestreckte FUR zwischen den beiden Fingern zu. Beide Fliigei sind dabei weit ausgebreitet. Gegeniiber der Anflugposlrion sind die Korperseiten jetzt voll- standig vertauscht, was einer Korperdrehung um die Langsachse von 180° entspricht. Die folgenden Bilder (e-i) zeigen das Ende des Landemanovers: Der Schwung ist zunachst so groR, daR der noch Freie FUR zu weit nach vorne greift (e); beim folgenden Abschlag der Flugel wird er wieder nach ruckwarts gefiihrt und bekommt dann den Finger zu fassen (g). Mit gespreizten Fliigeln fangr die Flcdermaus den Landeschwung ab, bis die Korperachse senkrecht steht. Es beginnt eine rasche Flexion der H a n d ; die Flugmembran wird eingefaltet und die Bauchseite direkt gegen die H a n d gerichtet.

Die Filmaufnahmen ergeben folgende Zeitverhaltnisse: Nach der letzten Flugelschlagperiode vor der Landung (26 Bilder) folgen weitere 17 Bilder bis zum ersten Fuflkontakt. Die Korperdrehung um die Langsachse und die Auf- richtung dauern somit 83 ms. Der game Vorgang erfolgt so schnell, dai3 er nur andeutungsweise mit dem Auge zu verfolgen ist. Nach weiteren 5 Bildern (25 ms) erlangt auch der zweite Fufl Halt . Der gesamte Landevorgang bis zur

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Das Verhalten dcr GroBen Hufcisennase bei einer Flugdressur 2 73

Einnahnie der normalen Hingestellung ist auf 94 Bildern (470 ms) aufgezeich- net. Das Landemanover ist somit eine Rollbewegung um die Korperlangsachse, die dabei selbst noch uni etwa 135' von unten nach oben aufgerichtet wird.

Individuelle Landemuster Es fie1 auf, daB die cinzclncn Ticrc nach Ertoncn dcs Futtersignals zu ganz unterschied-

lichcn Zcitcn anflogcn. Wir habcn die Flcdermiuse deshalb mit cincni Schmctterlingsnetz cin- gcfangcn und niit rotcm Farbstoff an verschicdcnen Korpcrstcllen markicrt. U m das indivi- ducllc Landcmustcr zu ermitreln, habcn wir allc Landungcn in Zcitabstanden von je 5 min rcgistricrr; Furter wurdc jewcils 30 min angcborcn (cntspricht der Fiitterung ad lib.). Wiihrcnd dicser Bcobachtung verungluckrcn zwei dcr Ticrc, so daR grofitentcils das Vcrhaltcn dreier Hufciscnnascn aufgczcichnet wurdc.

An 19 aufeinanderfolgenden Tagen landeten die drei Fledermause 1369- ma1 an der Hand. Die Landungen verteilen sich wie folgt: Tier W: 521, Tier R: 421, Tier A: 427. Die durchschnittliche Zahl der Landungen pro Futterung betrigt 72 * 23 (S.D.); dies entspricht einer Nahrungsaufnahme von 20-25 Mehlkaferlarven je Fledermaus. In Abb. 5 sind die 1369 Landungen indivi- duel1 und in der zeitlichen Folge von je 5 min dargestellt. Die Gesamtzahl der Landungen liegt bei den einzelnen Tieren in der gleichen Groflenordnung. Individuelle Unterschiede entstehen dadurch, daR die Fledermause nicht bei jeder Landung eine Mehlkaferlarve schnappen, andererseits aber auch 3-4 Larven bei einer einzigen Landung aufnehnien.

Ein deutlicher Unterschied zeigt sich in der zeitlichen Folge der Landun- gen: Das Tier W fliegt in der Regel schon wenige Minuten nach dem Futter- signal. Innerhalb von 10 min erreicht diese Fledermaus die Hochstzahl ihrer Landungen. Anschlieflend flaut ihre Flugaktivitat bereits wieder ab.

Die Flederniaus R steigert die Zahl ihrer Landungen zwischen der 5.- 10. min. In der zweiten Halfte der Futterungsperiode nimmt die Zahl bereits wieder langsam ab, so dai3 die Landungen etwa gleichniaflig um die Mitte der Futterungszeit verteilt sind. Die Fledermaus A benotigt die weitaus langste VorbereiLngszeit; sie fliegt oftmals i n den ersten 10 min iiberhaupt nicht. Die hochste Zahl ihrer Lan- dungen liegt in der zweiten Halfte der Futterungszeit, wenn die beiden anderen Tiere ihre Flugaktivitat schon wieder langsam vermindern. Die Landemuster der drei Hufeisen- nasen lassen sich gut voneinander unterscheiden. 1 oc

15(

5c

Abb.s: Zeitlichc Folge der Landung von 3 Hufcisennasen (W, R, A) in jeweils 30 niin. Die Siulen bcdcutcn die Anzahl dcr Landungcn in jewcils 5 min, die Ziffcrn dariibcr die Gesamtzahl der Landungen

dcr Einzeltiere (s. Text)

Z. Tierpsychol., Ed. 47, Heft 3

-andungen n

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1 i min 3.0

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2 74 E R W I N KULZER und HEINZ WEICOLD

Individuelle Anflugmuster

Beim Vergleich der Anflugmuster fallen neben den zeitlichen Unter- schieden auch quulitutive Unterschiede im Flugstil auf. Ein Beispiel zeigt diese Verhaltnisse:

Die Fledermaus W startet Lcreits 2 niin nach dem Futtersignal. Tnnerhnlb dcr ersten 5 min fliegt sie 39mal vergeblich an und lander IOnial; in den folgenden 10 min sinkr die Zahl der Anfluge auf 8, die der Landungen hetr igt wieder 10. Zwischen det 10.--15.min entfallen auf 3 Anfluge noch 7 Landungen. Die Flugaktivitit I i R t dann rasch nadl. ighnlich verhalt sich das Tier A, aber mit einer erheblichen zeitlichen Verschiebung: Erst nach 5 min bcginnt es mit den Orientierungsflugen und erreicht den Hohepunkt der Flugaktivitit zwischen der 10.-15.min mit 39 Anflugen und 8 Landungen. Das Verhiltnis verschiebt sich gegen Ende der Futterung. Vollig anders ist das Anflugmuster der Fledermaus R: 5 min nach dcm Futtersignal erfolgen dic Anfluge rasch nacheinander. Kennzeichnend ist bei dicsem Tier abcr fur jeden Anflug auch ein Riickflug zum Startplatz. Das Anflugmuster hesteht somit nur aus Einzelflugen. Im Gegensatz dazu fliegen die beiden anderen Fledermiiuse in einem Zug stets mehrere Schleifen; sie kreisen bis zu 16ma1, ehe eine sichere Landung erfolgt. Fur die Fleder- maus R ist die Situation nach 10 tnin Orientierung so klar, daR die Landungen nun zahlreich im Sturzflug und direkt erfolgen. AnschlieRend kehrt sie immer wieder an den Startplatz zuruck.

Die Anflugmuster der drei Flederrname sind so typisch, d a 8 man die Tiere daran auch individuell gut unterscheiden kann. Die relativ groi3e Zahl von Direktlandungen bei W und R (im Vergleich zu A) zeigt, d a 8 beide mit der Landesituation rascher vertraut werden. In der Regel gelingen dem Tier A Direktlandungen erst gegen Ende der Futterung. Bei W und R erfolgen die ersten Direktlandungen dagegen schon zwischen der 10.--15. min.

Die Anflugwege

Wfhrcnd der ganzen Untersuchung haben die Flederniause bestimmte Start- und Lande- platzc bevorzugt. Als wir die Tiere markierten, stell tcn wir fest, daR diese Punktc inlmer wieder von den gleichen Individuen angeflogen wurden. In der Abb.6 sind sic mit Ziffern und mit S hezeichnet. 1 - liegt in der augersten linken Ecke des Flugraumes, 2 - in der Mitte und 3 - etwa 1,5 m vor der futrernden Person. Futter wurde stets an dcr gleichen Stelle gereicht. Es gelang, drei typische Anflugwege aufzuzeichnen.

Von Punkt 1 aus erfolgen nahezu alle Anfliige der Fledermaus A. Von hier aus fliegt das Tier zunachst geradlinig zur Hand; unmittelbar davor (1 m Hohe) wendet es blitzschnell und fliegt in einer groi3en Schleife rechts aui3er- halb des Turrahmens wieder in Richtung nach 1 zuriick. Hier kehrt es auf einer Kreisbahn um und fliegt erneut auf die Hand ZU, diesmal aber durch den Tiirrahmen hindurch. Unmittelbar vor der Hand zieht es steil hoch und wendet wiederum. Zu Beginn der Futterversuche fliegt das Tier diese Route bis zu 15mal nacheinander, ehe es an der Hand landet. Erst nach etwa 10 weiteren Landungen wird die Hufeisennase so ,,sicher", d a 8 schon 2-3 Flugschleifen fur eine Landung genugen. Gegen Ende der Futterung landet sie schliei3lich auch ohne vorherigen Orientierungsanflug. Mit einer Mehlkaferlarve im Maul fliegt sie sofort Zuni Standpunkt 1 zuriick. Die groi3e nievenfovrnige Flug- schleife ist fiir diese Fledermaus so tvpisch, dafi man sie - auch wenn andere gleichzeitig fliegen - sicher daran erkennt.

Die Fledermaus R beniitzt fur Start und Landung ausschliefllich den Punkt 2. Sie startet von hier aus senkrecht abwiirts, fangt den S t u n in etwa 1 m Hohe ab und fliegt sodann direkt zur Hand. Solange es sich dabei um Orientierungsfliige handelt, niacht sie vor der H a n d wieder kehrt, fliegt gegen die Mitte des Raurnes zuriick und anschliei3end nahezu senkrecht zu Punkt 2 hoch. Oftmals fliegt sie noch iiber die Mitte hinaus, zieht bei Punkt 1 hoch

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Das Verhnlten der Grofien Hufeisennase bei einer Flugdressur 275

(landet hier aber nicht) und erreicht dann niit einem kurzen horizontalen FIug unter der Decke den Punkt 2. Ihre Anfluge lassen sich am besten als ,,Sturz- fliige" kennzeichnen. Keines der beiden anderen Tiere fliegt in der gleichen Weise. Auch die Fledermaus R benotigt vor der ersten Landung eine Anzahl (bis zu 10) von Orieiitierungsflugen. Nach 5-6 Landungen genugt in der Regel ein Anflug.

I n '1

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/I 1 ?. '2 '3

Abb.6: Anflugwege der 3 Hufcisennasen (W, R, A); 1, 2, 3 und S sind Lande- und Star t - pl l tze wlhrend der Futterung, F = Futterplarz; gestrichelt sind die typischen Flugbahnen.

I n der Mitte des Raurnes stand ein Turralirnen fur Hindcrnisversuche

Das Versuchstier W zeigt keine so strenge Ortsbindung wie die beiden anderen. Es bevorzugt entweder Punkt 3 oder die Position S (30 cm von P u n k t 2). Es behiilt jedoch wiederum einen so typischen Anflugweg bei, dai3 es auch ohne Farbrnarkierung daran sicher zu erkennen ist. Die Hufeisennase lafit sich an den Startpunkten fast senkrecht fallen, fliegt sodann geradlinig und wieder steil aufwarts zur Hand. Ehe sie landet, zieht sie noch eine Reihe von Orientierungsschleifen: Nach der Kehrtwendung vor der Hand fuhrt ihr Weg rechts am Rahmen vorbei in eine breite Kreisbahn und wieder zuruck zur Hand (Flughohe ca. 30 cm). Die Flugroute ist so konstant, dai3 man die Fleder-

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maus an jeder Stelle ,,erwarten" kann. Verschiedentlich mii3gliickt auch die Landung. Mit einer kleinen Schleife von nur 20-30 cm Durchmesser wendet die Fledermaus d a m fast unmittelbar vor der Hand (um 180') und setzt erneut zur Landung an. Die Kehrtwendung vor der Hand ist eines der ein- drucksvollsten Flugman6ver. Es ist entweder ein verkapptes Landemanover (Rollbewegung) oder ein Kreisflug auf der Stelle.

Wir haben die typischen Flugwege 10 Monate lang kontrolliert; sie wer- den mit groi3er Konstanz beibehalten, so dai3 man an einen ,,Blindflug" oder eine Ortsdressur denken konnte. U m dies zu priifen, registrierten wir in un- regeImai3igen Abstiinden in den jeweiligen Flugbahnen die Ortungslaute der Hufeisennasen. Das Miltrophon wurde dazu entweder unmittelbar vor die Hand oder direkt in die Anflugbahn gestellt. In Abb. 7 ist die Lautfolge bei 5 Anfliigen (Tier A) als Beispiel dargestellt. Alle Aufzeichnungen zeigen bei jedem Anflug die fur Rhinolophiden typischen Anderungen in der Wiederhol- rate und der Zeitdauer der Einzellaute. Die Fledermause unterziehen somit den Landeplatz und die entgegengehaltene Nahrung bei jedem Anflug einer genauen akustischen Priifung.

P . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abb. 7: Ortungslaute der Hufeisennase A bei 5 Anflugen (Zeitrnarke 50 Hz);

Verkiirzung und rasche Wiederholung der Laure zeigen jeweils die Anniiherung an die H a n d

Tab. 1: Aggressive Verhalrensweisen und Landungen von drei Hufeisennasen irn Verlaufe von 10 Futterungen

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Das Verhalten d t ~ Grolien Hufeisennase bei einer Flugdressur 277

Aggressives Verhalten

Auseitiandersetzungcti unter den Hufeisennasen gibt es in drei Situatio- nen: An den Startplatzen, vor oder an der Hand und wahrend der Anfluge. In Tab. 1 sind alle aggressiven Handlungen von 10 Futterungsperioden (je 30 min) zusanimengefal3t und der entsprechendetl Zahl von Landungen gegen- ubergestellt .

Die i n der Tabelle angefuhrten 319 Angriffshandlungcti verteilen sich auf die einzelnen Tiere wie folgt: 169md greift die Fledermaus A das Tier W und 98mal das Tier R an; l l m a l wendet sich R gegeii A, 32mal R gegen W, 8mal W gegen R und nur einnial W gegen A. In 267 Fallen (83 %) greift die Fle- dermaus A 311. Auf das Tier R entfallen 13,s % und auf W 2,8 % aller aggressiveti Handlungen wihrend der 10 Versuchstage. Verfolgungs- jagden gibt es bereits vor Beginn der Futterung und auch an Tagen, an denen die Tiere gar keine Nahrung zu sich nehmen. Die Ursache kann also tiicht allein der ,,Futtetneid" sein.

Die am Star t - oder Lande- platz kfmpfenden Hufeisennasen sprcizen ihre Untcrarme und sper- rcn das Maul auf (ohne horbare LautiiuRcrungen). In hochster Er- regung schlagen sic mit den Fliigeln aufcinander ein. Der Kampf dau- er t ineist nur wenige s. Niemals verlctzen sich die Tiere. Flugel- spreizen und Maulsperren haben deshalb wohl nur den Charakter von Drohgebarden.

Die meisten Angriffe im Flug fuhrt das Tier A gegen W und R aus. Der Start eines der beiden Tiere wirkt auf A sehr oft wie ein Signal zum

Abb.8: Angriffe: (a) die an der H a n d hangende Hufcisennase wehrt den Angriff ab - die an- greifende dreht ab ; (b) erneuter Angriff mit Landung an dcr H a n d ; ( c ) das an dcr H a n d hingcnde Tier startct - es flieht und beachtet das

Futrer nicht mehr

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278 ERWIN KULZER und HEINZ WEICOLD

Angriff. Es jagt im Flug hinterher und verhindert dadurch die Landung an der Hand. Vor der Hand kommt es auch zu einem Aufeinanderprallen. Die Aus- einandersetzungen sind zeitweilig so heftig, dai3 die normale Nahrungsauf- nahme nicht mehr moglich ist. Typische Angriffshandlungen zeigt Abb. 8.

Verhalten nach der Futterung Im letzten Drittel der Futterungsperiode Iai3t die Flugaktivitat nach. Die

Fledermause beginnen erneut mit Korperpfiege; besonders intensiv durchkam- men sie jetzt die Fellregion um den Kopf. Im Gegensatz zu der Korperpflege vor der Futterung dauert diese Phase jetzt nur wenige min. Die Tiere halteii dabei noch eine Distanz von 20-40 cm ein. Ein neuer Abschnitt des Ver- haltens beginnt mit der Suche nach Korperkontakt. Die Tiere nahern sich ein- ander durch ,,Hangeln" oder durch Kurzstreckenfluge. Das kontaktsuchende Tier beruhrt ein zweites mit der Nase und lost dadurch zuerst Abwehrverhal- ten aus. Nach wenigen s (evtl. Geruchskontrolle) wird der Kontakt geduldet und mehr und mehr vollzogen. Die Tiere hangen sich Bauch an Bauch, Rucken an Rucken oder mit den1 Bauch gegeii die Ruckseite des Partners. Vermutlicli steht das Kontaktverhalten im Dienst der Temperaturregulation. Von den1 Zeitpunkt der Kontaktaufnahme an gibt es keine Angriffe mehr. Die Ruhe- stellung wird innerhalb yon 10 min nach dem Ende der Fiitterung wieder erreicht.

Diskussion

Trotz zahlreicher Arbeiten uber das Ortungssystem der Hufeisennasen (Zusammenfassung SALES und PYE 1974) gibt es noch keine genauere Unter- suchung uber ihr Flugverhalten. VAUGHAN (1970 a) bezeichnet sie als ,,Fly- catcher Bats", die nicht stiindig im Flug jagen, sondern immer wieder mit grofier Geschicklichkeit Ruhepunkte aufsuchen. Von hier aus sturzen sie sich auch auf voruberfliegende Insekten (SHORTRIDGE 1934), oder sie lesen ihre Beutetiere vom Boden auf (SOUTHERN 1964). Die afrikanische Riesenhufeisen- nase (Rhinolophus hildebvandtii) durchfliegt Felsspalten von nur 20 cni Breite (KULZER 1959). Die australische Groi3blatt-Hufeisennase (Rhinolophus mega- p h y h ) fliegt senkrecht an Hohlenwiindeii hoch und wendet im Flug auf der Stelle (KULZER et al. 1970). Eine Voraussetzung fur derartig geschickte Flug- manover ist eine moglichst geringe Flugelbelastung. Sie betragt bei eineni unserer Versuchstiere 0,09 g/cm' (Korpergewicht 16,2 g; Spannweite 35 cm; Flugellange 15,5 cm; Flugelbreite am 5. Finger 7,2 cm).

Auch unter den Gefangenschaftsbedingungen unseres Flugraumes erweiseii sich die Hufeisennasen als hervorragende Flieger. Wie in den naturlicheii Tages- quartieren beharren sie auf ganz bestimmten Lande- und Startplatzen. Ihre ersten Abfluge haben stets den Charakter von Orientierurigsflugen, bei denen auch das Nahrungsangebot erkundet wird. Die Filmaufnahmen zeigen den fur viele insektenfressende Fledermause typischen Langsamfiug mit groi3en Mano- wierleistungen in alle Richtungen des Raumes (senkrechter Aufwartsflug, Wenden auf der Stelle, Durchfliegen von Gittern mit angezogenen Flugeln, Landungen). Der Ablauf der Flugelbewegung beim Geradeausflug entspricht weitgehend den bereits von EISENTRAUT (1936) dargestellten Bewegungen der Kleinen Hufeisennase (Rhinolophus hipposideros), er erfolgt jedoch noch lang- samer.

Ein Hochstmai3 an Koordination verschiedener Verhaltensweisen ist fur den ,,gezielten" Anflug zur Hand, die nachfolgende Landung und das gleich- zeitige Schnappen det Beute notwendig. Der Vorgang erfolgt so rasch, dai3 erst

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Das Vcrhaltcn der Grollcn Hufciscnnase bci cincr Flugdressur 2 79

die Filmaufnahnien Einzelheiten erkennen lassen. Aus ihnen und aus zahl- reichen Einzelbildern geht nicht nur der direkte AnAug auf das Beuteobjekt hervor, seine Position wird bereits niit in die anschliefiende Landung ein- bezogen. Noch mitten im Landemanover schnappt die Hufeisennase nach den1 Insekt (Abb. 9). Sie benotigt dazu nur selten die Hilfe ihrer Fliigel, wie dies auf den Bildern von WEBSTER und GRIFFIN (1962) bei den im Flug nach Insekten jagenden Hufeisennasen zu erkennen ist.

Abb. 9 : Ziclsichercs Zuschnappcn dcr gelnndeten (a) und dcr landcndcn Fledermaus (b)

Individuelle Unterschiede im Flugverhalten wurden nach Farbmarkierung der Tiere belegbar. Dabei zeigte sich nicht nur ein individuell unterschiedlicher Flugstil; die Hufeisennasen benutzen fur den Anflug zum Futterplatz auch deutlich unterscheidbare Wege und landeten dort in zeitlich verschiedener Reihenfolge. D a die Hufeisennasen - solange sie fliegen - aufeinander aggressiv antworten, konnten diese Verhaltensweisen auch unter Freilandbedin- gungen sinnvoll sein und die Konkurrenz an ergiebigen Futterplatzen mindern.

Zusamnienfassung

Das Flugverhalten einer Gruppe von Grofien Hufeisennasen (Rhinolophus feurum-equinum) wurde in einem Flugraum (6 X 6 X 2 m) untersucht. Sie lern- ten nach einem akustischen Signal an die Hand einer Person zu fliegen und dorl: ihr Futter (Mehlk2ferlarven) abzuholen. Wahrend einer Futterungs- periode (30 min) wurde ihr Flugverhalten tiiglich registriert.

Vor jeder Futterung zeigten die Tiere ein ausgepragtes Korperpflegever- halten. Durch Filmnufnahmen (200 Bilder/s) wurden die Fliigelbewegungen und das Landernanover registriert. Der Flugstil, die Anflugrouten zum Futter- platz und die zeitliche Folge der Anfliige waren individuell verschieden. Mah- rend der Flugaktivitat verhielten sich die Tiere aggressiv.

Summary

Behaviour of the Greater Horseshoe Bat (Rhinolophus ferrum-equinum) in Flight Training Experiments

The flight patterns of a group of horseshoe bats were investigated in the laboratory during short daily feeding periods. The bats were trained to take mealworms from forceps. To get them they had to land on the hand of a person. The bats were kept free i n a flight chamber (6 X 6 X 2 m).

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During the daily resting period the horseshoe bats roosted in contact with one another (sleeping group). Before flying they spaced themselves and showed typical comfort behaviour. From a 16 mm-film (200 frames/s) the different phases of the wing-beat cycle and the landing manoeuvre were analysed. Flight and landing patterns of the trained horseshoe bats are highly stereotyped. By marking the bats with colours individual flight routes and sequences of landings were detected. During the feeding period the bats showed aggressive behaviour.

Literaturverzeichnis

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Anschrift der Verfasser: Erwin KULZER und Heinz WEIGOLD, Institut fur Biologie 111, Abteilung Physiologische Ukologie, Universitat Tubingen, Auf der Morgenstelle 28, D-7400 Tubingen.