23
Das Osmanische Reich und die Habsburgermonarchie Akten des internationalen Kongresses zum ISO-jährigen Bestehen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung Wien, 22.-25. September 2004 Herausgegeben von Marlene Kurz, Martin Scheutz, Karl Vocelka und Thomas Winkel bauer Sonderdruck R. Oldenbourg Verlag Wien München 2005

DasOsmanische Reich unddie Habsburgermonarchie · Staatengeschichte Abt. 1, Geschichte der eutopäischen Staaten 15, Bd. 22: Das Reich auf der Höhe sei-ner Entwicklung, Hamburg 1854)

Embed Size (px)

Citation preview

Das Osmanische Reich und dieHabsburgermonarchie

Akten des internationalen Kongresseszum ISO-jährigen Bestehen

des Instituts für Österreichische GeschichtsforschungWien, 22.-25. September 2004

Herausgegeben vonMarlene Kurz, Martin Scheutz, Karl Vocelka

und Thomas Winkel bauer

Sonderdruck

R. Oldenbourg Verlag Wien München 2005

Abh.ADBAfKAHPAnnalesAÖG

ARGASRSPBlldtLGBZCILDACLDBFDBIDDCDHEEDHGEDThCECEIEHRFRAFSIHHStAGGHjbHRGHVjSHZJACjbLKNÖjbOÖMVjbVGStWJÖBJÖBGjWC!KHMLC!

Siglenverzeichnis

Abhandlung(en) (allgemein)Allgemeine Deutsche BiographieArchiv fiir KulturgeschichteArchivum Historiae PontificiaeAnnales Economies, Sociites, CivilisationsArchiv fiir Österreichiche Geschichte (bis Bd. 33: fiir Kunde österreichischerGeschichts-Quellen)Archiv fiir RejormationsgeschichteArchivio delta Societa Romana di Storia PatriaBlätter fiir deutsche LandesgeschichteByzantinische ZeitschriftCorpus Inscriprionum LarinarumDictionnaire d'Archeologie Chritienne et de LiturgieDictionnaire de Biographie FranraiseDizionario Biografico degli ItalianiDictionnaire de Droit CanoniqueDiccionario de Historia Eclesiastica de EspafiaDictionnaire d'Histoire et de Geographie EcclesiastiquesDictionnaire de Theologie CatholiqueEnciclopedia CattolicaEnciclopedia ItalianaEnglish Historical ReviewFantes Rerum AustriacarumFonri per la Storia d'ltaliaHaus-, Hof- und StaatsarchivGeschichte und GesellschaftHistorischesjahrbuchHandwörterbuch zur deutschen RechtsgeschichteHistorische VierteljahrschriftHistorische Zeitschriftjahrbuch fiir Antike und Christentumjahrbuch fiir Landeskunde von Niederösterreichjahrbuch des OberösterreichischenMusealvereins - Gesellschaftfiir Landeskundejahrbuch des Vereinsfiir Geschichte der Stadt WienJahrbuch der Österreichischen Byzantinistik (ab 1968: s. jÖBG)jahrbuch der ÖsterreichischenByzantinistischen Gesellschaft(bis 1968: s. jÖB)journal 0/ the W0rburg und Courtauld InstitutesKunsthistorisches MuseumLexikon der Christlichen Ikonographie

LMALThKMGHMGSLMIÖG(MÖIG)

MÖOLAMÖStAMStLANANDBNÖLAÖAWÖBLÖNBPGPLQFlABRACRERGARHRHERHFRHMRömQuaRSIRStChSBSCStTTREUHVIÖGVL2

VSWGVuFWURZBACH

WZGNZBLGZfGZHFZHVStZKGZNRZRG Germ. Abt.

Kan. Abt.Rom. Abt.

Siglenverzeichnis

Lexikon des MittelaltersLexikon fUr Theologie und Kirche (Auflage jeweils hochgestellt angeben)Monumenta Germaniae HistoricaMitteilungen der GesellschaftfUr Salzburger LandeskundeMitteilungen des Instituts fUr Österreichische Geschichtsforschung (1923-1942: des Österreichischen Instituts fUr Geschichtsforschung;,1944: des Instituts

fUr Geschichtsforschung und Archivwissenschaft in Wien)Mitteilungen des Oberösterreichischen LandesarchivsMitteilungen des Österreichischen StaatsarchivsMitteilungen des Steiermärkischen LandesarchivsNeues Archiv der GesellschaftfUr ältere deutsche GeschichtskundeNeue Deutsche BiographieMitteilungen aus dem Niederösterreichischen LandesarchivÖsterreichische Akademie der WissenschaftenÖsterreichischesBiographisches Lexikon 1815-1950Österreichische NationalbibliothekMIGNE, Patrologia GraecaMIGNE, Patrologia LatinaQuellen und Forschungen aus italienischen Archiven und BibliothekenReallexikon fUr Antike und ChristentumPaulys Realencyclopädie der classischenAltertumswissenschaftReallexikon der Germanischen AltertumskundeRevue HistoriqueRevue d'Histoire EcclesiastiqueRecueil des Historiens des Gaules et de la FranceRömische Historische MitteilungenRömische QuartalschriftfUr christlicheAltertumskunde und (fiir) KirchengeschichteRivista Storica ItalianaRivista di Storia della Chiesa in ItaliaSitzungs berichte (allgemein)Sources ChretiennesStudi e TestiTheologische RealenzyklopädieUnsere Heimat. Zeitschrift fUr Landeskunde von NiederösterreichVeröffentlichungen des Instituts für Österreichische GeschichtsforschungDie deutsche Literatur des Mittelalters. VerfilSSerlexikon(2. Auflage)Vierteljahrschrift fUr Sozial- und WirtschaftsgeschichteVorträge und ForschungenConstant von WURZBACH,Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oes-terreich. Wien 1856-1891Wiener Zeitschrift zur Geschichte der NeuzeitZeitschrift fUr bayerische LandesgeschichteZeitschriftfUr GeschichtswissenschaftZeitschrift fUr historische ForschungZeitschrift des Historischen VereinsfUr SteiermarkZeitschriftfUr KirchengeschichteZeitschrift fUr Neuere RechtsgeschichteZeitschrift der Savigny-StiftungfUr Rechtsgeschichte, GermanistischeKanonistischeRomanistische Abteilung

Türkische Gesandtschaften ins Reich am Beginn derNeuzeit - Herrschaftsinszenierung, Fremdheitserfahrung

und Erinnerungskultur. Die Gesandtschaftdes Ibrahim Bey von 1562

Harriet Rudolph

Repräsentativ ausgerichtete Großgesandtschaften zwischen dem Osmanischen unddem Heiligen Römischen Reich sind ein Phänomen der Neuzeit. Bis Mitte des 16. Jahr-hundertS kam es nur gelegentlich zum Austausch von Gesandtschaften, erst ab der zwei-ten Hälfte des 16. Jahrhunderts läßt sich ein deutlicher Anstieg feststellen 1. Die Legatio-nen verfolgten zum einen konkrete diplomatische Missionen, zum anderen dienten sieder auf langfristigen Machtausbau ausgerichteten Herrschaftsinszenierung der osmani-schen Sultane und des habsburgischen Kaisertums.

Die Ausrichtung einer Gesandtschaft verkörperte einen Akt der ostentativen Ehrer-bietung gegenüber dem Empfänger, gleichzeitig demonstrierte der Absender den eige-nen Gesprächsbedarf und begab sich damit in die Position des potenziell Unterlegenen.Es war ein Spiegel des lange Zeit von beiden Seiten als ungleich wahrgenommenen Kräf-teverhältnisses, daß die osmanischen Sultane nicht nur seltener Gesandtschaften ent-sandten, sondern in der Regel auch rangniedrigere als die Habsburger. Der Form, inwelcher der Absender seine Gesandtschaft ausrichtete, und der Art und Weise, wie seinKontrahent diese empfing, kam deshalb eine hohe symbolische Bedeutung zu. Hier ginges nicht nur um Politik, sondern um die Inszenierung von Politik. Die Ausgestaltung desZeremoniells war somit neben dem Kriegsschauplatz ein zweiter Konfliktaustragungs-ort, auf dem gelegentlich genauso erbittert gestritten wurde wie auf dem Schlachtfeld2.

Jenseits der politischen Intentionen waren Gesandtschaften aber auch ein wichtigesMedium des kulturellen Austauschs. So löste die Ankunft einer osmanischen Gesandt-schaft im Reich Befremden und Faszination gleichermaßen aus. Zeitgenössische Imagi-

I Vgl. dazu Kar! TEPLY,Türkische Gesandtschaften nach Wien 1488-1792. Österreich in Geschichteund Literatur 20 (1976) 17; allgemein zum Austausch von Gesandten zwischen dem Osmanischen Reichund den Habsburgern Anton C. SCHAENDLINGER,Der diplomatische Verkehr zwischen Österreich undder Hohen Pforte im Zeitalter Süleymans des Prächtigen, in: Kultur des Islam (biblios Schriften 113,Wien 1981) 91-104; DERS.,Die osmanisch-habsburgische Diplomatie in der ersten Hälfte des 16. Jahr-hunderts. TheJournal ofOttoman Studies 4 (1984) 181-196. Während die türkischen Legaten nach ihrerMission an den Hof nach Konstantinopel zurückkehrten, schickte Ferdinand I. ab 1546 sogar ständigeBevollmächtigte an die Hohe pforte, die seine Interessen dort dauerhaft vertreten sollten.

2 So auch TEPLY,Gesandtschaften (wie Anm. 1) 22.

296 Harriet Rudolph

nationen "des" Türken wurden nun mit real existenten Vertretern konfrontiert3. Auftre-ten und Ausstattung dieser Gesandtschaften beeinflußten das Repertoire an Bildern, dasin der Gesellschaft über die militärische, ökonomische und künstlerische Leistungsfä-higkeit des Kontrahenten kursierte. Dabei war der Grad an Öffentlichkeit, der einemsolchen Ereignis zukam, von entscheidender Bedeutung.

Im Brennpunkt eines konkreten Ereignisses - der osmanischen Gesandtschaft unterIbrahim Bey 1562 nach Frankfurt am Main - konzentriert sich mein Beitrag auf dreiSchwerpunkte:1. Wie inszenierten beide Kontrahenten ihren Herrschaftsanspruch und ihr ökonomi-

sches, kulturelles und militärisches Leistungsvermögen bei dieser Gelegenheit?2. Welchen Widerhall fand das lokal begrenzte Ereignis in den Bild- und Textmedien

der Erinnerungskultur? Welche Inhalte erachteten die Produzenten als berichtens-wert?

3. In welchem Verhältnis standen die in diesen Quellen nachweisbaren Wahrnehmun-gen und Bewertungen der türkischen Gesandten und des Osmanischen Reiches zuanderen zeitgenössischen Imaginationen "des" Türken?Während kaiserliche Legationen an den Hof des Sultans schon vielfach Gegenstand

historischer Studien waren, sind die osmanischen an den Kaiserhof in viel geringeremMaße aufgearbeitet4. Der unbefriedigende Forschungsstand dürfte neben fehlendenSprach- und Schriftkenntnissen zu wesentlichen Teilen in der schlechten Überliefe-rungssituation begründet sein. So sind von türkischer Seite nur sehr wenige Reisebe-richte erhalten, die über die Ziele der Missionen, den Reiseablauf sowie über die Erfah-rungen der Gesandten und ihre Bewertung der fremden Kultur berichten5. Dagegen

3 Zum Türkenbild Carl GÖLLNER, Turcica, 3 Bde. (Bukarest 1961-1978, Nachdr. Baden-Baden1994), besonders Bd. 3: Die Türkenfrage in der öffentlichen Meinung Europas im 16. Jahrhundert; Se-nol ÖZYURT, Die Türkenlieder und das Türkenbild in der deutschen Volksüberlieferung vom 16. biszum 20. Jahrhundert (Motive 4, München 1972); Monika GRONKE, Vom Stammesleben zur höfischenKultur. Neue Züge im historischen Türkenbild. Saeculum 46 (1995) 1-16; Almut HÖFERT, Das Fremdedurch die Brille des Eigenen: Das mittelalterliche Erbe im europäischen Türkenbild der Renaissance(Pera-Blätter 4, Istanbul 1995). Stellvertretend für zahlreiche Ausstellungen, die sich auch mit dem Tür-kenbild im frühneuzeitlichen Europa beschäftigten: Muslime und Christen. Das Osmanische Reich inEuropa, hg. von Khira HEGYI-Vera ZIMANYI (Budapest 1988); Türkei. Abendland begegnet Morgen-land. 16.-18. Jh. Eine Ausstellung im Rahmen der Internationalen Tage Ingelheim, hg. von Patricia Ro-CHARD(Mainz 1992); Im Lichte des Halbmonds. Das Abendland und der türkische Orient. StaatlicheKunstsammlungen Dresden, Albertinum, 20. August bis 12. November 1995, und Kunst- und Ausstel-lungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, 15. Dezember 1995 bis 17. März 1996 (Dresden1995).

4 In Überblicksdarsrellungen zur osmanischen Geschichte wird die Gesandtschaft von 1562 wennüberhaupt nur kurz erwähnt. Vgl. stellvertretend: Josef von HAMMER-PURGSTALL,Geschichte des Osma-nischen Reiches. Grossentheils aus bisher unbenützten Handschriften und Archiven, 10 Bde. (Pest1827-1835); Halil INALcIK, The Ottoman Empire. The Classical Age 1300-1600 (New York 1973); Jo-sefMATuz, Das Osmanische Reich. Grundlinien seiner Geschichte (Darmstadt "1996); Ferenc MA]o-ROS,Das Osmanische Reich 1300-1922. Die Geschichte einer Großmacht (Regensburg 1994); SuraiyaFAROQHI,Geschichte des Osmanischen Reiches (München 2000); Klaus KREISER,Der Osmanische Staat1300-1922 (Oldenbourg Grundriß der Geschichte 30, München 2001); Daniel GOFFMAN,The Otto-man Empire and Early Modern Europe (New approaches ro European hisrory 24, Cambridge 2002).

5 Vgl. dazu Milan ADAMovlc, Europa im Spiegel osmanischer Reiseberichte, in: Asien blickt aufEuropa. Begegnungen und Irritationen, hg. von Tilman NAGEL(Beiruter Texte und Studien 39, Beirut-Stuttgart 1990) 61-71; Die Osmanen in Europa. Erinnerungen und Berichte türkischer Geschichts-schreiber, hg. von Stefan SCHREINER(Graz 1985). Vgl. auch den ausführlichen, zum Teil allerdings fik-

Türkische Gesandtschaften ins Reich am Beginn der Neuzeit 297

gibt es eine Vielzahl von europäischen Reiseberichten über das Osmanische Reich, dieGesandte, Kaufleute, Kriegsgefangene oder Geistliche verfaßt und seit dem Ende des16. Jahrhunderts auch häufiger publiziert haben. Gerade im Zusammenhang mit derWahrnehmung kultureller Differenz sind diese Berichte schon mehrfach von der For-schung thematisiert worden6.

Im vorliegenden Beitrag werden in einem ersten Teil Ziele, Ablauf und Erfolg derdiplomatischen Mission von 1562 dargestellt, wobei der Schwerpunkt auf der Frage derHerrschaftsrepräsentation liegt. Grundlage der Darstellung ist im wesentlichen die ar-chivalische Überlieferung? Der zweite Teil widmet sich der medialen Aufbereitung die-ses Ereignisses in den frühneuzeitlichen Massenmedien. Dabei wird zunächst auf dieTexte und anschließend auf die bildlichen Darstellungen eingegangen.

Über Wien und Prag nach Frankfurt am Main:Die Legation des Ibrahim Bey

Die Gesandtschaft von 1562 war nach 1535 und 1549 die dritte größere Gesandt-schaft, die Süleyman der Prächtige an Kaiser Ferdinand I. schickte. Konkreter politi-scher Hintergrund war der durch den kaiserlichen Gesandten Ogier Ghislain de Bus-becq am Hof des Sultans ausgehandelte Frieden von Konstantinopel zwischen dem Os-manischen und dem Heiligen Römischen Reich8. In diesem auf acht Jahre befristetenFriedensvertrag verzichtete Süleyman gegen eine jährliche Tributzahlung von 30.000ungarischen Dukaten darauf, auf Kosten des habsburgischen Territoriums weiter zu ex-pandieren9. Ferdinand I. hatte den Vertrag bereits am 1. Juni 1562 in Wien unterzeich-

tiven Reisebericht von Evliya <':ELEBI,Im Reiche des goldenen Apfels. Des türkischen WeltenbummlersEvliya <':elebi denkwürdige Reise in das Giaurenland und in die Stadt und Festung Wien anno 1665, hg.von Erich PROKOSCH(Osmanische Geschichtsschreiber 2, Graz 1987).

6 Nach FAROQHIsind etwa 450 Reiseberichte von Eutopäern über das Osmanische Reich überlie-fert. Suraiya FAROQHI, Apptoaching Ottoman History. An Inttoduetion to the Sources (Cambridge1999), besonders 110-143, hier 111, für Diplomatenberichte 112-114. Vgl. dazu Karl TEPLY,Kaiserli-che Gesandtschaften ans Goldene Horn (Stuttgart 1968), eher eine kommentierte Quellenedition; Ru-dolf BENIGNI, Österreichische Botschaftsberichte über arabische Länder (Wien 1974).

7 Berücksichtigt wurde die Überlieferung im HHStA und im Finanz- und Hofkammerarchiv [imfolgenden HKA]. Vgl. dazu Ernst D. PETRITSCH,Regesten der osmanischen Dokumente im Österreichi-schen Staatsarchiv 1 (1480-1574). (MÖStA 10/1, Wien 1990); für den Zeitraum davor: Austto-Turcica1541-1552. Diplomatische Akten des habsburgischen Gesandtschaftsverkehrs mit der Hohen Pforte imZeitalter Süleymans des Prächtigen, hg. von Srecko DZAJA u. a. (Südosteutopäische Arbeiten 95, Mün-chen 1995). Die Bestände des Frankfurter Stadtarchivs sind durch die Verluste des Zweiten Weltkriegesfür dieses Thema wenig ergiebig, obwohl es hier eine Reihe einschlägiger Quellen gegeben haben muß.Dies belegt eine Arbeit aus dem 19. Jahrhundert, die stark fiktive Züge aufweist, dennoch aber offenbarauf Kenntnissen aufbaut, die aus der Auswertung der archivalischen Überlieferung gewonnen wurden:Georg Wilhe1m PFEIFFER,Culturgeschichtliches Bild aus den Zeiten der Wahl und Krönung Maximili-ans des Zweiten im 16. Jahrhundert, in: DERS., Frankfurter Novellen (Frankfurt am Main M8) 267-280.

8 Zur Vorgeschichte dieses Waffenstillstands vgl. HAMMER-PURGSTALL,Geschichte (wie Anm. 4) 2,279-281; Johann Wilhe1m ZINKEISEN, Geschichte des osmanischen Reiches in Eutopa (AllgemeineStaatengeschichte Abt. 1, Geschichte der eutopäischen Staaten 15, Bd. 22: Das Reich auf der Höhe sei-ner Entwicklung, Hamburg 1854) 866-895.

9 HHStA, Türkische Urkunden, Reg. 385, publiziert in: Anton C. SCHAENDLINGER,Die SchreibenSüleymans des Prächtigen an Karl v., Ferdinand 1. und Maximilian 11. (Wien 1983), Bd. 2, Urkunde 25.Dieselbe Summe wurde schon im Vertrag von 1547 gefordert und danach erneut im Frieden von Adria-

298 Harrier Rudolph

net und ihn anschließend Süleyman überbringen lassen. Bei der Sendung des Legaten,der den von Süleyman ratifizierten Vertrag überbringen sollte, handelte es sich somiteher um einen repräsentativen Akt, eine symbolische Geste, die Ferdinand I. diesen er-kauften Frieden offenbar etwas schmackhafter machen solltelO.

Die Gesandtschaft brach am 24. August 1562 in Konstantinopel auf und reiste aufder üblichen Route über Belgrad nach Wien, wo sie am 7. Oktober 1562 eintrafll. Bus-becq, der seit 1555 ohne Unterbrechungen in Konstantinopel geweilt hatte, begleitetedie Gesandten ins Reich12. Vergleicht man den Umfang von 53 Personen mit dem spä-terer Großgesandtschaften, so handelte es sich 1562 um eine eher kleine Gesandt-schaft 13. Dafür folgte ihre Zusammenstellung bereits dem für spätere Zeiten typischenMuster. Den kleineren Teil der Gruppe machten der aus Konstantinopel kommende Le-gat Ibrahim Bey und sein Gefolge aus, die Mehrzahl der Mitreisenden und ihr Gefolgeaber hatte sich erst in Ofen der Gesandtschaft angeschlossenl4. Auf diese Weise sparte

nopel 1568. Vgl. dazu Ernst D. PETRITSCH, Der habsburgisch-osmanische Friedensvertrag vom Jahre1547. MÖStA 38 (1988) 59-80.

10 Die Entsendung der osmanischen Gesandtschafr war offenbar eine Idee Busbecqs, auf den auchdie Wahl Ibrahim Beys als Botschafter zurückging. Zu Busbecq vgl. Charles T. FORSTER-F. H. Black-burne DANIELL,The Life and Letters of Ogier Ghiselin de Busbecq, Seigneur of Bousbecque, Knight,Imperial Ambassador, 2 Bde. (London 1881); W M. von MARTELs,Augerius Gislenius Busbequius. Le-ven en werk van de keizerlijke gezant aan her hof van Süleyman de Grote (Groningen 1989) 9-27; L. J.KASTNER,The Indominable Ambassador. Augier de Busbecq in the Service of the Habsburgs (Oxford1980). Ibrahim Bey ist der türkische Name des Legaten, der im folgenden verwendet wird. In der Über-lieferung tauchen verschiedene auf den polnischen Namen rekurrierende Bezeichnungen auf (Strotsch,Strozzi, Strozzeni, Strotschius, Strotzky). Wahrscheinlich hieß er Stroczy.

11 HHStA, Staatenabteilungen, Türkei 1, Karton 16, Korrespondenzen 7-12/1562, fol. 74 (Schrei-ben von Albert de Wyz an Ferdinand 1.) und 131 (Schreiben von Busbecq an Ferdinand 1.). Die Reise-route der Gesandtschaften verlief von Wien, Komorn (Komarom, Komarno), Ofen (Buda), Belgrad, So-fia, Adrianopel (Edirne) nach Konstantinopel bzw. umgekehrt (ca. 1700 km).

12 Gerade der humanistisch gebildete Busbecq wirkre als Medium des Kulturtransfers, zum einendurch die Vielzahl der von seinen Reisen mitgebrachten Gegenstände, zum andern durch seine Reisebe-schreibungen, die eine Vielzahl von Auflagen in verschiedenen Sprachen erlebten und westeuropäischeVorstellungen über das Osmanische Reich bis zum 18. Jahrhundert nachhaltig geprägt haben dürften.Ogier Ghislain de BUSBECQ,Legationis Turcicae Epistolae quaruor: Quarum Priores Duae ante aliquotannos in lucem prodierunt sub nomine Itinerum Constantinopolitani & Amasiani, Adiectae Sunt DuaeAlrerae: Eiusdem de re militari contra Turcam insrituenda consilium. Accedit Solimani Turcarum Imper.Legatio ad Ferdinandum Rom. Caes. anno M.D.LXII. Francofurtum missa: cuius apud Busbequiummentio. Cum Indice omnium locuplerissimo (Frankfurt am Main 1595) für die 1562 mitgebrachten Ge-genstände, u. a. zahlreiche Handschriften, 312-314. Andere Ausgaben des Textes als die hier zitierte er-schienen 1589,1594 (tschechisch), 1595, 1596, 1620, 1629, 1633, 1649 (französisch), 1652 (niederlän-disch), 1664 (deutsch), 1689, 1694 (englisch), 1695, 1718 (französisch), 1740 (letzte lateinische), 1744(englisch), 1748 (französisch), 1761 (englisch), 1793. Vgl. FORsTER-DANIELL,Life (wie Anm. 10) 2288-291.

13 Die Quellen berichten unterschiedliche Teilnehmerzahlen. Selbst Busbecq spricht im Abstandvon sechs Tagen einmal von 48 und einmal von 53 Personen, HHStA, Staatenabreilungen, Türkei 1, Kar-ton 16, Korrespondenzen 7-12/1562, fol. 131 und 145. Der Personenumfang der türkischen Gesandt-schaft von 1609 betrug dagegen 150 Personen, 1663/64 waren es 300 Personen. 1700 bestand das Ge-folge schon aus 659 Personen, 1740 sogar aus 922, TEPLY,Gesandtschaftswesen (wie Anm. I) 29. DemAnstieg der Personenzahl in den folgenden Jahrhunderten korrespondierte eine zunehmende Komplexi-tär des Zeremoniells, das im 16. Jahrhundert noch nicht derart kanonisiert und ausdifferenziert war wieim 18. Jahrhundert.

14 Busbecq berichtet, daß Ibrahim ca. 20 Personen aus Konsrantinopel mitgebracht habe, HHStA,Staatenabreilungen, Türkei 1, Karton 16, Korrespondenzen 7-12/1562, fol. 131.

Türkische Gesandrschaften ins Reich am Beginn der Neuzeit 299

der osmanische Hof einerseits Kosten, andererseits nutzen lokale politische Eliten ausder Grenztegion offenbar auch gern die Möglichkeit, unter dem Schutz einer Gesandt-schaft ins Reich zu reisen 15.

Für die Organisation von Geleit und Kostfreihaltung der Gesandten ab der unga-risch-türkischen Grenze war Erzherzog Karl, der jüngste Sohn des Kaisers, zuständig,dem die Ankunft der Gesandten durch einen Kurier Busbecqs angekündigt worden war.Die in diesem Kontext überlieferten Quellen belegen wieder einmal das leidige Geldpro-blem der Habsburger: So berichtete ein niederösterreichischer Kammerrat an ErzherzogKarl, er wüßte wirklich nicht, woher er das Geld für die Kostfreihaltung der Gesandtennehmen solltel6. AufKarls Anfrage bei Ferdinand I. antwortete dieser, da es um die Ver-teidigung der Christenheit gehe, solle er doch das Geld aus dem von den innerösterrei-chischen Ständen bewilligten Türkenkriegsgeld nehmen, schließlich werde man auf-grund des Friedensvertrages in Zukunft ja auch Geld sparen17. Die Türken sollten vondiesen finanziellen Problemen auf keinen Fall etwas mitbekommen, da dies nicht wenigschimpflich gewesen wärel8.

Ferdinand 1., der sich gerade auf dem Weg von Prag nach Frankfurt am Main be-fand, wollte den türkischen Legaten zunächst dazu bewegen, Erzherzog Karl die Ratifi-kation des Friedensvertrages zu übergeben 19. Ibrahim Bey bestand jedoch darauf, per-sönlich vom Kaiser empfangen zu werden2o. Da sein Auftraggeber die Oberherrschaftüber den Kaiser beanspruchte, konnte sich der Legat nicht mit einer Audienz beim rang-niedrigeren Erzherzog abspeisen lassen. Nachdem auch Busbecq für eine Audienz inFrankfurt am Main plädiert hatte, stimmte der Kaiser ZU21. Die Gesandtschaft reiste des-halb nach wenigen Tagen in Wien in Begleitung von zwölf Geleitsleuten über Prag undBamberg nach Frankfurt am Main, wo sie am 23. November 1562 - und damit einenTag vor der Wahl des Römischen Königs - eintraf. Die Reiseroute über Prag war angeb-lich aus Sicherheitsgründen gewählt worden, allerdings dürften hier auch Fragen derHerrschaftsrepräsentation eine Rolle gespielt haben: Prag als ehemalige kaiserliche undgleichzeitig als königlich-böhmische Residenz war Wien, das erst unter Ferdinand I. zurkaiserlichen Residenz aufstieg, sowohl was die Größe der Stadt als auch Menge undQualität der repräsentativen Bauten anging, deutlich überlegen.

Als die Gesandten am Sachsenhausener Affentor eintrafen, verweigerte die Frank-furter Stadtwache ihnen zunächst den Einzug, da die Goldene Bulle das Einlassen vonFremden während des Wahlkonklaves untersagte22. Erst auf einen ausdrücklichen kai-

15 TEPLY,Gesandtschaften (wie Anm. 1) 19. Dabei waren die Ofener Würdenträger dem Legaten,einem polnischen Renegaten und Pfortendolmetscher, im Rang überlegen.

16 Vgl. im folgenden HKA, Reichsakten Nr. 190, fol. 57-102, hier 58 und 71. Auch bei der Aus-reise kam es zu finanziellen Engpässen. Ebd. fol. 98(

17 HKA, Reichsakten Nr. 190, fol. 77f. Vgl. auch den Briefwechsel zwischen Erzherzog Karl undErzherzog Ferdinand zu diesem Thema, ebd. fol. 152-160 und 195. Die Hoffnungen auf Einsparungensollten sich angesichts der geringen Wirksamkeit dieses Vertrages als trügerisch erweisen.

18 So ein Kammerrat, HKA, Reichsakten Nr. 190, fol. 58.19 Vgl. das Schreiben Ferdinands 1. an Erzherzog Karl vom 11. Oktober 1562, wie man die türki-

sche Botschaft in Linz behandeln solle, HHStA, Staaten abteilungen, Türkei I, Karton 16, Korrespon-denzen 7-12/1562, fol. 129.

20 Ebd. fol. 152-154.21 Ebd. fol. 149f.22 Goldene Bulle, Kapitel I, § 20, Textausgabe in: Quellen zur Verfassungsgeschichte des römisch-

deutschen Reiches im Spätmittelalter (1250-1500), ausgewählt und übers. von Lorenz WEINRICH (Aus-

300 Harriet Rudolph

serlichen und kurfürstlichen Befehl hin wurden die Stadttore gegen 8 Uhr abends geöff-net. Die Gesandten wurden vom Reichserbmarschall Heinrich von Pappenheim mit ei-ner lateinischen Ansprache begrüßt und von einhundert Hakenbüchsenschützen zu Fußund acht Betittenen im Harnisch in die Stadt geleitet23. Zu ihren Ehren waren außer-dem zwei Fähnlein Bürger in Rüstung angetreten.

Als Folge des langen Ausharrens vor dem Stadttor zogen die Gesandten in der Dun-kelheit in die Stadt ein. Aber nicht nur das: Sie mußten ihre Pferde am Stadttor zurück-lassen und die Nacht unter ständiger Bewachung in einem Garten am Nordrand derStadt verbringen. Erst am Morgen wurden sie in ihre Herberge in der Fahrgasse gelei-tet24. Dieser Empfang erboste den türkischen Legaten nach Schard derart, daß er seineBehandlung mit der von Straßenräubern verglich25. Der Jurist, Historiker und PhilologeSimon Schard war während der Krönung in Frankfurt anwesend, er verfügte also überInformationen aus erster Hand. Auch Michael Beuther von Carlstadt berichtet, es wäredem Gesandten sehr verdrießlich gewesen, daß er bei finsterer nacht in die Statt ankommen,weil es ihm und seinem Herrn zu verkleynerung geschehen sei26. Beuther ist sich nicht si-cher, ob der Vorwurf berechtigt ist. Die Tatsache, daß Busbecq die Ankunft der Gesand-ten rechtzeitig dem Kaiser angekündigt hatte, spricht allerdings dafür, daß man die Tür-ken tatsächlich absichtlich mehrere Stunden vor der Stadt warten ließ.

Welche Verfügungen Ferdinand 1. für den Aufenthalt der Türken in Frankfurt traf,ist nicht überliefert, dürfte sich aber nicht wesentlich von jenen unterscheiden, die er derniederösterreichischen Regierung in Wien übermittelte. So sollten die Beamten die Tür-ken wollhalten und emphahen27. Beim Einzug sollte die Bürgerschaft vom Stadttor biszur Herberge, dem Hofspital, Spalier stehen, was die Bedeutung unterstreicht, die mandieser türkischen Botschaft zuwies, denn in der Regel wurde beim Empfang von Gesand-

gewählte Quellen zur deutschen Geschichte im Mittelaltet 33, Datmstadt 1983) 315-395. Vg!. im fol-genden Simon SCHARD,Histoticum Opus in quatuor tomos divisum; sive terum germanicarum scripto-res, Tomus III: Historiarum, quae venerunt in Gubernationem Ferdinandi 1. huius nominis imp. unacum [... ] ab anno Domini M.D.LVIII usque ad finem anni Domini M.D.LXIIII gestarum, Tomus IV:Res gestae, que incurrerunt in Maximiliani II. Caesaris imperatorium [... ] (Basel 1574) 3 2185; undGebhard FLORIAN-Achilles August von LERSNER,Der weit-berühmten freyen Reichs-, Wahl- und Han-delsstadt Franckfurt am Mayn Chronica oder ordentliche Beschreibung der Stadt Franckfurr: Herkunftund Auffnehmen wie auch allerley denckwürdige Sachen u. Geschichten, so bey der röm. Königen u.Kayser Wahl u. Crönungen [... ], vorgegangen nebst denen Veränderungen, die sich in weltI. u. geist!. Sa-chen nach u. nach zugetragen haben [... ] (Frankfurt am Main 1706) 175.

23 Der Zug verlief vom Südrand der Stadt über die Fahrgasse, Töngesgasse, Sr. Catharinenpforte bisin den Garten eines Frankfurter Bürgers, der gegenüber dem Gänsgraben in der nördlichen Vorstadt lag.LERSNER,Chronica (wie Anm. 22) 1 175.

24 Das Quartier lag neben dem bekannten Gasthof Zur Gerste, der sich in der Fahrgasse hinter derBartholomäuskirche befand.

25 SCHARD,Historicum opus (wie Anm. 22) 3 2185. Hier heißt es latro und sceleratus.26 Michael BEUTHER,Ordentliche Verzeychniß, welcher gestalt, die Erwehlung unnd Krönung, des

[... ] Fürsten und Herrn, Herrn Maximilians, Römischen und Böheym Königs etc. zu Franckfurt amMayn, im Wintermonat nähestverschiedenen 1562. jars geschehen. Mit vermeldunge etlicher sonst für-nemer sachen und Händel, so sich darneben, durch ankunffr eyner Türckischen Bottschaffre, und in an-dere wege haben verlaufen und zugetragen (Frankfurt am Main 1563) ohne Seite. Das Einzugszeremo-niell habsburgischer Gesandter in Konstantinopel wurde mitunter tagelang ausgehandelt, ehe diese in dieStadt gelassen wurden. TEPLY,Gesandtschaften (wie Anm. I) 22. Vg!. zum osmanischen Empfangszere-moniell Konrad DILGER, Untersuchungen zur Geschichte des osmanischen HofZeremonieils im 15. und16. Jahrhundert (Beiträge zur Kenntnis Südosteuropas und des Nahen Orients 4, München 1967) 124f

27 HKA, Reichsakten Nr. 173, fo!. 2.

Türkische Gesandrschafren ins Reich am Beginn der Neuzeir 301

ten im 16. Jahrhundert deutlich weniger Aufwand getrieben, als dies in späteren Jahr-hunderten der Fall war. Man sollte ihnen auch gestatten auszugehen und einzukaufen,dabei aber immer einige Personen mitschicken, die Iren Practickhen, die sy etwa fürnemenkhundten, steurn mügen28. Zur Bewachung wurden 28 Hartschiere abgestellt, die auchdafür zu sorgen hatten, daß die Gesandten nicht durch Untertanen beleidigt wurden.Drei Hofbedienstete waren für die Unterbringung und Beköstigung verantwortlich. Au-ßerdem sollten sie dem Statthalter über alle etwaigen Aktivitäten der Türken berichten.

Am 27. November 1562 gewährte Ferdinand 1. der Gesandtschaft die erste Audienzin seiner Unterkunft im Trierischen Hof. Schon der Zug der Gesandten zum Römer er-regte offenbar großes öffentliches Interesse. So sei auf den Straßen von seltzam und unge-wondlichait wegen dergleichen pottschaften allda zu sehen ain grosse menig volckhs gewe-sen29• Die von Busbecq zum Kaiser geleiteten Türken, darunter Ibrahim Bey in einemgoldgewirkten langen Mantel und einem großen Turban, hatten vor dem eigentlichenAudienzsaal eine Flucht von drei Räumen zu durchqueren, in denen sich die Menschendrängten, soviel der platz erleyden khinnden30. Die Verteilung der Anwesenden und ihrePositionen im Raum spiegelten die hierarchische Herrschaftsordnung des Alten Reicheswider. So befand sich im ersten Raum das kaiserliche Hofgesinde, in den beiden folgen-den Räumen hielten sich niedere Reichsfürsten auf. Erst im vierten Raum befanden sichder Kaiser, der Römische König und die höchsten Fürsten des Reiches sowie die kaiser-lichen Geheimen Räte. Die Sitzordnung von Kaiser, König und Kurfürsten im Audienz-saal folgte, wie bei derartigen öffentlichen Anlässen üblich, den Bestimmungen der Gol-denen Bulle3!.

Die Gesandten näherten sich dem auf einem Thron erhöht sitzenden Kaiser und denKurfürsten unter mehreren Verneigungen bis zum Boden32. Dann begann der Legat intürkischer Sprache mit seiner Ansprache, die vom kaiserlichen Dolmetscher übersetztwurde33. Darin versicherte Ibrahim dem Kaiser wortreich die freundschaftlichen undfriedlichen Absichten Süleymans, zu deren besonderem Beweis er nicht nur auf den Frie-densvertrag verwies, aus dem er einige Passagen in seine Rede einbaute. So forderte er dieFreilassung einiger gefangener Muslime, wobei er auf die bedingungslose Freilassung ei-net Reihe von in türkische Gefangenschaft geratener Christen verwies, die mit der Ge-sandtschaft Konstantinopel verlassen hatten und in Wien zurückgeblieben waren34.

28 Vgl. im folgenden ebd.29 Die Krönungen Maximilians 11. zum König von Böhmen, Römischen König und König von Un-

garn (1562/63) nach der Beschreibung des Hans Habersack, ediert nach CVP 7890, hg. von FriedrichEDELMAYERet al. (FRA 1/13, Wien 1990) 162. Zu Hans Habetsack, der für seine Krönungsbeschreibungoffenbar ein Gnadengeld von 300 Talern bekam, vgl. die Beiträge von Karl VOCELKAund Martin C.MANDELMAYRin: ebd. hier 41. Habersack überliefert für den Empfang der türkischen Botschaft vieleDetails, obwohl er selbst nicht anwesend war. In einigen Punkten ist sein Bericht allerdings nicht kortekt,so faßt er etwa die Geschenkübergaben vom 27. Novembet 1562 und vom 2. Dezember 1562 zusam-men. Ebd. 165.

30 Ebd. 163.31 Goldene Bulle, Kapitel IV, § 1.32 Nach Habersack küßten die Gesandten dem Kaiser die Hand, nach anderen Berichten den Man-

telsaum. HABERSACK,Krönungen (wie Anm. 29) 163; BEUTHER,Verzeychniß (wie Anm. 26) ohne Seite.33 HHStA, Staatenabteilungen, Türkei I, Karton 16, Korrespondenzen 7-12/1562, fol. 226

(deutsch), 227 (türkisch). Den Text der Ansprache hatte Busbecq bereits vorher dem Kaiser übermittelt.34 Süleyman hatte Ibrahim in einer Instruktion vom 14. Septembet 1562 diesen Punkt noch einmal

besonders nahe gelegt, HHStA, Türkische Urkunden, Reg. 386. Bereits im September berichtet der kai-

302 Harriet Rudolph

Für den Kaiser dankte der Reichsvizekanzler Sigismund Seld dem türkischen Lega-ten und versicherte seinerseits, daß der Frieden auch von kaiserlicher Seite gehalten wer-den solle. Dieses Verfahren war bei offiziellen Audienzen auch gegenüber den Unterta-nen des Reichs üblich, um den Rangabstand zwischen dem Kaiser und dem um AudienzNachsuchenden deutlich zu machen35. Aber noch ehe Seld seine Rede beendet hatte, fielihm Ibrahim Bey erregt ins Wort: Von wegen friedliche Absichten, in der Vergangenheitseien es gerade die Leute des Kaisers gewesen, die den Frieden gebrochen hätten36. Washeute als diplomatischer Fauxpas erscheint, war sehr wahrscheinlich politisches Kalkül.Indem ein Pfortendolmetscher dem Reichsvizekanzler das Rederecht nahm, bestätigte erdie Oberhoheit der osmanischen Sultane über das habsburgische Kaisertum. Es war of-fenbar dieser Vorfall, der Hans Habersack zu dem Urteil bewog, der Legat habe sichwährend der Audienz in allen seinen reden und geperden vast höflich und doch darnebentapffir und unerschrockhen verhalten37.

Anschließend überreichte Ibrahim Bey dem Kaiser zwei Schreiben: den von Süley-man unterzeichneten Friedensvertrag und ein Beglaubigungsschreiben für sich selbst38.

Dann verließen alle Türken den Raum nach aller erzaigten reverentz auf die türggisch artund brauch39. Kurz danach suchte der Legat jedoch erneut um eine Audienz nach, umdem Kaiser die mitgebrachten Geschenke überreichen zu können. Mit dem Verlassendes Audienzraumes hatte er demonstriert, daß die Geschenkübergabe kein - und schongar kein obligatorischer Teil - der Audienz war, wie dies umgekehrt für Audienzen amHof Süleymans zutraf. Hier verkörperten die Gaben weniger eine freiwillige Geste desSchenkenden gegenüber dem Sultan aller Sultane40 als vielmehr eine zwangsweise zuentrichtende Audienzgebühr41• Ferdinand 1. erhielt einen türkischen Zelter (Reitpferd)mit vergoldetem Zaumzeug und goldgewirktem Überwurf, zwei Kristall- oder Alaba-stergeschirre, besetzt mit Edelsteinen, sowie vier Kamele mit Zaumzeug, auff türckischemanier gantz köstlich zugerüst42.

serliche Legat Albert de Wyz an Ferdinand 1., daß Don Alvaro de Sande und einige andere Gefangenetatsächlich freigekommen seien, HHStA, Staatenabteilungen, Türkei I, Karton 16, Korrespondenzen 7-12/1562, fol. 57; Liste der freigelassenen Gefangenen ebd. fol. 140-142.

35 Auch der osmanische Sultan sprach in Audienzen im Untersuchungszeitraum nicht direkt mitGesandten, sondern über einen Wesir, dazu DILGER, Untersuchungen (wie Anm. 26) 82-87.

36 HABERSACK,Krönungen (wie Anm. 29) 164.37 HABERSACK,Krönungen (wie Anm. 29) 166.38 HHStA, Türkische Urkunden, Reg. 385 (Vertrag) und Reg. 386 (Beglaubigungsschreiben).39 HABERSACK,Krönungen (wie Anm. 29) 165.40 So die Selbstbezeichnung in der Invocatio Süleymans, vgl. SCHAENDLINGER,Schreiben (wie

Anm. 9) 70.41 Die Geschenke wurden deshalb vor der Audienz geordnet, aufgezeichnet und das Verzeichnis

dem Sultan vorgelegt. Vgl. auch DILGER, Untersuchungen (wie Anm. 26) 101f., 104. Auch Beamte desSultans verfuhren offenbar auf diese Weise. Ein niederösterreichischer Beamter berichtete zum Beispiel,daß ein Wesir ein Schreiben Maximilians II. zwanzig Tage lang nicht habe annehmen wollen, weil keinGeschenk dabei gewesen sei. Als er das Schreiben endlich annahm, dauerte es mehrere Tage, bis einÜbersetzer für den lateinischen Text gefunden werden konnte. Derartige Vorfälle verdeutlichen dieSchwierigkeiten in der politischen Kommunikation zwischen beiden Seiten, HHStA, Staatenabteilun-gen, Türkei 1, Karton 16, Korrespondenzen 7-12/1562, fol. 118f.

42 LERSNER,Chronica (wie Anm. 22) 1 181. Bei Lersner werden allerdings abweichend von anderenQuellen weitere Geschenke angeführt: vier venezianische Krüge, zwei silberne mit Edelsteinen besetzteSchalen, zwei türkische Teppiche mit Kissen und eine viereckige Tafel. Dem Römischen König Maximi-lian II. wurden nach seiner Krönung ebenfalls ein Zelter und zwei Kamele in gleicher Ausstattung, ein

Türkische Gesandtschaften ins Reich am Beginn der Neuzeit 303

Das Überreichen von Geschenken war ein zentraler Bestandteil der zeitgenössischenpolitischen Kultur43. Ein Erscheinen der Türken in Frankfurt ohne Geschenke hätte zwarnicht die kaiserliche Audienz verhindert, gleichwohl aber einen politischen Affront be-deutet. Die Übergabe begleitete der Legat mit einer wortgewaltigen Lobpreisungsrede, inder er sich wegen des angeblich schlechten Zustandes der Tiere entschuldigte. Diese"Rhetorik der Subsidiarität"44 war im Untersuchungszeitraum im Zusammenhang mitGaben nicht nur gängig, sie diente vielmehr dazu, den Wert der Geschenke besondersherauszustreichen. Im Vergleich zu den später sehr viel umfangreicheren Geschenksen-dungen war das Ausmaß der türkischen Geschenke von 1562 allerdings eher bescheiden.

Im Gegenzug beschenkte der Kaiser die Gesandtschaft45. Sie erhielt Geld undStoffe für Ehrenkleider im Gesamtwert von 4.595 Gulden. Davon bekam allein Ibra-hirn Bey 3.000 Gulden46. Dem Legaten wurde außerdem für den Zeitraum, in demder Friedensvertrag gelten sollte, eine Pension ausgesetzt47. Dieses Verfahren, eine Art

Hund, ein Flitschbogen (Reflexbogen) mit Köcher und Pfeilen sowie vier bemalte türkische Spieße über-geben. Vgl. das Geschenkverzeichnis in: Kurtze und gründtliche Beschreibung, wie Maximilian König inBehem, ete. zu Franckfurt am Mayn den 24. Novembris, deß 1562. von den sechß Churfürsten deß hey-ligen Römischen Reichs erwehlet, und folgends den letzten dieses Monats allda in der Pfarr Kirchen S.Bartholome gekrönt worden. Sampt einer ordentlichen verzeichnuß deß herrlichen Panckets so auff demRömer gehalten. !tem, Ebrahim Srrotschen, deß Türckischen Keysers Bottschaft, für Rö. Key. May. auchandern Chur unnd Fürsten, anbringen, mit sampt seiner herrlichen Geschencken [... ] (Frankfurt amMain 1562) ohne Seite.

43 Zum Problem der Gabe vgl. Marcel MAUSS, Die Gabe. Form und Funktion des Austauschs in ar-chaischen Gesellschaften (Frankfurt am Main 21994); Maurice GODELIER, Das Rätsel der Gabe. Geld,Geschenke, heilige Objekte (Chicago 1999); Natalie Z. DAVIS,Die schenkende Gesellschaft. Zur Kulturder französischen Renaissance (München 2000); Valentin GRÖBNER,Gefährliche Geschenke. Ritual, Po-litik und die Sprache der Korruption in der Eidgenossenschaft im späten Mittelalter und am Beginn derNeuzeit (Konflikte und Kultur - historische Perspektiven 3, Konstanz 2000); Negotiating the Gift: Pre-modern Figuration of Exchange, hg. von Gadi ALGAZIet al. (Veröffentlichungen des Max-Planck-Insti-tuts für Geschichte 188, Göttingen 2003).

44 Bernhard JUSSEN,Tagungsbericht zu "Die Gabe verhandeln 1 Negocier le don au Moyen Age 1Negotiating the Gift in the Middle Ages", Arbeitstagung am Deutschen Historischen Institut Paris vom11. bis 13. Dezember 1998, in: AHF-Information 20 (1999), 11. März 1999, http://www.ahf-muen-chen.de/Tagungsberichte/Berichte/htm/1999/20-99.htm (20. November 2004).

45 Der Gesandte bekam seine Geschenke erst beim Abschied. Auch am osmanischen Hof wurdenabreisende Gesandte mit Geld und EhrenkIeidern beschenkt, allerdings mit dem Unterschied, daß dasGeldgeschenk als Zehrung für die Rückreise gedacht war und dem Gesandten außerdem zum Teil offen-bar wieder abgenommen wurde. So behielt die Hofkammer zehn Prozent ein. Hans Dernschwam berich-tet außerdem über die Gesandtschaft Busbecqs, daß Hofbeamte und Janitscharen beim Auszug mitgelau-fen und alle vererungen, wie vnverschampte zigewner, begert vnd als mith gewald haben wollen, also, das mankhain mer ins haws hot durffin lassen. Hans Dernschwam's Tagebuch einer Reise nach Konstantinopelund Kleinasien (1553/55), zitiert nach DILGER, Untersuchungen (wie Anm. 26) 30. Busbecq bekam1555 einen Kaffian von Samat vnd gold mit samat vnder fUttert, vnd ein obergulden samten rok mit grienemtuche gefUttert, wobei der Autor die schlechte Qualität der Gewänder für seine Begleiter kritisiert.Ebd. 218. Zu Dernschwam vgl. Wolfgang REDDIG, Reise zum Erzfeind der Christenheit. Der HumanistHans Dernschwam in der Türkei (1553- 1555) (Weltbild und Kulturbegegnung 1, Pfaffenweiler 1990).

46 HKA, Reichsakten Nt. 190, fol. 101. Das HoJ:Zahlamtsbuch für 1562 ist nicht erhalten. Die an-deren Mitglieder der Gesandtschaft erhielten deutlich kleinere Geldsummen. Bei den Stoffen werdengoldene und silberne Tücher, karmesinroter und roter Samt und karmesinroter Damast aufgefuhrt. DieGeschenke fur die Türken beschaffte offenbar häufig der Reichspfennigmeister Georg Ilsung. Vgl. HKA,Reichsakten Nr. 150, ohne Folierung, und Nr. 16, fol. 236-239.

47 HAMMER-PURGSTALL,Geschichte (wie Anm. 4) 2 281; siehe auch ZINKEISEN, Geschichte (wieAnm. 8) 2 895.

304 Harriet Rudolph

Erfolgsprämie, war üblich und diente dazu, sich die betreffende Person auch für zu-künftige Missionen gewogen zu halten. Der für diesen Zeitraum vergleichsweise hoheWert der Geschenke war sicher dem besonderen Repräsentationsbedürfnis des Kaisersin Frankfurt am Main geschuldet48. Denn unter den Augen der versammelten Reichs-öffentlichkeit ließ sich nicht nur besonders effizient repräsentieren, sondern gleichzei-tig eindrucksvoll demonstrieren, welche Aufwendungen Habsburg jenseits der militä-rischen Ausgaben bei der Verteidigung der Christenheit noch zu leisten hatte. Bis zumnächsten Reichstag, bei dem über die Höhe der Türkenhilfe verhandelt werdenwürde, sollte es zwar noch knapp vier Jahre dauern, das aber war 1562 noch nicht ab-sehbar49.

Mit der Geschenküberreichung durch Ibrahim Bey endete die kaiserliche Audienz.Habersack behauptete, sie sei ain schöner und solcher actus gewesen, dergleichen man vor-mals in teutschen lannden geschehen zu sein nit gedennckht50. Drei Tage danach wurdeMaximilian 11.in der Bartholomäuskirche zum Römischen König gekrönt. Im Kontextder türkischen Gesandtschaft möchte ich nur auf zwei Dinge hinweisen51: So knieteMaximilian 11.während des Rituals der Salbung sicher nicht zufällig auf einem türki-schen Teppich52. Aufschlußreich ist weniger das Faktum selbst, als vielmehr daß es fürdie Krönung von 1562 berichtet wurde. Die Anwesenheit einer türkischen Gesandt-schaft in Frankfurt machte die im Rahmen von Wahl und Krönung mehrfach durch denneuen König zugesagte Verteidigung des christlichen Glaubens besonders dringlich53.

Außerdem läßt sich beobachten, daß am Ende des 16. Jahrhunderts im Zeremoniell derosmanischen Herrscherinvestitur die Schwertgürtung auftauchte. Diese war ein tradier-ter Bestandteil des Krönungsaktes im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. Vordem Hintergrund der türkischen Anwesenheit scheint es naheliegend, hier an eineÜbernahme zu denken, die sich auch deshalb besonders angeboten haben könnte, weil

48 1575 bekam die türkische Botschaft am Wiener Hof zum Beispiel lediglich Verehrungen im Wertvon 1197 Gulden, HKA, HolZahlamtsbuch 1575, fol. 177.

49 Zu Reichstagen und Türkenhilfe ausführlich Winfried SCHULZE, Reich und Türkengefahr imspäten 16. Jahrhundert. Studien zu den politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen einer äußerenBedrohung (München 1978).

50 HABERSACK,Krönungen (wie Anm. 29) 166.51 Zum Krönungsakt von 1562 vgl. mit weiterführender Literatur Harriet RUDoLPH, Kontinuität

und Dynamik - Ritual und Zeremoniell bei Krönungsakten im Alten Reich: Maximilian 11., Rudolfll.und Matthias im Vergleich, in: Krönungs- und Investiturrituale, Symposium des Sonderforschungsbe-reichs Ritualdynamik der Universität Heidelberg - 6. bis 8. November 2003 im Internationalen Wissen-schattsforum, hg. von Stefan WEINFURTER-Marion STEINICKE(im Druck).

52 HHStA, MEA WaKr 5, fol. 81. Für die Feier zur polnischen Königswahl 1576 in Wien überlie-fert eine Neue Zeitung, daß die stärksten Salven bewußt in der Nähe der türkischen und polnischen Ge-sandtenquartiere abgefeuert worden seien: Warhaffte Newe Zeitung, Welcher massen die Eömische[!]Keis. Majest. unser Allergnedigster Herr von den Polnischen Abgesandten in Wien zu einem König inPolen declariert und außgeschryen worden, Was auch die Türckische Bottschafft vor beschehener Wahldasselbsten geworben und anbracht [... ] (Frankfurt am Main 1576).

53 Vgl. dazu Gerd KLEINHEYER,Die kaiserlichen Wahlkapitulationen. Geschichte, Wesen undFunktion (Studien und Quellen zur Geschichte des deutschen Verfassungsrechts 1, Karlsruhe 1968):Günther LOTTES, Zwischen Herrschattsvertrag und Verfassungsnotariat. Die Wahlkapitulationen derdeutschen Kaiser und Könige, in: Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. Fesrschriftfür Peter MORAW,hg. von Paul-Joachim HEINIG (Historische Forschungen 67, Berlin 2000) 133-148:Die Ordines für die Weihe und Krönung des Kaisers und der Kaiserin, hg. von Reinhard ELZE (MGHFontes iuris Germanici antiqui in usum scholarum 9, Hannover 1960).

Türkische Gesandtschaften ins Reich am Beginn der Neuzeit 305

es sich bei dem dazu verwendeten sogenannten Säbel Karls des Großen der Legende nachum eine Waffe aus dem Besitz Harun al-Raschids handelte54.

Kurz vor seiner Abreise am 6. Dezember 1562 empfing Ferdinand I. Ibrahim Beynochmals zur Audienz55. Das Antwortschreiben und die Übergabe des Tributes, die derLegat bei dieser Gelegenheit für seinen Herrscher einforderte, erhielt er gleichwohlnicht. Nachdem er sich daraufhin in einer Audienz am 8. Dezember 1562 bei Maximi-lian 11. zum höchsten beschwerdt56 hatte, schickte Ferdinand immerhin von Speyer ausein Schreiben an Ibrahim Bey, in dem er die Entsendung eines Kuriers mit einem Ant-wortschreiben an den Sultan ankündigte57. Die türkische Gesandtschaft verließ erstnach dem Kaiser Frankfurt am Main und kehrte über Wien nach Konstantinopel zu-rück58.

Die mediale Aufbereitung des Ereignisses

Nie zuvor war eine türkische Gesandtschaft so weit ins Reich gekommen und niezuvor war sie während der Wahl und Krönung eines Römischen Königs anwesend gewe-sen. Schon aus diesen beiden Gründen wurde das Ereignis durch eine Vielzahl von Me-dien im sozialen Gedächtnis gespeichert, die bei anderen türkischen Gesandtschaften imUntersuchungszeitraum nicht nachweisbar sind59. Eine zentrale Rolle spielten dabei dieereignisnah publizierten Wahl- und Krönungsberichte. Mit Maximilian 11.erreichte dieWahl- und Krönungspublizistik eine völlig neue Quantität und auch Qualität. Damitwurde auch das Ereignis der türkischen Gesandtschaft in einem Ausmaß dokumentiert,das zuvor undenkbar gewesen wäre. Im folgenden möchte ich anhand einiger spezifi-scher Beispiele unterschiedliche Medien der Erinnerungskultur vorstellen und dabei aufihre inhaltlichen und formalen Besonderheiten eingehen. Ich konzentriere mich auf denZeitraum bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts.

54 Zwar waren die Türken bei der Krönung selbst nicht anwesend; Informationen über den Ablaufdes Krönungszeremoniells waren jedoch auch auf anderen Wegen zu bekommen, so etwa über mündli-che Berichte oder den Erwerb von publizierten Krönungsbeschreibungen.

55 Am selben Tag erhielt Georg Ilsung aus der Böhmischen Kammer Geld, um die türkische Bot-schaft abzufertigen, HKA, Hoffinanzakten, Faszikel 9 (1562f.), fol. 350.

56 Bericht Maximilians II. an Ferdinand 1. vom 8. Dezember 1562, HHStA, Staatenabteilungen,Türkei I, Karton 16, Korrespondenzen 7-12/1562, fol. 89.

57 Außerdem monierte er die unterschiedlichen Inhalte des von ihm unterzeichneten und des vomSultan ratifizierten Vertrages. Die inhaltlichen Differenzen zwischen den türkischen und den habsburgi-schen Vertragsversionen waren schon in den Jahren der Aushandlung des Waffenstillstandsvertrages eindauernder Streitherd zwischen beiden Seiten gewesen. Die aktuelle Vertragsversion kritisierte Busbecqschon vor seinem Eintreffen in Frankfurt gegenüber dem Kaiser, HHStA, Staatenabteilungen, Türkei 1,Karton 16, Korrespondenzen 7-12/1562, fol. 71-73; vgl. auch die Relation Busbecqs über seine Ver-handlungen in Konstantinopel, ebd. fol. 19-28v

; außerdem HAMMER-PURGSTALL,Geschichte (wieAnm. 4) 2 281.

58 Für den Aufenthalt in Wien sind Informationen zur Kostfreihaltung der Gesandtschaft erhalten,HKA, Reichsakten Nr. 173, fol. 1-11. Für die Kostfreihaltung der Gesandtschaft von 1565 vgl. Kar! Vo-CELKA,Eine türkische Botschaft in Wien 1565, in: Beiträge zur neueren Geschichte Österreichs, hg. vonHeinrich FICHTENAu-Erich ZÖLLNER (Veröffentlichungen des Instituts für Österreichische Geschichts-forschung 20, Wien 1974) 102-114.

59 Zum Themenkomplex soziales Gedächtnis und Erinnerungskultur vgl. stellvertretend mit wei-terführender Literatur Christoph CORNELISSEN,Was heißt Erinnerungskultur? Begriff - Methoden -Perspektiven. Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 54 (2003) 548-563.

306 Harriet Rudolph

Grundlegende Bedeutung für die folgenden Publikationen besaß die Wahl- undKrönungsbeschreibung, die Georg Rabe 1562 in Frankfurt am Main herausbrachte6o.

Denn hier fanden sich angehängt an die Beschreibung von Wahl und Krönung jene vierTexte, auf die spätere Publikationen immer wieder rekurrieren sollten und auf die hierbereits im Titel des Werkes hingewiesen wurde: (1.) die Furierliste der türkischen Ge-sandtschaft, (2.) die Ansprache des Legaten, (3.) der Waffenstillstandsvertrag und (4.)das Verzeichnis der Geschenke61.

Der zweite Text ging auch auf den Ablauf der ersten Audienz am 27. November1562 ein. Dabei ging es nicht um politische Materien, sondern ausschließlich um dasZeremoniell der Audienz: die mehrfachen bodentiefen Verneigungen der Türken vordem Kaiser, das Küssen des kaiserlichen Mantelsaums und die Verbeugungen IbrahimBeys während seiner Rede, immer dann, wenn er die Namen von Sultan und Kaiser er-wähnte. Über Ferdinand I. wird berichtet, daß er sich bei der Nennung Süleymansdurch den Legaten regelmäßig etwas erhoben habe, um seinen Respekt zu bekunden62

.

Auch die rhetorische Frage des Legaten an Ferdinand, welcher der anwesenden Fürstensein Sohn sei, schildert der Text. Nachdem Ferdinand I. selbst mit dem Finger auf Ma-ximilian gezeigt hatte, gratulierte der Gesandte Maximilian zur Wahl und sagte ihm einelange und glückliche Herrschaft voraus. Abschließend werden die Geschenke des Sul-tans an Ferdinand I. aufgeführt. Die Antworten Selds oder gar die erregte ZwischenredeIbrahim Beys spart der Text aus.

Der publizierte Vertragstext unterschied sich in einigen Punkten von der türkischenUrkunde. So wurde zum Beispiel die Passage ausgespart, in der das habsburgische Kai-sertum als niedrigste Stütze meines [Süleymans] glückhaften Thrones charakterisiertwurde63. Beide Herrscher werden als Keyser betitelt, während das Original vom Impera-tor der Länder der Deutschen, König und Beherrscher der Tschechen, Slowenen und Kroatenund vieler anderer Länder und vom Sultan der Sultane des Ostens und des westens sprichtund diesen damit dem Kaiser überordnet64. Die 30.000 ungarischen Dukaten werden

60 Beschreibung 1562 (wie Anm. 42). Mitherausgeber waren Sigismund Feyerabend und die Erbenvon Weygand Han.

61 Die vier Texte wurden in einer nun auch die böhmische und die ungarische Krönung umfassen-den Version 1563 erneut veröffentlicht: Warhafftige Beschreibung, welcher gesralr die Königkliche wirdeMaximilian und Frewlin Maria, geborene Königin auß Hispanien, dero Gemahel, zu Böhemischen Kö-nig und Königin in Prag den 20. Septembris dieses 1562. jars gekrönt worden [... ]. Auch Ebrahim Strot-sehen, desß Türckischen Keysers BoftSchaft, für Röm. Key. Mt. auch andern Chur und Fürsten anbrin-gen mit sampt seinen herrlichen Geschencken etc. [... ] (Frankfurt am Main 1563).

62 Vergleiche mit dem osmanischen HofZeremoniell werden nichr gezogen: Süleyman verblieb wäh-rend seiner Audienzen völlig regungslos. Für Salomon Schweigger zeigre sich in der Behandlung derhabsburgischen Gesandten an der Hohen Pforte Despekt und Spott [... ], auf daß männiglich sehe, daß dieTölpel nichts halten von dem höchsten Haupt der Christenheit, dem Römischen Kaiser, und von seiner Maje-stät Macht und Gewalt, Salomon SCHWEIGGER,Ein newe Reyßbeschreibung auß Teurschland Nach Con-stantinopel vnd Jerusalem [... ] Mit hundert schönen newen Figuren / dergleichen nie wird gewesen seyn[... ] (Nürnberg 1608, Nachdr. Graz 1964) 60. Vgl. dazu auch Anton C. SCHAENDLINGER,Der Status derhabsburgischen Gesandten an der Hohen pforte zur Zeit Süleymans des Prächtigen. Zeitschrift der Deut-schen Morgenländischen GesellschaftSupplement 7 (1989) 229-234.

63 SCHAENDLINGER,Schreiben (wie Anm. 9) Urkunden 25 (Vertrag) und 26 (Beglaubigungsschrei-ben). Im Beglaubigungsschreiben heißt es noch König von Wien. Ebd. Urkunde 16. Auch im abgedruck-ten Text der Proposition wurden beide Herrscher als Kryserangesprochen, Ferdinand allerdings mit demZusatz erwehlter, Beschreibung 1562 (wie Anm. 42) ohne Folierung.

64 Ebd.

Türkische Gesandtschaften ins Reich am Beginn der Neuzeit 307

im publizierten Text wie im Original nicht als Tribut bezeichnet, wobei das türkischeOriginal die Zahlung sogar als von Ferdinand selbst offerierte und von Süleyman gnädigakzeptierte Leistung darstellt65. Da der Vertrag in der Audienz verschlossen überreichtwurde, müssen die Herausgeber gute Kontakte zum Kaiserhofbesessen haben, sonst hät-ten sie sich kaum ein Exemplar beschaffen können.

Auch die Form des Vertrages wurde im Text ausführlich beschrieben. Der Rotulusbestand aus starkem, gut verleimtem und geglättetem Papier, dessen in der Beschreibungangegebene Maße von einer Dreiviertelelle Breite und sechs Ellen Länge ziemlich genauden Tatsachen entsprachen66. Schon das Format des Vertrages, aber auch die künstle-risch anspruchsvolle und gleichzeitig raumgreifende kalligraphische Gestaltung belegenseine Funktion als Mittel der Herrschaftsrepräsentation. Der Text beschrieb ausführlichdie überaus prächtige Tughra, das spezifische Handzeichen jedes Sultans, sowie das inder Sultansfarbe Grün gehaltene Seidensäckchen, in dem die Urkunde aufbewahrtwurde, und das Sultanssiegel, das durch eine goldene Kapsel geschützt wurde. Auchwenn Süleyman mit der Publikation von formalen Details seines Vertrags kaum gerech-net haben dürfte, sie war ihm sicher sehr recht, dokumentierte sie doch eindrucksvolldas künstlerische und technische Leistungsvermögen der osmanischen Kultur.

Später publizierte Krönungsbeschreibungen wie die von Michael Beuther lehntensich an den Text der Krönungsbeschreibung von 1562 an, obwohl Beuther selbst zurKrönung in Frankfurt am Main anwesend gewesen war. Jedoch fügt er einige Informa-tionen ein. So berichtet er über die Behandlung der Gesandten, man habe ihrent halben,in eynigerley weise oder wege, gar keyne schew gehabt, also auch daß weder jhm noch seinemGesinde, woh sie in der gantzen Statt hin gehen oder reitten gewolt, dasselbig nie gewehrt ge-wesen, wievol Außländischer Potentaten Gesandten, zu Constantinopel oder sonst amTürckischen Hoff, in massen beständlich daruon geredt wird, dergleichen nicht zugelassen67.

Dies zeigt, daß in jenen Gesellschaftsschichten, zu denen Beuther Kontakt hatte, nichtnur spezifisches Wissen über die Zustände am osmanischen Hof vorhanden war, son-dern die Behandlung der türkischen Gesandtschaft in Frankfurt am Main offenbar breitdiskutiert und mit der habsburgischer Gesandtschaften an der Hohen Pforte verglichenwurde.

Im Gegensatz zu der Mehrzahl anderer Autoren verweist der Historiker Beuther anmehreren Stellen seines Berichtes auf die Unsicherheit seiner Informationen. So sei der

65 SCHAENDLINGER,Schreiben (wie Anm. 9) 71. Selbst hofintern sprach man in diesem Zusammen-hang nicht von Tributen, sondern von Verehrungen und Präsenten. Über diese Praxis spottet SalomonSchweigger: Ich will nicht sagen, Tribut' oder ,Schatzung: dann es wär bäurisch, sondern ich will ihm ein ita-lianischen Namen geben, .Präsent: so verstehts der Baur nicht. Dann wann wir Tributarii wären, so wär zubesorgen, wir müßten uns demütigen und nicht so großer Streich austun, und wir müßten alsdann solche Lastunserm Herrn Gott abbitten - so sei es in Gottesnamen ein Präsent. Die Türken, so fährt Schweigger fort,würden es für sich aber sehr wohl Tribut nennen. SCHWEIGGER,Reysbeschreibung (wie Anm. 62) 64f.Vgl. dazu Ernst D. PETRITSCH,Tribut oder Ehrengeschenk? Ein Beitrag zu den habsburgisch-osmani-schen Beziehungen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in: Archiv und Forschung, hg. von Elisa-beth SPRINGER-Leopold KAMMERHOFER,München (Wiener Beiträge zur Geschichte der Neuzeit 20,Wien 1993) 49-58. Allgemein dazu Viorel PANAlTE,The Ottoman Law ofWar and Peace. The OttomanEmpire and Tribute Payers (East European monographs 562, New York 2000).

66 Vgl. im folgenden SCHAENDLINGER,Schreiben (wie Anm. 9) XIIIf. Umgerechnet sind das ca.39 X 304 cm. Invocatio und Intitulatio waren im Gegensatz zu anderen osmanischen Urkunden erwei-tert. Die Papierfläche war kaum zu zwei Drittel gefüllt.

67 BEUTHER,Verzeychniß (wie Anm. 26) ohne Seite.

308 Harriet Rudolph

Vertrag mit Türckischen, vnnd villeicht auch Sclauonischen, woh nicht Arabischen Buchsta-ben geschrieben gewesen68. Allerdings verzichtet der Autor auß bedencklichen Ursachendarauf, den Text des Friedensvertrages abzudrucken. Diese Floskel wurde zeitgenössischimmer dann verwendet, wenn man nicht sagen wollte, worum es eigentlich ging. Mög-licherweise druckte Beuther den Inhalt genau deshalb nicht ab, weil daraus die für Habs-burg ungünstigen Friedensbedingungen klar hervotgingen69. Entsprechend beschränk-ten sich andere zeitgenössische Publikationen darauf, lediglich den Beginn der Utkundemit Invocatio, Intitulatio und Salutatio abzudrucken, deren suggestive Wortgewalt dieZeitgenossen offenbat stark beeindruckte1o. Sie veröffentlichten damit ausschließlichjene Passagen, die dem Lob beider Herrscher dienlich waren.

Übergreifende Darstellungen zu Wahl und Krönung des Römischen Königs über-nahmen zum Teil sogar wortwörtlich den Text der zeitnah erschienenen Krönungsbe-schreibungen. AusAnlaß der Krönung von 1612 erschien in Hanau eine Kompilation derWetke unterschiedlicher Autoren zu den Krönungen von Maximilian 1. bis Matthias71 .

Die Wahl und Krönung Maximilians Ir. wurde hier mit dem Abdruck des lateinischenKtönungsberichtes von Adam und Nikolaus Heyden von 1563 abgedeckt, der die vierTexte ebenfalls beinhalteten. Abraham Hossmann berief sich in seiner 1612 veröffent-lichten Abhandlung zu Wahl und Krönung auf eine Krönungsbeschreibung zu Maximi-lian 11., die Hoffmann und Bringer 1612 anläßlich der Wahl und Krönung des KaisersMatthias herausgebracht hatten73. Hossmann übernahm große Textteile wörtlich,schmückte den Text aber an mehreren Stellen aus. So behauptet er, der türkische Bot-

68 Im folgenden ebd.69 Die 1563 in Köln erschienenen Acta et gesta celeberrimi conventus electoralisbrachten dagegen auf

Latein den gesamten Text, ließen aber die Invocatio weg: Acta et gesta celeberrimi conventus electoralisapud Francofurtum Moeni in Germania nouißime celebrati, nunc primum latine aedita atque lectu im-primis digna, et ad caeroniarum Imperialium cognitionem utilia (Köln 1563) ohne Seite. Daß Einzug,Audienz und Geschenke hier überhaupt nicht erwähnt wurden, war eher unüblich. Das Personenver-zeichnis findet sich reduziert auf einen Satz, indem der Verfasser auf grund der ihm offenbar nur aus zwei-ter Hand vorliegenden Informationen nur von insgesamt 23 Personen, 29 Pferden und 6 Kamelenspricht.

70 Der abgedruckte Text beginnt mit den Worten: Ich bin ein Herr aller Herren, deß Auff und Nider-gangs [... ]. Hossmann übernimmt nach der Salutatio immerhin noch die Passage zur Tributzahlung,streicht aber den Rest mit dem expliziten Verweis auf die Länge des Textes, darunter auch die unerquick-liche Nachforderung des Tributes für die letzten beiden Jahre. Abraham HOSSMANN,Oe electione et co-ronatione Caesariana. Das ist, Von Kayserlicher Wahl und Krönung. Woher solcher hochlöbliche Brauchkommen, wie es allezeit dabey zuvor und hernach gehalten worden [... ] (Leipzig 1612, Nachdr. Naum-burg 1655) 358-360.

71 Inauguratio, coronatio, electioque aliquot imperatorum nempe ä D. Maximiliano Primo, ad D.Matthiam Avsrriacum Augustum &c.; hem Oe Inuestitura Electorum I [ä Mamerano Lucemburgo de-scripta]. Nec non Dissertatio Onvphrii Panvinii ac Michaelis Bevtheri, de Septemuiratu principum Elec-torum [... ] (Hanau 1613).

72 Adam und Nikolaus HEYDEN, Oe electione et inauguratione Maximiliani Austrii II RomanorumRegis [... ] (Frankfurt am Main 1562), hier in: Inauguratio (wie Anm. 71) 122-153.

73 HOSSMANN, Oe electione (wie Anm. 70). Das Vorbild ist die: Wahl- und Crönungshandlung[Krönungshandlung], Das ist, Warhafftige Beschreibung, welcher gestalt weyland der Allerdurchleuch-tigste, Großmächstigste Fürst unnd Herr, Herr Maximilian der Ander, Römischer Keyser, etc. Hochlöb-lichster Gedächrnuß, den 20. Septemb. Anno 1562. zu Prag zum Böhemischen, den 24. Novem. aber er-meltes Jars zu Franckfurt am Mayn zum Römischen König erwehlt, und den letzten desselben Monatsallda in der Pfarrkirchen zu S. Bartholome, wie auch den 8. Septemb. An. 1563. zu Preßburg zum Hun-gerischen König gekrönet worden (Frankfurt am Main 1612). Bei dieser Publikation handelte es sich umeine Neuauflage der Beschreibung 1563 (wie Anm. 61).

Türkische Gesandrschafren ins Reich am Beginn der Neuzeir 309

schafter habe 21 Kamele als Geschenk überbracht, obwohl das kurz dahinter abgedrucktePetsonenverzeichnis nur von sechs mitgebrachten Kamelen spricht74• Aus dem Legaten, derlediglich Hofdolmetscher war, macht Hossmann einen vornehme[n] Wascha zu Adrianopel,der die Schwester des türkischen Kaisers geheiratet habe7s. Der Rang von Gesandten warein sensibler Punkt, zeigte sich doch darin die Bedeutung, die der Auftraggeber selbst derGesandtschaft zuwies. Offenbar aus diesem Grund wertete Hossmann die soziale StellungIbrahims Beys im Unterschied zu den ihm vorliegenden Quellentexten auf. Da er so aus-führlich auf die Gesandtschaft von 1562 eingeht, fällt es besonders auf, daß er bei seiner Ge-samtwürdigung Maximilians 11.den Türkenkrieg von 1566 bis 1568, der die mangelndeTragfähigkeit des 1562 geschlossenen Waffenstillstands erwies, mit keinem Wort erwähnt.

Proposition und Waffenstillstandsvertrag erschienen an unterschiedlichen Ortenauch in mehreren Ausgaben in deutscher, lateinischer und tschechischer Sprache, gewis-sermaßen als Single-Auskopplungen aus den ausführlichen Krönungsbeschreibungen76•

Das öffentliche Interesse an der Türkenthematik und besonders an der Gesandtschaftvon 1562, das diese Ausgaben spiegeln, hatte auch andere Folgen. So war es sicher keinZufall, das der Historischschreiber Heinrich Müller seine Anwesenheit zur Krönung inFrankfurt am Main dazu nutzte, seine deutsche Übersetzung der Cinque libri della legge,religione et vita de' Turchi von Giovanantonio Menavino herauszubringen?? In seinerWidmung an den neuen Römischen König Maximilian 11.bediente Müller zeitgenössi-sche Vorurteile über den blutgierigen, tyrannischen Herrscher Süleyman, und zwar inweit stärkerem Maße, als dies für den von ihm übersetzten Text selbst zutrifft.

Die Gesandtschaft von 1562 wurde darüber hinaus durch Werke der Geschichts-schreibung im sozialen Gedächtnis fixiert, so zum Beispiel in der Vielzahl der Sleidanus-Ausgaben nach 1562, die u. a. von Beuther betreut und eigenhändig fortgeführt wur-den. Während Beuther das Ereignis in seinen Ausgaben zusammenfaßte und nur auf diezeitgenössischen Krönungsbeschreibungen verwies, druckten andere Sleidanus-Ausga-ben die oben angeführten Texte erneut ab78. Der bereits erwähnte Schard übernahm im

74 So auch bei Johann Friedrich FAUSTVONASCHAFFENBURG,Kurtze Verfassung vieler denckwürdi-gen offen bahren Geschichten, sampt alter Kaiserlicher und Teutscher Königen gerechtsame, auch Wah-len und Außtheilung der Erbländer zwischen Teutschland, Franckreich und Lottringen, wie auch: etli-cher Teutschen Reichsstätt Privilegien, Herkommen, und insonderheit der freyen ReichsStatt FranckfurtChronica [... ] (Frankfurt am Main 1660) 330.

75 HOSSMANN,De electione (wie Anm. 70) 358. Die Frau des Großwesirs Rustem, mit dem Bus-becq in Konstantinopel verhandelt hatte, war eine Tochter Süleymans, HAMMER-PURGSTALL,Geschichte(wie Anm. 4) 2282.

76 So zum Beispiel: Anbringen Türckischer Botschafft Ebrahimi Strotschen, gebornen Polecken, soer auff diesen Waaltag allhie in Franckfurt Anno 1562. den 27. Nouembris Für Keyser, König, Chur vndFürsten in Schlauonischer Sprach gethan, item von seinen Herrlichen Geschencken, Keyserlicher May.presentiert, Auch ein kurtze verzeichnuß seiner Diener, Rossen, Gezeug vnnd Camelthieren (Frankfurtam Main 1562, Nachdr. Nürnberg 1562, Straßburg 1562); Oratio [... ] habita [... ] Francofordiae coramimperatore Ferdinando (Ripa 1563). Vgl. GÖLLNER,Turcica (wie Anm. 3) 2 Nr. 1035f., 1039 (tsche-chisch), 1040, 1048f. (lateinisch).

77 Giovanantonio MENAVINO,Türckische Historien: von der Türcken Ankunfft, Regierung, Köni-gen vnd Keysern, Kriegen, Schlachten, Victorien vnd Sigen, wider Christen vnd Heiden; Von Emptern,Befelchs vnd Kriegsleuten der Türckischen Soldanen, vnd wie man wider den Türcken kriegen sol; Item:Von der Türcken Religion vnnd Gesatz, von jrem Gerichts Proceß, von der gemeinen Türcken Leben [... ](Frankfurt am Main, 1. Januar 1563, Originalausgabe Florenz 1548). 1565 kam der zweite Teil heraus.

78 Johannes SLEIDANUS,Warhaffte eigentliche und kurtze Beschreibung aller fürnemer Händel, sosich in Glaubens und andern Weltlichen Sachen, bey Regierung deß [... ] Keyser Carls deß Fünfften von

310 Harriet Rudolph

dritten Band seines Historicum Opus in quatuor tomos divisum ebenfalls die Texre ohnedas Geschenkverzeichnis, beschrieb aber darüber hinaus einige Begebenheiten, die alleanderen publizistischen Werke nicht erwähnten, so etwa die Verärgerung des Legatenüber den wenig repräsentativen Einzug in Frankfurt oder den starken Eindruck, den derWahlzug auf die Türken hinterließ79.

Melchior Goldast druckte in seinen Reichshandlungen die Proposition des Legatenund den Friedensvertrag ab, erwähnte aber zusätzlich, daß der vornehmsre Orator desWesirs von Buda ein Deutscher aus 5chmiedeberg in Kursachsen gewesen sei, der in sei-ner Jugend gefangen genommen worden war und dann am osmanischen Hof aufgestie-gen sei80. Derartige Karrieren ehemaliger Kriegsgefangener kamen am osmanischen Hofim Gegensatz zum Kaiserhof tatsächlich vor, ein Faktum, das im Reich mit Erstaunenzur Kenntnis genommen wurde, weshalb Goldast dies extra erwähnt haben dürfte. In-teresse an der Fremdartigkeit der Gesandten spiegelt die Bemerkung, die Kleidung derTürken sei nicht anders als die der Ungarn gewesen, nur hätten sie wunderliche gefloch-tene Hüte getragen81. Außerdem behauptete Goldast, einer der Türken habe zwei seinerDiener in Frankfurt am Main derart hart bestrafen lassen, daß beide beinahe daran ge-storben wären82. Dies ist im Kontext der hier vorgestellten Berichte das einzige Mal, daßim Zusammenhang mit der türkischen Gesandtschaft direkt oder indirekt auf Bilder desgrausamen Türken rekurriert wird.

Nicht wenige Chroniken aus dem letzten Viertel des 16. und aus dem 17. Jahrhun-dert übernahmen ebenfalls die Texte von 156283. Dies gilt auch für die FrankfurterChronik von Gebhard Florian, fortgeführt durch Achilies August von Lersner, die abereine Reihe von Informationen zusätzlich überliefert, die sonst verloren wären84. 50stammen zum Beispiel fast alle oben berichteten Details zum Einzug der Gesandtschaftaus diesem Werk, für das die Autoren offenbar auf heute verlorene Quellen im Frankfur-

dem Tausent fünffhundert und sibentzehenden biß auff das Tausent fünffhundert und sechsundfünf-figst[!] Jar inn und ausserhalb deß Reichs Teutscher Nation verlauffen und zugetragen haben, Erstlich inLatein beschriben [... ] Nachmals [... ] in rechtschaffen Teursch gebracht: Und jetzund [... ] von newemzugericht Durch Michaelem BEuTHER von Carlstatt [... ] (Frankfurt am Main 1581); vgl. auch die Aus-gaben (Straßburg 1598) 1 751, (Straßburg 1620) 323( Letztere zitiert im Kontext der GesandtschaftSchard sowie de Thou.

79 SCHARD,Hisroricum opus (wie Anm. 22) 2028, das Verzeichnis der rürkischen Botschaft, Propo-sition und Kredenzschreiben ebd. 2086-2094.

80 Melchior von HA1M1NSSFELDT[genannt GOLDAST], Copeylicher Begriff, verschiedener Reichs-Handlungen, und anderer des Heil. Römischen Reichs Acten, Tractaren, Kayserlicher, Königlicher undFürstlicher Mandaten beyde geistlich und weltlich Regiment betreffende; Von Macht und Gewalt desKeysers und Bapsts, Keyserlichen und Königlichen Crönungen, Königlicher Würde und MagistratAmpt, Regalien des Reichs [... ] (Frankfurt am Main 1712) hier 275. Feststellungen dieser Art belegendie Wahrnehmung der verschiedenen Identifikationsräume frühneuzeitlicher Untertanen: lokal, territo-rial und reichisch. Deutsch steht hier für das Reich.

8! Ebd.276.82 Ebd. Da die Passage mit der Zwischen überschrift Ernste Disziplin der Türken hervorgehoben

wird, ist sie jedoch nicht per se negativ zu verstehen. Denn die angeblich stärkere Disziplin im osmani-schen Heer wurde von den Zeirgenossen durchaus auch positiv gewertet und der vermeintlich laschender eigenen Truppen gegenüber gestellt.

83 Zum Beispiel: Bernhart HERTZOG, Chronicon Alsatiae. Edelsasser Chronick unnd ausfürliche be-schreibung des untern Elsasses am Rheinstrom, auch desselben fürnemmer Stärt [... ] Darinn ihre herund ankunffien, leben, handlung, thaten, auch darinnen von anfang dessen biß auf gegenwertiges 1592.Jar gedenckwürdigen vorgangene geschichten [... ] (Straßburg 1592) 183-216.

84 LERSNER,Chronica (wie Anm. 22).

Türkische Gesandtschaften ins Reich am Beginn der Neuzeit 311

ter Stadtarchiv zurückgreifen konnten. Der Text betont, daß noch nie zuvor eine türki-sche Gesandtschaft so weit in das Reich gekommen sei und die Türken zudem die einzi-gen gewesen seien, die während des Wahlkonklaves die Stadt betreten durften85. AndereChroniken schilderten das Wahl- und Krönungsereignis nur kurz. Dabei wurde der Ein-druck erweckt, die türkischen Gesandten seien vor allem gekommen, um dem neu ge-krönten König zu gratulieren und ihn zu beschenken86.

Schließlich berichtete auch Busbecq in seinen Legationis Turcicae Epistolae quatuorüber die türkische Gesandtschaft von 156287. Die im vierten Brief geschilderte Missionvon 1562 war der zentrale Erfolg der diplomatischen Laufbahn Busbecqs, der in diesemZusammenhang vor allem seine eigene Rolle herausstrich88. So habe er genau deshalbFerdinand dazu überredet, die Türken in Frankfurt zu empfangen, damit ihnen ein an-schauliches Bild der Stärke und Eintracht von Kaiser und Reich vermittelt werde89. DenTürken sei bewußt eine Unterkunft zugewiesen worden, von der aus sie die prächtigenWahl- und Krönungszüge hätten sehen können, die sie tief beeindruckt hätten90. Au-ßerdem habe man ihnen noch viele andere Beispiele der Stärke, Würde und Größe desKaisers nahe gebracht, wie man ihnen auch besonders die Herzöge von Bayern, Sachsenund Jülich gezeigt und sie darauf hingewiesen habe, daß jeder von diesen aus eigenerKraft eine ganze Armee mit nach Frankfurt gebracht habe. Die Botschaft war klar:Diese Armeen würden auch im Kampf gegen das Osmanische Reich zur Verfügung ste-hen.

Der Diplomat Busbecq, dessen Reisebeschreibungen sich durch eine hervorragendeBeobachtungsgabe und eine präzise, mitunter hintergründige Sprache auszeichnen, ver-zichtete offenbar bewußt aufInhalte, die seinen Auftraggeber Ferdinand 1. in negativemLicht erscheinen lassen konnten. So erwähnt er zwar das verschlossene Stadttor bei An-kunft der Gesandten91, aber keinerlei Reaktion des Legaten. Genau an der Stelle, an derer eigentlich die kaiserliche Audienz schildern müßte, fügt Busbecq eine mehr als zehn-seitige Panegyrik auf Ferdinand 1. ein, der den Makel der unehelichen Geburt Busbecqsdurch ein kaiserliches Patent aufgehoben hatte und in dessen Dienst der Flame eineglänzende Karriere machen konnte92. Indirekt kann dieser Textteil als Lobrede auf dieeigene Person verstanden werden. Gerade diese Passage spricht sehr dafür, daß Busbecq- entgegen seiner eigenen Behauptung - die Briefe von vornherein für die Veröffentli-chung gedacht hatte.

85 Ebd. 256.86 Zum Beispiel Georg BEATus, Böheimische Chronica, Das ist: Ordentliche vnd gantz nützliche je-

doch kurtze Beschreibung aller vnd jeder des weitberühmten Königreichs Böhmen, Fürsten, Hertzogenvnd Königen, ihrer Ankunfft, Geschlecht, Leben vnnd Regierung [... ] Von Hertzog Cechio [... ] bissauff[ ... ] Rudolffen, den Andern, Römischen Keyser, etc. vnd gekrönten König in Böheimen vollnführet[... ] (Leipzig 1616) 64.

87 BUSBECQ,Epistolae (wie Anm. 12).88 Ebd. 223-314, besonders 287-298.89 Ebd. 297. Busbecq setzt hinzu, daß die Türken auf dem Weg nach Frankfurt außerdem durch

blühende Teile des Reichs reisen würden.90 Ebd. 298. Hans Habersack bemerkt dazu, daß sich der türkische Botschafter dessen nit gnuegsam

verwunndern khünnden. HABERSACK,Krönungen (wie Anm. 29) 161. Schard behauptet sogar, daß Ibra-hirn Bey der prächtige Zug derart beeindruckt habe, daß er darüber glatt die Beleidigung des wenig re-präsentativen eigenen Einzugs vergessen habe. SCHARD,Hisroricum opus (wie Anm. 22) 3 2185.

91 BUSBECQ,Epistolae (wie Anm. 12) 298.92 Ebd. 299-311.

312 Harriet Rudolph

Das Ereignis wurde jedoch nicht nur durch Texte, sondern auch durch bildlicheDarstellungen überliefert, deren Gehalt mitunter über die bloße Illustration der Textehinausgeht, in deren Kontext sie publiziert wurden. Dazu zählt der großformatige Holz-schnitt Jost Ammans, der 1562 als Einblattdruck in Frankfurt am Main erschien93. Mitillustrierten Neuen Zeitungen und Buchillustrationen bediente Amman, der einer dermeistbeschäftigten Graphiker seiner Zeit war, auch zeitgenössisch virulente Vorstellun-gen über den barbarischen Türken94. Seine Darstellung des türkischen Einzugs von1562 in Frankfurt am Main gehört jedoch nicht in diese Kategorie. Sie zeigt vor allemPracht und Reichtum der Gesandtschaft, deren scheinbar endloser Zug sich in einerVielzahl von Kurven durch das Frankfurter Umland schlängelt95. Dieser umfaßt weitmehr Menschen, als es den zeitgenössischen Textquellen nach tatsächlich gewesen seinkönnen. Folgerichtig spricht der Titel des Druckes auch von einer gwaltigen TürckischenBotschafft.

Indem Amman die Ankunft der türkischen Gesandtschaft im Gegensatz zur Realitätzu einem Großereignis ausweitet, bedient er die repräsentativen Bedürfnisse von Kaiser,Reich und Sultan. Denn je größer und prächtiger eine Gesandtschaft ausgestattet war,desto größer und prächtiger wirkten auch ihr Absender und ihr Empfänger. Bei demHolzschnitt handelte es sich jedoch nicht etwa um ein Auftragswerk, das als Mediumder Herrschaftsinszenierung intendiert gewesen wäre. Vielmehr zielte der Druck offen-bar auf ein zahlungskräftiges, an der Darstellungen des Fremden und Außergewöhnli-chen interessiertes Publikum. So weist das Bild bei Kleidung, Pferdegeschirren und Waf-fen einen auffallenden Detailreichtum und eine hohe Varianz auf96. Wen die dargestell-ten Personen im Einzelnen verkörpern sollen, spielte dagegen keine Rolle; auf eine Nu-merierung der Personen und eine entsprechende Legende unter dem Holzschnitt wurdeverzichtet.

Amman, für den sich ein Aufenthalt in Frankfurt für 1562 bislang nicht belegenläßt, war über den Einzug erstaunlich gut informiert. Dies zeigen Details wie die Fackel-träger, die auf die späte Uhrzeit verweisen, oder die präzise Darstellung der Geschenkedes türkischen Sultans, die Amman an zentraler Bildposition - rechts im Vordergrund -

93 Jost AMMAN, Verzeichniß und Beschreibung der gwaltigen Türckischen BotschafFt, einrith zuFranckfurt am Main, Holzschnitt, 57 X 49 cm ([Frankfurt am Main] 1562) [Frankfurt am Main, Histo-risches Museum, C 2905]. Zu Amman vgl. mit weiterführender Literatur Ilse O'DELL, Jost AmmansBuchschmuck-Holzschnitte für Sigmund Feyerabend: zur Technik der Verwendung von Bild-Holzstök-ken in den Drucken von 1563-1599 (Repertorien zur Erforschung der Frühen Neuzeit 13, Wiesbaden1993).

94 V gl. zum Beispiel Wahrhaftige historia, die sich unlängst zu Motzen, In Ungern mit einem gefan-gen christen vnnd Löwen zugetragen (Nürnberg 1576) [Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum,Graphische Sammlung, HB 25013]; oder seine Illustrationen in der zweiten Ausgabe der MüllerschenÜbersetzung von Menavinos Werk über das Osmanische Reich (wie Anm. 77). Hier werden auch Plün-derungen, Vergewaltigungen und Morde ins Bild gesetzt. Vgl. auch den kolorierten großformatigenHolzschnitt der Seeschlacht von Lepanto (Nürnberg 1571) [Berlin, Staatliche Museen zu Berlin - Preu-ßischer Kulturbesitz, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 848-10] oder seine TürkendarsteIlungen im Kunst-büchlin: Darinnen neben Fürbildung vieler Geistlicher unnd Weltlicher Hohes und Niderstands Perso-nen [... ] (Frankfurt am Main 41599).

95 Sachsenhausen im Mittelgrund und das Weichbild Frankfurts mit der Bartholomäuskirche imHintergrund sind klar zu erkennen.

96 Amman zeigt Spieße, Gewehre, Krummsäbel, Messer, Bögen und Schilde. Es finden sich außer-dem mindestens fünf unterschiedliche Formen türkischer Kopfbedeckungen, darunter zum Beispiel dieso genannte Kereder Janitscharen, eine hohe Filzhaube mit langem Nackenbehang.

Türkische Gesandrschafren ins Reich am Beginn der Neuzeir 313

positionierte. Man sieht die sechs in den Textquellen erwähnten, prächtig ausstaffiertenKamele sowie die zwei geschmückten Zelter und den türkischen Hund davor. Nicht zu-letzt in diesen Tierdarstellungen zeigten sich die technischen und künstlerischen Fähig-keiten Ammans, der sein Werk links unten signierte. Und auch dies zeigt, daß es hiernicht primär um Herrschaftsinszenierung geht, sondern vielmehr um die Inszenierungkünstlerischer Meisterschaft sowie um unternehmerischen Profit. Auf der anderen Seitewollte sich der 1562 noch weitgehend unbekannte Amman mit diesem Holzschnitt si-cher auch dem Kaiser und anderen potenziellen Auftraggebern empfehlen97.

Die künstlerische Qualität wird umso deutlicher, wenn man Ammans Druck mitzwei weiteren Darstellungen des türkischen Zugs vergleicht. Die Illustration einer Krö-nungsbeschreibung von 1612 entstand offenbar nach seinem Vorbild und lehnt sich inder Raumkomposition stark an Amman an98. Sie zeigt in etwa denselben Bildausschnitt,reduziert aber den hohen Detailreichtum und die Kleinteiligkeit der Ammanschen Dar-stellung stark. Der Zug der Gesandten ist kürzer, Wagen, Kamele oder andere Ge-schenke fehlen. Fast alle Türken tragen Turbane, offenbar um sofort als solche identifi-zierbar zu sein. Das illustrierte Titelblatt einer relativ häufigen Version der veröffentlich-ten Proposition fällt in der künstlerischen Qualität nochmals deutlich ab und zeigt au-ßerdem nur einen Teil des Gesandtschaftszugs99. In der Krönungsbeschreibung von1612 findet sich auch ein Kupferstich mit einer Abbildung der Audienz im TrierischenHof, die das Ereignis auf das Wesentliche verkürzt 100: Die Darstellung von Kaiser, Kö-nig und den durch ihre Wappen identifizierbaren Kurfürsten folgt in dieser Zeit gängi-gen Schemata 101. Nur die links erkennbare Gruppe der Türken mit Ibrahim Bey imVordergrund verweist auf den konkreten Anlaß der Audienz.

Abschließend sei ein letztes Bildbeispiel angeführt, in welchem das vom FrankfurterRat anläßlich der Krönung organisierte Feuerwerk gezeigt wird102. In diesem Feuerwerkwurde nicht wie sonst häufig der Kampf zwischen Osmanischem und Heiligem Römi-schen Reich, sondern nur das Reich inszeniert103. An zentraler Position in der Darstel-lung - in der Mitte sowie etwas rechts des Vordergrundes - ist unter den Zuschauerneine Gruppe von mit Schild und Waffen gerüsteten Türken zu erkennen. Die gegenläu-fige Bewegung der Pferde und das erhobene Streitbeil eines Reiters zeigen, daß hier keinfriedliches Zuschauen, sondern eine offenbar gewaltsam ausgetragene Konfrontation

97 Amman arbeitete danach mehrfach für Maximilian II. Vgl. zum Beispiel seine Apotheose KaiserMaximilians 11. (Kupferstich von 1571 nach Wenzel Jamnitzer) [Wien, Graphische Sammlung Alber-tina, Inv.-Nr. ALB 48799].

98 Einzug der türkischen Botschaft in Frankfurt am Main 1562 [Frankfurt am Main, HistorischesMuseum, C 604]; enthalten auch in Wahl- und Crönungshandlung (wie Anm. 73) ohne Seite.

99 Die beiden in der Ausführung verunglückten Kamele waren offenbar der Grund dafür, daß GöH-ner die Vignette als Reitergefechr identifizierte, GÖLLNER,Turcica (wie Anm. 3) 2 Nr. 1035.

100 Wahl- und Crönungshandlung (wie Anm. 73) ohne Seite.101 Zwei Srufen erhöht saß - hier ganz links - der Kaiser, eine Stufe darunter und rechts von ihm der

römische König sowie ebenerdig die drei geistlichen Kurfürsten. Links vom Kaiser saßen die weltlichenKurfürsten. Die übrigen Anwesenden standen zu beiden Seiten des Raumes.

102 Frankfurt am Main, Historisches Museum, C 606; Wahl- und Crönungshandlung (wieAnm. 73) ohne Seite.

103 Ein solches Motiv hätte angesichts der gerade überbrachten Ratifikation des Friedensvertragesmöglicherweise auf die in Frankfurt anwesenden Gesandten befremdlich gewirkt. Allerdings hatte manim 17. Jahrhundert auch kein Problem damit, Mitglieder türkischer Gesandtschaften zu Türkenkopfren-nen einzuladen. Vgl. TEPLY,Gesandtschaften (wie Anm. 1) 25.

314 Harriet Rudolph

zwischen den Türken und anderen Krönungstagsbesuchern abgebildet wird. Natürlichist es der Türke, der die Waffe erhebt. Damit konterkariert der Kupferstich den Textin-halt der Krönungsbeschreibung, der er als Illustration beigefügt worden war, denn dieserbetonte gerade die friedlichen Absichten der Türken. Wie weit der Stecher hier einereale Begebenheit ins Bild setzte oder ob er damit auf die Brüchigkeit des eben geschlos-senen Vertrages hinweisen wollte - schließlich entstand die Darstellung fünfZig Jahrenach dem Ereignis -, läßt sich nicht abschließend klären104.

Zusammenfassung

Das Auftreten der türkischen Botschaft 1562 in Frankfurt am Main erwies sich fUrKaiser und Sultan als einmalige Gelegenheit, die eigene Größe und den Dominanzan-spruch über den Gegner vor den Ständen des Reichs und darüber hinaus vor den Ge-sandtschaften anderer europäischer Monarchen wirkungsvoll in Szene zu setzen. Die In-szenierung des Friedensschlusses erreichte eine Reichsöffentlichkeit, die sonst selten dieMöglichkeit hatte, sich mit eigenen Augen ein Bild vom militärischen und religiösenGegner zu machen. Dabei erhöhte die Anwesenheit der Gesandtschaft einerseits die Re-putation des Kaiserhauses, denn keiner der anderen anwesenden Reichsfürsten wäre vonSüleyman dem Prächtigen mit einer Gesandtschaft beehrt worden. Andererseits doku-mentierte das von seiten der Türken zur Schau gestellte ökonomische, militärische undkulturelle Leistungsvermögen auch das Ausmaß der osmanischen Bedrohung, das sichbeim nächsten Reichstag über die Reichstürkenhilfe eventuell in klingende Münze um-setzen ließ.

Das starke öffentliche Interesse an dieser türkischen Gesandtschaft belegen die zahl-reichen erhaltenen Text- und Bildmedien, von denen ich hier nur einige exemplarischvorstellen konnte. Über Flugblätter und Druckschriften wurde das Ereignis im sozialenGedächtnis gespeichert, und zwar über den eigentlichen Ort des Geschehens hinaus.Denn die Krönungsbeschreibungen, Chroniken, Neuen Zeitungen oder auch anderenpublizistischen Werke wurden auch außerhalb von Frankfurt am Main gedruckt undvertrieben. Dabei wurden primär jene Inhalte memoriert, die der Herrschaftsrepräsenta-tion beider Monarchen dienlich waren. Mit wenigen Ausnahmen transportierten dieMedien der Erinnerungskultur die Idee eines - wenn auch erkauften - friedlichen Aus-gleichs mit dem Osmanischen Reich, dessen 1562 in Frankfurt erschienenen Vertreternman für ihr Auftreten offenbar Bewunderung zollte.

Dies stand im Gegensatz zum Tenor einer Vielzahl der zeitgenössischen Turcica, indenen sich die Autoren in verbalen und visuellen Beschreibungen des säbelrasselnden,blutgierigen, Frauen und Kinder mordenden Türken ergingen. Aber die zeitgenössi-schen Imaginationen des Türken hatten eben unterschiedliche, sich widersprechendeFacetten: Bewunderung für das Leistungsvermögen der osmanischen Kultur und Angstvor dem militärischen und religiösen Kontrahenten standen nebeneinander. Das me-diale Echo der türkischen Gesandtschaft von 1562 gehört dabei eindeutig in die ersteKategorie.

104 Bereits am 8. Dezember 1562 protestierte Süleyman schriftlich bei Kaiser Ferdinand I. wegen ei-ner angeblichen Grenzverletzung, HHStA, Türkische Urkunden, Reg. 396.