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Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) - Kulturwissenschaftliche FakultätProfessur für Vergleichende Literaturwissenschaft und Medienforschung
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Demokratie undInformationsvermittlung im
Internet?
Eine Analyse der Onlineberichterstattung von ARD undRTL am Beispiel der Dienstwagenaffäre 2009.
Von Sebastian MantheyMatrikelnummer: 25824
Im Rahmen der Vertiefungsveranstaltung:"The Medium is the Message?"
Wintersemester 2008/2009
Leiterin: Dr. Marie-Luise Bernreuther
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) - Kulturwissenschaftliche FakultätProfessur für Vergleichende Literaturwissenschaft und Medienforschung
Inhalt Seite
1. Einleitung
2. Kommunikation, Nachrichten und Gesellschaft im 21. Jahrhundert 1 - 5
3. Grundlagen der ARD 5 - 6
3.1 Das Online-Angebot der ARD 6 - 10
3.2 Finanzielle und rechtliche Rahmenbedingungen 10 - 11
3.3 Tagesschau.de – Aufbau und Besonderheiten 11 - 15
4. Das RTL Online-Angebot 15 - 17
5. RTLaktuell.de – Aufbau und Besonderheiten 17 - 21
6. Vergleich der Online-Berichterstattung zur Bundestagswahl 2009 21
6.1 Die Dienstwagenaffäre 2009– Eine Analyse 21 - 25
6.2 Ergebnisse 25 - 27
7. Fazit: Demokratie und Informationsvermittlung im Internet 27 - 29
Literaturverzeichnis
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1. Einleitung
Unsere Kommunikations- und Informationsgewohnheiten befinden sich in einem
grundlegenden Wandlungsprozess. War es früher noch üblich sich abends vor den
Fernseher zu setzen und die Tagesschau zu sehen, ist die heutige Nachrichtenkultur vom
„Download“ und der ständigen Verfügbarkeit von Informationen im Internet geprägt.
Das Internet hat sich zum Massenkommunikationsmittel entwickelt. Es hat die Rolle
eines vierten, tagesaktuellen Mediums neben den Printmedien, dem Radio und dem
Fernsehen eingenommen und gewinnt damit für alle Medienanbieter, ganz besonders
auch für TV-Sender, immer mehr an Bedeutung. Laut aktueller Studie der Initiative D21
sind im Jahr 2009 bereits 69,1 Prozent der Deutschen online – zur letzen
Bundestagswahl 2005 waren es gerade einmal 55 Prozent. Laut „SPIEGEL“ und „stern“
informieren sich sechzig Prozent der Unter-30-Jährigen "häufig" bis "sehr häufig" über
Politik im Netz, für 36 Prozent der Jugendlichen ist das Internet bereits die wichtigste
Informationsquelle. Das WWW ist, auch in Bezug auf die Wahlberichterstattung, damit
zu einem der meist genutzten Medien geworden. Dabei gehen mit dieser gravierenden
Änderung der Informationsgewohnheiten auch enorme Auswirkungen auf unsere
Alltagskultur und unser „Wissen von Welt“ einher. Folglich stellt sich die Frage, wie
Nachrichten im Wahlkampf des 21. Jahrhunderts online vermittelt werden, wie sich die
Angebote einzelner Medien im Netz unterscheiden und welche Auswirkungen sie auf
den Ausgang der Bundestagswahl 2009 haben.
Vor dem Hintergrund der Wahl des 17. Deutschen Bundestages sollen im Rahmen dieser
Arbeit die Internetauftritte von RTL und ARD sowie deren Nachrichtenportale
tagesschau.de und RTLaktuell.de auf ihre Berichterstattung zur so genannten
„Dienstwagenaffäre“ analysiert werden. Dabei dient ein Überblick über die aktuellen
Entwicklungen und die rechtlichen Rahmenbedingungen der Online-Berichterstattung
der anfänglichen Orientierung. Da sich die Rahmenbedingungen für die ARD Online-
Angebote umfangreicher gestalten, soll von vornherein ein größerer Fokus auf diese
gelegt werden. Neben einer anschließenden Analyse des Aufbaus der Internetseiten
tagesschau.de und RTLaktuell.de soll anschließend die Berichterstattung zur
Bundestagswahl im Zeitraum vom 01.07.2009 bis zum 27.09.2009 verglichen werden.
Dabei stellen sich vor allem die folgenden Fragen: Welche Nachrichten werden
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überhaupt zum Thema? Mit welchen Verfahren werden die Ereignisse dargestellt und
welche wirkliche Relevanz haben sie? Wie erfolgt die (multimediale) Einbettung in die
Seite? Die Analyse wird anhand der so genannten Dienstwagenaffäre durchgeführt, die
die Nachrichten im Vorfeld der Bundestagswahl weitestgehend dominiert hat. In einem
anschließenden Kapitel sollen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der
Berichterstattung zwischen der Tagesschau-Online und RTLaktuell.de herausgearbeitet
werden. Die Auswirkungen und Folgen der Online-Berichterstattung auf die Meinung
der Wählerinnen und Wähler sowie ihre gesellschaftlich-demokratische Dimension
werden in einem abschließenden Fazit näher untersucht.
2. Nachrichten, Kommunikation und Gesellschaft im 21. Jahrhundert
Noch nie war das Internet als Informationsmedium so wichtig wie heute. Laut „SPIEGEL“
und „stern“ ist das Netz für die Jugendlichen und unter 30-Jährigen zur wichtigsten
Informationsquelle avanciert und das hauptsächlich aus zwei Gründen: der ständigen
Verfügbarkeit von Informationsangeboten und der Möglichkeit der eigenen Auswahl
(Vgl. Spiegel-Online.de 18.06.2009 und stern.de 25.06.2009). Die hochselektive
Fernsehberichterstattung ist „aus der Mode gekommen“. Der Zwang zum
Nachrichtenmix, der alle Zielgruppen anspricht, existiert im Internet nicht mehr. Der
User selbst sucht sich seine Inhalte aus, bestimmt darüber welche Themen für ihn
interessant sind und welche nicht. Nachrichten können heute jederzeit und überall
abgerufen werden, ob mit dem Handy oder dem Laptop. Aber nicht nur die räumliche
Ungebundenheit, sondern auch eine viel größere Entfaltung des journalistischen
Potentials gehört zu den Vorteilen der immer größer werdenden Zahl von
redaktionellen Online-Angeboten. Dabei treffen diese Angebote auf ein immer größer
werdendes Interesse. Immer mehr Menschen nutzen das Internet: Im Jahr 2009 waren
beinahe 70 Prozent der deutschen Bevölkerung (46,3 Mio. Menschen) online. Laut
Studie der Initiative D21 planen weitere vier Prozent den Einstieg ins Internet innerhalb
der nächsten 12 Monate. Wie Abbildung 1 zeigt, hat sich die Zahl der Internetnutzer in
Deutschland innerhalb von gerade einmal acht Jahren fast verdoppelt. Ein klarer
Indikator dafür, dass wir uns auf dem Weg in die digitale Gesellschaft befinden, in der
das Internet als Kommunikations- und vor allem auch Informationsmedium eine
herausragende Rolle einnehmen wird.
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Abb. 1 - Ergebnisse (N)Onliner-Studien der Initiative D21 – 2001 bis 2009 im Vergleich
Die deutsche Medienlandschaft und unsere Kommunikation befinden sich bereits seit
knapp 25 Jahren im Umbruch. Erst erweiterten Mitte der 80er Jahre eine Vielzahl von
privaten Anbietern das TV-Spektrum in Deutschland, dann trat Mitte der 90er Jahre das
Internet seinen bis heute währenden Siegeszug rund um die Welt an. Dabei kannten
1996 mehr als die Hälfte der Deutschen noch nicht einmal den Begriff „Internet“ (Vgl.
Schrag 2007: 44). Das WWW hat die Kommunikation, vor allem in den hochentwickelten
Industriestaaten, dramatisch verändert und ist für viele Bundesbürger ein fester
Bestandteil des täglichen Lebens geworden. Diese Entwicklung geht auch mit dem
Begriff Multimedia einher, also der Kombination von Sprache, Texten, Bildern und Tönen
mit der Computertechnik (Vgl. Schrag 2007: S. 45). Seit der Jahrtausendwende wird dem
bisher passiven Konsumenten von Informationen erstmals die Möglichkeit gegeben zu
partizipieren: In einer Welt von Weblogs, Twitter und Facebook, dem so genannten
„Mitmachnetz“, selbstgestaltender Akteur zu sein. Jeder kann heute sein Video bei
YouTube einstellen und es der ganzen Welt zeigen, seine Bilder und Texte vom letzten
Spanienurlaub bei Facebook hochladen oder vom Flughafen twittern. Auch immer mehr
Fernsehsender und Print-Magazine haben das Potential der multimedialen Angebote
erkannt: Die ARD und das ZDF haben einen eigenen Nachrichtenkanal auf YouTube, per
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Twitter können Eilmeldungen von Spiegel-Online empfangen werden und auch der
Newsroom der Welt publiziert die neuesten Nachrichten zeitgleich auf www.welt.de und
der eigenen Facebook-Seite. Dabei scheint diese Entwicklung auch in der kommenden
Zeit nicht abzureißen. Laut der Online-Studie-2009 von ARD und ZDF ist vor allem die
steigende Nachfrage nach genau diesen multimedialen Inhalten kennzeichnend für den
aktuellen Trend im Internet: 62 Prozent (2008: 55 Prozent) aller Onliner rufen Videos,
zum Beispiel über spezielle Portale oder Mediatheken ab und schauen zeitversetzt
Fernsehsendungen. 51 Prozent (2008: 43 Prozent) hören Audiofiles wie Podcasts und
Radiosendungen im Netz. Dabei werden auch in Zukunft die größten
Wachstumspotenziale von der älteren Generation ausgehen, den so genannten Silver
Surfern. Schließlich nutzen aktuell gerade einmal 40,7 Prozent der Über-50-Jährigen das
Internet regelmäßig. Dagegen sind es bei den 30-49-Jährigen 84,2 Prozent und bei den
14-29-Jährigen sogar 96,1 Prozent (Vgl. ARD/ZDF Onlinestudie 2009). Da sich das
Internet scheinbar immer mehr als Medium etabliert, tritt es auf der einen Seite in
Konkurrenz zu den „klassischen Medien“, wie Print, Hörfunk und Fernsehen. Es
avanciert zum Kommunikations- und Informationsmedium Nummer Eins:
Abb. 2 - Die Auflagenzahlen aller deutschen Tageszeitungen und die Onlinenutzung inDeutschland im Vergleich. Datengrundlage: Für Tageszeitungen, IVW (Informationsgesellschaft
Leser/Nutzer in Mio.
Jahre
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für die Verbreitung von Werbeträgern) – Stand November 2009. Für die Internet-Nutzer,ARD/ZDF Onlinestudie 2009 sowie Studie der Initiative D21.
Im Gegensatz dazu verlieren die gedruckten Tageszeitungen sowie Fernseh- und
Radionachrichten zusehends an Bedeutung, denn viele Nutzer wenden sich von den
„klassischen Medien“ ab und informieren sich online. Das belegen die in Abbildung 2
verbildlichten Zahlen der Informationsgesellschaft für die Verbreitung von Werbeträgern
(IVW). Das sinkende Interesse an gedruckten Nachrichten äußert sich in der seit 1999
kontinuierlich sinkenden Auflagenzahl aller deutschen Tageszeitungen, von knapp 29
Millionen Exemplaren auf heute gerade einmal 23 Millionen. Zeitgleich stieg die Nutzung
des Internets und damit das Rezipieren kostenloser und schneller Informationen im
Netz fast explosionsartig.
Neben der Konkurrenz durch das Internet ergeben sich für die Herausgeber klassischer
Medien aber auch neue Angebots- und Nutzungsformen. Ein Trend, den auch viele
Fernsehmacher seit Ende der neunziger Jahre erkannt haben und vermehrt auf
Synergie-Effekte setzen. So werden beispielsweise Mediatheken genutzt, um Sendungen
und Nachrichten auch nach der Ausstrahlung anschauen zu können – als eine Art
Zweitverwertung. Auf der anderen Seite besitzen viele Fernsehsender, vor allem im
öffentlich-rechtlichen Sektor, eigene Online-Redaktionen mit weitergehenden
Recherchen und Artikeln. Sie bieten auf diese Weise ein wesentlich umfangreicheres
Nachrichtenspektrum an, als dies im Fernsehen möglich ist. Durch die wachsende
Relevanz des Informationsmediums Internet kommt der Berichterstattung im Netz
jedoch auch eine wichtige gesellschaftliche Rolle zu: Nur der gut informierte Bürger hat
auch eine fundierte Entscheidungsgrundlage bei der Bundestagswahl und kann an den
wichtigen gesellschaftlichen Debatten teilnehmen. Nicht ohne Grund haben die
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ARD, ZDF und dritte Programme) einen
Grundversorgungsauftrag, der auch online zu erfüllen ist. Das heißt, dass das Internet in
Bezug auf die Demokratie und ihre Prozesse, z. B. die Bundestagswahlen, einen
wachsenden Einfluss ausübt. Doch woher wissen die Nutzer, welche Angebote ihnen die
wirklich „relevanten Informationen“ liefern? Es besteht die Gefahr der Entstehung von
Parallelgesellschaften - den so genannten „information rich“ und „information poor“ (Vgl.
Bernreuther 2009: 1). Ein Zustand, der in einer von Wissen und Bildung geprägten
Informationsgesellschaft kaum tragbar scheint. Dabei kann ein qualitativ hochwertiger,
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objektiver und vielfältiger Journalismus nur den öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten bescheinigt werden. Im Folgenden soll daher auf die gesetzlichen
Grundlagen der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender im Allgemeinen und unter Punkt
3.2 insbesondere auf die strikten Reglementierungen der Online-Angebote der ARD
eingegangen werden.
3. Grundlagen der ARD
Deutschland leistet sich mit knappen acht Milliarden Euro (2007), in absoluten Zahlen
das teuerste öffentlich-rechtliche Programm (Vgl. Schrag 2007: 86). Die maßgebliche
Intension des Gesetzgebers hinter den Aktivitäten der öffentliche-rechtlichen
Sendeanstalten ist der so genannte Grundversorgungsauftrag. Der
Rundfunkstaatsvertrag (§ 11 RStV) fasst die Aufgaben von ARD, ZDF und
DeutschlandRadio als Auftrag zusammen, den sie erfüllen müssen, um die Gebühren die
sie erhalten auch zu legitimieren:
§ 11 Abs. 2 RStV: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat in seinen Angeboten und Programmen
einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale
Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben. […] Sein Programm hat der
Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung zu dienen. Er hat Beiträge insbesondere zur
Kultur anzubieten.
§ 11 Abs. 3 RStV: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat bei Erfüllung seines Auftrags die
Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt
sowie die Ausgewogenheit der Angebote und Programme zu berücksichtigen.
Dieser Grundversorgungsauftrag ist Ausfluss verschiedener Urteile des
Bundesverfassungsgerichtes, insbesondere des so genannten „Niedersachsenurteils“
von 1986, und verfolgt im Wesentlichen das Ziel alle Teile der Bevölkerung mit
ausgewogenen und gut recherchierten Informationen, Unterhaltung und Kultur zu
versorgen. Es sind zudem genau die Absätze 2 und 3 des Paragraphen 11, die die
Angebote, besonders in puncto Nachrichten, der öffentlich-rechtlichen Fernsehanbieter
von denen ihrer privaten Wettbewerber unterscheiden - egal ob im Fernsehen oder
online. Während im Jahr 2004 das ZDF mit 50 Prozent den höchsten Informationsanteil
in der deutschen Fernsehlandschaft aufwies – dicht gefolgt von der ARD mi 48 Prozent -
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bestritten die Privaten gerade einmal ein Fünftel ihrer Gesamtsendezeit mit
Informationssendungen (Vgl. Krüger in Media Perspektiven 5/2005: 190-204). Warum
auch? Sie sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sondern betreiben wie beispielsweise
die RTL-Gruppe mit n-tv oder die ProSiebenSat.1 Media AG mit N24, eigene kleine
Spartenkanäle auf denen, ausgelagert vom „Mainstream“, Nachrichten und
Dokumentationen gezeigt werden. Mit hohen Informationsanteilen lassen sich
schließlich nicht so hohe Werbeerlöse realisieren, wie mit Unterhaltung oder Sport.
Doch trotz oder gerade wegen des hohen Informationsanteils stecken die öffentlich-
rechtlichen Rundfunkanstalten seit geraumer Zeit in einer Zwickmühle. Allein schon um
die Finanzierung über die Rundfunkgebühren zu rechtfertigen, müssen sie von einem
breiten Publikum akzeptiert werden (Vgl. Schrag 2007: 87). Das spricht an sich für mehr
Unterhaltung und Sport, andererseits dürfen das aktuelle Tagesgeschehen sowie Kultur
und Minderheitenmeinungen nicht vernachlässigt werden. Durch die ständige
fortschreitende technische Entwicklung, dem Zuschauerschwund in der jüngeren
Zielgruppe und der immer größer werdenden Konvergenz zwischen öffentlich-
rechtlichen und privaten Fernsehinhalten, wird die Frage nach der Legitimation von
ARD und ZDF sowie ihren Gebühren immer wichtiger. Ein anderer in diesem
Zusammenhang relevanter Aspekt des Grundversorgungsauftrags, ist seine enge
Bindung an die vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochene Bestands- und
Entwicklungsgarantie. Sie besagt, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk alle
programmlichen und technischen Weiterentwicklungsmöglichkeiten, insbesondere zur
Erfüllung des Grundversorgungsauftrags, offen stehen. Die Online-Angebote der ARD
fallen somit unter diese Garantie, unterliegen aber trotzdem strengen gesetzlichen
Regelungen.
3.1 Das Online-Angebot der ARD
Da in den vorangegangenen Abschnitten auf die Relevanz des Internets für die
Informationsvermittlung im 21. Jahrhundert und einige wesentliche Grundlagen der
öffentlich-rechtlichen Fernsehsender eingegangen wurde, sollen im Folgenden die
theoretischen Grundlagen an zwei Beispielen untersucht werden. Dazu dienen zum
einen die Online-Angebote der ARD, insbesondere das Nachrichtenportal tagesschau.de
sowie die reichweitenstärkste Nachrichtenseite der privaten Fernsehsender,
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RTLaktuell.de. Sie sollen nach einem kurzen Exkurs in den 12.
Rundfunkänderungsstaatsvertrag anhand verschiedener Kriterien, wie der Navigation,
der Redaktionsstruktur, den Nutzerzahlen, den Multimedia-Angeboten und dem
Gesamteindruck miteinander verglichen werden.
„Neueste Nachrichten aus Deutschland und der Welt, aktuelle Fußballergebnisse im Liveticker,
serviceorientierte Börsentipps, Kulturberichte, Wissenspecials sowie unabhängige
Verbraucherinformationen – ARD.de bietet in einer zunehmend kommerziellen Internetwelt ein
glaubwürdiges journalistisches Angebot, frei von Werbung und Sponsoring.“ (Vgl. ARD Intern
28.07.2009: Alles Rund um ARD Online).
Die 1950 gegründete ARD ist ein Zusammenschluss von neun selbständigen,
staatsunabhängigen Landesrundfunkanstalten, deren Aufgabe es ist, Hörfunk- und
Fernsehsendungen für die Allgemeinheit zu veranstalten und zu verbreiten. Die
einzelnen Landesrundfunkanstalten betreiben einerseits autonome Internet-Angebote,
auf der anderen Seite betreibt die ARD unter „www.ard.de“ einen eigenen Webauftritt.
Dabei besteht das Online-Portal der ARD aus einem Netzwerk regionaler und
überregionaler Telemedienangebote. Einerseits werden hier die Angebote der
Landesrundfunkanstalten genutzt, umgekehrt integrieren die auf ihr Sendegebiet
ausgerichteten Landesrundfunkanstalten die überregionalen Nachrichten und Berichte
der Gemeinschaftsredaktionen tagesschau.de, sportschau.de und boerse.ARD.de (Vgl.
ARD Intern 28.07.2009: Alles Rund um ARD Online). Dabei präsentiert die ARD auf ihrer
Homepage dem Nutzer ein breites Themenspektrum. Der Einstieg in die ARD-Onlinewelt
erfolgt über das Dachportal ARD.de. Danach unterteilt sich das Angebot in die
verschiedenen Sonderbereiche. Die neuesten Nachrichten können über das Portal
tagesschau.de abgerufen werden. Zudem können weitere Spezialangebote zu den
Themen „Sport“, „Börse“, „Ratgeber“, „Kultur“ und „Wissen“ über die obere
Navigationsleiste abgerufen werden. Dabei gibt es auch für Kinder altersgerechte
Online-Nachrichten unter „kinder.ARD.de“. Die Medienplattform "Fernsehen" führt zu
DasErste.de, den Dritten und kooperierenden Fernsehsendern. Über „radio.ARD.de“
können außerdem die Hörfunkangebote der ARD mit allen Radiowellen abgerufen
werden. In der ARD Mediathek, zu sehen in Abbildung 3 am rechten Bildrand, werden die
Audio- und Videoinhalte der verschiedenen Landesrundfunkanstalten miteinander vernetzt.
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Abb. 3 – Der Online-Auftritt der ARD unter „www.ard.de“. Abgerufen am 13.12.2009.
So können beispielsweise die neuesten Nachrichten der Tagesschau online angeschaut
oder abonniert werden. Zusätzlich erlaubt die ARD-Mediathek einen zeitlich geregelten
Zugriff auf verpasste Sendungen und Beiträge aus Hörfunk oder Fernsehen. Mit der
Suchfunktion (Abb. 3) können die Benutzer zeit- und ortsunabhängig Themen und
Stichwörter recherchieren und sich so ihr persönliches Wunschprogramm
zusammenstellen. Auf diese Weise präsentiert ARD-Online ein breites Spektrum an
Inhalten aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissen, Bildung sowie Unterhaltung und stellt
eines der umfangreichsten Informationsangebote im Internet bereit. Ob und inwieweit
die aufwändig gestalteten Themenportalte der ARD den Grundversorgungsauftrag
erfüllen und nicht wettbewerbsverzerrend in Konkurrenz zu den Online-Angeboten
privater Fernsehsender treten, wird bereits seit geraumer Zeit intensiv von der EU-
Kommission beobachtet. Wie aus der Abbildung 4 ersichtlich wird, findet das Internet-
Angebot der ARD auch sehr viele Nutzer. Im November verzeichnete die Dachseite
ARD.de 40,7 Millionen Besucher, dass Nachrichtenflaggschiff tagesschau.de, 23,6
Millionen Online-Besucher. Der englische Begriff Visit (dt. „Besuch“) beschreibt dabei
zusammenhängende Nutzungsvorgänge, also das besuchen verschiedener Unterseiten
eines Online-Angebotes.
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Abb. 4 – Besucherzahlen der ARD Online-Angebote. ARD Intern 10.12.2009.
Ein Visit beginnt, wenn ein Nutzer innerhalb eines Angebotes eine Page Impression, also
den Abruf einer Seite, mit einem Klick erzeugt (Vgl. ARD Intern 10.12.2009: Online-
Nutzungszahlen). Nach diesem kurzen Überblick über das Angebot der ARD, soll nun ein
kurzer Abriss der ARD-Online-Historie gezeichnet werden. Das erste Online-Angebot
nahm bereits im August 1996 seinen Betrieb auf. Unter der Adresse www.ARD.de
eröffnete die ARD ihre eigene Homepage und ermöglichte u.a. einen direkten Übergang
zu den Online-Angeboten der einzelnen Rundfunkanstalten und der
Gemeinschaftseinrichtungen der ARD. Im November 2001 präsentierte die ARD ihr neu
gestaltetes Nachrichtenportal tagesschau.de, das von einer beim NDR angesiedelten
Gemeinschaftsredaktion redaktionell betreut wurde (Vgl. ARD Intern 25.01.2007:
Multimediale Chronik). Eine weitere Umstrukturierung erlebten die ARD-Online-
Angebote im April 2003. Die Websites ARD.de, DasErste.de und tagesschau.de wurden
durch eine gemeinsame Navigation unter dem Dachportal ARD.de miteinander
verknüpft. Zudem wurden mit sport.ARD.de und boerse.ARD.de zwei weitere
redaktionelle Themenangebote gestartet. Ab 2005 bot die ARD vermehrt auch Podcast-
Angebote an, um damit vor allem der veränderten Mediennutzung der jüngeren
Zielgruppe Rechnung zu tragen. Kurz nach Ende der Ausstrahlung der Tagesschau, kann
beispielsweise die Sendung über das Internetportal www.tagesschau.de als Audiodatei
heruntergeladen und auf Wunsch mit einem MP3-Player jederzeit genutzt werden. Im
Juli 2007 bot die Tagesschau auch Informationsangebote auf dem Handy an. Das
Angebot wird dabei seitens der ARD kostenlos zur Verfügung gestellt. Die oft in die
Kritik geratene ARD Mediathek startete ihr Angebot im Mai 2008. Videos und
Hörfunkbeiträge aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Sport, Wissen und Unterhaltung werden
in ihr– übersichtlich nach Themen und Stichwörtern aufbereitet – als Podcast oder
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Download zum Abruf bereitgestellt. Diese Entwicklung wird abgerundet durch den Start
der eigenen ARD-Videoplattform auf YouTube im März 2009. Unter
www.youtube.com/ARD präsentiert die ARD ausgewählte Inhalte aus den Bereichen
Wissen, Information und Unterhaltung. Zum Start des ARD-Channels standen rund 100
Clips zum Abruf bereit. Welche Rahmenbedingungen der ARD für diese und andere
Online-Angebote gesetzt sind, soll im folgenden Abschnitt geklärt werden.
3.2 Finanzielle und rechtliche Rahmenbedingungen
„Hörfunk- und Fernsehprogramme zu veranstalten, kostet Geld. Sender und Studios müssen
gebaut und unterhalten, Leitungen angemietet, Filmmaterial und Tonträger beschafft werden.
Spielfilme und Übertragungsrechte (von Sportveranstaltungen etwa) sind zu erwerben,
Urheberrechte abzugelten, die Leistungen der festangestellten und freien Mitarbeiter zu
vergüten.“ (Vgl. ARD Intern 2009: Finanzen).
Der Großteil der Gelder zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stammt
dabei von seinen Nutzern, aus den so genannten Rundfunkgebühren, die über die
Gebühreneinzugszentrale (GEZ) eingesammelt werden: 80 Prozent der Einnahmen zur
Finanzierung der Landesrundfunkanstalten werden aus diesen Mitteln bezogen. Die
Höhe der Rundfunkgebühren kann jedoch nicht durch die Rundfunkanstalten selbst
bestimmt werden. Die Landesparlamente legen sie in Form eines Staatsvertrags aller
Bundesländer fest, dessen Basis die Empfehlung der unabhängigen Kommission zur
Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) bildet. Aktuell liegt die Höhe
der Gebühren bei 17,98 Euro. Die Einnahmen aus der Rundfunkwerbung betragen etwa
drei Prozent. Dabei sind die Möglichkeiten der ARD, aus Radio- und TV-Werbung sowie
aus Sponsoring Einnahmen zu erzielen, durch gesetzliche Regelungen eng begrenzt. Zu
beachten ist hier jedoch, dass sich dieser Sachverhalt nicht 1:1 vom Fernsehen in das
Internet übertragen lässt, denn hier sind alle Online-Angebote der ARD werbefrei. Diese
Werbefreiheit hat zum einen sehr positive Auswirkungen auf die Benutzerfreundlichkeit
der Seite. Der Besucher kann ungestört die Inhalte rezipieren und wird nicht, wie es
später noch am Beispiel von RTL.de gezeigt werden soll, von aufdringlichen
Werbebotschaften abgelenkt. Zum anderen bleiben die ARD Online-Angebote durch die
Werbefreiheit unabhängig von den finanziellen Mitteln der Werbetreibenden und damit
auch journalistisch hochwertig und objektiv. Fritz Raff, Intendant des Saarländischen
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Rundfunks und Vorsitzender der ARD von 2007 bis 2008 meinte dazu provokant: "Im
Internet verdient man Geld mit Werbung. Unsere Angebote sind werbefrei." (Vgl. ARD
Pressemitteilung vom 31.08.2007). Die restlichen Gelder der ARD stammen, wie es auf
der Homepage heißt, zu etwa 17 Prozent aus Koproduktionen, Kofinanzierungen und
Programmverwertungen (Vgl. ARD Intern 2009: Finanzen).
Maßgeblich, was die gesetzlichen Rahmenbedingungen der ARD Online-Angebote
betrifft, ist der am 01.06.2009 in Kraft getretene 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag.
Er ist ein Vertrag zwischen allen sechzehn deutschen Bundesländern und schafft
bundeseinheitliche Regelungen für das Rundfunkrecht. Der Vertrag wird kontinuierlich
überarbeitet, wobei im Zuge des 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrags vor allem
Regelungen geschaffen wurden, die die öffentlich-rechtlichen Online-Angebote
einschränken. Was bedeutet das für die redaktionellen Inhalte der ARD im Netz? ARD,
ZDF und Deutschlandradio dürfen seit der Inkraftsetzung des Vertrages ihre Fernseh-
und Hörfunkprogramme nur noch bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung ins Internet
stellen, bei Großereignissen und Bundesliga-Spielen bis zu 24 Stunden. Neue und
bestehende Internetangebote durchlaufen seit dem 01.06.2009 einen sogenannten Drei-
Stufen-Test (Vgl. SWR-Unternehmen: Zwölfter Rundfunkänderungsstaatsvertrag). Die
öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten sollen damit nachweisen, dass ihre
digitalen Angebote einen publizistischen Mehrwehrt aufweisen und bestimmen, welcher
finanzielle Aufwand dafür erforderlich ist. Zuständig für die Prüfung sind die internen
Aufsichtsgremien der Sender, also die Rundfunk- und Fernsehräte. Eine weitere
Besonderheit des Vertrages: Zum ersten Mal nennt der Staatsvertrag Unterhaltung
ausdrücklich als Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Telemedien-Angebots. Nicht im
Internet anbieten dürfen ARD und ZDF weiterhin Anzeigenportale, Preis- oder
Versicherungsrechner, kommerzielle Spiele und Musikdownloads, Partner- und
Tauschbörsen sowie Ratgeber-Portale ohne Sendungsbezug.
3.3 Tagesschau.de – Aufbau und Besonderheiten
Nachdem nun die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen der ARD Online-
Angebote ausführlich erläutert wurden, soll im Folgenden der Webauftritt des ARD-
Nachrichtenportals tagesschau.de analysiert werden. Dabei sollen vor allem die
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) - Kulturwissenschaftliche FakultätProfessur für Vergleichende Literaturwissenschaft und Medienforschung
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Navigation, die Top-Themen, die Multimedia-Inhalte, die Redaktionsstruktur, die
Nutzerzahlen sowie der Gesamteindruck näher betrachtet werden.
Bereits seit 1999 gibt es unter „www.tagesschau.de“ ein von den Fernsehnachrichten
weitestgehend unabhängiges Nachrichtenangebot. Seit dem 28.07.2009 zeigt sich das
Nachrichtenportal tagesschau.de in einem leicht veränderten Design. Nach sechs Jahren
wurde die Seite das erste Mal überarbeitet. Dabei wurde tagesschau.de auf eine größere
Bildschirmauflösung optimiert, die Spaltenbreite geändert und die gesamte Seite mittig
ausgerichtet. Nach wie vor bietet die Seite, neben den wichtigsten Nachrichten des Tages
zusätzliche Informationen in Text, Bild, Audio und Video, sowie umfassende Berichte
und Hintergründe zu aktuellen Themen. Erreichbar ist tagesschau.de unter dem Punkt
„Nachrichten“, der Dachseite ARD.de. Das aktuelle Top-Thema – in diesem Fall „Kunduz
Affäre“ – wird hier im oberen Teil der Seite als Aufhänger angezeigt und ist größer
bebildert als die restlichen tagesaktuellen Themen. Darunter folgen, chronologisch und
nach der Relevanz von oben nach unten abgestuft, die weiteren Themen des Tages – hier
in Form des Kopenhagener Klimagipfels. Die linke Navigationsseite unterteilt sich in die
Menüpunkte „Inland“, „Ausland“, „Wirtschaft“, „Regional“ und „Wetter“, sowie die
aktuellen Schwerpunktthemen „Klima“, „Bundestagswahl“ und „Wahlarchiv“. Unter
diesen weiterführenden Nachrichten finden sich auch direkt die Multimedia-Angebote
der ARD, mit der Möglichkeit eines Livestreams der Tagesschau oder einem Aufruf der
letzten Sendung. Desweiteren können in der linken Navigationsleiste verschiedene
Spezialangebote, wie beispielsweise Nachrichten für Kinder oder
Hintergrundinformationen und Meinungen aus der Redaktion über das Tagesschau-Blog
abgerufen werden. Bemerkenswert sind dabei vor allem die unter dem Menüpunkt
„Archiv“ bereitgestellten Dossiers. Bei diesen handelt es sich um ausführlich
recherchierte, chronologisch geordnete Hintergrundberichte zu bestimmenden Themen,
wie z. B. der Finanzkrise, dem Verfassungsprojekt der EU oder dem Weltklimagipfel in
Kopenhagen. Über den Punkt „Info-Services“, stellt die ARD RSS-Feeds, E-Mail-
Newsletter, einen Link zum Tagesschau-Twitter-Account oder auch Podcasts bereit.
Zusätzlich bietet tagesschau.de ihre Inhalte auch auf Englisch an. In der rechten
Navigation, findet der User mit der „Tagesschau in 100 Sekunden“ weitere multimediale
Angebote.
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Abb. 5 – Der Online-Auftritt von tagesschau.de. Stand 16.12.2009.
Darunter ist eine Infografik, eine Umfrage sowie ein Interview zu einer aktuellen
Debatte, wie in Abbildung 5, zu sehen. Diese Angebote bereiten die aktuellen Themen
auf verschiedene Weise auf und betrachten sie aus verschiedenen Blickwinkeln (Vgl. §11
Abs. 3 RStV). Zusätzlich zu diesem sehr breiten Angebotsspektrum berichtet die
Hamburger Redaktion regelmäßig über Internetthemen auf die im Fernsehen nur selten
oder gar nicht eingegangen werden kann und nutzt die neuen Interaktionsmöglichkeiten
des Internets: z. B. in Form von Chatrooms mit Experten und Politikern, Umfragen oder
auch Foren, in denen die Nutzer aktuelle Ereignisse kommentieren können. Im Rahmen
der Bundestagswahl 2009 startete tagesschau.de unter anderem ein spezielles Wahl-
Blog, in dem die aktuellen Themen von den Redakteuren diskutiert und auch hinter den
Kulissen der Wahlsendungen berichtet wurde.
Kommen wir nun zur journalistischen Arbeitsweise der Tagesschau-Online. Erstellt wird
die Internetseite von einer eigenständigen Redaktion mit Sitz in Hamburg, die nach
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eigenen Angaben 365 Tage im Jahr rund um die Uhr besetzt ist. Im September 2009
wurden die seit 2001 ursprünglich getrennten TV- und Online-Redaktionen wieder
zusammengelegt (Vgl. Sadrozinski in Tagesschau-Blog 16.09.2009). Dabei greift die
Redaktion im Wesentlichen auf die Sendungen von ARD-Aktuell, Nachrichtenagenturen,
die eigene Recherche und das Internet zurück. Dazu kommen außerdem die Hörfunk-
und Fernsehbeiträge der ARD-Korrespondenten aus den Landesrundfunkanstalten, dem
Hauptstadtstudio, dem Ausland sowie den Fachredaktionen der ARD. Wie es scheint,
wird diese Vielfalt auch bei den Online-Nutzern sehr geschätzt. Wie in Abbildung 3 zu
sehen ist, konnte tagesschau.de im Wahlmonat September 23,2 Mio. Visits verzeichnen.
Dabei stieg in diesem Zeitraum der Anteil der Nutzer, was sicherlich zu einem großen
Teil der Bundestagswahl am 27.09.2009 zugeschrieben werden kann (Vgl. Meedia
12.10.2009). Ein Blick auf die Verlaufskurve von Google Trends, einem Analysewerkzeug
mit dem Auskunft über die Verteilung bestimmter Suchanfragen über einen Zeitraum
gegeben werden kann, zeigt das mehr als doppelt so viele Menschen tagesschau.de am
Wahlabend nutzten:
Abb. 6 – Veränderung der Suchen nach „tagesschau.de“ im September 2009. Quelle: Google Trends.
Aus Abbildung 6 lässt sich erkennen, dass viele Bundesbürger sowohl dem
Fernsehangebot der ARD, als auch tagesschau.de eine hohe Kompetenz zutrauen. So lässt
sich abschließend zu diesem Kapitel sagen, dass tagesschau.de wohl die größte Auswahl
an objektiven und aktuellen Informationen im deutschsprachigen Netz darstellt. Dies
lässt sich zum einen Teil auf die öffentlich-rechtlichen Rahmenbedingungen, zum
anderen Teil aber auch auf die journalistische Arbeitsweise, die multimedialen Angebote
und die Struktur der Internetseite zurückführen. Unterstützt wird diese These durch
eine aktuelle Studie des Kommunikationsforschungsinstituts aserto, die im Auftrag des
NDR im März 2009 durchgeführt wurde. In einer repräsentativen Umfrage stellte die
Studie fest, dass tagesschau.de das „seriöseste Nachrichtenangebot im Internet bietet“:
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„[…] tagesschau.de bietet die höchste Meinungsbreite und –tiefe sowie die größte
Formenvielfalt […]. Bei der Berichterstattung über den Amoklauf von Winnenden hat sich
tagesschau.de vollständig an journalistische Qualitätsstandards und im Pressekodex
niedergelegte Verhaltensregeln gehalten.“ (Vgl. NDR-Studie 16.03.2009).
Mit dieser abschließenden Einschätzung soll nun der Übergang zum Online-Angebot des
privaten Fernsehsender RTL geschaffen werden. Im Rahmen der Betrachtung soll zuerst
auf die Struktur und die Grundlagen der Online-Angebote von RTL eingegangen werden,
bevor im nächsten Schritt das Nachrichtenportal RTL.aktuell.de mit tagesschau.de
verglichen wird.
4. Das RTL Online-Angebot
Neben den Öffentlich-Rechtlichen, bilden die privaten Fernseh- und Hörfunksender den
zweiten Teil des dualen Rundfunksystems in Deutschland. Sie finanzieren sich anders
als der öffentlich-rechtliche Rundfunk zum Großteil über Werbeeinnahmen oder
Abonnements (Pay-TV), haben keinen Grundversorgungsauftrag und sind meistens in
Form von privatwirtschaftlichen Unternehmen organisiert. Daher ist ihr Programm eher
auf Unterhaltung, als auf gesellschaftlich relevante Informationen und Nachrichten
ausgelegt. Dies ist aus betriebswirtschaftlicher Sicht auch durchaus verständlich.
Schließlich versprechen spannende Shows wie z. B. „Wer wird Millionär“, „Bauer such
Frau“, „Deutschland sucht den Superstar“, Soaps und Sportübertragungen wie z. B. die
Formel 1 hohe Einschaltquoten und damit auch hohe Werbeerlöse. Private
Rundfunkanbieter haben nicht die wirtschaftlichen Möglichkeiten der öffentlich-
rechtlichen Rundfunkanbieter, sondern sind bei der Gestaltung ihrer Inhalte - sowohl im
Fernsehen, als auch im Internet - anderen betriebswirtschaftlichen Zwängen und
Grundlagen ausgesetzt.
Zu den größten und erfolgreichsten privaten Fernsehanbietern in Deutschland gehört
die Mediengruppe RTL. Sie veranstaltet unter anderem die Sender RTL, RTL2, Super
RTL, Vox, n-tv. RTL Television und wird laut eigenen Angaben täglich von über 20
Millionen Zuschauern eingeschaltet. Vor allem in den jungen Zielgruppen, im Alter
zwischen 14 und 49 Jahren, ist RTL der klare Marktführer (Vgl. RTL Television, Über
Uns).
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„RTL Television ist der Sender für die ganze Familie. Im Mittelpunkt der Marke RTL steht eine
breite Zielgruppenansprache, insbesondere innerhalb der werberelevanten Zielgruppe der 14-
bis 49-Jährigen. RTL wendet sich an jüngere und ältere Zuschauer, an Frauen und Männer, an
alle Bildungs- und Einkommensschichten. Kurzum: Bei RTL findet jeder das passende
Programm für sich!“ (Vgl. RTL-Television, Die Marke RTL)
Die in Gütersloh ansässige Bertelsmann AG ist mit einem Umsatz von 18,758 Milliarden
Euro (2007) der größte Medienkonzern Europas und auch weltweit eines der führenden
Medienunternehmen (Vgl. Institut für Medien- und Kommunikationspolitik 2008). Der
Konzern besteht aus ca. 1200 Einzelfirmen oder Firmenbeteiligungen, besitzt
Tochterunternehmen in über 50 Ländern und beschäftigt weltweit mehr als 102.000
Mitarbeiter. Dabei gehört „RTL Deutschland“ zur Bertelsmann-Tochter „RTL-Group“ mit
Sitz in Luxemburg. Mit einem Umsatz von 5,707 Milliarden Euro (2007), 42 TV- und 32
Radio-Stationen in zehn Ländern sowie ca. 30 Produktionsfirmen ist die RTL-Group der
europaweit größte private Rundfunkanbieter.
Von der ersten deutschen Sendung im Jahr 1984 bis zum heutigen Tage, hat sich der
ursprünglich luxemburgische Sender RTL zu einer Unternehmensgruppe mit
zahlreichen Engagements rund um das Fernseh-Kerngeschäft entwickelt. Zur
Mediengruppe RTL Deutschland zählen nicht mehr nur die bereits genannten
Fernsehsender, sondern auch weitere Geschäftsbereiche, wie Online- und Mobile-
Angebote, Telefon- und SMS-Mehrwertdienste, Lizenzen, Games Publishing sowie die
Videoplattform Clipfish und das soziale Netzwerk wer-kennt-wen (Vgl. RTL interactive).
Zusätzlich werden seit Anfang 2006 auch Fernsehserien in kompletter Länge über die
Video-on-demand-Plattform RTL Now vertrieben. Gebündelt sind diese
Geschäftsbereiche unter dem Dach der RTL interactive GmbH. Das Unternehmen mit Sitz
in Köln betreut im Rahmen dessen auch die Online-Angebote verschiedener
Fernsehsender der RTL-Group, wie beispielsweise RTL.de, VOX.de oder Sport.de. Für den
Inhalt der Websites ist eine rund 50-köpfige Zentral-Redaktion zuständig. Sie liefert
Bilder, Texte und Videos für die Angebote aller RTL-Themenwelten und Vox-Angebote.
Dazu kümmern sich die Redakteure auch um die Mobilportale, den Videotext sowie die
iPhone-Apps (Vgl. Meedia 25.11.2009). Auf Grund dieser Redaktionsstruktur und der
„Masse der Aufgaben“ kann davon ausgegangen werden, dass die Artikel und Videos
nicht mit einer solchen Sorgfalt und Recherche produziert werden, wie es beispielsweise
auf tagesschau.de der Fall ist.
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5. RTLaktuell.de – Aufbau und Besonderheiten
Der führende deutsche TV-Sender beim jungen Publikum gehört auch online zur Spitze,
denn mit RTL.de betreibt die RTL interactive GmbH eines der reichweitenstärksten
Online-Angebote in Deutschland.
„Hier finden die User rund um die Uhr beste Unterhaltung und die aktuellsten Nachrichten –
und natürlich alle TV-Highlights: von der Formel 1, über die Box-Events, die RTL-Erfolgsserien
und großen RTL-Shows bis hin zu allen RTL-Nachrichten-Formaten. Inhalte wie Star- und Kino-
News oder Quiz und Spiele bieten Entertainment pur.“ (Vgl. RTL interactive: RTL.de)
Wie dem Statement auf der Internetseite der RTL interactive GmbH zu entnehmen ist,
positioniert sich RTL auch mit seinen Online-Angeboten als zielgruppenorientiertes
General-Interest-Angebot. Spezielle Informationen werden, wie bereits in Kapitel 3
erläutert, auf Spartenkanäle wie n-tv ausgelagert. Aus diesem Selbstverständnis ergibt
sich von vornherein ein ganz anderer Anspruch an die Inhalte der RTL-Online-Angebote.
Der Einstieg in die RTL-Onlinewelt erfolgt ähnlich wie bei der ARD über ein Dachportal:
in diesem Falle RTL.de. Dabei ist die Internetseite in verschiedene Rubriken unterteilt:
Zum einen existiert der Menüpunkt „Informationen“, über welchen das
Nachrichtenportal RTLaktuell.de aufgerufen werden kann. Die angrenzende Rubrik
„Unterhaltung“ und der Menüpunkt „Sendungen A-Z“ liefern Hintergrundinformationen
zu den RTL Fernsehsendungen und machen den Nutzer auf die aktuellen Erfolgsformate,
wie beispielsweise „Bauer sucht Frau“ oder „Deutschland sucht den Superstar“
aufmerksam. Auf der anderen Seite wird unter der Rubrik „Ratgeber“ neben
redaktionellen Angeboten auch so genanntes Affiliate Marketing für dritte Unternehmen
betrieben, also bezahlte Inhalte von externen Dienstleistern angeboten: z. B. für
Partnervermittlungen wie FriendScout 24 oder Privatkreditplattformen wie AuxMoney.
Unter dem Menüpunkt „Spiele“ ist es dem Nutzer möglich der RTL-Spiele-Community
beizutreten und Preise zu gewinnen – ein Angebot, dass viele interessierte Nutzer und
somit auch hohe Werbeerlöse verspricht. Als letze Rubrik bietet „Mein RTL“ eine Art
Social Network mit einer eigene Community sowie Foren, Chatrooms und einem
Newsletter. Auf der anderen Seite werden unter diesem Punkt auch RTL-
Internetzugänge und Mobilfunkangebote verkauft. Auffällig am gesamten RTL Online-
Angebot sind die vielen Anzeigen und Banner.
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Abb. 7 – Das Nachrichtenangebot von RTL.de. Stand 18.12.2009.
Die prominente Platzierung dieser kann am Beispiel der Skat-Werbung in Abbildung 7
sehr gut nachvollzogen werden. Dadurch wirkt die Seite sehr überladen und auch ein
bisschen paradox, wenn neben den letzen Unglücksmeldungen Skat- und Rommé-Spiele
beworben werden. So lässt sich festhalten, dass das Online-Angebot von RTL.de
insgesamt auf eine kommerzielle Ansprache und Nutzung aus ist, was aus
betriebswirtschaftlicher Sicht auch durchaus nachvollziehbar ist. Jedoch wird dadurch
auch der eklatante Unterschied zu den sehr gut strukturierten und informationsreichen
Internetangeboten der ARD sichtbar. Vielfalt, Kultur und wirklich relevanten
Nachrichten sind hier nur in Ansätzen feststellbar.
RTLaktuell.de baut dabei ähnlich wie tagesschau.de auf der gleichnamigen
Nachrichtensendung im Fernsehen auf und bildet das Nachrichtenportal von RTL.de. Auf
Grund der Werbeangebote ist die Seite eher linksbündig ausgerichtet. Ähnlich wie auf
tagesschau.de, gibt es auch hier einen groß bebilderten Aufhänger – das Titelthema: in
diesem Falle die Verletzungen eines kleinen Kindes durch Rohrreiniger. Dabei ist dieses
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Titelthema nicht starr in der Seite verankert, sondern wechselt sich alle fünf Sekunden
mit einem anderen Artikel ab. Daneben findet sich ein Videoangebot unter dem Motto
„Das wichtigste des Tages“. Es hat durchschnittlich eine Länge von einer Minute und gibt
einen kurzen Einblick in die aktuellen Nachrichten. Darunter folgen die weiteren
Titelthemen, bevor dem Nutzer eine breitere Auswahl an Videos bereitgestellt wird. Die
Navigation erfolgt nur über die obere Leiste, weitere Links und Angebote auf der linken
oder rechten Seite, wie auf tagesschau.de existieren hier nicht. Auffällig am RTL-
Nachrichtenangebot sind die Gesichter der Nachrichtensprecher, wie beispielsweise der
RTL-Aktuell Anchorman und Chefredakteur Peter Klöppel, die auf jeder Seite zu sehen
sind. Neben RTL-Aktuell, werden in der Nachrichtenavigation weitere Informationen
unter dem Namen der gleichnamigen TV-Formate, wie „Punkt12“ (Mittagsmagazin),
„Exklusiv“ (Promi-News), „Explosiv“ (Boulevardmagazin), und „Extra“ angeboten. In
diesen werden jedoch weitestgehend die kurzen Videobeiträge aus den Sendungen
präsentiert. Bis auf das Angebot von „Exklusiv“ sucht der Nutzer hier vergeblich nach
Hintergrundinformationen oder weiterführenden Angeboten. Das gesamte
Informationsangebot ist eher auf Bilder und Videos ausgelegt, Artikel, wenn vorhanden
sind nicht sonderlich lang. Neben den tagesaktuellen Themen sowie Boulevard- und
Promiberichten bietet das Portal aber auch ausführliche Informationen über Sport.
Dabei bietet RTL.de aktuelle Informationen in den Rubriken „WM2010“, „Formel1“ und
„Boxen“. Das Nachrichtenangebot wirkt damit insgesamt sehr breit gefächert. Vereinzelt
wird auf Themen der Bundespolitik, wie beispielsweise das Steuerpacket oder auf
Geschehnisse in der Welt, wie dem Kopenhagener Klimagipfel, eingegangen. Jedoch
dominieren Berichte über Unglücke, aktuelle Weihnachtsthemen und Prominente,
sodass das gesamte RTL-Informationsangebot eher auf Unterhaltung, so genanntes
Infotainment ausgelegt scheint. Diese These lässt sich durch die Aussagen des „RTL
Bereichsleiters Online“, Matthias Büchs, bestätigen:
„Wir verstehen uns als Infotainment-Portal und weniger als reines TV-Portal. So gesehen sind
unsere Mitbewerber die General Interest Sites wie Bild.de, Spiegel Online und nicht die
anderer TV-Sender - wie ProSieben.de oder Sat1.de.“ (Vgl. Meedia 25.11.2009).
So lässt sich zusammenfassend sagen, dass im Vergleich zur Tagesschau RTL.de und
seine Informationsangebote eine andere Klientel ansprechen. Dies wird bereits sowohl
am Aufbau, als auch am Inhalt und der multimedialen Darstellung der Internetseite
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deutlich. Die Schlagzeilen sind bei tagesschau.de deutlich stärker auf Politik, Ausland
und Wirtschaft fokussiert, bei RTLaktuell.de hingegen nehmen vermischte und
boulevardeske Themen einen großen Anteil ein. Wie dies auch die Studie des NDR belegt,
unterscheiden sich tagesschau.de und die weiteren Online-Nachrichtenangebote darin,
welche Personen sie abbilden. Während auf privaten Angeboten zumeist prominente
Stars und Sportler im Mittelpunkt stehen, sind die öffentlich-rechtlichen Angebote eher
auf Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft konzentriert. Zudem ist die
Bildsprache bei den Online-Angeboten der ARD in deutlich geringerem Maße emotional
aufgeladen. RTL.de zeigt dagegen häufiger erotische oder, wie in Abbildung 7 zu sehen,
dramatisierende Bildmotive (Vgl. NDR-Studie 16.03.2009). Trotz oder gerade wegen
diesen programm-, sport- und boulevardbezogenen Informationsinhalten scheint den
Verantwortlichen bei RTL die gewünschte Ansprache zu gelingen. Im dritten Quartal
2009 belegte RTL.de noch weit vor der privaten Konkurrenz Platz neun der 20
reichweitenstärksten Internetseiten in Deutschland. Mit 6,49 Millionen eindeutigen
Besuchern, so genannten Unique Visitors, schlägt RTL damit selbst BILD.de oder das
beliebte soziale Netzwerk studiVZ:
Abb. 8 - Top-20-Werbeträger in Deutschland (in einem durchschnittlichen Monat). Angaben in Mio.Unique User für einen durchschnittlichen Monat im Untersuchungszeitraum Juli bis September 2009.Quelle: AGOF e.V. / internet facts 2009-III.
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Welche Folgen die hohe Reichweite des General-Interest-Angebotes von RTL.de und
welche Einflüsse die Art der Berichterstattung auf die Bundesbürger hat, soll im
folgenden Abschnitt geklärt werden.
6. Vergleich der Online-Berichterstattung zur Bundestagswahl 2009
Nach der Analyse des Aufbaus und der Angebote von tagesschau.de und RTLaktuell.de
soll nun die Berichterstattung zur Dienstwagenaffäre im Zeitraum vom 26.07.2009 bis
zum 01.09.2009, in Bezug auf die Bundestagswahl, verglichen werden. Dabei stellen sich
vor allem die folgenden Fragen: Welche Nachrichten werden überhaupt zum Thema?
Mit welchen Verfahren werden die Ereignisse dargestellt und welche wirkliche Relevanz
haben sie? In welchem Umfang wurde über die Dienstwagenaffäre berichtet und wie
war die Frequenz der Berichterstattung? Dazu werden jeweils drei zeitgleiche Artikel
zum Thema, sowohl von tagesschau.de, als auch von RTLaktuell.de miteinander
verglichen. Die so genannte Dienstwagenaffäre der SPD-Politikerin Ulla Schmidt wurde
als Beispiel ausgewählt, weil sie einen eher indirekten Bezug zur Wahl hatte und
ausführlich in der Berichterstattung von Ende Juli bis Ende August 2009 behandelt
wurde.
Am 27. September 2009 fiel die Entscheidung: Gibt es eine Neuauflage der Großen
Koalition? Wer führt Deutschland ab dem Herbst durch die Krise? Bei der Wahl zum 17.
Deutschen Bundestag am 27. September 2009 waren etwa 62,2 Millionen
Wahlberechtigte dazu aufgerufen, ihre Stimme zu geben (Vgl. Tagesschau.de: Die
Bundestagswahl 2009). Der Deutsche Bundestag ist das einzige unmittelbar vom Volk
gewählte Staatsorgan und seine Wahl damit eines der höchsten Bürgerrechte. Dabei
steht es so gut wie außer Frage, dass die die im Rahmen des Wahlkampfes kurz vor der
Bundestagswahl vermittelten Informationen und Nachrichten einen großen Einfluss auf
die Bürger ausüben können (Vgl. Korte 2009).
6.1 Die Dienstwagenaffäre 2009 – Eine Analyse
Der Diebstahl des Dienstwagens der ehemaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt in
ihrem Spanienurlaub 2009 beschäftigte die deutsche Medienlandschaft über Wochen.
Tageszeitungen, Fernsehnachrichten und auch Online-Berichte interessierten vor allem
zwei Fragen: Was machte der Dienstwagen im 2400 km entfernten Spanien, wenn die
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Ministerin eigentlich mit dem Flugzeug in den Urlaub flog und wurden die privaten
Fahrten auch ordnungsgemäß abgerechnet? Dabei berichtete sowohl tagesschau.de, als
auch RTLaktuell.de ausführlich über die Ereignisse, die am 26.07.2009 ihren Anfang
nahmen. Auf Grund dessen soll die Dienstwagenaffäre als Beispiel für die Online-
Berichterstattung von ARD und RTL näher untersucht werden. Die Analyse der Artikel
soll anhand der folgenden Kriterien durchgeführt werden: Länge (Wortanzahl) des
Artikels, Aufbau, Schreibstil, zusätzliche Multimedia-Angebote sowie Gesamteindruck
des Berichtes.
Gibt der Nutzer den Begriff „Dienstwagenaffäre“ in der Suchleiste des Tagesschau-
Online-Angebotes ein, so erhält er mehr als 38 Ergebnisse. Der erste Eintrag zum Thema
datiert vom 26.07.2009 unter der Schlagzeile „Dienstwagenaffäre:
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt in Erklärungsnot“.
„Der Diebstahl ihres Dienstwagens im Spanienurlaub wird für Gesundheitsministerin Ulla
Schmidt ein Nachspiel haben."Wir verlangen Aufklärung, warum ihr Dienstwagen knapp 5000
Kilometer durch Europa gebracht werden musste", sagte der Geschäftsführer des Bundes der
Steuerzahler, Reiner Holznagel, in der "Bild am Sonntag.“ (Vgl. Tagesschau.de 26.07.2009 ).
In dem etwa 400 Wörter langen Artikel, kommen vor allem der Bund der Steuerzahler,
sowie der Vorsitzende des Haushaltsausschusses Karl-Heinz Däke zu Wort. Der Artikel
wirkt dabei sehr sachlich. Die Aussagen sind vorsichtig im Konjunktiv formuliert. Auch
die Wortwahl ist eher vorsichtig gehalten. Multimedial unterstützt wird der Artikel von
einem etwa einminütigen Video sowie einem Hörfunkkommentar. Zudem wurde direkt
unter dem Artikel eine Umfrage durchgeführt:
„Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hat ihren Dienstwagen samt Chauffeur mit in den
Spanienurlaub genommen. Die Limousine wurde gestohlen, jetzt ist die Aufregung groß. Was
meinen Sie? Ist die Debatte ein Sturm im Wasserglas oder berechtigt?“ (Vgl. Tagesschau.de
26.07.2009: Umfrage).
Dabei fanden 65,1 Prozent der befragten Leser, dass die Debatte durchaus berechtigt
ist, lediglich 31,9 Prozent waren der Meinung, dass die Diskussion überflüssig sei.
Insgesamt wurden mehr als 38.000 Stimmen abgegeben. Der erste RTLaktuell.de-
Artikel zur Dienstwagenaffäre erschien erst drei Tage später, am 29.07.2009. Er trägt
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den etwas provokanten Titel: „Schmidt fliegt aus SPD-Kompetenzteam“. Damit bezieht
sich der Artikel eher auf den Ausschluss Ulla Schmidts, aus dem vom SPD-
Spitzenkandidaten Steinmeier gebildeten „Kompetenzteam“, als auf die eigentlichen
Hintergründe.
„Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt wird als Konsequenz aus der Dienstwagen-Affäre
vorerst nicht dem Wahlkampf-Team von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier
angehören. Die 60-Jährige werde zunächst dem Bundestag und dem Bundesrechnungshof alle
Unterlagen zur Nutzung ihres Dienstwagens im Spanien-Urlaub vorlegen. Steinmeier hält ihr
den Platz im 'Regierungsteam' offen. "Sie muss jetzt auch die Möglichkeit haben, ihre Fakten zu
präsentieren", sagte er. Steinmeier und Schmidt hatten vereinbart, dass sie zunächst nicht in
das Team gehört, bis ihr ein korrektes Verhalten bescheinigt werde. Dieser Vorschlag sei von
Schmidt gekommen, sagte Steinmeier. […]“ (Vgl. RTLaktuell.de 29.07.2009 ).
Auch der etwa 270 Wörter lange RTL-Artikel geht auf die Vorwürfe und Forderungen
des Bundes der Steuerzahler, sowie des Haushaltsausschusses ein. Jedoch steht hier der
Bezug zur Wahl und dem „Regierungsteam“ Frank Walter Steinmeiers klar im
Vordergrund. Die Sprache sowie der Grundton des Artikels sind sachlich gehalten. Zum
Ende des Berichtes geht der Redakteur jedoch noch einmal auf die Kosten der
„Spanienfahrt“ ein und errechnet auf Grundlage des Bundes der Steuerzahler
Gesamtkosten von mehr als 9.400 Euro, um so die Schwere der Vorwürfe zu bekräftigen.
Die zweite große Phase der Berichterstattung folgte am 08.08.2009, dem Tag an dem
Steinmeier seine in die Kritik geratene Gesundheitsministerin wieder in das so genannte
„Kompetenzteam“ aufnahm. Dazu schrieb tagesschau.de am 08.08.2009 einen mit gerade
einmal 150 Worten verhältnismäßig kurzen Artikel, mit der Überschrift „Schmidt sieht
sich von Rechnungshof entlastet“. Wie bereits aus der Schlagzeile zu erkennen ist, gibt
die Tagesschau-Redaktion hier vorerst keine eigene Einschätzung der Ergebnisse.
Stattdessen verweist der Artikel auf die Erklärung Ulla Schmidts im Wortlaut, sodass
sich der Leser selbst eine Meinung bilden kann.
"Der Bundesrechnungshof hat auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin überprüft, ob ich meinen
Dienstwagen während meines diesjährigen Urlaubes vorschriftsgemäß und entsprechend der
Richtlinien genutzt habe. Der Bundesrechnungshof hat die zur Prüfung notwendigen
Unterlagen und Informationen von mir erhalten. Ich bin dem Bundesrechnungshof dankbar,
dass er die Prüfung so unverzüglich vorgenommen hat. Das Ergebnis ist eindeutig: Es ist kein
Schaden für die Bundesrepublik Deutschland entstanden. Die Trennung dienstlicher und
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) - Kulturwissenschaftliche FakultätProfessur für Vergleichende Literaturwissenschaft und Medienforschung
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privater Fahrten ist korrekt erfolgt. Dennoch habe ich erfahren müssen, dass die Anwendung
der Vorschriften nicht vor Angriffen schützt, auch wenn man sie einhält und ihnen
entsprechend dienstliche und private Fahrten strikt getrennt voneinander abrechnet.“ (Vgl.
Tagesschau.de 08.08.2009).
Auch RTLaktuell.de berichtete über die Entscheidung des Bundesrechnungshofes und
die Wiederaufnahme der Gesundheitsministerin in die Regierungsmannschaft
Steinmeiers, jedoch ohne Verweis auf die Darstellung Schmidts:
„Trotz Dienstwagen-Affäre ist Gesundheitsministerin Ulla Schmidt jetzt doch noch Mitglied im
Wahlkampf-Team der SPD. Der Bundesrechnungshof kam nach zehn Tagen Prüfung zu dem
Ergebnis, dass sich die Ministerin mit der Nutzung des Dienstwagens im Spanien- Urlaub "im
Rahmen der einschlägigen Vorschriften" verhalten habe. Daraufhin erklärte SPD-
Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier: "Damit ist Ulla Schmidt Teil meines Teams." Wegen
der Affäre hatte Steinmeier die Zuständigkeit für Gesundheitspolitik in seiner Mannschaft
zunächst unbesetzt gelassen. [...] (Vgl. RTLaktuell.de 08.08.2009).
Der Artikel ist mit knapp 400 Wörtern deutlich länger als der der Tagesschau-Redaktion
und argumentiert dem Eindruck nach sachlicher als im vorherigen Fall.
Trotz der scheinbaren Entlastung Schmidts, kamen jedoch am 18.08.2009 neue
Rücktrittforderungen auf, weshalb das Thema auch in den Redaktionen der Tagesschau
und RTL-Aktuell wieder aufgenommen wurde. Dabei sieht Bettina Altenkamp in ihrem
Kommentar vom 18.08.2009 auf tagesschau.de keinen Grund für eine weitere
Berichterstattung über die Dienstwagen-Problematik:
„Herrlich, so ein Skandal zur rechten Wahlkampfzeit. Auch wenn es eigentlich gar kein richtiger
Skandal ist. Die Frage, ob und wie Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) ihren
Dienstwagen auch in den vergangenen Jahren im Urlaub genutzt hat, ist beantwortet. Und wie
das dann abgerechnet wurde, ob als Dienst- oder Privatfahrt, ist ebenfalls geklärt. Und bei all
dem ist auf den ersten Blick kein Verstoß gegen irgendwelche Richtlinien oder Gesetze zu
erkennen. […]“ (Vgl. Tagesschau.de 18.08.2009).
Somit äußerte die Tagesschau-Redakteurin als erste eine kritische Stimme, in dem sie
die gesamte Debatte und „medialen Trittbrettfahrer“ an sich hinterfragt. Weitere
ähnliche Kommentare folgten noch am selben Tag von Silke Engel (RBB) und Ute Welty
(SWR). In den über tagesschau.de abrufbaren Hörfunkbeiträgen „Dienstwagen-Affäre ist
vollkommen übertrieben“ und „Dienstwagen-Posse vernebelt das Hirn“, stellten auch sie
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übermäßige Berichterstattung in Frage. Daher sind die Sprache und Argumente in den
Kommentaren auch provokanter gewählt, was bereits die Titel der Beiträge deutlich
machen. Sie bilden damit einen Gegenpol zur sonst eher sachlichen Berichterstattung
der ARD und betrachten das Thema aus einem anderen Blickwinkel – sie machen es
streitbar. In der RTLaktuell.de-Redaktion sah man die Berichterstattung weniger
kritisch. „Neuer Ärger für Schmidt: Rücktrittsforderungen“, lautete die Überschrift des
Artikels, der am 18.08.09 erschien. In ungewohnt ausführlicher Manier wurden hier die
aktuellen Ereignisse dargestellt, auch unter Beachtung kritischer Stimmen der
Spitzenkandidaten:
„SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hat neue Vorwürfe gegen Ulla Schmidt wegen
der Nutzung ihres Dienstwagens als "scheinheilig" zurückgewiesen."Ganz offensichtlich geht es
Interessierten darum, ein parteipolitisches Süppchen zu kochen", sagte er. Schmidt habe bereits
im August dem Haushaltsausschuss des Bundestags alle Fakten offengelegt. "Es gibt keinen
neuen Sachverhalt und keine neuen Fakten", betonte der Außenminister. Schmidt sei aber
bereit, dem Ausschuss erneut Rede und Antwort zu stehen.“ (Vgl. RTLaktuell.de 18.08.2009).
Dabei liefert der Artikel, wie es auch im Auszug erwähnt wird, keine wirklich neuen
Erkenntnisse. Was zudem auffällt, ist die Tatsache, dass RTLaktuell.de nicht mit so
vielen verschiedenen multimedialen Angeboten arbeitet wie tagesschau.de. Nur im
Artikel vom 29.07.2009 fand der Nutzer ein kurzes Video zur Dienstwagenaffäre. Im
Zuge der Berichterstattung über die so genannte „Ackermann-Party“, Anfang September,
wurde auch die Dienstwagenaffäre in vielen Medien noch einmal angesprochen, so auch
auf tagesschau.de und RTLaktuell.de.
6.2 Ergebnisse
So lässt sich abschließend die Berichterstattung zur Dienstwagenaffäre in drei
verschiedene Phasen unterteilen. Die erste Phase Ende Juli, in der das Thema gerade
aktuell wurde und tagesschau.de sowie auch RTLaktuell.de eher sachlich und ohne
Wertung über die Affäre berichten. Hier gab es jedoch Unterschiede in der Fülle und
Multimedialität der Informationen. Die zweite Phase der Berichterstattung begann
Anfang August, als Ulla Schmidt in das „Kompetenzteam“ Steinmeiers aufgenommen
wurde. Hier lieferten tagesschau.de und RTLaktuell.de einige Hintergrundinformationen,
jedoch in unterschiedlichem Umfang. Zudem wurden erste kritische Stimmen über die
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Grundlagen der Debatte laut. Mit den erneuten Rücktrittsforderungen, Ende August,
startete die dritte Phase der Berichterstattung. Hier hielt sich tagesschau.de merkbar
zurück, während RTLaktuell.de mehr Informationen denn je lieferte. Theoretisch könnte
die Erwähnung in Bezug auf das „Ackermann-Essen“ Anfang September, auch als vierte
Phase, eine Art Nachberichterstattung gewertet werden.
Zur Art der Beiträge ist zu sagen, dass tagesschau.de mit den verschiedenen
Kommentaren aus den Landesrundfunkanstalten auch in der Praxis die größte
Meinungsvielfalt bietet. Was den Inhalt und den Schreibstil der Beiträge angeht, so
berichten beide Nachrichtenportale sehr sachlich. Der Unterschied besteht jedoch in der
Länge der Artikel, die auf tagesschau.de durchschnittlich 400 Wörter lang sind und
besser durch Videos, Podcasts oder Umfragen unterstützt werden. Zudem verhielt sich
RTLaktuell.de in der Berichterstattung nicht so kritisch wie die Tagesschau. Was den
Inhalt der Artikel betrifft, so könnte fast der Eindruck entstehen, dass tagesschau.de Ulla
Schmidt verteidigt. Dies wäre durchaus verständlich, schließlich lassen die Tagesschau-
Redakteure immer wieder erkennen, dass sie nichts unrechtes getan hat. Dieser Aspekt
fällt in den Berichten von RTLaktuell.de gerne unter den Tisch. So kann festgehalten
werden, dass im Vergleich der beiden Nachrichtenportale, die einzigen kritischen
Stimmen zur Problematik der Dienstwagenaffäre von der Tagesschau ausgingen. In den
Redaktionsräumen der RTL interactive GmbH schien die Frage danach wohl nie richtig
aufgekommen zu sein. Zur Frage nach dem Umfang und der Berichterstattung und der
Frequenz kann folgendes festgehalten werden: tagesschau.de hat sogar öfter und
umfangreicher über die Dienstwagenaffäre berichtet als RTLaktuell.de, doch hängt dies
maßgeblich mit der im Grundversorgungsauftrag festgeschriebenen Meinungsvielfalt
und Ausgewogenheit der Angebote zusammen (Vgl. §11 Abs. 3 RStV).
Insgesamt wirkt das Informations-Angebot von RTL-Online zur Bundestagswahl 2009
nicht gerade umfangreich. Zwar werden immer wieder bestimmte Nachrichten unter
den Top-Themen aufgegriffen, aber lediglich das RTL-Wahlblog stellt ein zusätzliches
Informationsangebot bereit. Tagesschau.de dagegen bot zur Bundestagswahl 2009
Analysen, Porträts, Interviews und Hintergründe zum Thema unter einer eigenen
Subdomain, „www.tagesschau.de/wahl“ an. In puncto Interaktivität konnte jedoch
RTL.de Boden gut machen, denn hier ist es möglich das Artikel von den Lesern direkt
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) - Kulturwissenschaftliche FakultätProfessur für Vergleichende Literaturwissenschaft und Medienforschung
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kommentiert werden können, ganz im Gegensatz zu tagesschau.de. Alle Ergebnisse des
Vergleiches wurden in der folgenden Tabelle noch einmal zusammengefasst:
Dienstwagenaffäre RTLaktuell.de Tagesschau.de
Zeitraum
Anzahl der Berichte
Länge der Artikel
Kommentare
Grundton
Objektivität
Informationsgehalt
Multimedia-Angebote
Bezug zur Wahl
� 29. Juli bis 18. August 2009
26 (Text, Video)
Durchschnittlich 300 Wörter
Über 700
Sachlich, provokant
Gegeben
Mittel
vereinzelt
Stark
26. Juli bis 18. August 2009
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Sachlich, kritisch
Gegeben, große Meinungsvielfalt
Sehr hoch
Videos, Podcasts, Umfragen
Mittel bis stark
Abb. 9 – Die Online-Berichterstattung zur Dienstwagenaffäre. RTLaktuell.de und tagesschau.de imVergleich.
Somit bildet das Online-Angebot von RTLaktuell.de eine eher mittelmäßige
Informationsgrundlage für den Leser, denn mit dem Umfang und der Vielfalt der
Berichterstattung von tagesschau.de kann das Angebot von RTL-Online nicht mithalten.
Dieser Umstand findet wahrscheinlich seine Ursache in den in Kapital 4 erwähnten
betriebswirtschaftlichen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen des RTL Online-
Angebots.
7. Fazit: Demokratie und Informationsvermittlung im Internet
Die abschließende Frage, die sich aus der umfangreichen Online-Berichterstattung
ergibt ist, welche Auswirkungen diese so kurz vor der Bundestagswahl auf die
Meinungen der Bundesbürger hatte. Genauer gesagt: Welche Folgen hatte die
Berichterstattung auf den Ausgang der Bundestagswahlen 2009? Dabei ist zu
Berücksichtigen, dass die Dienstwagenaffäre exakt in die so genannte „heiße Phase“ des
Wahlkampfes fiel. Ein Punkt, der besonders für die SPD-Wahlkampfstrategen sehr
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ärgerlich gewesen sein dürfte. Lässt sich hieraus sogar das schlechte Wahlergebnis der
SPD ableiten?
Die große Mehrheit der Bevölkerung sieht täglich fern, liest Zeitung, hört Radio und
rezipiert zunehmend Artikel aus dem Internet. Wie Eingangs erwähnt ist das Internet
für die Unter-30-Jährigen und Jugendlichen bereits zur wichtigsten Nachrichtenquelle
geworden. Dass sich die Medienberichterstattung infolgedessen auch auf die
Wahlentscheidung auswirkt, ist unbestritten (Vgl. Korte 2009). Dabei findet Politik für
die meisten Wählerinnen und Wähler ausschließlich in den Medien statt. Alles, was sie
über Politiker zu wissen glauben, beruht auch weitestgehend auf der Darstellung in den
Medien. Schließlich hat kaum jemand die Möglichkeit Frank Walter Steinmeier oder
Angela Merkel persönlich zu treffen. Die meisten Wählerinnen und Wähler nehmen
jedoch diese Informationen durch ihre eigenen „Brille“ aus Werten und Kenntnissen
wahr. Das heißt, dass die Informationen und die Berichterstattung über die
Dienstwagenaffäre nicht bei jedem Menschen die gleiche Reaktion hervorrufen. Daher ist
es auch sehr schwer zu sagen, inwiefern die Berichte über Ulla Schmidt der Reputation
der SPD geschadet haben oder ob diese zu einem anderen Wahlausgang geführt haben.
Partei-, Kandidaten- und Themenpräferenzen werden durch die
Medienberichterstattung wahrgenommen und verstärkt. Besonders aber das Gespräch
im Freundes- und Kollegenkreis sowie in der Familie spielt bei diesem
Meinungsbildungsprozess eine wichtige Rolle. So ist es zwar denkbar, dass alle Typen
der Berichterstattung (Fernsehen, Tageszeitungen, Radio und Online-Artikel) auf dieses
Wirkungsgefüge zwischen Medien und Familie einen Einfluss ausgeübt haben könnten.
Allein durch die Berichterstattung wird sich aber wohl kaum jemand gegen die SPD
entschieden haben.
Welche Wirkung die Darstellung von Politik und Parteien konkret hat, ist also nicht mit
absoluter Sicherheit festzustellen. Als gesichert gilt jedoch, dass die Medien bestimmen,
worüber diskutiert wird. Dies belegt die Dienstwagenaffäre. Einer der bekanntesten
Ansätze in der Medienwirkungsforschung ist der Agenda-Setting-Ansatz. Hierbei steht
die Thematisierungsfunktion der Medien bei der Informationsvermittlung im
Mittelpunkt (Vgl. Korte 2009). Aufgrund seiner Reichweite spielt bei der
Informationsvermittlung das Fernsehen die größte Rolle, aber auch das Radio sowie das
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Internet üben einen wachsenden Einfluss auf diesen Prozess aus. In jedem Wahlkampf,
aber auch in der Zeit dazwischen, legen im Großen und Ganzen die Medien die Themen
fest, die aktuell relevant erscheinen. Das Thema „Dienstwagenaffäre“ ist sicherlich für
viele Menschen interessant gewesen, aber wer entschied, dass mehr als einen Monat
lang darüber berichtet wurde? Bei RTL-Online wurden keinerlei Umfragen zur
Problematik durchgeführt und auch die Umfrage auf tagesschau.de war weder gesichert,
noch repräsentativ. So lag die Entscheidung, ganz nach der Agenda-Setting-Theorie, zum
Teil im Ermessen der Redaktion. Zum anderen Teil spielte bei diesem Prozess wohl auch
die in Kapitel 2 erwähnte Selbstselektion der Nutzer eine wichtige Rolle. Schließlich stellt
diese einen Entscheidenden Vorteil der Nachrichtenvermittlung im Internet dar. Es
bleibt daher abzuwarten, welches Thema die bis dahin wohl noch weiter gewachsene
Online-Berichterstattung der Bundestagswahl 2013 bestimmen wird und ob sich hier
eher die Interessen der Nutzer oder die der „Nachrichtenmacher“ durchsetzen können.
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