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Vortrag: Symposium – Förderprogramm Demokratisch Handeln Stuttgart, Freitag, 18. Juni 2004 Demokratische Handlungskompetenz. „Standards für Mündigkeit“ 1. Demokratie-Lernen, akademische Politik-Didaktik und Förderprogramm Demokratisch Handeln Herr Fauser hat soeben dargestellt, in welchem Beziehungsgeflecht er das Förderprogramm Demokratisch Handeln verortet. Er begreift „Demokratiepädagogik“ als eine mögliche übergreifende Kategorie, der sich „politische Bildung“, „demokratische Erziehung“ „Demokratisch Handeln“ oder „Demokratie-Lernen“ mit je eigenen Perspektiven und Schwerpunkten zuordnen lassen. In der Tat gibt es solche „eigenen Perspektiven und Schwerpunktsetzungen“. Vielfalt und Experimentalismus sind die Kennzeichen einer pluralistischen und innovativen Demokratiepädagogik. Ich selbst behandle „Demokratie-Lernen“ allerdings als einen Ansatz innerhalb der politischen Bildung und sehe zwischen „Politik“-Lernen und „Demokratie“-Lernen keinen prinzipiellen Gegensatz. Vielmehr sollte es in Zukunft eine Schwerpunktverlagerung vom verengten „Politik“-Lernen (Ackermann u. a. 1994, Massing/Weißeno 1995), wie es heute von der akademischen „Politik“-Didaktik mehrheitlich favorisiert wird (Pohl 2004), zu einem breiteren und deutlicher hervorgehobenen Demokratie-Lernen geben. Mit diesem Ansatz soll diejenige Zielsetzung wieder in den Vordergrund gerückt werden, die doch eigentlich im Zentrum aller unserer Bemühungen stehen sollte, nämlich in kritischer Loyalität zum personalen Verständnis und zur Stärkung, Festigung und Vertiefung unserer Demokratie in der Bundesrepublik beizutragen. Wo anders sollte dieses Ziel in einem Fach so im Zentrum stehen als im Sozial- und Gemeinschaftskundeunterricht? Das gilt selbst dann, wenn wir Demokratiepädagogik auch als fächerübergreifendes Prinzip und als Ansatz von innovativer Schulentwicklung begreifen. Das eigenständige Fach Sozial- oder Gemeinschaftskunde wird durch diese Parallelentwicklungen ja nicht ersetzt oder überflüssig gemacht. Ganz im Gegenteil, es wird ergänzt, erweitert und erhält Unterstützung. Vernetzungen, Kooperationen und Nutzung offener und praktischer Lernformen sind notwendig und – nach allen Erfahrungen – auch produktiv für das gemeinsame Anliegen.

Demokratische Handlungskompetenz. „Standards für … · Staatsformen braucht sie eine aktive sozial-moralische Grundlagen, ... praktisch-instrumentellen ... die Schwierigkeiten

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Vortrag: Symposium – Förderprogramm Demokratisch Handeln Stuttgart, Freitag, 18. Juni 2004 Demokratische Handlungskompetenz. „Standards für Mündigkeit“

1. Demokratie-Lernen, akademische Politik-Didaktik und Förderprogramm Demokratisch Handeln

Herr Fauser hat soeben dargestellt, in welchem Beziehungsgeflecht er das Förderprogramm

Demokratisch Handeln verortet. Er begreift „Demokratiepädagogik“ als eine mögliche

übergreifende Kategorie, der sich „politische Bildung“, „demokratische Erziehung“

„Demokratisch Handeln“ oder „Demokratie-Lernen“ mit je eigenen Perspektiven und

Schwerpunkten zuordnen lassen. In der Tat gibt es solche „eigenen Perspektiven und

Schwerpunktsetzungen“. Vielfalt und Experimentalismus sind die Kennzeichen einer

pluralistischen und innovativen Demokratiepädagogik.

Ich selbst behandle „Demokratie-Lernen“ allerdings als einen Ansatz innerhalb der

politischen Bildung und sehe zwischen „Politik“-Lernen und „Demokratie“-Lernen keinen

prinzipiellen Gegensatz. Vielmehr sollte es in Zukunft eine Schwerpunktverlagerung vom

verengten „Politik“-Lernen (Ackermann u. a. 1994, Massing/Weißeno 1995), wie es heute

von der akademischen „Politik“-Didaktik mehrheitlich favorisiert wird (Pohl 2004), zu einem

breiteren und deutlicher hervorgehobenen Demokratie-Lernen geben.

Mit diesem Ansatz soll diejenige Zielsetzung wieder in den Vordergrund gerückt werden, die

doch eigentlich im Zentrum aller unserer Bemühungen stehen sollte, nämlich in kritischer

Loyalität zum personalen Verständnis und zur Stärkung, Festigung und Vertiefung unserer

Demokratie in der Bundesrepublik beizutragen. Wo anders sollte dieses Ziel in einem Fach so

im Zentrum stehen als im Sozial- und Gemeinschaftskundeunterricht? Das gilt selbst dann,

wenn wir Demokratiepädagogik auch als fächerübergreifendes Prinzip und als Ansatz von

innovativer Schulentwicklung begreifen. Das eigenständige Fach Sozial- oder

Gemeinschaftskunde wird durch diese Parallelentwicklungen ja nicht ersetzt oder überflüssig

gemacht. Ganz im Gegenteil, es wird ergänzt, erweitert und erhält Unterstützung.

Vernetzungen, Kooperationen und Nutzung offener und praktischer Lernformen sind

notwendig und – nach allen Erfahrungen – auch produktiv für das gemeinsame Anliegen.

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Die Stärkung, Festigung und Vertiefung von Demokratie stand bereits in der frühen Zeit der

Bundesrepublik bei vielen Autoren im Vordergrund, die sich aus der gerade etablierten

politischen Wissenschaft heraus betont der Notwendigkeit einer „Bildung für die Demokratie“

stellten. Ich nenne nur einige Namen: Dolf Sternberger, Theodor Eschenburg, Arnold

Bergsträsser, Ernst Fraenkel, Thomas Ellwein, Hans Maier u.v.a.m. Man kann sogar sagen,

dass die politische Wissenschaft ihre allgemeine Etablierung im Fächerkanon der

Hochschulen und Schulen erst diesem demokratie-pädagogischen Anliegen verdankt. In den

Anfangsjahren verstand sie sich sogar als spezifische „Demokratiewissenschaft“.

Hans Maier hat – trotz seines Alters und immer noch in der ihm eigenen Frische und

Deutlichkeit – diese Herkunft und Zielsetzung der politischen Wissenschaft erst kürzlich auf

einer Tagung in Bad Urach wieder hervorgehoben (Maier 2004). Hans Maier hat auch betont,

dass es auf die Dreieinigkeit von „Verstehen“, „Wollen“ und „Können“ ankomme. Bloßes

„Wissen“ reiche nicht aus. Es muss das „Verstehen“ dazu kommen. Das „Können“ entwickele

sich erst im konkreten „Handeln“, das möglichst lebensnah und anschaulich „im Kleinen“

eingeübt und erprobt werden müsse. Neben der kognitiven Ebene des Wissens und

Verstehens der Demokratie hat er vor allem auch die affektiv-gefühlsmäßige Bindung

hervorgehoben, die im schulischen Demokratie-Lernen angebahnt und gefestigt werden

müsse. Hans Maier meinte: „Demokratie braucht politische Bildung“. Wir fragen uns

allerdings auch immer wieder: Bekommt die Demokratie heute auch tatsächlich diejenige

politische Bildung, die sie braucht? Da gibt es Zweifel.

Die politische Wissenschaft selbst hat sich – mit einigen wenigen Ausnahmen (z. B. Greven

1999) – seit einiger Zeit von ihrem demokratiepädagogischen Anfangsimpuls weit entfernt.

Sie ist eine universitär verankerte Wissenschaft geworden, hat sich professionalisiert und ist

teilweise ziemlich theoretisch geworden. Sie hat sich in unzählige Fachrichtungen

aufgespalten. Die fachliche Spezialisierung wird ergänzt durch Akademisierung in eigenen

Magister-, Diplom- oder BA/MA-Studiengängen. Durch die Verstärkung der empirischen

Forschung trat ein spezifischer Scientismus hinzu.

Dies alles wollen wir. Wir wollen es nicht missen und nicht schelten, doch müssen die

spezifischen Bedarfe der Lehrerbildung und der Schulpraxis auch wieder stärkere

Berücksichtigung finden. Hier muss die politische Bildung im Sinne des Demokratie-Lernens

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auch selbst aktiv werden und aus eigener fachlicher Kompetenz nach neuen Wegen und

Interpretationen suchen. Von der politischen Wissenschaft wird uns nicht einfach vorgesetzt,

was wir schlicht nur noch didaktisch-unterrichtlich „umsetzen“ müssten. Wir müssen die

politische Wissenschaft selbst einbeziehen, die fachwissenschaftlichen Entwicklungen

intensiv verfolgen und daraus Schlüsse für die eigenen Belange ziehen. Das Anliegen der

Lehrerbildung im Sinne des Demokratie-Lernens muss auch gegenüber der politischen

Wissenschaft neu zur Geltung gebracht werden. Anders gesagt: Nach dem „linguistic turn“ in

der Philosophie müssen wir in der politischen Bildung auch den „cultural turn“ in den

modernen Sozialwissenschaften für unser Anliegen zur Geltung bringen.

Die Entwicklung vom „dilettantischen Subjekt“ zum „demokratischen Selbst“ (Reichenbach

2001) vollzieht sich nicht von selbst und nicht ohne intensive Ermutigung durch die

Lehrkräfte und nicht ohne Unterstützung durch eine angemessene Lernumgebung. Gegenüber

allen anderen Staatsformen verlangt die Demokratie von ihren Bürgern mehr als nur

Hinnahme, Ergebenheit und Gehorsam. Demokratie verträgt auch kein Versteckspiel hinter

den Mauern der Privatheit. Aktiv-kritische und innovative Auseinandersetzung mit dem, „was

uns alle angeht“, ist gefordert. Demokratie bedarf des Bürgersinns, der

Verantwortungsbereitschaft und des Engagements im Handeln. Mehr als alle anderen

Staatsformen braucht sie eine aktive sozial-moralische Grundlagen, ein bewusstes Einsetzen

für öffentliche Angelegenheiten und die Bereitschaft zur persönlichen Verantwortung in

persönlicher Entscheidungsfreiheit. Hier liegt ein zentrales Problem: Freiheit und

Verantwortung. Privatheit und Öffentlichkeit. Wie lässt sich das vereinbaren? Subjektiv

gesehen ist Demokratie stets auch eine Beleidigung, eine Beleidigung eines jedes

selbstgewissen Egos, das schon alle Antworten kennt, sich aber am Ende eines komplizierten

Willensbildungs-, Kompromissfindungs- und Entscheidungsprozesses allzu leicht enttäuscht

und lästernd in den Fernsehsessel sinken lässt. Demokratie stellt hohe Anforderungen an die

Bürger. Sie müssen Zeit, Energie/Motivation, Sachverstand und praktische „skills“

aufwenden, um sich effektiv beteiligen zu können. Das alles ist notwendig, aber auch nicht

leicht.

Die Vermittlung der Demokratie in „Denkform“ in der Schule, als bloßes Denkspiel, reicht

also nicht. Es bedarf dringend auch der Anleitung zum Handeln, zur tätigen Selbstständigkeit.

In der Weckung der Motivation, der Bereitschaft und des aktiven Engagements, in dem dann

auch die vielen praktisch-instrumentellen Fähigkeiten, die „demokratischen

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Handlungskompetenzen“, erprobt, experimentell getestet und durch konkrete Erfahrung

interaktiv gelernt und kooperativ gefestigt werden können, darin sehe ich die wohl wichtigste

Aufgabe eines konkreten Demokratie-Lernens. Hier hat das Förderprogramm „Demokratisch

Handeln“ entscheidende Pluspunkte in Ergänzung eines Fachunterrichts im 45-Minuten-Takt.

Parallel dazu darf man aber auch die Schwierigkeiten des fachbezogenen Demokratie-Lernens

nicht übergehen. Hier möchte ich wiederum die akademische Fachdidaktik in Schutz nehmen.

Die angedeutete fachliche Verengung der heutigen akademischen Politik-Didaktik und das

Verlassensein von der politischen Wissenschaft markieren nur eine Seite des Problems. Hinzu

tritt die Zersplitterung der Fachbezeichnungen in den Schulen. Für das gesellschaftliche

Lernfeld zählt man in den 16 Bundesländern inzwischen 23 unterschiedliche

Fachbenennungen (Übersicht 1). Hinter den einzelnen Fachbezeichnungen stehen – trotz

vieler Gemeinsamkeiten – oft auch sehr unterschiedliche Schwerpunktsetzungen. Zudem gibt

es markante Schwerpunktverlagerungen. Man denke nur an die aktuelle Tendenz der

Umbenennung des Faches Sozial- oder Gemeinschaftskunde in Wirtschaft/Politik. Dass die

Schulen und Lehrkräfte vor Ort darüber hinaus sehr beherzt eigene Wege gehen, wissen wir

aus vielen Projektberichten und aus empirischen Untersuchungen (Harms/Breit 1990). Seit

einiger Zeit führen diese eigenen Wege erfreulicherweise auch in Richtung des

projektorientierten Programms Demokratisch-Handeln

2. Internationale Vergleiche Seit ich mich mit der internationalen Literatur befasse, keimt in mir vor allem auch die

Besorgnis über die mangelnde internationale Anschlussfähigkeit der verengten deutschen

„Politik“-Didaktik. Als bemerkenswertes Faktum im Rahmen eines internationalen

Vergleiches (vgl. Koopmann 2001, Sliwka 2001, Himmelmann 2004) ist festzustellen, dass

das Schulfach in den angelsächsischen Ländern – im Gegensatz zu Deutschland – eine betont

demokratie-orientierte und zivil-bürgerschaftliche wenn auch vielfältig variierende

Denomination und Zielrichtung hat. Es wird gesprochen von: social studies, citizen education,

civic education, civics, civic learning, education for citizenship, education for democratic

citizenship, education for democracy, community education, (selten) political education oder

(schlicht auch) government.

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In England hat sich seit 1999/2002 der Begriff “citizenship education” durchgesetzt (Kerr

1999 b). Dort wird eine generalisierte demokratische Bürgerbildung angestrebt. Der Begriff

„political literacy“ (politische Bildung) hat sich – obwohl er zunächst von Experten

vorgeschlagen worden war (Crick-Report 1998) – in England nicht letztendlich durchgesetzt.

Er wurde als „too narrow“ abgelehnt (Crick 2000, p. 79). Statt von „political literacy“ wird

vor allem auch in den USA von „civic literacy“ gesprochen.

In den einzelnen methodischen Zugängen lassen sich in den angelsächsischen Ländern recht

vielfältige „approaches“ ausmachen wie: issue-centered learning, conflictual pedagogy,

problem solving, experimental learning, community learning oder service learning. Während

die ersten drei Zugänge „issue-centered learning“, „conflict pedagogy“ und „problem-

solving“ auch in Deutschland gebräuchlich sind, liegt hierzulande jedoch das „experimental

learning“, die „community education“ und das „service learning“ noch sehr im Argen.

Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel (Buhren 1994, 1997, Beutel/Fauser 2001,

Edelstein/Fauser 2001, Moegling 2003, Sliwka/Petry/Kalb 2004). Das Förderprogramm

versucht, diese vernachlässigten Wege politisch-demokratischen Lernens zu aktivieren und

zum Bestandteil der Schulentwicklung zu machen. Die vielen Parallel-Programme der vielen

privaten Stiftungen schließen sich hier an.

In einer zweiten bemerkenswerten Linie sollte im internationalen Vergleich darauf

aufmerksam gemacht werden, dass der Begriff „Didaktik“ (oder gar „Politik-Didaktik“) im

angelsächsischen Raum kaum zu finden und nicht im allgemeinen Gebrauch ist, also keine

praktische Relevanz hat. Wenn der Begriff „didactics“ auftaucht, wird er in aller Regel mit

Methodik im Sinne von „approach of teaching and learning“ in der Schule gleichgesetzt (Kerr

1999 b). Der deutsche Begriff der „Politik-Didaktik“ steht ziemlich einsam da in der Welt.

Ein drittes bemerkenswertes Faktum sollte im internationalen Vergleich auch festgehalten

werden. In der angelsächsischen Literatur – oder in entsprechenden Konzeptentwürfen –

werden kaum ausgeweitete wissenschaftstheoretische oder nominalistische

Begründungspirouetten vorgeführt. Die Sichtweisen des Schulfaches sind kaum von

wissenschaftlichen Fachdomänen her (etwa als „Ableitung“ aus der politischen Wissenschaft)

geprägt, sondern entsprechende Interpretationen werden in pragmatischer Tradition, aus

zeitkritischer Sicht und mit einem recht unkomplizierten interdisziplinären Zugriff

vorgetragen. Das Messkriterium liegt eher in der empirischen Wirksamkeit. Diese Sichtweise

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mag die Vielzahl an empirischen Wirkungsstudien im Bereich des „social studies“ in den

USA erklären (Galston 2001/2003). Im Sinne eines Vergleichs sollte man sich diese Studien

zum Zwecke der Evaluation politischer/demokratischer Bildung in Deutschland recht genau

ansehen (auch die Evaluationen durch OFSTED in England).

Schließlich fällt als viertes bemerkenswertes Faktum auf, dass in angelsächsischen Ländern in

einer sehr viel unbefangeneren Weise mit den zugrunde liegenden Normen, Werten und

Prinzipien von „democracy“ und „citizenship“ umgegangen wird und diese in entsprechenden

Programmen sehr viel deutlicher und zielgerichteter als zu erreichende (demokratische)

Verhaltensdispositionen, Einstellungen, Haltungen, Bereitschaften und Verpflichtungen (auch

im Alltagsleben) zugrunde gelegt werden, als es in der deutschen Literatur der Fall ist. Den

Rechten der Bürger werden immer auch die Pflichten und Verantwortlichkeiten, den eigenen

Interessen immer auch die Belange der Anderen gegenübergestellt.

Ein dominierendes Thema durchzieht freilich die internationale Literatur. Offenbar verbreitet

sich die Idee der Demokratie – besonders nach 1989 – auf der Welt ziemlich rasch. Was hält

aber die demokratischen Gesellschaften zukünftig zusammen? Sind es nationalistische,

patriotische, rassistische, ethnische oder religiös motivierte Verhaltensorientierungen oder

sollten es in Zukunft nicht universal und interkulturell begründete sozial-bürgerschaftliche

Verhaltensdispositionen sein? Hier liegen die politisch-zeitgeschichtlichen und normativen

Fundamente der internationalen Diskussion.

Das „soziale Lernen“ im eigenen Umfeld wird als Vorstufe des zukünftigen sozialen (zivilen)

und politischen Engagements sehr viel deutlicher hervorgehoben als in der deutschen

„Politik“-Didaktik. In den angelsächsischen Ländern käme wohl niemand auf den Gedanken,

„soziales Lernen“, weil es (angeblich) „unpolitisch“ sei, zuweilen so konsequent abzulehnen,

wie es in der deutschen akademischen „Politik“-Didaktik z. T. der Fall ist (Massing/Weißeno

1995). Hier hat sich die deutsche „Politik“-Didaktik m. E. auch in ihrer etatistischen

Orientierung ziemlich verengt. Demokratie-Pädagogik oder Demokratie-Lernen zielt dagegen

auch auf ein breiteres „Lernen für die Zivilgesellschaft“, ohne dass Politik-Lernen dadurch

vernachlässigt werden muss.

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3. Notwendige Selbstevaluation

Für die heutige Zeit gilt es also – unter Zugrundelegung nationaler Selbstevaluation und

internationaler Vergleiche –, den deutschen Weg der akademischen Politik-Didaktik neu zu

durchdenken, wieder an die frühen demokratie-orientierten Ansätze der unmittelbaren

Nachkriegszeit anzuknüpfen, neue Verbindungen mit der betont demokratieorientierten

Pädagogik, der neueren Lern- und Schultheorie sowie der Sozialisationsforschung etc.

anzubahnen und ebenso Anschluss an die internationale Diskussion zu finden, die derzeit

faktisch an der deutschen „Politik“-Didaktik vorbeiläuft. Es ist doch bezeichnend, dass die

deutsche politikdidaktische Literatur – außer in Österreich und in der Schweiz (dort auch nur

spärlich) – international nicht wahrgenommen, nicht zitiert oder bibliographiert wird (Sandoz

2003).

Eine nüchterne Selbstevaluation der deutschen „Politik“-Didaktik müsste sich also folgende

Fragen ernsthaft stellen:

- Hat die heutige Politik-Didaktik eine angemessene kritische Zeitanalyse?

- Hat sie eine sach- und zeitangemessene kritische Sozialisationsanalyse?

- Hat sie die Wandlungen in der Demokratietheorie und in den Sozialwissenschaften seit

Mitte der 90er Jahre wirklich aufgenommen und daraus Folgerungen gezogen?

- Warum laufen so viele Programme und Konzepte von Bundes- und Landesregierungen

oder Ministerien und so viele Initiativen von ungezählten privaten Stiftungen schlicht an

der akademischen „Politik“-Didaktik vorbei? Liegt es an „den anderen“ oder liegt es an

der Trägheit der deutschen akademischen Politik-Didaktik?

- Warum pocht die akademische Politik-Didaktik gegenüber dem Förderprogramm

Demokratisch Handeln so eigensinnig auf Abgrenzung, Ausgrenzung und Abschottung

(Breit 2003, Sander 2003, Massing 2004), obwohl doch im Sinne des gemeinsamen

Anliegens jeder Bündnispartner willkommen sein müsste, selbst wenn er eigene

Schwerpunktsetzungen hat? Was stimmt hier nicht? Sind nicht viele Lehrkräfte, die mit

ihren Klassen und Kursen am Förderprogramm teilnehmen, Politik- oder Sozialkunde-

Lehrkräfte?

Zum Abschluss möchte ich eine ernste Mahnung von Peter Massing aus einem Aufsatz von

1999 anführen. Er zitiert darin folgenden Kernsatz aus einem der früheren Manifeste zur

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politischen Bildung: „Politische Bildung ist Übungsfeld für Demokratie“. Massing setzt sich

in diesem wichtigen Aufsatz mit den theoretischen und normativen Defiziten der bisherigen

Politik-Didaktik auseinander und meint: „Die politische Bildung wird in Zukunft für ihre

öffentliche Anerkennung wesentlich mehr kämpfen müssen als bisher und sie wird dabei eine

Reihe von Hindernissen zu überwinden haben, nicht zuletzt den Tatbestand, dass die

politische Bildung selbst sich offensichtlich ihrer ureigensten Aufgaben nicht mehr

ausreichend bewusst ist und dass ihre theoretischen Wurzeln und normativen Grundlagen

zunehmend in Vergessenheit geraten sind.“ (Massing 1999, S. 24). Peter Massing fordert,

dass die politische Bildung „anschlussfähig an moderne Gesellschaftstheorien, insbesondere

an die aktuelle demokratietheoretische Diskussion“ sein soll. „Was die Politik-Didaktik heute

wieder dringend benötigt – will sie es nicht nur behaupten, sondern auch tatsächlich

Wissenschaft sein – ist eine theoretisch-konzeptionelle Wende“ (Massing 2002, S. 42). Das

sind gewichtige und mahnende Worte. Peter Massing plädiert dafür, die Beziehungen

zwischen Demokratietheorien und politischer Bildung “wesentlich differenzierter auszuloten

und zu vermessen, als dies bisher geschehen konnte“ (Massing 1999, S. 58). Für Peter

Massing gilt es, „die fast schon vergessene Tradition der Verbindung von Demokratietheorie

und politischer Bildung wieder zu beleben, um Anknüpfungspunkte für ein erneutes

konzeptionelles Nachdenken im Sinne einer normativen und theoretischen Grundlegung

politischer Bildung ... zu finden“. „Demokratiekompetenz zu vermitteln“ sei „eine klassische

Aufgabe politischer Bildung, die ihr niemand abnehmen kann“ (Massing 2002, S. 39/40).

Diese Aufforderung enthält wohl wirklich eine zentrale Aufgabenstellung für die Zukunft.

Der Weg von einer kopflastigen „political literacy“ hin zu einem neuen Konzept der

„Education for Democratic Citizenship“, wie er in England und im Europarat beschritten

wurde, ist hierzulande noch weit.

Auch Wolfgang Sander fordert, dass sich „die politische Bildung nicht auf den

Politikunterricht beschränken darf“ (Sander 2003 a, S. 9). Er hat vielfach dazu aufgerufen,

„Politische Bildung neu zu denken“ (kursiv H. 1/1997, auch Sander 2001 b in: Karsten/Zeller,

S. 1). Auch Sander kritisiert die Verengung auf den Politikbegriff. Er kritisiert, dass in der

„Politik“-Didaktik häufig ein „defensiver, strukturkonservativer Habitus anzutreffen“ sei

(Sander 2001a, S. 33) und fordert, dass die politische Bildung „an sich selbst, an ihrem

Habitus, an tief verankerte Selbstverständlichkeiten ihrer „Corporate Identity“ kritische und

selbstkritische Fragen stellen“ müsse. Er folgert sogar: „Politische Bildung bedarf einer

Runderneuerung ihres Auftretens und einer Modernisierung ihres Selbstverständnisses und

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ihres Erscheinungsbildes (Sander 2001b, in: Karsten/Zeller, S. 11). Sander stellt die

vielfältigsten „Professionalisierungsdefizite“ und einen erheblichen „Modernisierungsbedarf“

in der politischen Bildung fest (Sander 2002). Er bemängelt weiter, „dass die Politik-Didaktik

bisher für jene Schulen, die sich auf eine Veränderung der Lernkultur einlassen, kaum

Angebote für neue Formen politischen Lernens gemacht hat – im Gegenteil scheint sich in

solchen Schulen eine Praxis politischen Lernens zu entwickeln, die weitgehend unverbunden

neben der Fachkultur der Politischen Bildung steht“ (Sander 2001a, S. 31). Dies gilt wohl

auch für diejenigen Schulen, die so vielfältig am Förderprogramm teilnehmen.

Ich will diese beiden Äußerungen von Peter Massing und Wolfgang Sander einmal so stehen

lassen. Man muss ihnen zustimmen. Allerdings gibt es auch einige irritierende Zeugnisse aus

jüngster Zeit. Diese irritierenden Bemerkungen der jüngsten Zeit enthalten z. T. massive

Vorwürfe an die Adresse von Vertretern des Demokratie-Lernens und des Förderprogramms:

die Praxis des etablierten Faches erscheine in den zugehörigen Analysen „in einem äußerst

negativen Licht“. Demokratie-Lernen „begrenze“ das Gegenstandsfeld „massiv“. Demokratie-

Lernen vertrete einen „Alarmismus“, ergehe sich in „argumentativen Verrenkungen“, arbeite

mit einem „negativen Adressatenbild“, setze das Fach unter „Legitimationsdruck“, verbreite

„Demokratie-Ideologie“ und schwäche sogar das Fach in der Schule (Sander 2003 a, S. 8/9,

Sander 2003 b, S. 153, Anm. 105).

Ich halte diese Gegenpositionen vor dem Hintergrund der zitierten Äußerung von Peter

Massing und Wolfgang Sander für erstaunlich.

4. Entwicklung von Standards für Mündigkeit und Demokratie-Kompetenzen

Nach diesen Vorbemerkungen mit Ausflügen in laufende und höchst spannende Kontroversen

wende ich mich nun der Sache nach konkreten Kompetenzstandards für Mündigkeit bzw.

Demokratiefähigkeit zu.

Ich meine, man sollte in dieser Sache systematisch vorgehen und folgende Schritte ins Auge

fassen:

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1. Bestandsaufnahme (Übersicht 1)

2. Umriss einer „Botschaft“ bzw. eines Zielsystems im Fächerkanon der Schule

(Übersicht 2)

3. Erarbeitung eines normativen Kernkonzepts (Übersicht 3)

4. Umriss der „Fachlichkeit“ des Curriculums nach Inhaltsbereichen („Inhaltsstandards“,

Übersicht 4)

5. Differenzierung der Lernstandards nach affektiv-moralischen Einstellungen, kognitiven

Fähigkeiten und praktisch-instrumentellen Fertigkeiten (Übersichten 5, 6, 7, 8)

6. Übersicht zu den Methodenkompetenzen (Übersicht 9) und

7. Differenzierung nach Stufen des Erreichens der Standards (Übersicht 10).

Die Übersichten liegen Ihnen in den Anlagen vor, so dass es mir und uns leichter fällt,

tatsächlich die „Übersicht“ im komplexen Problemkreis der Standardentwicklung zu behalten.

4.1 Leitbild, Botschaft und allgemeines Zielsystem

Die Übersicht 1 zeigt die „Zerfaserung“ des Faches und des damit verbundenen Anliegens als

Lehr- und Lerngegenstand in der Schule. Man sollte angesichts dieser „Diffusion“ der

Fachdenominationen jedoch nicht die Flinte ins Korn werfen. Inhaltlich lassen sich die damit

verbundenen Probleme doch wohl pragmatisch überwinden, wenn die politische Bildung sich

mit einer „attraktiven Botschaft“ („Demokratie-Erziehung“) und einer fachlich

überzeugenden Begründung dieser übergreifenden Aufgabe nähert, einer Aufgabe, die

zugleich zum Maßstab und zur Leitlinie der Integration verschiedener Fachbezüge dienen

kann. Die neueren Rahmenrichtlinien sind hier z. T. bereits in Vorlage getreten bzw. haben

die fachdidaktische Diskussion um „Demokratie-Kompetenz“ aufgenommen und z. T. sogar

weiterentwickelt.

Einige plakative Zielsetzungen bzw. Stichworte aus entsprechenden Rahmenrichtlinien sind

in der Übersicht 2 dargestellt.

Damit ist die innere Philosophie, gleichsam zugleich die „Botschaft“ des Faches als

„Erziehung zur Demokratie“ im Fächerkanon der Schule, ziemlich deutlich markiert.

Hinzuzunehmen sind die allgemeinen verfassungsmäßig festgelegten Ziele in den einzelnen

Bundesländern sowie deren Bildungs- und Schulgesetze, die gleichfalls zentrale demokratie-

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orientierte Markierungspunkte für den schulischen Unterricht setzen. Nach der

Bestandsaufnahme gemäß der Übersicht 1 und der deutlichen Markierung des Leitbildes in

der Übersicht 2 sind die Grundlagen geschaffen, die verdeutlichen, wovon wir in Zukunft

ausgehen müssen.

4.2 Zielsetzung und Fachlichkeit

Die so vorgezeichnete Zielsetzung prägt nicht nur die „innere Philosophie“ des Faches

Sozialkunde/Gemeinschaftskunde/Politik, sondern lässt eigentlich auch keinen Zweifel

darüber aufkommen, welche sachlichen Schwerpunkte das Fach im Spektrum der anderen

Schulfächer abdecken soll. Nach Klieme soll bei der Entwicklung von „Nationalen

Standards“ die „Fachlichkeit“ eines jeden Lernbereiches deutlich markiert werden (Klieme

2003, S. 24/25). Dazu zählen in der politischen Bildung nicht nur die Demokratie mit ihren

vielfältigen Bedeutungsebenen und der Rechtsstaat. Die dominierende Stellung hat hier

freilich auch nicht nur die „Demokratie als Herrschaftsform“, denn diese Herrschaftsform hat

keine andere Legitimation als die Sicherung und den Schutz der Menschen- und Grundrechte

der Bürger selbst. So müssen die Menschen- und Grundrechte der Bürger den Ausgangs- und

Zielpunkt der Fachlichkeit des Demokratie-Lernens bilden.

Die Bürger halten mit der Volkssouveränität das Recht der Bestellung oder Abberufung der

Regierenden in der Hand, gleichwohl sind sie auch selbst gefordert. Die Bürger fungieren

nicht nur als Inhaber von Anspruchsrechten und sind nicht nur Bedürfnis- und

Interessenträger gegenüber der Politik und dem Staat, sondern sie müssen auch bereit sein,

selbst zu wählen, die dann gewählte Regierung bis zum nächsten Wahltermin zu ertragen,

sich mit politischen Problemen auseinander zu setzen und möglichst politische

Entscheidungen real zu beeinflussen sowie selbst Verantwortung zu übernehmen, selbst

Leistungen für ihr eigenes Wohl und das der anderen zu erbringen und damit zu einem

gelingenden Leben und zu einem kooperativen Zusammenleben – nach den Normen und

Prinzipien der Demokratie – beizutragen. Diese Ansprüche drücken sich in den beiden

weiteren Sachthemen der „aktiven Bürgerschaftlichkeit“ und der „Zivilgesellschaft“ aus.

Die damit genannten vier Sach- und Fachgebiete (Menschen- und Grundrechte,

demokratisches Herrschaftssystem, Bürgerschaftlichkeit und Zivilgesellschaft) machen den

engsten Kern des politisch-demokratischen Lehrens und Lernens aus. Gleichwohl treten vier

12

weitere Bereiche des Lehrens und Lernens hinzu. Eines der wichtigsten Bewährungsfelder der

Kinder- und Jugendlichen als zukünftige Bürger, die ein für sich „gelingendes Lebens“

anstreben, liegt in der Arbeits- und Wirtschaftswelt mit ihren vielfältigen Spannungen,

Herausforderungen und Chancen. Sie wird heute – und in Zukunft noch mehr – durch die

wirtschaftliche Globalisierung, durch internationale politische Zusammenschlüsse und durch

unterschiedliche Kulturen sowie durch das Erfordernis geprägt, die Nachhaltigkeit von

Wachstum und Entwicklung zu gewährleisten. Wenn man es mit dem Demokratie-Lernen

ernst meint, dann darf auch die Schule, d. h. Bildung und Erziehung, als Problemfeld des

unmittelbaren Lebens und Erlebens von Schülerinnen und Schülern nicht ausgespart werden.

Bereits in der Schule sollen authentische demokratische Erst-Erfahrungen gesammelt werden

können. Die Schule sollte – bei allen Hemmnissen, Schwierigkeiten und Grenzen – doch auch

Übungsfeld sein, um Experimentiererfahrung für ein demokratisches Zusammenleben

sammeln zu können, obwohl man das Leben in der Schule nicht einfach mit dem „Leben da

draußen“ gleichsetzen kann (Andreas Flitner). Aber die Schule steht auch nicht außerhalb von

Demokratie. Schule sollte sich selbst als „Schule der Demokratie“ verstehen und „Demokratie

in der Schule“ intensiv – bei allen Restriktionen – austesten.

Das in diesen acht Punkten grob umrissene fachliche Kernkonzept („core concept“) des

Demokratie-Lernens ist in der Übersicht 3 zusammengestellt. Es wurde – soweit nötig und

möglich – mit den grundlegenden Arbeiten des „Council for Cultural Cooperation“ (CDCC)

und dem im Projekt „Education for Democratic Citizenship“ (EDC) sowie dem Ansatz des

Center for Civic Education (CCE) abgestimmt.

4.3 Fachlichkeit und differenzierte Inhalte: „Inhaltsstandards“

Die zuvor dargelegte „Botschaft“ und das nun fachlich näher umschriebene „Kernkonzept“

bestimmen im Zielkonzept und in der Fachlichkeit den allgemeinen Rahmen („frame“), in

dem wir uns für das Demokratie-Lernen bewegen sollten. Dieser Rahmen bereitet die

Formulierung von konkreteren Inhaltsstandards vor. Der konkretere Fach- und Inhaltskanon

kann wiederum nicht gänzlich abgehoben von den derzeit gültigen Rahmenrichtlinien im

Fach diskutiert oder festgelegt werden. Zwar können die bestehenden und wandelbaren

Rahmenrichtlinien nicht der alleinige Bezugspunkt für die weitere Klärung des konkreteren

Inhaltskanons des Faches Sozialkunde/ Gemeinschaftskunde/Politik sein, doch ist eine solche

13

„Bodenhaftung“ nicht nur ratsam, sondern auch geboten, um die curriculare

Anschlussfähigkeit des vorgestellten Ansatzes „Demokratie-Lernen“ zu gewährleisten. Das

zuvor genannte Kernkonzept ist in den meisten Rahmenrichtlinien bereits in der einen oder

anderen Form enthalten bzw. es ist mit vielen dortigen Aussagen und Festlegungen

kompatibel. Eine eingehendere Analyse der Inhalte der unterschiedlichsten Rahmenpläne,

Lehrpläne oder Rahmenrichtlinien für das so vielfältig bezeichnete Schulfach zeigt vier

allgemeine Schwerpunkte (Trommer 1999/2000). Sie sind zum hier favorisierten (und

inzwischen um den Schwerpunkt: „Demokratie als globales Projekt“ erweiterten) Ansatz von

Demokratie als Lebens-, Gesellschafts- und Herrschaftsform sowie „Demokratie als globales

Projekt“ anschlussfähig. Die Schwerpunkte können zusammengefasst werden in:

1. Lebenswelt und Gestaltung sozialer Beziehungen (Demokratie als Lebensform)

2. Gesellschaft, Wirtschaft, Recht (Demokratie als Gesellschaftsform)

3. Demokratie als politische Ordnung (Demokratie als Herrschaftsform) und

4. Globalisierung, Nachhaltigkeit, internationaler Beziehungen und Organisationen

(Demokratie als globales Projekt).

Es handelt sich um eine analytische Teilung, wobei Überlappungen möglich, zulässig und

auch notwendig sind. Doch diese erste Einteilung macht Sinn, koppelt die gemeinten Inhalte

an die Vierteilung des Demokratie-Lernens und beschränkt sich in der Übersichtlichkeit

zugleich didaktisch auf das Elementare und Exemplarische (Klafki, Derbolav). Es handelt

sich um eine Zuordnung, die die Vielfalt der einzelnen Inhaltsbereiche, die in der Literatur

und in den bestehenden Rahmenrichtlinien eingefordert werden, dennoch klar und deutlich

reduziert. Die Übersicht 4 zeigt die Zuordnung der anzustrebenden Inhalte in einer

deutlicheren Kleinteilung.

4.4 Demokratie und „Demokratiefähigkeit“ als Lernstandard

In der Übersicht 4 sind die aus dem Bildungsauftrag und dem Kernkonzept zu entwickelnden

sowie in den neueren Rahmenrichtlinien z. T. bereits enthaltenen Inhalte im Einzelnen

aufgelistet. Sie bilden die Inhaltskomponente der zukünftigen Standards. Wir nennen sie

„Inhaltsstandards“, da sie die Zielsetzung („Botschaft“, „Bildungsauftrag“) mit der

eigentlichen Fachlichkeit des Schulfaches („Kernkonzept“) verknüpfen und detaillierter

füllen.

14

Zu unterscheiden von diesen Inhaltsstandards sind die „Lernstandards“. Sie bezeichnen jene

personalen Qualifikationen, die der (anzubahnenden) Demokratiefähigkeit der Kinder und

Jugendlichen adäquat sind und die im Schulunterricht anhand bzw. am Beispiel der genannten

Inhalte eingeübt werden sollen. Diese Lernstandards beziehen sich auf Qualifikationen des

kognitiven Wissens und Verstehens (Fähigkeiten), der affektiv-moralischen Einstellungen

sowie auf die praktisch-instrumentellen Fertigkeiten, wie es die allgemeine Bildungstheorie,

die Lerntheorie – auch im internationalen Maßstab – zugrunde legen (Übersicht 5).

Unter fachwissenschaftlichen wie lerntheoretischen Gesichtspunkten kann man also davon

ausgehen, dass die Lernstandards einer Dreiteilung folgen sollten:

- affektiv/sozial/moralisch: Motivation, Energie, Engagement, Wollen, Einstellungen,

Habitus (commitments, dispositions, attitudes, virtues)

- kognitiv: Wissen, Kenntnisse, Verstehen (knowledge, intellektuell skills)

- praktisch-instrumentell: Können, praktische Fähigkeiten und Fertigkeiten (skills and

strategies).

Gegenüber den internationalen Ansätzen steht u. U. lediglich die Reihenfolge der

Kompetenzbereiche in Frage. Aber um die Reihenfolge wird man nicht wirklich streiten

müssen, da es sich um eine analytische Dreiteilung des komplexen Lernvorganges handelt

(Lernen „mit allen Sinnen“, mit „Kopf, Herz und Hand“).

4.4.1 Affektiv-moralische Einstellungen

Wie gesagt, über die Reihenfolge der Lernstandards (affektiv-moralisch, kognitiv, praktisch-

instrumentell) muss man nicht unbedingt streiten. In der Literatur werden allzu oft die

kognitiven Fähigkeiten (Wissen, „knowledge“) im Katalog der Lernziele/Lernstandards an

erster Stelle genannt. Dies wurde wohl deshalb üblich, weil man bisher in aller Regel

Stoffkatalogen folgte oder ihnen in den Curricula zumindest Vorrang einräumte. Aus

praktischer Erfahrung und aus der fachwissenschaftlichen Diskussion über

Demokratiefähigkeit erkennt man jedoch, dass das „Wollen“, die Energie, die Motivation, die

Einstellung, das Engagement, der Habitus im Sinne der Erreichung gemeinsamer

Ziele/Zwecke in begründeter Weise im Vordergrund und am Anfang einer jeden

demokratischen Auseinandersetzung steht. Daher wollen wir an dieser Stelle – experimentell-

15

konstruktiv gedacht – auch die affektiv-moralischen (auch emotional-sensitiven)

Einstellungen, die aus normativer Sicht für die Demokratiefähigkeit aus Akteurs-Perspektive

gefordert werden, an den Anfang stellen. Auch die Ausarbeitungen des Europarates und die

National-Standards der USA legen auf diese affektiv-moralischen Standards außerordentlich

hohen Wert. Wie schwer es ist, bei den Schülerinnen und Schülern überhaupt das „Interesse“

am Fach und die Sensibilität für dessen Inhalte zu wecken, weiß freilich jede Lehrkraft. Die

Übersicht 6 zeigt eine Zusammenstellung der Lernstandards im Bereich der affektiv-

moralischen Einstellungen. Sie sind zugleich die Grundlagen für jede kritische

Auseinandersetzung mit den Inhalten und den Gegenständen des Unterrichts.

4.4.2 Kognitive Fähigkeiten

Wie schon die bisherige Diskussion über Kompetenz-Standards zeigt (Klieme 2003), liegen

die kognitiven Lernstandards in den einzelnen Schulfächern, für sich genommen, nicht sehr

weit auseinander. Hier gibt es vielfältige Gemeinsamkeiten. Es handelt sich im Prinzip um

allgemeine „intellektual skills“ (allgemeine kognitive Fähigkeiten). In den fachlichen

Bezugspunkten müssen diese kognitiven Standards jedoch auf die vier oben genannten

Fachlichkeit des Demokratie-Lernens (Übersicht 4) bezogen sein. Die „intellektual skills“

beziehen sich auf das allgemeine Erkenntniswissen und Urteilsvermögen in den

verschiedenen Inhaltsbereichen des Demokratie-Lernens.

Die „intellektual skills“ (knowledge-Standards) sind z. B. in den „National-Standards“ für die

USA, wie sie das Center for Civic Education formuliert hat, dem ganzen Projekt vorangestellt

(„identify, describe, explain, evaluate a position, take a position, defend a position“, CCE

2003, S. 5). In der politischen Bildung wird das kognitiv-intellektuelle Ziel der hier in Frage

stehenden Bemühungen in aller Regel mit „Urteilsvermögen“, „Urteilsfähigkeit“ oder

allgemein mit „Urteilsbildung“ umschrieben (Kuhn 2003), obwohl die Urteilsfähigkeit nicht

ohne weiteres deckungsgleich ist mit den breiter formulierten allgemeinen kognitiven

Fähigkeiten. Die hier gefragten Fähigkeiten gehen weiter: Sachkenntnis,

Unterscheidungsvermögen, Zusammenhänge erkennen, Vorgeschichte beachten, Folgen

abwägen, Lösungsmöglichkeiten prüfen, Stellung nehmen, Kritik üben, eigene Stellung

beziehen und begründen, Handlungsmöglichkeiten abschätzen und über normative Gehalte

reflektieren. Die Übersicht 7 zeigt die Lernstandards im Bereich der kognitiven Fähigkeiten.

Gerade die „Reflexion“ hat hier einen besonderen Stellenwert, fasst sie doch zusammen, was

John Dewey mit „thinking about what we are doing“ durchbuchstabiert hat.

16

4.4.3 Praktisch-instrumentelle Fertigkeiten

Die praktisch-instrumentellen (auch gesellschaftlich-sozialen) Fertigkeiten beziehen sich auf

Fertigkeiten („skills“), die dazu dienen, selbst und in Zusammenarbeit mit anderen

Verhaltensweisen zu finden, einzuüben und schließlich zu praktizieren, die genuin zur

„Demokratiefähigkeit“ im Sinne von „Handlungskompetenz“ gehören. Sie kennzeichnen

durchaus auch Ebenen der Interaktionsfähigkeit zu gemeinsamen Zwecken – ebenfalls auf

normativer, demokratie-orientierter Grundlage. Die in der Übersicht 8 genannten Fertigkeiten

haben zum Teil eine direkte Verbindung zu den unterrichtlichen Methoden, Lernformen und

Arbeitstechniken des praktischen Demokratie-Lernens in der Schule.

Gerade auf die „Methodenkompetenz“ wird in neueren Schulbüchern besonderer Wert gelegt.

Das praktisch-instrumentelle Methoden-Repertoire von Lehrkräften, Schülerinnen und

Schülern soll auf diese Weise gefördert werden. Es handelt sich zugleich – in einem breiteren

Sinne – um sog. „partizipatory skills“, wie sie auch in den „National-Standards“ (p. 5) auch

für den Unterricht, für das Schulleben und für außerschulische Aktivitäten genannt sind. Eine

Liste der angesprochenen Methodenkompetenzen ist in Übersicht 9 aufgeführt. Diese Liste

der Methodenkompetenzen stellt insofern eine „Ergänzung“ der „praktisch-instrumentellen“

Fertigkeiten dar, da sie für die Arbeitstechniken und Methoden des schulischen Lehrens und

Lernens wegweisend sind und auch für das Lernen im praktischen Leben eine wichtige Rolle

spielen. Die hier genannten praktisch-instrumentellen Fertigkeiten und

Methodenkompetenzen bereiten auf die realen Partizipationsmöglichkeiten im nahen und

weiteren zivilgesellschaftlichen Umfeld und später in der realen Demokratie vor.

4.4.4 Stufen des Erreichens der Standards

Die bisher ausgearbeiteten Inhaltsbereiche („Inhaltsstandards“) und Lernbereiche

(„Lernstandards“) stehen freilich nicht getrennt voneinander. Sie greifen ineinander und

stellen ein höchst anspruchsvolles Programm dar. Die eigentlichen „Kompetenzstandards“,

die schlussendlich das Endprodukt der bisherigen Überlegungen sein sollen, fassen die

Inhaltsstandards und die Lernstandards zusammen und müssen für die verschiedenen

(Klassen-)Stufen differenziert werden, um eine möglichst gradlinige Kompetenzentwicklung

der Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten (Kumulativität, Klieme 2003, S. 26).

17

Die Inhaltsstandards und Lernstandards bezeichnen aber nicht nur Lehr- und Lerninhalte als

solche, sondern dienen, wie die „Civic-Education-Studie“ (Torney-Purta eds. 1999,

Oesterreich 2002) und die PISA-Studie deutlich gezeigt haben, vor allem auch zur Evaluation

dessen, was Schülerinnen und Schüler in den verschiedenen Schulstufen können, bzw. gelernt

haben sollten (Output-Orientierung der Kompetenzstandards).

Schließlich soll die Entwicklung von Kompetenzstandards, gerade aus der Sicht deutscher

Bildungspolitiker, den Lehrkräften eine bessere Orientierung und den Schulen ein

eindeutigeres Konzept an die Hand geben, um das Niveau deutscher Schülerinnen und

Schüler einschätzen zu können und wenn möglich zu heben, so zumindest der Anspruch.

Zwar müssen sich die Standards nicht direkt als Vorgaben für Klassenarbeiten oder Klausuren

bzw. für die Zensurengebung entwickeln, Einfluss auf diese Evaluations- und

Bewertungssysteme werden sie jedoch auf jeden Fall auch haben. Sie werden sicherlich auch

Einfluss auf die allgemeinen Anforderungen für Abiturprüfungen und für landesweite

Vergleichsarbeiten bzw. zentrale Prüfungen in anderen Klassenstufen haben. Für eine solche

Nutzung der Schülerbewertung bedarf es neben der Aufstellung der Inhalts- und

Lernstandards gewiss noch eine Untergliederung der Standards nach dem Maße, inwieweit

bzw. in welchem Grade sie von den Schülerinnen und Schülern erreicht wurden. Bei Klieme

wird das Maß des Erreichens der jeweiligen Standards unterteilt, in welchem Grade die

Schülerinnen und Schüler 1. Selbstständigkeit, 2. Tiefe und Breite und 3. Originalität in der

Auseinandersetzung mit den Inhalten erreicht haben. Die Stufen des Erreichens der Standards

nach Klieme sind in der Übersicht 10 dargestellt und müssten sicherlich auch in den

Standards für die politische Bildung Berücksichtigung finden. In neueren Rahmenrichtlinien

wird inzwischen – in durchaus unterschiedlicher Weise – ebenfalls hoher Wert auf die

Formulierung von Stufen des Erreichens der Standards gelegt („Anforderungsbereiche“ oder

„Leistungsskalen“).

5. Schluss

Wir sind damit am Ende unserer „Stilübung“ in Sachen Standards für Mündigkeit und

Demokratiefähigkeit angelangt. Es gibt derzeit mehrere Modelle. Auch das BLK-Programm

bemüht sich, die eigene Zielsetzung in einem Kriterienkatalog deutlich herauszuarbeiten und

im laufenden Förderprogramm prozessbegleitend zu evaluieren. Dabei werden ständig neue

18

Erfahrungen gemacht. Insgesamt fangen wir nicht bei Null an. Internationale Erfahrungen

sollten genutzt werden, z. B. Erfahrungen der „Civic-Education-Studie“, des „Educational

Testing Service“ der USA, der „Qualifications and Curriculum Authority“ und des „Office for

Standards in Education (OFSTED) in England oder vergleichbarer Instituionen in Canada

oder den skandinavischen Ländern. Es ist keine leichte und einfache, sondern schlicht eine

spannende Aufgabe, denn nicht zuletzt trägt die politische Bildung/das Demokratie-Lernen in

der Schule die Last eines fast unglaublichen Aufgabenspektrums, das sie allein nie bewältigen

kann (Übersicht 11). Wir alle haben damit zu kämpfen, dass wir uns – auch im

Kriterienkatalog des BLK-Programms – einer „Überlast“ an Aufgaben gegenübersehen. In der

Praxis werden wir erhebliche Abstriche machen müssen. Doch im Tragen dieser Last bedarf

es im Sinne des demokratischen Experimentalismus (Brunkhorst 1998) dauerhaft vieler

Initiativen und Programme, in die sich das Förderprogramm „Demokratisch Handeln“ mit

eigener Perspektive und Schwerpunktsetzung exemplarisch im Sinne einer übergreifenden

„Demokratiepädagogik“ einfügt.

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22

Übersicht 1: Fachbezeichnungen der politischen Bildung in den Bundesländern

- Gemeinschaftskunde Baden-Württemberg (HS, RS, Gymn.), Bremen (RS,

Gymn.), Niedersachsen (Gymn. Sek. II), Schleswig Holstein (Fachgymn., Sek. II)

- Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung Sachsen (Mittel-S.) - Gemeinschaftskunde/Rechtserziehung/ Wirtschaft

Sachsen (Gymn. Sek. II)

- Sozialkunde Bayern (HS, RS, Gymn.), Berlin (HS, RS), Bremen (HS, RS, Gymn. Sek. I), Hessen (HS, RS), Mecklenburg-Vorpommern (HS, RS, Gymn.), Niedersachsen im FB GSW (HS, RS), Rheinland Pfalz (HS, RS, Gymn.), Saarland (HS, RS, Gymn. Sek. I), Sachsen-Anhalt (Sek. I 8-10, Gymn. 8-12) Thüringen (RegelS 8-10, Gymn. 9-12)

- Sozialwissenschaften Nordrhein-Westfalen (Gymn., Ges.S. Sek. II) - Politische Bildung Brandenburg (GS, HS, RS, Ges.S., Gymn.),

Berlin/NRW (Gesamtkonzepte) - Politik Niedersachsen (Gymn., 7-10), Bremen

(Gymn. Sek. II), Saarland (Gymn. Sek. II) - Politik (Gesellschaftslehre mit Gesch./Erdk.) Nordrhein-Westfalen (Ges.S., HS, RS 5-10) - Politik & Wirtschaft - Politik (Wirtschaft)

Hessen (Gymn. 7-13), Hamburg (Gymn. 7-12) Nordrhein-Westfalen Sek. I (Gymn. 5-10)

- Politik/Gesellschaft/Wirtschaft (PGW) Hamburg (Gymn. Sek. I) - Gesellschaft Hamburg (Ges.S.), Integrationsfach für

Geschichte, Geographie und PGW - Gesellschaftslehre Hessen (nach Schulwahl), Niedersachsen

(Ges.S.) - Gesellschaftswissenschaften Saarland (Ges.S.) - Weltkunde Berlin (HS 9-10), Schleswig-Holstein (Ges.S.,

Sek. I) - Politische Weltkunde Berlin (Gymn. Sek. II) - Welt- und Umweltkunde Niedersachsen (OS) - Welt/Umwelt Bremen (OS) - Geschichte/Gemeinschaftskunde Baden Württemberg (HS 6-10) - Geschichte/Politik Hamburg (HS, RS – Sek. I) - Geschichtlich Soziale Weltkunde (GSW) Niedersachsen (HS, RS) - Wirtschaft/Politik Schleswig-Holstein (HS, RS, Gymn. Sek. II) Quelle: Andres Balser/Frank Nonnenmacher (Hrsg.): Die Lehrpläne zur politischen Bildung. Analyse und Kritik.

Neue Rahmenpläne und Richtlinien der Bundesländer für die Sekundarstufe I. Schwalbach/Ts. 1997. Ergänzt durch neuere Rahmenpläne/Lehrpläne/Richtlinien der einzelnen Bundesländer

23

Übersicht 2: Leitbilder im politisch-gesellschaftlichen Aufgabenfeld der Schule Aus Rahmenrichtlinien

- Leitbild: „Erziehung zur Demokratie“, Berlin 2002 - Ausgangspunkte: „Leben in der Demokratie“, „Bürgerkonzepte“, „Demokratische

Handlungskompetenz“, Brandenburg 2002 - Ziel: „Erhalt und Weiterentwicklung der Demokratie“, Aufgabe: die „wesentlichen

Elemente demokratischen Denkens und Handelns zu vermitteln“, Bremen 2002 - Leitziel: „Demokratiekompetenz“, Hamburg 2003 - Leitziel: „Gestaltung und Entwicklung der Demokratie“, Leitbild: „demokratie-

kompetenter Bürger“, „Demokratie-Kompetenz“, Hessen 2002 - Leitziel: „Demokratie-Fähigkeit“, Mecklenburg-Vorpommern 1999 - Leitziel: „Erziehung zur Demokratiefähigkeit“, Rheinland-Pfalz 1998 - Leitziel: „Demokratie-Lernen ist zentraler Bezugspunkt des Unterrichtsfaches

Sozialkunde“, Sachsen-Anhalt 1999 - Oberstes Schlüsselproblem: „Sicherung und Weiterentwicklung der Demokratie als

dauernde politische Aufgabe“, 1. Problemfeld: „Sicherung und Weiterentwicklung der Demokratie“, Thüringen 1999, auch Nordrhein-Westfalen 2001

- „Erziehung zur Demokratie“, Baden-Württemberg, Standards 2003/04 - „Erziehung zur Demokratie“, Bayern 2003/04.

Übersicht 3: Kernkonzept der politischen Bildung/des Demokratie-Lernens (core concepts for: „education for democratic citizenship“)

1. Grund- und Menschenrechte, Institutionen und Verfahren zu ihrem Schutz, Wirkungen in der

Lebenswelt und in der Gesellschaft 2. Demokratie und Rechtsstaat, Institutionen und Verfahren, Repräsentation, Gewaltenteilung und

Partizipation, demokratische Prinzipien: Freiheit, Gleichheit, soziale Gerechtigkeit, Pluralismus, Zusammenhalt/Integration, Schutz der Minderheiten, Frieden, Solidarität, Stabilität und Sicherheit

3. Bürgerschaftlichkeit, Ermutigung, Rechte und Pflichten, Verantwortlichkeiten, Mitwirkung, aktive

Teilhabe, Konkurrenz, Leistung, Verlässlichkeit, Zivilcourage und Solidarität

4. Zivilgesellschaft, Pluralismus, friedliche Konfliktregelung, bürgerschaftliche Selbsthilfe und Verantwortung, Vereine, Gruppen und Verbände, Lebenshilfen

5. Markttausch und Konkurrenz, Leistungsprinzip, Wachstum, Wohlstand, Arbeitslosigkeit, Reichtum

und Armut, soziale Sicherung

6. Globalisierung in der Arbeits- und Wirtschaftswelt, internationale Beziehungen, nationale und kulturelle Integrität, internationale Zusammenschlüsse

7. Entwicklung, Wachstum, Nachhaltigkeit, globales Gleichgewicht 8. Bildung und Erziehung, Leistung und Verantwortung in der Schule, Demokratie in der Schule, Schule

der Demokratie, demokratischer Unterrichtsstil, demokratische Schulkultur, politische Pädagogik der gegenseitigen Anerkennung, des Förderns und Forderns

nach: Council of Europe: Council for Cultural Cooperation (CDCC): Project on „Education for Demokratic

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24

Übersicht 4: Differenzierte Inhalte der politischen Bildung/des Demokratie-Lernens

- „Bildung zur Demokratiefähigkeit“ -

I. Lebenswelt und Gestaltung sozialer Beziehungen (Demokratie als Lebensform)

- Lebenswelten der Jugendlichen, demokratische Verhaltensnormen, - Verantwortlichkeit der Eltern, - Familie, Cliquen, Freizeit, Jugendverbände und Vereine, Gleichberechtigung der

Geschlechter, Verhältnis der Generationen - Aufgaben und Funktionen der Schule, Schulkultur, Rechte und Pflichten der

Kinder/Jugendlichen in der Schule, Demokratie in der Schule, - Leben in der Gemeinde - andere Kulturen, Asylbewerber, Fremde, Ausländer - Informationsquellen, Umgang mit Medien - Gewalt, Sucht, Drogen - Bildungswege, Wehrdienst/Zivildienst, freiwillige soziale Dienste

II. Gesellschaft, Wirtschaft und Recht (Demokratie als Gesellschaftsform)

- Pluralismus und Gemeinwohl, Verbände, Gruppen, Initiativen, Interessenvertretung - Konflikt und Konfliktregelung - Zivilgesellschaft, ihre Säulen, Aktionsbereiche und Funktionen - Öffentlichkeit und Medien, Medien als 4. Gewalt, Werbung - soziale Ungleichheit - Wirtschaftsordnung, wirtschaftliches Handeln, wirtschaftliche Koordination, Produktion und

Verbrauch, Angebot und Nachfrage, Preisbildung, Wettbewerb, Wachstum und Krisen, politische Steuerung, Konjunkturen, Konjunktur- und Strukturpolitik, unterschiedliche Märkte, Wirtschaftskreislauf, Geld- und Kapital, Europäische Zentralbank, betriebliche Grundfunktionen, Arbeitsmarkt, Tarifvertragssystem, Mitbestimmung, Arbeitnehmerrechte, Arbeitslosigkeit, Leistungsprinzip und Mobilität

- technischer Fortschritt, technischer Wandel, Rationalisierung, Mikroelektronik, IuK-Technologien

- Berufswahlorientierung, Berufsausbildung, Arbeitsmarkt, III. Demokratie als politische Ordnung (Demokratie als Herrschaftsform)

- Grundwerte der Demokratie, Menschenrechte, Bürgerrechte, Grundgesetz - repräsentative/parlamentarische Demokratie, Gewaltenteilung, Macht und Machtkontrolle - Verfassungsnorm, Verfassungswirklichkeit - politische Willensbildung, Wahlen, Gesetzgebung, Parteien, Interessenvertretung und

Interessengruppen, soziale Bewegungen, direkte Partizipation - wehrhafte Demokratie - Bundeskanzler, Bundesregierung, Bundespräsident - Sozialstaat und soziale Sicherung - Umweltschutz und Umweltpolitik - Bürgerschaftlichkeit und politische Kultur - Bundeswehr - Föderalismus, Gemeinde, lokale Demokratie, Kreis, Länder, Bund

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- politische Ordnung eines Bundeslandes - Rechtsstaat, Rechtsordnung, Menschen und Grundrechte, Verfassungsgerichtsbarkeit - Rechtssprechung, Rechtswege, Recht und Unrecht, Kinder- und Jugendrechte - Strafgesetze, Jugendstrafrecht und Jugendstrafvollzug, Jugendschutz, Polizei,

Strafe/Resozialisierung, Täter/Opfer - Gewalt und Extremismus - Recht im Alltag - Recht und Gesetz

IV. Globalisierung, internationale Beziehungen und Organisationen (Demokratie als globales Projekt)

- Internationale Konflikte und ihre Ursachen, Krieg und Frieden, Friedenssicherung - Terrorismus, neue Kriege, humanitäre Interventionen - Europäische Union, NATO, Vereinte Nationen - Vielfalt der Globalisierung, Völkerrecht, Entwicklungspolitik, Nord-Süd-Konflikt - globale Umweltprobleme - fremde Kulturen, fremde Systeme - Systemwechsel, Systemwandel

pragmatisch zusammengestellt nach: vielfältige Literatur zur politischen Bildung, Rahmenrichtlinien, Schulbücher

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Übersicht 5: Dreiklang der Kompetenzmodelle im Vergleich

- kognitive Fähigkeiten und Fertigkeiten - motivationale/soziale Bereitschaften und Fähigkeiten - nutzen können, handeln (Klieme 2003, S. 72)

- cognitive - social - affective (Europarat/Dürr 2001, S. 14, Europarat/Audigier 2000, S. 23)

- knowledge - skills - values (England, QCA, 1998, S.41) - knowledge and understanding - skills - attitudes (England, DfEE/QCA 1999, S. 12)

- knowledge - skills and - understanding (OCA 2000)

- knowledge - skills - attitudes and values (Australien, Kennedy/Print 1997)

- knowledge what/about - awareness why - skills how (England, Ryle, 1997)

- affektiv/sozial/moralisch: Motivation, Energie, Engagement, Wollen, Einstellungen, Habitus

(commitments, dispositions, attitudes, virtues) - kognitiv: Wissen, Kenntnisse, Verstehen (intellektuell skills) - praktisch-instrumentell: Können, praktische Fähigkeiten und Fertigkeiten (skills and

strategies) (Himmelmann 2003)

- social and moral responsibility, - community involvement - political literacy (England, Crick-Report 1998, S. 8)

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Übersicht 6: Lernstandards: affektiv/moralische Einstellung („commitments, attitudes“, „dispositions“)

1. Anerkennung der Prinzipien der Universalität, Interdependenz und Unteilbarkeit

der Grundrechte und Grundfreiheiten 2. Achtung des Werts, der Würde und Freiheit eines jeden einzelnen Menschen 3. Akzeptanz der Herrschaft des Rechts, Streben nach Gerechtigkeit, Anerkennung

der Gleichwertigkeit und Gleichbehandlung in einer Welt voller Unterschiede 4. Bekenntnis zum Frieden, zu Gewaltlosigkeit und zur partizipatorischen und

konstruktiven Lösung von gesellschaftlichen Konflikten und Problemen 5. Vertrauen in die demokratischen Prinzipien, Institutionen und Verfahrensweisen

sowie Wertschätzung der bürgerschaftlichen Mitwirkung, kritische Loyalität 6. Anerkennung des Pluralismus in der Lebenswelt und in der Gesellschaft,

Respekt vor fremden Kulturen und ihrem Beitrag zur menschlichen Entwicklung 7. Wertschätzung von Gegenseitigkeit, Kooperation, Vertrauen und Solidarität

sowie Bekämpfung von Rassismus, Vorurteilen und Diskriminierung 8. Eintreten für die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung als Balance zwischen dem

gesellschaftlichen und ökonomischen Wachstum und dem Schutz der Umwelt nach: Council of Europe: Council for Culture Cooperation (CDCC): Project on „Education for Democratic

Citizenship“, competencies for education for democratic citizenship (F. Audigier, Geneva), Strasbourg, 26. June 2000 (DG IV/EDU/CIT/ 2000/23), p. 61

Übersicht 7: Lernstandards: Allgemeine kognitive Fähigkeit („knowledge“)

1. Erkennen (wiedergeben und beschreiben) eines Sachverhalts, einer Aussage, eines Problems, einer Situation, eines Konflikts (Sachkenntnis)

2. Unterscheiden (und vergleichen) von Aussagen, Stellungnahmen oder Sachverhalten gemäß den unterschiedlichen Interessen, Bedürfnissen oder Wertpositionen (Unterscheidungsvermögen)

3. Erörtern (und erläutern) der unterschiedlichen Aussagen im Gesamtkontext, weiterführende Fragestellungen erarbeiten (Zusammenhänge)

4. Untersuchen (und Erklären) der Ursprünge, Hintergründe oder der Geschichte (Geschichte) 5. Kritisch überprüfen (beurteilen und bewerten) einer Position oder Stellungnahme nach ihren Folgen,

ihrer Zukunftsbedeutsamkeit und ihrer Problemlösungsfähigkeit (Folgen, Lösungsfähigkeiten) 6. Argumentieren (und Stellung nehmen) für oder gegen eine Position;

gem. eigener, aber ausgewiesener Kriterien (Stellungnahme, Kritik) 7. Begründen der eigenen Position in rechtlicher und moralischer Sicht sowie Handlungsmöglichkeiten

abschätzen (Begründung, Handlungsfähigkeit) 8. Reflektieren (und diskutieren) der normativen Gehalte gem. den Kriterien von Menschenrechten,

Demokratie, Rechtsstaat oder Moralvorstellungen; beurteilen von Entscheidungs- oder Wertkonflikten (Reflexion)

nach: Center for Civic Education (ed.): National Standards for Civics and Government

(1994), Calabasas/Cal. (2003), p. 5

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Übersicht 8: Lernstandards praktisch-instrumentelle Fähigkeiten („skills“, „strategies“)

1. Meinungen und Argumente anderer erfassen und ernst nehmen, andere Meinungsträger als Person anerkennen, sich in die Lage anderer versetzen, Kritik ertragen, zuhören (Dialogfähigkeit, Empathie) 2. Eigene Meinung (Bedürfnisse, Interessen, Gefühle, Wertpositionen) deutlich machen, zusammenhängend reden, klar und deutlich begründen (Interessenvertretung, Selbstwirksamkeit) 3. Auf jede Art von Gewalt, Demütigungen, Beleidigungen (Kraftausdrücke) etc. verzichten (Zivilität) 4. Auf Schwächere Rücksicht nehmen, Diskriminierungen abbauen, Außenseiter integrieren (Sensibilität, Solidarität) 5. Gruppenarbeit organisieren, in Arbeitsteilung kooperieren Aufgaben übernehmen, Zuverlässigkeit, Ausdauer, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit beweisen (Interaktions-, Organisations- und Kooperationsfähigkeit) 6. Vielfalt, Divergenzen, Differenzen aushalten, Konflikte erkennen, nach Möglichkeit ausgleichen und sozialverträglich regeln, Fehler und Unterschiede akzeptieren (Konflikfähigkeit) 7. Kompromisse finden, Konsens suchen, Mehrheitsentscheidungen akzeptieren, Minderheiten tolerieren, Ermutigung vermitteln, Rechten und Pflichten abwägen sowie Vertrauen und Zivilcourage zeigen (Kompromiss- und Konsensfähgkeit Zivilcourage) 8. Gruppenverantwortung hervorheben, faire Normen sowie Gemeinsame Interessen und Bedürfnisse entwickeln, gemeinsame Aufgabenbewältigung fördern (Verantwortungsbereitschaft, Gemeinschaftssinn)

nach: Council of Europe: Council for Cultural Cooperation (CDCC): Project on „Education for Demokratic Citizenship“, Strategies for Learning Democratic Citizenship (K. Duerr, Stuttgart/V. Spajic-Vrkas, Zagreb/I. Ferreira/Martins, Lisbon), Strasbourg, 19. July 2000, p. 67 pp.

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Übersicht 9: Methodenkompetenzen

- Arbeitstechniken: Informationsgewinnung, Informationsverarbeitung, Analyse,

Argumentation, Kommunikation - Umgang mit Texten: Lesen, Informationsaufnahme, Verstehen, Interpretieren,

Gliedern, Schlussfolgern, Reflektieren und Bewerten - Umgang mit Statistiken, Zeichnungen, Grafiken, Bildmaterialien, Karikaturen etc. - Umgang mit audio-visuellen Medien - Anfertigen von unterschiedlichen Textsorten: Lebenslauf, Bewerbungsschreiben, Leserbrief, Protokolle, Berichte, Anschreiben an Politiker, Plakate etc. - Durchführung einer „Recherche“ - Durchführung von Interviews, Erstellung von Fragebögen, Auswertung von Fragebögen - Durchführung einer Expertenbefragung - Durchführung einer Zeitungs- oder Medienanalyse - Formulierung von Fragen und Hypothesen - Projektplanung und -durchführung

Zusammengestellt aus allgemeiner Methodenliteratur

Übersicht 10: Stufen des Erreichens der Standards (Leistungs-, Kompetenzstufen)

1. Grad der Selbstständigkeit in der Wiedergabe, Anwendung und im Transfer von kognitiven und sozialen Fähigkeiten

- mit Hilfe - mit geringer Hilfe - unabhängig - eigenständig weiterführen

2. Grad der Tiefe und Breite der Anwendung kognitiver und sozialer Fähigkeiten in der Spanne von Erkennen und Beurteilen/Reflexion

- unscharf - lückenhaft, begrenzt - im Ganzen richtig - mit Details ergänzt - kontextuell durchdacht - analytisch fundiert

3. Grad der Originalität, Flexibilität, Komplexität, Generalisierung, Universalität, Kreativität

und Motivation in Begründungen und Reflexion - ich-bezogen, subjektiv - konventionell, rational - normativ-wertbezogen - kreativ, autonom, motiviert, innovativ, originell

nach: Klieme, E. u. a.: Zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards. Eine Expertise. Deutsches Institut für

Internationale Pädagogische Forschung, Frankfurt/Berlin, 18. Febr. 2003

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Übersicht 11: Inhalte des Demokratie-Lernens/der politischen Bildung

polit. System, “

Inhaltsfelder aus: Literatur zur Didaktik des politischen Bildung, Rahmenrichtlinien der

Bundesländer, internationale Ansätze

Menschenrechts- erziehung

Werte-Bildung Politisch-gesellschaftliche Bildung („civics“)

Polit. System, Institutionen „government“

Moralische Erziehung

Soziales Lernen

Ökonomisches Lernen

Interkulturelles Lernen

Medien-Erziehung

Rechtserziehung

Friedenserziehung

Verantwortung Zivilcourage „leadership“

Europa-Lernen

Umweltbildung

Globales Lernen (globale Probleme) Internat. Politik

Demokratie-Lernen (Education for democratic Citizenship)