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DENNIS DiCLAUDIO Der kleine Hypochonder

DENNIS DiCLAUDIO Der kleine Hypochonder · Buch Wir kennen Tausende von Krankheiten. Dennis DiClaudio hat die hart-näckigsten und gemeinsten zu einem hilfreichen Handbuch für einge-bildete

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DENNIS DiCLAUDIO

Der kleine Hypochonder

Buch

Wir kennen Tausende von Krankheiten. Dennis DiClaudio hat die hart-näckigsten und gemeinsten zu einem hilfreichen Handbuch für einge-bildete Kranke zusammengestellt, sodass Sie mühelos auf jeder Party mit der gefährlichsten oder unheimlichsten Erkrankung Gesprächsmit-telpunkt werden können. Jede Krankheit wird mit ihren Symptomen, Behandlungsmöglichkeiten, Prognosen und – falls Sie noch nicht daran erkrankt sein sollten – Tipps zur Prävention ausführlich dokumentiert. Klassische medizinische Zeichnungen ergänzen die einzelnen Einträ-ge. Ein Muss für alle angehenden und praktizierenden Hypochonder. Mit diesem Büchlein in der Hinterhand können sie aber auch renitente Jammerer auskontern: »Du hast doch Progeria adultorum!« Die Symp-tome? Ihr Musikgeschmack verkommt, und Sie stellen fest, dass sie mit

dem Fernseher reden, als ob er Ihnen antworten würde.

Autor

Dennis DiClaudio, geboren 1973 in Cherry Hill, New Jersey, ist Lektor bei einem großen amerikanischen Fachverlag für Medizin und Autor mehrerer Kurzgeschichten und Th eaterstücke. Er lebt in Philadelphia.

Dennis DiClaudio

Der kleine Hypochonder

Lexikon der eingebildeten Krankheiten

Aus dem amerikanischen Englisch von Anne Uhlmann

Dies ist ein humoristisches Buch. Die beschriebenen Krankheiten gibt es zwar wirklich, aber die eine oder andere Information könnte fehlen, weil sie zu langweilig war oder anderen überfl üssigen Fakten den Platz nahm. Dieses Buch sollte nicht als medizinisches Nachschalgewerk be-

nutzt werden.

Die Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel»Th e Hypochondriac’s Guide:

Pocket Guide to Horrible Diseases You Probably Already Have«bei Bloomsbury Publishing, New York.

Die Veröff entlichung erfolgt auf Grund einer Vereinbarung mit becker&Mayer! LLC, Bellevue, WA. www.beckermayer.com

Verlagsgruppe Random House FSCDEU0100

Das FSC-zertifi zierte Papier München Super für Taschenbücheraus dem Goldmann Verlag liefert Mochenwangen Papier

Taschenbuchausgabe November 2007Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbHCopyright © der Originalausgabe 2006 by Dennis DiClaudio

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe by Deutsche Verlags-Anstalt, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH, 2006Umschlaggestaltung: Design Team München

KF · Herstellung: Str.Druck und Bindung: Clausen & Bosse, Leck

Printed in GermanyISBN: 978-3-442-15466-1

www.goldmann-verlag.de

2. Aufl age

inhalt

8 Einleitung

Autoimmunkrankheiten

12 Akromegalie16 Akute toxische Epidermolyse20 Ameloblastom24 Cornu cutaneum28 Gynäkomastie32 Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom36 Sklerodermie

Bakterielle Infektionen

42 Bejel46 Felinose50 Lepra54 Mykobakteriose58 Nekrotisierende Fasziitis62 Noma66 Pest

Erbliche und neurologische Erkrankungen

72 Akinetischer Mutismus76 Alien Hand Syndrome80 Chorea rheumatica84 Fibrodysplasia ossifi cans progressiva88 Kongenitale erythropoetische Porphyrie

92 Progeria adultorum96 Trimethylaminurie

Idiopathische Erkrankungen

102 Chronische idiopathische Diarrhoe106 Eosinophiles Myalgie-Syndrom110 Glossodynie114 Orbitaspitzensyndrom118 Zervikale Dystonie122 Zyklisches Erbrechen

Parasiteninfektionen

128 Ascariasis132 Candirú-Befall136 Dracunculose140 Enterobiasis144 Filarienlymphangitis148 Loiasis152 Myiasis156 Scabies norvegica160 Zerebrale Sparganose

Vergiftungen und Pilzerkrankungen

166 Amnestische Muschelvergi� ung170 Ergotismus174 Hyponatriämie178 Mucormykose

Virus- und Prionenerkrankungen

184 Creutzfeld-Jakob-Krankheit188 Enzephalitis

192 Marburg-Fieber196 Tödliche familiäre Schlafl osigkeit200 Tollwut

204 Dank205 Register der Symptome

Einleitung

Während wir hienieden unser tägliches Leben bestreiten – die vierte Runde Mojitos bestellen, an der Kasse im Super-markt Schlange stehen, um unseren Krimskrams zu bezah-len, behutsam Fotos von tropischen Fischen an die Wand pinnen – sehen wir uns unausgesetzt von einer Schwindel erregenden Zahl an Undingen bedroht, die mit List und Tü-cke versuchen, in unseren Körper zu gelangen: Viren, Bak-terien, Würmer, Insekten, blutrünstige Fische. Organismen gieren danach, in die Wärme unseres Inneren zu dringen und sich an unserem Fleisch zu nähren, sich zu vermehren, unsere biologischen Funktionen zu unterwandern und zu korrumpieren. Und unser Immunsystem kann sie nicht alle in Schach halten. Manche schaff en es, stürmen die Festung und verwüsten unsere zerbrechliche Existenz. Und während wir noch unter der Belagerung dieser Eindringlinge ächzen, werden wir obendrein aus der Tiefe unseres eigenen Inne-ren angegriff en. Organe straucheln, Neurotransmitter im Gehirn laufen Amok, seit Unzeiten schlummernde, unheil-volle Gene erwachen dreist zu neuem Leben. Es scheint ein Wunder, dass wir überhaupt so lange existiert haben.Der Mensch kennt Tausende und Abertausende von Krank-heiten. Medizinlehrbücher auf staubigen Bibliotheksre-galen künden zuhauf von Schrecken ohne Ende. Die über-wiegende Mehrzahl davon hat mich beim Verfassen von Der kleine Hypochonder kalt gelassen. Nach umfangreicher Recherche habe ich mich entschieden, es bei schlichten

fünfundvierzig bewenden zu lassen. Die hier vorgestellten Krankheiten gehören zu den absonderlichsten, schlimms-ten, abscheulichsten und unangenehmsten Leiden – alle-samt hundertprozentig wissenscha� lich verbürgt –, die da draußen auf Sie lauern.Dieses Buch ist allerdings nicht gedacht als der Weisheit letzter Schluss oder gar alleiniger Rettungsanker. Falls Sie auf der Grundlage ihrer gegenwärtigen Symptomatik nach sorgfältiger Selbstdiagnose zu dem Schluss kommen, dass Sie unter der Marburg-Krankheit, hämorrhagischem Fieber oder zerebraler Sparganose leiden, sollten Sie sich um eine zweite Meinung bemühen. Holen Sie den Rat Ihrer Nach-barn und Mitarbeiter ein, fragen Sie den Typ, der dem Kna-ben vom Feinkostgeschä� an der Ecke die importierte Sa-lami verkau� . Vertrauen Sie sich den fähigen Geistern eines Internetforums an. Als allerallerletzte Möglichkeit könnten Sie vielleicht auch ein Gespräch mit einem qualifi zierten Arzt in Betracht ziehen. Fangen Sie aber auf keinen Fall an, sich auf der Grundlage der in diesem Buch enthaltenen In-formationen selbst zu behandeln oder zu amputieren. Ich, der Autor, bin kein Arzt. Ich bin einer von Ihnen – vor Angst zitternd, zwangha� Hände waschend. Es gibt ver-lässlichere Autoritäten auf diesem Gebiet. Finden Sie sie.Für den Fall allerdings, dass Sie in der Tat an einer der auf den folgenden Seiten beschriebenen Krankheiten leiden, sollen Sie wissen, dass es keineswegs in meiner Absicht liegt, mich über Ihre furchtbare Lage lustig zu machen.Sie haben es schon schwer genug.Viel Spaß bei diesen entsetzlichen Krankheiten, möge Gott Ihrer Seele gnädig sein.

Dennis J. DiClaudio

Hauthorn

Gynäkomastie

Opsoklonus-Myoklonus-Syndrom

akute toxische Epidermolyse

Sklerodermie

Ameloblastom

Akromegalie

Autoimmunkrankheiten... bei welchen ein übereifriges Immunsystem für unbotmäßige Aktivitäten in Teilen Ihres Körpers

sorgt, die es besser in Ruhe ließe.

Akromegalie (auch: Gigantismus)

... bei welcher ein Überschuss an Wachstumshormon dazu führt, dass sie ständig neue Hüte, Handschuhe und Schuhe kaufen müssen.

Symptome• Vergrößerung von Händen und Füßen• Vergröberung der Gesichtszüge • Auseinanderdri� en der Zähne• vergrößerte Zunge• Arthritis• Rückenschmerzen• Wirbelsäulenverkrümmung• Prickeln• Taubheit• Hautverdickung• fettige Haut• Akne• Atembeschwerden• Müdigkeit• Kopfschmerzen• Sehverlust

DiagnoseEs ist schon seltsam, wie sich Ihr Körper Tag für Tag ein ganz klein wenig verändert, ohne dass Sie dessen auch nur im Geringsten gewahr werden. Sie betrachten Ihr Bild im Spiegel, und es scheint der Person, die gestern auf Sie zu-

• Blindheit• Veränderungen im Menstruationszyklus• Nachlassen des Sexualtriebs• Impotenz

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rückgestarrt hat, alles in allem in vernün� igem Maße zu ähneln, den-noch unterscheidet es sich ein wenig. Die Zeit fordert ihren Tribut –nicht in großer Münze, sondern in sparsam be-messenem Handgeld. Ein paar Haare weni-ger. Die Falten um die Augen sind ein biss-chen mehr geworden. Ihr Ehering hat sich ein bisschen tiefer in Ihren Finger gegraben. Ihr Schädel wird größer, Ihre Stirn wölbt sich mehr. Zwischen Ihren Zäh-nen bilden sich Lücken. Und Ihr Kinn sollte doch nicht so weit aus dem Gesicht hervorragen, oder? Eines Tages tref-fen Sie auf der Straße eine alte Freundin, und sie sagt »Hei-liger Strohsack! Warum ist dein Kopf so groß?« Hat alles mit dem Älterwerden zu tun. Nun ja, mit dem Älterwerden und einer akuten Akromegalie.Das Wort selbst stammt aus dem Griechischen: akro ... be-deutet »Spitze«, »Gipfel«, im übertragenen Sinne auch Gliedmaßen – »Extremitäten« –, und mega ... heißt »groß«, »riesig« oder eben »monströs«. Die Symptome die-ser Krankheit – bedingt durch einen Überschuss an Wachs-tumshormon (seinerseits in den meisten Fällen verursacht durch einen Hypophysentumor) – treten in der Regel erst im Erwachsenenalter zutage und schlagen sich zuerst in der abnormen Vergrößerung von Händen und Füßen nieder, können Ihnen aber auch eine Riesennase, dicke Lippen, eine

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gewölbte Stirn und eine allgemeine Entstellung Ihrer Ge-sichtszüge bescheren, so dass Sie am Ende ein bisschen aus-sehen wie der Folk-Rock-Musiker Neil Young.Und, jawohl, Ihren Penis kann es auch treff en.

PrognoseDie Barré-Akkorde auf Ihrer Gitarre werden Ihnen leich-ter fallen. Zusammen mit der Penisvergrößerung könnten Sie nun versucht sein anzunehmen, Akromegalie sei nicht so schrecklich wie andere schreckliche Krankheiten. Aber es gibt defi nitiv ein paar Kehrseiten der Medaille. Das Wachstums-hormon wirkt auch auf die inneren Organe, und das kann zu Herzerkrankungen, erhöhtem Blutdruck, Herzrhythmusstö-rungen, Diabetes und Darmkrebs führen. Die Wahrschein-lichkeit, dass Sie nicht alt werden, steigt um 100 Prozent.Die Krankheit wird in der Regel durch einen Tumor der Hirnanhangsdrüse verursacht, und die befi ndet sich tief innen in Ihrem Schädel, so dass Ihnen, wenn der Tumor wächst und auf Gehirn und Augen zu drücken beginnt, alle möglichen Probleme blühen können: unter anderem Kopf-schmerzen, Sehverlust, ein verminderter Geschlechtstrieb und Impotenz. So viel zum Thema Penisvergrößerung.

PräventionWenn Sie eine Methode kennen, die verhindert, dass in Ihrem Schädel ein Tumor wächst – auf jeden Fall auspro-bieren!

BehandlungMan kann das Hypophysengewächs operativ entfernen. Dabei dringt man durch die Nase in den Schädel ein und schält den Tumor aus. (Anmerkung: Bitte probieren Sie das

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nicht selbst. Ärzte sind in diesen Dingen sehr viel erfah-rener und haben weit besseres Werkzeug.)Eine andere Möglichkeit sind Medikamente. Pegvisomant, Octreotid und Bromocriptin können dazu beitragen, die Produktion von Wachstumshormon im Körper zu norma-lisieren. Aber es kann Jahre dauern, bis sie Wirkung zeigen, und selbst wenn diese eintritt, ist die Entstellung durch das abnorme Knochenwachstum irreversibel.Wenn beides nichts hil� , gibt es noch die Option, den Tu-mor zu bestrahlen, das aber kann einen dauerha� en Ver-lust der Hypophysenfunktionen nach sich ziehen, und Sie müssten für den Rest Ihres Lebens Hormonpräparate ein-nehmen.

Übrigens... André Russimoff , besser bekannt als André the Gi-ant oder »Das achte Weltwunder«, ist das vermutlich berühmteste Akromegalie-Opfer. Bei ihm wurde die Krankheit bereits im Kindesalter erkannt, also machte er das Beste daraus, wurde Profi -Ringer, bereiste die Welt und stieg bei jeder sich bietenden Gelegenheit in den Ring. Man bat ihn schließlich, der Worldwide Wrest-ling Federation beizutreten (dem Vorläufer der heutigen WWE), in der er an sechs Wrestlemanias teilnahm. Bei der Bodyslam-Challenge während der Wrestlemania I (1985) besiegte er Big John Studd. Er war zu Zeiten Schwer-gewichts-Champion und holte den Mannscha� stitel im Tag Team. Außerdem wirkte er in mehreren Filmen mit, unter anderem in Die Brautprinzessin, in der er beiläufi g ein paar Reime mit Mandy Patinkin wechselte.

Akute toxische Epidermolyse (auch: Necrolysis acuta toxica, Lyell-Syndrom)

… bei welcher Ihre Haut schmerzha� e Bläschen schlägt und sich in großen Fetzen von Ihnen schält.

Symptome• Müdigkeit• Ausschlag• off ene Wunden• Blasen• Fieber• Husten• Halsschmerzen • Muskelschmerzen• Hautbrennen• empfi ndliche Haut• Lichtempfi ndlichkeit

DiagnoseWie der majestätische Monarchfalter, der sich auf dem Blatt einer Seidenpfl anze seinen Atlaskokon webt, haben auch Sie mit Ihrer allmählichen Veränderung begonnen. Die klei-nen roten Flecken auf Gesicht, Hals, Brust und Genitalien breiten sich aus, wachsen ineinander und beginnen, sich zu schmerzha� en Bläschen zu entwickeln. Ihre oberste Haut-schicht löst sich ab, wir� Blasen, unter denen sich deutlich sichtbar fl üssiges Sekret ansammelt. Und wie eine Raupe, die sich in ihrer wächsern glänzenden Puppe räkelt, fi nden auch Sie sich plötzlich von einer geschlossenen Hülle aus toter Haut umgeben, aus der heraus nur noch die Augen den Kontakt zwischen der hermetischen Abgeschlossenheit

• fl ächige Hautablösung• Schmerzen• Eiter• trockene Lippen• aufgesprungene Lippen• blutende Lippen• Appetitlosigkeit• Haarausfall• Augentrockenheit• Sehverlust• Blindheit

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Ihrer nekrotisierten Hülle und der Außenwelt aufrechter-halten. Doch wenn Ihre Puppenhülle aufzubrechen beginnt und sich in großen Fetzen von Ihnen schält, werden Sie sich nicht mit himmelwärts gerichteten Flügeln von ihr befrei-en, sondern sind zu einem zitternden, zagenden Häufl ein Elend mit eiternder, verbrannt wirkender Haut verkom-men, dessen ihm angemessener Aufenthaltsort einzig und allein die Verbrennungsabteilung der Intensivstation ist.Noch stellen die Ärzte viele Fragen zum Thema akute to-xische Epidermolyse vor ein Rätsel, doch ganz grundsätz-lich ist anzunehmen, dass sie zustande kommt, weil Ihr Körper ein Medikament (in der Regel ein verschreibungs-pfl ichtiges Präparat, wissen Sie, eins von der Sorte, die ei-gentlich dazu beitragen sollte, dass es Ihnen besser geht) nicht verträgt. Der Körper deponiert das unwillkommene Präparat so weit weg von sich, wie es geht – das heißt in den alleräußersten Schichten seiner Haut – und will von da an nichts mehr mit ihm zu tun haben.

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PrognoseWenn sich bei Ihnen eine akute toxische Epidermolyse an-bahnt, überschlagen sich die Ereignisse. Binnen drei oder vier Tagen haben Sie es von schlichten grippeähnlichen Symptomen zu Ausschlägen und Blasenbildungen auf dem gesamten Körper gebracht. Kurz darauf wird sich die obers-te Hautschicht mehr oder weniger am Stück ablösen.Das Risiko zu sterben liegt bei etwa 30 Prozent, Todesursa-che wird vermutlich eine umfassende systemische Infektion sein, die angesichts der riesigen ungeschützten Oberfl äche, die nach der Ablösung der äußeren Hautschicht zurück-bleibt, leichtes Spiel mit Ihnen haben wird.

PräventionEs gibt kein wirksames Mittel, eine akute toxische Epider-molyse zu verhindern. Auch wenn man weiß, dass sie in der Regel die Unverträglichkeitsreaktion auf ein bestimm-tes Medikament darstellt, so gibt es doch mehr als hundert Präparate, die als Auslöser in Frage kommen – ein paar der gefahrenträchtigeren sind Penicillin, Sulfadiazin (ein An-tibiotikum) und Phenytoin (ein Antiepileptikum) –, es ist daher schwer einzuschätzen, welches davon die Krankheit ins Rollen bringt. In bestimmten Fällen aber bleibt die Krankheitsursache ganz und gar im Dunkeln. Es passiert einfach.

BehandlungEine eigene Therapie gibt es für akute toxische Epidermo-lyse nicht. Man wird Sie vermutlich in die Intensivstation für Verbrennungsverletzungen einweisen und Sie wie ein Brandopfer behandeln – in aseptische Tücher und Banda-gen hüllen und möglicherweise sogar Hauttransplantati-

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onen vornehmen, um Infektionen vorzubeugen. Ihr Flüs-sigkeits- und Elektrolythaushalt wird sorgsam überwacht und bei Verlust immer wieder aufgestockt. Wenn die Ärzte herausfi nden, welches Medikament verantwortlich ist, wird man es sofort absetzen.Manche Ärzte befürworten den Einsatz von Steroiden zur Kontrolle von Entzündungen, andere dagegen sind der An-sicht, dass diese das Immunsystem unterdrücken und Sie nur anfälliger für Infektionen machen würden. Außerdem gehören Corticosteroide ihrerseits zu den Wirkstoff en, die eine toxische Epidermolyse heraufbeschwören können.Nach ein paar Wochen guter medizinischer Pfl ege sollte Ihr Körper so weit abgeheilt sein, dass Sie mit Ihrem norma-len Leben fortfahren können. Rechnen Sie mit jeder Men-ge schicker Narben.

Übrigens …Während Sie, das Fell über die Ohren gezogen, in Ih-rem Intensivpfl egebett vor sich hin dösen, Ärzte und Schwestern sich an Ihrem rohen Fleisch zu schaff en ma-chen, und all das nur, weil Sie ein Medikament genom-men haben, das man Ihnen besser nicht verschrieben hätte, mag Ihnen vielleicht in gewissem Maße die be-ruhigende Anwesenheit Dutzender geschä� ig vor sich hin wuselnder Rechtsanwälte zum Trost gereichen, die vor Ihrer Krankenzimmertür lauern und geduldig war-ten und warten und warten …

Ameloblastom (auch: Adamantinom)

… bei welcher Tumoren auf Ihrer Wange Ihr Gesicht entstellen.

Symptome• Schmerzen• lose Zähne• unregelmäßige Zahnstellung• erschwerte Atmung• Geschwulst• Gesichtsschwellung• Gesichtstumor

DiagnoseEin Ameloblastom ist wirklich kein Grund zur Aufregung. Es sei denn freilich, Sie gehören zu den Menschen, die mit Herz und Seele an ihrer gegenwärtigen Kopff orm hängen. Sollten Sie allerdings so eitel sein, dass Ihnen riesige knol-lenförmige Wucherungen, die Ihren Kiefer verformen und Ihnen die Zähne aus dem Mund drücken, etwas ausmachen, kann es sein, dass ein Ameloblastom Ihnen doch ein biss-chen Grund zur Aufregung liefert.Zu dieser Erkrankung kommt es, wenn sich auf Ihrem Kie-fer Tumoren oder Zysten bilden, die gelegentlich die Grö-ße eines zweiten Kopfes erreichen können. Meist entstehen diese Geschwulste auf dem Unterkiefer (oder Mandibula, daher wird die Krankheit gelegentlich auch als Mandibu-lar- oder Unterkieferameloblastom bezeichnet), aber sie können auch dem Oberkiefer, den Nasennebenhöhlen und den Augenhöhlen entwachsen.

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PrognoseDass Sie sterben, ist unwahrscheinlich. Aber dass Sie ein verknubbeltes unförmiges Gesicht bekommen, ist sehr wahrscheinlich. Das Ganze ist zudem ein allmählicher und beharrlicher Prozess, und die meisten Leute bemerken erst, wenn es zu spät ist, dass etwas nicht stimmt.Diese Zysten und Tumore entstehen in den bezahnten Tei-len des Kiefers (sie entspringen den Resten der Zahnglo-

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cken, die unsere Zähne hervorbringen). Und wenn sie ein-mal da sind, wachsen sie und wachsen … Zähne lockern sich und fallen aus. Es kommt zu sichtbaren Schwellungen, und Ihre Mitmenschen werden zu Ihnen Dinge sagen wie: »Sag mal, hattest du diese Riesenbeule am Unterkiefer schon immer?« Das Ergebnis ist eine großfl ächige Kieferzerstö-rung und ein entstelltes Gesicht.

PräventionEs gibt keine Möglichkeit, ein Ameloblastom zu verhindern, weil niemand so recht weiß, warum es überhaupt entsteht. Sie kriegen es, oder Sie kriegen es nicht. Man munkelt, dass Zahnfl eischinfektionen eine Rolle spielen könnten, also kann gründliche Zahnpfl ege nichts schaden.

BehandlungDie sicherste Art, ein Ameloblastom zu behandeln, besteht darin, den ganzen Kiefer zu entfernen. Das hört sich viel-leicht nicht nach einer guten Lösung an, aber versuchen Sie einmal, das Ganze nicht so eng zu sehen. Wozu brau-chen Sie Ihren Kiefer schon – abgesehen vom Essen, Reden und davon, dass Sie mit ihm aussehen wie jemand, der sei-nen Kiefer noch hat? Und mithilfe der modernen Techniken der plastischen Chirurgie werden Sie danach auch fast wie-der aussehen wie jemand, der seinen Kiefer noch hat. Nicht ganz, aber fast.Eine andere Option ist, den Tumor aus dem Kiefer auszu-schälen. Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dass Sie Ihren Kiefer behalten. Der Nachteil ist, dass der Tumor, wenn auch nur das geringste bisschen davon übrig bleibt, erneut wachsen kann, und Sie sich am Ende trotzdem zu Option eins werden entschließen müssen.