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Depression Ratgeber für Betroffene und Angehörige

Depression Ratgeber

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Depressionsratgeber für Angehörige und Freunden von Betroffenen

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Page 1: Depression Ratgeber

DepressionRatgeber für Betroffene und Angehörige

Page 2: Depression Ratgeber

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Liebe LeserInnen,

Depression kann jeden treffen. Depressionentreten bei Menschen aller sozialen Schichten,Kulturen und Nationalitäten auf. Allein inDeutschland leidet jeder fünfte Bundesbürger ein-mal in seinem Leben an einer Depression. Depression ist eine Erkrankung, die die Gefühls-seite des Seelenlebens betrifft und sich imRahmen von Belastungen ebenso wie ohneerkennbare Ursache entwickeln kann. Depressionhat dabei viele Gesichter und kann sich indivi-duell in sehr unterschiedlicher Weise äußern.Stimmungstief, Freudlosigkeit und Antriebs-schwäche können von zahlreichen körperlichenSymptomen wie Schmerz oder Schlaflosigkeitbegleitet werden. In keinem Fall sind depressive Menschen dieserSituation hilflos ausgesetzt. Depression ist behan-delbar. Es sind unterschiedlichste Medikamente,spezielle Formen der Psychotherapie und mo-derne biophysikalische Therapiemethoden ver-fügbar und werden erfolgreich eingesetzt. DieDepressionsbehandlung verlangt Fachwissen.Sie sollten sich daher Ihrem Arzt anvertrauen,wenn Sie merken, dass Ihre Stimmung schlechterwird, Sie nur mit Mühe Ihren Aufgaben nachkom-men und Sie sich nicht mehr wie früher freuenkönnen. Der Arzt kann Ihnen helfen, denn moderneBehandlungen wirken. Sie wirken sogar unabhän-gig von der Ursache der Depression, und dies giltfür Psychotherapie ebenso wie für Medikamente.Sie sollten dabei keine Angst vor einer Behand-lung mit Psychopharmaka haben. Moderne Anti-depressiva machen nicht abhängig, sie erhalten

Vorwort

die gesunden Anteile Ihrer Persönlichkeit und sienormalisieren die krankhaften, biologischenVeränderungen der Depression. Die moderne Wissenschaft hat nachgewiesen, dassunabhängig von der Ursache einer Depressioneine Regulationsstörung des Zentralnerven-systems zugrunde liegen kann. Hier greifenmoderne Behandlungsformen justierend ein. Inden letzten Jahren wurde dabei deutlich, dassman die Depression als eine Erkrankung der Bio-rhythmik verstehen kann. Biologische Rhythmendes depressiven Menschen verlaufen vor alleminnerhalb des 24-Stunden-Tagesrhythmus (der„zirkadianen“ Rhythmik) verflacht, verschobenund ungeordnet zueinander. Ein gestörter Nacht-schlaf, beeinträchtigte Wachheit am Tage, Appetit-losigkeit sowie Schwankungen von Gefühlen undAntrieb im Tagesverlauf sind klinische Zeichen die-ser Störung. Dieses Verständnis eröffnet neueMöglichkeiten der Therapie, auch für den Betrof-fenen selbst, denn er kann selbst aktiv werden.Lassen Sie sich daher von Ihrem Arzt behandelnund tun Sie gleichzeitig selbst etwas gegen IhreDepression. Unterbrechen Sie – auch wenn esschwerfällt – das selbstzerstörerische Grübelnüber mögliche Ursachen. Konzentrieren Sie sichvielmehr auf die Aufgaben, die Ihnen von IhremArzt und diesem Ratgeber vorgeschlagen werden.Am Anfang der Depression erscheint vielesschwarz und aussichtslos, nach einer Weile wirdes Ihnen jedoch besser gehen.

Prof. Dr. med. Göran Hajak

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine Depression? 4

Symptome 6

Diagnose 10

Therapie 12

Medikamentöse Therapie 12

Nichtmedikamentöse Behandlung 18

Tipps zur Verbesserung der Schlafqualität 24

Schlafprotokoll 25

Tipps für Angehörige 26

Wichtige Adressen 27

Impressum

Herausgeber: Servier Deutschland GmbHElsenheimerstr. 53D - 80687 Münchenwww.servier.de

Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. med. Göran Hajak

Stand 10/2009

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Was ist eine Depression?

Häufigkeit

Depression ist die weltweit häufigste psychischeErkrankung und tritt in verschiedenen Formen undAusprägungen auf. In Deutschland leiden etwavier Millionen Menschen an einer behandlungs-bedürftigen Depression. Unter Einbeziehung vonleichteren und nicht diagnostizierten Krank-heitsverläufen gehen Experten von insgesamtetwa acht Millionen Betroffenen in Deutschlandaus. Weltweit sind es rund 121 Millionen Men-schen. Depressive Störungen können jeden treffenund in allen Altersgruppen auftreten. Etwa jederfünfte Deutsche erkrankt in seinem Leben einmalan einer depressiven Störung. Das durchschnittli-che Erkrankungsalter liegt für Männer bei 33 Jahrenund für Frauen bei 32 Jahren. Frauen sind dabeidoppelt so häufig betroffen wie Männer. Depres-sionen bleiben bei etwa 50 Prozent der Betroffe-nen unerkannt.

Trotz erheblicher Einschränkungen der Lebens-qualität wurde die Krankheit lange Zeit unter-schätzt. Deutschland verzeichnet jährlich etwa11.000 Selbstmorde aufgrund von Depressionen.Weltweit verüben rund 850.000 Betroffene jährlichSuizid. Drei Viertel aller Selbstmorde werden vonMännern verübt. 40 bis 50 Prozent der Suizidewerden von nicht diagnostizierten oder nicht rich-tig behandelten Patienten begangen.

Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO wer-den im Jahr 2020 Depressionen weltweit diezweithäufigste Ursache für gesundheitliche Beein-trächtigungen mit nachhaltiger Beeinträchtigungder Lebensführung sein. Die Betroffenen können

ihre normale Lebensrhythmik von Aktivität undArbeit, Ruhe und Entspannung nicht mehr einhal-ten. Ihre biologische Uhr ist sinnbildlich „aus demTakt gekommen“.

Die Krankheit mit den vielenGesichtern

Es gibt nicht eine Form der Depression.Depressive Erkrankungen äußern sich in zahlrei-chen Varianten mit unterschiedlichen Symp-tomen und Erscheinungsformen. Ärzte unter-scheiden Hauptsymptome der Depression wieStimmungstief, Antriebsschwäche und Freud-losigkeit von Zusatzsymptomen. Zusatzsymp-tome können psychischer und körperlicher Artsein. Häufig weisen Zusatzsymptome wieSchlafstörungen, Erschöpfung am Tage oderSchmerzen indirekt auf das Vorliegen einerDepression hin.

Mediziner unterscheiden zwischen der leichten,mittelgradigen und schweren depressivenStörung. Entscheidend für die Unterteilung ist dieKombination von Haupt- und Zusatzsymptomensowie die Dauer und Intensität, mit der dieSymptome auftreten.

Depressionen können nur einmal oder mehrmalsim Leben auftreten. Die Zeiten der depressivenEpisode können Tage, Wochen, Monate odersogar Jahre andauern. Halten die Symptome län-ger als zwei Wochen an, muss von einer behand-lungsbedürftigen Depression ausgegangen wer-den. Ärzte unterscheiden außerdem zwischenunipolaren und bipolaren Depressionen. BipolareDepressionen äußern sich durch das zusätzlicheAuftreten von manischen Erkrankungsphasen,die durch eine krankhafte Hochstimmunggekennzeichnet sind.

Leichte depressive Episode

Mittelgradige

depressive

Episode

Schwere

depressive

Episode

Einteilung des Schweregrads einerdepressiven Episode

Mindestens zwei Haupt- und zwei Zusatzsymptome, die in keiner besonderen Ausprägung auftreten.Mindestens über zwei Wochen.

Mindestens zwei Haupt- und mindestens

drei Zusatzsymptome, von denen einige

besonders ausgeprägt auftreten.

Mindestens über zwei Wochen.

Alle drei Hauptsymptome und mindestens

vier Zusatzsymptome. Einige der Zusatz-

symptome sind besonders ausgeprägt.

Über zwei Wochen.

Modifiziert nach ICD-10.

Körperliche SymptomePsychische Symptome

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Diagnose

klaren Ja antworten. Einen genaueren Eindruckzum Vorliegen einerDepression gibt dernebenstehende Frage-bogen zum Wohlbefinden,der von der Weltgesund-heitsorganisation WHOentwickelt wurde. Er wirdvon den Betroffenen aus-gefüllt und zusammen mitdem Arzt ausgewertet. DiePunktzahl der einzelnenFragen wird zu einemEndergebnis zusammen-gezählt. Ein Ergebnis von13 und darunter kann einHinweis auf eine depressi-ve Störung sein.

Erkennen einer Depression

Jeder Mensch kennt das Gefühl, niedergeschlagenzu sein und leidet von Zeit zu Zeit unter einer trau-rigen Verstimmung. Deshalb ist der Unterschiedzwischen einer vorübergehenden Störung derBefindlichkeit oder einer seelischen Verstimmungund einer behandlungsbedürftigen Depression oftnicht leicht zu erkennen. So wird manchmal einefalsche Diagnose gestellt, was auch daran liegt,dass sich Betroffene nicht über die Art ihrerErkrankung im Klaren sind. Gegenüber dem Arztnennen sie nicht die typischen Symptome einerDepression, sondern klagen über gestörtenSchlaf, Müdigkeit und Antriebslosigkeit oderkörperliche Beschwerden. Depressive Störungentreten oft zusammen mit anderen psychischenund körperlichen Erkrankungen auf. Folgebe-schwerden der Depression wie etwa Kopf- oderRückenschmerzen erschweren es den behandeln-den Ärzten, die Erkrankung korrekt zu diagnosti-zieren und die Symptome richtig zu deuten.

Ein weiterer Grund für ein Nichterkennen einerDepression ist, dass sich die Betroffenen nicht ein-gestehen wollen, erkrankt zu sein. Hinzu kommtdie Angst vor Vorurteilen, die immer noch mit demKrankheitsbild Depression einhergehen und denBetroffenen unterstellen, sie benutzen dieKrankheit als Ausrede für Trägheit und fehlendeEigeninitiative.

Hinweise auf eine Depression

Bei der Suche nach Hinweisen auf eine Depressionnähern sich Ärzte ihren Patienten gerne mit zweiSchlüsselfragen an: 1. nach einem anhaltenden Stimmungstief und 2. nach Freudlosigkeit. Eine weitere Abklärung führen sie dann bei jenenPatienten durch, die auf beide Fragen mit einem

Ist die Antwort „Nein“ auf beide Fragen, ist die Diagnose Depressionunwahrscheinlich.Ist die Antwort „Ja“ auf beide Fragen,muss die Abklärung fortgeführt werden.

Schlüsselfragen zur Depression

Haben Sie sich inden vergangenenMonatenniedergeschlagen,deprimiert oder hoffnungslosgefühlt?

Haben Sie in den vergangenenMonaten bemerkt,dass Sie wenigInteresse aufbringenkonnten oder keineFreude an demempfinden konnten,was Sie taten?

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Zusammenspiel vielfältigerUrsachen

Die Gründe für eine depressive Erkrankung sindvielschichtig. Meistens wirken biologische, sozialeund psychische Faktoren zusammen. Eine gene-tische Veranlagung in Verbindung mit psychoso-zialen Belastungen wie etwa Stress, Krankheitoder negativ empfundene Lebensereignisse kön-nen der Auslöser für eine depressive Erkrankungsein. Die Einflüsse wirken beim einzelnenMenschen unterschiedlich stark. So tretenDepressionen in Folge schwerer seelisch belasten-der Lebensereignisse (z.B. Tod einesLebenspartners) ebenso auf wie „aus heiteremHimmel“, ohne dass eine Ursache hierfür erkenn-bar wird.

Biorhythmen des Menschen

Die Wissenschaft kennt biologische Mechanismen,über die diese Einflussfaktoren im Zentral-nervensystem eine Depression auslösen können.Im Vordergrund moderner Forschung steht dabeider innere Rhythmus des Menschen.

Im menschlichen Körper laufen viele Vorgängerhythmisch ab. Biorhythmen, die eine Länge vonetwa 24 Stunden haben, werden „zirkadiane“Rhythmen, „den Tag umfassende“ Rhythmengenannt (lateinisch. Circa: um, herum; dies: derTag). Sie helfen dem Körper, seine biologischenFunktionen zueinander im Takt zu halten undauf wiederkehrende Ereignisse einzustellen. DieRhythmen werden von der „inneren Uhr“ des

Menschen reguliert. Diese befindet sich in einemkleinen Teil des Gehirns, den Hirnforscher den„Nucleus suprachiasmaticus“ nennen.

Die innere Uhr des Menschen steuert verschiedenebiologische und physiologische Funktionen desOrganismus wie die Körpertemperatur, denBlutdruck und die Ausschüttung von Hormonenwie z.B. Cortisol, Melatonin und Schilddrüsen-hormonen und gibt dem Körper zu verstehen,wann es Zeit ist, zu schlafen oder aufzustehen. DerNucleus suprachiasmaticus ist der „Dirigent“, derdas Orchester der biologischen Funktionen ineinem sinnvollen Zusammenspiel hält. Ein gesun-der Körper und eine gesunde Seele verlangen, dassdie Biorhythmen zueinander geordnet und an dieAnforderungen des Tag-Nacht-Wechsels ange-passt ablaufen.

Äußere Zeitgeber, wie Licht und Dunkel, helfenzusammen mit dem Zentralnervensystem bei derFeinsteuerung dieser Vorgänge. Sie sicherngemeinsam, dass der Organismus des Menschen„im Takt bleibt“. Eine wichtige Rolle spielt dabeidas Hormon Melatonin. Es wird bei Dunkelheit vonder Zirbeldrüse des Gehirns ausgeschüttet undwirkt auf die innere Uhr. Melatonin hat dadurchmaßgeblich Einfluss auf den Schlaf-Wach-Rhythmus des Menschen. Licht ist ein anderesentscheidendes Signal, welches dem Organismusdie Zeit ansagt. Lichteinfall über das Auge signali-siert dem Körper am Tage, dass die Melatonin-produktion eingestellt werden kann. Das harmoni-sche Wechselspiel von innerer Uhr, physikalischenSignalen und neurochemischer Regulation sicherteine intakte Psyche und körperliches Wohl-befinden.

Gestörte zirkadiane Rhythmik beiDepression

Depression ist eine Erkrankung, in der biologi-sche Rhythmen des Menschen innerhalb des24-Stunden-Tagesrhythmus (der „zirkadianen“Rhythmik), verflacht, verschoben und zueinanderungeordnet („desorganisiert“) sind und gegendie Anforderungen des Tag-Nacht-Wechsels („de-synchronisiert“) verlaufen. Schlaf- und Vigilanz-

störungen, Appetitlosigkeit sowie Schwankungenvon Stimmung und Antrieb im Tagesverlauf sindklinische Zeichen dieser Störung. Die schwereStörung von Rhythmusfunktionen des Körperszeigt sich in erhöhten und im Verlauf verflachtenBlutspiegeln des Stresshormons Cortisol, einerverflachten Verlaufskurve der Körpertemperatur, ineiner verminderten Ausschüttung des Zirbel-drüsenhormons Melatonin und natürlich in einemgestörten Schlaf-Wach-Rhythmus.

Die Organisation der Biorhythmik

Zirbeldrüse

Melatonin

Ursachen und Entstehungsmechanismen

Auge

Innere Uhrmit Melatoninund Serotonin-Rezeptoren

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Schlafstörungen und Depression

Bei depressiven Menschen, die unter Schlaf-störungen leiden, kann sich der körpereigeneBiorhythmus nicht mehr auf den Rhythmus vonTag und Nacht einstimmen. Rund 90 Prozent allerDepressionspatienten leiden unter Schlafstörun-

gen oder einer verminderten Wachheit am Tage.Die Schlafstörungen sind oft die ersten Zeicheneiner Depression und sie kündigen auch einenRückfall nach einer Behandlung an. Andererseitskönnen unbehandelte Schlafstörungen über dieStörung der Biorhythmik eine Depression aus-lösen. Es entsteht ein Teufelskreis, in dem sich die

Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus unddie Depression wechselseitig beeinflussen.

Auf den Seiten 24 und 25 finden Sie Tippszur Verbesserung der zirkadianenBiorhythmik und des Schlafes sowie einSchlafprotokoll zur Dokumentation IhrerSchlafqualität. Ein Angleichen der innerenUhr mit dem natürlichen Rhythmus vonTag und Nacht kann zu einer Verbesserungder Schlafqualität führen und gleichzeitigdie Stimmung von Menschen in einerdepressiven Phase verbessern.

Teufelskreis aus Depression und Schlafstörung

Schlafstörung

Depression

Schlafstörung

Depression

Ein gestörter Schlaf-Wach-Rythmus ist an der Entstehung von Depressionen beteiligt.

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Die Behandlung von depressiven Erkrankungenerfolgt zumeist aus der Kombination einerPsychotherapie und der Therapie mit Medika-menten (Pharmakotherapie).

Medikamentöse Therapie

Bei depressionskranken Menschen ist das Über-tragungssystem der Nervenzellen im Gehirngestört oder auch weniger aktiv. Die Kontakt-stellen (Synapsen) der Nervenzellen schüttenweniger Botenstoffe aus. Dadurch werden nichtausreichend Signale an das limbische System

Behandlung

weitergeleitet, das im Gehirn für die Verarbeitungvon Emotionen und Gefühlen zuständig ist.

Üblicherweise erhält das limbische SystemSignale von Nervenzellen durch dieAusschüttung der Botenstoffe Serotonin,Noradrenalin und Dopamin. Diese Botenstoffebeeinflussen den Schlaf-Wach-Rhythmus sowieGefühle und Emotionen.

Die medikamentöse Behandlung mit Anti-depressiva kann das Gleichgewicht der Boten-stoffe im Gehirn wieder herstellen.

Unser Gehirn übermittelt Informationen mit Hilfe der Nervenzellen. Sie erfüllen folgende Aufgaben:Reizaufnahme, Erregungsleitung und Reizverarbeitung. Die Informationsübermittlung derNervenzellen steuert zum Beispiel unsere Bewegungen, die Wahrnehmung und unser Gedächtnis.Das menschliche Gehirn verfügt über circa 20 Milliarden Nervenzellen.

Nervenzellen sind untereinander über Kontaktstellen, den Synapsen, verbunden. An ihrenEndungen, den Synapsenendköpfchen, schütten sie Botenstoffe (Neurotransmitter) in Form klei-ner Bläschen in den mikroskopisch kleinen Spalt zwischen den Nervenzellen (synaptischer Spalt)aus. Diese Botenstoffe werden von der anliegenden Nervenzelle über eigens dafür vorgeseheneAufnahmestellen (Rezeptoren) an den Synapsen aufgenommen. So werden Informationen in Milli-sekunden über die einzelnen Nervenzellen durch das Nervensystem übermittelt.

Wenn die Botenstoffe zu lange im Spalt zwischen den Nervenzellen bleiben, kommt es zu einerandauernden Erregung der Synapsen. Deshalb müssen die Botenstoffe möglichst schnell entferntwerden. Dies geschieht unter anderem durch einen Rücktransport der Botenstoffe in die ausschüt-tende Nervenzelle.

Gesunder Zustand

Depressionskranke

! Synapsen " Rezeptoren # Botenstoffe (Neurotransmitter) $ Synaptischer Spalt

Informationsübermittlung durch Nervenzellen

!

!

!

! "

"

#

#

$

$

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Antidepressiva Fast alle Antidepressiva sind in ihrer Wirkweiseauf die Botenstoffe Serotonin und Noradrenalinausgerichtet und sollen stimmungsaufhellend

Übersicht Antidepressiva

MASSA, eine neue Klasse von Antidepressiva Bei der Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Depression steht ein neues Medikament miteinem neuartigen Wirkprinzip zur Verfügung. Dieses melatonerge Antidepressivum verfügt über dieWirkweise des Botenstoffes Melatonin, das für die Feinjustierung biologischer Rhythmen verantwort-lich ist. Dieser „Melatonin-Agonist und spezifische Serotonin-Antagonist“ setzt seine Wirkung direkt anden melatonergen Bindungsstellen (Rezeptoren) des Nucleus suprachiasmaticus, also der inneren Uhrdes Menschen, in Kraft. Gleichzeitig hemmt es bestimmte Aufnahmestellen für Serotonin an denNervenzellen, wodurch ein größerer Anteil der Botenstoffe Noradrenalin und Dopamin im Gehirn frei-gesetzt wird, die für eine Normalisierung der Signalübertragung zum gefühlsregulierenden (limbi-schen) System des Gehirnes sorgen. Es wird davon ausgegangen, dass die positiven antidepressivenEigenschaften dieses Medikamentes durch das Zusammenspiel dieser Rezeptoren entstehen. Die direkte Wirkung der Substanz an der inneren Uhr des Menschen bewirkt eine Normalisierung desgestörten Biorhythmus depressiver Patienten. Es gleicht die zirkadiane Rhythmik an den natürlichenTag-Nacht-Rhythmus an. So hilft das neue Antidepressivum gegen Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus depressiver Patienten, ohne eine direkt müde machende Wirkung zu haben. Die Betroffenenfühlen sich am Tage ganz überwiegend wach, erholt und aktiv.Das melatonerge Antidepressivum weist im Gegensatz zu klassischen Antidepressiva wenigerNebenwirkungen auf. Es wirkt gewichtsneutral, in der Regel erleben die Patienten daher keine medika-mentenbedingte Gewichtszunahme. Ebenso erhält das Medikament die sexuellen Funktionen und estreten während der Therapie im Normalfall keine sexuellen Funktionsstörungen auf.

SSRIsSelektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) werden seit den 1980er Jahren in der Therapieeingesetzt. SSRIs vermindern die Wiederaufnahme des Botenstoffs Serotonin aus dem synaptischenSpalt, dem Raum zwischen den Nervenzellen, in die Nervenzelle. Dadurch wird eine höhereKonzentration des Serotonins an den Bindungsstellen der Nervenzellen im synaptischen Spalt

erreicht. Dies normalisiert die Informationsübermittlung der Nervenzellen und aktiviert das gefühlsre-gulierende (limbische) System. Als mögliche Nebenwirkungen können Übelkeit, Schlafstörungen,sexuelle Funktionsstörungen und Kopfschmerzen auftreten.

NRIsSelektive Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (NRIs oder NARIs) bewirken, dass der Rücktransportdes Botenstoffs Noradrenalin in die ausschüttende Nervenzelle gehemmt wird. Der Botenstoff verbleibtauf diese Weise länger in dem Spalt zwischen den Nervenzellen und kann so die Informations-übermittlung normalisieren. Häufige Nebenwirkungen sind Schlafstörungen und Kopfschmerzen.

SSNRIsSelektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRIs) zählen zu den modernenPsychopharmaka. Diese Antidepressiva wirken auf zweifache (duale) Weise. Sie hemmen die Rück-aufnahme der Botenstoffe Serotonin und Noradrenalin in die ausschüttende Nervenzelle. So erhöhensie die Konzentration der beiden Botenstoffe im synaptischen Spalt. Die Informationsübertragung derNervenzellen wird auf diese Weise wieder normalisiert. Die SSNRIs besitzen weniger Nebenwirkungen als ältere Antidepressiva, allerdings können auch hierBegleiterscheinungen wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Übelkeit und Appetitlosigkeit auftreten.

NASSAsNoradrenerge und spezifisch serotonerge Antidepressiva (NASSAs) sind moderne Antidepressiva. Sieverstärken die Konzentration von Noradrenalin und Serotonin und binden die Botenstoffe an denBindungsstellen der Nervenzellen. NASSAs werden häufig bei schlafgestörten Depressiven eingesetzt.Allerdings können sie Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Trägheit und einen niedrigen Blutdruck hervor-rufen. Außerdem kann ein starkes Hungergefühl auftreten, das zur Gewichtszunahme führen kann.

und antriebsfördernd wirken. Diese Medikamentemachen nicht abhängig, können jedoch eineReihe von Nebenwirkungen wie etwa Kreislauf-

und Schlafstörungen, sexuelleFunktionsstörungen, Gewichtszunahme undKopfschmerzen hervorrufen.

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MAO-Hemmer Monoaminooxidase-Hemmer (MAO-Hemmer)gehören zu den älteren Antidepressiva. Siehemmen den Eiweißstoff Monoaminooxidase,ein Enzym, das für den Abbau von Boten-stoffen wie Serotonin und Noradrenalin imGehirn zuständig ist. Durch die Hemmung desEnzyms erhöht sich die Konzentration derBotenstoffe Serotonin und Noradrenalin imsynaptischen Spalt und diese können so ver-stärkt wirken. Als Nebenwirkung könnenSchlafstörungen, Kopfschmerzen und Schwin-del auftreten und ihre Einnahme muss unterUmständen mit einer speziellen Diät verbun-den werden.

Die richtige Wahl eines geeignetenAntidepressivums trifft der Arzt aufgrund vonKriterien wie der Schwere der Depression, demNebenwirkungsprofil und der Wirkung bereitseingenommener Antidepressiva. Entscheidendfür die Wirkung ist dann außerdem die richtigeDosierung.

Trizyklische und tetrazyklischeAntidepressivaTrizyklische und tetrazyklische Antidepressivagehören zu den ältesten Psychopharmaka, diebei Depressionen eingesetzt werden. Sie tragenihren Namen aufgrund ihrer chemischenStruktur und bewirken unter anderem, dass derRücktransport der Botenstoffe Serotonin undNoradrenalin in die ausschüttende Nervenzelleblockiert wird. Sie werden gerne bei schwere-ren Depressionen eingesetzt. Bei der Einnahmedieser Gruppe der Antidepressiva könnenNebenwirkungen wie Gewichtszunahme,Müdigkeit und Herzrhythmusstörungen auftre-ten.

NaturheilmittelJohanniskrautextrakt ist das am häufigsteneingesetzte Antidepressivum auf natürlicherBasis. Es enthält Hypericin, von dem Ärzteannehmen, dass es die Wiederaufnahme vonSerotonin und Noradrenalin in die ausschüt-tende Nervenzelle hemmt und so dieKonzentration dieser Botenstoffe an denBindungsstellen der Nervenzellen erhöht. Eswirkt daher wie ein MAO-Hemmer (sieheoben). Die Substanz wird hauptsächlich beileichten Depressionen eingesetzt. AuchJohanniskraut kann Nebenwirkungen wieMüdigkeit hervorrufen.

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Nichtmedikamentöse Behandlung

Psychotherapie

Psychotherapeutische Behandlung ist eine wich-tige Säule der Depressionsbehandlung.Während die medikamentöse Behandlung derDepression einer Störung im Hirnstoffwechselentgegenwirkt, stabilisiert die psychotherapeuti-

sche Behandlung den seelischen Zustand derPatienten über die Klärung der zugrunde liegen-den Ursachen und das Erlernen von Maßahmenzur Lösung von Problemen. Die Psychotherapieunterstützt die Betroffenen, ihr Selbstwertgefühlzu festigen. Welche Methode dem Patienten ambesten bei der Bewältigung der Depression hilft,muss im Einzelfall mit dem Betroffenen bespro-chen werden.

Neue psychotherapeutischeVerfahren

Interpersonelle Psychotherapie

Die interpersonelle Psychotherapie (IPT) ist einspeziell auf die Behandlung von depressivenStörungen zugeschnittenes Kurzzeitverfahren.Es basiert auf der Grundlage, dass sich De-pressionen stets in einem psychosozialen undzwischenmenschlichen Kontext entwickeln.Extrem belastende Veränderungen der Lebens-situation können zum Auftreten depressiverStörungen führen und umgekehrt kann einedepressive Störung zur Auslösung zwischen-menschlicher Probleme führen. Das Verstehenund die Änderung dieses Zusammenhangeskann als ein entscheidender Faktor für diePrävention eines Rückfalls betrachtet werden.

Interpersonelle und soziale Rhythmustherapie

Die interpersonelle und soziale Rhythmus-therapie (IPSRT) ist eine Kombination aus derinterpersonellen Psychotherapie (IPT) und einersozialen Rhythmustherapie. Sie geht davon aus,dass ein geregelter Tagesablauf (Mediziner spre-chen hier von einem stabilen sozialen Rhythmus)den gestörten zirkadianen Bio- und Schlaf-Wach-Rhythmus von depressiven Menschen wiedernormalisieren kann.

Den Betroffenen werden klare Strukturen undfeste Zeiten für Essen, Arbeitszeiten, Sport,Schlafen und andere Aktivitäten vorgegeben.Diese sogenannten „sozialen Zeitgeber“ übeneinen entscheidenden Einfluss auf den zirkadi-anen Rhythmus der Betroffenen aus. DieNormalisierung des Biorhythmus und der „inne-ren Uhr“ führt zu einer Stimmungsaufhellung beiden Betroffenen. Die Betroffenen dokumentierenhierzu ihre Aktivitäten in einem Tagesprotokoll,damit Unregelmäßigkeiten sofort erkannt undgeändert werden können. Mit der IPSRT können gleichzeitig Symptomereduziert und das Rückfallrisiko für eine erneutedepressive Episode vermindert werden.

VerhaltenstherapieIn der Verhaltenstherapie steht die Hilfe zur Selbsthilfe für die Betroffenenim Mittelpunkt. Die verschiedenen Behandlungsmethoden basieren auf derAnnahme, dass menschliches Verhalten erlernt ist und daher auch umge-lernt werden kann. Einmal gelernte, positive Verhaltensansätze werdenreaktiviert und gefördert und ersetzen negative und depressionsförderndeVerhaltensweisen.

Kognitive TherapieDie kognitive Therapie ist ein Behandlungsansatz, der speziell fürDepressionspatienten entwickelt wurde. Es werden konkret die negativenEinstellungen, Denk- und Verhaltensmuster bearbeitet. Der Betroffenelernt dabei, diese zu erkennen und mit Unterstützung des Therapeutendahingehend zu verändern, dass die Symptome der Depression hin zueiner zuversichtlichen Grundstimmung positiv beeinflusst werden.

Tiefenpsychologische TherapieDepressionen können durch Konflikte im zwischen-menschlichen Bereich entstehen. Die tiefenpsychologi-sche Therapie konzentriert sich auf diese Konflikte, diedurch Ängste oder Versagen hervorgerufen werden. DerTherapeut hilft in Gesprächen, die Probleme zu bearbei-ten, wenn möglich zu lösen und das Verhaltensmuster zuverändern.

Klassische psychotherapeutische Verfahren

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Weitere Therapieformen

Lichttherapie

Helles Licht hat eine stimmungsaufhellendeWirkung. Dies gilt für alle Patienten mit einerdepressiven Störung und im Besonderen für sol-che, die an einer saisonal abhängigen Depressionwie der Winterdepression leiden. Das Licht trittüber die Augen ein und wird von den Sehnervenan den Nucleus suprachiasmaticus, dem Sitz der„inneren Uhr“ im Gehirn, weitergeleitet. Durchdie Lichtimpulse gleicht die „innere Uhr“ dieinneren Biorhythmen an den Hell-Dunkel-Rhythmus des Tages an. Die bei Depressionverflachten und zueinander ungeordnetenBiorhythmen werden synchronisiert und derSchlaf-Wach-Rhythmus stabilisiert. Das ein-fallende Licht steigert auch die Verfügbarkeit desBotenstoffs Serotonin, der bei Depressions-kranken nicht in ausreichender Form vorhandenist.Sowohl Tageslicht als auch künstliches, hellesund vor allem weißes Licht haben diesen Effekt.Bei dieser Behandlungsform wird der Patient täg-lich für eine halbe bis eine Stunde dem hellenLicht eines Lichttherapiegerätes ausgesetzt. EinSpaziergang an einem hellen Sonnentag kannden gleichen therapeutischen Effekt haben.

Wachtherapie

Die Therapie mit Schlafentzug, auch Wach-therapie genannt, wird vor allem bei depressivenStörungen mit den Symptomen eines gestörten

Biorhythmus angewendet (z.B. Schlafstörungen,Morgentief, Appetitlosigkeit). Es gibt zwei ver-schiedene Varianten dieser Therapieform.Während des totalen Schlafentzugs bleibt derBetroffene die ganze Nacht und den darauffolgenden Tag wach. Beim fraktioniertenSchlafentzug bleibt der Patient nur in der zweitenNachthälfte wach. Die Patienten fühlen nacheiner schlaflosen Nacht am nächsten Morgeneine Besserung ihrer Symptome. Der Therapie-erfolg hält oftmals nicht länger als zwei Tagean und muss dann wiederholt werden. Es istwissenschaftlich nicht geklärt, warum selbstschlafgestörte Depressive dies als hilfreich emp-finden, vermutlich wirkt Wachtherapie über einegrundlegende Neurausrichtung der Biorhythmen.

Transkranielle Magnetstimulation

Die transkranielle (transkraniell = durch denKopf) Magnetstimulation (TMS) wird seit Anfangder neunziger Jahre in der Therapie vonDepressionen eingesetzt. Bei diesem Verfahrenwerden Nervenzellen im Gehirn durch Magnet-felder stimuliert, die mit Hilfe einer Magnetspuleerzeugt werden. Die Impulse des Magnetfeldsregen die Nervenzellen an, die bei Depressions-kranken weniger aktiv sind. Wissenschaftler neh-men an, dass die TMS ähnliche neurochemischeWirkungen auslöst wie Antidepressiva. Die trans-kranielle Magnetstimulation wird üblicherweiseüber zwei Wochen täglich angewendet und istnebenwirkungsarm.

Elektrokrampftherapie

Die Elektrokrampftherapie (EKT) wird beiPatienten mit schwerer Depression eingesetzt,wenn sie nicht auf andere Therapieformen ange-sprochen haben. Im Normalfall besteht dieElektrokrampftherapie aus acht bis zwölfBehandlungen im Abstand von zwei bis dreiTagen. Dabei wird mit Hilfe eines Stromimpulsesbeim anästhesierten Patienten ein Krampfanfallausgelöst. Diese Behandlungsform hat zur Folge,dass verstärkt antidepressive Botenstoffe imGehirn freigesetzt werden. Sie ist in der Regelsehr gut verträglich.

Vagusnervstimulation

Die Vagusnervstimulation (VNS) kommt beiPatienten mit schweren Depressionen zumEinsatz. Bei dem Verfahren werden demPatienten unter Vollnarkose eine Elektrode undein Schrittmacher eingesetzt. Über elektrischeImpulse wird der Vagusnerv stimuliert, der mitGehirnstrukturen wie dem limbischen Systemverbunden ist, das für die Verarbeitung undSteuerung von Emotionen und Gefühlen verant-wortlich ist. Durch diese Stimulation wird dieAktivität dieser Hirnstrukturen wieder normali-siert. VNS wird wegen zahlreicher Neben-wirkungen sehr zurückhaltend eingesetzt.

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Patienten mit einer Depression können selbstvieles tun, um ihre Symptome zu lindern und dieUrsachen ihrer Depression zu bekämpfen. Diesersetzt keinesfalls den Arztbesuch. Die Einnahmeantidepressiv wirksamer Medikamente und psy-chotherapeutische Maßnahmen können nur vondiesem eingeleitet werden und sind zweifellosunabdingbare Verfahren für jeden Patienten miteiner Depression.

Grundregeln bei Depression

% Suchen Sie einen Arzt auf.Depression ist keine Bagatelle und benötigt eine professionelle Behandlung.

% Nehmen Sie die von Ihrem Arzt verschriebenen Antidepressiva in der vorgeschriebenen Dosis ein.Antidepressiva machen nicht abhängig. Sie wirken in der Regel erst nach einigen Tagen bis wenigen Wochen Einnahme und nur, wenn sie richtig und ausreichend dosiert sind.

% Sagen Sie Ihrem Arzt offen, wenn Sie mit Ihrer Behandlung nicht zufrieden sind.Ihrem Arzt stehen viele medikamentöse und nichtmedikamentöse Verfahren zur Verfügung, die er individuell für Sie zusammenstellen kann.

% Nehmen Sie Ihr Antidepressivum lang genug ein.In der Regel müssen Antidepressiva mindestens ein halbes Jahr, manchmal jahrelang eingenommen werden.

Verhaltensmaßnahmen für depressive Patienten

% Treffen Sie während einer depressiven Episode keine wichtigen Entscheidungen, die zum Beispiel Ihre berufliche- oder finanzielle Situation betreffen.

% Vermeiden Sie übermäßigen Genuss von Alkohol.

% Wenn Sie während einer depressiven Phase Selbstmordgedanken haben, sollten Sie mit Angehörigen darüber sprechen und umgehend professionelle Hilfe, zum Beispielvon einem Arzt oder Therapeuten, in Anspruch nehmen.

% Machen Sie sich wegen Ihrer niederge-schlagenen Stimmung keine Schuldgefühle; so machen Sie es sich nur unnötig schwerer. Versuchen Sie, Ihre Situation zu akzeptieren.

% Machen Sie sich bewusst, dass Depressionen gut behandelbar sind und dass es Ihnen nach einer Therapie besser gehen wird.

Verhaltensmaßnahmen für Patienten

Page 13: Depression Ratgeber

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Maßnahmen zur Stabilisierung des Biorhythmus

Beispiel für ein Tagesprotokoll

% Gehen Sie möglichst immer zur gleichen Zeit ins Bett und stehen Sie zur gleichen Zeitauf – auch am Wochenende.

% Gehen Sie nicht zu früh ins Bett und schlafen Sie nicht zu lange.

% Richten Sie sich Ihren Schlafplatz so bequem und gemütlich wie möglich ein, so dass Sie sich an Ihrer Schlafstätte wohl fühlen.

% Ihr Schlafzimmer sollte dunkel, kühl und ruhig sein.

% Schaffen Sie sich individuelle Einschlaf-rituale wie zum Beispiel Zähne putzen oder ein Bad nehmen. Der Körper stellt sich auf die gleich bleibenden Abläufe ein und erkennt sie als Signal dafür, dass es Zeit ist, ins Bett zu gehen.

Patienten können ihre Depression sinnvollbekämpfen, wenn sie Ihr Verhalten darauf aus-richten, die gestörten Funktionen ihrer innerenUhr zu normalisieren. Ausgehend von derzugrundeliegenden Störung ihrer zirkadianenBiorhythmik helfen alle Maßnahmen, die biologi-sche Rhythmen stabilisieren, allen voran denSchlaf-Wach-Rhythmus.

Tagesprotokoll zur Tagesstrukturierung

Anhand eines Tagesplans legen Sie Ihre regelmä-ßigen Aktivitäten für den Tag fest und steckensich kleine erreichbare Ziele. Wichtig ist hierbeidas Erkennen des gegenseitigen Einflusses vonAktivitäten und Stimmung durch Protokollierungvon Stimmungsänderungen während und nachden einzelnen Aktivitäten.Bringen Sie die ausgefüllten Tagesprotokolle beiIhrem nächsten Arztbesuch mit.

% Strukturieren Sie Ihren Tagesablauf: Ein geregelter Tagesablauf kann Ihnen zu einem besseren Tag-Nacht-Rhythmus verhelfen.

% Teilen Sie Ihre Arbeitszeiten nach Möglich-keit in regelmäßige Zeitabschnitte auf.

% Nehmen Sie Ihre Mahlzeiten zu festgelegten Zeiten ein.

% Verzichten Sie auf den Mittagsschlaf.% Führen Sie sportliche oder andere Aktivi-

täten immer zur gleichen Zeit am Tag durch.% Versuchen Sie, soziale Kontakte aufrecht zu

erhalten und sich nicht zu isolieren. Dies unterstützt die Ausbildung eines gesunden Ruhe-Aktivitätsrhythmus. Wenn Sie sich ab-kapseln wird die Depression nur schlimmer.

% Gehen Sie möglichst jeden Tag (am besten vormittags) spazieren, das aktiviert Ihren Körper.

% Setzten Sie sich täglich mindestens eine Stunde (z.B. beim Spazierengehen) demantidepressiv wirksamen Tageslicht aus.

% Kaufen Sie sich ggf. für den Winter ein Lichttherapiegerät

% Treiben Sie, wenn möglich, ein wenig Sport. Bewegung verstärkt die gesunden Schwankungen Ihrer Körpertemperatur und kann Ihnen helfen, die Stimmung aufzuhellen.

Tipps zur Verbesserung der Schlaf-Wach-Rhythmik

% Bereiten Sie sich mit entspannenden Beschäftigungen, wie zum Beispiel Lesen oder Musik hören, auf den Schlaf vor.

% Ihr Bett sollten Sie nur zum Schlafen benut-zen und darin keine anderen Aktivitäten wie Essen, Fernsehen oder Lesen durchführen. Das Gehirn verbindet den Schlafplatz sonst mit Aktivität.

% Nehmen Sie ab dem späten Nachmittag kein Koffein mehr zu sich.

% Essen Sie vor dem Zubettgehen keine schweren Mahlzeiten; sonst wird die Verdauung aktiviert und der Schlaf gestört.

% Genuss von Alkohol beeinflusst den erhol- samen Schlaf

% Wenn Sie im Bett liegen und nicht schlafen können, stehen Sie lieber auf und lesen Sieein Buch oder sehen Sie fern anstatt sich imBett herumzuwälzen. Gehen Sie dann insBett, wenn Sie wirklich müde sind. So ver-bindet Ihr Körper den Schlafplatz nicht mitLiegen im wachen Zustand, sondern mitSchlaf.

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Tipps für Angehörige

Deutsches Bündnis gegenDepression e.V.:Das deutsche Bündnis gegen Depressione.V. verfügt über 40 regionale Bündnisse,die über Veranstaltungen,Beratungsstellen, Selbsthilfeaktivitätenund Ansprechpartner in Ihrer Nähe infor-mieren.

Kontakt:

Deutsches Bündnis gegen Depression e.V.Klinik für Psychiatrie Universität Leipzig Semmelweisstraße 1004103 Leipzig

ProjektleitungDipl.-Psych. Ines HeinzTel.: 0341/9724-585Fax: 0341/[email protected]

www.buendnis-depression.de

Kompetenznetz Depression:Das Kompetenznetz Depression,Suizidalität ist ein bundesweites Netzwerkzur Optimierung von Forschung undVersorgung im Bereich depressiverErkrankungen. Auf der Internetseite desKompetenznetzes finden sich detaillierteInformationen zu Beratungsstellen,Kliniken und Angehörigengruppen imgesamten Bundesgebiet.

Kontakt:

Kathrin Winkler M.A.Tel.: 0341/9724-586Fax: 0341/[email protected]

www.kompetenznetz-depression.de

Stiftung DeutscheDepressionshilfe:Die Stiftung Deutsche Depressionshilfewurde von dem deutschen Bündnisgegen Depression e.V. und demKompetenznetz Depression gegründet.

Kontakt:

Barbara DitzeSemmelweisstraße 1004103 LeipzigTel.: 0341/[email protected]

www.deutsche–depressionshilfe.de

Psychotherapie-Informations-Dienst:Der Informationsdienst der deutschenPsychologen Akademie desBerufsverbandes DeutscherPsychologinnen und Psychologen bietetInformationen und Beratung zuPsychotherapie und psychotherapeuti-scher Hilfe.

Psychotherapie-Informations-Dienst(PID) Am Köllnischen Park 210179 Berlin

Tel.: 030/2091663-30Fax: 030/[email protected]

www.psychotherapiesuche.de

Wichtige Adressen

Bundesverband derAngehörigen psychisch Krankere.V.:Der Bundesverband hat seineGeschäftsstelle in Bonn und verfügt überLandesverbände in allen 16Bundesländern.

Geschäftsstelle BonnOppelner Str. 13053119 Bonn

Tel.: 0228/632-646Fax: 0228/658-063

Selbsthilfeberatung für psychischErkrankte und deren Angehörige:

Tel.: 0180/5 950 951 (14 ct/Min)

für Betroffene und Angehörige: Montag,Dienstag, Donnerstag 15 -19 Uhr

Mail: [email protected]

www.bapk.de

Telefonseelsorge:Die Telefonseelsorge ist 24 Stundenbundesweit unter der gebührenfreienHotline 0800/1 110 111 oder 0800/1 110 222

www.telefonseelsorge.de

Weitere Anlaufstellen:Hilfe und Beratung finden Betroffeneund Angehörige außerdem bei den Ärzt-lichen Notdiensten, die über Angebotevor Ort informieren können.

% Schwere Depressionen stellen nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Angehörigen, wie Partner und Familie, eine große Belastung dar.

% Weisen Sie den depressiven Menschen auf professionelle Hilfe hin und begleiten Sie ihn beim Arztbesuch.

% Zeigen Sie Verständnis und unterstützen Sie den Betroffenen. Vermitteln Sie ihm das Gefühl, dass Sie verstehen, dass die Depression eine Krankheit ist und dass Sie diesen Zustand akzeptieren.

% Vermeiden Sie Ratschläge und Appelle wie: „Reiß dich zusammen“. Diese signalisieren dem Betroffenen, dass kein Verständnis für seine Situation vorhanden ist und können in ihm Schuldgefühle auslösen.

% Weisen Sie den depressiven Menschen auf die Therapieerfolge hin. Depressionen sind gut behandelbar. Machen Sie dem Betroffenen Mut, indem Sie ihm aufzeigen, dass er sich wieder besser fühlen wird.

% Kleine Unternehmungen wie Spazierengehen können Depressiven helfen. Allerdings lassen sich depressive Menschen nicht von ihrer Krankheit ablenken. Größere Aktivitäten wie Feste oder Reisen können oftmals das Gegen-teil bewirken und bei den Betroffenen Schuldge-fühle auslösen, da sie sich selber vorwerfen, sich nicht an den Dingen erfreuen zu können.

% Ermutigen Sie den Betroffenen zum Sport. Körperliche Bewegung kann dabei helfen, den Gemütszustand zu verbessern.

% Helfen Sie dem Betroffenen, die Therapiemaß-nahmen und die Medikamenteneinnahme regel-mäßig einzuhalten und unterstützen Sie ihn da-bei, seine tägliche Routine aufrecht zu erhalten.

% Versuchen Sie, die Grenzen Ihrer eigenen Belastbarkeit zu erkennen. Eine getrübte Stimmung kann auf Dauer auch den eigenen Gemütszustand belasten. Im Extremfall hilft ein Krankenhausaufenthalt sowohl den Betroffenen, als auch der Familie und dem Partner.

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DepressionRatgeber für Betroffene und Angehörige

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