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Der Angriff

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Der Angriff

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Inhaltsverzeichnis

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A) Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

B) Allgemeine Grundsätze für den Angriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Führung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Aufklärung und Meldedienst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Die Einzelwaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Einrichtung des Angriffraumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C) Ergänzende Bestimmungen für den Angriff aus der Dauerstellung heraus

Der Angriff mit begrenztem Ziel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Durchführung des Angriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Der Durchbruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

D) Die Verfolgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

E) Ergänzende Bestimmungen für den Angriff im Bewegungskrieg . . . . . . . .

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A) Vorbemerkung.

1. Die Vorschrift behandelt die allgemein gültigen Grundsätze für den Angriff,

anschließend hieran die besonderen Bestimmungen für den Angriff im Stellungskriege mit

begrenztem Ziel, für die aus dem Stellungskrieg zum Bewegungskrieg führende

Angriffsschlacht und für die Verfolgung.

Die Vorschrift gilt sinngemäß auch für den planmäßigen Gegenangriff in der

Abwehrschlacht. Der Gegenstoß ist nicht behandelt.

Die besonderen Bestimmungen für den Angriff im Gebirge sind im Behelf „Der

Gebirgskrieg" enthalten.

Der Angriff im Bewegungskrieg (Angriff auf entwickelten oder vorbereiteten Gegner und

Bewegungsgefecht) wird im Teil 16 der Abschnitte aus der Gefechtslehre behandelt werden.

Die Vorschrift ist unter Anlehnung an den Teil 14 des deutschen Sammelheftes, unter

Ausnützung von Erfahrungen aus dem Westen, Osten und der 12. Isonzoschlacht und

endlich durch Verwertung von Beiträgen der Armeen entstanden.

Ihr Umfang sei damit begründet, daß viele Einzelheiten aufgenommen werden mußten,

die ihrem Wesen nach in andere, bisher noch nicht erschienene Teile der Gefechtslehre

gehören. Mit Einlaufen neugewonnener eigener Erfahrungen und solcher aus dem Westen ist

eine Neuauflage mit wesentlicher Kürzung beabsichtigt.

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B) Allgemeine Grundsätze für den Angriff.

2. Der Angriff allein mit dem Alle beseelenden und nie erlahmenden Gedanken

„Vorwärts bis in den Feind" bringt entscheidenden Erfolg. Er bleibt auch in den

schwierigsten Lagen unwiderstehlich, wenn ihm ein wirksames, mächtiges Feuer den

Weg bahnt.

Infanteriefeuer allein ringt den Gegner nicht nieder. Ein ohne ausgiebige Unterstützung

durch Artillerie und Minenwerfer angesetzter Angriff ist aussichtslos; nur in kleinen

Verhältnissen würde vollständige Ueberraschung des Gegners solches Verhalten

rechtfertigen.

Nicht durch den Einsatz einer möglichst großen Zahl von Menschen, sondern vorwiegend

durch Kampfmaschinen (Artillerie, Minenwerfer, Maschinengewehre, Granatwerfer usw.)

ist der Angriff zu führen. Inniges Zusammenwirken aller Waffen, insbesondere der

Infanterie und der Artillerie, geben den Ausschlag im Gefecht. Ihr Zusammenwirken muß

umso inniger werden, je mehr Zeit der Gegner gefunden hat, seine Kräfte zur Abwehr bereit

zu stellen; es muß aber nach einem mit peinlichster Genauigkeit durchdachten Plan erfolgen,

wenn der Gegner in einer befestigten Stellung den Angriff erwartet.

Der Kern des Angriffes liegt in dem ständigen Zusammenarbeiten der Sturminfanterie

mit der Artillerie.

3. Der frische Angriffsgeist der Infanterie darf nicht durch zögerndes, an Formen

geklammertes Vorgehen gelähmt werden. Eine schwächliche, langwierige Angriffsweise

fordert im allgemeinen mehr Opfer als ein wohlvorbereiteter, im geeigneten Augenblick

angesezter, machtvoller Angriff

Opfer dürfen nicht gescheut werden, wenn nach reiflicher Ueberlegung aller Verhältnisse

ein Erfolg erhofft werden kann.

4. Der Angriff erfordert: ein schneidiges, infolge der wirksamen Unterstützung durch die

Artillerie und die Minenwerfer aber möglichst verlustloses Herangehen der Infanterie an den

Feind ; eine Zertrümmerung des Gegners durch die überwältigende Wirkung aller

Kampfmittel, um der Infanterie als Nahkämpfer den Einbruch, die Vernichtung des Feindes

mit Bajonett, Handgranate, Dolch zu ermöglichen.

5. Es ist besonders wichtig, die Truppe frisch und guten Mutes an den Feind zu bringen.

Hierzu genügt eine erst unmittelbar vor dem Angriff einsetzende besondere Obsorge für den

Mann nicht, sondern bedingt eine unausgesetzte Sorge für das leibliche Wohl der Truppe,

wenn sie auch in den anstrengenden Tagen, die den Entscheidungskämpfen vorangehen, zur

besonderen Pflicht wird.

Gute Nahrung, Bekleidung und Ausrüstung, zweckmäßige Unterkunft, Nachtruhe,

angemessene Gesundheitspflege sind für die Frische der Truppe erforderlich. Verpflegung

ist häufig wichtiger als Ruhe.,

Eine abgehetzte Truppe ist nicht angriffsfähig.

Schonung und Frischerhaltung der Angriffstruppen bis zum Angriff selbst sind von

besonderer Bedeutung.

Gleich der Sorge um das leibliche Wohl der Truppe darf auch jene um die Seele und das

Gemüt des Mannes nie aussetzen.

Stete Erziehung der Truppe in frischem Angriffsgeist und im Willen zum Sieg, eiserne

Manneszucht sind die Grundlagen des Erfolges und müssen die Truppe befähigen, den

auflösenden Einflüssen des Schlachtfeldes zu widerstehen.

Die angreifende Truppe muß vom Beginne an vom Erfolge des Angriffes überzeugt sein.

Die Einwirkung auf die Moral des Mannes kann nicht intensiv genug sein. Der Offizier

muß sich vor Augen halten, daß sein Benehmen das des Mannes bestimmt. Sind die Führer

gut, ist die Truppe gut.

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6. Die Fürsorge um die Pferde ist nicht minder wichtig. Ihr Zustand ist maßgebend für die

Leistungsfähigkeit der Truppe und oft bestimmend für die Größe des Erfolges.

7. Genaue Kenntnis der Gefechtsweise der Infanterie, der Wirkung, der

Leistungsfähigkeit und der| materiellen Kriegsbedürfnisse der einzelnen Kampfmittel,

namentlich der Artillerie und der Minenwerfer, sowie des Wesens aller

Verbindungsmittel muß Gemeingut der Armee sein ; sie ist strengste Berufspflicht für den

Offizier.

8. Ebenso wichtig ist die Kenntnis des Feindes. Der Zustand der feindlichen Truppen,

ihre, Eigenschaften in menschlicher und militärischer Beziehung, ihre Kampfweise, ihre

Kampfmittel und deren Wirkung muß nicht nur der Führung, sondern mehr noch der Truppe

bekannt sein. Diese Kenntnis wird häufig die eigene Kampfweise beeinflussen und eigene

Opfer verhüten.

9. Die Durchbildung von Führern und Truppe für den Angriff kann nicht eingehend

genug sein.

Uebüngen in den Angriffsverbänden bei Heranziehung aller Waffen und Hilfstruppen in

kleinen Verhältnissen an Uebungswerken, sind erforderlich. Die gesamte Angriffsinfanterie

muß im Nahkampf geübt sein. (Siehe III. Teil.)

Führung.

. Der Angriff verlangt — ebenso wie die Verteidigung — straffe Führung, sorgsame und

eingehende Weisungen für das Zusammenwirken aller Waffen innerhalb der

Gefechtsstreifen und mit den Nachbarabschnitten sowie klare Bestimmung der Angriffsziele.

Andererseits bietet jeder Angriff Gelegenheit zu freier Betätigung und zu

entschlußfreudigem Handeln selbst für den einzelnen Mann.

11. Zweck eines jeden großen Angriffes ist die Vernichtung des Gegners in dem Streben,

die Feldzugsentscheidung herbeizuführen. Dieses große Ziel erfordert höchste Anspannung

der Kräfte von jedermann.

Ziel des Angriffes ist zweckmäßigerweise jener Teil des Gegners, dessen Vernichtung

die größte Rückwirkung auf das Ganze hat.

Die Angriffsziele sind nach dem Terrain zu bestimmen, ihre Erreichung nicht an

bestimmte Zeiten zu binden, da nie bestimmt werden kann, wann sie tatsächlich erreicht

werden.

12. Der sichere feste Wille des Führers muß alle Handlungen der Truppe beseelen,

seine Persönlichkeit und sein Charakter müssen dem ganzen Angriff das Gepräge

geben. Der Kornmandant muß sich vollkommen klar sein, welches Ziel er erreichen will.

Die Nachrichten über den Feind bilden nur einen der vielen Faktoren, die das „Wie" der

Durchführung beeinflussen.

Der Führer muß seinen Willen mit allen Mitteln alle seine Untergebenen durchdringen

lassen und stets darauf bedacht sein, daß der Wille auch zur Tat werde. Je mehr der Führer

das Vertrauen seiner Truppe besitzt, desto leichter und nachdrücklicher wird sich sein Wille

durchsetzen.

Nichts vermag das Vertrauen der Truppe zur Führung mehr zu erschüttern als die

Erkenntnis, daß sie infolge von Führungsfehlern übermäßige oder zwecklose Verluste

erleiden mußte.

Jeder Truppenführer und Generalstabschef ist verpflichtet, durch eigene Erkundung sich

eingehende Kenntnis über die Eigenart des Terrains in seinem Gefechts streifen zu

verschaffen und sich über den Zustand und die Stimmung seiner Truppe dauernd persönlich

auf dem laufenden zu erhalten. Nur dann ist er in der Lage, den Kampf richtig zu leiten und

behält die notwendige persönliche Fühlung mit der Truppe.

Page 6: Der Angriff

Im Verlaufe des Gefechtes ist der Einfluß der höheren Führung beträchtlich

eingeschränkt. Es ist daher von größter Bedeutung, daß alle im Kampfe befindlichen

Kommandanten sich gegenseitig unterstützen und ihre Aufgabe im Einklänge mit der

allgemeinen Lage selbsttätig durchführen, ohne auf erneute Befehle zu warten. Mit der

Forderung, den gemeinsamen Gefechtszweck und das Zusammenwirken mit den

Nachbargruppen nie aus dem Auge zu verlieren, ist die Grenze für die Selbständigkeit der

Unterführer gezogen. Sie darf nie in Willkür ausarten. Die obere Führung muß dahin wirken,

daß das Gefecht nicht in unzusammenhängende Einzelkämpfe zerfalle.

13. Die Kunst der Führung eines Angriffes besteht in klarem Erkennen der feindlichen

Verteidigungsmaßnahmen und ihrer taktischen Einwirkung auf die Durchführung des

Angriffs, in sorgsamer Vorbereitung, klaren Weisungen und sicherer Leitung.

Die Angriffsschlacht verlangt endlich vollständige Beherrschung der Kunst, Massen auf

engem Raum zu bewegen und mit dem Nötigen zu versorgen. Zu enge Anhäufung führt zu

Verstopfungen der Wege. Genaue Ueberlegung, ein Plan der alle Truppenbewegungen

Fahrten der Transportmittel zu und von der Front, Nächtigungsräume, Rastplätze usw.

umfaßt, sowie peinlichste Befolgung aller Marschanordnungen sind Grundlagen der

unerläßlichen Ordnung.

14. Jedem Angriff muß eine gründliche Vorbereitung vorangehen. Die hierfür zur

Verfügung stehende Zeit wird sich von Stunden, die im Bewegungskrieg zur Verfügung

stehen, bis zu Wochen beim Angriff auf befestigte Stellungen erstrecken.

Ein nicht genügend vorbereiteter, mit unzureichenden Mitteln geführter Angriff

mißlingt stets, kostet unnützes Blut und ist ein grober Führungsfehler.

Gründliche Vorbereitungen werden sich oft nicht ganz verheimlichen lassen. Die

Führung muß sich darüber ins Klare kommen, wann die Gründlichkeit in den Hintergrund

treten soll, um das Ueberraschungsmoment nicht zu verlieren.

Die Vorbereitung umfaßt: Aufklärung des Terrains und des Gegners durch alle

verfügbaren Mittel, persönliche Erkundungen der Kommandanten und ihrer Organe,

Zurechtlegen des Planes, Berechnung, Heranschaffung und unter Umständen vorläufige

Gruppierung der Kampf- und Hilfsmittel, Angriffstruppen, Ergänzung von Munition,

Verpflegung und Ausrüstung, Ergänzung oder Schaffung von Verbindungen jeder Art.

(Vgl. Punkt 72, 74, 96, 97.)

15. Beim Angriff hat der Angreifer die Vorhand. Er muß von diesem Vorteile Gebrauch

machen.

Im Kriege versprechen diejenigen Maßnahmen den größten Erfolg, auf die der Feind am

wenigsten gefaßt ist. Bei allen Angriffshandlungen ist daher die Ueberraschung

Feindes von entscheidender Bedeutung.

Dazu sind notwendig: strengste Geheimhaltung der Absicht, unauffällige Durchführung

aller Vorbereitungen, Beschränkung der Neuanlagen auf das unentbehrliche Maß,

Vortäuschen von Angriffs ab sichten oder wirklich ausgeführte Angriffe an anderen Stellen

der Front und Abwechslung in den Einzelheiten des Angriffsverfahrens. Hierin läßt die

Vorschrift genügenden Spielraum. Es ist Sache aller Führer, davon den richtigen Gebrauch

zu machen.

16. Der Krafteinsatz muß dem Gefechtszweck entsprechen. Von Anfang an müssen

ausreichende Kräfte, insbesondere an Kampfmaschinen, eingesetzt werden.

17. Auch bei großen Angriffen ist die Division die Kampfeinheit. Ein gesonderter

taktischer Waffendienstweg unter Umgehung der Division schädigt das Zusammenwirken.

Dem Divisionskommando sollen alle Kampfmittel für die Durchführung des Angriffes

voll zur Verfügung stehen. Die höheren Kommandos sollen sich nur die unumgänglichsten,

für Spezialzwecke erforderlichen Kampfmittel (schwerste Artillerie, Beförderungsmittel,

Fliegerreserven usw.) rückbehalten. Die Bestellung eines Korpsartilleriechefs mit

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unmittelbarer Kommandobefugnis über die Artillerie der Divisionen empfiehlt sich nicht.

Höhere Kommandos als das Divisionskommando können ihren Einfluß auf den Angriff

fast nur durch Zuweisung der Aufgaben, Zuführen von Infanterie-, Artillerie- und

Munitionsreserven sowie sonstiger Kampfmittel zur Geltung bringen.

18. Angriffsrichtung und Angriffsraum der Division wird durch die Zuweisung der

Angriffsstreifen bestimmt. Eine tiefe Gliederung der Truppen im Angriffsstreifen ist

unerläßlich, soll der Erfolg nicht in Frage gestellt werden.

Bei Anordnung der Tiefengliederung ist auf die Wahrung der Verbände möglichst

Bedacht zu nehmen (flügelweiser Einsatz).

19. Bei Angriffen von großer Tiefe ist ein Stoß mit ein und demselben Verbände (Div.)

bis zum Verbrauch seiner Kraft mehreren aufeinanderfolgenden Angriffen mit frischen

Verbänden vorzuziehen. Dementsprechend sind die Angriffsstreifen so zu wählen, daß ein

Verband in sich befähigt ist, den Angriff lange zu nähren und ohne Aufenthalt durch die

ganze Tiefe der feindlichen Stellungen hmdurchzustoßen.

Die Breite der Angriffsstreifen ist indes zugunsten einheitlicher Führung nicht zu schmal

zu bemessen. Wo es sich lediglich darum handelt, dem Feind ein Grabensystem seiner

vorderen Stellung zu entreißen, kann eineDivision sich bis zu 4 km und mehr ausdehnen. Ist

Eindringen in die Tiefe der feindlichen Stellungen beabsichtigt, so müssen die Divisions-

Gefechtsstreifen schmäler gewählt werden; unter 2 km werden sie kaum heruntergehen.

20. Jeder Angriff muß seinen Schwerpunkt haben. Hiernach ist die Kräftegruppierung,

die Breite des Gefechtsstreifens, das Zusammenfassen der Artillerie, Minenwerfer und

sonstiger Kampfmittel, das Bereitstellen und Einsetzen von Reserven zu bemessen.

21. Vom Beginn des Angriffs müssen die Divisionen vorderer Linie darauf bedacht sein,

ihre Reserven dicht heranzuhalten. Jedoch ist eine Ueberlastung der Wege, die zur

Verstopfung derselben führt, zu vermeiden. In erster Linie muß durch glatten und schnellen

Nachschub die Feuerkraft der kämpfenden Truppe erhalten werden.

Die Kommandanten aller Reserven sollen stets in Kenntnis der Absichten ihres

Vorgesetzten sein und mit diesen in ununterbrochener Verbindung bleiben. Sie müssen sich

mit allen Mitteln in Kenntnis über den Gefechtsverlauf erhalten.

22. Rechtzeitig herangezogene frische Verbände, die mit fortschreitendem Angriff

nachzuziehen sind, haben bei großen Angriffen den erreichten Erfolg durch Fortsetzen des

Angriffs zu erweitern.

Es kommt weniger auf die Masse an als auf die artilleristische und infanteristische

Feuerkraft. Zu starke Kräfte hindern sich gegenseitig und erschweren Führung und

Versorgung. Alles hängt von schnellem und selbsttätigem Handeln aller Stellen im Rahmen

des Ganzen sowie vom Nachziehen der Artillerie und vom Munitionsnachschub ab.

23. Auch bei einem Angriff, der planmäßig in allen Einzelheiten vorbereitet werden kann,

hat die Führung den Entschluß über die Verwendung der Reserven frühzeitig und meist auf

Grund unvollkommener Nachrichten zu fassen. Schwächen des Feindes und errungene

Vorteile müssen vorausschauend erkannt und rasch ausgenützt werden.

Durch den Einsatz der Reserven muß die Führung darnach streben, den Kampf nach

ihrem Willen zu gestalten. Der Einsatz ist dort am wirksamsten, wo der Angriff am

schnellsten Boden gewinnt; auch diejenigen Teile, die nur langsam vorwärts kommen oder

stecken bleiben, werden dadurch am besten entlastet. Bereiten sich Gegenangriffe des

Feindes mit starken Kräften vor, so ist es wichtig, zu erkennen, ob ihre Wirkung durch

Vorwärtstragen des Angriffes an anderer Stelle ausgeschaltet werden kann oder ob Teile der

eigenen Front unmittelbar gestützt werden müssen.

24. Oft, vor allem im Gefecht größerer Körper, wird der Frontalangriff die Regel sein.

Auch Truppen, die umfassen, werden eine feindliche Gefechtsfront vor sich finden, die sie

frontal angreifen müssen. Die Entscheidung liegt daher im Durchbruch.

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Die eigentliche Auswertung des Erfolges beginnt erst nach vollzogenem Durchbruch. Dafür

müssen ausreichende Reserven zur Hand sein (Punkt 22).

Die hohe Bedeutung der flankierenden Einwirkung selbst mit schwachen Kräften, vor

allem auch durch Artillerie und Maschinengewehre, ist bei allen Angriffshandlungen immer

wieder in Erscheinung getreten. Flankierung ist daher immer wieder planmäßig

herbeizuführen.

25. Nach jedem Angriff gilt es, in sich selbst und in der Truppe die geistige,

körperliche und moralische Abspannung zu überwinden, die nur zu leicht dazu führt,

sich mit einem halben Erfolg zu begnügen.

Meist erfordert es die vordenkende Fürsorge für die Truppe, nach dem Erfolg noch

eine letzte äußerste Anspannung aller Kräfte zu verlangen. So können erneute schwere

Opfer vielfach vermieden werden.

26. Der Artilleriekommandant ist über Lage und Absicht des Truppenführers von diesem

in Kenntnis zu erhalten, hat aber auch selbst für seine eigene Orientierung zu sorgen. Er

nimmt an allen Erkundungen des Führers teil.

Die Artillerie ist jederzeit im Sinne der Führung zur Erreichung des Angriffszweckes

einzusetzen. Demnach darf die Zuweisung der Kampfaufgaben sowie die räumliche und

zeitliche Regelung der Artillerie Wirkung und deren Energie nicht dem

Artilleriekommandanten überlassen werden, sondern obliegt dem Truppenführer.

27. Jeder Truppenführer, dem Artillerie beigegeben ist verfügt über diese allein und

uneingeschränkt für die Erreichung seiner Kampfaufgabe. Will sich das vorgesetzte

Kommando das Verfügungsrecht über die bei einer Kolonne oder Gruppe eingeteilte

Artillerie vorbehalten, so muß dies ausdrücklich befohlen werden.

Will der höhere Kommandant, dem mehrere mit Artillerie dotierte Gruppen unterstehen,

ein Zusammenwirken getrennter Artilleriekräfte für den einheitlichen Gefechts zweck

erreichen, so gibt er den Gruppenkommandanten den Auftrag hierzu und erteilt dem

unterstehenden höchsten Artilleriekommandanten den Befehl zur Durchführung.

28. Der Angriffsbefehl wendet sich an die unmittelbar unterstellten Befehlseinheiten und

bat in klarer, unzweideutiger Weise zu enthalten :

Angaben über den Feind,

eigene Lage,

Ziel des Angriffes,

Bildung und Aufgabe der einzelnen Gruppen,

Angriffsstreifen,

Angriffszeiten,

Sicherung des Angriffes,

Aufenthalt des Kommandanten,

Verbindungen,

technische und besondere Maßnahmen,

materielle Vorsorgen.

Oft wird der Angriffsbefehl in mehrere, nacheinander zu gebende Einzelbefehle zerfallen.

29. Brigadiere und Regimentskommandanten der Infanterie müssen den Angriff auf

Grund persönlicher Sicht im Nahbereiche führen.

Die Artilleriegruppenkommandanten wählen ihren Gefechtsstandpunkt dort, von wo sie

das Feuer der Batterien am besten leiten können. Fällt dieser nicht mit dem Standpunkt , der

Infanteriegruppenkommandanten zusammen, so geben sie zu diesem

Artillerieverbindungsoffiziere. (Punkt 37 und 64.)

30. Die Gefechtsstandpunkte der Korps- und Divisionskommandos werden beim Angriff

weit vorn eingerichtet, um einen Wechsel während der Schlacht möglichst lange zu

vermeiden; aber auch dieser muß vorbereitet werden. Besonders muß die Verbindung

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zwischen der Division und ihrer Artillerie dauernd gesichert bleiben.

Gute Verbindung zwischen den Gefechtsstandpunkten benachbarter Divisionen und den

Divisionen erster und zweiter Linie ist von großer Bedeutung.

Erwünscht ist es, daß die höheren Stäbe von der Division aufwärts über Fernwarten

verfügen, von denen aus sie durch Offiziere ihres Stabes (IBS) das Gefecht beobachten

lassen und hierdurch die eigene Beobachtung ergänzen.

31. Der Artilleriebrigadier hat seinen Stand fast immer beim Gefechts Standpunkt des

Div.-Kmdos; er hat aber meist besondere Beobachtungsstellen mit möglichst weiter

Uebersicht, von denen er dauernd unmittelbare Meldungen erhält.

32. Jeder Wechsel eines Gefechtsstandpunktes bedarf eingehender Vorbereitung. Vor

Verlassen des alten Standortes sollen die Verbindungen zum neuen schon betriebsfähig sein.

Reitpferde oder Autos sind rechtzeitig bereitzuhalten. Bei Verlegen der Befehlsstellen nach

vorwärts bleiben . die bisherigen zur Regelung des Nachschubes zunächst weiter

besetzt. Je mehr der Bewegungskrieg sich ausspricht, desto mehr gehören auch die höheren

Führer weit vor, oft zu Pferd.

33. In der taktischen Bewertung von Stellungen und Geländeformen müssen alle Führer

eingehend geschult werden. Das Studium des Kampffeldes und seiner taktischen Bedeutung

kann nicht sorgfältig genug sein; es ist die Voraussetzung für die taktische Kleinarbeit, die

für Anlage und erfolgreiche Durchführung aller Angriffe — auch eines Angriffs in größerem

Rahmen — unerläßlich ist.

Das Studium erfolgt an Hand von Karten, Plänen, Photographien, Ansichtsskizzen, wird

aber möglichst bald durch die persönliche Erkundung der Kommandanten aller Grade und

ihrer Organe ersetzt.

Es wird oft von großem Vorteil sein, wenn Generalstabsoffiziere höherer Stäbe und jene

Führer (auch Unterführer), denen im Angriff schwierige Aufgaben zufallen, das Angriffsfeld

vom Flugzeug aus erkunden.

Der Kampf um Höhen, der im Stellungskriege an Bedeutung verloren hat, tritt um so

mehr in den Vordergrund, je mehr die Kämpfe den Charakter des Bewegungskrieges

annehmen.

Aufklärung und Meldedienst.

34. Zweck der A u f k 1 ä r u n g ist, der Führung ein möglichst zutreffendes Bild über

den Gegner und über die Beschaffenheit des voraussichtlichen Angriffsfeldes zu geben.

Zur Aufklärung müssen alle Mittel eingesetzt werden: Flieger, Fesselballon, Kavallerie,

Artillerieaufklärer, Infanteriebeobachter (IBS), Artilleriemeßzüge, Infanterie, Radfahrer,

Abhorchstationen, Photographie, Kundschafter, Gefangenen aussagen. Außerdem ist jeder

Soldat verpflichtet, Nachrichten und Wahrnehmungen auch ohne Befehl so rasch als

möglich zu melden

Im näheren Kontakt mit dem Gegner wird der persönliche Augenschein des

Kommandanten und seiner Organe die Aufklärung zu vervollständigen haben.

Oft werden sich während des Gefechtes wichtige Anhaltspunkte für die weitere

Handlungsweise des Führers ergeben. Die in der Gefechtslinie befindlichen Kommandanten

haben deshalb eigene Beobachtungsorgane zu bestimmen und sind verpflichtet, jede

Beobachtung über den Feind und über das Terrain, die von Bedeutung sein könnte, sogleich

ihrem vorgesetzten Kommando und soweit nötig auch den Nachbarn zur Kenntnis zu

bringen.

Die Aufklärung erfordert eine einheitliche Leitung. Innerhalb der Division muß sie straff

organisiert sein.

Jeder Kommandant ist auch ohne Befehl zur Aufklärung verpflichtet, um seine Truppe

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vor Ueberraschungen zu bewahren. Selbst bei durchlaufenden Fronten muß wenigstens

durch Sicht in Flanke und Rücken aufgeklärt werden.

Die Aufklärungsergebnisse müssen gründlich verwertet werden. Die bei der Division von

den verschiedensten Seiten zusammenlaufenden Nachrichten müssen hier in eine Hand

gelangen, verwertet, den eigenen Truppen, dem vorgesetzten Kommando und den Nachbarn

zur Kenntnis gebracht werden. Diesen Dienst versieht zweckmäßigerweise jener

Generalstabsoffizier, dem die Evidenz der feindlichen Lage obliegt.

35. Gleiche Bedeutung wie der Aufklärung kommt dem Meldedienst zu.

Jede Truppe muß dauernd bestrebt sein, die Führung schnell über die eigene Lage zu

unterrichten, um dem Kommandanten die Grundlagen für zweckmäßige Maßnahmen zu

schaffen.

Die planmäßige Verteilung, geschickte Anlage sowie rechtzeitige Vorverlegung oder

Neueinrichtung von leistungsfähigen Meldesammelstellen ist von besonderer Wichtigkeit.

Bei größeren Angriffen ist von oben her eine besondere zeitliche und örtliche Regelung

des Meldedienstes notwendig.

Zeitlich wird geregelt, wann jede Stelle unbedingt melden muß; abgesehen von

besonderen Ereignissen, geschieht dies nach Erreichen bestimmter Ziele, Ueberschreiten von

Linien, wesentlichen Verlegungen des Artilleriefeuers u. dgl.

Die örtliche Regelung erstreckt sich auf Angabe der Meldesammelstellen, namentlich

wenn diese und die Gefechtsstandpunkte im Verlauf des Gefechts zu bestimmten Zeiten

vorverlegt werden. Die Verbindung der Meldesammelstellen nach rückwärts durch mehrere

sichere Verbindungsmittel ist Sache des sie einrichtenden Kommandos.

Abwurfstellen für Flieger müssen festgesetzt werden.

Die höheren Kommandos dürfen sich jedoch nicht darauf verlassen, durch Meldungen

von der Truppe dauernd rechtzeitig unterrichtet zu werden. Sie müssen darnach streben, mit

eigenen Mitteln (Augenschein, besonders bestimmte Flieger, entsandte Offiziere, Kavallerie-

und Infanterie-Patrouillen, Beobachtungsoffiziere, Meldegänger) sich Klarheit über die Lage

in den eigenen und den Nachbarabschnitten zu verschaffen.

36. Ebenso wichtig ist der Meldedienst zwischen Artillerie, Minenwerfern und Infanterie

und zwischen Nachbarabteilungen. So ist z. B. die Infanterie verpflichtet, die Artillerie

dauernd über die von ihr erreichte Linie und den Stand des Gefechtes zu benachrichtigen,

ebenso wie die Artillerie alle von ihr auf dem Gefechtsfelde gemachten Feststellungen der

Infanterie sofort mitzuteilen hat. Nebeneinander eingesetzte Kommandos und Truppen

müssen enge Verbindung miteinander halten und sich gegenseitig ununterbrochen auf dem

laufenden halten. Bei den immerhin schmalen Gefechtsstreifen ist enges taktisches

Zusammenwirken von benachbarten Abschnitten ganz besonders wichtig. (Punkt 34.)

Diesem Zweck, z. B. der Verbindung zwischen Artillerie und Infanterie, dient der

Austausch von Verbindungsoffizieren; zwischen kleineren Abteilungen genügen im

allgemeinen von Unteroffizieren geführte Verbindungspatrouillen.

37. Sorgfältige Aufrechterhaltung des Aufklärungs- und Meldedienstes ist von

wesentlichem Einfluß auf den Erfolg des Angriffs, namentlich werden davon die ersten

Maßnahmen nachdem Sturm entscheidend beeinflußt.

Enges Verbindunghalten aller Waffen und aller Führer von vorn nach hinten, von hinten

nach vorn und nach den Seiten ist unerläßlich. Es sichert das planmäßige Fortschreiten des

Angriffs und bewahrt vor Ueberraschungen, namentlich in den Flanken. Bei guter

Verbindung ist die Führung in der Lage, rechtzeitig zweckmäßige Maßnahmen zu treffen.

Unter keinen Umständen darf der Angriff aus Mangel an Verbindung frühzeitig zum

Stehen kommen.

Page 11: Der Angriff

Die Einzelwaffen.

38. Die führende Rolle im Angriff fällt der Infanterie zu. Auf ihr lasten alle

Beschwerden und Gefahren im höchsten Maße.

Das Hauptziel, das alle andern Waffen mit voller Hingabe verfolgen müssen, besteht

darin, den Erfolg der Infanterie vorzubereiten, zu ergänzen und zu erweitern, aber

auch zu sichern. Hiezu ist die mündliche Aussprache zwischen dem Kommandanten der

Infanterie und jenem der zugehörigen Artillerie (Minenwerfer) notwendig. Auch zwischen

den zu gemeinsamer Tätigkeit berufenen Unterkommandanten der Infanterie und der

Artillerie (Minenwerfer) muß innigste Fühlung bestehen.

39. Nur besonders günstige Verhältnisse (schon geschwächter Gegner, überraschendes

Zusammentreffen) ermöglichen es der Infanterie, einer ausreichenden Unterstützung durch

Artillerie und Minenwerfer zu entraten.

In der Regel wird ein Erfolg nur dann errungen werden können, wenn der Angriff

durch Artillerie und Minenwerfer gründlich vorbereitet und unterstützt wird.

40. Der Gradmesser der Angriffskraft liegt nicht in der Zahl der Feuergewehre,

sondern in der Zahl der eingesetzten Kampfmaschinen. (Punkt 2, 22.)

Auch für den Erfolg des infanteristischen Angriffs ist nicht die Zahl der eingesetzten

Infanteristen ausschlaggebend, sondern ihre durch Ruhe, Ausbildung und Ausrüstung

erworbene Kampfkraft, die Sorgfalt der Vorbereitungen, die Geschicklichkeit von Führung

und Truppe sowie Schnelligkeit und Entschlossenheit des Handelns.

41. Granatwerfer, Minenwerfer und besonders Maschinengewehre sind die Hauptträger

des infanteristischen Feuerkampfes. Der Infanterist ist Nahkämpfer, der die durch die

Feuervorbereitung der Artillerie der Minenwerfer und seiner eigenen besonderen

Kampfmittel wohl vorbereitete Entscheidung durch die Stoßkraft des lebenden Menschen

vollends herbeiführt.

42. Alle Kampfmittel, welche bei der Infanterie zur Verwendung gelangen, müssen von

dieser voll beherrscht werden.

Der Erfolg im Kampfe ist nur dann gewährleistet, wenn die Offiziere der anderen

Waffen mit der Kampftätigkeit der Infanterie ganz vertraut sind, ebenso die Offiziere

der Infanterie mit Wesen und Wirkung der übrigen Waffen. (Punkt 7.)

43. Im Angriff ist möglichst reichliche Verwendung der Maschinengewehre anzustreben.

Es kommt weniger darauf an, materielle Wirkung zu erzielen, als vielmehr durch

Abkämmen der Gräben den Gegner an der Gegenwirkung möglichst zu behindern. Hiezu

wird das Ueberschießen der eigenen Infanterie aus rückwärtigen Stellungen notwendig

werden.

Jeder gewonnene Terraingewinn muß sogleich durch Maschinengewehre gesichert

werden. Deshalb haben die Handmaschinengewehre mit der Infanterie vorzugehen.

4 4. G r a n a t w e r f e r u n d M i n e n w e r f e r der Infanterie werden meist

einheitlich mit den Werfern der Batterien eingesetzt werden.

Ihr Nachziehen im Verlaufe des Angriffes muß vorbedacht sein. Sie werden besonderen

Wert beim Festhalten des Errungenen haben.

45. Die Infanterie darf nie vergessen, daß die Artillerie und die Minenwerfer Zeit

benötigen, um voll wirksam werden zu können. Ueberhastetes Wirken dieser Waffen

schädigt den Erfolg.

46. Bei jedem Angriff kommt es darauf an, die Wirkung der artilleristischen Vorbereitung

und Feuerunterstützung voll auszunutzen. Die stürmende Infanterie muß gleichzeitig mit den

letzten Artillerieschüssen und Minen in der feindlichen Stellung stehen und im weiteren

Verlauf der eigenen Feuerwalze unmittelbar folgen, so daß der Feind keine .Zeit findet, aus

den noch erhaltenen Unterständen herauszukommen oder sich sonst gefechtsbereit zu

Page 12: Der Angriff

machen.

Der bei den Sturmbataillonen mit so großem Erfolg ausgebildete Grundsatz, daß die

Infanterie beim Angriff in das eigene Artillerie- und Minenfeuer hineinlaufen muß,

muß Gemeingut der ganzen Infanterie werden. Er fordert rücksichtslose Schneid und

überlegene Moral, weil vereinzelte Verluste durch eigenes Artilleriefeuer in Kauf genommen

werden müssen. Durch dieses Hineinlaufen wird der Nahkampf mit der feindlichen

Infanterie und deren Maschinengewehren erleichtert. Mit allen Mitteln maß der Infanterie

das Verständnis hiefür beigebracht werden.

Neben der richtigen Ausnutzung der eigenen Kampfmittel und erkannter feindlicher

Schwächen ist für den Erfolg des Sturmes der Schwung der Truppe wesentlich.

Entschlossenes rücksichtsloses Draufgehen und Selbsttätigkeit jedes einzelnen Mannes

bringen den Erfolg. Für den Schwung der Truppe ist das Verhalten der Offiziere

maßgebend. (Punkt 5.)

Stocken des Angriffs an einer Stelle darf sich nicht auf die ganze Linie übertragen; weit

durchstoßende Infanterie umfaßt stehengebliebene Teile des Feindes, räumt sie hinweg

und bahnt den zurückbleibenden eigenen Abteilungen den Weg. Zaudern führt zu

Mißerfolgen.

47. Die Gefechtsstreifen sind am günstigsten, wenn die vordersten Wellen bis zum

Angriffsziel geradeaus angreifen. Die Grenzen werden durch im Gelände hervortretende

Punkte und Linien gebildet, z. B. Straßen, Eisenbahnen, Waldränder.

Innerhalb des Gefechtsstreifens darf nicht gleichmäßig angegriffen werden. Stützpunkte,

Ortschaften, Wälder sind niederzuhalten, unter Umständen durch Einnebeln (Vergasen). An

ihnen vorbei greift die Truppe tiefgegliedert an den Stellen des voraussichtlich geringsten

Widerstandes an. Rückwärtige Wellen nehmen die Stützpunkte usw. durch Umfassung. Es

kann sich empfehlen, hiefür von vornherein besondere gemischte Abteilungen — im

Bedarfsfall aller Waffen — unter energischen Führern auszuscheiden.

Die vordersten Teile der Infanterie vermeiden jeden nicht unbedingt notwendigen

Aufenthalt. Häufig schwächt das Durchstöbern feindlicher Unterstände, Depots und

Gepäckstücke nach Lebensmitteln usw. die Front rascher als feindliches Feuer und

Erschöpfung. Strenge Ueberwachung ist daher notwendig. Drückeberger und Beutemacher

müssen durch Kommandos des e i g e n e n Regiments aufgegriffen und sogleich

nachgeführt werden. (Punkt 92.)

Angriffe durch Aufrollen der Gräben in den Stellungen entlang zu führen, empfiehlt sich

nur in ganz kleinen Verhältnissen und bei Kleinangriffen, die mehr in das Gebiet der

Gegenstöße und Patrouillen-Unternehmungen fallen und denen ein wirksames

Sturmreifschießen nicht vorangegangen ist.

Je kleiner der Angriff ist und je näher das Angriffsziel liegt, um so genauer kann der

angreifenden Infanterie der Weg und jede einzelne Tätigkeit vorgeschrieben werden. Je

größer und tiefer der Angriff ist, desto häufiger treten Lagen ein, in denen das selbständige

und sich richtig in den Rahmen des Ganzen einfügende Handeln einzelner Kampfgruppen

den Ausschlag gibt. Auf diese Weise gewonnene Vorteile sind sogleich zu größeren

Erfolgen auszubauen. Alle Anweisungen und Maßnahmen müssen daher darauf zielen, die

Einwirkung der Führer sicher zu stellen. Jeder einzelne Mann muß erzogen sein, den

Zusammenhang mit seinem Stoßtrupp-(Schwarm) Kommandanten dauernd zu wahren. Kein

Kommandant darf auch nur einen Augenblick die Zusammenarbeit mit dem nächsthöheren

und benachbarten Verband sowie mit den anderen Waffen aus dem Auge lassen. (Punkt 13.)

Die Verwendung von Leuchtzeichen (auch Flammenwerfer) zur Verständigung ist sorgfältig

zu regeln.

Page 13: Der Angriff

Bei den in dem feindlichen Stellungssystem sich zusammenballenden gesonderten

Kampfgruppen oder Stoßtrupps muß das Streben sein, sobald es die Lage gestattet, lockere

zusammenhängende Schützenlinien zu bilden, Reserven und Flankensicherungen

auszuscheiden, Patrouillen nach vorwärts und seitwärts vorzutreiben, um durch

unvorhergesehene Ereignisse nicht in einer für den Kampf ungeeigneten Form überrascht zu

werden.

Der gefährlichste Moment für den Angreifer ist jener nach dem Einbruch in die feindliche

Stellung.

48. Der Angriffsschwung einer guten Truppe führt diese oft über das Angriffsziel hinaus.

Schnelles Zufassen sichert oft Erfolge, die sonst erst nach erneuter Vorbereitung gewonnen

würden. Der Drang der Truppe nach vorwärts darf daher nicht zu stark gezügelt werden.

Besonders bei weitreichendem Durchbruch ist der kühnste Entschluß immer der beste.

Andererseits entstehen durch unüberlegtes Vorstürmen leicht Rückschläge. Es ist daher

von entscheidender Wichtigkeit, daß die Truppe der Führung auch während des Angriffs

nicht aus der Hand gerät und das Zusammenwirken der Waffen gesichert bleibt.

49. Nach dem Erreichen des Angriffsziels ist schleunigst Abwehrbereitschaft

einzunehmen (Tiefengliederung, Zusammenwirken mit den anderen Waffen,

Befehlsverbindungen, Anschlüsse, Sorge für Munition, Verpflegung, Sanitätsdienst, Ausbau

der Stellung).

Eine Bereitschaft, die gegen sofortige, von der feindlichen Artillerie meist nur mangelhaft

unterstützte Gegenstöße ausreicht, kann schon nach wenigen Minuten erzielt werden. Die

Maßnahmen hierzu sind schon vor dem Angriff vorzubereiten. Auch wenn ein Angriff

weiter geführt werden soll, müssen die ersten Angriffsziele gesichert werden, um

Rückschläge infolge von Gegenstößen oder -angriffen auszuschalten. (Punkt 71.)

50. Erfahrungsgemäß pflegt die Infanterie weniger durch den Angriff, als durch die

darauffolgende Beschießung und die Gegenangriffe zu leiden. Die Führung muß daher die

Ablösung der Infanterie oder die Weiterführung des Angriffs durch neue Verbände

rechtzeitig vorsehen. (Vgl. aber Punkt 19.)

51. Ein mißlungener Angriff ist in der Regel nur nach erneuter Feuervorbereitung zu

wiederholen. Das Liegenbleiben kleinerer Teile darf dagegen das Vorwärtsdrängen des

Ganzen nicht hemmen. Kommen nur einzelne Teile nicht vorwärts, so genügt oft die

flankierende Unterstützung durch Nachbartruppen sowie kurze Feuervorbereitung mit MG.,

MW., GW., HMG. und Infanteriebegleitgeschützen.

Das Liegenbleiben vor den feindlichen Stellungen kostet die meisten Verluste.

52. Besondere Umsicht, taktisches Verständnis und Entschlußfähigkeit ist von den

Führern der Reserven zu fordern.

Die obere Führung wird in vielen Fällen außerstande sein, ihren Einfluß rechtzeitig zur

Geltung zu bringen. Diese Schwierigkeit wächst mit der Tiefe des Angriffs. In solchen

Fällen ist selbsttätiges und verantwortungsfreudiges Handeln der unteren Führer besonders

wichtig.

Der leitende Gesichtspunkt für das Eingreifen der Reserven muß sein, daß der Angriff

unter keinen Umständen ins Stocken geraten darf. (Punkt 13, 21, 22.)

53. Alle Kommandanten müssen jede Gelegenheit wahrnehmen, um das feste Gefüge und

die straffe Ordnung der Truppe wieder herzustellen.

54. Hauptaufgabe der Artillerie und der Minenwerfer ist es, der Infanterie die

günstigsten Bedingungen für den Kampf zu schaffen. Sie müssen daher jederzeit im

Sinne der höheren Führung und in inniger Uebereinstimmung mit den anderen Waffen

eingesetzt werden. (Punkt 24, 38.) Damit bilden Artillerie und Minenwerfer das Rückgrat

des Angriffes.

Page 14: Der Angriff

Rechtzeitiges, gutes Schießen vom richtigen Platz gegen das richtige Ziel sind für beide

Waffen die Hauptsache.

55. Voraussetzung für eine richtige Verwendung der Artillerie und der Minenwerfer ist

die richtige Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Geschütze (Werfer). Die Artillerie

(Minenwerfer) muß die Kampfweise der Infanterie voll beherrschen, um in entscheidenden

Lagen selbständig eingreifen zu können. Sie muß im Gebrauch der Nahkampfmittel geübt

sein, um nicht ständigen, unmittelbaren Schutz durch die Infanterie zu bedürfen.

56. Die moralische Wirkung der Artillerie und der Minenwerfer kann so nervenzerrüttend

sein, daß damit allein ausschlaggebende Wirkung erreicht werden kann. Die moralische

Wirkung ist daher bei jedem Einsatz in Rechnung zu stellen.

57. Die materielle Wirkung ist von Geschütz- und Geschoßart, von der Masse der

Munition, der Treffgenauigkeit und den Verhältnissen beim Ziel abhängig.

Feldkanonen sind infolge ihrer großen Feuerschnelligkeit zur Bekämpfung lebender,

ungedeckter Ziele zu verwenden (Störungsfeuer, Bekämpfung von Truppen an

Sammlungen) und sollen als Flachbahngeschütze womöglich flankierend eingesetzt werden.

Zum Zerstörungsfeuer eignen sie sich wegen der geringen Einzelschußwirkung nicht.

10 cm Feldhaubitzen können sowohl alle Aufgaben der Feldkanonen erfüllen wie auch

infolge der größeren Geschoßwirkung heim Zerstörungsfeuer mitwirken.

Die 15 cm Haubitze ist das Hauptgeschtitz für den Artilleriekampf, weiters für das

Zerstörungs- und Vernichtungsfeuer.

Die 10 cm, 15 cm und 24 cm Kanonen eignen sich wegen ihrer großen Reichweite

vornehmlich zum Störungsfeuer, sind aber wegen ihrer vorzüglichen Treffgenauigkeit auch

zum Zerstörungsfeuer hervorragend geeignet.

Die schwersten Geschütze dienen zur Lösung von Spezialaufgaben, die 30 cm Mörser

außerdem zur Bekämpfung feindlicher Artillerie. Ihre Wirkung gegen massierte

Truppenziele ist sehr -gut.

Die Gebirgskanonen sind befähigt, im schwierigsten Terrain fortzukommen. Durch

Anwendung der Teilladung können sie Aufgaben lösen, die sonst der Feldhaubitze zufallen.

Die Gebirgskanonen sind besonders als Infanteriebegleitbatterien geeignet.

58. Die Minenwerfer ergänzen die Artilleriewirkung ausgezeichnet und ersetzen sie im

besonderen dort, wo die eigene Artillerie nicht zu wirken vermag.

Mittlere und schwere Werfer sind gegen die Haupteinbruchsstellen massiert einzusetzen.

Leichte Werfer haben in der Hauptsache die Aufgabe, feindliche Stellungen zu flankieren.

Betäubung des Gegners durch eingelegte Minenwerfersalven ist sehr empfehlenswert.

59. Gas kann aus Feld- und Gebirgskanonen, Feld-und Gebirgshaubitzen, 15 cm

Haubitzen M. 14, dann aus Minen- und Gaswerfern geschossen werden.

Der Vergasungsbeginn erfolgt zweckmäßig noch bei Dunkelheit. Der Gegner wird

hiedurch überrascht. Im allgemeinen sind auch die Luftverhältnisse am frühen Morgen für

die Vergasung günstig. Andererseits muß die Vergasung auch genügend Zeit lassen zum

Wirkungsschießen, zum Einschießen der schweren Kaliber und zum Ueberprüfen der

Tageseinflüsse. Die Vergasung darf also nicht ausschließlich in die Dunkelheit fallen. (Siehe

Teil 14, Das Gasschießen.) Sehr gute Erfolge läßt auch das Nebelschießen erwarten.

60. Um eine Wirkung aus mehreren Richtungen zu ermöglichen und den Gegner zur

Zersplitterung seines Feuers zu zwingen, ist die Verwendung der Artillerie in getrennten

Gruppen Grundbedingung.

Im Stellungskriege und in der Abwehrschlacht wird die Masse der Artillerie weiter

rückwärts in Stellung gebracht, damit bei einem Einbruch des Gegners die Artillerie nicht

sogleich überrannt wird, sondern wirken kann.

Page 15: Der Angriff

Anders beim Angriff; hier handelt es sich darum, daß die Artillerie den Angriff der

Infanterie möglichst lange ohne Stellungswechsel unterstützen kann. Durch die

Reichweite der Artillerie ist bei Angriffen die Tiefe des Angriffes gegeben. Die Artillerie

muß deshalb weit vorne in Stellung gebracht werden.

61. Für die Zusammenfassung in Gruppen ist nicht die Lage der Feuerstellungen, sondern

das Zusammenwirken in den gleichen Zielraum maßgebend. Eine Aufstellung außerhalb des

Gefechtsstreifens der Infanterie ist oft erwünscht, da die Rücksichten auf die moralische

Wirkung eine Bevorzugung flankierenden Feuers verlangen.

Eine Mischung von schwerer und leichter Artillerie innerhalb der Gruppen und

Untergruppen ist zulässig. Soweit als möglich ist aber die organisationsgemäße Einteilung

der Artillerie zu erhalten.

Für den Gaskampf sind fallweise Batterien zu bestimmen, gegebenenfalls eigene

Gruppen zu bilden. (Siehe Teil 14.)

62. Straffe Gefechtsführung auch in artilleristischer Beziehung durch die Divisionen,

Korps- und Armeekommandos ist unerläßlich. Dabei ist ein Eingreifen in Einzelheiten oft

nicht zu vermeiden. (Vgl. Punkt 17.)

Das einheitliche Einsetzen der Artillerie zur Vorbereitung und Unterstützung des

Angriffes verfügt der Artilleriekommandant (Artilleriebrigadier) nach den Weisungen des

Truppenführers (Divisionär); dies schließt aber nicht aus, daß einzelne Gruppen direkt den

Infanteriekommandanten unterstellt werden. (Punkt 27 und 68.)

Für die direkte Unterstellung von Artillerie unter Korpsoder Armeekommandos kommen

nur Spezialgeschütze in Betracht. (Punkt 17.)

63. Die Minenwerfer sind ebenso wie die Artillerie unter einheitlichem Befehl

(Stabsoffizier für Minenwerfer) zusammenzufassen und in Gruppen zu gliedern.

Für das weitere Vorgehen im Angriff sind die leichten Minenwerfer der Infanterie wieder

zu unterstellen. (Siehe Teil 7.)

64. Rechtzeitige und gründliche Zielaufklärung, rasches Ausnützen ihrer Ergebnisse, gute

Schußbeobachtung sind die Vorbedingungen des Erfolges. (Punkt 34.)

Die Zielaufklärung erstreckt sich auf alles, was für die artilleristische Bekämpfung des

Gegners zu wissen notwendig ist: Truppen, Artillerie- und Infanteriestellungen, Verlauf von

Schützen-, Verbindungs- und Kabelgräben, Hindernisse, Unterstände, Maschinengewehre,

Minenwerfer, Geschütze, Gefechtsstandpunkte, Beobachter, Sammelpunkte von Reserven,

Anmarschwege, Bahnen usw.

Zur Zielaufklärung dienen Beobachter, Flieger und Fesselballone, Artilleriemeßzüge.

Enges Zusammenarbeiten aller Erkundungsorgane ist erforderlich.

Beobachtungen der Infanterie sind oft sehr wertvoll.

Beobachter in der vordersten Linie sind nicht verläßlich. Sie sind aber für besondere

Zwecke und für das Begleiten der Infanterie beim Fortschreiten des Angriffes nicht zu

entbehren. In der Hauptsache muß aber die Beobachtung sich auf weiter rückwärts gelegene

Beobachtungspunkte stützen.

Räumliche Trennung der Beobachter und Vermeidung ihrer Anhäufung auf besonders

günstigen Punkten ist geboten.

Artillerie-Verbindungsoffiziere (Punkt 29 und 37) die mit allen Mitteln die Verbindung

mit ihrer Waffe aufzunehmen haben und hiefür entsprechend auszustatten sind, sind den

Infanterie-Verbänden frühzeitig zum gegenseitigen Einleben zuzuteilen; sie begleiten den

Angriff bei der stürmenden Infanterie. Ihre Tätigkeit ist von entscheidender Bedeutung für

das Zusammenwirken der Waffen. Taktische Vorbildung und volles gegenseitiges Vertrauen

sind unerläßlich.

Page 16: Der Angriff

65. Die Feuervorbereitung für den Angriff wird verschieden sein; sie ist abhängig von der

Gestaltung des Angriffsgeländes, vom Umfang des beabsichtigten Angriffs, von der Stärke

der feindlichen Abwehrmittel und vom Grad der erstrebten Ueberraschung.

Vorbedingung für erfolgreiche Wirkung des Artilleriefeuers und damit des Angriffs ist

ein genaues Einschießen aller, insbesondere der am Sturmreifschießen beteiligten Batterien.

Es ist zu erreichen und muß erreicht werden, daß das Artilleriefeuer mit der Sicherheit eines

Uhrwerks abläuft.

Jede Batterie schießt sich auf jedes ihrer Ziele ein, auch auf die beim Vorverlegen des

Feuers ihr zufallenden. Am besten wird dies durch einen Sonderbefehl geregelt, der das Ein

schießen zeitlich und räumlich auf die Batterien verteilt, so daß gegenseitige Störungen

ausgeschlossen sind.

Das Einschießen der Minenwerfer erfolgt zweckmäßig erst am Angriffstage, da sie sich

durch ihren Abschuß sonst vorzeitig verraten und der Vernichtung aussetzen, auch ihr

zahlreiches Auftreten dem Gegner die Angriffsabsichten enthüllt. Dem Einschießen hat in

diesem Falle das Wirkungsfeuer unmittelbar zu folgen.

Das Einschießen ist nach Zeit und Zielteil genau mit der Artillerie zu regeln. Zum

Einschießen sind alle Mittel der Beobachtung aufs sorgfältigste auszunutzen. Nachprüfung

der Lage der Schüsse unter Berücksichtigung der Tageseinflüsse unmittelbar vor dem

Wirkungsschießen ist erwünscht.

66. Das Sturmreifschießen erfolgt im allgemeinen bei Tage. Auf volle Wirkung

nächtlichen Zerstörungsschießens ist keinesfalls zu rechnen.

Richtiges Schießen ist wertvoller als zu schnelles Schießen. (Vgl. jedoch Punkt 67.)

Die beste Wirkung ergibt im allgemeinen ein ruhiges, nach Möglichkeit beobachtetes

Feuer. Das Einlegen höchster Feuersteigerung von Zeit zu Zeit ist aber notwendig, um den

Gegner zu täuschen, den moralischen Eindruck zu steigern und die Wirkung zu

beschleunigen. Unter allen Umständen muß Ueberanstrengung von Material und

Mannschaften vermieden werden. Berücksichtigung der sich während des Schießens

ändernden Tageseinflüsse ist erforderlich.

Feuerpausen dienen zur Täuschung des Gegners über den Zeitpunkt des Sturmes, zur

Erholung der eigenen Mannschaft, Nachsehen des Materials und geben der Beobachtung

Gelegenheit, die bisherige Wirkung des Schießens zu prüfen.

Schlagartiges Wiedereinsetzen des Feuers kann dem Gegner empfindliche Verluste

zufügen.

Rücksichten auf moralische Wirkung werden auch stets zu einer Bevorzugung

flankierenden Feuers führen.

Das Vorverlegen des Feuers in derselben Weise wie später beim wirklichen Angriff ist

häufig ein gutes Mittel, um den Gegner den Augenblick des wirklichen Angriffes zu

verschleiern.

Jedenfalls darf nichts in dem Verhalten der Artillerie den Gegner auf den Augenblick des

Sturmes aufmerksam machen, da eine auch nur kurze Verzögerung im Einsetzen des

feindlichen Sperrfeuers ein großer Gewinn ist. Allgemein wird unregelmäßiger Wechsel des

Feuers nach Zeit, Raum und Feuergeschwindigkeit dieser Absicht am besten dienen. Der

Wechsel ist durch den Feuerbefehl zu regeln.

67. Soweit es unter Berücksichtigung der in Punkt 66 angegebenen Gesichtspunkte irgend

angängig ist, ist die gesamte als Feuervorbereitung erstrebte Wirkung zeitlich und räumlich

zusammenzudrängen, um Ueberraschung und moralische Wirkung zu steigern.

Unter Umständen sind wichtige Einzelziele schon vor Beginn des eigentlichen

Vorbereitungsfeuers im Zerstörungsfeuer zu zerstören. Die artilleristische Vorbereitung kann

sich dann ausnahmsweise auf mehrere Tage ausdehnen. Das Sturmreifschießen selbst wird

von wenigen Minuten bis höchstens zur Dauer von einigen Stunden verlängert

Page 17: Der Angriff

werden dürfen. Mehrtägiges Sturmreifschießen ist nicht anzuwenden.

68. Die Verwendung von auf nahe Entfernung direkt feuernden Batterien beim Angriff ist

außerordentlich wirkungsvoll. Solche Batterien werden zweckmäßig völlig verdeckt

bereitgestellt und eröffnen das Feuer erst kurz vor dem Angriff oder auch nach dem Antreten

der Infanterie.

Bei Angriffen von größerer Tiefe begleiten außerdem Infanteriebegleitbatterien,

Feldbatterien, einzelne Geschütze und Minenwerfer, die den Infanterieregimentern

unterstellt werden, den Angriff. Diese Kampfmittel müssen bespannt (verlastet) zur

Verfügung der Infanterieregimentskommandanten bereit stehen. Sie sollen

Widerstandsnester, Flankierungsanlagen Maschinengewehre, Tanks auf nahe Entfernung mit

direktem Schuß bekämpfen und gegen feindliche Gegenstöße wirken. Diese Batterien

müssen mit der Infanterie durch gemeinsame Uebungen gut eingespielt sein. Es empfiehlt

sich, jedes Geschütz dieser Batterien von vornherein mit Munitionswagen

(Munitionstragtieren) auszustatten, da es hier besonders nicht auf die Zahl der Geschütze,

sondern auf den Munitionsersatz ankommt.

69. Im Verlaufe des Angriffs frei werdende Batterien übernehmen die Bekämpfung

lästiger feindlicher Batterien oder halten sich zur Abwehr von Gegenstößen und zur

Bekämpfung von Augenb1 ickszielen bereit.

70. Die Tiefe des Angriffs ist durch die Reichweite der Masse der in Stellung

befindlichen Artillerie begrenzt. (Punkt 60.)

Bei Angriffen, die sich den Durchbruch zum Ziel setzen, muß daher für das Vorziehen

der gesamten beweglichen Artillerie und MW. samt genügender Munition Vorsorge

getroffen werden. Dies ist eine der wesentlichsten Grundlagen für den Erfolg. Die

ausreichende Dotierung mit Verbindungsmitteln ist wichtig. Geschickte und

vorausschauende Verwendung der Verbindungsmittel, muß die Artillerie in die Lage

versetzen, auch in schwierigen Verhältnissen die Verbindungen innerhalb der Artillerie

sowie zur Infanterie und zu den Luftstreitkräften aufrechtzuerhalten.

71. Soll das Angriffsziel dauernd gehalten werden, so ist die artil1eristische Abwehr

ehemöglichst einzurichten.

Dasselbe gilt für die in den einzelnen Phasen der Durchbruchsschlacht erreichten Ziele.

Mit feindlichen Gegenangriffen muß immer gerechnet werden. (Punkt 49.)

72. Der Munitionsverbrauch während größerer Angriffe ist ganz außerordentlich hoch.

Munition darf bei der Vorbereitung des Angriffes nicht gespart werden. Da aber die

Vorbereitungen um so umfangreicher werden und daher die Ueberraschung um so mehr

gefährdet wird, je mehr Munition bereitgelegt wird, so ist jedes Uebermaß zu vermeiden.

Jede Batterie muß vor Beginn des Angriffs über die für den ganzen Angriff erforderliche

Munition verfügen. Deckung etwaiger Ausfälle ist zu berücksichtigen.

Der Munitions- und Materialersatz der Artillerie ist Sache der Truppenführung. Die

Bedarfsmenge muß bei dem großen Verbrauch rechtzeitig vorgesehen, bereitgestellt und

vorgeführt werden. (Punkt 14.) An dieser Arbeit ist der Generalstabschef mitverantwortlich.

Der verläßliche Ersatz der verbrauchten Munitionsmenge ist nicht allein von den

rückwärtigen Munitionsreserven, sondern vornehmlich von den verfügbaren

Transportmitteln abhängig, die gerade zu dieser Zeit auch für andere Zwecke stark benötigt

werden. In diesem Belange muß sich die Truppenführung klar werden, wie weit ihre

Transportmittel (Autokolonnen, Staffel, Feld- und Rollbahn, Seilbahn) zum Heranführen der

Munition bis an den Verwendungsort nach Ausmaß, Wegverhältnissen, Kräftezustand der

Pferde ausreichen und welche Zeit benötigt wird. Trotzdem bleibt die Munitionsversorgung

eine um so schwierigere Aufgabe, je weiter der Angriff vordringt. Haushalten am richtigen

Fleck ist daher Notwendigkeit. Fehler in dieser Beziehung bringen den Angriff frühzeitig

zum Stehen.

Page 18: Der Angriff

73. Während des Angriffs sind alle Stäbe bis einschl. Bataillon bzw. Abteilung mit

Meldereitern und berittenen Erkundern auszustatten. — Je mehr der Angriff zum

Bewegungskrieg übergeht, desto mehr Kavallerie muß den Verbänden für den Aufklärungs-

und Meldedienst zugewiesen werden.

Die im Aufklärungsdienste, im Angriff und bei der Verfolgung eingesetzte Kavallerie

wird ihre Aufgabe in der Regel mit dem Karabiner lösen müssen. Maschinengewehre,

Artillerie sind auch für sie unentbehrlich.

74. Einheitliches, unter zielbewußte Leitung gestelltes Ansetzen der technischen

Arbeitskräfte, konsequente Durchführung der Arbeiten sind für den Erfolg unerläßlich.

Die Dotierung der höheren Kommandos mit technischen Organe und technischen

Formationen muß von Anfang an eine ausreichende sein. Nachträgliche, unter dem Druck

der Verhältnisse erfolgende Zuweisungen kommen meist zu spät. (Punkt 14.)

Gründliche Orientierung aller technischen Organe ist Voraussetzung für gute Arbeit.

75. Die technische Aufklärung muß frühzeitig einsetzen. Besonders die Flugaufklärung

muß im Bilde Nachricht über alle technischen Einrichtungen des, Feindes bringen

(rückwärtige Stellungen, Kommunikationen, Brücken usw.).

76. Jede Arbeit braucht eine Mindestzeit, die auch durch Masseneinsatz von Arbeitskraft

nicht her abzudrücken ist.

Die technischen Formationen sollen nur zu solchen Arbeiten herangezogen werden, zu

denen sie infolge Ausbildung oder bisheriger Verwendung befähigt sind.

Haushalten mit den technischen Truppen ist bei ihrer geringen Zahl besonders geboten.

Ihr Einsatz zu Arbeiten, die auch die Infanterie leisten kann, oder zum Kampfe ist nur in

kritischen Lagen gerechtfertigt.

Die Vorarbeiten für einen Angriff können nicht früh genug begonnen werden. Die erste

und dringendste Aufgabe wird stets der Ausbau des Wegnetzes sein. Das Gelingen und die

Reichweite eines Angriffes hängen auch davon ab, wie das Kommunikationsnetz vor Antritt

der Bewegung ausgestaltet wurde und mit welcher Raschheit dessen Ausbau dem Angriff

folgen kann.

Zur Zeit der Vorbereitungen treten Bauten aller Arten, wie Unterkunfts- und

Spitalsbaracken, Depots für Munitions-, Verpflegs- und technisches Material, in den

Vordergrund.

Der Massenverkehr auf allen Kommunikationen erfordert auch erhöhte Maßnahmen für

die Instandhaltung. An jeder Nachschublinie, deren Verlängerung oder Herrichtung in

Betracht kommt, sind geschlossene, einheitlich geleitete Arbeitsgruppen bereitzustellen.

Dem großen Bedarf an technischem Material ist durch Anlage von Depots nahe der Front

vorzusehen.

77. Ohne Verbindungen ist eine gute Führung unmöglich.

Führung und Truppe müssen jederzeit in der Lage sein, auf irgend eine Art rasch, und

sicher miteinander verkehren zu können. (Vgl. Punkt 36.)

Die Bearbeitung aller der den Verbindungsdienst umfassenden Maßnahmen erfolgt unter

Verantwortung des Generalstabschefs.

Ein leistungsfähiges Telephonnetz ist schon Vorbedingung für die Leitung der

Vorbereitungen.

Auch während des Angriffes selbst muß getrachtet werden, die telephonische

Verbindung möglichst aufrecht zu erhalten.

Bei starker artilleristischer Gegenwirkung des Feindes sowie bei unsachgemäßer Anlage

der Leitungen sind Störungen häufig.

Oft gewährleisten daher die leicht beweglichen drahtlosen Mittel (Radio, Erdtelegraph,

optische Signalmittel) sowie Meldehunde, Brieftauben, Meldegänger und Meldereiter

schnellere Verbindung als das Telephon.

Page 19: Der Angriff

Niemals darf man sich auf ein Verbindungs-mittel allein verlegen. Erst der gleichzeitige

Einsatz verschiedener Mittel ermöglicht verläßliches, dauerndes Aufrechterhalten der

Verbindungen.

78. Die Telegraphenoffiziere müssen über die Absichten der Truppenführung, namentlich

aber Zeitpunkt und Ziel des Angriffes, frühzeitig orientiert und während der Operationen

dauernd auf dem laufenden erhalten werden.

Die Verbindungsformationen können den schnell wechselnden Aufgaben im Angriffe nur

dann gerecht werden, wenn sie vorausschauend und selbsttätig im. Rahmen des Ganzen

arbeiten und sich selbst über die Gefechtslage und die Bedürfnisse von Truppe und Führung

unterrichtet halten.

Die Telegraphenoffiziere sind verpflichtet, bei Aenderung der Lage ihren Kommandanten

(Generalstabschef) Vorschläge betreffs der Verbindungen zu erstatten.

79. Durch schärfste Handhabung der Betriebsdisziplin auf dem Gebiete des gesamten

Verbindungswesens, namentlich im Telephon- und Radioverkehr, muß die Geheimhaltung

der Absichten gesichert werden.

Oft wird es notwendig sein, den gesamten Telephon- und Radioverkehr in der vorderen

Zone des Angriffsraumes nur dann zu gestatten, wenn es die Gefechtsverhältnisse unbedingt

erfordern (z. B. im Falle eines feindlichen Angriffes).

Während der Vorbereitungen muß eine erhöhte Kontrolle des Betriebes der

Verbindungsmittel einsetzen.

80. Die Befehlsverhältnisse auf dem Gebiete des Verbindungswesens in den einzelnen

Zeitabschnitten des Angriffes, die Uebernahme und Uebergabe von Netzen sowie die

Aufgaben der einzelnen Telegraphenformationen müssen durch klare Befehle geregelt sein.

Die Bedeutung der Leuchtzeichen muß allen Leuten eingeschärft werden.

81. Schulung der Telegraphentruppe für den Angriff, Uebungen mit den verschiedenen

Waffen sind nötig.

82. Wird ein Verband abgelöst, so kann die Ablösung seines Telegraphenpersonals und

Materials in der Regel, nur allmählich erfolgen; es tritt daher zunächst unter das Kommando

des ablösenden Verbandes.

83. Der Flieger ist ein für die Führung unentbehrliches Hilfsmittel. Eine gut geleitete,

schneidige Fliegertruppe wird den anderen Waffen viel Blut ersparen.

Jeder Führer, dein Flieger untersteht sind, muß Eigenart und Leistungsfähigkeit dieser

Waffe können.

84. Die F1iegerfernaufk1ärung bildet eine der wesentlichsten Grundlagen für die

Entschlüsse der höheren Führer.

Der Infanterieflieger ist das beste Organ, um Führung und Artillerie über den Stand des

Infanteriekampfes zu unterrichten. In niedriger Höhe fliegend, hat er die Lage der eigenen

Infanterie festzustellen, ihre Wünsche und Nachrichten entgegenzunehmen, den Feind zu

beobachten.

Die Unterscheidung der eigenen und feindlichen Linie ist für den Flieger sehr schwer.

Eine gute Kenntlichmachung der eigenen Linien für den Infanterieflieger ist daher

unerläßlich.

Wiederholte persönliche Aussprache zwischen Beobachter und Infanterieführer ist

notwendig.

Von der Tätigkeit des Artilleriefliegers ist die Tätigkeit der Artillerie, wesentlich

abhängig, soll die Artillerie nicht in vielen Fällen ins Streuen verfallen,

Jagdflieger sollen durch Bekämpfung der feindlichen Flieger den eigenen

Arbeitsflugzeugen. den Weg bahnen, den Artillerieflieger schützen und feindliche Flugzeuge

an der Ausübung ihrer Tätigkeit hindern.

Page 20: Der Angriff

Bombenabwürfe, Maschinengewehrangriffe auf die feindliche Infanterie und Artillerie

und hinter die Front, Aussetzen von Zerstörungspatrouillen vervollständigen die

Verwendungsmöglichkeiten des Flugzeuges.

85. Der Flugplatz der einzelnen Fliegerkompagnien ist innlichst in der Nähe ihres

unmittelbar vorgesetzten Kommandos zu wählen.

Ein Teil der Luftstreitkräfte muß dem Vormarsch unmittelbar folgen können. Geregelter

Nachschub an Betriebsmitteln ist notwendig.

Einrichtung des Angriffsraumes.

86. Je umfangreicher die Angriffshandlung ist, umsomehr sind sorgfältiges Instandhalten

und Verteilen der Straßen- und Bahnverbindungen und gleichmäßiges Ansetzen starker

Kräfte und Mittel für die Versorgung und für Arbeit aller Art die Voraussetzung

entscheidender Ergebnisse. Bei Versagen des Nachschubes, namentlich der

Munitionsversorgung, sind Rückschläge, die den Erfolg der ganzen Operation in Frage

stellen, unvermeidlich. (Vgl. Punkt 72.)

87. Die Nachschubslinien (Vollbahnen, Straßen, Feld-, Roll-, Kraftwagen-, Seilbahnen)

müssen den Anforderungen eines aufs höchste gesteigerten Verkehrs entsprechen.

Ergänzung des Betriebspersonals und der Betriebsmittel, Erweiterung bestehender Anlagen

wird meist notwendig sein. An den Eisenbahnendpunkten und Entladebahnhöfen sowie allen

Umschlagplätzen überhaupt muß für umfassende Auslade- und Umlade-Möglichkeiten

vorgesorgt sein. Hierzu und zur Ausgabe an die Depots sind Arbeitskräfte in genügender

Zahl bereitzustellen. Die Zu- und Abfahrt bei allen Depots bedarf sorgfältiger Regelung. Die

Organisierung des Entladedienstes ist besonders wichtig.

In dem näher an der Front gelegenen Gebiet ist eine peinlich genaue Verkehrsregulierung

unerläßlich. Das Festlegen und Bezeichnen von Ausweichstellen an schmalen Straßen, von

Umgehungswegen um Ortschaften, das Anbringen deutlicher Wegweiser ist Vorbedingung

für eine glatte Abwickelung des Verkehrs. Oft wird die Festsetzung nötig werden, daß

bestimmte Straßenstrecken nur in einer Richtung benutzt werden oder die Gegenfahrten nur

zu bestimmten Zeiten erfolgen dürfen.

88. Der Bedarf einer zum Angriff eingesetzten Division an Staffeln und Autokolonnen ist

wesentlich abhängig von den Wegeverhältnissen, dem Zustand der Pferde und dem Ziel des

Angriffs. Nach Bedarf sind Brückentrains zuzuweisen. (Vgl. Punkt 17.)

Die Ausstattung mit Arbeitskräften und Etappentruppen muß reichlich bemessen werden,

da die kämpfende Truppe von allen Abkommandierungen befreit werden muß.

89. Bei tiefen Angriffen ist möglichst jeder Division vorderer Linie eine durchgehende

Straßen strecke bis tief in den Feind zuzuweisen, auf der sie die Verantwortung für

geordneten Verkehr trägt. Das reibungslose Nachziehen ihrer Artillerie und der Kolonnen

kann nicht eingehend genug vorbereitet sein.

Die gesamte Nachschubsdirigierung auf einer Nachschubslinie muß in eine Hand gelegt

werden.

Oft ist das Erkunden und Abstecken von Kolonnenwegen notwendig.

Eine Ueberlastung der Straßen besonders an Engen, Brücken usw., führt zur Stockung

des Verkehrs und damit leicht zum Versagen des Nachschubs. Es ist daher strenge dar auf zu

achten, daß nichts nur Unentbehrliches vorgeführt werde.

Gute An- und Abmarschwege zu den Brücken sind von besonderer Bedeutung.

Die sorgfältige Einrichtung der Hauptnachschubslinien für Unterkunft, Verpflegung und

ärztliche Behandlung der durchziehenden Formationen ist notwendig und einheitlich zu

regeln.

Page 21: Der Angriff

90. Zum Anschluß des eigenen Straßen- und Bahnnetzes an das feindliche sind

rechtzeitig die notwendigen Baukräfte und Baumaterialien möglichst weit vorne

bereitzustellen. Zur Inbetriebnahme der Bahnen muß für die erforderlichen Betriebskräfte

und Betriebsmaterialien vorgesorgt werden; Schienenautos und zerlegbare Loris müssen zur

Ueberbrückung von Bahnunterbrechungen verfügbar sein. Wo notwendig, sind Feld-, Roll-

und Seilbahnen für einen weiteren Einbau bereit zu legen. Zur Sicherung der Bahnen müssen

die erforderlichen Eisenbahnsicherungstruppen bereit gehalten werden.

Material für Straßen- und Brückenbau ist, gegen Fliegersicht gedeckt, frühzeitig, weit

vorne niederzulegen.

91. Vor, während und nach einem großen Angriff sind durchgreifende polizeiliche

Anordnungen der Korpskommandos und Divisionen zur Regelung des Verkehrs hinter der

Front und zur Ueberwachung Versprengter notwendig. Für beide Zwecke ist eine erhebliche

Verstärkung der Gendarmerie, die mit besonderen, allgemein bekannt gegebenen Abzeichen

zu versehen ist, notwendig.

Die Straßen sind der Aufsicht energischer Etappenlinienkommandanten zu unterstellen,

die für das Aufrechterhalten des Verkehrs und scharfer Straßendisziplin (namentlich an

Engen, Brücken, Straßenkreuzungen, in Ortschaften) ausreichenden. Unterpersonals

bedürfen. Berittene Offiziere, sowie Radfahrer-Formationen sind hierfür besonders geeignet.

Die Etappenlinienkommandanten erhalten fallweise oder täglich die Anweisung für die

Regelung des Verkehrs von jenem Kommando, dem sie unterstehen. (Marchtableau, vgl.

Punkt 149.) Sie bestimmen auf Grund der Weisungen, welcher Kolonne der Vorrang beim

Marsche zukommt und sehen unerbittlich darauf, daß die Straße nur in einer Kolonne

benützt wird. Sie verhindern auch das Halten von Kolonnen auf der Straße und bringen diese

zum Halten abseits der Straße. Ihre Tätigkeit umfaßt die ganze Straßenpolizei. Vielfach wird

rücksichtsloses Eingreifen in die Anordnungen mangelhaft unterrichteter

Kolonnenkommandanten notwendig sein.

Gelegentlich sind auch besondere Truppenabteilungen zum Räumen verstopfter Wege

erforderlich,

Nach Einbruch der Dunkelheit muß die Aufsicht am schärfsten sein.

Auch die Kolonnenkommandanten, die mit einer genügenden Anzahl von Reitern zur

Verbindung nach vorn auszustatten sind, haben dafür zu sorgen, daß nirgends, auch nur

vorübergehend, Stockungen eintreten. Haltende Kolonnen müssen die Straßen frei machen

und Straßenengen räumen.

Die festen Straßen sind in erster Linie den Fahrzeugen zuzuweisen.

92. Zur Ueberwachung einzelner von vorn zurückkommender Mannschaften empfiehlt

sich die Einrichtung bewachter S p e r r 1 i n i e n (zunächst am besten entlang vorhandener

Hindernislinien), die mit fortschreitendem Vormarsch vorverlegt werden. Die in den

genommenen feindlichen Stellungen befindlichen Unterstände, Keller, Gehöfte, usw. sind

wiederholt nach Versprengten zu durchsuchen. Einrichten von Versprengten -Sammelstellen

Und Auskunftsstellen ist erforderlich. (Funkt 47.)

93. Die Ausstattung mit Verpflegung von Mann und Pferd ist von Fall zu Fall zu regeln.

Große erbeutete Verpflegsvorräte sind sofort unter Bewachung zu stellen und der

Allgemeinheit durch ordnungsmäßige Fassungen nutzbar zu machen.

Die Truppe selbst hat mit „Beutemachen" nichts zu tun.

94. Die Evakuierung der eingesetzten mobilen und stabilen Sanitätsanstalten,

Erweiterung ihrer Belagsfähigkeit, Heranziehen von verfügbaren Sanitätsformationen,

Sanitätsmaterial und Sanitätspersonal, dann von Sanitätsautokolonnen ist je nach Umfang

des Angriffes einzuleiten. Alle Kommandos sind anzuweisen, daß alle leer zurückfahrenden

Trains (Feldbahnzüge usw.) in erster Linie Verwundete mitzunehmen haben.

Page 22: Der Angriff

95. Vom Gefangenentransport und vom Aufräumen des S c h 1 a c h t f e 1 d e s ist die

Truppe zu entlasten. Für ersteren sind verfügbare Schwadronen oder Etappentruppen, für

letzteres Etappentruppen rechtzeitig den Divisionen zuzuweisen. Meist werden Teile der

Gefangenen gleich bei dringenden Arbeiten eingeteilt werden müssen. (Arbeiten an

Kommunikationen auf Umschlagplätzen)

C) Ergänzende Bestimmungen für den Angriff aus der Dauerstellung

heraus.

96. Sowohl beim Angriff mit begrenztem Ziel als beim Durchbruch liegt die

Hauptgewähr des Gelingens und die Haupttätigkeit der Führung in der richtigen und

gründlichen Vorbereitung. Diese umfaßt:

a) Zurechtlegung des Planes.

b) Ergänzung des Verbindungsnetzes, Ausbau aller nötigen Kommunikationen,

Unterkunftsbauten.

Genau erwogene Marschtableaux für die Märsche zu und von der Front während der oft

wochenlangen Vorbereitungen.

c) Heranschaffung der Artillerie, der Minenwerfer und der Munition.

d) In Stellungbringen der Artillerie, der Minenwerfer, der Munition.

e) Bereitstellung sonstiger materieller Versorgung (Verpflegung, technisches Material,

sanitäre Vorsorgen).

f) Instellunggehen der Angriffsinfanterie.

Die Vorbereitung obliegt jenem Kommando, das mit der Durchführung des Angriffes

betraut wurde. (Punkt 140.)

Die Vorbereitungen müssen besonders gründlich getroffen werden, die Ausbildung muß

ein genaues Einüben sein. Die Truppe kennt hiefür das Wort: Ballett.

97. Der Kommandant entwirft mit Unterstützung seines Artilleriekommandanten den

Angriffsplan im großen und fordert auf Grund dieses Planes Angriffstruppen, Artillerie,

Minenwerfer, technische und sonstige Formationen an.

Die frühzeitige Feststellung dieses Bedarfes ist besonders bei großen Aktionen wichtig,

weil erst auf Grund dieser Anforderung der geregelte Antransport vorbereitet werden kann.

Bei der Zusammenstellung des Planes ist zu beachten, daß er für. einen Angriff mit

begrenztem Ziel darin auslaufen muß, das Ziel in einem Zuge zu erreichen. Daher muß der

Plan bis zu diesem Momente im Detail durchgearbeitet sein und auch die Maßnahmen für

die Sicherung des Errungenen gegen feindliche Gegenangriffe enthalten.

Bei einem Durchbruch ist das zunächst zu erreichende Ziel derart zu wählen, daß mit der

Erreichung dieses Zieles jeder vorbereitete Widerstand des Feindes ausgeschaltet ist. Dieses

Ziel muß in einem Zuge, Vordringen bei Tag und Nacht, erreicht werden und zwar so rasch,

daß dem Gegner keine Gelegenheit mehr geboten wird, in einer vorbereiteten Stellung

Widerstand zu leisten. Der Plan muß daher bis zu diesem Augenblick genau durchdacht

sein ; aber auch über die weitere Ausnützung des Erfolges muß sich die Führung klar

werden.

Unter diesen Verhältnissen maß die Befehlgebung so erfolgen, daß die Unterführer bei

kleinen Unternehmungen bis zur Erreichung des Endzieles; bei großen Angriffen bis zum

ersten vorläufigen Ziel bis in die Einzelheiten orientiert sind, für die beabsichtigte

Weiterführung der Operationen aber klare Direktiven erhalten, um auch bei Versagen der

Verbindungen im Sinne des Ganzen arbeiten zu können.

Page 23: Der Angriff

98. Auch an ruhigen Kampffronten muß jede Gelegenheit benützt werden, um Angriff

und Bewegungskrieg zu üben.. Bei dem Einerlei des Stellungskrieges bringen diese

Uebungen eine erwünschte Abwechslung und wirken erziehend auf Führung und Truppe.

Vor Angriffshandlungen ist die theoretische und praktische Schulung der der

betreffenden Truppe zufallenden Aufgabe nachdrücklich zu betreiben.

Diese Schulung kann in Ruhe nur hinter der Front in exerziermäßiger, systematischer

Ausbildung bei guter Unterkunft und Verpflegung erfolgen.

Die Infanterie muß in der Vorbereitungszeit durch Artillerie- und

Minenwerferkommandanten unterrichtet werden, wie die Feuervorbereitung in den einzelnen

Zeiten gedacht ist. Vorträge hierüber fördern das Zusammenwirken der Waffen, flößen der

Infanterie Vertrauen ein, geben ihr Unterlagen für ihre Beobachtungen und Meldungen

während der Feuervorbereitung und bewahren vor falschen Erwartungen.

Dem Angriff muß also auch für die Truppe eine ausreichende Vorbereitungszeit

vorangehen.

99. Die Ueberraschung des Gegners muß beim Angriff im Stellungskriege besonders

angestrebt werden.

Zu den im Punkte 15 angeführten Maßnahmen treten noch folgende hinzu :

Geheimhaltung der Angriffsabsicht auch gegenüber der eigenen Truppe. Die

Angriffsabsicht darf nur jenen Stellen im nötigen Umfang zur Kenntnis kommen, die

unbedingt davon wissen müssen. Es kann zweckmäßig sein, die Vorbereitungen als

Maßnahme gegen einen bevorstehenden feindlichen Angriff zu bezeichnen. Die

Geheimhaltung gegenüber der eigenen Truppe darf aber nicht dazu führen, daß diese

ungenügend oder zu spät über ihre Aufgabe unterrichtet wird.

Für alle Vorbereitungen zum Angriff sind unauffällige Decknamen zu benützen. Schlecht

gewählte Decknamen sind wertlos.

Frühzeitig, jedenfalls mit Beginn der Vorarbeiten muß jeder Telephonverkehr vom

Regimentskommando nach vorwärts radikal gesperrt werden. Ueberwachung dieser Sperre

durch Spetelfstationen ist notwendig. Nur dringende taktische Meldungen dürfen zugelassen

sein.

Besonders der Radioverkehr muß geregelt werden, um nicht durch das Auftreten neuer

Radiostationen die Anwesenheit von Verstärkungstruppen zu verraten. (Vgl. Punkt 79.)

Verbergen aller Vorbereitungen vor feindlicher Luft- und Erdbeobachtung.

Bei Angriffsvorbereitungen, die sich über mehrere Wochen hinziehen, wird es notwendig

sein, alle mit den diesbezüglichen Arbeiten betrauten Offiziere zur Geheimhaltung besonders

zu verpflichten, auf den Angriff bezüglichen Schriftverkehr nur in die Hände von Offizieren

zu legen, Telephongespräche auch auf dem Leitungsnetz der Führung und

Hugheskorrespondenzen in offener Schrift zu verbieten, die zur Mitarbeit herangezogenen

Verwaltungsbehörden zu überwachen und den Briefverkehr durch Stichproben zu prüfen.

Auch der Autoverkehr der zahlreichen erkundenden Stäbe bedarf der Regelung.

Neuanlagen dürfen erst nach ausreichender Deckung gegen Sicht von der Erde und aus

der Luft begonnen werden; das gilt besonders vom Baracken- und Zeltebau sowie von der

Vergrößerung oder Neuanlage von Depots, Parkplätzen, Flughäfen. Neu eingetroffene

Fahrzeugkolonnen sind unter Deckung und nicht etwa regelmäßig und offen aufmarschiert

aufzustellen.

Alle Truppenbewegungen werden zu unsichtigen Tageszeiten oder bei Dunkelheit ohne

Benutzung von Lichtern ausgeführt; bei Nacht aufsteigende Fesselballone haben diese

Maßnahme zu überwachen.

Dem Aufmarsch der Artillerie und der Minenwerfer geht die Munitionsbereitstellung in

den Stellungen voraus; hinter den letzten Fahrzeugen wird es sich empfehlen, durch Eggen

usw. die Wegespuren zu verwischen.

Page 24: Der Angriff

Die Bereitstellung der Infanterie hat meist erst in der letzten Nacht vor dem Angriff zu

erfolgen.

Mit Bekanntwerden der Angriffsabsicht bei der eigenen Truppe sind Patrouillenvorstöße

zu unterlassen, die Sicherungsmaßnahmen zu verschärfen, die Kommandanten der

Feldwachen nur durch Offiziere zu besetzen.

Der Angriff mit begrenztem Ziel.

100. Angriffe mit begrenztem Ziel können zur Verbesserung der Stellung, zur

Besitznahme von Beobachtungspunkten für die Artillerie, zur Entlastung von

Hauptkampffronten, zur Ablenkung und Täuschung des Feindes oder zum Einbringen von

Nachrichten unternommen werden. Falls beabsichtigt ist, das Angriffsziel dauernd zu halten,

muß es für die Verteidigung günstigere Verhältnisse bieten als die Ausgangsstellung. Häufig

wird jedoch der Angriffszweck auch erreicht, wenn früher oder später nach dem Angriff

wieder in die Ausgangsstellung zurückgegangen wird. Begrenzte Angriffe sind in der Regel

in einem Zuge bis zur Erreichung des Angriffsziels durchzuführen.

In der Regel sollen solche Angriffe dem Wunsch oder dem Bedürfnis der Truppe

entspringen. Der Eindruck, den ein Angriff mit begrenztem Ziel bei der Truppe hinterläßt, ist

der Maßstab für die Bewertung des Erfolges. Dies gilt insbesondere für Unternehmungen an

ruhigeren Fronten. Ist nach solch einem Unternehmen das Kraftgefühl und das

Selbstbewußtsein der Truppe gehoben, dann kann man von einem gelungenen Unternehmen

sprechen.

Ist infolge von unnötigen Verlusten, nicht gehörigem Zusammenspiel zwischen Führung

und Truppe oder zwischen den Waffen Mißmut in die Truppe gekommen, so ist das

Unternehmen vollkommen mißlungen, wenn auch alle gesteckten Ziele erreicht wurden.

Bei Angriffen mit begrenztem Ziel überwiegt also das moralische Element.

101. Schon bei den ersten Erwägungen über den Angriff muß eine vorläufige

Bedarfsberechnung über die erforderlichen Mittel für den Angriff, namentlich an Artillerie,

Minenwerfern, Munition und Transportmitteln erfolgen. (Punkt 14 und 97) Können sie nicht

verfügbar gemacht werden, so ist das Angriffsziel zu beschränken oder auf den Angriff zu

verzichten.

Steht der Umfang des Angriffes fest, so erfolgt dann eine genaue Berechnung des

Bedarfes an Truppen aller Waffen, Munition, Arbeitskräften, Ausrüstung und Material aller

Art seitens des Kommandos, das den Angriff zu führen hat.

Die Höchstzahlen sind nur in Fällen angebracht, in denen eine mit Sicherheit stark

ausgebaute und besetzte Front angegriffen wird.

Die Einstellung übertriebener Sicherheitskoeffizienten ist zu unterlassen.

102. Die erforderlichen Angriffsstärken sind abhängig:

a) von der Entfernung des Angriffsziels,

b) von der Stärke der feindlichen Stellung und ihrer Besetzung,

c) von der Möglichkeit und Art der Bereitstellung der Angriffsinfanterie,

d) von der Ausrüstung (z. B. mit MG., Flammenwerfern, Minenwerfern) der eigenen

Infanterie.

Zu a) Je näher das Angriffsziel liegt, desto schwächer kann im allgemeinen die

angreifende Infanterie sein. Beim Durchbruch ist tiefe Gliederung nötig.

Zu b) Die stürmende Infanterie muß, besonders bei tiefen Angriffen, von Anfang an

genügende Kampfkraft besitzen, um unvorhergesehenen feindlichen Widerstand und im

Vorschreiten des Angriffs sich mehr und mehr verstärkende Gegenwirkung brechen zu

können.

Page 25: Der Angriff

Zu c) Die Möglichkeit und Art der Bereitstellung der Angriffsinfanterie und die Auswahl

der Angriffswege sind entscheidend für Anlage und Verlauf des Angriffs. Die

Bereitstellungsplätze sind so zu wählen, daß die bereitgestellten Truppen nach Möglichkeit

dem Artilleriefeuer entzogen sind und daß sich günstige Anmarschwege und

Angriffsrichtungen ergeben.

103. Die größte Bedeutung kommt der zutreffenden Berechnung des Kräfte- und

Munitionsbedarfes der Artillerie und der Min en werf er zu.

Der Bedarf an Geschützen richtet sich nach den von der Artillerie zu lösenden Aufgaben.

(Punkt 125.)

Diese Aufgaben und die zur Verfügung stehende Zeit ergeben die Grundlagen für die

Bestimmung der artilleristischen Mittel.

Für den Munitionsbedarf zur Zerstörung einer Stellung können unter Berücksichtigung

der Feuerschnelligkeit der Geschütze, der Feuerpausen und der Wahrung einer

Beobachtungsmöglichkeit nachstehende Erfahrungssätze als Anhalt dienen:

In etwa 3 Stunden kann sturmreifmachen :

1 Feldhaubitzbatterie eine Grabenlinie von 100 m mit 800 Schuß.

1 15 cm Haubitzbatterie eine Grabenlinie von 150m mit 500 Schuß,

1 30 cm Mörserbatterie eine Grabenlinie von 200 m mit 100 Schuß.

Die für die Zerstörung und Verschüttung erforderliche Munition ist hiebei eingerechnet,

desgleichen jene zur Zerstörung solcher Hindernisse, die nicht weiter als 30 m von den

Gräben entfernt sind.

Zur Zerstörung einer Batterie mit Brisanzfeuer sind etwa 300 15 cm Haubitz- oder 100

Mörserschuß erforderlich.

Für das Niederhalten von Artillerie, für Begleiten des Infanterieangriffes, Abriegeln des

Angriffsraumes und für das Störungsfeuer lassen sich allgemein gültige Zahlen auch als

Anhalt nicht geben. Jedenfalls ist für diese Zwecke reichliche Munition einzusetzen.

Bedarfsberechnung an Gasmunition siehe Teil 14.

Beim Minenwerfer sind für jeden, laufenden Meter der feindlichen Stellung 1 schwere

oder 2 mittlere Minen zu rechnen. Aus der zum Schießen zur Verfügung stehenden Zeit

ergibt sich dann die Zahl der erforderlichen Werfer.

An den Angriffsstellen pflegt nach erfolgtem Angriff eine Zeitlang erhöhte

Kampftätigkeit einzusetzen. Dies muß bei der Berechnung des Bedarfs an Truppen,

Munition und sonstigem Material berücksichtigt werden.

104. Je größer der Angriff, um so früher muß mit den Vorbereitungen begonnen werden.

Alle Vorbereitungen müssen in einer Hand vereinigt sein.

Die Reihenfolge wird in erster Linie von der materiellen Lage abhängen.

Nachstehend aufgeführte Reihenfolge dient als Anhalt, wenn es sich um

Unternehmungen handelt, bei denen Truppen antransportiert werden müssen :

a) Verstärkung der vorhandenen Stäbe,

b) Heranführen von Stäben und Vorkommandos der neu zugewiesenen Angriffstruppen.

c) Ausarbeiten des gesamten Operations- und Versorgungsplanes, Beginn des

Nachschubes (technische Truppen und Baukräfte, Bau- und Feldbahnmaterial aller

Art, Verbindungsmittel, Staffel und Autokolonnen für die Einrichtung des Angriffsraumes).

d) Beginn des materiellen Zuschubes zunächst bei voller Ausnützung aller

Nachschublinien.

e) Eintreffen der neu zugewiesenen Artillerie und Minenwerfer.

f) Eintreffen der neu zugewiesenen Infanterie.

An Einze1heiten sind beim Ausarbeiten des Operationsplanes zu beachten :

a) Regelung der Befehlsgliederung.

Page 26: Der Angriff

b) Gliederung der Artillerie und Minenwerfer, Wahl und Ausbau der Befehls- und

Beobachtungsstellen, der Batterie-und Minenwerferstellungen, Munitionsausstattung.

c) Ergänzung der Verbindungsmittel.

d) Gliederung der Infanterie, Festsetzung der Gefechtsstreifen, Befehlsstellen,

Vormarschwege, Bereitstellungsplätze, Angriffsziele im einzelnen.

e) Bereitstellung von technischem und sonstigem Material in vielen kleinen, weit

vorgeschobenen Depots sowie auf Fahrzeugen; Zuteilung von technischen Truppen zur

Unterstützung der anderen Waffen bei Ueberwindung von Hindernissen und beim Ausbau

der gekommenen Stellung.

f) Verstärken der Luftstreitkräfte (Flieger, Ballone, LFA- Formationen).

g) Herstellung und Ausgabe der Karten,

h) Ausbau der Nachschubslinien, Straßen, Bahnen, Depots usw.

i) Unterbringung, Verpflegung, Wasserversorgung; letztere namentlich unmittelbar nach

dem Angriff.

k) Bereitstellen ausreichender Artilleriematerial Reserven (Geschütze aller Kaliber,

Lafetten, Ersatzteile), vermehrte Einrichtung von Artilleriewerkstätten mit vorgeschobenen

Zweigstellen für Einstellung von Ersatzteilen und Ausführung kleiner Reparaturen.

1) Sanitätsmaßnahmen

m) Bereitstellung von Divisions- und Armeesammelkompagnien.

Die Wichtigkeit aller mit dem Nachschub in Zusammenhang stehenden Vorbereitungen

darf nicht unterschätzt werden.

105. Auf Grund der Pläne der Führung berechnen die Telegraphenoffiziere bei

Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Zeit den Bedarf an Personal und Material

für

a). den Ausbau des Netzes im Aufmarschraume,

b) den Ausbau der Netze zur Bereitstellung im Angriffsraume,

c) die Durchführung, des Angriffes,

d) Operationen nach dem Angriff.

Hiebei muß bedacht werden, daß man sich bei den Operationen nach dem Angriff mit

bescheideneren Materialmengen begnügen kann und muß als im Stellungskriege.

106. Die neu benötigten Verbindungseinrichtungen sind sobald als möglich in Angriff zu

nehmen und sorgfältig durchzuführen. Diese Arbeiten bilden einen wesentlichen Teil der

Angriffsvorbereitungen.

107. Der Ausbau des Verbindungsnetzes Aufmarschraume muß noch vor Eintreffen der

für den Angriff bestimmten Truppen beendet sein.

Zum Ausbau des Netzes im Versammlungsraum sind besondere Telegraphenformationen

einzusetzen. Die für den Angriff bestimmten Formationen sind hiezu möglichst wenig

heranzuziehen, damit sie ausgeruht und rechtzeitig in den Kampf treten können.

Die Leitung des Ausbaues des Netzes im Versammlungsräume obliegt dem

Telegraphenoffizier jenes höheren Kommandos, das den Aufmarsch zu regeln hat.

Die Telegraphenoffiziere der aufmarschierenden Verbände müssen mit dem

Quartierregulierenden im Aufmarschraume eintreffen, um dort die nötigen Ergänzungen an

den Verbindungen einzuleiten. Jedes eintreffende Kommando muß eine Skizze jener

Verbindungseinrichtungen erhalten, welche für dieses von Interesse sein können.

108. Der Ausbau des Verbindungsnetzes im Angriffsraume obliegt den

Stellungsdivisionen nach dem Weisungen des den Angriff leitenden Kommandos.

Noch vor Bereitstellung der Truppen zum Angriff muß auf Grund der beabsichtigten

Angriffsgruppierung jenes Verbindungsnetz geschaffen sein, welches für die Durchführung

des Angriffes notwendig ist.

Page 27: Der Angriff

Die bestehenden Netze sind planmäßig zu verdichten; weit vorne gelegene,

leistungsfähige Meldesammelstellen müssen eingerichtet werden, an die sich die neuen

Verbindungen bei Fortsetzung des Angriffes anschließen.

Das für den Angriff erforderliche Material ist in weit vorne gelegenen Depots nahe den

voraussichtlichen Verwendungsorten dezentralisiert niederzulegen.

Für den Nachschub von Verbindungsmitteln sind besondere Transportmittel

bereitzuhalten. Die Bereitstellung von leichten. Handwagen zum Transport des Materials

durch das Trichterfeld wird zweckmäßig sein.

109. Die Hauptschwierigkeit bereitet die Ueberbrückung des feindlichen

Stellungssystems mit Verbindungsmitteln.

Klarstellung des gegnerischen Verbindungsnetzes teils zwecks Zerstörung vor dem

Angriff, teils zwecks späterer Ausnützung, eingehendes Studium des Geländes und der Karte

bezüglich Einbaumöglichkeiten der Verbindungsmittel nach gelungenem Angriff sind

erforderlich.

Bei Ausnützung feindlicher Leitungen müssen zum Schutze gegen Abhören besondere

Maßnahmen getroffen werden.

110. In der Zeit nach dem Vorbrechen aus den eigenen Stellungen bis einige Zeit nach

Erreichen des ersten Angriffszieles werden die Formationen für das Verbindungswesen vor

besonders schwierige Aufgaben gestellt. Das auf die vorbrechenden und in die feindlichen

Linien eingedrungenen eigenen Truppen gerichtete feindliche Feuer, die Unachtsamkeit der

Truppen beim Vordringen unterbrechen oft die Verbindungen.

Für diesen Zeitabschnitt des Kampfes mit allen Mitteln vorzuarbeiten und dafür zu

sorgen, daß die Verbindungen auch in dieser kritischen Zeit richtig funktionieren, ist die

Pflicht aller Telegraphenoffiziere.

111. Die Führung des Angriffs übernimmt je nach der Zahl der beteiligten Trappen ein

Korpskommando oder eine Division.

Selbst bei beschränkten Angriffszielen und geringer Stärke der beteiligten Infanterie

empfiehlt sich Führung durch die Division, da sie' allem über die erforderlichen Kräfte und

Mittel zur einheitlichen Gesamtleitung der Kampfhandlung, insbesondere zum

Zusammenfassen und Leiten des Artilleriefeuers und zur Regelung des Zusammenwirkens

der Waffen verfügt.

112. Der Führer des Angriffs prüft die an der Angriffsfront bereits vorhandenen

Ergebnisse der Aufklärung und gibt Weisungen für ihre Ergänzung durch Lichtbild und

sonstige Fliegererkundungen, Beobachtung des feindlichen Telephonverkehrs, eigene

Erkundungsunternehmungen, Ueberläuferaussagen usw. Er sorgt dafür, daß die Aufklärung

durch die Aenderung in der Befehlsgliederung infolge des Einsatzes neuer

Kommandobehörden yor und während dem Angriff keine Unterbrechung oder Störung

erleidet.

In der Vorbereitungszeit kommt es darauf an. Ablösungen und Verstärkungen beim

Feinde, seine täglichen Gewohnheiten, die Stärke, Art und Verteilung der Infanterie, der

Maschinengewehre, der Artillerie, Minenwerfer und der Reserven, die Stellungen des

Feindes bis in alle Einzelheiten, besetzte und unbesetzte Stellungen, Scheinstellungen,

Vormarschwege, Sammelplätze, Fassungsstellen für Munition, Material und Verpflegung,

Nachschubwege, Förderbahnen usw. und die Geländeverhältnisse vor, in und hinter der

feindlichen Front festzulegen. Im einzelnen unscheinbare Beobachtungen geben in ihrem

Zusammenhang oft wertvolle Aufschlüsse. Diese Feststellungen sind die Grundlage der

Angriffsvorbereitungen.

Durch dauernde Nachprüfung auf etwaige Veränderungen wird sich schließlich ein

ziemlich lückenloses Bild der feindlichen Anlagen, Truppen Verteilung und Tätigkeit

ergeben.

Page 28: Der Angriff

Die richtige Bewertung der einzelnen Anlagen nach ihrer Bedeutung für den Feind und für

den Erfolg des Angriffs ist besonders wichtig. Daraus ergibt sich die Zuweisung der

Angriffsziele und Angriffswege im einzelnen und die Zielverteilung für Artillerie und

Minenwerfer.

Besonderes Gewicht ist auf die Feststellung zu legen, ob der Gegner in dem

Angriffsabschnitt auch die vorderen Teile seiner Stellung halten will oder ob er eine

Vorfeldzone eingeschoben hat. Die Klärung dieser Frage wird vor falschem Krafteinsatz

bewahren.

113. Für den Angriff sind gute und übersichtliche, in bezug auf die feindlichen Stellungen

möglichst vervollständigte Karten und Skizzen auszugeben. Artillerie und Flieger müssen

außer etwaigen Sonderkarten auch die von der Infanterie benutzte Karte in der Hand haben.

Es ist damit zu rechnen, daß einzelne Karten in die Hand des Gegners fallen. Deshalb

sind von der eigenen Stellung nur die vordersten Teile aufzunehmen, Angriffsziele,

Gefechtsstreifen, Feuerzonen und sonstige Linien, die auf die eigenen Absichten schließen

lassen, sind nicht einzudrucken. Handschriftliche Eintragung der für sie wichtigsten Linien

durch die Unterführer ist unbedenklich.

Die Zahl der Karten und Skizzen muß bei allen Waffen zur Ausstattung bis mindestens

einschließlich Zugskommandanten ausreichen.

Vorführungen der feindlichen Stellungen und des Angriffsgeländes im Lichtbild auf

Grund von Fliegeraufnahmen erhöhen das Verständnis der Mannschaften für ihre

Kampfaufgaben.

114. Auf Grund der Angriffsabsicht, der zur Verfügung gestellten Mittel und ihrem

Eintreffen sowie dem bisherigen Aufklärungsergebnis ist vom Führer des Angriffes ein

Angriffsentwurf aufzustellen, der in großen Zügen den geplanten Verlauf des Angriffes

festlegt. Insbesondere bedürfen Tätigkeit der Artillerie und Minenwerfer sowie Regelung des

Verbindungswesens und der ganzen Bewegung auf den Zufahrtstraßen von Anfang an

einheitlicher Bearbeitung.

Deshalb wird es sich empfehlen, den mit der Leitung des Artillerieangriffes betrauten

Artilleriekommandanten, falls es nicht ohnehin der bodenständige Artilleriebrigadier ist, mit

seinem Stabe frühzeitig im Angriffsraum eintreffen zu lassen (Studium des

Angriffsentwurfes, Erkundung der feindlichen Stellungen, des eigenen Aufmarsches).

115. Dem bisherigen Artilleriekommandanten im Angriffsabschnitt wird

zweckmäßigerweise die Leitung der Bekämpfung der ihm bekannten feindlichen Artillerie,

den Kommandanten der neueintreffenden Artillerie jene des Sturmreifmachens der

feindlichen Stellung innerhalb des Angriffsstreifens überfragen. Zum Niederhalten der

Anschlußstellungen und zu Täuschungsversuchen sind besondere Artilleriegruppen zu

bilden.

Die bisherigen Artilleriegruppen und Untergruppenkommandanten bleiben im

Abschnitt eingesetzt.

Im übrigen siehe Punkt 60 — 64.

Vorbereitend müssen Batteriestellungen, Beobachtungsstellen. Gefechtsstandpunkte für

die neueintreffende Artillerie hergerichtet und deutlich bezeichnet werden.

116. Die Munitionsversorgung muß sich dem Ausbau des Feld-, Roll- und Seilbahnnetzes

anpassen; eine Erweiterung des Netzes kann in Betracht kommen.

Die Verhältnisse werden bestimmen, ob die Munition direkt in Zwischendepots

geschoben oder vorerst in Hauptdepots niedergelegt werden soll.

Der Transport bis in die Zwischendepots wird einheitlich durch die Führung geleitet.

Vom Zwischendepot bis in die Feuerstellung muß die Truppe den Transport der Munition

übernehmen.

Page 29: Der Angriff

Die gesamte, für den Angriff benötigte Munition muß bei Beginn des Angriffes in den

Feuerstellungen erliegen: (Vgl. Punkt 72.)

Bei den Minenwerfern sind ähnliche Vorbereitungen zu treffen. Den Minenwerfern muß

aber zum Munitionstransport in die Feuerstellung Infanterieaushilfe gegeben werden.

117. Den technischen Truppen fällt hauptsächlich die Anlage von Wegen zu.

Hindernismaterial muß vorbereitet werden.

118. Während der Angriffsvorbereitungen werden nur Artillerie und Minenwerfer sowie

technische Truppen und Telegraphenformationen vorgezogen.

Dem Gegner soll das Einschieben von neuer Verbänden möglichst lange verborgen

bleiben Die Infanterie bleibt daher so lange als möglich in Unterkünften weit hinter der

Front, um in Ruhe auszubilden Ihre Unterkunft im Angriffs ab schnitt für den Zeitpunkt des

Vorziehens muß vorbereitet werden.

Die Schulung der Truppen im Gelände, an Uebungswerken, durch Vorträge,

Besprechungen, Skizzen usw. ist sorgfältig zu regeln. Eine Nachbildung des

Angriffsgeländes in stark verkleinertem Maßstabe (z. B. 1:500) im rückwärtigen Gelände

mit Darstellung der Geländeformen und Bodenbedeckungen kann vorteilhaft sein. (Punkt 9

und 98.)

Die Ausbildung der Truppen ist zuerst in sorgfältiger Kleinarbeit, dann erst in der

Kompagnie und in größeren Verbänden durchzuführen. Die Aufgabe jeder Abteilung muß

genau festgesetzt und geübt werden. Zu den Uebungen der Infanterie sind die Sturmtrupps,

die Kommandanten der besonderen Kampfmittel, der Artillerie und der Minenwerfer

heranzuziehen.

Die Wege der einzelnen Abteilungen sind in Skizzen darzustellen und bis zu den

Sturmtruppkommandanten auszugeben.

Telephonformationen und die bei Lösung der Aufgabe zweckentsprechendsten sonstigen

Verbindungsmittel sowie Trägertrupps für Munition, Verpflegung, Stellungsbau,

Blessiertenträger usw. sind planmäßig einzuteilen. Auch sie müssen den Uebungen

beigezogen werden.

Der Munitionsnachschub der Infanterie, namentlich an gegürteter MG.-Munition ist

besonders wichtig; auch der Munitionsnachschub für die Minenwerfer bedarf besonderer

Regelung.

119. Bei großen Angriffen wird es angezeigt sein, daß die Divisionen auf Grund des

Angriffsentwurfes des Korpskommandos Befehlsentwürfe für den Infanterieangriff, die

Aufstellung und Tätigkeit der Artillerie usw. nach örtlicher Erkundung einreichen.

Hierauf wird der Angriffsbefehl (Punkt 28) ausgegeben, der für die ganze Front das

Verhalten aller Waffen, insbesondere die Zeiten, einheitlich regelt und dadurch dem

gesamten Angriff einen zeitlich und räumlich fest begrenzten Rahmen gibt. Dies ist

notwendig, da auf der ganzen Front alle Waffen auf die Minute genau zusammenarbeiten

müssen.

120. Sehr wichtig ist die richtige Bestimmung des Zeitpunktes des Angriffs; er hängt im

wesentlichen von artilleristischen Gesichtspunkten ab.

Wenn der Gegner über nennenswerte Kampfartillerie verfügt, macht die feindliche

Gegenwirkung während des eigenen Wirkungsschießens ein Einrücken und ein

ordnungsmäßiges Bereitstellen meist unmöglich. Ebenso ist das Einrücken in die

Sturmstellung bei Tage nur in ausnahmsweise günstigem Gelände und bei völliger

Ausschaltung der feindlichen Erd- und Luftbeobachtung möglich; ob das Wetter die

feindliche Luftbeobachtung verhindern wird, ist aber meist nicht vorherzusehen.

Daraus ergibt sich, daß das Einrücken in die Sturmstellung in der Regel in der Nacht vor

dem Angriff erfolgen wird. Es wird um so glatter und sicherer vor sich gehen, je weniger der

Gegner mit einem Angriff rechnet und je schwächer die Sturmtruppen gehalten werden

Page 30: Der Angriff

können.

Braucht die eigene Artillerie also nicht zu lange Zeit für ihr Wirkungsschießen, so ist es

zweckmäßig, mit dem Wirkungsschießen erst am Morgen nach dem Einrücken der Infanterie

zu beginnen und im Laufe des Tages zu stürmen.

Erfordert das Wirkungsschießen der Artillerie ausnahmsweise mehr als einen Tag Zeit, so

bleiben die eigenen Gräben zunächst ganz schwach besetzt. Es muß dann in der Nacht vor

dem Sturm in die Sturmstellung eingerückt werden. Mehr oder minder starkes feindliches

Feuer muß in Kauf genommen werden.

Es könnte danach zweckmäßig erscheinen, an einem Tage das Wirkungsschießen

auszuführen, in der Nacht mit der Infanterie einzurücken und am frühen Morgen zu stürmen.

Die Erfahrung ergibt aber, daß der während des Tages beschossene Gegner trotz nächtlichen

Störungs- und Gasschießens während der Nacht Reserven und namentlich frische MG. in die

Stellung vorzieht, die Stellung notdürftig wieder herstellt und am frühen Morgen besonders

aufmerksam ist. Deshalb muß in der Regel am Sturmtage selbst dem Sturm ein nach den

Tageseinflüssen neu geregeltes und so kräftiges Wirkungsfeuer vorhergehen, daß auch frisch

eingesetzte Kräfte erschüttert werden.

Bei kleinen Angriffen ist neben der Möglichkeit der Bereitstellung die Art der

Einrichtung in der genommenen Stellung für die Angriffszeit maßgebend. Bei kleinen

Angriffen in den Nachmittagsstunden kann die gewonnene Stellung in der Nacht ausgebaut

werden. Sie dürfen aber nicht zu spät angesetzt werden. Für die kräftige Ausnutzung eines

Anfangserfolges ist es dagegen am günstigsten, wenn der erste Sturm in den frühen

Vormittagsstunden erfolgt.

Ganz allgemein gilt jedoch, daß jede zum Schema gewordene Angriffszeit falsch ist. Mit

den Zeiten muß daher gewechselt werden, um den Gegner dauernd in Erwartung eines

Angriffs zu halten. Dies ist bei nicht zu ungünstigen Verhältnissen durchführbar, da gute

Infanterie, für deren reichliche Versorgung mit Konserven und Getränken gesorgt ist, in der

Sturmstellung selbst bei langem Ausharren während des eigenen Wirkungsschießens und der

feindlichen Gegenwirkung angriffskräftig und freudig bleibt.

Die endgültige Festsetzung der Angriffszeit ist wesentlich abhängig von der Witterung

(z. B. bezüglich Verwendung von Gas, Sichtverhältnisse, Beeinflussung der

Artilleriewirkung, Wegsamkeit bei nassem und trockenem Wetter). Der Wetterdienst ist

daher frühzeitig zu Rate zu ziehen.

121. Bei Angriffen mit weitgestecktem Ziel sind für die Unterführer die neuen

Gefechtsstandpunkte, dann die neuen Meldesammelstellen von Anfang an zu bestimmen und

soweit sie noch innerhalb der eigenen Linien liegen, auch auszubauen. (Punkt 108.)

122. Die Bereitstellung wird je nach den örtlichen Verhältnissen dicht aufgeschlossen

oder mehr nach der Tiefe gegliedert vorgenommen. Im ersteren Fall erfolgt das

Auseinanderziehen erst nach dem Antreten. Unter besonders günstigen Umständen kann die

gesamte Bereitstellung vorwärts der feindlichen Sperrfeuerzone dicht zusammengelegt

werden. (Vgl. Punkt 102 c.)

Die Bereitstellung der Angriffsinfanterie ist die Krisis des Angriffs. Beschränkung auf

das Notwendige, Vermeidung zu weitgehender Massierung, die Deckung beim Heranführen

und Bereitstellen erschwert, die Ueberraschung gefährdet und bei Zwischenfällen leicht zu

unnötigen Verlusten, Verwirrung und Panik führt, ist ganz besonders wichtig.

Wird die gesamte Bereitstellung vorwärts der feindlichen Sperrfeuerzone eingenommen,

so muß während des Vorgehens Tiefengliederung nach vorne gewonnen werden. Die

Infanterie verbraucht sich sonst nutzlos schnell.

Page 31: Der Angriff

Durchführung des Angriffes.

123. Bedingung für das Gelingen des Angriffes ist die Einhaltung des ausgegebenen

Planes. Im letzten Augenblick verfügte Aenderungen dringen nicht durch und stören das

geregelte Zusammenarbeiten.

124. Das Einschließen (vgl. Punkt 65) ist an Kampffronten möglichst unauffällig zu

bewerkstelligen. An sonst ruhigen Fronten kann versucht werden, es auf längere Zeit zu

verteilen und als scheinbares Störungsfeuer auszuführen.

Genaue Regelung und schärfste Einflußnahme seitens des leitenden Artilleriekommandanten

ist dann notwendig.

Stehen die eigenen Batterien dazu zu offen und ist ihre Zahl zu groß, so muß das

Einschießen auf möglichst kurze Zeit zusammengedrängt werden, um zu vermeiden, daß der

Gegner den bevorstehenden Angriff vorzeitig erkennt. Das vorherige Einschießen der

Minenwerfer kann oft fast völlig wegfallen. Sollte der Gegner auch bei diesem

beschleunigten Verfahren den beabsichtigten Angriff erkennen, so ist dies im Vergleich zu

einem mangelhaften Einschießen das kleinere Uebel. Eine Irreführung des Gegners durch

Einschießen mit Radiofliegern an anderer Stelle muß immer versucht werden.

(Vgl. Punkt 15.)

Das genaue Einschießen kann durch Erschießen der besonderen Einflüsse, kartenmäßige

Festlegung der Batteriestellungen und der Ziele, rechnerische Ausschaltung der

Tageseinflüsse, Festlegung der Seitenrichtung durch Geschütze der Stellungsartillerie

wesentlich verkürzt werden. Dies bedeutet eine Vereinfachung der für den Feind auffälligen

artilleristischen Vorbereitungen und erleichtert so die Ueberraschung. Abgeschlossene

Erfahrungen hierüber werden noch mitgeteilt werden.

125. Im einzelnen fallen der Artillerie im Zusammenwirken mit den Minenwerfern bei

Angriffen gegen ausgebaute Stellungen folgende Kampfaufgaben zu:

a) Bekämpfung und Niederhalten der feindlichen Artillerie und Minenwerfer,

b) Niederhalten der feindlichen Grabenbesatzung oder Sturmreifschießen der feindlichen

Stellungen,

c) Beschießung der Reserven und rückwärtigen Verbindungen, der Beobachtungs- und

Befehlsstellen, der Parks, der Ballone, des Verkehrs und Munitions-Nachschubs rückwärts

des Angriffsziels,

d) Unterstützen des Infanterieangriffs durch eine vor ihm hergehende Feuerwalze,

e) Begleiten des Infanterieangriffs durch Infanteriebegleitbatterien zum Brechen örtlichen

Widerstandes im direkten Granatschuß auf nahe Entfernung,

f) Schutz der Infanterie durch einen Feuerriegel nach Erreichen des Angriffsziels,

g) Abwehr feindlicher Gegenangriffe, Fernhalten herankommender Reserven.

126. Zur Einleitung eines Angriffs werden in manchen Fällen Minensprengungen

ausgeführt. Erfolgt die Sprengung im Augenblick des Antretens zum Angriff, so kann sie

dem Gegner erheblichen Schaden zufügen. Sprengungen haben ferner starke moralische

Wirkung und erleichtern das erste Vorbrechen. Sie erfordern aber langwierige Vorarbeiten

und bedeutende Arbeitskräfte; ihre Wirkung reicht nicht weit in die Tiefe. Wenn der Gegner

die Arbeiten erkennt, wird er versuchen, durch Einleitung des Minenkriegs den Erfolg in

Frage zu stellen. (Vgl. Teil II der Abschnitte aus der Gefechtslehre "Minenkampf".)

127. Ausschaltung der feindlichen Artillerie (Punkt 125 a), wenigstens während des

ganzen Sturmes selbst, ist eine der wichtigsten artilleristischen Angriffsvorbereitungen. Je

tiefer der Angriff in die feindlichen Stellungen eindringen soll, um so vollkommener und

nachhaltiger muß diese Aufgabe gelöst werden. Eine auffällige Steigerung des gewöhnlichen

Artilleriekampfes vor dem Angriffstag ist im allgemeinen zu vermeiden. Der

Artilleriekommandant nehme hierauf scharfen Einfluß. Der Feind wird sonst vorzeitig

Page 32: Der Angriff

aufmerksam gemacht.

Sind die feindlichen Batterien nicht sehr stark und ist ihre Aufstellung bekannt, so kann

die Bekämpfung jeder einzelnen feindlichen Batterie am Angriffstag mit Brisanzfeuer

bestimmten eigenen Batterien übertragen werden unter Zurückhaltung von Lauerbatterien

für den Kampf gegen neu auftretende feindliche Batterien.

Dieses Verfahren erfordert sehr zahlreiche Artillerie und gute Beobachtung. Eine völlige

Niederkämpfung der feindlichen Artillerie ist damit nicht erreichbar.

Als Angriffsvorbereitung ist der Einzelbekämpfung der feindlichen Artillerie daher das

Massenverfahren durch Vergasung entschieden vorzuziehen. Hierbei ist auf die Betretbarkeit

des vergasten Geländes Rücksicht zu nehmen, Der Eigenart des verwendeten

Gaskampfstoffes ist Rechnung zu tragen. (Vgl. „Gasschießen der Artillerie", Teil XIV. der

Abschnitte aus der Gefechtslehre.) Unter Umständen wird ein Teil der innerhalb des

Angriffszieles stehenden feindlichen Batterien mit Brisanz-Munition beschossen werden.

Außer den zum Gasschießen erforderlichen Batterien werden zur Bekämpfung besonders

störender und neu auftretender Batterien, deren Vergasung nicht gelungen ist, Lauer-

Batterien (mit Gas- oder mit Brisanz-Munition) bereitgehalten. Ist die Vergasung nachts

oder am frühen Morgen, erfolgt und setzt der Angriff erst längere Zeit darauf ein, so ist es

zweckmäßig, die gefährlichsten Batterien des Gegners kurz vor dem Angriff erneut zu

vergasen.

Es wird nur selten vorkommen, daß Vergasung und Sturmreifschießen zeitlich

zusammenfallen. In diesem Falle den Gasbatterien auch Ziele zum Sturmreifschießen

zuzuteilen, ist wegen der großen Anstrengung der Mannschaften und Geschütze zwar nicht

wünschenswert, wird sich aber nur selten ganz vermeiden lassen.

128. Für kleine Unternehmungen hat sich eine Feuervorbereitung von wenigen Minuten

als zweckmäßig erwiesen.

Die Forderung, daß im Augenblick des Sturmes die feindliche Artillerie lahmgelegt und

die feindlichen Verteidigungsanlagen im wesentlichen zerstört sind, kann nur durch

mehrstündige Feuer Vorbereitung erreicht werden.

129. Sturmreifmachen (Punkt 125 b) erfordert Zerstörung der feindlichen Stellungen

(Gräben und Zwischengelände) in möglichster Tiefe, d. i. Einebnen der Gräben, Zerstörung

leichterer Entdeckungen, bei stärkeren Verschüttung der Eingänge, Außergefechtsetzen von

Flankierungsanlagen, Maschinengewehrnestern, Minenwerfern, Zerstörung von

Hindernissen.

Für das Niederhalten der Grabenbesatzung bzw. Sturmreifschießen gelten folgende

Grundsätze:

a) Das ganze Angriffsziel wird in Zielfelder für jede einzelne Batterie eingeteilt. Die

Zielfelder enthalten alle zu zerstörenden Stellungsanlagen, insbesondere Kampf- und

Annäherungsgräben, Unterstände, Hindernisse, Befehlsstellen, Maschinengewehrstände

usw.

Erfahrungssatz für die Größe der Zielfelder ist, daß im Durchschnitt für je etwa 100 m

feindlichen Kampfgrabens eine Steilfeuer-Batterie angesetzt werden muß. Bei allen Gräben

ist Beschießung nach der Länge besonders wirksam. Ist flankierendes Feuer möglich, so

genügen oft Feldkanonen. Schweres und schwerstes Feuer ist gegen die bestausgebauten

Stellungen (Befehlsstellen, Unterstände, Flankierungsanlagen und Maschinengewehrstände)

und gegen die wichtigsten Einbruchpunkte zusammenzufassen. Hier sind die Zielstreifen

unter Umständen schmäler zu machen.

Bei kurzem Sturmreifschießen (1—2 Stunden und weniger) würde die Zerstörung aller

feindlicher Kampfgräben usw. die Verwendung ungezählter Batterien bedingen. Eine völlige

Zerstörung ist aber auch nicht nötig. Man kann sich damit begnügen, die wichtigsten

Anlagen (Flankierungsanlagen, Schnittpunkte von Verkehrsgräben, Hindernisse an den

Page 33: Der Angriff

Stellen, wo der Angreifer durch will usw.) zu zerstören. Je schwächer die Besetzung ist, je

mehr auf Ueberraschung gerechnet werden kann, desto geringer werden die reinen

Zerstörungsaufgaben sein.

Den Minenwerfern sind im allgemeinen die nächstgelegenen Zielfelder zuzuweisen. Ihre

Zerstörungswirkung ist an sich völlig ausreichend. Das Schießen kann wegen der geringeren

Streuungen meist in kürzerer Zeit durchgeführt werden als durch die Artillerie. Wo jedoch

infolge schwieriger Munitionsversorgung und ungünstiger Deckungsverhältnisse Gefahr

besteht, daß die Minenwerfer vorzeitig ausfallen, kann ausnahmsweise Ueberlagerung der

Minenwerferziele durch Artillerie notwendig werden. (Vgl. auch Teil VII „Minenwerfer".)

b) Die Zertrümmerung der Gräben und sonstigen Verteidigungsanlagen allein genügt zum

Sturmreifmachen nicht, da der Gegner, namentlich im Trichterfeld, die feuerarmen Räume

aufsuchen wird. Auch das Zwischengelände muß unter Wirkungsfeuer liegen.

Das nahe um die Gräben liegende Gelände erhält infolge der Streuung der die Gräben

beschießenden Batterien genügend Feuer. Für das hiervon nicht erfaßte Gelände sind

besondere Batterien anzusetzen. Dazu genügen im allgemeinen Feldkanonen.

Auch das Ausweichen nach vorne muß dem Gegner unterbunden werden. Das hierzu

erforderliche Feuer muß bis dicht an die eigenen Gräben heranreichen und wird deshalb

zweckmäßig Minenwerfern und flankierenden Kanonen-Batterien übertragen.

Die Beschießung des Zwischengeländes wird nicht jeden Widerstand darin vernichten

können. Sie soll dem Feinde nur Verluste bringen, ihn niederhalten und moralisch

erschüttern. Sie soll ihm ferner Beobachtung und Verbindung rauben, so daß er schließlich

durch den Augenblick des Infanterieangriffes überrascht, verwirrt und außer Zusammenhang

mit seinem Führer den Entschluß zum spannkräftigen Widerstand nicht findet.

Es wird also, besonders wenn das Vorbereitungsfeuer nur kurz ist, im wesentlichen

moralische Wirkung angestrebt (Punkt 56.) Der Erfolg hängt davon ab, daß die

Angriffsinfanterie die erreichte moralische Wirkung nicht abflauen läßt. Nur selten wird der

Infanterie der Nahkampf völlig erspart werden; dieser wird leichter sein, wenn die Infanterie

rücksichtslos scharf zufaßt und so schnell nachdrängt, daß sie gleichzeitig mit den letzten

eigenen Schüssen vor dem Verteidiger steht. (Vgl. Punkt 46.)

c) Fast stets müssen auch noch Teile der feindlichen Stellung beschossen werden, die

nicht genommen werden sollen, aber dem Angriffsziel so nahe liegen, daß aus ihnen

feuernde Infanterie und Maschinengewehre den Angriff erschweren können. Zu scharfes

Begrenzen des Feuers würde dem Gegner zudem die genaue Breitenausdehnung des

beabsichtigten Angriffs vorher anzeigen und dadurch die Gegenwirkung und das

Bereitstellen zum Gegenangriff erleichtern. Die Feuervorbereitung muß daher breiter sein als

das wirkliche Angriffsziel. (Betr. Täuschung durch Tätigkeit an weiter entfernt liegenden

Stellen vgl. Punkt 15.)

d) Die Vergasung des Angriffszieles kann den Beschuß mit Brisanz-Munition in

wirkungsvoller Weise ergänzen, soweit die Vergasung die eigenen Truppen nicht beim

Vorgehen gefährdet. Ob es möglich ist, das Sturmreifmachen des ganzen Angriffszieles oder

einzelner Teile ausschließlich auf Vergasung zu gründen, bleibt von der Witterung, und von

örtlichen Verhältnissen abhängig und ist im Einzelfall zu entscheiden.

Auf die Verwendung der Gasminen und der Gaswerfer an der Angriffsstelle selbst oder

zur Ablenkung an anderer Stelle wird ausdrücklich aufmerksam gemacht.

e)Auch das Vernebeln der Anschlußfronten, der Artilleriebeobachtungen oder der

Einbruchsstellen selbst kann in Frage kommen.

f) Die Ziel Verteilung für das Sturmreifschießen erfolgt zunächst nach der beabsichtigten

materiellen Wirkung unter Berücksichtigung der notwendigen Verschleierung.

Aber selbst eine zerstörte Stellung ohne Unterstände und Hindernisse gewährt einem

hartnäckigen Verteidiger Widerstandsmöglichkeit. Völlige Vernichtung der Besatzung ist für

Page 34: Der Angriff

die Artillerie eine meist unlösbare Aufgabe. Von besonderer Bedeutung ist daher die

moralische Wirkung gegen die noch lebende Besatzung. Sie wird als Nebenwirkung des

Zerstörungsschießens erreicht. Die Rücksicht auf die moralische Wirkung kann dazu führen,

gegen bestimmte Punkte — meist gegen die Einbruchspunkte— das Feuer dichter

zusammenzulegen und vor allein schwere Kaliber, einzusetzen, auch wenn die Stärke des

Ausbaus und der Besatzung hierzu keine Veranlassung gibt.

Besonders stark ist die moralische Wirkung der Minenwerfer.

Ueber Durchführung des Sturmreifschießens siehe Punkt 61 — 70.

130. Die Beschießung der Gefechts Standpunkte, Melde-und Beobachtungsstellen,

Telephonzentralen, rückwärtigen Bahnanlagen und Verbindungen, Bereitstellungsräume,

Munitionsdepots und Fesselballone (Punkt 125 c) muß sorgfältig vorbereitet sein. Die

Erkundung des rückwärtigen feindlichen Geländes ist für die Zielverteilung

ausschlaggebend. Durch ständige Lichtbildüberwachung wird die Organisation der

feindlichen Verteidigung (Beobachtungs- und Befehlsstellen, Verbindungen,

Aufstellungsplätze und Vormarschwege der Reserven) in erster Linie erkannt werden. Sie ist

im Augenblicke des eigenen Angriffes so zu stören und zu zerschlagen, daß dem Feinde eine

wirkliche Führung der Verteidigung unmöglich ist. Dieses Feuer darf nicht starr sein, sonst

findet der Gegner noch während des Kampfes die feuerarmen Räume und Zeiten heraus.

Ueberwachungsbatterien zur Bekämpfung von Augenblickszielen sind bereitzuhalten.

Gasmunition ist besonders wirksam. (Vgl. Punkt 69.)

131. Zu der im Angriffsbefehl bestimmten Stunde bricht die Infanterie zum Sturme vor.

(Vgl. Punkt 46 und 129 b.) War die Bereitstellung so weit vom Gegner entfernt, daß nicht

mit einem Satz in die feindliche Stellung eingebrochen werden kann, so hat die

Vorbewegung der Infanterie entsprechend früher zu beginnen.

Das erste Antreten muß überraschend und in der Regel in breiter Front einheitlich nach

ganz genau geregelter Zeit erfolgen. Die voraussichtliche feindliche Sperrfeuerzone wird in

schnellstem Laufe überwunden. Mit Sicherheit kann erreicht werden, daß wenigstens die

ersten Wellen etwaiges feindliches Sperrfeuer unterlaufen. Man wird deshalb oft die erste

Welle verhältnismäßig dichtmachen und sie die auch beim Angriff unerläßliche Gliederung

nach der Tiefe erst beim Vorgehen gewinnen lassen. (Vgl. Punkt 102 c und 122.)

Später aus größerer Tiefe antretende Wellen und Reserven kommen oft schwerer durch

das inzwischen auflebende feindliche Sperrfeuer. Sie haben sich zu bestreben, Lücken,

feuerarme Räume und Augenblicke schwächeren Feuers auszunutzen. Eine an griffsfreudige

Truppe läßt sich durch Sperrfeuer nicht längere Zeit aufhalten. Oft glückt das Durchkommen

bei schnellem und entschlossenem Handeln mit überraschend geringen Verlusten.

Die Formen und die Art der Durchführung des Sturmes sind im III. Teil der

Abschnitte aus der Gefechtslehre niedergelegt. (Der Nahkampf.)

132. Gleichzeitig mit dem Einbruch der Infanterie verlegen die auf der ersten feindlichen

Linie liegenden Batterien und Minenwerfer ihr Feuer nach vorwärts. Die

Artilleriebekämpfung, das Zerstörungsfeuer auf die rückwärtigen Linien und in das

Zwischengelände und die Bekämpfung der Kampftätigkeiten des Feindes dürfen auch nach

gelungenem ersten Sturm keinen Augenblick nach1assen. Die Infanterie braucht jetzt den

größten Schutz.

Das Feuer der Batterien geht der angreifenden Infanterie als unmittelbarer Feuerschutz

voran, sich dem Tempo des Vorwärtskommens der Infanterie anpassend. Es soll die noch

vorhandenen Verteidiger in ihren Unterständen, Gräben, Trichtern usw. festhalten und die

Verteidigungsmaßnahmen des Zwischengeländes nicht zur Wirkung kommen lassen.

Sprechen sich feindliche Gegenstöße aus, so soll es als Sperr- und Vernichtungsfeuer den

Feuerschutz der Infanterie bilden.

Page 35: Der Angriff

Inwieweit Batterien, besonders Feldkanonen, die vor dem Sturm für andere Aufgaben

eingesetzt waren, hiefür herangezogen werden, ist von Fall zu Fall zu entscheiden. Jedenfalls

ist die bewegliche Feuerwand, die Feuerwalze, mit möglichst zahlreichen Batterien zu

bilden.

Mörser und schwere Feldhaubitzen sind für die Feuerwalze weniger geeignet, weil ihre

Sprengstücke zu weit nach rückwärts fliegen. Einer Feuerwalze von Mörsern und schweren

Feldhaubitzen kann die Infanterie nicht ganz dicht folgen. An Feldkanonen- und

Feldhaubitzfeuer kann und muß die Infanterie näher heran bleiben.

Damit die Infanterie beim Antreten bis fast in das Artilleriefeuer hineinlaufen kann,

empfiehlt es sich, zur Verminderung der Splittergefahr die letzten Schüsse des

Vorbereitungsfeuers mit Verzögerung zu schießen (soweit m. V. vorhanden ist) oder als

Abschluß einige blinde Minen abzufeuern. Die Truppe ist in dem Vorgehen hinter der

Feuerwalze auszubilden.

133. Auch wenn man auf 50 m Breite oder weniger je 1 Batterie rechnet und die

schießenden Batterien weit vorschiebt, wird die Feuerwalze infolge der natürlichen

Streuungen, die durch schlechtes Schießen vergrößert werden, und infolge der

Notwendigkeit, das schwere Feuer weiter vorzuverlegen, keine dichte Wand darstellen,

sondern in einer Tiefe von einigen 100 m das Angriffsfeld bedecken.

Die Walze wird auch nicht schematisch gleich dicht sein dürfen. Auf wichtigere Punkte

wird das Feuer seitlich enger zusammengezogen, besonders jenes schwerer Artillerie. Die

Walze wird nach der Tiefe um so ausgedehnter sein, je größer die Schußweiten sind.

Die Feuerwalze wird nur sicher arbeiten, wenn sie durch genaue Befehle vorbereitet ist.

Meist wird dies durch Zuweisung von Gefechtsstreifen an die einzelnen Artilleriegruppen

erfolgen. Sie setzt im Augenblicke des Infanteriesturmes ein, indem sie in mehr oder

weniger großen Sprüngen (200 bis 400 m oder mehr) von den der eigenen Infanterie

nächstgelegenen Zielen je nach dem Vorwärtskommen der Infanterie verlegt wird. Die

Vorverlegung des Feuers der schweren Batterien erfolgt unter Umständen nach besonderem

Plan (größere Sprünge, weiterer Abstand von der eigenen Infanterie, Zusammenfassung auf

wichtige Punkte).

134. Die Walze läuft entweder schematisch ab (geregelt durch den Angriffsbefehl nach

Zeit und Tiefe der Sprünge) oder man versucht, ihr Vorschreiten durch Sichtzeichen in der

Hand zu behalten. Letzteres ist vorzuziehen und daher stets anzustreben. Die Infanterie soll

nicht an die Feuerwalze gebunden werden, sonst erstickt der Angriffsschwung der Infanterie

hinter dem starren Feuervorhang. Die Möglichkeit hierzu hängt von der Beobachtung und

dem schnellen Durchdringen von Zeichen oder Befehlen ab. Oft wird den

Artillerieverbindungsoffizieren und den bei den Sturmtruppen eingeteilten

Artilleriehilfsbeobachtern bei der Regelung der Feuerwalze eine sehr wichtige Rolle

zufallen. Es wird aber selten angängig sein, sich hierauf allein zu verlassen. Der Befehl für

die Feuerwalze wird daher in der Regel so gegeben werden müssen, daß das schematische

Ablaufen der Walze gewährleistet ist, wenn Sicht und Verbindung unterbrochen sind; dabei

müssen alle Vorsorgen getroffen sein, dem Vorgehen der Infanterie sich anzupassen, wenn

Sicht und Verbindung vorhanden sind.

Bei schematisehem Ablaufen wird man der Walze eine Geschwindigkeit anfänglich und

in freiem Gelände von etwa 1 Minute, später und in schwierigem Gelände bis zu 4 Minuten

für je 100 m geben. Maßgebend ist der Gesichtspunkt, daß das Vorgehen der Infanterie

durch zu langsames Fort schreitender Walze nicht auf gehalten werde n darf, daß aber

andererseits die Infanterie unmittelbar an der Walze heranbleiben muß.

Die Feuerwalze schreitet bis zur Erreichung des Angriffszieles vor (unter Umständen mit

längerem Aufenthalt an bestimmten Linien z. B. an rückwärtigen Stellungen, die durch

erneute Feuervorbereitung sturmreif zu machen sind) und bleibt da als Feuerriegel vor der

Page 36: Der Angriff

Infanterie liegen. (Punkt 125 f.)

Um bei tiefen Angriffen das Vorgehen der Infanterie mit dem Vorschreiten der

Feuerwalze nach größeren Zwischenräumen (1—2 km) wieder in Uebereinstimmung zu

bringen, kann das Festsetzen bestimmter Linien angezeigt sein, an denen die Feuerwalze

zunächst halt macht. Das weitere Vorverlegen des Feuers beginnt dann erst, nachdem die

Infanterie es durch verabredete Zeichen angefordert hat. Das Vorgehen der Infanterie darf

auch durch ein derartiges Verfahren keinesfalls aufgehalten werden.

Erreicht die Infanterie das Angriffsziel nicht, so kann es kommen, daß völlig nutzlos

Munition verschossen wird. Ebenso kann für die Infanterie schnelleres Vorschreiten der

Walze erwünscht werden.

Für solche Fälle sind einige wenige, vorher zu bestimmende Zeichen (z. B. Feuerwalze

halt! und Feuerwalze marsch!) notwendig. Während des Haltens der Walze ist durch

Beobachtung von der Erde und aus der Luft das Feuer so weit als möglich zu regeln.

Die Artillerie muß auch in der Lage sein, bei vorübergehenden Rückschlägen durch

Zurückziehen des Feuers die Infanterie zu schützen.

135. Die schwierigste Aufgabe der Artillerie, ihre Feuerwalze beständig knapp vor der

vorwärts schreitenden Infanterie zu halten, erfordert peinlichste Organisierung des

Verbindungsdienstes, Ausstattung mit allen Verbindungsmitteln und weitgehende Vorsorgen

für den Munitionsnachschub.

Vor einer Ueberschätzung der Feuerwalze muß jedoch gewarnt werden. Das mit

Beobachtung gegen bestimmte Ziele abgegebene Feuer wird der Feuerwalze, die auch bei

geschicktester Handhabung stets bis zu einem gewissen Grade starr und schematisch bleiben

wird, immer überlegen sein. Ihre Wirksamkeit ist davon abhängig, daß es gelingt, die Walze

von der Infanterie abhängig zu machen statt umgekehrt und die eigene Infanterie so zu

erziehen, daß sie selbst auf die Gefahr vereinzelter Kurzschüsse unmittelbar hinter der Walze

bleibt.

136. Das Vordringen der Infanterie erfolgt auf den ihr vorher genau bezeichneten Wegen.

(Punkt 118.)

Den einzelnen Wellen der Schwarmlinie bzw. der Sturmtrupps müssen bei der Bereitstellung

ganz bestimmte Aufgaben zugewiesen werden, so die Wegnahme bestimmter feindlicher

Stellungsteile, MG.-Nester, Unterstände oder Einschwenken zur Umfassung, Flankenschutz,

Grabenreinigung usw.

Besonders sorgfältig ist die Verteilung der MG. auf die Kampftruppe vorzunehmen.

In der Bereitstellung schieben sich Handmaschinengewehrschwärme oder Züge noch vor

Beendigung des Sturmreifschießens als Angriffsnester so weit als möglich vor. Ihre Aufgabe

ist es, innerhalb der ihnen zugewiesenen Abschnitte durch Abkämmen der vordersten

feindlichen Linien das Vorbrechen der eigenen Infanterie zu sichern. Ihr Feuer setzt mit

Beendigung des Sturmreifschießens ein und hört mit Einbruch der ersten Welle in die

feindliche Stellung auf. Die Handmaschinengewehrzüge folgen sodann unmittelbar der

ersten Welle.

n die Wellen sind andere Handmaschinengewehrzüge von Anfang an eingeteilt. Sie

bilden die Hauptfeuerkraft der Wellen, schießen auf nächste Entfernungen, um sogleich bei

Aufenthalten durch Niederhaltung der Widerstandsnester das Vorgehen der Gewehrträger

und Handgranatenwerfer zu decken und deren unaufhaltsames Durchstoßen bis zum

Sturmziel zu ermöglichen oder um feindliche Gegenstöße abzuweisen.

Die normalen Maschinengewehre besorgen das Abkämmen der feindlichen Linien zur

Unterstützung der eigenen Sturmwellen von rückwärtigen oder flankierenden Punkten,

sollen vor allein den Angriff der Handmaschinengewehrzüge vortragen helfen und den

Kampf mit den Schlachtfliegern aufnehmen. Sie folgen dem Angriff tief gestaffelt und sollen

durch ihre, auch im Angriff beizubehaltende Tiefengliederung dauernd ein Rückhalt gegen

Page 37: Der Angriff

feindliche Einbrüche sein. Ihr Ziel in ihrem abschnittsweisen Nachdrängen sind daher stets

jene Punkte im Terrain, die überhöhende oder flankierende Wirkung ermöglichen. (Vgl.

Punkt 43.)

Falls die Minenwerfer und Granatwerfer der Infanterie während des Sturmreifschießens

der Artillerie unterstellt waren (Punkt 44 und 63), so stehen sie mit Beginn des Sturmes

wieder der Infanterie zur Verfügung und sind von ihr in ähnlicher Weise wie die

Maschinengewehre nachzuziehen.

In gleicher Weise sind mittlere Minen werf er der Batterien möglichst beweglich

bereitzustellen und nachzuziehen. Ihr Schuß auf nahe Entfernung ist eine äußerst wirksame

Unterstützung sowohl, wenn der Angriff stecken zu bleiben droht, als auch zur Abwehr von

Gegenstößen.

Bezüglich Begleiten der Infanterie durch einzelne Geschütze und Batterien vgl. Punkt 68.

Flammenwerfer können zum Brechen örtlichen Widerstandes, Räumung von Unterständen

und Höhlen und ähnlichen Aufgaben von hohem Wert sein. Es empfiehlt sich aber nicht, sie

im Augenblick des Antretens zum Angriff an der Angriffsstelle selbst in Tätigkeit treten zu

lassen, weil dadurch dem Gegner das Antreten erkennbar gemacht und sein Sperrfeuer

ausgelöst wird.

Sollen Geländeteile (Stützpunkte, Ortschaften, Waldstücke) nicht frontal angegriffen,

sondern nach in den Nachbarabschnitten gelungenem Durchbruch umfaßt werden, so bleibt

während des Sturmes auf die Nachbarabschnitte das Feuer auf ersteren, namentlich auf ihren

Rändern, liegen und wird nach genau bestimmten Zeiten oder verabredeten Zeichen

rückwärts oder seitwärts herausgezogen. Unter Umständen wird vor dem Herausziehen des

Feuers ein Zusammenfassen auf das Innere des zu stürmenden Geländeteils notwendig sein.

(Vgl. Punkt 47.)

Verhalten der Reserven vgl. Punkt 21—23, 52.

137. Nach Erreichen des Angriffszieles bleibt die Feuerwalze als Feuerriegel (Punkt 125

f.) davor liegen. Das Nachlassen des Feuers, dann das allmähliche Einstellen des Feuers muß

durch den Feuerbefehl geregelt sein. Das Feuer darf nicht zu früh eingestellt werden und

muß auf verabredete Zeichen jederzeit wieder auszulösen sein. (Punkt 49, 71.)

Die Schwäche der Zeitspanne vom Erreichen des Angriffszieles bis zur Erlangung der

vollen Abwehrbereitschaft muß durch persönliches Eingreifen aller Kommandanten, vom

Zugskommandanten bis zum Truppen kommandanten, überwunden werden. Eine Leitung

durch das Telephon ist jetzt nicht angängig.

138. Während des Angriffs und nach demselben ist mit allen Mitteln danach zu streben,

daß die Aufklärung nicht abreißt und daß die Fühlung mit dem Feinde nicht verloren geht.

Von besonderer Bedeutung ist die Feststellung der vordersten feindlichen Abteilungen,

etwaiger Rückzugsbewegungen, Bereitstellungen zu Gegenangriffen sowie Aufstellung,

Bewegung, Verschiebung oder Ansammlung feindlicher Reserven und feindlicher Artillerie.

139. Aufgaben der technischen Truppen beim Angriff sind das Sprengen der eigenen und

Aufräumen der feindlichen Hindernisse, das Sprengen von verteidigten Unterständen,

Betonbauten, Höhlen und Kellern, soweit nicht der Widerstand durch Flammenwerfer

gebrochen werden und dadurch die Anlagen der eigenen Truppe erhalten bleiben können,

ferner die Herstellung von Schnellbrücken und sonstigen Uebergängen. Für diese und

ähnliche Aufgaben sind technische Trupps einzuteilen und, mit den nötigen Werkzeugen

versehen, teils den Sturmtruppen mitzugeben, teils weiter rückwärts einzusetzen.

Wo bei tiefen Angriffen ein Vorziehen von Artillerie stattfindet (vgl. Punkt 68), ist es von

entscheidender Wichtigkeit für den Verlauf des Kampfes, ihr den Weg in die neuen

Stellungen gangbar zu machen. Hierzu sind innerhalb des eigenen Stellungsgebiets über die

Gräben hinweg und durch die Hindernisse, unauffällige Vorbereitungen zu treffen und

Trupps bereitzustellen. Für das zu nehmende Gebiet sind besondere Einheiten zu bestimmen,

Page 38: Der Angriff

die gleich mit den Sturmtruppen vorgehen.

Den Hauptkräften der technischen Truppen fällt bei Angriffen mit beschränktem Ziel die

Unterstützung der anderen Waffen beim Ausbau der genommenen Stellung, insbesondere

die Sorge für Materialzuführung und rückwärtige Verbindungen zu. Erforderlichenfalls sind

ihnen hierzu weitere Arbeitskräfte zuzuteilen.

Der Durchbruch.

140. Die Angriffsschlacht erstrebt den taktischen Einbruch und schließlich den hieraus

sich entwickelnden operativen Durchbruch. Sie wächst sich in diesem Fall zur

Durchbruchsschlacht aus, die den Uebergang zum Bewegungskrieg zu erzwingen sucht.

Kann die Führung sich dieses große Ziel stecken, so haben sich alle Maßnahmen von Anfang

an in dieser Richtung zu bewegen.

Der Schwerpunkt des Unterschiedes zwischen Durchbruch und dem Angriff mit

begrenztem Ziel liegt in den Vorbereitungen, in der Wahl des Angriffsraumes sowie in den

dem geglückten Durchbruch unmittelbar folgenden Maßnahmen, die dem Uebergang zum

Bewegungskrieg dienen.

Beim großen Durchbruchsangriff müssen sich Kommandanten und Truppe von

Gewohnheiten und Gedankengängen des Stellungskrieges freimachen.

141. Gleichlaufend mit den Vorbereitungen für den Angriff sind die Vorbereitungen zu

treffen, die den Uebergang zum Bewegungskrieg gewährleisten sollen. In beiden Arten von

Vorbereitungen muß volle Uebereinstimmung herrschen. Die von der obersten Führung mit

Leitung und Ueberwachung dieser Vorbereitungen eingesetzten Kommandos und Organe

sind zweckmäßigerweise an einem Orte vereint unterzubringen, damit stete Aussprache und

Fühlung die Einheitlichkeit der Anlage verbürgt.

Auch beim Durchbruch geht allen Vorbereitungen die Berechnung des Bedarfes voraus.

Die Grundlage hierzu bildet die Breite des Angriffes.

In der Breite von wenigen Kilometern angesetzt, kann kein Angriff zum Durchbruch

führen, wenn der Verteidiger am Platze ist. Unter 35 bis 40 km sollte nicht herunter

gegangen werden. Je breiter oder an je mehr Stellen der Durchbruch aber angesetzt werden

kann, desto günstiger für den Erfolg.

In der Berechnung der nötigen Mittel tritt neben dem Bedarf an Artillerie, Minenwerfern

und Munition der Pferdebedarf zur Ergänzung der Truppentrains, der Bedarf an Staffeln und

Autokolonnen in den Vordergrund.

Notwendig ist ferner die Berechnung des voraussichtlichen täglichen Verpflegsbedarfes

der im Angriffsraume zu versammelnden Kräfte und des technischen Materiales, das für die

Einrichtung des Angriffs- und Aufmarschraumes (Bau von Unterkünften, Stallungen,

Depots) erforderlich ist.

Die Dotierung der höheren Kommandos von der Division an mit einer ausreichenden

Zahl technischer Formationen (Sappeur-, Eisenbahn-, Brücken-, Elektro-, Bau- und

Arbeiterkompagnien) sowie Etappentruppen muß nicht nur für die Vorbereitung des

Angriffes, sondern auch für die Operationen nach geglücktem Durchbruch genügen. (Vgl.

Punkt 88, 101—110.)

142. Als Leitlinie für die Reihenfolge der materiellen Vorbereitungen und das erwünschte

Eintreffen der Transporte sind die Bedürfnisse maßgebend, die sich während der

Vorbereitungszeit im Aufmarschraume nach und nach einstellen.

Sofort nach Festlegung des Operations- und Versorgungsplanes muß der materielle

Aufmarsch beginnen; die Bereitstellung der materiellen Formationen und Mittel soll dem

Antransport (der Verschiebung) der Kampfformationen möglichst vorangehen, keinesfalls

darf sie nach den letzteren erfolgen. Zu beginnen ist mit dem Heranführen jener technischen

Page 39: Der Angriff

Formationen und Arbeiterkompagnien, die den Angriffs- und Aufmarschraum einzurichten

haben (Bau von Unterkünften, Verpflegs- und Munitionsdepots, Ausgestaltung der

Ausladestationen, Herrichtung von Straßen und Wegen, Verstärkung von Brücken, Bau von

Roll- und Seilbahnen, Einleitung der Wasserversorgung, Sanitätsanstalten usw).

Gleichlaufend mit diesen Transporten ist das zu den erwähnten Arbeiten erforderliche

technische Material im Aufmarschraum beizustellen und müssen die zur Fortbringung des

Materials notwendigen Transportmittel einlangen; diesen erst soll das Heranführen der

Munitions- und Verpflegsvorräte folgen.

Je unbeweglicher die im Angriffsraum befindlichen Kampfformationen infolge Mangel

an Pferden während des Stellungskrieges sind, umsomehr Transportmittel müssen vor

Verschiebung dieser Kräfte bereitgestellt werden.

Die neu anzutransportierenden Formationen sind in bereits marschfähigem Zustande

heranzubringen.

Für die Reihenfolge der Vorbereitungen kann als Anhalt dienen:

a) Verstärkung aller vorhandenen Kommandos und Verwaltungsbehörden bis

einschließlich Etappe;

b) Ausarbeiten des gesamten Operations- und Versorgungsplanes bei der leitenden Stelle;

c) Heranführen von Stäben der Angriffsverbände (Korps und Divisionskommandos,

Verwaltungs- und Etappenbehörden, Sonderformationen usw.).

Heranführen von Telegraphenformationen, der für den Nachschub notwendigen

Arbeitskräfte und Transportmittel (einschließlich der zum Beweglichmachen der im

Angriffsabschnitt eingesetzten Armeekörper);

d) Ausscheidung des nicht leistungsfähigen Menschen und Pferdematerials bei den in

Betracht kommenden Formationen, Ersatz der ausgeschiedenen Pferde durch die ad c

herangeführten Transportmittel. Hebung der Bewegungsfähigkeit der Truppen durch

Zuweisung von Transportmitteln;

e) Entlastung der Infanterie;

f) Ausstattung der Artillerie mit Munitionswagen für den Bewegungskrieg;

g) allmähliches Verdichten des Aufmarschgerippes durch Heranziehen der niederen

Kommandos und Vorkommandos der Truppen;

Abtransport der Masse der Staffeln, Autokolonnen und sonstiger Trains, der Munition,

technischen Materials, Verpflegung;

h) Aufmarsch der Kampftruppen, voraus die Artillerie und die Minenwerfer;

i) Vorsorgen für die Zurücklassung, Lagerung und Bewachung des bei Antritt der

Bewegung entbehrlichen Materials.

Das Kartenmaterial für die Bewegungen nach dem Durchbruch muß bereits vor dem

Angriff bei den Truppen sein. (Vgl. Punkt 113.)

Alle die Vorsorgen müssen zu Beginn der Angriffsschlacht beendet sein, soll der Angriff

nicht bald stecken bleiben.

143. Die bei Bearbeitung des Operationsplanes zu beachtenden Einzelheiten siehe

Punkt 104.

Die technischen Vorsorgen (Absatz e der Einzelheiten) sind aber viel ausgedehnter und

müssen sich auch auf die Operationen nach dem Durchbruch erstrecken. Sie werden

umfassen:

a) die Ausgestaltung der rückwärtigen Verbindungen (Straßen, Bahnen, Bahnhöfe,

Depots usw.);

b) den raschesten Ausbau durchlaufender Kommunikationen nach gelungenem

Durchbruch, um das durch den Großkampf zerpflügte Gelände und die zerstörten Straßen für

das Vorbringen der Artillerie und der Munition passierbar zu machen;

c) die Einrichtung von Flußläufen und Kanälen für den Nachschub.

Page 40: Der Angriff

Der technische Teil des Operationsentwurfes hätte also zu enthalten:

I. Bereitstellung der personellen Mittel.

a) Verstärkung des technischen Personals bei den höheren Kommandos ;

b) Schaffung einer Personalreserve für durchzuführende Rekognoszierungen, Bildung

von Erhaltungsgruppen für die Nachschubslinien. (Vgl. Punkt 76 und 184.)

c) Bereitstellung technischer Formationen als Verstärkung.

II. Bereitstellung der materiellen Mittel:

a) Brückenbaumaterial;

b) Straßenerhaltungsmaschinen ;

c) Schiffahrtsmittel und Werkstatten für die Inbetriebnahme von Wasserwegen;

d) Drahtseile und Rollen für die Herstellung von Ueberfuhren;

e) Drahtseil- und Rollbahnen ;

f) Baracken- und sonstiges Baumaterial;

g) Spreng-, Zünd- und Leuchtmittel;

h) Werkzeuge aller Art;

i) Befestigungsmaterial; j) Wasserversorgung.

Bei den vorderen Divisionen sind auch technische Rekognoszentengruppen einzuteilen

(Punkt 143), die konkrete Daten über die zu überwindenden Hindernisse, den Zustand

gesprengter Brücken usw. liefern. Die Tätigkeit bestimmter Rekognoszentengruppen hat sich

auf die technische Auswertung des Landes zu erstrecken und folgendes festzustellen:

1.Vorbereitete befestigte Stellungen, deren Widerstandskraft und die Möglichkeit ihrer

Ausnützung für eigene Zwecke;

2. Ueberschwemmungsanlagen; Bewässerungs- und Entwässerungsanlagen. .

3. Straßen, Brücken, Schmalspur-und Seilbahnen, Vollbahnen, Fluß- und Kanalschiffabrt;

4. Unterkünfte (Baracken, Spitäler, Kasernen, Magazine usw.);

5. Wasserversorgung (Wasserleitungen und Brunnen);

6. Beute und sonstige Vorräte;

7. Industrielle und elektrische Kraftanlagen;

8. Holzgebiete und Sägeanlagen;

Die Bereitstellung des Personals für die Militär- und Straßenpolizei (Gendarmerie,

Etappentruppen, Etappenstations-, Etappenlinien- und Bahnhofkommandos, Divisions- und

Armeesammelkompagnien, Organisierung von Versprengtensammel- und Auskunftsstellen)

muß im Operationsplane ebenfalls vorgesehen werden. (Vgl. Punkt 91, 92, 184, 186.)

144. Völlige Ueberraschung ist selten erreichbar, aber auch nicht nötig. Bei einigermaßen

geschickter Verschleierung und Täuschung an anderer Stelle wird es sich meist erreichen

lassen, daß der Gegner mit seinen Abwehrmaßregeln nachhinkt, auch wenn er vom

bevorstehenden Angriff etwas gemerkt hat. In der Regel wird er wenigstens durch den

Zeitpunkt des Infanteriesturmes überrascht werden. Schon dadurch gewinnt der Angreifer

einen wesentlichen Vorteil.

145. Die Führung des Angriffes übernimmt eine Heeres- oder Armeegruppe.

146. Aufklärung vgl. Punkt 112.

147. Angriffsstelle und Angriffsrichtung ist so zu wählen, daß sie größte Rückwirkung

auf die ganze Front erhoffen lassen. Die taktische Umfassung ganzer Stellungsteile ist schon

bei der Anlage der Schlacht anzustreben.

148. Im Angriffsentwurf (Punkt 114) empfiehlt es sich nicht, die Angriffshandlung nach

Zeitabschnitten zu fixieren. Zweckmäßiger erscheint eine nicht zu enge begrenzte

Bestimmung der einzelnen Operationsabschnitte nach dem Terrain. Besonders das erste, in

ununterbrochenem, Tag und Nacht währendem Vordringen zu erreichende Ziel muß weit

gesteckt sein, zumindest den Artillerieraum des Gegners umfassen und seine vorhandene 2.

Kampfzone unhaltbar machen. (Vgl. Punkt 97.) Keinesfalls darf die Festsetzung des

Page 41: Der Angriff

1. Angriffszieles von der Reichweite der Masse der Artillerie abhängig gemacht werden.

Es ist Aufgabe der Führung, Vorsorgen für das Vorziehen der Artillerie zu tref149. Bei der

Durchbruchsschlacht wird immer ein Einschieben neuer Divisionen und neuer höherer

Kommandos erfolgen. Korps und Divisionen müssen Kommandanten und Generalstabschef,

letztere auch den Artilleriebrigadier voraussenden, damit diese sich in die bereits ergangenen

Befehle und Weisungen einarbeiten und persönlich erkunden können.

Die antransportierten neuen Armeekörper sollen sich womöglich bereits in jenem

„beweglichen" Zustand befinden, auf den die Stellungsdivisionen gebracht werden (Ersatz

von Pferden, Munitionswagen der Artillerie, Trainausrüstung, Winterausrüstung,

Gebirgsausrüstung für die im Gebirge zur Verwendung gelangenden Truppen usw.).

Die Reihenfolge und die Zeiten des Heranführens der neuen Armeekörper müssen genau

geregelt sein, desgleichen die Uebernahme des Kommandos durch die neuen Führer.

Artillerie und Minenwerfer dieser Divisionen werden in der Regel sogleich nach ihrem

Eintreffen eingesetzt.

Die Munitionsversorgung muß nach den Gesichtspunkten des Punktes 116 so geleitet

werden, daß bei Beginn des Angriffes außer der für den Angriff erforderlichen Munition, die

in der Batterie erliegt, auch Protzen und Munitionswagen gefüllt sind.

Die wochenlang dauernden, großen Marschbewegungen erfordern peinlichste Regelung.

Jeder Marschstaffel, ob Truppe oder Train, muß auf den Aufmarschstraßen (Wegen) von

jenem Kommando instradiert werden, das die Gesamtvorbereitungen leitet oder von einem

hiezu ausdrücklich befugten Kommando. Die Instradierung muß auch das

Etappenlinienkommando wissen und ihre Einhaltung überwachen. (Ausgabe von

Marschtableaux.)

Empfehlenswert ist die Instratierung aller zur Front gehender Marschstaffel als

Nachtmarsch, aller von der Front gehenden Transporte als Tagmarsch anzubefehlen.

Ausnahmen sind nur für die Autokolonnen, Personenautos und ganz kleine Transporte zu

gestatten.

Es ist angezeigt, zur Vereinfachung für Nächtigungen, Rasten usw. immer dieselben

Bereiche zu wählen und dort verantwortliche Stationskommandanten einzusetzen.

Bezeichnung der Bereiche mit Buchstaben oder Zahlen erleichtert die Zusammenstellung der

Marschtableaux.

150. Die Trains der Truppen müssen beweglich gemacht werden.

Die Artillerie muß Munitionswagen erhalten. Bei Zuweisung von landesüblichen Wagen

genügen 2 Wagen pro Feldkanone, 4 pro Feldhaubitze, 6 pro 15 cm Haubitze.

Dagegen ist alles, was die Truppe im Stellungskriege bei sich hatte und im

Bewegungskriege nicht benötigt, ihr abzunehmen und im Räume der Division zu

deponieren

Es muß genau bestimmt werden, welche Teile des Truppentrains und der mobilen

Anstalten bei Beginn der Bewegung von den Divisionen sogleich nachgezogen werden

dürfen. Eine scharfe Kontrolle dieser Maßregel beim Antritt der Bewegung ist unerläßlich.

151. Die Angriffszeit (Punkt 120) wird zweckmäßigerweise in die Vormittagsstunden

fallen, um noch am gleichen Tage den errungenen Erfolg ausweiten zu können.

152. In der Bereitstellung (Punkt 122) sind die Divisionen 2. und 3. Linie nahe

heranzuhalten (Punkt 12, 22). Die Angriffsabsicht darf aber dem Gegner nicht durch

vorzeitige Massierung an der Angriffsfront verraten werden.

153. Die Artillerievorbereitung und das Eindringen in die feindliche Front wird sich wie

beim Angriff mit begrenztem Ziel vollziehen. (Vgl. Punkt 123—139.)

Vom ersten Einbruch ab wird der Angreifer mit immer neu eintreffenden feindlichen

Kräften und feindlichen Gegenangriffen zu rechnen haben. Hierdurch erhält die

Durchbruchsschlacht ihren besonderen Charakter:

Page 42: Der Angriff

Eindringen in die feindliche Stellung mit weitestem Ziel,

Wegnahme wenigstens der feindlichen Artillerie am ersten Tage,

festes In die Hand-Nehmen des Gewonnenen, Abwehr feindlicher Gegenstöße und

Gegenangriffe,

Vorführen der Masse der Artillerie und frischer Infanterie,

neue eigene Angriffe und feindliche Gegenmaßnahmen usw.

Der Durchbruchkampf ist ein Durchfressen durch die feindlichen Stellungssysteme meist

unter starker offensiver Gegenwirkung des Feindes. Der Angriff muß schnell und tief

vorgetragen werden.

Der erste Einbruch ist verhältnismäßig leicht. Die Schwierigkeit liegt im richtigen Nähren

des Angriffs. Der überraschte Gegner darf nicht zur Besinnung kommen. Seine

Gegenmaßnahmen müssen durch den schnellen Fortgang des Angriffs durchkreuzt werden.

Es gilt schnell zuzufassen, in dem Bewußtsein, daß von rückwärts her für Flanke und

Rücken sowie für Feuerunterstützung gesorgt wird.

Die Gefahr, daß die Angriffskraft erlahmt, ist groß. Durch die Energie der weit vorn

befindlichen Führer und durch Einsatz frischer Kräfte muß der tote Punkt überwunden

werden.

154. Die Artillerie und die Minenwerfer sind für das Brechen der feindlichen

Widerstandskraft auch beim Fortschreiten des Angriffes unentbehrlich. Stockt der Angriff,

so ist in erster Linie nicht frische Infanterie, sondern erneute Feuervorbereitung notwendig.

Bei dem Vordringen des Angriffes über die Reichweite der Masse der eigenen Artillerie

hinaus ist daher das schnelle Vorziehen der Artillerie und die Munitionsversorgung der

vorgezogenen Artillerie für den Erfolg des Angriffes ausschlaggebend.

Je stärker der Widerstand wird, desto mehr braucht man zusammengefaßte

Artilleriewirkung stärkerer, besonders auch schwerer Artillerie. Je mehr feuerkräftige, mit

Munition versorgte Artillerie heran bleibt, desto besser wird der Angriff im Fluß erhalten

werden können. Hingegen ist die Infanterie sparsam einzusetzen. Tiefengliederung muß stets

vorhanden sein oder, wenn sie im Verlauf des Angriffes vorübergehend verloren geht,

immer wieder hergestellt werden, und zwar möglichst durch Vordrücken der vordersten

Teile.

Die Ausgestaltung eines Anfangserfolges zum operativen Durchbruch hat daher zur

Voraussetzung, daß starke Infanterie und zahlreiche leichte und schwere Artillerie glatt

vorwärts kommen und daß die Munitionsversorgung und der sonstige Nachschub nicht

versagen. Größte Straßendisziplin, zahlreiche Staffeln, Arbeitstruppen usw. sind daher

erforderlich. Der Bedarf hieran muß von Anfang ebenso in Rechnung gestellt werden wie

der Bedarf an Kampftruppen. (Punkt 141.)

155. Für das unmittelbare Begleiten der Infanterie (125 e) sind verlastete

Gebirgskanonenbatterien, bespannte Batterien und Minenwerfer derart bereit zu stellen,

daß sie sich der Vorbewegung der Infanterie sofort anschließen können. Diese Batterien

unterstehen den Infanteriegruppenkommandanten, nehmen an der Artillerievorbereitung

nicht teil und eröffnen das Feuer frühestens im Augenblicke des Sturmes. (Vgl. Punkt 69.)

156. Von der gesamten Angriffsartillerie kommen die bespannt bereit gehaltenen

Begleitbatterien (Punkt 155) für die Feuerwalze nicht in Betracht. Außerdem müssen

Ueberwachungsbatterien ausgeschieden werden und schließlich muß die Bekämpfung der

Artillerie (Punkt 127) und der Ziele nach Punkt 130 sowie von Stützpunkten und von

Terrainteilen, die nicht frontal angegriffen werden (Punkt 129 c) auch während des

Vortragens des Infanterieangriffes aufrecht erhalten bleiben. Lediglich diejenigen Batterien,

die für die genannten, in erster Linie zu berücksichtigenden Zweck nicht in Frage kommen,

sind also für die Feuerwalze verfügbar.

Page 43: Der Angriff

Je weiter die Feuerwalze aus den ursprünglichen Stellungen vorwärts zu bringen ist, desto

länger wird der Angriff im Fluß bleiben. Es ist daher wichtig, vor Beginn des Angriffes die

Batterien bis an die Infanterielinien heran nach vorwärts zu staffeln.

Da die Feuerwalze auch dann, wenn die Reichweite der Masse der in Stellung

befindlichen Artillerie überschritten ist, ungestört fortlaufen soll, ist — abgesehen von den

unmittelbar an die angreifende Infanterie überwiesenen, ausgeruhten Batterien und

Minenwerfern (Punkt 155) — das staffelweise Vorziehen leichter und schwerer Artillerie

sowie von Minenwerferbatterien von rückwärts angefangen derart zu organisieren, daß eine

Artilleriewelle die andere übergreift.

157. Im weiteren Vordringen des Angriffes wird sich die geschlossene

Artilleriefeuerwalze nicht aufrechterhalten lassen. Es tritt das selbständige frische Handeln

aller weit vorne befindlichen Führer in den Vordergrund. Es kann sich in dieser Zeit

empfehlen, für jeden Infanterieregimentsgefechtsstreifen eine Artilleriegruppe zu bilden und

die gesamten, im Gefechtsstreifen befindlichen Kampfmittel (Infanterie, Artillerie,

Minenwerfer) einem gemeinsamen Kommandanten zu unterstellen.

Die zur Bekämpfung feindlicher Artillerie nötigen Batterien und Gruppen wird aber der

Artilleriebrigadier immer selbst in der Hand behalten müssen, um in steter Fühlung mit den

Artilleriefliegern diese Aufgabe beständig lösen zu können.

158. Für das Gelingen des Nachziehens der Artillerie ist das Verhalten der Stäbe (weit

vor!) von ausschlagendem Einfluß.

Das wünschenswerte Vorziehen der gesamten beweglichen Artillerie und Minenwerfer ist

selten möglich. Die Schwierigkeit liegt:

a) in dem zerschossenen, von Gräben, Hindernissen, Trichtern durchsetzten Terrain,

b) in der Gefahr der Verstopfung, wenn zu viel von rückwärts nach vorn und umgekehrt

durchgebracht werden soll,

c) in der geringen Zahl und der mangelhaften Zugleistung unserer Pferde.

Man muß daher der Artillerie Ueberbrückungsmaterial und technische Truppen beigeben,

für schnellen Wegbau und scharfe Verkehrsdisziplin sorgen und sich in der Gesamtzahl der

vorzubringenden Geschütze und Minenwerfer beschränken. Dabei ist nicht zu übersehen,

daß Geschütze und Minenwerfer ohne Munition im Kampfe wertlos sind. Die Pferde der

stehenbleibenden Teile (vgl. auch Punkt 150) sind als Vorspann für Geschütze oder

Munitionswagen auszunützen oder als Reserve mitzuführen. Sämtliche überhaupt für das

Nachziehen in Betracht kommenden Geschütze müssen vor Beginn des Angriffes gefüllte

und bespannte Protzen und Munitionswagen haben, die während der Feuervorbereitung nicht

angegriffen werden.

159. Für das Vorziehen der Batterien, den Verkehr der Munitionskolonnen müssen die

Wege hergerichtet und bezeichnet sein (Punkt 143). Als Anhalt kann dienen, daß innerhalb

jedes Infanterieregimentsstreifens — also rund innerhalb Kilometerbreite — je ein Weg für

die vormarschierenden Batterien und Minenwerfer, innerhalb jedes Divisionsstreifens

mindestens ein Weg für die vormarschierenden Munitionskolonnen, ein Weg für

zurückgehende leere Staffel durch das Stellungsgewirre erwünscht wäre.

Unabhängig hievon ist innerhalb jedes Divisionsstreifens die Herstellung eines

Autoweges zur Bewältigung des großen Nachschubes anzustreben.

Die hierfür nötigen Arbeiten müssen innerhalb der eigenen Stellung in der

Vorbereitungszeit hergestellt und mit vollzogenem Einbruch in die feindliche Stellung in

dieser durch technische Truppen und sonstige Arbeitskräfte sofort aufgenommen werden.

(Vgl. Punkt 143.)

160. Frische Verbände, die mit fortschreitendem Angriff nachzuziehen sind, haben den

Erfolg durch Fortsetzung des Angriffes zu erweitern. (Vgl. Punkt 22.)

Die rückwärtigen Divisionen müssen möglichst lange in der Hand der Korpskommandos

Page 44: Der Angriff

bleiben, die ihrerseits, um führen zu können, weit vorn gehören. (Vgl. Punkt 30, 32.) Das

Nachführen erfolgt zum Einsatz an den Stellen, wo der Angriff gut vorwärts geht. Hierbei

wird entsprechend der fächerförmigen Ausdehnung des Angriffes meist ein Einschieben, nur

in Ausnahmsfällen ein Ablösen in Frage kommen.

Die höhere Führung muß das Gefecht, ohne in Einzelheiten des Gefechtsverlaufes

einzugreifen, in die von ihr gewollten Bahnen lenken. Hierzu braucht sie Reserven, die nach

ihrem Willen eingesetzt werden. Nur so können Anfangserfolge zu großen Erfolgen

ausgebaut werden.

161. Der Gedanke, daß die zuerst angreifenden Divisionen regelmäßig am ersten oder

zweiten Schlachttag abzulösen sind, muß verworfen werden.

War der Angriff gut vorbereitet und wird die Artillerie rechtzeitig nachgezogen, so wird

der Angriff ohne allzu große Verluste glücken. Die Angriffsdivision wird also auch nach

dem ersten Angriff zunächst genügend Kampfkraft behalten. Auch für ihr weiteres

Vorwärtskommen ist dann weniger der Einsatz frischer Infanterie als starker, feuerkräftiger

Artillerie maßgebend.

Ein Wechsel der höheren Kommandos würde die Geschlossenheit und den

Zusammenhang der Führung lähmen und ist daher äußerst unerwünscht.

162. An die Telegraphentruppe treten beim Durchbruch umfassende Aufgaben heran.

Von der schnellen Aufnahme der Verbindung hängt der Einfluß der Führung auf den Gang

der Schlacht ab. Die Verbindung zwischen Infanterie, Artillerie und Luftstreitkräften ist

besonders wichtig.

Die zur Teilnahme am Angriff bestimmten Telegraphenformationen müssen rechtzeitig

aus der Front gezogen, beweglich gemacht, aufgefüllt und für den Angriff geschult werden.

Sie müssen zeitgerecht den Betrieb der Verbindungseinrichtungen im Angriffsraum ihrer

Verbände übernehmen, damit sie sich mit dem Netz vor Beginn des Angriffes gründlich

vertraut machen können.

Die Armee- und Korpstelegraphenformationen übernehmen den Betrieb der

Verbindungsmittel der unterstehenden Verbände so weit als möglich, damit die

Divisionstelegraphenkompagnien nicht genötigt sind, ihr ganzes Personal und Material

einzusetzen, sondern zur Verlängerung der Verbindungen beim Fortschreiten des Angriffes

befähigt werden.

Für die Fortsetzung des Angriffes sowie für unvorhergesehene Fälle sind Reserven an

Telegraphenformationen möglichst weit vorne bereitzustellen.

163. Im Verlauf der Operationen hat als leitender Grundsatz für den Ausbau des

Verbindungsnetzes zu gelten, daß die rückwärtigen Telegraphenformationen die vorne

befindlichen möglichst bald ablösen. Jedes Kommando bleibt stets dafür verantwortlich, daß

die Verbindungen nicht verloren gehen, wenn es seinen Standort verläßt.

Die frühzeitige Bekanntgabe der in Aussicht genommenen neuen Standorte ist für die

Telegraphenoffiziere von hoher Wichtigkeit. Sind die Arbeiten zur Herstellung der

Verbindungen zum neuen Kommandostandpunkt im Fluß, so ist eine Aenderung des neuen

Standortes schädlich.

164. Die Beigabe von Dolmetschen zu den Telegraphenformationen ist vorteilhaft, da

hierdurch die Ausnützung der vorgefundenen gegnerischen Netze erleichtert wird.

Die Ausnützung der beim Fortschreiten des Angriffes vorgefundenen Netze muß

planmäßig einsetzen, damit die weitere Nutzbarmachung reibungslos fortgesetzt werden

kann.

Namentlich die Inbetriebnahme der permanenten Leitungen bedarf sorgfältiger

Erwägungen. Planlose oder unsachgemäße Wiederherstellungen erschweren den folgenden

Formationen die weitere Ausnützung und verursachen zeitraubende und nutzlose

Mehrarbeit. Die rationelle Ausnützung von permanenten Leitungen wird daher in der Regel

Page 45: Der Angriff

der Telegraphentruppe vorbehalten werden müssen.

165. Die nachstehenden Bestimmungen über Einsatz und Verwendung der

Luftstreitkräfte gelten für große Angriffe, bei denen zahlreiche Luftstreitkräfte aller Art

unentbehrlich sind; sinngemäß finden sie auch bei kleineren Angriffen Anwendung.

166. Das Auftreten starker Luftstreitkräfte (Flieger, Ballone und LFA-Geschütze) ist für

den Gegner eines der sichersten Zeichen bevorstehender Angriffe. Während der

Vorbereitungen muß die Tätigkeit der Luftstreitkräfte daher zurückhaltend sein.

Den Fliegereinsatz trotz der Forderung der Geheimhaltung auf dem Angriffsfeld

sicherzustellen, ist sehr schwierig, da die Verstärkungen nicht vorzeitig gezeigt werden

dürfen. Durch Kommandierung zu den auf dem Angriffsfeld bereits vorhandenen

Fliegerformationen und Einrichtung von Lehrkursen hinter der Front muß erstrebt werden,

auch ohne frühzeitige Verlegung von Fliegerverbänden die für den Angriff nötige

Geländekenntnis zu gewinnen. Die Flüge selbst sind so einzuteilen, daß einerseits der Feind

nur schwer auf Vermehrung schließen kann und andererseits den Fliegern doch genügend

Gelegenheit zur Orientierung gegeben wird.

Unter allen Umständen muß die lückenlose Lichtbilderkundung sichergestellt

werden. Sie ist von ausschlaggebender Bedeutung. Dann ist das Einleben der Artillerie-,

Infanterie- und Schlachtenflieger auf dem Angriffsfeld wichtig.

Die Verteilung der Fliegerverbände auf die Angriffsdivisionen hat so rechtzeitig zu

erfolgen, daß sie hinter der Front — möglichst weit zurück — an den Angriffsübungen ihrer

Divisionen teilnehmen können. Ein gegenseitiges Einspielen ist unerläßlich.

Aehnlich liegen die Verhältnisse für die Heranziehung, Unterbringung und Aufsteigen

der Ballone und für die LFA-Formationen.

167. Von Wichtigkeit sind in ruhigen Zeiten vorbereitete Flughäfen mit ständigen Hallen

und Baracken, weil das Aufschlagen neuer Zelte usw. kurz vor dem Angriff den

Fliegeraufmarsch verrät. In neu belegten Häfen dürfen Flugzeuge und Autos nicht außerhalb

der Hallen stehen bleiben. Genügt der Raum in den Hallen nicht für alle Flugzeuge, so kann

ein Abrüsten eines Teiles der Flugzeuge in Frage kommen. Abteilungen, die in Zelten

untergebracht werden, dürfen zunächst nur einen Teil der Zelte aufschlagen und müssen

diese nach Möglichkeit der Sicht entziehen.

168. Die Verschleierung der Vorbereitungen darf auf keinen Fall durch eine starke Sperre

angestrebt werden, da selbst die stärkste Sperre vom Gegner zeitweise durchbrochen wird.

Schwache, aber aufmerksame und rücksichtslos angreifende Ketten von Jagdflugzeugen

müssen in großen Höhen, nötigenfalls auch in zwei Höhenlagen, eingesetzt werden. Sie

haben sich im Hintergrund und auf den Flügeln des zu schützenden Abschnitts zu halten.

Durch Richtungsschüsse der LFA-Batterien und große Richtungsweiser am Boden wird

ihnen die Anwesenheit feindlicher Flugzeuge gemeldet.

169. Für die neuen Fliegerverbände und für die Angriffstruppen sind Lagenbilder nach

neuesten Aufnahmen in großer Zahl vorzubereiten.

Ferner sind Karten herzustellen mit Einzeichnung der Abwurfstellen, Verteilung der

Feuerräume, Einzeichnung der Räume, gegen die ungünstige oder gar keine Erdbeobachtung

vorhanden ist, sowie Abwurfskizzen für die Meldungen der Infanterieflie170. Die Verteilung

der Wellen und Anrufe für Flieger und Radiostationen bedarf einer sehr vorsichtigen

Handhabung, da der Gegner durch neue Anrufe sofort auf die Vermehrung der Kräfte

aufmerksam werden muß. Wenn neu einzusetzende Anrufe nicht vermieden werden können,

sind sie auf solche Stationen zu verteilen, die seltener gebraucht oder vom Gegner schlechter

gehört werden können.

171. Auch während des Einschießens der Artillerie und nach Beginn des

Wirkungsschießens empfiehlt sich noch Zurückhaltung der Luftstreitkräfte, damit der

Gegner über die Bedeutung des Angriffs im Unklaren bleibt.

Page 46: Der Angriff

Erst wenn der Gegner den bevorstehenden. Angriff offenbar erkannt hat, starke

Fliegerkräfte zeigt und starke Artillerie-Gegenwirkung beginnt, muß alles daran gesetzt

werden, die feindlichen Luftstreitkräfte und besonders die Ballone schon vor dem Angriff

niederzukämpfen und unsere Luftbeobachtung zur Erhöhung der Artilleriewirkung in

vollkommener Weise auszunutzen.

Je überraschender, einheitlicher und je kürzer vor Beginn des Angriffs der Einsatz der

Luftstreitkräfte erfolgt, desto größer wird seine Wirkung auf den Verlauf des Angriffs sein.

Die verstärkte Fliegertätigkeit darf sich nicht nur auf den Angriffsraum beschränken,

sondern muß sich mindestens so weit nach der Seite ausdehnen, als die Artillerietätigkeit am

Boden reicht.

Nach Beginn des verstärkten eigenen Feuers pflegt eine erhebliche Verstärkung der

feindlichen Infanterie-Fliegertätigkeit einzusetzen. Ihre Abwehr ist Sache der

Maschinengewehre und LFA-Formationen, da eine Sperre durch Jagdflugzeuge sich in

diesen geringen Höhen nicht durchführen läßt. Es ist zweckmäßig, LFA-Formationen

vorzuschieben, die erst bei Beginn, des Angriffs das Feuer eröffnen.

172. Während des Vorbereitungsschießens von Artillerie und Minenwerfern müssen

dauernd schwächere Ketten von Jagdflugzeugen über der Front sein und jeden Versuch

einzelner Flugzeuge oder kleiner Patrouillen, unsere Front zu überfliegen, verhindern. Je

nach dem Wetter sind diese in zwei bis drei Höhenlagen einzusetzen. Stärkere Ketten, ganze

Jagdfliegerkompagnien oder mehrere solcher müssen von Zeit zu Zeit die feindlichen

Luftstreitkräfte jenseits der Linien aufsuchen und niederkämpfen. Dabei ist aber zu

berücksichtigen, daß die Luftstreitkräfte nicht schon verbraucht werden, ehe der Angriff

beginnt.

173. Fliegerkompagnien G sind während der Artillerie-Vorbereitung gegen Bahnhöfe und

Lager, große Stapelplätze und Flughäfen anzusetzen. In der Nacht und am Morgen vor dem

Angriff sind die feindlichen Flughäfen das wichtigste Ziel. Angriffe auf Eisenbahnzüge auf

offener Strecke — von wagemutigen Besatzungen aus niedrigster Höhe ausgeführt —

können große Wirkung haben. Angriffe gegen feindliche Stabsquartiere können durch

Zerstören der Drahtleitungen Störungen in der Gefechtsführung verursachen.

174. Der Artillerie-Flieger ist neben der Zielerkundung nicht nur zum Einschießen

einzelner Batterien zu verwenden. Er ist durch seine Beweglichkeit und seine gute

Uebersicht ganz besonders geeignet, von Zeit zu Zeit die Nachprüfung einer ganzen Reihe

von Wirkungsschießen und der Lückenlosigkeit des Feuers zu übernehmen. Kurze

Steigerung der Feuergeschwindigkeit erleichtert ihm diese Aufgabe außerordentlich. Das ist

besonders dann von Wichtigkeit, wenn starker Rauch den anderen Beobachtungsmitteln die

Sicht erschwert.

Die Prüfung der Wirkung erfolgt während der Feuerpausen. (Vgl. Punkt 67.)

175. Kurz vor dem Sturm darf sich die eigene Fliegertätigkeit unter keinen umständen

auffällig verdichten, Besser ist es sogar, wenn wenige Minuten vorher die meisten der

niedrig fliegenden Flugzeuge nach der Seite oder rückwärts ausbiegen.

Nur hochfliegende Jagdflugzeuge müssen auch kurz vor dem Sturm über den feindlichen

Linien sein, um die feindliche Aufklärung niederzuhalten. Durch Befehl muß geregelt sein,

daß in der Luft nichts auf den bevorstehenden Sturm schließen läßt.

Der Augenblick des Sturmes ist der schwierigste Zeitpunkt für den Einsatz der

Fliegerverbände. Die Flugzeuge sollen den Beginn des Sturmes nicht durch ihre

Anwesenheit verraten sondern erst nach dem Einsetzen des feindlichen Sperrfeuers

erscheinen, andererseits aber mit Maschinengewehrfeuer, Handgranaten und Bomben in den

Infanteriekampf eingreifen und die feindliche Artillerie und die feindlichen Luftstreitkräfte

bekämpfen.

Page 47: Der Angriff

Dies ist nur zu erreichen durch genaueste Regelung ihrer Tätigkeit im Angriffsbefehl und

durch äußerste Pünktlichkeit beim Einsatz.

176. Beim Sturm müssen als erste Schlachtflieger eingreifen; sie werden auf günstig

liegendem Flugplatz oder Zwischenlandeplatz bereit gestellt. Sie müssen rechtzeitig starten

und so weit ab von der Front kreuzen, daß sie nicht gesehen werden, aber dennoch auf die

Minute pünktlich eingreifen können. Vorheriges Erproben der Flugzeit durch ein einzelnes

Flugzeug am Tag des Angriffs selbst ist unter Umständen zweckmäßig, da die Windstärke

jede Berechnung umwerfen kann.

Alle Fliegerkompagnien D und F, die nicht bei der Schlachtfeldüberwachung Verwendung

finden, sind als Schlachtstaffel zu Bekämpfung von Erdzielen einzusetzen. Je mehr Kräfte

hierfür freigemacht werden, desto größer wird der moralische Eindruck auf den Gegner sein.

Die Luftbeobachtung für die Artillerie und für die Führung darf hierunter jedoch keinesfalls

leiden.

Die Schlachtstaffel richten ihre Angriffe nicht nur gegen die vordere feindliche Linie,

sondern suchen sich auch weiter rückwärts lohnende Ziele, z. B. noch feuernde

feindliche Batterien, bereitgestellte oder im Vorgehen befindliche Reserven, Verkehr auf den

für. den feindlichen Nachschub hauptsächlich in Frage kommenden Straßen.

Einheitliche Regelung des Einsatzes der Schlachtstaffel muß einer Zersplitterung ihrer

Wirkung vorbeugen und die große Kampfkraft mehrerer im Kampf zusammenwirkender

Flugzeuge zur vollen Entfaltung an entscheidender Stelle des Schlachtfeldes bringen. Vgl.

auch Teil 11 der Abschnitte aus der Gefechtslehre.

177. Gleichzeitig mit den Schlachtfliegern erscheinen die Jagdflieger, um, über die Linien

hinaus vorstoßend, den Gegner über seinem Gebiet niederzukämpfen und jede Erkundung

unserer Hauptstoßrichtung zu verhindern.

Starke Kräfte auf den Flügeln der Jagdstaffel sichern gegen eine Umgehung. Besonders

gefährdet ist der Flügel, der nach der Sonne zeigt, weil der Gegner oft seine Angriffe und

Erkundungen mit der Sonne im Rücken versuchen wird. Dorthin gehören die stärksten und

am meisten nach der Höhe gestaffelten Kräfte.

Zweckmäßigerweise wird die Luft über dem Kampffeld in mehrere Räume geteilt, die

etwas ineinander übergreifen. Jede Kette erhält im Befehl einen nicht zu schmalen Raum

und Höhen streifen zugeteilt, die sie nur auf Grund besonderer Ereignisse oder Erwägungen

verlassen darf, abgesehen von kurzen Vorstößen gegen feindliche Geschwader, die auch

außerhalb dieser Räume angegriffen werden müssen.

Die übergreifenden Teile müssen über den Brennpunkten des Kampfes fliegen, um dort

eine Verstärkung an Fliegerkräften zu erzielen. Ueber 4000 m ist eine derartige Einteilung

nur bei einer sehr breiten Angriffsfront erforderlich, da die Kräfte in großen Höhen nicht

zersplittert werden dürfen; denn sie haben in der Regel den Kampf gegen stärkere

Geschwader aufzunehmen, die tiefer ins Land dringen wollen.

Durch die Einteilung solcher Räume wird ein schädliches Zusammenballen der

Fliegerverbände an einzelnen Stellen und ein Entblößen anderer Frontteile vermieden.

Vgl. auch Teil 11 der Abschnitte aus der Gefechtslehre.

178. Einige Minuten nach dem Beginn des Sturmes erscheint der Infanterie-Flieger; er

verfolgt die Vorwärtsbewegung der Infanterie, meldet Störungen im planmäßigen Verlauf,

besonders noch nicht erschütterte Stützpunkte des Gegners, die einer erneuten Vorbereitung

durch Artilleriefeuer bedürfen, und fordert, nachdem das Ziel erreicht ist, die

Kennzeichnung der vorderen Linie. Zu frühes Anfordern ist stets ohne Erfolg und macht die

Infanterie unruhig; es muß dieser etwas Zeit gelassen werden, um sich einzurichten und

Widerstände kleiner feindlicher Abteilungen noch zu brechen. Hat der Infanterie-Flieger das

Erreichen des befohlenen Zieles erkannt, so meldet er zunächst durch Funkspruch die

erreichten Punkte. Unklare Stellen sind als solche zu melden und dann durch weitere

Page 48: Der Angriff

Erkundung zu klären. Ergänzung durch abgeworfene Skizze ist erforderlich.

Soll beim Angriff ein tieferer Geländeraum genommen werden, so müssen auch während

des Angriffsverlaufs die vorderen Linien festgelegt werden und zwar während der Halte

nach Punkt 134. Auf keinen Fall darf aber dadurch der Angriff aufgehalten werden.

Neben der Verfolgung des eigenen Fortschreitens muß der Infanterie-Flieger auch die

Tätigkeit des Gegners überwachen, um Gegenstöße und bereitgestellte bzw. heraneilende

Reserven zu melden und rechtzeitig Artilleriefeuer anzufordern.

179. Bombenangriffe gegen die feindlichen Flughäfen sind während und kurz nach dem

Angriff besonders erfolgreich, weil sie den Einsatz der feindlichen Luftstreitkräfte erheblich

stören und zum Teil verhindern, während Angriffe gegen Lager und Munitions- oder

Material-Stapelplätze in diesem Augenblick weniger Bedeutung für die Kampfhandlung

haben. Dagegen können Bomben- und Maschinengewehr-Angriffe gegen feuernde Batterien

oder gegen Reserven die Tätigkeit des Gegners empfindlich stören.

180. Nur der Artillerie-Flieger befindet sich ununterbrochen vor, während und nach dem

Sturm über dem Kampffelde.

Bei seinem Einsatz kommt es weniger auf eine Häufung von Beobachtungen zur Zeit des

Sturmes an, als auf eine ununterbrochene Ueberwachung der feindlichen und eigenen

Gefechtstätigkeit während der ganzen Schlacht und auf rechtzeitige und schnelle

Uebermittlung an die in Betracht kommenden eigenen Batterien. Von der größten

Wichtigkeit sind Meldungen über die am lebhaftesten feuernden feindlichen Batterien, über

erfolgreich bekämpfte Batterien, über gut und schlecht liegendes Feuer, nicht beschossene,

lohnende Ziele usw. Für derartige Beobachtungen muß der Artillerieflieger ganz bestimmte

Aufträge bekommen, die er neben der allgemeinen Ueberwachung zu lösen hat. Die Befehle

für die eigene Artillerie muß er genau kennen, um sein Verhalten dem Gefechtsverlauf

anpassen zu können. Nur bei gründlicher Unterweisung wird seine Tätigkeit erfolgreich sein.

181. Die Tätigkeit der Artillerieflieger wird ergänzt durch die Ballone, die der Führung

und der Artillerie außerordentlich wertvolle Meldungen bringen werden. Das Vorziehen der

Ballone unmittelbar vor oder nach dem ersten Einbruch ist verhältnismäßig - gefahrlos, da

die feindliche Artillerie durch andere Aufgaben gefesselt ist.

182. Nach dem Sturm sind die Schlachtflieger sobald als möglich wieder startbereit zu

machen, damit sie gegen einsetzende Gegenstöße angesetzt werden können.

Erneuter Ballonangriff kann von Vorteil sein.

Bei weiterem Einsatz der Jagdflieger muß bedacht werden, daß der Gegner den

Augenblick des Sturmes nicht kennt und infolgedessen nicht ununterbrochen stärkere

Fliegerkräfte über dem Kampffeld haben kann. Dagegen wird er, sobald der Sturm

eingesetzt hat, alle verfügbaren Kräfte nach vorn werfen, um die Ueberlegenheit in der Luft

zu erringen. Dementsprechend ist mit einer großen Verstärkung des Gegners in der Zeit 1/2

bis 1 1/2 Stunde nach dem Sturm zu rechnen. Es müssen deshalb etwa 3/4 Stunden nach dem

Angriff frische Jagdflieger eingesetzt werden, damit zu diesem Zeitpunkt auch beim

Angreifer der stärkste Einsatz der Fliegerverbände vorhanden ist.

183. Erweitert sich der Angriff zur Durchbruchsschlacht und wird die Artillerie

vorgezogen, so treten im Vormarsch und auf den neuen Kampffeldern die gleichen

Aufgaben an die einzelnen Verbände der Luftstreitkräfte heran, wie vorstehend niedergelegt.

Das Vorziehen der Luftstreitkräfte muß rechtzeitig befohlen und durch Zuweisung von

Transportmitteln ermöglicht werden.

184. Die Instandhaltung der rückwärtigen Bahnen und Straßen erlangt beim Durchbruch

besondere Bedeutung. Vom Nachschub hängt die Ausbeutung des Erfolges ab. (Vgl. Punkt

86 und 87.)

Die Verkehrsregulierung muß von den Divisionen auf den ihnen zugewiesenen Straßen

(Punkt 89) mit rücksichtsloser Schärfe erfolgen. Gleiche Anordnungen treffen die

Page 49: Der Angriff

Armeekommandos für die rückwärtigen Straßen. Die Straßenkommandanten für die Straßen

in dem, dem Feinde erst abzunehmenden Gebiet müssen im voraus bestimmt sein und sind

von den Armeekommandos mit dem zugehörigen Personal schon bei Beginn des Angriffes

den Divisionen zuzuteilen.

185. Die polizeilichen Anordnungen dürfen beim Vorwärts tragen des Angriffes nicht

nachlassen, sondern müssen schärfer werden. Schon die Divisionen haben ihre

Feldgendarmerie, dann die Divisionskavallerie hierfür einzusetzen. Die Regimenter müssen

selbst für die Militärpolizei in ihrem unmittelbaren Bereiche sorgen.

Die Armeekommandos sorgen für rasches Vorziehen von Etappentruppen zur

Uebernahme des Polizeidienstes.

Besondere Vorsorgen sind von den Divisionen vorderer Linie vor dem Betreten großer

Ortschaften zu treffen. Es wird angezeigt sein, von Haus aus eine der Größe der Ortschaft

entsprechende Abteilung als Polizeitruppe zu bestimmen, deren Kommandant als

Stationskommandant; fungiert. Diese Abteilung hat möglichst frühzeitig, am besten gleich

mit den Sicherungstruppen, den Ort zu erreichen und den Polizeidienst zu übernehmen.

Die Armeekommandos sorgen für baldige Ablösung dieser besonderen Polizeitrupps

durch Etappentruppen.

186. Verpflegsschwierigkeiten werden in den ersten Tagen nach einem gelungenen

Durchbruch kaum eintreten. Die Truppe lebt von den Vorräten des Feindes und des Landes.

Daher sind zuerst Munition, eventuell Brückenequipagen vorzuziehen und dann erst

Verpflegung.

187. Die Ausnützung der neu gewonnenen feindlichen Gebiete ist von allem Anfang an

einheitlich, aber mit allen Mitteln zu betreiben.

Große erbeutete Verpflegsvorräte sind sofort unter Bewachung zu stellen und

ordnungsgemäße Fassungen einzuleiten.

Das Beutemachen einzelner Personen oder der Truppe muß mit allen Mitteln verhindert

werden. Die Truppe darf nur ihren laufenden Bedarf an Verpflegung durch

Requisitionskommandos unter Führung von Offizieren aufbringen; vorgefundenes

Beutematerial ist von ihr unter scharfe Bewachung zu stellen und der Division zu melden.

Mit allem sonstigen Beutemachen hat die Truppe in keiner Beziehung etwas zu tun.

Den Divisionen müssen sogleich bei Beginn der Bewegung Etappentruppen mit der

Bestimmung für Beutesammeln folgen. Wenn nicht gleich mit dem Sammeln der Beute

begonnen wird, geht viel wertvolles, unersetzbares Material verloren.

Das Sammeln der Beute darf nicht untergeordneten Organen überlassen bleiben, da es

sonst in Plünderung ausartet. Die Aufstellung von Beutekommandos (Verpflegspersonal,

Ingenieure, Kunstverständige, Chauffeure usw.) und ihre Angliederung an die Divisionen

vorderer Linie wird zweckmäßig sein. (Vgl. Punkt 104, Einzelheiten, m.)

188. Mobile Sanitätsanstalten müssen ausreichend bereit gestellt sein. (Vgl. Punkt 94.)

Vorsorgen erheischen auch die vielen ermatteten eigenen und Beutepferde.

189. Bald nach Beginn der Bewegung wird eine Ueberprüfung der Truppentrains nötig

werden, sollen nicht die Kolonnenlängen infolge der eingereihten Beutewagen ins

Ungemessene steigen.

Das Nachziehen der nach Punkt 150 zurückgelassenen Trainteile ordnet das höchste

Kommando erst nach Maßgabe des Freiwerdens der Straßen an.

Page 50: Der Angriff

D) Die Verfolgung.

190. Erst die Verfolgung beutet den errungenen Erfolg aus. Ihr Ziel ist die

Vernichtung des Gegners.

Die Erreichung dieses Zieles erfordert von der Führung aller Grade Tatkraft bis zur

Härte, Ton der Truppe hervorragende Ausdauer.

Der Erfolg der Verfolgung liegt in den Beinen. Die Truppe muß bei Einsatz ihrer ganzen

moralischen und körperlichen Kraft das Höchste leisten. Marschverluste müssen in Kauf

genommen werden. Der leitende Gedanke ist Raschheit, um dem geschlagenen Feinde keine

Zeit zur Erholung und zum Ordnen zu geben.

191. Die Verfolgung schließt unmittelbar an den gelungenen Angriff an.

Unter dem Schatze der Feuerwalze strebt die Infanterie unaufhaltsam dem ihr bezeichneten

ersten vorläufigen Ziele zu, um dieses womöglich gleichzeitig mit dem zurückflutenden

Gegner zu erreichen. Läßt sich die Feuerwalze nicht mehr geschlossen aufrecht erhalten, so

tritt an ihre Stelle die Feuerunterstützung durch die im Gefechtsstreifen befindliche

Artilleriegruppe. (Vgl. Punkt 156.)

192. Mit Erreichung des ersten vorläufigen Zieles soll die Zone des vorbereiteten

feindlichen Widerstandes hinter der Infanterie liegen. (Vgl. Punkt 148.)

Es muß sich nun klären, ob zum Niederwerfen des Gegners neue Angriffe notwendig sind

oder ob die Verfolgung einsetzen kann. Die Entscheidung über diese Frage muß rasch fallen

und kann nur vorne fallen. Deshalb gehört die untere Führung bis einschließlich jener der

Division in diesem Falle weit nach vorne zur Truppe. Das Reißen der Verbindungen nach

rückwärts hat keine Bedeutung, wenn die Kommandanten durch eine weit vordenkende

Befehlsgebung der höheren Führung über ihre Aufgabe im Klaren sind und ihren Einfluß auf

die Truppe geltend machen können. (Vgl. Punkt 97.)

193. Weicht der Gegner, so daß kein neuer Angriff notwendig ist, so leitet der vorne

befindliche Führer die Verfolgung im Gefechtsstreifen der Division und auf den ihr

zugewiesenen Straßen ein, ohne erst auf Befehle von rückwärts zu warten.

Oft wird sich die Verfolgung von selbst aus den dem Feinde nachdrängenden Infanterie-

und Artilleriegruppen (Punkt 157) herausschälen und ist dann von den Führern in die

gewünschte Richtung zu lenken.

194. Nach Erreichen des Angriffszieles wird Ordnung in die vermengten Verbände

gebracht werden müssen. Um die hierfür nötige Zeit für die Verfolgung nicht zu verlieren,

sind hinter dem Feinde aus allen Waffen zusammengesetzte Verfolgungsgruppen

nachzusenden.

Beigabe von Radfahrern, Radiostationen und Brieftauben ist sehr erwünscht.

195. Der Zweck der Verfolgungsgruppen besteht im unmittelbaren Nachdrängen hinter

dem weichenden Feind. Er darf weder bei Tag noch bei Nacht zur Ruhe kommen.

Besonders erfolgversprechende Ziele der Verfolgung werden große Städte, Straßen- und

Bahnknoten sein. Eine Wirkung in die hier eingetretene Anschoppung wird die Verwirrung

erhöhen und schnell verbreiten.

196. Feindliche Abteilungen, die zum Schutze des Rückzuges Widerstand leisten, sind

durch die Verfolgungsgruppen im raschem entschiedenem Angriff zu werfen. Hat der

Gegner sich nur flüchtig gestellt, so werden häufig einige Schuß der Artillerie genügen,

um ihn zum Weitergehen zu bewegen.

Oft kann es angezeigt sein, die entfernteren Teile des Gegners zuerst unter Feuer zu

nehmen oder Engwege mit Feuer zu sperren, um hierdurch die Auflösung zu beschleunigen.

(Einsatz der Autokanonenbatterien.)

Wem es gelingt, seitwärts der feindlichen Rückzugslinie vorzukommen und hierdurch

den Zeitverlust beim Kampf mit den feindlichen Nachhuten zu vermeiden, der hat die meiste

Page 51: Der Angriff

Aussicht auf große Erfolge. Das überraschende Erscheinen vor den feindlichen Hauptkräften

ist am besten geeignet, sie im Fluß zu erhalten und Panik auszulösen.

Gefangene sind durch die Verfolgungsgruppen nicht zu machen; die zurücklaufenden,

nur auf Rettung bedachten Ausreißer sind gute Verbündete und tragen den Schrecken meist

bis in den feindlichen Train.

197. Ist Kavallerie in größeren Verbänden vorhanden, so ergänzt sie die Verfolgung der

Verfolgungsgruppen. Die Beigabe von Maschinengewehren und Geschützen ist auch für sie

unerläßlich.

Die Kavallerie muß ihre Aufgabe darin sehen, die ihr beigegebene Artillerie rasch nach

vorwärts und gesichert zur Wirkung zu bringen. Nur ausnahmsweise wird sich Gelegenheit

ergeben, von der blanken Waffe Gebrauch zu machen. Eine unter Verkennung der Lage

gegen nicht genügend zermürbte Infanterie zu Pferd eingesetzte Kavallerie verliert jede

Schneid zur Verfolgung.

Da die Verfolgungsgruppen dem Feinde auf den Rückzugslinien folgen, muß die

Kavallerie unter Ausnützung ihrer größeren Marschgeschwindigkeit trachten, die Nachhuten

des Feindes zu umgehen, sie mit Feuer in den Flanken zu fassen und dadurch der Infanterie

den Weg zu öffnen.

Gelingt es ihr, die zurückgehenden Hauptkräfte des Gegners im Marsche oder in der

Ruhe überraschend mit Feuer anfallen zu können, so werden besonders große Erfolge zu

erwarten sein.

198. Die Arbeit der Verfolgungsgruppen und der Kavallerie wird durch die

Luftstreitkräfte wirkungsvoll ergänzt. Das Beschießen der mit dichten Kolonnen bedeckten

Rückzugsstraßen mit Maschinengewehr und der Bombenabwurf auf Ruheplätze wird

wesentlich zur Minderung der moralischen Verfassung des Gegners beitragen.

Die Hauptaufgabe der Flieger bleibt aber die Aufklärung. Die Führung will jetzt wissen:

Richtung des feindlichen Rückzuges, Umfang desselben nach Breite und Tiefe, das

allgemeine Bild desselben, ob geordnet oder regellos, Antransport frischer feindlicher

Kräfte, Anzeichen, die auf ein Stehenbleiben des Feindes schließen lassen, Verlauf von

vorbereiteten Widerstandslinien.

199. Die Hauptkraft der Angriffsdivisionen wird so rasch möglich hinter den

Verfolgungsgruppen in Marsch gesetzt. Auch hier tritt jetzt die Schonung hinter das Gebot

zurück, den Gegner nicht zur Ruhe kommen zu lassen. Starke Marschleistungen ersparen

spätere schwere Kämpfe.

Artillerie, auch schwere, ist weit vorne einzuteilen.

Die Sorge um Munition überwiegt die um jeden anderen Nachschub.

200. Werden Divisionen zweiter Linie bei der fächerförmigen Ausweitung des Erfolges

zwischen die Angriffsdivisionen eingeschoben, so empfiehlt es sich, die von den

Angriffsdivisionen bereits angesetzten Verfolgungsgruppen auf ihren Linien zu belassen,

ihnen aber frische Gruppen nachzusenden. Die Ablösung vollzieht sich erst mit der Zeit.

201. Das Nachziehen von Divisionen zweiter Linie hinter den Angriffsdivisionen

während der Verfolgung ist nicht so wichtig, als der gesicherte Nachschub an Munition für

die vorderen Verbände. Das Nachziehen der rückwärtigen Divisionen wird zweckmäßig erst

dann erfolgen, wenn die Straßen Verhältnisse geordnet sind. Ein frühzeitiges Inmarschsetzen

führt zur Ueberlastung der Straßen und damit zu Marschverzögerungen, die unabsehbar

werden und den ganzen Nachschub gefährden können. Strengste Straßendisziplin ist

notwendig, um die Verfolgung im Flusse zu erhalten. Etappenstations- und

Etappenlinienkommandos mit reichlichem Personal sind rasch aufzustellen.

Page 52: Der Angriff

202. Stoßen die Verfolgungsgruppen auf nachhaltigen Widerstand, so ist durch sie die

Linie des Widerstandes, Ausdehnung und Verlauf der feindlichen Stellung, Art und Stärke

des Feindes im Kampfe zu erkunden.

Der von ihnen gewonnene Eindruck dient als Grundlage für das Heranführen und die

Verwendung der anmarschierenden Hauptkräfte der Division. Vor Einsatz der Hauptkraft

müssen Kommandant und Generalstabschef die von den Verfolgungsgruppen gemeldeten

Grundlagen durch eigenen Augenschein überprüfen.

Grundsatz bei der Verwendung der Hauptkraft ist, durch Einsetzen möglichst starker

Artillerie und Minenwerfer gegen erkannte Schwächen des Feindes den Widerstand zu

brechen, ohne viel Infanterie ansetzen zu müssen. Raschheit des Handelns ist hierbei

erwünscht, auf Befehle von rückwärts darf nicht gewartet werden.

Je öfter sich solche erfolglose Versuche des Gegners zum Widerstandleisten wiederholen,

je entscheidender sie gebrochen werden, umso größer der Erfolg.

203. Während der Verfolgung darf sich die Führung nicht an den Draht klammern.

Telegraph und Telephon werden mit ihren Kommandos nur dann Schritt halten können,

wenn sie mit Autos entsprechend dotiert werden. Die drahtlosen Verbindungsmittel,

namentlich Radio, treten in den Vordergrund.

204. Eine überaus wertvolle Quelle militärischer Nachrichten und der feindlichen

Spionageorganisation ergibt sich aus dem Schriftenmaterial, das in den Kanzleien der

Kommandos, in den Truppenunterkünften und Verteidigungsanlagen, dann in den Aemtern

und von der flüchtenden Bevölkerung zurückgelassen werden mußte.

Der für den Polizeidienst eingesetzten Feldgendarmerie und den Kommandanten der

Polizeitruppen sind geschulte Nachrichtenorgane beizugeben, die für die Sammlung,

Bergung, Bewachung, erste Sichtung und Uebergabe der erbeuteten Schriften an die

Armeekommandos Sorge zu tragen haben.

205. Der Kraftzustand der eigenen Truppen, der Nachschub an Munition werden meist

bestimmen, wann die Verfolgung ein Ende zu nehmen hat. Auch das Auftauchen frischer

feindlicher Kräfte, Wachsen seines Widerstandes, Rücksichten auf die große Lage werden

mitbestimmend sein.

Die Beurteilung solcher Umstände ist Sache der höheren Führung. Bevor nicht von dieser

die Verfolgung angehalten wird, hat jeder Kommandant das beste aus seiner Truppe

herauszuholen und dem Feinde auf den Fersen zu bleiben.

E) Ergänzende Bestimmungen für den Angriff im Bewegungskrieg.

Der Angriff im Bewegungskrieg wird im Teil XVI. der Abschnitte aus der Gefechtslehre

behandelt.

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