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1 Haute école pédagogique du Valais Pädagogische Hochschule Wallis Der Ansatz einer Charakterisierung des spezifischen Erkenntnisgewinns durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey Dr. Edmund Steiner Pädagogische Hochschule Wallis, Brig/Schweiz Referat am Zweiten Workshop der Arbeitsstelle für Pädagogische Kasuistik Institut für Erziehungswissenschaft der TU Berlin 17. Feb. 2006

Der Ansatz einer Charakterisierung des spezifischen ... · Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey 2 Übersicht Hinweise und Bezüge zu Referat

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Haute école pédagogique du ValaisPädagogische Hochschule Wallis

Der Ansatz einer Charakterisierung des spezifischen Erkenntnisgewinns

durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey

Dr. Edmund SteinerPädagogische Hochschule Wallis, Brig/Schweiz

Referat am Zweiten Workshop der Arbeitsstelle für Pädagogische Kasuistik

Institut für Erziehungswissenschaft der TU Berlin

17. Feb. 2006

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey2

Übersicht

Hinweise und Bezüge zu Referat vom 16. Feb. 2006

Ausgangsfragen

Forschungslogischer Dreischritt:AbduktionDeduktionInduktion

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey3

Erwartungen an Fallstudien (I)

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey4

Erwartungen an Fallstudien (II): Stichworte aus der Fachliteratur

Zugang zur Komplexität des AlltagsSchutz vor den Folgen falscher HandlungenErkenntnis generierende Einblicke in die sozialen Realitäten von SchuleFörderung von Fähigkeiten zum kritischen Denken und zum ProblemlösenVermittlung von SchlüsselqualifikationenEine genuine pädagogische Erkenntnismethode, die für den Praktiker wie für den Theoretiker von Erziehung und Unterricht bedeutsam ist

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey5

Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit? Im Prinzip Ja - aber wie?

?

Quelle: Fernagu Oudet 1999, 66 u. Umschlag

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey6

Ausgangsfragen

Wie kann der spezifische Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey charakterisiert werden? Was heisst Erkenntnisentwicklung durch Arbeiten am Fall und wo ist das Erkenntnis erweiternde Moment (theoretisch) zu situieren?Wie ist das Bearbeiten von Fällen auf methodisch kontrollierbare Weise zu gestalten, so dass das Vorgehen und die gewonnenen Erkenntnisse für andere Mitglieder der Lern- oder Professions-gemeinschaft nachvollziehbar und kritisierbar werden?

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey7

Zum Begriff „fallbezogenes Lehren und Lernen“

Fallbezogene Methoden bezeichnen hier als Oberbegriff diejenigen Verfahrensweisen, bei denen die Bearbeitung eines (Einzel-) Falles zu Lern-, Ausbildungs-, Untersuchungs- und Forschungszwecken eingesetzt wird. Bei kasuistischen Verfahren bestimmt der konkrete Fall und dessen Bearbeitung durch die Lernenden oder Forschenden die „Choreographie”, den Verlauf einer spezifischen Ausbildungssequenz, eines Untersuchungs- oder Forschungsprojektes.Synonyme: fallorientierte bzw. kasuistischeVorgehensweisen oder Verfahren

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey8

1 3

2 4

„Papierfall“

„Rea

lfall“

Intention der Studierenden

Beziehung der Studie-renden zum

Fall

Fallmethode Falldialog

Einzelfall-projekt

Fallarbeit

Offene

Ausgangssituation Abges

chlos

sene

Gesch

ichte

Typologie fallbezogenen Lehrens und Lernens (VI)

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey9

„Erkenntnisgewinn“

Mit bzw. an Fällen lässt sich lernen, ausbilden, weiterbilden, untersuchen, forschen, d.h.:

Durch Fallarbeit lassen sich Erkenntnisse gewinnen –generieren – bilden – entwickeln – erweitern - …

Erkenntnisgewinn ist immer relativ zum Erfahrungs-und Erkenntnisstand des erkennenden Subjekts:

Lernende / LerngruppeProfessionelle / Professionsgemeinschaft Forschende / Wissenschaftliche Gemeinschaft

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey10

Fallarbeit und Professionalisierung / Professionalität

Professionelle Praktiker/-innen können Einzelfälle ihres Berufsfeldes auf dem Hintergrund eines fachlichen Repertoires interpretieren, reflektieren und ihr Handeln gegenüber der eigenen Professionsgemeinschaft oder nach aussen theoriegestützt begründen.

Anknüpfung an vorhandene Wissenslücken und Problem definierende FragestellungMethodisch-systematisches Verfahren der ErkenntnisbildungDokumentation des Verfahrens und KommunikationKohärenz der Begriffe und der Fachsprache

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey11

Fallarbeit und Professionalisierung / Professionalität

Die Crux professioneller Fallbearbeitung:Das Wechselspiel zwischen Konkretem und Allgemeinem begreifen:

Wo und wie wird zwischen der Spezifik eines Einzelfalls und einem Allgemeinen, für das der Fall steht oder stehen soll, wechselseitig vermittelt?In welcher Beziehung stehen die Ergebnisse der Fallarbeit zum anerkannten Erfahrungs- und Erkenntnisstand einer Profession und ihrer Bezugsdisziplinen?

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey12

Erkenntnisentwicklung:Ebenen und disziplinäre Zuordnung

a Allgemeindidaktik (beliebige Lehr-Lern-Situation)

bProfessionsdidaktik / Hochschuldidaktik (Grundausbildung)

cProfessionsentwicklung (Weiterbildung für Professionelle im Berufsfeld)

d Forschung im Berufsfeld: Einzelfallforschung

e Spezifische Aspekte fallbezogener Methoden

Lerntheorie

Professionsdidaktik

Wissenschaftstheorie Methodologie

Professionstheorie

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey13

Gesucht: Theoretischer Bezugsrahmen für professionelle Fallarbeit

„Kandidaten“ einer „Passepartout-Theorie“:

Kritischer Rationalismus (Popper)Konstruktivismus (Piaget)Radikaler Konstruktivismus (von Glasersfeld)Th.S. KuhnReflektierender Praktiker (Donald Schön)

Pragmatismus (Peirce / Dewey / James)Forschen / Untersuchen: das Bemühen und der Vorgang, einen entstandenen Zweifel in eine neue Überzeugung überzuführen

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey14

Charles Sanders Peirce: Pragmatizismus

Amerikanischer Philosoph, Naturwissenschafter und Mathematiker Begründer des Pragmatismus und der modernen SemiotikBeiträge zu verschiedenen Wissenschaftsgebieten, z.B. zur formalen Logik, Mathematik, Wissenschaftstheorie, Astronomie. 1877/78: Aufsätze «How to Make Our Ideas Clear» und «The Fixation of Belief» - die «Gründungsurkunden» des Pragmatismus. Einführungen von Nagl (1992) und Oehler (1993); Sammelband: Peirce (1991)

Charles Sanders Peirce (1839-1914)(Foto um 1890, Quelle: Oehler 1993, Umschlag)

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey15

Das Fallverständnis auf dem Hintergrund des Pragmatizismus

Ein Fall ist eine Abfolge konkreter Begebenheiten (Ereignisse, Vorkommnisse, Geschehnisse) von und mit handelnden Individuen (Menschen oder Figuren) in einem spezifischen situativ-geschichtlichen Kontext. Wesentlich für einen Fall ist seine prozesshafte, zeitliche Dimension: Der Fall besteht aus einer Sequenz von Ereignissen, mentalen Zuständen und Geschehnissen mit Individuen als Akteuren. Die Sachverhalte des Falles können einen realen Bezug zur Wirklichkeit haben oder imaginär sein.Zum Fall wird aber eine derart formal gekennzeichnete Handlungssequenz immer erst dann, wenn mindestens ein erkennendes Subjekt darüber nachdenkt, spricht, schreibt und sich ihrer bewusst wird. Die Handlungssequenz steht damit unter einem bestimmten Gesichtspunkt für etwas und erzeugt im Bewusstsein dieses erkennenden Subjekts eine bedeutungstragende Wirkung.

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey16

Von der „Erwartungsbeladenheit” einer Beschäftigung mit einem Fall

Fall

Intention/Impuls

„In Wahrheit jedoch gibt es nur einen Geisteszustand, von dem ausman ‚aufbrechen’ kann, nämlich genau den Geisteszustand, in dem man sich zu der Zeit, in der man ‚aufbricht’, tatsächlich befindet, - im Zustand, in dem man mit einer ungeheuren Masse von bereits geformten Erkenntnissen beladen ist, von denen man sich nicht befreien kann, selbst wenn man es wollte” (Peirce 1991/1905, 434 – CP 5.416)

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey17

„Überzeugung“ und „Erwartungshorizont“ (I)

Am Anfang jeder Fallarbeit: ein grosser Bestand an eigenen Erwartungen oder ÜberzeugungenHypothek und Voraussetzung für einen Denk- und Untersuchungsprozess / für eine Fallbearbeitung

Verwandte Begriffe:„Vorwissen”, „Vorverständnis”, „Vor-Urteile” „Subjektive Theorie”, „Alltagstheorie”, „Implizites Wissen” „Enzyklopädie” bei Eco„Habitus” bei Bourdieu oder Perrenoud (1996),

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey18

„Überzeugung“ und „Erwartungshorizont“ (II)

Der Erwartungshorizont ist diejenige Gesamtheit an Erwartungen, über die eine Person verfügt, wenn sie sich in einem bestimmten Moment mit einer Geschichte oder einer als Problem empfundenen Ausgangssituation beschäftigt. Die Horizontlinie markiert dabei die Grenze zwischen den expliziten und impliziten Vor- oder Hintergrundannahmen einer Person und derjenigen Sphäre, die ausserhalb ihres Gesichtskreises oder Erkenntnisbereiches liegt.

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey19

„Überzeugung“ und „Erwartungshorizont“ (III)

Personengebundenheithandlungsleitende und –orientierende Funktionverleiht den Handlungen, Beobachtungen und Feststellungen erst Sinn und rechtfertigt sieSoziale und kulturelle EinbettungVerwurzelung in der ErfahrungZukunftsbezogenheitUnterschiedlicher Grad der Bewusstheit

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey20

Fall

Intention/Impuls

Phase 1:Erwartungshorizont

des fallbearbeitendenSubjektes

Der Beginn der Beschäftigung mit einem Fall nach Peirce:„Jede Untersuchung beginnt […] mit der Beobachtung eines überraschenden Phänomens, einer Erfahrung, die entweder eine Erwartung nicht erfüllt oder eine Erwartungsgewohnheit des inquisiturus durchbricht. […]. Die Untersuchung beginnt also damit, diese Phänomene nach allen Seiten hin abzuwägen, um einen Blickwinkel zu entdecken, von wo aus sich die Verwunderung lösen wird” (Peirce 1995/1908, 341 – MS 841).

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey21

Irritation: Erwartungsenttäuschung und Zweifel

Erwartung

Irritation

opposites Faktum

Abd

uktio

n

Das Irritationsmoment – die „Hefe“ des Untersuchungsprozesses:

eine „Anomalie“ (nach Th.S.Kuhn)

„Man begegnet einer Schwierigkeit“ (Dewey / Schön)

„kognitiver Konflikt“ / „Perturbation“ (Piaget / v.Glasersfeld)

„Erwartungsenttäuschung“ (Popper)

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey22

Zwei Abduktionskonzepte von Peirce

Konzeption der Schlussformen als Syllogismen (vor 1898)

Konzeption der Schlussformen als forschungs-logischer Dreischritt (nach ca. 1900)

Deduktion

Induktion

Abduktion

Abduktion (Retroduktion)

Deduktion

Induktion

Abn

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Funktion des Schlusses

im Forschungsprozess

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey23

Abduktion: Einführung eines neuen Gedankens, einer neuen Lesart

Erwartung

Irritation

opposites Faktum

Konjektur

„Analogon“Abd

uktio

n

Abduktion (abduktiver Schluss):

Die Abduktion ist das erste Stadium der Forschung, in dem eine Vermutung, eine Hypothese, eine mögliche Erklärung über den fragwürdig gewordenen Sachverhalt gebildet wird. Sie ist dasjenige Verfahren, das „irgendeine neue Idee einführt” (Peirce 1991/1903, 400 -CP 5.171f.).

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey24

Der forschungslogische Dreischritt

„Man beachte, dass weder die Deduktion noch die Induktion den kleinsten positiven Beitrag zur letztlich entscheidenden Konklusion der Forschung liefern. Sie machen nur das Unbestimmte bestimmt: die Deduktion expliziert, und die Induktion evaluiert, das ist alles“ (Peirce 1991/1908, 347 – MS 841). Die Abduktion legt eine Hypothese nahe, die Deduktion zieht daraus operationalisierbareKonsequenzen, welche durch Induktion zu überprüfen sind.

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey25

Fall

Intention/Impuls

Phase 1:

Phase n:

Phase nn:

Abd

uktio

n

Erwartungshorizontder Profession /

Disziplin

Erwartungshorizontdes fallbearbeitenden

Subjektes

Ded

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dukt

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Abschluss

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey26

Abduktion: Einführung eines neuen Gedankens, einer neuen Lesart

Erwartung

Irritation

opposites Faktum

Konjektur

„Analogon“Abd

uktio

n

„Wie kann mit den auf einer bestimmten Entwicklungsstufe zur Verfügung stehenden kognitiven Mitteln eine stärkere kognitive Struktur gebildet werden, die dadurch definiert ist, dass sie Elemente enthält, die weder deduktiv aus der vorangehenden Stufe ableitbar sind noch allein induktiv aus der Erfahrung gewonnen werden können?“ (Hoffman 2000, 33).

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey27

Funktion der Abduktion im Erkenntnisprozess

Anomalie > kohärenzstiftende VermutungDie Abduktion bringt „das zusammen, welches zusammenzubringen wir uns vorher nicht hätten träumen lassen“ (ebd. 404 - CP 5.181); Sie ist ein Akt der Einsicht, doch gewährt sie keine Sicherheit, sie ist gar von „extrem fehlbarer Einsicht“, (ebd.) „eine blosse Vermutung ohne Beweiskraft“ (ebd. 581 - CP 8.209). vorläufig geltende Behauptung, die noch überprüft werden muss.

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey28

„Struktur“ des abduktiven Schlusses

Moment des Spontanen, des KreativenEs gibt kein regelgeleitetes algorithmisierbares Verfahren für die Entwicklung gültiger Erkenntnisse. Ein formal-logisches Verfahren, das vollständig selbstkontrolliert und berechenbar aus einem vorhandenen Erfahrungs- und Erkenntnisstand notwendig und zwangsläufig zu neuen Ideen führt, gibt es nicht. Logik und KreativitätSelbstkontrolle und VersonnenheitDas In-Beziehung-Setzen von bisher Unverbundenem

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey29

Abduktive Erfahrung am Beispiel…

Frage:

Wie muss ich die Seiten dieser beiden Würfel beschriften, damit ich alle möglichen Tage eines Monats anzeigen kann?

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey30

Problemlöseprozess nach Dewey (1910)

1. Man begegnet einer Schwierigkeit. 2. Abgrenzung der Schwierigkeit3. Ansatz einer möglichen Lösung4. Rationale Durcharbeitung:

Logische Entwicklung der Konsequenzen5. Experimentelles Vorgehen, Beobachtungen

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey31

Fall Reflexion in der Handlung, nach Schön, 1983Intention/Impuls

1.Erleben einer Diskrepanz

2.Problemdefinition

3. Re-Situierung des Problems

4. Planung des Ad-hoc-Experimentes

5. Durchführung des Ad-hoc-Experimentes

6. Evaluation der experimentellen Ergebnisse

7. Folgerungen für den weiteren Verlauf… bei Diskrepanz … bei Kohärenz

8. Einverleibung der Erkenntnisse in eigenepraktische Theorie

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Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey32

Zum Pragmatismus von Peirce und Dewey

Der Pragmatismus: Schema von „Zweifel-Überzeugung“„Pragmatizismus“ bzw. „semiotische Pragmatismus“:nach Peirce eine Methode des Denkens und der Reflexion mit dem Zweck, „die Bedeutung schwieriger Wörter und abstrakter Begriffe zu ermitteln” (ebd. 501 – CP 5.464). Ziel von Denk- und Untersuchungsvorgängen:

„lebendige Umwandlung von Symbolen durch Schlussfolgerungen” ein kreativer Prozess des Schlussfolgerns

„durch die Betrachtung dessen, was wir bereits wissen, etwas anderes herausfinden, das wir nicht wissen.” (Peirce 1991/1877, 152 – CP 5.365)

vs. „Instrumentalismus” von Dewey > Handeln

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey33

Fallgeschichte

Intention/Impuls

1.Differenzerfahrung - Erklärung

2.Bezugnahme auf Vergleichshorizonte

3. Bilden einer kohärenzstiftenden Sinnvermutung

4. Bestimmen von Validierungsstrategien

5. Umsetzung der Validierungsstrategien

6. Einschätzung zur Triftigkeit des Deutungsversuches

7. Folgerungen für den weiteren Verlauf

8. Veröffentlichung

6.a) Kommunikative Validierung

Abd

uktio

nD

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tion

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Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey34

Ein eigenesErlebnis,

ein beobachtetesPhänomen aus

der Berufspraxis1

Schluss-folgerungen:

•Empfehlungen für berufl. Handeln

•Persönliche Erkenntnisse

8

Synthese7

Interpretation6

Zuordnung der Daten

5

Festlegen des Bezugsrahmens

und des Analyserasters

4

Fragestellung /Hypothese

3

Niederschrift9

Präsentation10

Rekonstruktion des eigenenErwartungs-horizonts /

Problemstellung2

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey35

Innersubjektiver Bereich Externer Bereich

Erwartung

„Prognose“

Irritation

erneuter neue Zweifel Gewissheit

Faktum

opposites Faktum

Erfahrungstest

Konjektur

„Analogon“

„Repertoire-Element“

Abd

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Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey36

Ausblick - Diskussion

1. Jeder Ansatz fallorientierten Lernens und Lehrens auf Hochschulebene sollte seinen erkenntnis- und professionsbezogenen Hintergrund explizit machen.

2. Fallarbeit mit Peirce als Basistheorie? Ja, aber…3. Professionalisierung durch Fallarbeit:

Anknüpfung an vorhandene Wissenslücken und Problem definierende FragestellungMethodisch-systematisches Verfahren der ErkenntnisbildungDokumentation des Verfahrens und KommunikationKohärenz der Begriffe

Edmund Steiner: Erkenntnisgewinn durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey37

Literatur

Steiner, E. (2005). Erkenntnisentwicklung durch Arbeiten am Fall. Ein Beitrag zur Theorie fallbezogenen Lehrens und Lernens in Professionsausbildungen mit besonderer Berücksichtigung des Semiotischen Pragmatismus von Charles Sanders Peirce. Dissertation, Philosophische Fakultät der Universität Zürich, verfügbar über: http://www.dissertationen.unizh.ch/2005/steiner/diss.pdf.

Die Literaturangaben für alle übrigen in der Präsentation genannten Publikationen finden sich in Steiner (2005).

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Haute école pédagogique du ValaisPädagogische Hochschule Wallis

Quelle: FernaguOudet 1999, 66 u. Umschlag

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Der Ansatz einer Charakterisierung des spezifischen Erkenntnisgewinns durch Fallarbeit im Sinne von Peirce und Dewey

Dr. Edmund Steiner