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Der Architekt | Geschichte und Gegenwart eines Berufsstandes Band 2

Der Architekt Geschichte und Gegenwart eines Berufsstandes … · 2020. 2. 11. · Der Architekt als Erzieher | Ákos Moravánszky Entlassen, vertrieben, eingesperrt, ermordet,

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  • Der Architekt | Geschichte und Gegenwart eines BerufsstandesBand 2

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  • Publikation zur Ausstellungdes Architekturmuseums der TU Münchenin der Pinakothek der Moderne27. September 2012 bis 3. Februar 2013

    Herausgegeben von Winfried Nerdinger

    In Zusammenarbeit mit Hanna BöhmMarkus EisenMirjana Grdanjski Regine Heß Irene MeissnerHilde Strobl

    Ausstellung und Publikation wurden großzügig gefördert von:

    Ernst von Siemens Kunststiftung

    Förderverein des Architekturmuseums der TU München

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  • Der Architekt | Geschichte und Gegenwart eines BerufsstandesBand 2

    Prestel | München · London · New York

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  • InhaltsverzeichnisBand 1

    VorwortStudiere die Architekten, bevor du die Architektur studierst | Winfried NerdingerGeschichte bauen – Altägyptische Baumeister und kulturelles Gedächtnis | Sylvia Schoske und Dietrich WildungDer Architekt im frühen Mesopotamien | Ursula SeidlVon Daidalos bis Isidoros – Der Architekt in griechischer und römischer Zeit | Hanna Philipp Der Architekt im Mittelalter | Günther BindingDer Architekt in der Renaissance | Hubertus GüntherArchitektur als öff entliche Angelegenheit – Ein berufssoziologisches Porträt des Architekten im Barock | Dietrich ErbenDer professionelle Architekt im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert in Deutschland | Klaus Jan PhilippDer Architekt in Deutschland zwischen Historismus und Jugendstil | Dieter DolgnerDer Architekt als Sozialingenieur – Zum Selbstverständnis der Profession in Deutschland im 20. Jahrhundert | Jörn Düwel›Nos architectes‹ – Die Architektenprofession im Frankreich des 19. und 20. Jahrhunderts | Salvatore Pisani›Profession or Art?‹ – Zur Entwicklung des Architektenberufs in Großbritannien | Stefan MuthesiusDie Erben Vitruvs – Schlaglichter zum Beruf des Architekten in Italien im 19. und 20. Jahrhundert | Klaus Tragbar Der Architekt in Spanien | Juan CalatravaVon der Rezession zur Stararchitektur und zurück – Der Architektenberuf seit den frühen 1970er-Jahren | Philip UrsprungArchitekt und Architektur in China | Helwig Schmidt-Glintzer Baumeister und Architekten in Japan | Carola HeinBaumeister und Architekten in Indien | Niels GutschowArchitekt und Architektur im persisch geprägten Asien (15.–17. Jahrhundert) | Sussan BabaieMIMAR – Der Architekt im osmanischen Reich | Zeynep Kuban und Gül CephanecigilDer Architekt im östlichen Europa | Bohdan Tscherkes und Svitlana LindaBauen ›vom Meer zum strahlenden Meer‹ – Der Architekt in Nordamerika | Donald McKay und Robert Jan van Pelt

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  • InhaltsverzeichnisBand 2

    Gott als Architekt | Christian FreigangEs war einmal … – Der Baumeister in Sage und Mythos | Klaus Tragbar Edel sei der Architekt, hilfreich und gut – Zum Berufsethos des Architekten | Martin DüchsDas Antlitz der Baukunst – Gesicht, Hand und Körper des Architekten in der Frühen Neuzeit (1200–1800) | Matteo Burioni Vom Gedächtnis ›großer Männer‹ zur Inszenierung des Global Player – Der Architekt in der Moderne | Regine Heß Werkzeuge des Architekten in der Antike | Hansgeorg Bankel Materialisierung der Ideen – Die Werkzeuge des Architekten | Irene Meissner›It’s not a house you need, it’s a divorce‹ – Zum Verhältnis von Bauherr und Architekt | Stephan TrübyDer Architekt, der Bürger, der Wohnungsbau und die Partizipation | Gerd KuhnAusschreiben um Öff entlichkeit zu gewinnen – Die Entstehung des architektonischen Wettbewerbs | Raphael RosenbergKunstakademien und Architektenausbildung | Ekkehard MaiEuphorie und Ernüchterung – Architektur und Kunst | Klaus Jan PhilippArchitekt und Ingenieur – Aspekte der Entwicklung und Zukunft der Baudisziplinen | Ulrich PfammatterDer Architekt als Theoretiker | Werner Oechslin Der Architekt als Erzieher | Ákos MoravánszkyEntlassen, vertrieben, eingesperrt, ermordet, im Widerstand | Ita Heinze-GreenbergAller Anfang sind wir – Wege von Architektinnen im 20. Jahrhundert | Ute Maasberg und Regina PrinzDer Architekt und die Bühne – Eine Entwicklungsgeschichte | Hilde StroblDer Architekt und die Musik | Christian Z. MüllerArchitekt und Film – Dokumentation, Repräsentation, Set Design | Hanna BöhmVom Architekten zum Stadtplaner | Ingrid KrauGärtner, virtuoso, Gartenkünstler – Zum Berufsbild des Gartenarchitekten in der Frühen Neuzeit | Iris LauterbachDer Garten- und Landschaftsarchitekt in Deutschland ab 1800 | Clemens Alexander Wimmer

    Katalog der ObjekteLiteraturverzeichnisPersonenregisterAbbildungsnachweisDank | LeihgeberImpressum

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    Gott als Architekt | Christian Freigang

    Als Gott gilt allgemein ein personhaft gedachtes Wesen mit überna-türlichen Eigenschaften, von dem sich der gläubige Mensch abhängig fühlt und der die oberste Instanz und den letzten Bezugspunkt aller lebensweltlicher Dinge und Ideen bildet. Insofern stellt Gott im Ge-gensatz zum Anthropomorphismus mythologischer Glaubensvorstel-lungen den absoluten Gegensatz zur Welt dar, ein Prinzip jenseits des Seins (Plato) beziehungsweise den Ursprung aller Bewegung und per-fektestes Sein (Aristoteles). Insofern ist Gott Urgrund und Schöpfer des Kosmos und des Menschen, eben jenes Prinzip, das aus dem Nichts die irdische Welt als beseelte Materie geformt hat. Eine solche grund-legende Denkfi gur – das planvolle, auf den Menschen gerichtete For-men aus dem Nichts beziehungsweise dem Chaos – kann man als ein wesentliches Analogon zur Tätigkeit des künstlerisch werkenden Men-schen sehen, sei er einfacher Handwerker oder gebildeter Architekt. Dieser Zusammenhang existiert in zahlreichen Religionen, etwa in der altorientalischen Vorstellung der Errichtung des Himmelszeltes,1 wird aber vor allem sehr markant in der Bibel – Gott als Weltenschöpfer – wie auch in der antiken Philosophie – der Demiurg als Ordner der Welt – formuliert. Von dort aus hat es entscheidend auf das Selbstverständ-nis der Architektur gewirkt. Konkretisiert man die Vorstellung, Gott habe die Welt geschaff en, auf eine gleichsam architektonische Tätig-keit und versteht konsequenterweise die Welt – metaphorisch oder buchstäblich – als ein architektonisches Produkt, so hat dies weitrei-chende und grundlegende Konsequenzen für jegliche Vorstellungen dessen, was Architektur ausmacht beziehungsweise ausmachen soll. Gott als Architekt bestimmt insofern den Urbeginn der Baukunst, die von absoluter Idealität und Unvergleichbarkeit ist und in der jegliche technische, moralische und ästhetische Qualität ihren Referenzpunkt fi ndet. Die außerhalb oder am Beginn der Zeit geschaff ene Architek-tur kontrastiert mit der irdischen Architektur, die einerseits der na-türlichen Zerstörung unterliegt und andererseits in beständiger Ent-wicklung, Umgestaltung und Umnutzung begriff en ist – ein Prozess, der erst am Ende der Zeit zum Stillstand kommt. Das Wirken der irdi-schen Architekten kann insofern nur als Deszendenz begriff en wer-den, in der die göttliche architektonische Ordnung als nicht erreich-bares Ideal fungiert. Ein solches Deszendenzmodell unterscheidet sich mithin klar von dem geläufi gen Anspruch, das Bauen beruhe auf einer durch den Menschen bewirkten, ständigen Verbesserung einer primi-tiven Urarchitektur, wie das prominent bei Vitruv formuliert ist.2 Die

    berühmte Urhüttenanekdote, nach der die Menschen, angeregt durch ihr Schutzbedürfnis, sich aus den Naturressourcen ihre ersten Behau-sungen kreiert hätten, weist zwar der Architektur einen überaus pro-minenten Stellenwert innerhalb sämtlicher menschlicher Tätigkeiten zu: Im Erkennen ihrer technischen Fertigkeiten, ihrer kommunikativen Potenziale wie ihrer sozialen Bedürftigkeit schaff en sich die ersten Menschen Schutzhütten, in denen gesellschaftliches Kommunizieren umgemünzt ist zum Versprechen beständiger Perfekt ibilität. Was hier aus eminent menschlicher, eben nicht göttlicher Tätig keit als Archi-tektur errichtet wurde, stellt sich aber als primitiver roher Zustand dar, der beständige Verbesserung einklagt. Die Urhüttentheorie Vitruvs unterscheidet sich noch in anderer Hinsicht von der Vorstellung von Gott als Architekt: Während sich der römische Theoretiker konkret auf Architektur bezieht, unterliegen die Ideen des schöpfenden und schaff enden Gottes immer Auslegungs-traditionen, die den Topos des ›Deus creator‹ mal mehr und mal weni-ger als ›Deus architectus‹ verstanden wissen wollen: Ob Gott die Welt ›gebaut‹, ›geformt‹ oder ›gemalt‹ hat, unterliegt kulturellen Einstel-lungen. ›Gott als Architekt‹ ist insofern immer verquickt mit dem Selbstverständnis des Architekten, der gottähnlich oder in der Nach-folge von Gottes Schaff en agiert. Derartigen Zusammenhängen gel-ten die folgenden Ausführungen.3

    Der christlich-jüdische Schöpfergott und Platons DemiurgDie Bibel enthält zahlreiche Begriff e und Begriff sumfelder, die sich auf das Bauen beziehen lassen. Von zentraler Bedeutung sind neben der – gleich weiter zu besprechenden – Auslegung der Erschaff ung des Kosmos gemäß Gen 1,1–2,4 vor allem die König Salomon zugeschrie-benen Weisheitssprüche, in denen die Übermacht Gottes mit dem Hinweis auf dessen Weisheit begründet wird, mit der dessen Hand die Welt aus ungeformtem Stoff geschaff en habe und dabei alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet habe.4 Diese Stellen sind zu verbin-den mit zahlreichen Geboten und Anweisungen Gottes, die sich auf perfekt gestaltete Baulichkeiten beziehen: An Moses ergehen konkre-te Vorschriften für den Bau des Zeltheiligtums (Ex 25,1–31,17, v. a. 25,9), Salomon errichtet dank der von Gott gegebenen Weisheit den Jerusalemer Tempel als aufwendigst ausgestattete Behausung der Bundeslade (1 Kön 5,9–6,38). Zudem ist an mehrere Stellen zu erin-nern, in denen von göttlich eingegebenen Baulichkeiten berichtet wird:

    1 ›Gott als Weltbaumeister‹ aus einer französischen ›Bible moralisée‹, um 1220 (Wien, Österr. Nat. Bibl., Cod. 2554)

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    Der Prophet Ezechiel beschreibt in seiner Vision vom neuen Israel den wieder zu errichtenden Jerusalemer Tempel (Ez 40–48), und in der Off enbarung Johannis (Off 21,9–22,5) ist vom Neuen Jerusalem am Ende der Zeiten die Rede. Im Neuen Testament wird auch insofern die Auff assung Gottes als Architekt aufgenommen, als Paulus im 1. Korin-therbrief die Aufgabe der Apostel als Mitwirkung an der ›Dei aedifi -catio‹, der Bauerstellung Gottes, benennt und vorab dessen Weisheit hervorhebt. Er, Paulus, habe wie ein weiser Architekt das Fundament gelegt (»ut sapiens architectus fundamentum posui«), auf dem alle aufb auen, um gemeinsam den ›Templum Dei‹ zu errichten.5 Die hier benannte und durch weitere Stellen zu belegende und später intensiv weiter ausgebaute ekklesiologische Deutung der christlichen Kirche als ein aus lebenden Steinen gebildetes, perfekt gefügtes Haus6 ent-spricht also einer Vorstellung Gottes, die diesen als weise ordnenden Schöpfer sieht. Das bedeutet nicht unbedingt, dass die Heilige Schrift Gottes Schöpfungstätigkeit als eine primär architektonische meta-phorisiert, wohl aber, dass das theoretische Vorplanen und die (Um-)Gestaltung der irdischen Materie zwei eng miteinander verbundene Vorgänge darstellen, um auf den Menschen bezogene ›Welt‹ zu ermög- li chen. Damit erhält die vitruvianische Grundeinteilung der Architek-tur in ›ratiocinatio‹ als geistig-theoretischer Vorplanung und ›fabrica‹ als deren praktisch-handwerkliche Realisierung eine wichtige Be-stätigung.7 Insgesamt ist nicht allein die Dichte der Architekturme-taphern in der Schrift auff ällig. Dem ›Weltschaff en‹ ist insofern eine zentrale Bedeutsamkeit zugewiesen, als es Anfang und Ende der gött-lichen Off enbarung markiert: Dem irdischen ›Weltbau‹ in der Genesis antwortet die überzeitliche Vision der Himmlischen Stadt Gottes. Ar chi tektur, sowohl weise im Geiste ersonnen als auch materialiter errichtet, bietet also mehrere Perspektivierungen: In temporaler Di-men sion ist das in der Vergangenheit Gebaute Garant und Erkennt-nismöglichkeit von Gottes Wirken, aber auch bildgewordener Verweis auf eine überirdische Zukünftigkeit. In metaphorischer Dimension markiert Architektur eine Schnittstelle zwischen geistig-theoretischer Konzeption, ihrer konkreten Verbildlichung und ihrer Transzendierung: Der Logos schaff t das festgefügte Gebäude, mithin irdische Wirklich-keit, die aber in sich das Versprechen des Überirdischen enthält. Die zweite große Denkfi gur, die dem Topos von Gott als Architekt zugrunde liegt und weitreichende Folgen hatte, ist diejenige des Demi-urgen, des ›Weltbildners‹ (eigentlich der sozial nützliche Handwerker, Künstler beziehungsweise leitende Beamte), wie ihn Platon insbeson-dere in seinem kosmologischen Dialog ›Timaios‹ entwirft (27d–38b).8 Die Unmöglichkeit, die Welt als ewig während zu denken, lässt Platon eine grundsätzliche Trennung zwischen dem unbeweglichen und un-veränderlichen Seienden und dem stets veränderlichen Werdenden annehmen. Die unzähligen Ursachen der Veränderungen gehen letzt-endlich auf eine Ur-Ursache – einen Schöpfungsakt – durch den Welt-bildner zurück. Da die daraus entstandene sichtbare Welt prinzipiell gut und geordnet, aber veränderlich ist, der Weltbildner ebenfalls in Güte geschaff en hat, muss das Vorbild für das Werdende im Bereich des ewig Seienden liegen. Die Weltordnung, die der Demiurg schaff t, ist also ihrerseits ein Abbild ewiger Ordnung und Gesetzlichkeit. Im unteilbaren Sein liegt die Wahrheit, die durch Vernunft zu erfassen ist, ebenso wie dies für das Gute und das Schöne der Fall ist. Gemäß diesem Modell, das sich vor allem in harmonischen Zahlenrelationen äußert, fabriziert der Demiurg die Welt, in der die vier Elemente in

    ihrer sämtlichen Verfügbarkeit als Grundursachen des Werdens ent-halten sind. Angeordnet sind sie als kugelförmiger (also in idealer drei-dimensionaler Form), selbstgenügsamer Himmelskörper in Rotation, der im Wechsel von Tag und Nacht im beständigen zeitlichen Werden ist. Richtig die Elemente zusammenfügend, entstehen daraus Pla-netenbahnen, Götter, Lebewesen. Dank der Vorsorge Gottes wird die Welt zum bestgelungenen Werk gefügt und als beseeltes und ver-nunftbegabtes Wesen geschaff en. – Es ist in unserem Zusammenhang wichtig, dass Platons Demiurg nicht nur als allgemeines Prinzip der Weltschöpfung, sondern überdies als universaler Handwerker er-scheint: Er plant vorausschauend, legt aber doch vielfältig Hand an, indem er ordnet, zusammenfügt, mischt, drechselt. Das bedeutet aber gleichzeitig, dass sich diese als universell verstandenen praktisch-tech-nischen Fertigkeiten des Demiurgen nicht auf eine spezifi sch archi-tektonische Tätigkeit Gottes reduzieren ließen. Die in bemerkenswer-ter Konkretion formulierte Kombination von geistiger Konzeption und handwerklicher Arbeit betont zum einen, dass der Demiurg eben den Übergang von der Sphäre der reinen Ideen zur physikalisch-materiel-len Welt markiert, dabei aber den Bezug des Werdenden der Welt zum Seienden der Ideen unverkennbar hält. Zum anderen bedient sich die platonische Hierarchie von Urbild zu Abbildern beständig Meta-phern des Nachbildens und Imitierens eines Modells, wie sie im dama-ligen handwerklichen Werkstattbetrieb vorzufi nden sind. Die mime-tische Treue zum Vorbild entscheidet über die Qualität des Abbildes und somit über die Erkennbarkeit der Weltprinzipien. Demiurg als Theo retiker und Praktiker sowie als Vater und (einziger) Gott fallen in-soweit bei Platon in einer Person zusammen. Das bedeutet eine klare Wende gegenüber älteren mythologischen Kosmologien. Die Welt ist geschaff en (und nicht etwa ewig bestehend) und sie ist einzig, weil die Güte Gottes nur eine ideale Schöpfung zulassen kann. Hier sind Zusammenhänge genannt, die dem biblischen Schöpfungsbericht ver-gleichbar sind, wiewohl direkte Bezugnahmen Platons auf den Ge-nesisstoff wohl nicht überbetont werden dürfen. Allerdings fügt sich auch das im biblischen Weisheitsspruch genannte Qualitätskriterium einer nach Maß, Zahl und Gewicht geordneten Proportionalität ein in verbreitete antike kosmologische, anthropologische und ästhetische Auff assungen, die eben auch den ›Timaios‹ bestimmen. Die Zusammenführung des biblischen Schöpfungsberichtes und des platonischen Konzeptes des Demiurgen geschieht markant und mit einigen folgenschweren Akzentsetzungen bei dem jüdisch- hel le-nis tischen Schriftsteller Philo von Alexandria (circa 15 v. Chr.–circa 45 n. Chr.). Mosaische Gesetzesnorm und platonische Kosmologie wer-den in seiner Exegese der Weltschöpfung miteinander verbunden: Gott erscheint als Schöpfer und Ordner einer ideal perfekten Welt aus einer präexistenten Materie. Diese sinnlich erfahrbare Welt ist Abbild einer in der göttlichen Vernunft gedachten Ideenwelt. Hierbei bedient sich Philo des Bildes der Stadtgründung, die von einem gütigen Herr-scher veranlasst und durch einen geschulten Architekten (›paideias aner architektonikos‹) zunächst gedanklich vollständig konzipiert wor-den sei. Danach werde sie exakt gemäß diesem geistigen Vorbild ma-teriell umgesetzt. Bei der weiteren Erörterung der Frage, in welcher Instanz dieser Weltbauplan entstanden sei, verschmelzen Gott, Herr-scher und Architekt zu einem transzendenten Wesen, das in der gött-lichen Vernunft das Urbild des Kosmos – den Philo in Einklang mit sei-ner Architekturmetapher mit einer Großstadt (›megalopolis‹) vergleicht

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    – gedanklich erschaff t.9 Gegenüber der platonischen Konzeption des Demiurgen sind hier wichtige Veränderungen zu konstatieren: Denn nunmehr ist aus dem ›obersten Handwerker‹ ein Architekt und Städ-teplaner geworden und er mutiert zu einem Autor, der auch die Ord-nungsprinzipien der Welt selbst schaff t; bei Platon bildeten diese das Modell für den Demiurgen. Zudem agiert Philos Urschöpfer glei-chermaßen als überirdischer Gott wie als weltlicher Herrscher: In der Zusammenführung von Architekt und Staatsmann sind wiederum typische und bis heute wirkende Überblendungen wirksam, die die Selbstdefi nition des Architekten bestimmen. Vitruv hat sie ein halbes Jahrhundert vor Philo in der sogenannten Dinokrates-Anekdote for-mu liert, in der sich der überhebliche und eff ekthascherische Baumeis-ter Dinokrates am weisen und vorausschauend planenden Herrscher Alexander dem Großen messen lassen muss: Ihr megalomanes Pro-jekt, der Umbau des Berges Athos zu einer immensen, von Städten bestandenen Landschaftsskulptur in Form einer männlichen Statue, gehört im Übrigen ebenfalls zum Thema göttlich-architektonischen Wirkens.10 Philo kann als der erste Autor gelten, der das Thema ›Gott als Architekt‹ in der Zusammenführung von Platons ›Timaios‹ und der Genesis facettenreich ausdeutet. Im christlichen Bereich der Ostkir-che wird, so etwa in den Genesiskommentaren von Basilius am Ende des 4. Jahrhunderts und von Philoponos in der Mitte des 6. Jahrhun-derts, die Denkfi gur der künstlerisch-handwerklichen Schöpfung aufgegriff en, um die Anfänglichkeit und Einzahl des Schöpfergottes gegen die aristotelische Tradition einer ewig bestehenden Welt zu rechtfertigen. Dabei wird etwa der notwendig konsekutive und kau-sale Werkprozess beim Schiff s- und Hausbau angeführt, der immer einen ›Beginn‹, zum Beispiel im Legen des Kiels beziehungsweise des Fundaments, haben müsse.11 Was die lateinische Tradition betriff t, so erscheint schon seit dem ersten vorchristlichen Jahrhundert der Demiurg in den Kommentaren zum ›Timaios‹ ebenfalls deutlich als bauender Werkmeister: Cicero etwa übersetzt den Begriff mit ›opifex‹ und ›aedifi cator mundi‹ und fragt im Übrigen sarkastisch-kritisch danach, mit welch unzureichen-den konkreten ›Zurüstungen, Werkzeugen, Hebeln und Maschinen‹ der Weltenbau eigentlich realisiert worden sein solle.12 Im 2. Jahrhun-dert übersetzt Apuleius ›exstructor omnium rerum‹, ›aedifi cator‹ be-ziehungsweise ›fabricator mundi‹ und bezieht die Qualität dieser Kosmoskonstruktion auf ihre Ordnung nach Maß und Zahl.13 Die für die Folgezeit maßgebliche lateinische Übersetzung des ›Timaios‹ durch Calcidius von Cordoba (um 400) verwendet beide Begriff e.14 Vor allem über Basilius und somit in der Tradition von Philo stehend, übernimmt Ambrosius in seiner Auslegung des Sechstagewerkes das Bild des architektonisch wirkenden Schöpfergottes und zeichnet es mit zahlreichen Begriff en aus dem Werkprozess nach.15 Die Anfäng-lichkeit der Schöpfung ist bezogen auf ihre evidente Schönheit, in der sich Gottes Wille und Güte off enbare. Im Weiteren wird Laktanz Gott gleichsam als Universalgenie verstehen, das unterschiedliche künst-lerische Gattungen beherrsche, nämlich den Aspekt der bildhaueri-schen Schönheit bei der Schöpfung des Menschen wie die planvolle Bedachtsamkeit beim Bau eines Hauses.16 Augustinus betont in seinem Genesiskommentar, wiederum in der Tradition von Philo stehend, dass die aus dem Weisheitsspruch abzuleitenden Kriterien der Weltschöpfung nicht vor Gott existierten.

    Maß, Zahl und Gewicht sind die Bedingungen der göttlich bewirkten Welt schlechthin: Gott begrenzt alles, formt alles und ordnet alles, ist gleichzeitig die unmessbare Potenzierung dieser Kategorien. Dieses Formen und Ordnen gilt aber nicht nur für Steine und Hölzer und Kör-per, sondern auch für die Moral: Maß im Handeln, Zahl in der Tüchtig-keit der Seele und Gewicht im Willen.17 Abseits von solchen kosmologischen Erörterungen manifestieren sich die ekklesiologischen Dimensionen des göttlichen Architekten grundlegend vor allem bei Beda Venerabilis zu Beginn des 8. Jahrhun-derts. Der Tempelbau Salomons verweise auf die perfekte Vollendung der christlichen Kirche, die prototypisch im Bundeszelt Mose angelegt sei, nun aber mithilfe der heidnischen, nichtjüdischen Werkleute des zu Hilfe gezogenen Freundes Salomons, Hiram, ausgeführt worden sei.18 Diese ekklesiologische Deutung überblendet nun die kosmolo-gische Interpretation des Schöpfergottes, wie etwa Bedas eigener, auf die Erschaff ung des Menschen konzentrierter Kommentar der Ge-nesis deutlich macht.19

    Gott als Architekt und der mittelalterliche WerkmeisterAuch die weitere Exegese setzt allerdings kaum weitere Akzente, die es erlauben würden, die Vorstellungen von Gott als Architekt auf das zeitgenössische Verständnis der Architektur zu beziehen. Wesentlich bleibt die Trennung zwischen geistiger Vorplanung als der eigentli-chen Leistung und der materiellen Umsetzung eines Gebäudes. Die scholastischen Kommentatoren der Genesis bauen insofern auf der architektonischen Metapher der Kirchenväter auf, beanspruchen aber, den Schöpfungsbericht konziser als zuvor auf naturwissenschaftlich-philosophische Kriterien beziehungsweise die Off enbarungsweisen Gottes zu beziehen und solchermaßen den Stoff in vielfacher Weise theologisch auszulegen. Bei Thierry von Chartres’ Genesiskommen-tar und den Glossen von Guillaume de Conches zum ›Timaios‹ werden vier Entstehungsgründe der Erschaff ung der Welt angeführt, diese auf die trinitarische Erscheinungsweise Gottes bezogen, aber die genuin architektonischen Gehalte des Topos nicht weiter verfolgt.20 Immerhin vergleicht in Alanus ab Insulis’ ›Klage der Natur‹ (entstan-den um 1170) die Personifi kation der Natur die kosmische Ordnung mit einem ›Weltpalastbau‹ (›palatii mundialis fabrica‹), der durch geis-tige Vorplanung entstanden sei, so wie dies ›ein erlesener Architekt der Welt, oder ein kunstvoller Goldschmied, oder ein Werkmeister be-wundernswürdiger Gegenstände‹ bewerkstellige.21 Solche in der Auf-zählung verschiedener Handwerkssparten liegenden Überbietungs-fi guren deuten darauf hin, dass die Metapher von Gott als Architekt nunmehr begriffl ich kaum mehr diff erenzierbar erscheint. Das zent-rale Argument, die Unterscheidung zwischen weiser Planung und per-fekter Ausführung, wird zudem nunmehr bei Alanus ab Insulis von ›natura‹ als Zwischeninstanz ausgeführt, die insofern, um im Bild zu bleiben, als ›Bauleiter‹ fungieren würde. Anders als es die sehr erfolg-reichen Deutungen der Gotik als gebauter Scholastik sehen wollten, wie sie in der Mitte des 20. Jahrhunderts vorgebracht wurden, ist in-sofern der Zusammenhang zwischen theologischen Refl exionen und architektonischer Praxis eher gering.22 Das gilt im Übrigen auch für den berühmten Abt Suger, dessen wortreiches Engagement um den frühgotischen Neubau der Abteikirche von Saint-Denis vor allem litur-gische und legitimatorische Hintergründe hat.23 Anders verhält es sich freilich mit der vielfach belegten, bis in die Neuzeit reichenden Ver-

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    gleichung von herausragenden Bauherren mit dem ›sapiens architec-tus‹ König Salomon.24 Hier ist die erinnerungswürdige Fortsetzung gott gefälliger Tätigkeiten in der Nachfolge des alttestamentarischen Herrschers gemeint, aber eben nicht eine werkmeisterliche Planung und Ausführung, die in unserem Zusammenhang interessiert. Dass die Denkfi gur von ›Gott als Architekt‹ in den Texten nicht weiter ausgeführt wird, mag eben daran liegen, dass sich die Praxis des Architektonischen im spätromanischen und frühgotischen Bauen mehr und mehr als hochkomplexe, sich spezialisierende und aus dif-ferenzierende Tätigkeit erwies. Die komplizierte Logistik, das Spezia-listentum der leitenden Werkmeister, die zunehmende Verwendung von Vorzeichnungen und mobilen Rissen und nicht zuletzt die soziale Diff erenzierung innerhalb der Baufachleute ließen die Gleichsetzung des Werkmeisters als ›Handwerker‹ beziehungsweise als Weltschöp-fer wohl anachronistisch erscheinen. Hugo von St. Viktor reiht in sei-nem ›Didascalicon‹ die Architektur immerhin in die Artes mechanicae ein. Thomas von Aquin trägt off enbar der Ausdiff erenzierung im Bau-wesen Rechnung, wenn er den ›Architector‹ vom bloßen ›Arti fex‹ ab-setzt, und der Pariser Baumeister Pierre de Montreuil wird auf seinem Grabmal ehrenvoll als ›doctor lathomorum‹ – Doktor der Steinmetze – verewigt.25 Derartige Diff erenzierungen und Spezialfähigkeiten blei-ben aber außerhalb theologischer oder theoretischer Diskurse. Wenn die Komplexität des Bauens im Zeitalter der Gotik kaum noch in Texten als Tätigkeit Gottes auszudeuten ist, so kann das archi-tektonische Entwerfen aber durchaus in bildlichen Kontexten mit dem Schöpfergott in Beziehung gebracht werden. Die berühmtesten bild-lichen Umsetzungen von Gottvater als Architekt entstammen einer Gruppe von Handschriften aus dem 13. Jahrhundert, die einen bildli-chen Kommentar zu Bibelszenen aufweisen, den ›Bibles moralisées‹. Es handelt sich um vier für den französischen Königshof angefertigte, aufwendige Bilderbibeln, die im Sinne eines Fürstenspiegels menschli-ches Handeln und Glauben kommentieren.26 Den teilweise Tausenden von Bildszenen vorangestellt sind jeweils ganzseitige, groß formatige Miniaturen, die Gottvater als Schöpfer der Welt zeigen. Dabei er-scheint er in den meisten Handschriften als Thronender – was bildlich auf sogenannte Majestas-Domini-Typen der himmlischen Erscheinung Christi beziehungsweise auf sein Richteramt am Ende der Zeit ver-weist. Somit antizipiert das Bild der Erschaff ung der Welt gleichzeitig deren am Jüngsten Tag besiegelte Endlichkeit. In allen Frontispizen aber hantiert Gottvater mit einem großen Zirkel, mit dessen Hilfe er die Welt als runde Scheibe entwirft. Zwar hat dieses Attribut in Kom-bination mit einer Waage und Blasinstrumenten als Referenz auf Gottes Schöpfungswerk nach Maß, Zahl und Gewicht durchaus eine Tradition in der Verbildlichung der Genesis.27 Die Vereinzelung und Her vorhebung des Attributs des großen Zirkels in den ›Bibles morali sées‹ muss aber als eine klare Referenz einerseits auf die Freie Kunst der Geometrie und andererseits auf die Tätigkeit eines planenden Werkmeisters gelesen werden. Dergestalt sind diese mit analogen Instrumenten in anderen mittelalterlichen Darstellungen abgebildet, etwa in den Architektenbildern, die im Fuß-bodenlabyrinth der Ka thedrale von Reims zu fi nden waren.28 Berühmt ist vor allem die Eingangsminiatur der Wiener Handschrift ÖNB 2554, denn hier ist Gottvater nicht als Thronender gegeben, sondern scheint in eine Rahmenkonstruktion einzutreten. Er beugt sich dabei mit einem Bo denzirkel in seiner Rechten über die Kosmosscheibe auf

    Höhe seiner Unterschenkel. Während das Messgerät die Weltscheibe exakt um zirkelt, scheint die Linke Gottes diese gleichermaßen zu hal-ten wie in Rotation zu versetzen. Diese eindeutige bildliche Konkreti-sierung des Schöpfergottes als Werkmeister spiegelt nun wohl den neuen Status der Baumeister, der essenziell über deren Beherrschung geometrischer Entwurfsarbeit begründet ist. Dies ist etwa einigen Werkmeistergrabmälern zu entnehmen, auf denen die Profession des Verstorbenen im geometrischen Konstruieren von Fensterrosen ver-bildlicht ist.29 Auff ällig an den Abbildungsstrategien des Schöpfergottes in den ›Bibles moralisées‹ ist aber auch, dass die geometrische Entwurfs-arbeit erkennbar dem Entwurf der Eingangsminiaturen selbst zugrun-de liegt. Gottvater ist in den lateinischen Exemplaren in Wien, Oxford und Toledo hieratisch inmitten einer aufwendigen geometrischen Vierpasskonstruktion präsentiert.30 Derartige Vierpassfi guren als Bild-rahmung sind zwar in der Buchmalerei nicht ganz neu, in der bildlichen Überblendung mit Werkmeisterattributen verweisen sie aber auf ein damals höchst innovatives Element in der Architektur, nämlich das Maßwerk, dessen Grundlage eben die präzise geometrische Ermitt-lung darstellt und das ab 1210 zu der gotischen Dekorationsfi gur schlechthin wird. Im Wiener Exemplar 2554 gibt es zwar keine Vier-passrahmung, doch liegen die konzentrischen Umkreise von Kopf und Nimbus Gottes auf einer Vertikalachse, auf der unten der Mittelpunkt der Weltscheibe eingesetzt ist. Die präzise und detailgenau gezeigten Zirkel der Frontispize vollführen nun scheinhaft eben die Konstruk-tion der Bildseite, denn ihre Schenkel deuten auf den Mittelpunkt be-ziehungsweise die Randkontur der Weltscheibe. Diese selbstreferen-zielle Bildstrategie erweist also auch den Buchmaler der Handschrift als exakt konstruierenden Geometer, der gleichsam sein eigenes Instrument – den Zirkel – bildlich vorführt. In dem in New York aufb e-wahrten Schlussteil der Toledaner Bibel erscheint die exakte geome-trische Auszirkelung der Bildmedaillons nochmals als Bild – nämlich in der Schlussminiatur, wo sich ein gelehrter Konzeptor und ein Buch-maler gegenübersitzen.31 Letzterer hat eben die geometrische Grund-anlage der Medaillonkreise vorgeritzt. Im Register darüber thronen König und Königin als Adressaten der Handschrift. Gott als Architekt hat die Welt – so argumentiert die Bildstrategie – nach allen Regeln der architektonisch-geometrischen Kunst exakt entworfen, doch diese Prinzipien bestimmen überdies auch die perfekte formale Anlage der Handschriften – ein Aspekt, der wiederum zurückwirkt auf die fürst-lichen Adressaten der ›Bibles moralisées‹, denen es letztendlich auf Erden obliegt, alles nach Maß, Zahl und Gewicht zu ordnen. Derartige Bildtraditionen sind auch noch in einer späteren Ver-bildlichung von Gott als Architekt präsent: Die – dem Maître de l’Annibal d’Harvard zugeschriebene und um 1415/20 entstandene – Illustra-tion der Weltschöpfung in den berühmten ›Antiquités judaïques‹32 zeigt Gottvater inmitten einer runden, von Engelschören ausgefüllten Scheibe, in der er mit einem großen Zirkel hantiert, dabei die Welt als Kreis entwirft. Diese zeichnet sich, in off ensichtlicher Identität zum Gottesmedaillon als runder Kreis ab, der in die quadratische Miniatur einbeschrieben ist und im oberen Teil als Zodiakus, in der unteren Hälfte als Uferlinie des Paradieses formuliert ist. Gottes Tätigkeit wird unterstützt von vier Engeln, die Steinwaage, Winkel, Zimmermanns-bohrer und Klöpfel vorzeigen: Gottes Werk ist demjenigen eines Archi tekten und Zimmermanns sowie eines Bildhauers vergleichbar;

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  • 3872 ›Gott als Weltbaumeister‹ aus einer französischen ›Bible moralisée‹, um 1220 (Oxford, Bodleian Library, 270b)

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  • 3 ›Gott als architektonischer Schöpfer der Welt‹ aus den ›Antiquités judaïques‹, 15. Jh. (Paris, BNF, ms. fr. 247)

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    außerdem kann es assoziiert werden mit der Feinmechanik, denn die verschiedenen, ineinandergreifenden Kreismotive der Bildseite sind durchaus mit einem Räderwerk zu vergleichen.33 Das sind jedenfalls die herausragenden Metiers, die auch für die großen Sakralbauten des späten Mittelalters zusammengeführt werden mussten.

    Gott als Architekt und der Architekt als Gott in der Frühen NeuzeitDie vielschichtige und lange spätantike und mittelalterliche Tradition des architektonisierenden Gottes wird in bezeichnender Weise bei dem Initiator der neuzeitlichen Architekturtheorie, Leon Battista Al-berti, aufgegriff en und neu im Architekturdiskurs verortet. Dies ist we-niger seinem berühmten, in der Mitte des 15. Jahrhunderts entstan-denen Architekturtraktat ›De re aedifi catoria‹ zu entnehmen als der wohl gleichzeitig verfassten Satire ›Momus seu de principe‹. Die ko-mödiantische Parodie einer Götterversammlung erzählt vom Plan der Götter, angesichts der Verkommenheit der Menschen eine neue Welt zu erbauen. Doch aufgrund der Eitelkeit, des Egoismus und der Ver-blendung der antiken Göttergestalten misslingt dieses Vorhaben gründlich: Verführt durch den destruktiven Gott der Kritiksucht, Mo-mus, suchen die göttlichen Bauherren Rat bei geschwätzigen Philoso-phen, Wiedergänger von antiken Autoritäten, die als wundersame und weltferne Wirrköpfe erscheinen. Am Ende beschließt man, von die-sem Vorhaben abzulassen, denn die ideale Weltschöpfung, der nichts hinzugefügt und von der nichts entfernt werden kann, erweist sich als unzerstör- und insofern auch nicht erneuerbar.34 Der Roman lässt ver-schiedene Lesarten zu: In der beißend ironischen Vorführung von höfi schen Charaktereigenschaften, die durch die Götter personifi ziert werden, reiht sich das Werk in die Tradition der Hofk ritik und fungiert zugleich wie das negative Zerrbild eines Fürstenspiegels. Zudem appel liert der Subtext daran, Baukonzeptionen und -planung eines Gemeinwesens nach den richtigen Kriterien vorzunehmen – was die korrupten und einfältigen Göttergestalten ebenso wenig leisten wie die irdischen Weltbewohner. Eingerahmt ist diese Vorstellung aller-dings in die Auff assung von der göttlichen Konstruiertheit der Welt: Den ›Prinicipem opifi cemque rerum, optimum et maximum Deum‹ müsse man aufgrund seiner Einzigartigkeit und alles umfassenden Einheit vom Menschen absetzen:35 In dieser den Roman einleitenden Passage wird nicht nur das Formular päpstlicher Diplome karikiert, sondern die antike und mittelalterlich-scholastische Figur des Welten-baumeisters aufgerufen. Doch die zu erwartenden ewigen Ordnungs-kriterien sind höchst weltlichen Kämpfen gewichen. Was die Götter selbst im Himmel errichten, erweist sich als unsinnige Verschwen-dung. Ein gigantischer, aus Gründen der Eifer- und Prunksucht Junos erbauter goldener Triumphbogen stürzt umgehend mit Getöse auf das bronzene Himmelsgewölbe.36 Augenzwinkernd ironisch fi ndet auch der scholas tische Disput über die Ewigkeit beziehungsweise die Anfänglichkeit der Welt Eingang in die geschwätzigen und unerheb-lichen Dispute der Philosophen: Ob die Welt wohl von einem einzigen Baumeister errichtet worden sei, obwohl es doch unmöglich sei, für solch ein Vorhaben überhaupt Architekten zu fi nden.37 Aber dieserart Fragen sind unerheblich für die richtige Architektur, die im Subtext als ethisch und sozial begründete politische Aufgabe erscheint, die rati-onaler und umsichtiger Vorplanung bedarf: Und eben diesen wesent-lichen Fragen ist denn auch das eigentliche Architekturtraktat Alber-

    tis gewidmet: Dieses stellt sich mithin nicht nur als in seiner Diktion seriöses und sachliches Komplement zu der humoristischen Parodie vom Neubau der Welt durch die Götter dar. In ›De re aedifi catoria‹ ha-ben Speku la tionen über Gott als Architekt keinen Platz (mehr), weil die Architektur zu komplex determiniert, historisch fundiert und so-zial verant wortungsvoll ist, um sie theologischen Spekulationen zu überlassen: Diese sind bei Alberti konsequenterweise in den Bereich der Satire verbannt, und in dieser Distanzierung sollen sie auch blei-ben. An die Stelle Gottes tritt schon seit dem späten Mittelalter der verantwortungsvoll und weise bauende Fürst, der zwar göttlich legi-timiert ist, dem aber mehr und mehr auferlegt ist, irdische Wissen-schaft perfekt und zum Wohle des ›bien publique‹ zu beherrschen: Kaiser Maximilian I. etwa präsentiert sich in seiner Pseudo-Autobiogra-fi e ›Weiß kunig‹ als allseitig gebildeter Herrscher und im Speziellen eben auch als besserer Vitruv-Kenner als ein gewöhnlicher Baumeis-ter.38 Ähnlich gilt das für das Selbstverständnis vieler anderer Fürsten seit dem 14. Jahrhundert. Schon Christine de Pizan hatte den franzö-sischen König Karl V. um 1400 in Kriterien gelobt, die seine über-ragenden geometrischen Kenntnisse, sein weises Künstlertum und seine wahre Architektenschaft herausheben.39 Es ist nicht erstaunlich, dass der mythische, aber bis um 1600 nicht als konkrete Architektur formulierte göttliche Uranfang der Archi-tektur in dem Moment an Bedeutung verlieren musste, in dem die vitruvianisch-naturalistische Erklärung der Architektur aus einer pri-mitiven Urarchitektur seit dem 15. Jahrhundert mit der neuen Rezep-tion von Vitruv wieder auf den Plan trat. Entsprechend fi ndet sich eine zu Alberti parallele Relativierung der Vorstellung von Gott als Archi-tekt auch bei dem zweiten wichtigen Architekturtheoretiker, Filarete, der den Ursprung der Baukunst in einer Art Kompilation vitruvia-nischer und biblischer Berichte Adam als dem ersten schutzbedürfti-gen Menschen zuschreibt.40 Als Topos hält sich die Vorstellung von Gott als architektonischem Schöpfer des Universums gleichwohl, wie etwa Vasari in den Vor- reden zu den ›Viten‹ ausweist, nach denen der allvollkommene ›di vino architetto del tempo e della natura‹ den Menschen die Fähigkeit ver-liehen habe, nach Perfektion zu streben.41 Beson ders eingehend führt es im französischsprachigen Bereich Philibert de L’Orme aus, für den Gott »le seul, le grand, et l’admirable Architecte, qui a ordonné & creé de sa seule parole toute la machine du monde tant celeste que ele-mentaire & terrestre, avec un si grand ordre, une si grande mesure, & si admirables proportions« darstellt, dessen vorbildhaften Architek-turwerke in der Bibel beschrieben seien.42 Vitruvianische und biblische Traditionen zur Entstehung der Architektur stehen insofern unvermittelt nebeneinander. Im Zuge der theoretischen Systematisierung der Architektur etabliert sich nun-mehr der Gedanke, dass auch der irdische Architekt in Analogie zu Gottes architektonischem Werk agieren kann, insbesondere in der neoplatonisch inspirierten Kunsttheorie des Manierismus und ihrer Auff assung der ›Idea‹ als göttlich bedingter Urform alles künstleri-schen Schaff ens. Zwar behandelt diese nur fallweise die Frage der architektonischen Schöpfung, doch ist damit der Grund für die folgen-reiche Gleichsetzung des architektonischen mit dem göttlichen Schöpfertum gelegt. Vor allem in der 1607 erschienenen Kunsttheo-rie von Federico Zuccari, ›L’Idea de’ pittori, scultori, et architetti‹ wird der göttlichen Kreation des irdischen Paradieses durch Gott das Wir-

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    4 Hans Burgkmair, Der Kaiser als Baumeister im ›Weißkunig‹, um 1515

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    ken des inspirierten Künstlers und Architekten gegenübergestellt.43 In der Unterteilung des Schöpfungsprozesses des Künstlers in einen göttlich eingegebenen ›Disegno interno‹ und einen ›Disegno exter-no‹, der den materiell-zeichnerischen, künstlerischen Entwurfspro-zess meint, liegt eine prinzipielle Teilhabe des Entwerfenden an der Ideen bildenden Kraft Gottes. Das Verfahren der Wirklichkeit schaf-fenden Natur Gottes ist grundsätzlich identisch mit demjenigen der künstlerischen Produktion des Menschen. Im Bezug auf die Architek-tur gleiche die Erschaff ung der Erde mit ihren Höhlen und Bergen der menschlich-architektonischen Tätigkeit ihrer Ausstattung mit Pyra-miden, Kolosseen und anderen Prachtbauten.44 Der gute und gebil dete Architekt konzipiert und entwirft im Einklang mit und im Abbild der göttlichen Weltschöpfung. Nunmehr scheint der Moment erreicht, an dem der Architekt sich selbst mit Gott vergleichen kann. Die bei Zuccari ausgebreitete Gedankenfi gur hatte wohl deswegen vor allem seit dem 16. Jahrhundert eine umfas-sende Wirkung, weil der Topos schlagwortartig schon in der Michel-angelo-Biografi e Vasaris Eingang gefunden hatte: Angesichts der Ver-geblichkeit perfekter Naturnach ahmung in den Künsten habe der ›Rettore del cielo‹ die Erde mit dem göttlich inspirierten Universal-künstler Michelangelo Buonarroti gesegnet, der in allen Gattungen, so auch der Architektur, exzelliere.45 Die Frage nach der architektonischen Autorschaft Gottes, ihrer absoluten Autorität und der Integration dieser Auff assung in den mo-dernen Vitruvianismus stellte sich mit besonderer Dringlichkeit im Zu-sammenhang mit den konfessionellen Auseinandersetzungen des 16. Jahrhunderts. Bezeichnend und von besonderer Prägekraft waren hierbei die in Spanien unternommenen Versuche, die verschiedenen Angaben und Visionen zu den biblischen Bauten und Tempeln, also vor allem die Arche Noah, das Bundeszelt, den Jerusalemer Tempel König Salomons und die himmlischen Tempelvisionen des Propheten Ezechiel respektive der Apokalypse, kritisch-philologisch zu kommen-tieren. In diesem Zusammenhang hatte der Bibliothekar des Escorial, Benito Arias Montanus, 1572 verschiedene historische Tempelbauten unterschieden und dabei die Ezechiel-Vision als verlässliche Textquel-le ausgeschieden.46 Ganz anders gingen wenig später die Jesuiten Jerónimo Prado und Juan Bautista Villalpando vor: In einer monumen-talen und alle verfügbare Gelehrsamkeit – insbesondere auch Vitruv – ausschöpfenden Kompilation rekonstruierten sie die Vision Ezechi-els. Dessen Worte würden sich getreu auf die Form des Jerusalemer Tempels Salomons beziehen lassen, der wiederum von Gott direkt inspiriert gewesen sei.47 Prados und Villalpandos Rekonstruktion dieser göttlichen Architektur in Form einer auf überhohen Substruk-tionen gelegenen Palastanlage auf perfekt quadratischem Grundriss hat nicht von ungefähr enge formale Bezüge zur gleichzeitigen Erbau-ung des spanischen Palastklosters Escorial. In beiden Fällen geht es darum, die spanischen Könige Philipp II. sowie Philipp III. als allerchrist-lichste, katholische Nachfolger Salomons vorzuführen. Nach dem Ge-schichtsschreiber José de Sigüenza lasse sich eine direkte Linie von den göttlichen Geboten zum Bau der Arche, der Stiftshütte, des Tem-pels und schließlich des Escorial ziehen: Der spanische König handelt als Bauherr nicht nur weise, sondern als vom göttlichen Baumeister inspiriert. Analog argumentiert das Werk Villalpandos, das im Auftrag des spanischen Königs intendiert, eine detailgenaue, über jeden Zwei-fel erhabene bildliche Rekonstruktion dieser göttlichen Architektur

    vorzunehmen. Die Off enbarung dieses Bauplanes hat ekklesiologische und eschatologische Dimensionen: Sie nimmt zum einen den paulini-schen Topos der perfekt geordneten, von Christus gestifteten ›eccle-sia universalis‹ auf und bezieht sie auf die katholische Kirche und ih-ren Schutzherren, den spanischen König. Zum anderen beansprucht Villalpandos Rekonstruktion Heilsgewissheit: Der göttlich off enbarte Tempel erweist sich als eine perfekt harmonisch proportionierte und symbolisch überaus komplexe Architektur. Derartige Exegesen des Tempels fußen auf einer langen Tradition, die, wie erwähnt, vor allem auf Beda Venerabilis’ Schrift ›De Templo‹ zurückzuführen ist. Bei Villalpando verbindet sich aber die vitruvianisch-anthropologische Proportionsharmonie mit weitreichenden kosmologischen Bezügen, kann insofern nicht nur eindeutig als ein Werk Gottes gelten, sondern auch als ein umfassendes gebautes Abbild der von ihm geschaff enen Welt.48 Als die perfekte Architektur schlechthin muss der Tempel auch seine eigene Säulenordnung aufweisen, die Villalpando orientalisierend mit Granatäpfeln beziehungsweise Lilienschmuck rekonstruiert. Die detailgenaue und suggestiv in großformatigen Stichen visualisierte Rekonstruktion der göttlichen Urarchitektur hatte weitreichende Kon-sequenzen: denn nunmehr war mit dem Urbauplan der Welt auch ein konkret formuliertes, gleichwohl unerreichbares Architektur modell verbunden, an dem sich historisch und ideell alle nachfolgenden Bau-lichkeiten zu orientieren hatten. Insofern gibt es eine reiche Rezep-tion von Villalpandos göttlichem Riesentempel in der Architektur-theorie. Auch im Bereich der realisierten Architekturen reicht diese Rezeption von barocken Klosteranlagen nach dem sogenannten Esco-rial-Schema, also quadratischen Klosterarealen mit betonter zentra-ler Kirche, bis hin zu quadratischen, rasterartig unterteilten Idealstadt-anlagen wie dem 1638 von John Davenport konzipierten New Haven (Connecticut).49 Villalpandos archäologisch-philologische Überzeugungskraft, mit der er die göttlichen Ursprünge von Gottes Wirken aus dem Alten Testa ment rekonstruiert und illustriert hatte, ließ aber zum einen die Frage aufk ommen, wie von dort ausgehend die Chronologie der anti-ken und der außereuropäischen Baukunst zu verstehen sei.50 Zum an-deren musste der jesuitische Wahrheitsanspruch, Gottes Wirken im Bauen nachgewiesen zu haben, auf protestantischer Seite kritische Reaktionen herrufen. Vor allem der deutsch-niederländische Mathema-tiker und Architekturtheoretiker Nikolaus Goldmann sowie der dessen Schriften herausgebende deutsche Architekturtheoretiker Christoph Leonhard Sturm bemühten sich deswegen um 1700 um eine korri-gierte Umdeutung von Villalpandos Tempelrekonstruktion. Gerade in den Niederlanden, wo Goldmann lebte, hatte die Auff assung von der göttlich off enbarten Architektur rasch Aufnahme gefunden, wie die Vor rede zu dem 1631 herausgegebenen Architekturtrakt des Dich-ters, Malers und Baumeisters Salomon de Bray erweist.51 Goldmanns und Sturms neuer Ansatz wird damit begründet, dass sich Villalpando nicht an Luthers Auslegung der Bibel gehalten habe.52 Goldmanns Anspruch war, Architektur als streng wissenschaftlich-mathemati-sches System darzustellen, das letztlich Ausfl uss der Off enbarung Gottes sei. Diese habe im Tempel Salomons ideale baukünstlerische Gestalt angenommen. Um dies nachzuweisen, war zum einen die de- taillierte Kenntnis der proportionalen Ordnung sämtlicher Bestand-teile des Tempels notwendig. Um die überbrachte Wertschätzung der antiken Architektur nicht zu gefährden, musste zum anderen sicher-

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  • ge stellt sein, dass der Entwicklungsgang der älteren Architektur bruchlos verlaufen war: Entsprechend wird von der Idealarchitektur des Tempels auch die nachfolgende Architekturentwicklung über den vorderen und mittleren Orient, Griechenland und Italien abgeleitet. Das damit zu sammenhängende Axiom Goldmanns, die überkommende Reihe der Säulenordnungen spiegele auch eine historische Evolution, war insbesondere auch durch Vincenzo Scamozzi ausgearbeitet wor-den.53 Dieser hatte bereits in seine Architekturlehre den göttlichen Ursprung der Architektur nach Villalpando aufgenommen, ihn aber neben die konkurrierende Urhüttentheorie nach Vitruv gestellt. Sturm beschreitet in seiner Edition Goldmanns einen etwas anderen Argu-mentationsgang. Auch er hatte sich bereits in einer frühen Schrift da-rum bemüht, die verschiedenen Textüberlieferungen des Jerusalemer Tempels – im ersten Buch der Könige, der Ezechiel-Vision, bei Flavius Josephus und der rabbinischen Überlieferung – miteinander zu ver-glei chen.54 In seiner Kommentierung von Nicolaus Goldmann bettet Sturm in die weltgeschichtliche Ableitung der Säulenordnungen vom Salomonischen Tempel auch eine neu erfundene ›Deutsche Ordnung‹. Diese müsse zwischen der ›Jonica‹ und der ›Corinthia‹ ihren Platz fi n-den und könne damit chronologisch der historischen Bedeutsamkeit Deutschlands seit der Antike und seines männlichen Nationalcha rak-ters Rechnung tragen. Mit dieser – stark pietistisch unterlegten – In-ter pretation des Tempels Salomons war es möglich, eine göttlich legi timierte Architekturfi liation historisch auf das protestantische Deutschland zu beziehen und insofern gegen die katholischen Bemü-hungen anzutreten.55

    Göttliche Vernunft und göttliche Beseelung der Architektur um 1900 Wenn im 18. Jahrhundert die menschliche Vernunft an die Stelle der mythischen Gottesvorstellung tritt, dann hat dies weitreichende Aus-wirkungen auf das Selbstverständnis der irdischen Baumeister: Denn ihnen obliegt es nun, den ›contrat social‹ so umzusetzen, dass eine anschauliche und funktionierende räumliche Ordnung innerhalb der menschlichen Gemeinwesen entsteht. Insofern sind die frühsozia-listischen Utopien egalitären Zusammenlebens wiederholt in architek-tonische und urbanistische Entwürfe gegossen worden.56 Bei Robert Owens Mustersiedlung New Lanark oder ihrem nordamerikanischen Pendant ›New Harmony‹ handelt es sich um ein menschengemach - tes Neues Paradies, in dem ein egalitäres, protosozialistisches Wirt-schafts system und eine emanzipatorische Pädagogik in einen streng regulierten städtebaulichen Rahmen eingefügt sind, der der Reform-gemeinschaft ihre Funktionalität und Wirtschaftlichkeit sichern, zu gleich aber die neue Einheit auch vor Augen führen soll. Die sich solchermaßen ausdrückende Wende des Architekten zum Sozialin-genieur und Pädagogen wird bekanntermaßen eine Grundeinstellung der Moderne des 20. Jahrhunderts, wo sie in vielfältigen Appellen der Erziehung des ›neuen Menschen‹ (Ernst May) oder des ›richtigen Wohnens‹ münden wird. Die gottähnliche Neuerschaff ung des Men-schen ist indessen entstanden durch eine Umkehrung der Figur von Gott als Architekt. Dies ist insbesondere in den theoretischen Ent-würfen der sogenannten Revolutionsarchitekten zu ersehen. Im be-rühmten, allerdings erst im 20. Jahrhundert veröff entlichten ›Essai de

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    5 Rekonstruktion des Jerusalemer Tempels nach Ezechiel, aus: Juan Bautista Villalpando und Jerónimo de Prado, In Ezechielem explanationes [...], Bd. 2, Rom 1604

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    6 Étienne-Louis Boullée, Kenotaph für Isaac Newton, Zustand mit Nacht im Inneren, 17847 Claude-Nicolas Ledoux, Die Schutzhütte des armen Menschen, aus: L’Architecture considérée [...], Paris 1804

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  • l’archi tecture‹ entwirft Étienne-Louis Boullée um 1780 Programme für neue öff entliche Bauten, die die Naturreligiosität der Aufk lärung aufnehmen sollen.57 In den gigantischen Entwürfen öff entlicher Ge-bäude ging es darum, die malerischen Wirkungen der Natur nicht in ihrer bildlichen Nachahmung zu repräsentieren, sondern sie mit ihren Wirkmechanismen selbst zu inszenieren, dabei zielgerichtet zu über-treff en und maximale emotionale Eff ekte zu erzeugen: Gott habe die Natur als ein perfektes Meisterwerk geschaff en, also obliege es dem Architekten, nach ihren Prinzipien zu schaff en – ›mettre la nature en œuvre‹ – und damit gleichsam ein dreidimensional betretbares Bild zu schaff en. Hier sollen reine geometrische Körper in kolossalen Di-mensionen höchste emotionale Wirksamkeit erzeugen, die diejenige des Universums übertreff en: reines Entzücken, tiefe Ergriff enheit oder größte Trauer. Vor allem in dem berühmten Kenotaph für Newton in Form einer gigantischen Kugel wird dies deutlich. Der Besucher triff t unterirdisch auf das Grabmal des verehrten Physikers, über dem sich ein immenses künstliches Gewölbe erhebt. In dessen Schale sind runde Öff nungen eingelassen, durch die am Tag das reale Sonnenlicht fällt und im Inneren Lichter aufb litzen lässt, die wie die Sterne eines künstlichen Firmaments erscheinen. Der Erfi nder des ingeniösen Plane tariums schaff t also nicht nur gewissermaßen einen neuen Kos-mos, sondern verkehrt auch den Tag-Nacht-Rhythmus – und greift somit in ein entscheidendes Moment der biblischen Genesis ein. Auch im 1804 veröff entlichten umfangreichen theoretischen The-orieentwurf von Claude-Nicolas Ledoux ist der Architekt auf das Ge-samtwerk der Weltschöpfung bezogen.58 Sein Anspruch ist, eine neue utopische Gesellschaft streng architektonisch zu gliedern und ihr bau-lichen Ausdruck zu verleihen. In pathosgeladener und weitschweifi ger Diktion wird eine weltumspannende Architekturvision vorgetragen, die keine sozialen Standesschranken mehr kennen soll, sondern die Gesellschaft nach ihren jeweiligen Tätigkeitsfeldern in monumentaler

    Weise architektonisch-anschaulich strukturieren will. Dahinter ste-cken die Rousseau’sche Idee des gemeinsamen Gesellschaftsvertrags sowie der in Frankreich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ent wickelte sogenannte Physiokratismus. Dieses erste Modell einer Nationalökonomie entwickelte die Vorstellung eines natürlichen Wirt-schaftskreises innerhalb eines abgeschlossenen Staatssystems. Eine endlose Abfolge von Tauschakten sollte – wie in einer ›natürlichen‹, am Modell des Blutkreislaufs angelehnten Ordnung – eine bestän - dige Produktion, Bearbeitung und den Umlauf der Waren in Gang hal-ten, innerhalb dessen alle sozialen Klassen, aber insbesondere auch die landwirtschaftlich tätigen, ihre eigene Bedeutung erhalten. Für Ledoux bedeutete das, dass die Architekturen nun nicht mehr den sozialen Stand ihrer Besitzer beziehungsweise Benutzer vorzeigen, sondern den dort verrichteten handwerklichen und berufl ichen Tätig-keiten und ihren gesellschaftlichen Zusammenhängen Ausdruck ver-leihen sollten. Das Bekenntnis zur Befolgung von Naturkreisläufen schließt bei Ledoux auch eine unmittelbar in den Stichen deutlich werdende Stadt-kritik ein. In Aufnahme der Ideen Rousseaus einer natürlichen, in der Natur abseits der zerstörerischen Städte lebenden menschlichen Ge-meinschaft sind alle Projekte in ausgeglichenen, leicht gewellten und von einer reichhaltigen Vegetation aufgelockerten Landschaften an-gesiedelt. Dieses Paradies wird zum Zweck des Menschen kultiviert und mithilfe der Architektur strukturiert. Die Architektur soll die Güte und Qualität dieser Utopie beständig erweisen und vor Augen führen. Ihr eigentlicher Schöpfer ist der Architekt, der dem ›armen Menschen‹ die Gnade der Vernunft zuteil werden lässt. Dieser ist als ein Arche-typus des vernunftbegabten Menschen innerhalb seines genuinen Um-raums zu verstehen, unabhängig von irrationalen Verführungen durch die Mode, den Luxus und Standesvorstellungen. Der ideale Architekt denkt und arbeitet für diesen ursprünglichen Menschen, der keinen

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    8 Bruno Taut, Stadtkrone, Vogelschau nach Westen, aus: Die Stadtkrone, Jena 19199 Bruno Taut, ›Sternsystem‹, aus: Alpine Architektur, Hagen i. W. 191910 Bruno Taut, Der Weltbaumeister, Architektur-Schauspiel für symphonische Musik, Hagen i. W. 1920, Cover

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    Sündenfall zu kennen scheint.59 Der neuen Gemeinschaft wird das Universum als die ideale Weltarchitektur beständig vor Augen geführt, nämlich in Form eines Blickes in das unendliche Weltall mit seinen Planeten, das in dem kugeligen Innenraum des Friedhofsgebäudes der idealen Stadt angebracht ist. Angesichts dieser kosmischen Architek-tur werden die Baumeister die antike Tradition fortführen, mit ihren Tausenden und Abertausenden Bauten zum moralischen Gedeihen der Zivilisation beizutragen, das universale Glück zu vermehren und insofern den Garten Eden beständig in Erinnerung zu halten.60 Der hier zugrunde gelegte rationalistisch-emanzipatorische Im-puls eines gottgleich wirkenden Architekten wird vor allem im 20. Jahrhundert weiter wirken. Ähnliches gilt für die gleichzeitige panthe-istische Interpretation der gotischen Architektur in der deutschen Ro-mantik. Auftrag an den Architekten sei es, die göttliche Beseeltheit der Architektur als Ideal baulichen Schaff ens zu verstehen, wie dies etwa bei Friedrich Schlegel formuliert ist: »Die gotische Baukunst hat eine Bedeutung, und zwar die höchste; und wenn die Malerei sich meistens nur mit schwachen, unbestimmten; mißverständlichen, ent-fernten Andeutungen des Göttlichen begnügen muß, so kann die Bau-kunst dagegen, so gedacht und so angewandt, das Unendliche gleich-sam unmittelbar darstellen und vergegenwärtigen durch die bloße Nachbildung der Naturfülle auch ohne Anspielungen auf die Ideen und Geheimnisse des Christentums, welche allerdings auf die Entstehung und Ausbildung der Kirchenbaukunst nicht geringen Einfl uß gehabt haben.«61 Bei Karl Friedrich Schinkel fi ndet sich das um 1814 um gesetzt in dem imaginären Entwurf eines ›religiösen Gebäudes‹: Von unendlicher Mannigfaltigkeit entspricht es der Natur, erhebt sich turm artig, nach oben zunehmend gestalteter, vom dunklen Rohen in eine lichte »Crys-tallisation«. Gott selbst werde durch das sich hier spiegelnde Univer-sum sichtbar und körperlich erfahrbar gemacht – und nicht nur bild-lich imaginiert –, durch das eine, sichtbar gewordene Lebensprinzip ständiger Verzweigung. »Die Kunst selbst ist Religion das Religiöse demnach ist ewig zugänglich der Kunst. Das Religiöse Gebäude in der Architectur kann nur der Ausgangs Punct seyn für die gesamte Be-stimmung einer Architectur.«62 Hier liegt die Verantwortung des Bau-meisters: diese naturhafte Erfahrung des Religiösen für das gesamte Volk derart zu vermitteln, dass ewige Vollendung so sichtbar wird, dass daraus immer wieder neue Herrlichkeit entstehe.

    Vom ›Weltbaumeister‹ zum ökologischen BauenSchinkels theoretische Schriften bilden den Kontext seiner neugoti-schen Entwürfe eines in Berlin geplanten Nationaldoms im Zusam-menhang des umfassenden Nationalbewusstseins der Befreiungskrie-ge. Insofern haben die emphatisch herausgestellten Bezüge zwischen Architekt und göttlichem Schöpfertum einen präzisen historischen Ort und konnten auch insofern kaum direkt wirken, als Schinkels theo-retische Schriften allesamt unveröff entlicht geblieben sind. Über die romantische Naturphilosophie und auch Humboldts Auff assung eines gottbeseelten Kosmos haben diese Auff assungen aber bereits etwa auch auf Gottfried Sempers Architekturtheorie gewirkt und dann zu Anfang des 20. Jahrhunderts im expressionistischen Bauen eine neue Akzentuierung erfahren.63 Vor allem Bruno Taut hat die Analogie zwi-schen vegetabiler Natur und gotischer Architektur als zwei vergleich-bare Raumwirkungen schaff ende Organismen schon 1904 grafi sch umgesetzt. Der 1914 auf der Kölner Werkbundausstellung errichtete Pavillon der Deutschen Glasindustrie kann in seiner ganz auf sensu-elle Wirkhaftigkeit insistierenden funkelnden Farbigkeit und seiner transparenten gläsernen Polyederstruktur als Synthese aus kosmi-scher Vision und irdischem Kristall aufgefasst werden. Tauts seit 1917 entstehende und 1919 publizierte Schrift ›Die Stadtkrone‹ fokussiert auf einer bewusst unkonkret, auch in den Illustra tionen nur angedeu-tet bleibenden Idee einer neuen, von einem gläsernen Hochhaus be-krönten Stadt.64 Dieses Kristallhaus erzeugt in der monumentalen Brechung der Farben ein erhabenes Erleben, das alle Bewohner die-ses Gemeinwesens angesichts der Einsicht in die überwältigende Schönheit des Kosmos zu Friedfertigkeit anstiftet und insofern eine anarchistische, herrschaftsfreie Gemeinverfassung ermöglicht. Dahin-ter steht eine im Werk von Taut durchgehend zu diagnostizierende Ineinssetzung des erlebenden Künstlers mit der schöpferischen Natur und der unermesslichen Ordnung des Kosmos. In der gleich-zeitigen Aquarellfolge ›Alpine Architektur‹ ist dies in umgekehrter Perspektive visioniert. Fokussiert die ›Stadtkrone‹ auf die irdische Stadtplanung, so handelt es sich bei der ›Alpinen Architektur‹ um einen fantastischen Aufstieg von der Bebauung der Erde bis zur pla-netarischen Vision der Erde als Auge Gottes. 1920 setzt Taut diese Thematik in ein ›Architektur-Schauspiel für symphonische Musik‹ mit dem bezeichnenden Titel ›Der Weltbaumeister‹ um.65 In einer Abfol-ge von Bühnenbildentwürfen, die auch fi lmisch inszeniert werden soll-

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    ten, wohnt man der Aufl ösung einer gotisch anmutenden Kathedrale im All bei, in dem in einer ›Urzeugung‹ eine neue Welt mit friedlichen Häusern und einem zentralen Kristallhaus geboren wird: ein metaphy-sisch synästhetisches Universum, das der Geist des Architekten her-vorbringt. Das ist keineswegs belangloses Fantasieren eines Architek-ten, der damals keine Aufträge hatte: Die esoterisch anmutenden, vor allem durch die fantastischen Romane von Paul Scheerbart und die naturphilosophischen Spekulationen Theodor Fechners inspirierten Visionen der universalen Schönheit des Kosmos verpfl ichten den Archi- tekten auf eine weltumspannende Verantwortung – obliegt es doch ihm, nach diesen Gesetzen zu agieren. Gerade das Beispiel Bruno Tauts zeigt, in welch hohem Maße die divinatorische Selbstverpfl ich-tung des Architekten auf eine allumfassende Schönheit in das kon-krete Bauen hineinwirkt: Seine wenige Jahre später ins Werk gesetz-ten Siedlungen, darunter die berühmte Hufeisensiedlung in Berlin-Britz, sind in ihrer Grundrissanlage und Farbigkeit nicht ohne diese theore-tischen Hintergründe zu verstehen. Die Ursachen dieses Selbstverständnisses des Architekten sind allgemein in der nietzscheanischen Erhebung des Künstlers zum Über-menschen und den gleichzeitigen Erschütterungen ob des Versagens der Politik im Umfeld des Ersten Weltkriegs zu sehen. Die Utopie und das prophetische Wirken der Architekten bilden in der klassischen Moderne der 1920er-Jahre eine Grunddominante des Avantgarde-Diskurses, bauen dabei häufi g auf die unbegrenzten Möglichkeiten technischer Lösungen auf. Um 1920 ist dieser technokratische Aspekt noch wenig ausgeprägt: Die ins All sich verströmende ›Kathedrale‹ als Ziel des Bauens, wie sie Lyonel Feiningers Holzschnitt im Bauhaus-Manifest von 1919 zeigt, ist zu vergleichen mit dem Anspruch der De-Stijl-Architektur um 1920, in der Aufh ebung der Gattungsgrenzen zwischen Architektur, Malerei und Skulptur sich in die stereometri-sche Konstruktion des Kosmos einzufügen.66 Besonders intensiv wirk-te Paul Valérys antikisierender, in Form eines platonischen Dialogs an-gelegter Traktat ›Eupalinos ou l’architecte‹.67 ›Construire‹ wird hier als erhabene metaphysische Tätigkeit des hierarchisierenden Ordnens der Erde von ihrer unwillentlichen Veränderung durch die Naturkräf-te einerseits sowie vom rein theoretisch bleibenden Denken anderer-seits abgesetzt. Nicht zu vergessen sind im Kontext der Diskurse aber auch katholische Bestrebungen, im Zuge des päpstlich verordneten Thomismus als dezidiert anti-moderner Hermeneutik neuplatonisch-

    mittelalterliche Auff assungen vom Schöpfergott neu zu beleben.68 Gott als oberster Werkmeister der Welt setzt hier ewig verbindliche trinitarische Normen für das Schöne, Gute und Wahre. Auf dieser Ba-sis bauen auch die durchaus modernen, antiakademischen Positionen der katholischen Ästhetik der 1920er-Jahre, etwa eines Jacques Ma-ritain, auf.69 Mutatis mutandis fi ndet sich der gottgleiche Anspruch, eine neue Welt zu erschaff en, natürlich in der prominentesten Vision einer neu-en Stadtordnung der klassischen Moderne, nämlich in Le Corbusiers suggestiven Stadtentwürfen der frühen 1920er-Jahre, insbesondere der ›Ville contemporaine de 3 millions d’habitants‹.70 Hier nun ist die großmaßstäbliche Beherrschung der Technik Grundvoraussetzung. Auf der Erdoberfl äche als durchgehender, immenser Park konzipiert, von höchster Verkehrsmobilität, konsequent zoniert und radikal ge-ordnet, unbelastet von historischer Erinnerung und auf ein Maximum an physiologischem Wohlergehen seiner Bewohner ausgerichtet, ist die Idealstadt der Gipfel einer technologischen Weltauff assung, die auf den Grundpfeilern von Vernunft und Ordnung aufb aut. Der detail-liert vorgestellte Idealplan hat bekanntlich eine lange und umfassende Weiterentwicklung über die ›Ville radieuse‹ und die ›Charta von Athen‹ erfahren, und seine Bedeutung als einer der wesentlichen Beiträge zum modernen Städtebau braucht hier nicht ausgeführt werden. Als entscheidendes, wichtigstes Kriterium der ›Ville contemporaine‹ muss ihre konsequent rektanguläre Struktur als absoluter Ausdruck von Ordnung gesehen werden, die im erhabenen Erlebnis der Höhe in den Wolkenkratzern tagtäglich zu erfahren sei.71 Insgesamt sind hier deut-liche Anleihen am Genre der Science-Fiction zu bemerken, das etwa durch Jules Verne, H. G. Wells, Anatole France und andere vorgeprägt war und dabei zahlreiche biblische Motive rezipierte. Bei Le Corbusier zeigt sich dies in der visionären Topik, in der einem gleichsam Frem-den insbesondere die Erlebnisqualität der neuen Stadt geschildert wird. Entsprechend wurden die Stadtbauentwürfe auch in einem Dio-rama als große Schaubilder aus der Vogelperspektive präsentiert.72 Der Betrachter nähert sich der neuen, fremden Stadt gleichsam aus weiter Entfernung und soll dabei sogar über ein (letztlich nicht aus-geführtes) Lautsprechersystem über die neuen Städte informiert wer-den. Ganz in der Tradition utopischer Glücksvorstellungen geht es ins-besondere um den Tagesablauf der hier lebenden Menschen: Das Arbeiten in der neuen Stadt wird begleitet von der Erfahrung des Er-

    1211 Le Corbusier, Diorama der ›Ville contemporaine‹, aus: Urbanisme, Paris 192512 Der Herrscher über die Stadt Joh Fredersen in seinem Büro, aus: Fritz Lang, Metropolis, D 1927

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  • habenen, denn die heroische Kontemplation der Verkehrsströme und des Fernblicks aus den Wolkenkratzern mache die Arbeit zu einem Akt der täglich sich wiederholenden Erbauung und dem Ausdruck höchsten Stolzes.73 Derartiges erinnert in der Diktion zum einen an zeitgenössische Werbekampagnen für Immobilien. Doch angesichts der utopischen Projekte und der gleichsam metaphysischen Erfah-rungsangebote in der ›Ville contemporaine‹ muss zum anderen auch der Bezug zum Science Fiction und den dort präsenten Topoi der Weltschöpfung betont werden. Le Corbusiers Stadt ist ähnlich wie die neuen Wohnanlagen in der Science-Fiction-Literatur gleichsam in einen biblischen Garten Eden gesetzt, in dem die Bewohner entspannt ihre Freizeit verbringen beziehungsweise ohne Mühsal arbeiten. Auch gibt es bei Le Corbusier keine ›gendered spaces‹, die Appartements und ihre Ausstattungen scheinen auf das damalige Ideal der androgy-nen Garçonne respektive des distanzierten Mannes und damit eines unschuldigen Zustandes vor dem Sündenfall abzuheben. Dazu fügen

    sich eindringliche endzeitliche chiliastische Motive, vor allem im Vor-wort von ›Urbanisme‹: Nach dem Tod des Alten Europas und der chao-tischen Großstadt habe nun der Aufstieg eines denkenden Europas in einer neuen Epoche begonnen – in den dioramenartigen Inszenierun-gen erscheint diese neue Ordnung bereits schemenhaft als ›Neues Jerusalem‹ am Horizont, als architektonisches Heilsversprechen eines universalen Schöpfertums. Die Vermittlung und Brechung des Topos von Gott als Architekt in der Science-Fiction machen insbesondere auch mannigfache An-verwandlungen dieser Thematik im Film deutlich. Das berühmte, 1927 uraufgeführte Melodram ›Metropolis‹ von Fritz Lang basiert in seinem Stoff unter anderem auf mehreren Motiven der biblischen Genesis sowie der Apokalypse. Der böse Herrscher der Hochhausstadt, Joh Fredersen, hat eine neue, kalte Welt erschaff en, in deren extremem Vertikalismus oben und unten, böse und gut, Luxus und Leid in größt-mögliche Entfernung getreten sind. Ergänzt wird diese architektoni-

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    13 Rudolf Schwarz, Die Erde als Gefüg und Geschicht, aus: Von der Bebauung der Erde, Heidelberg 194914 Frei Otto, Kirche unter einer transparenten Großhülle, 1962

    2.23_382-401_architekten_F3_Freigang.indd 3982.23_382-401_architekten_F3_Freigang.indd 398 24.08.12 15:3224.08.12 15:32

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    sche Pervertierung der Welterschaff ung durch die Kreation eines niederträchtigen Maschinenmenschen als Gegenspieler zur Idealfi gur Maria, die im Verband mit dem Sozialreformer Freder dem Treiben des bösen Gottes und Metropolenbauers Fredersen Einhalt gebieten soll. Die Faszination des Filmes liegt aber gerade auch darin, dass der imaginierte Erbauer von Metropolis, Fredersen, überblendet wird mit der Staunen machenden Illusionsleistung fantastischer Weltbauten, die der Regisseur Fritz Lang beziehungsweise das Medium des Films möglich machen.74 Dieses geriert sich als der Schöpfer einer neuen, allerdings virtuellen Welt. Von hier aus spinnt sich eine bis heute rei-chende Tradition berühmter Filminszenierungen, von denen Stanley Kubricks ›Odyssee im Weltraum‹ (1968) oder Ridley Scotts ›Blade Runner‹ (1982) beispielhaft für viele andere stehen können. Auch die pervertierten Inszenierungen von Weltschöpfertum in der NS-Zeit setzten bekanntlich auf die illusionistische Vorführung. Hitlers Riesenprojekte maßen sich nicht nur an der Gigantomanie

    der ›Revolutionsarchitektur‹, sondern suggerierten in ihrer medialen Omnipräsenz – in Berichten, Modellfotos und Filmen – ein unbändi-ges, nie versiegendes Schöpfertum. An dessen Spitze erschien Hitler selbst, dessen rituelle Inszenierung nicht umsonst Anleihen vor allem an Göttlichkeit sowie an architektonischer Genialität nahm. Leni Rie-fenstahls Parteitagsfi lm ›Triumph des Willens‹ von 1935 etwa lässt Hitler in einer verweltlichten Parusie zu Wagner-Klängen im Flugzeug aus den Wolken herabschweben; über lange Zeit zunächst unsichtbar und dennoch präsent, erscheint der ›Führer‹ dann endlich in den Stra-ßen Nürnbergs wie ein Mensch gewordener Messias, der anschließend auf dem Parteitagsgelände Menschen- und Steinmassen in rigide Ord-nung zwingt.75 Die Traditionen von Tauts utopischem ›Weltbaumeister‹ leben auch nach dem Zweiten Weltkrieg in der Architekturdebatte weiter. Rudolf Schwarz hat den bauenden und sehenden Menschen immer auf die göttliche Gebautheit der Erde bezogen. Diese äußert sich vor

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    allem in zeitlichen Kreisläufen, in denen das menschliche Leben durch die Jahreszyklen des pfl anzlichen Wachsens und Vergehens bezie-hungsweise dem Leben Christi zwischen Geburt und Auferstehung überlagert wird. Vor allem in der Schrift ›Von der Bebauung der Erde‹ von 1949 sind diese Kreisläufe aus In-sich-Ruhen, Ausstrahlen und Wiederzusammenfallen zu einer kosmologischen Dimension erwei-tert. In diesem Weltrhythmus gehen Makrokosmos und Mikrokosmos überein. Insbesondere die Erdformation ist begriff en als ein unend-liches architektonisches Schichten, das im Laufe der Zeit erodiert und damit das Erdrelief erstellt. Dieses ›Gefüg‹ hält immer zeitliche Di men-sionen präsent, ein ›Zeitengebirge‹, in dessen ›Geschicht‹ sich der lebendige Mensch gestellt weiß. Bauen – und insbesondere sakra les Bauen – geschehe in Analogie und Fortführung zu dieser Bebauung der Erde: aus dem Dunklen, Älteren erhebe sich der Tempel, wird zur dorischen Säule mit Umgang und berge dort Gott in der Jetztzeit. Schwarz hat aus dieser pantheistischen, vor allem Goethes ›Metamor-phosenlehre‹ verpfl ichteten Auff assung grafi sche Grundfi guren abge-leitet, die sich, ähnlich platonischen Ideen, erst im architektonischen Entwurf konkretisieren sollen. Der Architekt bei Schwarz wird in der Tat zu einer Art platonischem Demiurg, der nach den ewigen Geset-zen des Seienden Form bildet und deren lebensvolle Bewegtheit in der Wahrnehmung aktivieren soll.76 Auch eine der jüngsten wichtigen Stationen des Themas ›Gott als Architekt‹ lässt sich in die von der Romantik ausgehende, über Taut und Schwarz reichende Tradition einbinden. Wie im Werk von Bruno Taut ist auch bei Frei Otto, dem Entwerfer etwa der Dächer des Münch-ner Olympiageländes (1972) oder der Mannheimer Multihalle (1975), das Erlebnis einer massenhaften Zerstörung durch den Weltkrieg Aus-löser für ein komplexes, einfühlendes Verständnis der Erde und seine Umsetzung in die Architektur gewesen.77 Frei Ottos leichte, netz- und zeltartige Konstruktionen sind nur in oberfl ächlicher Hinsicht mit den riesigen geodätischen Kuppeln zu vergleichen, die Richard Buckmins-ter Fuller nach dem Zweiten Weltkrieg – und übrigens konkret aus Aufträgen für kriegerische Logistik hervorgehend – konzipiert und entwickelt hatte. Die transparenten, aus Dreiecks fl ächen optimiert entwickelten Kuppeln hatten zum Ziel, künstliche Lebensräume zu schaff en und insoweit tendenziell Unabhängigkeit von den irdischen Bedingungen zu erzielen. Frei Otto konzipiert hingegen im Einklang mit den geologischen, biologischen und öko logischen Bedingungen der Erde. Konstruktion ist nicht allein eine technisch-tektonische Frage, sondern auf zyklische Lebensprozesse, Ressourcenschonung und Optimierungsvorgänge bezogen. Diese sind nicht etwa mathe-matisch abstrakt berechnet, sondern im experimentierenden und ler-nenden Umgehen mit Modellen als direkten Mustern und Abbildern irdischer Natur gewonnen. Pneumatische Konstruk tionen, Gitterscha-len, Verzweigungen, Nester, Netze, Schirme und Zelte als wesentliche Prinzipien der Leichtbaukonstruktionen funk tionieren prozessual- dynamisch, reagieren auf Druck und Spannung und sind häufi g selbst-bildend. Somit funktionieren sie analog zu Na tur prozessen, vor allem auch im mikroskopischen Bereich der Zelle als kleinster biologischer Einheit. Frei Ottos konkrete Bezüge zum parallel sich seit den 1960er-Jahren entwickelnden Bewusstsein von komplex interagierenden Bio-topen beziehungsweise ökologischen Zusammenhängen einerseits und zu den naturphilosophischen Tra ditionen andererseits sind noch genauer auszuleuchten. Doch wird man behaupten können, dass sich

    Frei Ottos ›sanftes‹, unprätentiöses Selbstverständnis als Baumeis-ter durchaus in der Tradition des Topos von Gott als Architekt lesen lässt, in die sich auch Schinkel, Taut oder Schwarz einordnen lassen. Allerdings in einer Art Aufl ösung: Der weise und kreative, allerdings bisweilen autoritäre Architektengott mit prophetischer und prome-theischer Vision, über den Dingen, Städten und Welten schwebend, ist nunmehr eingegangen in die belebte Schöpfung, mit ihr und mit den Menschen wirkend. ›Gott als Architekt‹ lebt auf anderer Ebene weiter, nämlich in den virtuellen Räumen des Internets, in die jeder eintreten kann, um etwa in ›Second Life‹ gottähnlich eine eigene Welt, auch durchaus in archi-tektonischer und städtebaulicher Hinsicht, zu schaff en. Viele genuin architektonische Aspekte sind hier zu berücksichtigen: fi nanzielle, logistische, funktionale, gestalterisch-ästhetische. In der Tendenz han-delt es sich allerdings in erstaunlich geringem Maße um Neuschöp-fungen, sondern um Projekte, die konsumorientiert im Spannungsfeld zwischen Attraktivität und Renditeerwartung stehen oder Klischees von Traumschlössern als Rahmen bestimmter Lebensstile entwerfen. Die Ähnlichkeit zur realen Welt ist off ensichtlich und unvermeidbar, prophetische Entwürfe einer neuen Architektur sind hier bislang nicht entwickelt worden. Von den virtuellen neuen Bauwelten des Internets aus versteht man aber sehr gut die oben angedeutete Brisanz der uralten Frage, nach welchem Modell Gott als Architekt die Welt ent-worfen hat und was das für die irdische Architektur heißen soll.

    1 Robert Eisler, Weltenmantel und Himmelszelt. Religionsgeschichtliche Untersuchungen zur Urgeschichte des antiken Weltbildes, 2 Bde., München 1910. | 2 Vitruv, De architectura II, 1.1–7. | 3 Wesentliche Grundlagen der Thematik bei: Ernst Robert Curtius, Lateinische Literatur und europäisches Mittelalter, Bern 101984, Anh. XXI; Friedrich Ohly, Deus Geome-tra. Skizzen zur Geschichte einer Vorstellung von Gott, in: Norbert Kamp, Joachim Wollasch (Hg.), Tradition als historische Kraft. Interdisziplinäre Forschungen zur Geschichte des frü-hen Mittelalters, Berlin/New York 1982, S. 1– 42; Joachim Gaus, Weltbaumeister und Architekt, in: Günther Binding (Hg.), Beiträge über Bauführung und Baufi nanzierung im Mittelalter, Köln 1974, S. 38–67; Hans-Georg Lippert u. a. (Hg.), un/planbar, Bd. 1: Weltbau-meister und Ingenieur. Der Architekt als Rivale des Schöpfers, Dresden 2012, v. a. der Auf-satz von Hans-Georg Lippert, Rivalen des Schöpfers. Der Architekt als Weltbaumeister, S. 18– 43. | 4 Sap. 11,18: »omnipotens manus tua quae creavit orbem terrarum ex materia invisa«; Sap. 11,21: »omnia mensura et numero et pondere disposuisti«; sämtliche Stellen ausführlich kommentiert bei Günther Binding, Der früh- und hochmittelalterliche Bauherr als ›sapiens architectus‹, Darmstadt 1996, v. a. S. 237–344. | 5 1 Kor 3,9–17. | 6 Matth 16,18; Eph 2,19–22, 1 Petr 2,4–10; Heb 8,5. | 7 Vitruv, De architectura, I, 1.1. | 8 Platon, Timaios. Griechisch-deutsch, hg. v. Hans Günter Zekl, Hamburg 1992 (= Philosophische Bi-bliothek; 444). | 9 Meist mit dem lateinischen Titel zitiert: De opifi cio mundi, Kap. 17–25; vgl. Philo von Alexandria, Die Werke in deutscher Übersetzung, hg. v. Leopold Cohn u. a., Bd. 1, Berlin 1962 (zuerst Breslau 1909); Philo with an English translation […], hg. v. F[rancis] H[enry] Colson, Bd. 1, London 1962; Philo of Alexandria, On the Creation of the Cosmos According to Moses, hg. v. David T. Runia, Leiden u. a. 2001 (= Philo of Alexandria Series; 1), v. a. S. 132–155. | 10 Vitruv, De architectura, II, Vorrede. | 11 Basilius von Caesa-rea, Homilien zum Hexaemeron, hg. v. Emmanuel Amand de Mendieta, Stig Y. Rudberg, Ber-lin 1997 (= Die griechischen christlichen Schriftsteller der ersten Jahrhunderte, NF; 2); Johannes Philoponos, De opifi cio mundi. Über die Erschaff ung der Welt, 3 Bde., Freiburg u. a. 1997 (= Fontes christiani; 23), v. a. Bd. 1, S. 88 f.; ders., De Aeternitate mundi. Über die Ewigkeit der Welt, übers. u. eingel. v. Clemens Scholten, 5 Bde., Turnhout 2009 (= Fontes christiani; 64,1–5). | 12 Marcus Tullius Cicero, Vom Wesen der Götter. Lateinisch-deutsch, hg. v. Olof Gigon, Laila Straume-Zimmermann, Zürich/Düsseldorf 1996, Bd. 1, S. 18–24, 335–345. | 13 Apuleius Madaurensis, Platon und seine Lehre, hg. v. Paolo Siniscalco, Sankt Augustin 1981 (= Texte zur Philosophie; 4), S. 25, 29, 31. | 14 Timaeus a Calcidio translatus commentarioque instructus, hg. v. J[an] H[endrik] Waszink, London/Leiden 1962 (= Cor-pus Platonicum medii aevi; 4), v. a. S. 21 (opifexque et fabricator [mundi]), 23, 25, 32, 43, 178, 179. | 15 Ambrosius, Exameron [u. a.], hg. v. Karl Schenkl, Wien 1897 (= Corpus scrip-torum ecclesiasticorum latinum; 32,1), I, 4–6; Des heiligen Kirchenlehrers Ambrosius Exa-meron, übers. v. Joh[annes] Ev[angelist] Niederhuber, Kempten/München 1914 (= Biblio-thek der Kirchenväter; 1), S. 16–31. | 16 L. Caeli Firmiani Lactanti opera omnia, Bd. 2,1, hg. v. Samuel Brandt, Georg Laubmann, Prag u. a. 1893 (= Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum; 27,1), I, 6; ähnlich auch in: Laktantius, Divina institutiones, I, 6, 16: »[…] qui quo-niam solus sit aedifi cator mundi et artifex rerum vel quibus constat vel quae in eo sunt […]« (ebd., Bd. 1,1, Prag u. a. 1890 [= Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum; XIX]).

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    17 Aurelius Augustinus, Über den Wortlaut der Genesis. De Genesi ad litteram libri duode-cim. Der große Genesiskommentar in zwölf Büchern, übers. v. Carl Johann Perl, 2 Bde., Pa-derborn 1961–1964, I–IV. | 18 Bedae Venerabilis Opera, Pars II: Opera exegetica, 2 A, De tabernaculo, De templo, In Ezram et Neemiam, hg. v. David Hurst, OSB, Turnhout 1969 (= Corpus Christianorum, Ser. Lat.; CXIX A); vgl. auch Bede, On the Tabernacle, hg. v. Arthur G. Holder, Liverpool 1994 (= Translated Texts for Historians; 18); Bede: On the Temple, hg. v. Seán Connolly, Liverpool 1995 (= Translated Texts for Historians; 21). | 19 Bedae Vene-rabilis Opera, Pars II: Opera exegetica, 1. Libri Quatuor in principium Genesi usque ad nati-vitatem Isaac […], hg. v. Charles William Jones, Turnhout 1967 (= Corpus Christianorum, Ser. Lat.; CXVIII A). | 20 N[ikolaus M.] Häring, The Creation and Creator of the World Accor-ding to Thierry of Chartres and Clarenbaldus of Arras, in: Archives d’histoire doctrinale et littéraire du Moyen-âge, 22/1955, S. 137–216; Guillaume de Conches, Glosae super Plato-nem, hg. v. Édouard Jeauneau, Paris 1965; J[oseph] M[arie] Parent, La doctrine de la créa-tion dans l’École de Chartres. Étude et texte, Paris/Ottawa 1938 (= Publications de l’Institut d’études médiévales d’Ottawa; 8), vgl. z. B. aus dem Timaios-Kommentar von Guillaume de Conches, S. 143: »Hec [sapientia divina] formalis causa mundi est, quia juxta eam creatione mundum formavit. Ut enim fabricator, volens aliquid fabricare, prius illud in mente disponit, postea quesita materia, juxta mentum suam operatur, sic creator, antequam aliquid crearet, illud in mente habuit, deninde illud opere adimplevit.« | 21 Alanus ab Insulis, De planctu na-turae, in: Patrologia latina, Bd. 210, col. 243: »tanquam mundi elegans architectus, tamquam aureae fabricae faber aurarius, velut stupendi artifi cii artifex artifi ciosus, velut admirandi operis opifex«. | 22 Erwin Panofsky, Gothic Architecture and Scholasticism, Latrobe 1951; Otto von Simson, The Gothic Cathedral. Origins of Gothic Architecture and the Medieval Concept of Order, New York 1956 (dt. Ausg.: Die gotische Kathedrale. Beiträge zu ihrer Entstehung und Deutung, Darmstadt 1968). | 23 Andreas Speer, Günther Binding (Hg.), Abt Suger von Saint-Denis. Ausgewählte Schriften, Darmstadt 2000, passim. | 24 Binding 1996 (wie Anm. 4), passim. | 25 J[ean] F[rançois] Félibien des Avaux, Recueïl historique de la vie et des ouvrages des plus célebres Architectes, Paris 1687, S. 209; vgl. Binding 1996 (wie Anm. 4), passim; Christian Freigang, Werkmeister als Stifter. Bemerkungen zur Tradition der Prager Baumeisterbüsten, in: Bruno Klein, Harald Wolter-von dem Knesebeck (Hg.), Nobilis arte manus. Festschrift zum 70. Geburtstag von Antje Middeldorf Kosegarten, Dres-den/Kassel 2002, S. 244–264. | 26 Wien, ÖNB Cod. 2554 (um 1220/25); Wien, ÖNB 1179 (um 1225); Toledo, Kathedrale (Biblia rica), und New York, Pierpont Morgan Library, Ms. 240 (um 1230); Oxford, Bodleian Library, Ms. 270b; und Paris, BNF, Ms lat. 1156 und Lon-don British Library, Harley 1526–27 (um 1240); Katherine H. Tachau, God’s Compass and Vana Curiositas. Scientifi c Study in the Old French Bible Moralisée, in: Art Bulletin, 80/1998, S. 7–33; John Lowden, The Making of the Bibles Moralisées, 2 Bde., hier Bd. 1: The Manu-scripts, Bd. 2: The Book of Ruth, University Park (Penn.) 2000; Philippe Büttner, Bilder zum Betreten der Zeit: Bible moralisée und kapetingisches Königtum, Allschwil 2002 (zugl. Diss. Basel 1996). | 27 London, BM, Cotton Tiberius C. vi, fol. 7 v; vgl. Adelheid Heimann, Three Illustrations from the Bury St. Edmunds Psalter and their Prototypes. Notes on the Icono-graphy of some Anglo-Sacon Drawings, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes, 29/1966, S. 39–59, hier: S. 46–56; John Block Friedman, The Architect’s Compass in Crea-tion Miniatures of the Later Middle Ages, in: Traditio. Studies in Ancient and Medieval History, Thought, and Religion, 30/1974, S. 419–429. | 28 Hermann Kern, Labyrinthe. Erscheinungsform und Deutungen. 5000 Jahre Gegenwart eines Urbildes, München 1982, S. 236– 238. | 29 Luc Mojon, Der Grabdeckel eines Magister operis aus St. Johannsen im Kontext der mittelalterlichen Meistergrabmale mit Attributen, in: ders., St. Johannsen. Saint-Jean de Cerlier. Beiträge zum Bauwesen des Mittelalters, Bern 1986, S. 13–74, Nr. I/20 u. I/21. | 30 Oxford, Bodleian Library, Ms. 270b, fol. 1. | 31 New York, Pierpont Morgan Libra-ry, Ms. 240, fol. 8; Die Bibel Ludwigs des Heiligen. Vollständige Faksimile-Ausgabe im Ori-ginalformat von MS M.240 der Pierpont Morgan Library, New York, komm. v. Hans-Walter Stork, 2 Bde., Graz 1995 (= Codices selecti; 102). | 32 Paris, BNF, Ms fr. 247, fol. 3. | 33 Fran-çois Avril (Hg.), Jean Fouquet. Peintre et enlumineur du XVe siècle, Ausst.-Kat. Bibliothèque Nationale de France Paris u. a., Paris 2003, Nr. 34, Abb. S. 313. | 34 Leon Battista Alberti, Momus oder Vom Fürsten. Momus seu de principe, komm. v. Michaela Boenke, München 1993 (= Humanis tische Bibliothek; 2). | 35 Ebd., S. 1. | 36 Ebd., S. 202. | 37 Ebd., S. 244, ähn-lich auch S. 350–353. | 38 Marx Treitzsaurwein, Der Weiß Kunig. Eine Erzehlung von den Thaten Kaiser Maximilian des Ersten […], Leipzig 1985 (zuerst Wien 1775), S. 76. | 39 Chris-tine de Pisan, Le livre des fais et bonnes meurs du sage roy Charles V, Bd. 1, hg. v. Suzanne Solente, Paris 1936 (= Société de l’Histoire de France, série ant. à 1789; 437), S. 36; vgl. auch Wolfgang Brückle, Civitas terrena. Staatsrepräsentation und politischer Aristotelis-mus in der französischen Kunst 1