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Der Bayerische Landtag Die Gesetzgebung Der Bayerische Landtag

Der Bayerische Landtag · Die Gesetzgebung · Ordnungsfunktion: Wer glaubt zum Beispiel ernsthaft, dass man heutzutage auf die Straßen verkehrsordnung verzichten könnte? Und nicht

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Der Bayerische LandtagDie Gesetzgebung Der Bayerische Landtag

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Die gesetzgebende Gewalt steht ausschließlich dem Volk und der Volksvertretung zu.

Artikel 5 Absatz 1 Bayerische Verfassung (BV)

Die Bayerische Verfassung formuliert in diesem Satz ein Kernelement unserer Demokratie: Gesetzgebung ist Sache des Volkes! Deswegen hat nicht nur der parlamentarische Gesetzgeber, der Bayerische Landtag, also Ihre Volksvertretung, die gesetzgebende Gewalt (Legislative) im Frei staat inne. Auch die Bürgerinnen und Bürger selbst können auf dem Weg der Volksgesetzgebung über Volksbegehren und Volks entscheid gesetzgeberisch tätig werden. Die repräsentative Demokratie (Volksherrschaft) mit dem gewählten Parlament als zentralem Ort der Gesetzgebung wird hierdurch ergänzt um ein Element der direkten Demokratie. Zugleich steht der Verfassungssatz für das Prinzip der Gewaltenteilung: Staatsregierung und Verwaltung (Exekutive), aber auch das Gerichtswesen (Judikative) können und dürfen keine Gesetze beschließen, auch wenn sie an deren Entstehung, Ausführung und Überwachung wesentlichen Anteil haben. Allein Volk und Volksvertretung sind für die Gesetzgebung zuständig.

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Die Bürgerinnen und Bürger selbst oder ihre gewählten Vertreter im Parlament bestimmen also die Regeln des Zusammenlebens im Staat. Es liegt deswegen auf der Hand, dass der Bayerische Landtag, Ihre Volksvertretung, Sie über die Gesetzgebung im Freistaat informieren möchte. Dieser Prospekt lädt Sie dazu herzlich ein!

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Wozu brauchen wir Gesetze?

Nicht selten klagen wir über »Gesetze« – über deren große Zahl, die sog. »Gesetzesflut«, ebenso wie über manche inhaltlichen Regelungen. Dabei ist oft von Bürokratie die Rede, von der Einschränkung der persönlichen Freiheit oder auch von der angeblichen Willkür des Gesetzgebers. Alle diese Klagen mögen ein Stück weit ihre Berechtigung haben, im Kern aber gehen sie an der Realität unseres modernen Gemeinwesens vorbei: Unsere komplexe Gesellschaft ist ohne eine mitunter durchaus komplizierte Rechtsordnung, die das Zusammenleben der Menschen regelt, nicht vorstellbar.

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Fragt man nach deren Aufgaben für unsere Gesellschaft, wird rasch deutlich, wie wichtig Gesetze für unser Leben sind. Sie haben z. B. eine Sicherheitsfunktion für uns Bürgerinnen und Bürger: Sie sorgen für den Schutz von Leib und Leben, indem sie etwa Gewalt gegen andere mit Strafen ahnden. Außerdem haben Gesetze eine sog. Ordnungsfunktion: Wer glaubt zum Beispiel ernsthaft, dass man heutzutage auf die Straßenverkehrsordnung verzichten könnte? Und nicht zuletzt erfüllen Gesetze auch eine Leistungsfunktion, wenn sie etwa die Verteilung staatlicher Gelder an Bedürftige regeln (Sozialhilfe, BAföG) oder die Vergabe von Zuschüssen (z. B. im Wohnungsbau oder in der Landwirtschaft) festlegen. Kurzum: Wir brauchen Gesetze. Bisweilen engen sie zwar unsere persönlichen Freiheiten ein, im Kern aber schützen und sichern sie diese. Von der Volksvertretung beschlossen, sind sie im besten Sinne demokratisch legitimiert, um das Zusammenleben aller Menschen in einem Staat zu regeln.

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Gesetze sind das Fundament unseres gesamten Rechtsstaates. Sie machen staatliches Handeln vergleichbar und überprüfbar, und zwar durch die vom Gesetzgeber und der Verwaltung unabhängige sog. »dritte Gewalt«, die Gerichte. Jedem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, steht der Weg zu den Gerichten offen. In diesem Sinne machen Gesetze Rechtsprechung erst möglich, geben den Bürgerinnen und Bürgern Rechtssicherheit und -klarheit.

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Die Steinbüsten der personifizierten »Gerechtigkeit« und der »vorausschauenden Planung« sind den Abgeordneten über einer Tür zum Plenarsaal im Bayerischen Landtag als Maximen vor Augen gestellt.

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Wie entstehen die Gesetze im Parlament?

GesetzesinitiativeDie Gesetzesvorlagen werden vom Ministerpräsidenten oder von der Ministerpräsidentin namens der Staatsregierung oder aus der Mitte des Landtags eingebracht (Art. 71 BV). Alle Gesetzesvorlagen werden bei der Landtagspräsidentin oder bei dem Landtagspräsidenten eingereicht und dann auf die Tagesordnung der Vollversammlung gesetzt.

Erste LesungIn der Ersten Lesung in der Vollversammlung werden nur die Grundsätze einer Vorlage besprochen. Änderungsanträge können dabei nicht gestellt werden. Wird die Vorlage nicht abgelehnt, weist die Vollversammlung sie dem federführenden Ausschuss zur Weiterbehandlung zu.

Die AusschüsseZunächst werden die Gesetzesvorlagen im federführenden Ausschuss beraten. Anschließend können sich andere Ausschüsse damit befassen (sog. Mitberatung). Im Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz werden die Gesetzesvorlagen auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft (sog. Endberatung). Nach Abschluss der Ausschussberatungen wird eine Beschlussempfehlung erstellt, in der über Beratungsverlauf und Abstimmungsergebnisse berichtet wird.

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Zweite LesungIn der Zweiten Lesung findet in der Regel eine allgemeine Aussprache statt. Eine Einzelberatung oder eine Einzelabstimmung über einzelne Vorschriften des Gesetzentwurfs erfolgt nur, wenn dies von einem Mitglied des Landtags oder einer Fraktion verlangt wird. Bis zum Schluss

der Zweiten Lesung (bzw. der Dritten Lesung) können Änderungsanträge gestellt werden.

Dritte LesungSie erfolgt nur auf besonderen Antrag. Grundlage sind die Beschlüsse der Zweiten Lesung.

SchlussabstimmungEin Gesetz ist beschlossen, wenn es die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhält (Enthaltungen werden nicht mitgerechnet). Verfassungsändernde Gesetze bedürfen einer Zweidrittelmehrheit. Zur Beschlussfähigkeit ist die Anwesenheit der Mehrheit der Mitglieder des Landtags erforderlich. Die Beschlussfähigkeit wird angenommen, solange sie nicht von einem Mitglied des Landtags bezweifelt wird.

Ausfertigung, Bekanntmachung und InkrafttretenDie verfassungsmäßig zu Stande gekommenen Gesetze werden vom Ministerpräsidenten oder von der Ministerpräsidentin ausgefertigt (unterzeichnet) und mit dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens im Bayerischen Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht.

Ausfertigung eines Gesetzes durch Ministerpräsident Horst Seehofer

Der parlamentarische Weg einer Gesetzesvorlage

Bekanntmachung im BayerischenGesetz- und Verordnungsblatt

BayerischeStaatsregierung

Ministerpräsident oder MinisterpräsidentinAusfertigung des Gesetzes

AblehnungÜberweisung

Einbringung Einbringung

Gesetz kommt nicht zu Stande

Bekanntmachung im BayerischenGesetz- und Verordnungsblatt

Ablehnung Zustimmung

ZuleitungGesetz kommt nicht zu Stande

BayerischeStaatsregierung

Mitte desBayerischen Landtags

Vollversammlung – Erste Lesung

Zwölf ständige AusschüsseBeratung – Beschlussempfehlung

Vollversammlung – Zweite Lesung

Ministerpräsident oder MinisterpräsidentinAusfertigung des Gesetzes

Schlussabstimmung

Vollversammlung – Dritte Lesungnur auf Antrag

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… und welche anderen Akteure nehmen Einfluss?

Schaubild und Text (siehe Seite 6 ff) beschreiben den formalen Weg der Gesetzgebung im Parlament. In der politischen Praxis ist dieser Prozess komplexer: So hat z. B. ein Gesetzentwurf der Staatsregierung meist schon einen langen Bearbeitungsprozess hinter sich, wenn er zur parlamentarischen Beratung bei dem Landtagspräsidenten oder der Landtagspräsidentin eingereicht wird. Im zuständigen Staatsministerium wird ein solcher Gesetzestext von fachlich versierten Beamten bearbeitet, bis er die Zustimmung des Staatsministers oder der Staatsministerin findet. Danach berät das gesamte Kabinett über den Entwurf, um ihn dann schließlich in den Landtag einzubringen.

Außerdem beteiligen sich noch weitere Akteure in dieser Phase der Entwurfsplanung: Vertreter von Interessensgruppen werden frühzeitig angehört und um Stellungnahmen gebeten. Und häufig sind auch die Abgeordneten schon vor der Gesetzesberatung im Landtag in die Entstehung eines Entwurfes eingebunden – sei es, dass sie vom Fachministerium informiert oder gehört werden, sei es, dass sie selbst Informationen von diesem Ministerium einholen.

Nicht zuletzt nehmen auch die Bürgerinnen und Bürger nicht nur indirekt (etwa über bestimmte Interessensverbände) Einfluss, sondern können sich auch persönlich einbringen: mit Eingaben an das Parlament, aber auch im Gespräch mit »ihrem« Abgeordneten oder etwa bei Demonstrationen. Nicht selten haben das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern oder gar Protest schon im Vorfeld geplanter Gesetze zu deren Modifizierung oder zum Verzicht auf sie geführt.

Abgeordnete informieren sich vor Ort über Probleme der Bürgerinnen und Bürger.

Die beschriebenen politischen Prozesse begleiten die Gesetzgebung auch während des laufenden parlamentarischen Verfahrens. Und dass in diesem komplexen Prozess auch die Medien mit ihrer Berichterstattung eine bedeutsame Rolle spielen, liegt auf der Hand.

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1. WP1946/1950

2. WP1950/1954

3. WP1954/1958

4. WP1958/1962

5. WP1962/1966

6. WP1966/1970

7. WP1970/1974

8. WP1974/1978

9. WP1978/1982

10. WP1982/1986

11. WP1986/1990

12. WP1990/1994

13. WP1994/1998

14. WP1998/2003

15. WP2003/2008

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207181

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Quelle: Landtagsamt, ArchivWP = Wahlperiode

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Zahl der Gesetzentwürfe seit 1946

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Der Bayerische Landtag als Gesetzgeber: ein historischer Rückblick

Bayerns Weg vom landwirtschaftlich geprägten Land hin zum High-Tech-Standort lässt sich auch im Spiegel der Gesetzgebung des Landtags seit 1946 nachvollziehen. Im ersten Nachkriegs jahrzehnt kümmerte sich das Parlament in erster Linie um Nahrung und Heizmaterial für die Bevölkerung, um die sog. »Entnazifizierung«, um den Wiederaufbau, besonders den Wohnungsbau (»Notabgabe«), um die Integration der

Flüchtlinge und Heimatvertriebenen, um eine neue Grundlage für die kommunale Selbstverwaltung, um die Schulgeldfrei heit an öffentlichen Schulen oder um das Presserecht.

Mit der Linderung der Not der Nachkriegsjahre und dem »Wirtschaftswun der« trat Ende der 50er Jahre die Kulturpolitik in den Vordergrund. Ein Volksschulgesetz und ein Begabtenförderungsgesetz wurden verabschiedet sowie die Grundlagen für die Errichtung neuer bayerischer Universitäten und Fachhochschulen gelegt. Das Landwirtschaftsförderungsgesetz brachte den bayerischen Bauern vielfältige Hilfen.

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Unter dem Eindruck gesellschaftlicher Veränderungsprozesse entwickelte der Bayerische Landtag in der Wahlperiode von 1970 bis 1974 eine gesetzgeberische Tätigkeit, die sich durchaus mit der politischen Aufbruchsstimmung auf Bundesebene vergleichen lässt. Zugleich spiegeln die Vielzahl und die Bandbreite der Gesetze die höheren Ansprüche der Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Staat, aber auch dessen starkes (finanzielles) Leistungsvermögen wider: Verabschiedet wurden in dieser 8. Wahlperiode (1970 – 1974) neben vielen anderen Gesetzen z. B. ein Berufsschulgesetz, ein Kindergartengesetz, ein Abfallgesetz, ein Denkmalschutzgesetz, ein Naturschutzgesetz, ein Hochschulgesetz, ein Krankenhausgesetz, ein Erwachsenenbildungsgesetz und ein Waldgesetz.

Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Krisen seit der Mitte der 70er Jahre und der sich verschärfenden Lage der öffentlichen Haushalte lässt sich in den letzten Jahrzehnten eine erneute Trendwende beobachten. Sie findet ihren Ausdruck etwa in der gesetzgeberischen Tätigkeit zur Konsolidierung und Sanierung des bayerischen Staatshaushaltes (siehe auch Ausführungen zur Föderalismus-Reform II, Seite 27). Die Sparpolitik

der 15. Wahlperiode seit 2003 ist nur das aktuellste Beispiel für diese Tendenz, die sich schon früher erkennen lässt, etwa in der Privatisierung von Staatsbeteiligungen (»Offensive Zukunft Bayern«), der das Parlament erstmals 1994 zugestimmt hat, vor allem aber in der Novellierung der Bayerischen Haushaltsordnung im Dezember 2000, in der der Landtag per Gesetz festgelegt hat, dass die staatliche Neuverschuldung bis zum Jahr 2006 auf Null zurückgeführt werden muss (siehe auch Seite 22/23).

Daneben prägten und prägen in den letzten Jahrzehnten weitere Schwerpunkte die Gesetzgebung des Parlaments, für die beispielhaft genannt werden können: der Umweltschutz (1984 Aufnahme in die Verfassung nach Landtagsbeschluss per Volksentscheid), das Feld der Grund- und Bürgerrechte (z. B. 1996 das Gesetz zur geschlechtlichen Gleichstellung, 2003 das Gesetz zur Gleichstellung, Integration und Teilhabe von Menschen mit Behinderung), die Bildungspolitik (z. B. 1999 Einführung der sechsstufigen Realschule und 2004 Ein füh rung des achtjährigen Gymnasiums) und die Hochschulpolitik (z. B. 2005 Einführung von Studiengebühren).

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Sie gehörten zu den ersten Frauen im Bayerischen Landtag:

Gerda Laufer (links), SPD-Landtagsabgeordnete 1954 –1 974, stv.

Fraktionsvorsitzende 1962 –1970. Dr. Hildegard Hamm-Brücher

(rechts), FDP-Landtagsabgeordnete 1950 – 1966 und 1970 – 1976,

Fraktionsvorsitzende 1972 – 1976.

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Bayerisches Naturschutzgesetz

Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen

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Die Gesetzgebung in der 16. WP (2008 – 2013)

Am 20. Oktober 2008 hat sich der 16. Bayerische Landtag konstituiert. Erstmals seit Ende der Fünfzigerjahre zogen wieder fünf Fraktionen in den Landtag ein; Bayern wird von einer Koalition aus CSU und FDP regiert. Mehr Fraktionen bedeutet mehr parlamentarische Initiativen: So stieg zum Beispiel die Zahl der Gesetzentwürfe gegenüber der vorhergehenden Wahlperiode von 160 (Stand: 31.03.2007) auf 222 (Stand: 31.03.2012). Das ist eine Steigerung um fast 40 Prozent!Auch das Volk war als Gesetzgeber tätig. Das Gesetz zum Schutz der Gesundheit (Gesundheitsschutzgesetz – GSG) – Kurzbezeichnung »Für echten Nichtraucherschutz!« – wurde durch ein Volksbegehren initiiert, per Volksentscheid beschlossen und 2010 in Kraft gesetzt. Die Volksgesetzgebung (siehe auch Seite 32) ist wichtiger Bestandteil der Gesetzgebung in Bayern.

Wichtige Gesetzesbeschlüsse des Landtags in der 16. WP:J Gesetz zur Änderung des Bayerischen Landesbank-Gesetzes: Neue

Regelungen zur Gremienzusammensetzung und zu den Aufgaben der BayernLB (2009)

J Gesetz zur Änderung des Bayerischen Hochschulgesetzes, des Bayerischen Hochschulpersonalgesetzes und des Bayerischen Hochschulzulassungsgesetzes: So wird künftig z. B. allen Absolventinnen und Absolventen der Meisterprüfung der allgemeine Hochschulzugang eröffnet. Bei Familien mit mehreren gleichzeitig in Deutschland oder dem EU-Raum studierenden Kindern werden ab dem Wintersemester 2009/2010 nur noch einmal Studienbeiträge erhoben (2009).

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J Parlamentsbeteiligungsgesetz: Die Bayerische Staatsregierung wird verpflichtet, den Landtag frühzeitig bei Vorhaben der Landesgesetzgebung, bei Bundesratsangelegenheiten, bei Angelegenheiten der Europäischen Union und bei einer Reihe weiterer Angelegenheiten von erheblicher landespolitischer Bedeutung mit einzubeziehen (2010).

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J Gesetz zum Neuen Dienstrecht in Bayern: Neuregelung des öffentlichen Dienstrechts in Folge des Übergangs der Gesetzgebungskompetenzen vom Bund auf die Länder im Rahmen der Föderalismusreform: u. a. Schaffung eines eigenen bayerischen Besoldungs-, Beamtenversorgungs- und Leistungslaufbahngesetzes; inhaltliche Neuerungen sind die Anhebung der Altersgrenzen für den Ruhestandseintritt, die Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften, die Betonung des Leistungsprinzips, die Abschaffung der vier Laufbahngruppen und die Einführung eines Systems der modularen Qualifizierung (2010).

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J Gesetz zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen: Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im bayerischen Schulwesen (Inklusion) und Einführung der Mittelschule und der Schulverbünde (2010)

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J Bayerisches Wassergesetz (2010)J Gesetz über den Schutz der Natur, die Pflege der Landschaft und die

Erholung in der freien Natur - Bayerisches Naturschutzgesetz (2011) J Gesetz über die Bayerische Verfassungsmedaille (2011)

Arbeitsbilanz 20.10.2008 – 31.03.2012

Plenarsitzungen 98

Sitzungen der ständigen Ausschüsse 874

Landtagsdrucksachen 12 115

Gesetzesvorlagen 222

Petitionen 8 658

Verordnungen 3

Abkommen 2

Staatsverträge 17

Interpellationen 7

Ministerin- oder Ministerbefragungen (bis 13.07.2011) 31

Anfragen zum Plenum 1 581

Schriftliche Anfragen 2 991

Aktuelle Stunden 46

Anträge 3 942

Verfassungsbeschwerden 72

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1961 …der Bayerische Landtag verabschiedet als erstes Landesparlament ein Gesetz über die öffentliche Schluckimpfung gegen Kinderlähmung.

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1969 …der Bayerische Landtag richtet per Gesetz den ersten Nationalpark in der Bundesrepublik Deutschland ein.

1973 …der Bayerische Landtag sorgt mit einem Gesetz für Schutz und Pflege von 80 000 Denkmälern in Bayern.

1992 …der Bayerische Landtag beschließt mit dem Mediengesetz die Rechtsgrundlage für private Radio- und Fernsehsender.

Gesetzgebung und Gesetzgeber in sechs Jahrzehnten – ein Fazit

Die Gesetzgebung des Freistaats weist seit 1946 eine bemerkenswerte qualitative Kontinuität auf. Es zeigen sich darin die immer wiederkehren den landespolitischen Themenfelder (Bildung, Hochschule, Polizeifragen, Umweltschutz u. v. m.) ebenso wie sich zeittypische Ereignisse spiegeln. Ein Blick auf das gesetzgeberische Handeln in jüngerer Zeit widerlegt, dass sich der Bayerische Landtag »nur noch« mit Novellierungen und Aus führungen von Bundesgesetzen bzw. mit der Umsetzung von EU-Vor gaben zu befassen hat. Im Gegenteil: Mit Inkrafttreten der Föde ra lis musreform I (siehe Seite 26) hat die Legislative der Länder einen neuen Impuls erfahren. Das neue Versammlungsgesetz oder das Strafvollzugsgesetz etwa sind unmittelbare Folge dieser neu gewonnenen Kompetenzen des Landesparlaments.

Die Regierungs- wie die Oppositionsfraktionen tragen zur Qualität der Gesetzgebung des Bayerischen Landtags – wenn auch in unterschiedlichen Rollen – gleichermaßen bei. Es kommt zwar regelmäßig vor, dass Gesetzentwürfe von den Regierungsfraktionen gegen das Votum der Oppositionsfraktionen beschlossen bzw. Gesetzentwürfe der Oppo sitionsfraktionen von den Regierungsfraktionen abgelehnt werden. Das bedeutet jedoch keineswegs, dass die parlamentarischen Beiträge der Oppositionsfraktionen bedeutungslos wären. Im Gegenteil: Sie sind notwendige Voraussetzung für einen demokratischen Wettstreit politischer Ideen und Konzepte um die bestmöglichen Lösungen für unser Land.

Übrigens: Von den 96 beschlossenen Gesetzen der 16. Wahlperiode (Stand: 31.03.2012) wurden 47 (!) einstimmig bzw. ohne Gegenstimmen vom Parlament beschlossen, also fast 50 Prozent! Dies zeigt das hohe Maß an politischer Verantwortung, die, gleich welcher Fraktion die Abgeordneten angehören, immer zum Ziel hat, für Bayern die bestmöglichen (gesetzlichen) Grundlagen zu schaffen - zum Wohle von uns allen. Hierzu gehören auch parlamentarische Auseinandersetzungen, denn nur durch konstruktive Debatten können bestmögliche Ergebnisse erzielt werden.

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19./20. Mai 1949: Der Landtag lehnt das Grundgesetz ab. Die Entscheidung fällt nach 15-stündiger Debatte in den frühen Morgenstunden mit 101 gegen 63 Stimmen bei neun Enthaltungen. Gleichzeitig wird die Rechtsverbindlichkeit des Grundgesetztes mit 97 Ja-Stimmen gegen nur sechs Nein-Stimmen bei 70 Enthaltungen bejaht.

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Das vornehmste Gesetzgebungsrecht des Parlaments: der Staatshaushalt

Eine herausgehobene Stellung unter den Gesetzen, über die der Bayerische Landtag zu beraten und zu entscheiden hat, nimmt das Haushalts gesetz ein. Es schafft die finanzielle Grundlage für das Wirken der Staatsregierung und der Verwaltung für die Dauer von zwei Jahren (Doppelhaushalt). Die Bayerische Verfassung schließt einen Volksentscheid (siehe Seite 32) über den Staatshaushalt aus. Auch dies zeigt die besondere Bedeutung des Budgetrechts für das bayerische Parlament.

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Die Einnahmen des Freistaates speisen sich zu drei Vierteln aus Steuern und steuerähnlichen Abgaben (siehe Schaubild), die sich in Deutschland Bund, Länder und Kommunen nach einem komplizier ten Verfahren teilen. Daneben spielen für die Einnahmen der Staats kasse z. B. Verwaltungsgebühren oder laufende Zuweisungen (z. B. sei tens der EU) nur eine untergeordnete Rolle. Ohne neue Schulden auszukommen, ist bei den Haushaltsberatungen immer wieder eine große finanzpolitische Herausforderung. Dieses Ziel hat Bayern erstmals im Jahr 2006 erreicht. Seitdem wird jedes Jahr auf eine Neuverschuldung verzichtet. Zudem ist es gelungen, mit der Tilgung von Schulden zu beginnen.

Einnahmen des Freistaats Bayern im Haushaltsjahr 2012Gliederung nach Einnahmearten

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Einnahmen 2012 44 289,6 Mio Euro

1 Steuern und steuerähnliche Abgaben 34 416,7 2 Verwaltungseinnahmen, Einnahmen aus Schuldendienst u. dgl. 2 690,83 Einnahmen für laufende Zwecke (insbes. vom Bund) 5 182,44 Einnahmen für Investitionen, besondere Finanzierungseinnahmen 2 999,7 5 Kreditaufnahmen am Kreditmarkt (netto)

(=Schuldentilgung) -1 000,0

Nach dem Berechnungsschema des Finanzplanungsrates beträgt 2012 die Steuerdeckungsquote 78,0 % und die Kreditfinanzierungsquote -2,3 % (= Schuldentilgung).

Ausgaben des Freistaats Bayern im Haushaltsjahr 2012Gliederung nach Aufgabenbereichen

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Ausgaben 2012 44 289,6 Mio Euro

1 Allgemeine Dienste (u.a. Polizei u. Rechtsschutz) 8 046,5 2 Bildungswesen, Wissenschaft, Forschung, kulturelle Angelegenheiten 16 439,5 3 Soziale Sicherung, soziale Kriegsfolgeaufgaben, Wiedergutmachung 3 549,0 4 Gesundheit, Sport und Erholung 1 099,4 5 Wohnungswesen, Städtebau, Raumordnung und

kommunale Gemeinschaftsdienste 424,8

6 Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 940,0 7 Energie- und Wasserwirtschaft, Gewerbe, Dienstleistungen 801,3 8 Verkehrs- und Nachrichtenwesen 2 429,5 9 Wirtschaftsunternehmen, Allgemeines Grund- und Kapitalvermögen 60,3 10 Allgemeine Finanzwirtschaft 10 499,3Stand: April 2012

Quelle: Bayerisches Staatsministerium der Finanzen, München

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Beginn und Ende des Haushaltskreislaufs

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Haushaltsaufstellung1. Aufstellung des Haushaltsentwurfs

durch das Staatsministerium der Finanzen (Basis: Voranschläge der Verwaltung)

2. Beschluss der Staatsregierung über den Haushaltsentwurf

Haushaltsfeststellung3. Beratung und Beschluss über das Haushaltsgesetz und die Haushaltspläne

durch den Bayerischen Landtag

Haushaltsvollzug

4. Haushaltsvollzug durch die Verwaltung

5. Rechnungslegung

Entlastung

6. Rechnungsprüfung durch den Bayerischen Obersten Rechnungshof

7. Entlastung durch den Bayerischen Landtag

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Wofür ist der Bayerische Landtag zuständig?

Die gesetzgeberische Zuständigkeit des Landesparlaments ist auf zweierlei Weise begrenzt: Zum einen darf das Parlament keine Gesetze erlassen, die gegen höherrangiges Recht (insbesondere die Grundrechte der Bayeri schen Verfassung oder des Grundgesetzes) verstoßen (vg. Art. 98 Satz 4 BV, Art. 20 Abs. 3 GG). Und: Der Bayerische Landtag ist in seiner gesetzgebenden Ge walt nur für die Politikfelder zuständig, für die die Länder nach dem Grundgesetz eine Gesetzgebungszuständigkeit haben. Schließlich gibt es im föderativen System der Bundesrepublik Deutschland neben den Ländern die Bundesebene, auf der – im Bundestag (gegebenenfalls unter Mitwirkung des Bundesrates) – Gesetze für ganz Deutschland beschlossen werden.

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Grundsätzlich gilt: Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung (Art. 70 Abs. 1 GG). Der Bund kann nur Gesetze erlassen, wenn dies das Grundgesetz ausdrücklich zulässt. Die Zuständigkeitsbereiche der Länder sind daher anders als die des Bundes im Grundgesetz nicht im Einzelnen aufgezählt.

Das Grundgesetz sieht für die Zuständigkeit des Bundes zwei Kategorien vor:J die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz (Art. 72 und 74 GG) — mit Erforderlichkeitsklausel — ohne Erforderlichkeitsklausel — mit dem Recht der Länder zur Abweichungsgesetzgebung

(Art. 72 Abs. 3 GG) – eingeführt durch die Föderalismusreform I im Herbst 2006

J die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes

(Art. 71 und 73 GG)

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Von der konkurrierenden Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern spricht man dort, wo die Länder Gesetzgebungszuständigkeit haben, solange und soweit der Bund von seiner eigenen Zuständigkeit keinen Gebrauch macht. Jedoch darf der Bund in bestimmten Bereichen nur dann gesetzgeberisch tätig werden, wenn die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundeseinheitliche Lösung erforderlich machen.

Von der Abweichungsgesetzgebung spricht man dort, wo der Bund bereits gesetzgeberisch tätig war, das Grundgesetz den Ländern aber dann erlaubt, hiervon abweichende gesetzliche Regelungen zu treffen.

Die Aufstellung (siehe Seite 28 ff) gibt einen Überblick über die Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten.

Am 1. August 2009 ist die Föderalismusreform II in Kraft getreten. Vereinbart wurden insbesondere ein grundsätzliches Neuverschuldungsverbot für die Länder, eine Verschuldungsgrenze für den Bund sowie ein Frühwarnsystem, um das Abdriften der öffentlichen Haushalte in einer Krisensituation rechtzeitig zu erkennen.

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Gesetzgebungskompetenz der Länder, z. B.

J Landesverfassungsrecht J Kultur J Schul- und Bildungswesen J Kommunalrecht J Polizeiwesen J Versammlungsrecht J StrafvollzugJ Dienstrecht (mit Ausnahme der Statusrechte und -pflichten) J Heimrecht J Gaststättenrecht J LadenschlussrechtJ Presse, Rundfunk und neue Medien

Vollversammlung des Bayerischen Landtags

Konkurrierende Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern, z. B.

ohne Erforderlichkeitsklausel J Bürgerliches Recht J Strafrecht J Personenstandswesen J Vereinsrecht J Bodenrecht J Arbeitsrecht J Abfallwirtschaft J Luftreinhaltungmit Erforderlichkeitsklausel J Aufenthaltsrecht für ausländische Bürger J Wirtschaftsrecht J Straßenverkehr J Lebensmittel-/Produktsicherheit

Abweichungsgesetzgebung, z. B.

J Jagdwesen J Naturschutz, Landschaftspflege J Hochschulzulassung und -abschlüsse J Bodenverteilung und Raumordnung

Sitzung des Bundesrats in Berlin

Ausschließliche Gesetzgebung des Bundes, z. B.

J Auswärtige Angelegenheiten J Verteidigung, ZivilschutzJ Staatsangehörigkeit J Pass-, Melde- und AusweiswesenJ Währungs- und Geldwesen J Zoll und GrenzschutzJ Eisenbahnen des Bundes und LuftverkehrJ Post und TelekommunikationJ Gewerblicher Rechtsschutz, UrheberrechtJ Erzeugung und Nutzung von KernenergieJ Waffen- und Sprengstoffrecht

Vollversammlung des Deutschen Bundestags in Berlin

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Bayern, Deutschland … und Europa?

Etwa die Hälfte unserer Gesetze wird direkt oder indirekt von der Europäischen Union (EU) mitbestimmt. Bei Rechtsakten in den Bereichen Wirtschaft, Landwirtschaft und Umwelt liegt der EU-Einfluss sogar bei ca. 80 %. Was bedeutet das für die Gesetzgebung, für die Politik in Bayern insgesamt?

Zunächst: Bayern und Deutschland brauchen die EU! Globale Herausforderungen verlangen gemeinsames Handeln: Man denke nur an die weltweite Finanzkrise, den Klimawandel oder die Bedrohung durch den Terrorismus. Nur wenn die EU als große Solidargemeinschaft zusammensteht, sind uns und unseren Nachbarn Frieden und Wohlstand sicher. Deshalb ist die bayerische Politik proeuropäisch. Richtschnur ist dabei für Bayern das Prinzip der Subsidiarität: Was kommunal, regional oder national geregelt werden kann, das sollte auch dort geregelt werden. Der EU-Ebene sollte vorbehalten bleiben, was die Nationalstaaten allein nicht mehr lösen können. Für die Beachtung dieses grundlegenden Prinzips trat und tritt der Freistaat bei der EU mit Nachdruck (und mit Erfolg!) ein. In diesem Sinn nimmt Bayern direkt (z. B. im Ausschuss der Regionen und über die bayerischen Abgeordneten im Europäischen Parlament) und indirekt über die Staatsregierung und den Bundesrat Einfluss auf die Rechtsetzung der EU. Auch über die im Oktober 2010 eingerichtete Kontakt- und Informationsstelle des Bayerischen Landtags in Brüssel wird das Parlament direkt mit allen wichtigen Informationen aus den europäischen Gremien versorgt. Der Landtag kann somit seine Mitsprachemöglichkeiten kompetent und effektiv wahrnehmen.

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Die Volksgesetzgebung

Die grundsätzliche Festlegung der Bayerischen Verfassung (Art. 2 BV) auf eine parlamentarische Demokratie wird im Freistaat ergänzt um Elemente der direkten (= plebiszitären) Demokratie: um Volksbegehren und Volksentscheid.

Die Verfassung (Art. 72 – 75 BV) legt fest, wie das Volk Gesetzesvorschläge auf den Weg bringen (Gesetzesinitiative per Volksbegehren) und per Volks entscheid beschließen kann (siehe Schaubild). Sie sieht dabei einige »Hürden« vor, um Missbrauch zu verhindern: So ist z. B. ein Volksentscheid über den Staatshaushalt unzulässig. Auch darf die Verfassung nicht so ge ändert werden, dass dies ihrem demokratischen Grundgedanken wider spricht. Außerdem müssen zehn Prozent der Wahlberechtigten im Volksbegehren (zzt. sind das ca. 940 000 Bürger/-innen) einen Volksentscheid unterstützen. Umgekehrt wird aber auch deutlich, wie bedeutsam die Volksgesetzgebung in Bayern ist: So kann etwa die Verfassung niemals allein durch den Landtag geändert werden: Es ist immer auch die Zustimmung der Bevöl kerung per Volksentscheid notwendig (»obligatorisches Ver fassungsreferendum«). Eine Verfassungsänderung per Volksentscheid, die auf ein Volksbegehren zurückgeht, bedarf nicht nur der einfachen Mehrheit der Abstimmenden, sondern zusätzlich eines sogenannten Quorums: Die Ja-Stimmen müssen mindestens 25 Prozent der Stimmberechtigten entsprechen. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich die Volksgesetzgebung vielfach bewährt, ohne die grundsätzliche Stellung des Parlaments als zentrales Organ der Gesetzgebung in Frage zu stellen.

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Volksbegehren – Volksentscheid

Kein Volksentscheidmehr notwendig

Ausnahme:Verfassungsänderung

Zustimmung Ablehnung (ggf. Vorlageeines eigenenGesetzentwurfs)

Antragauf Zulassung des Volksbegehrens:

25 000 Unterschriften von Stimmberechtigten

Volksbegehren10 % der Stimmberechtigten

Eintragungsfrist 14 TageUnterschrift persönlich und handschriftlich

Landtag(Beratung und Beschlussfassung)

Staatsregierung(Stellungnahme)

VolksentscheidAbstimmung mit »Ja«

oder »Nein«(ggf. über zwei Entwürfe)

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Volksbegehren in Bayern seit 1967

Schulartikel (drei Begehren) 1967

Demokratische Gebietsreform* 1971

Rundfunkfreiheit (Art. 111a BV) 1972

Lernmittelfreiheit* 1977

Zusammensetzung des Senats* 1977

Abfallwirtschaftsgesetz 1990

Kommunaler Bürgerentscheid 1995

Abschaffung des Bayerischen Senats 1997

Kennzeichnung gentechnikfreier Produkte aus Bayern* 1998

Erziehungs- u. Unterrichtswesen sowie Schulfinanzierung* 2000

Organisation des Verfassungsgerichtshofs* 2000

Änderung des Art. 100 der Verfassung des Freistaates

Bayern – Verankerung bioethischer Grundsätze* 2003

Änderung des Waldgesetzes* 2004

Änderung des Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen* 2005

Änderung der Bauordnung und des Landesentwicklungsprogramms* 2005

Gesundheitsschutzgesetz 2009

Volksentscheide in Bayern seit 1946

Bayerische Verfassung (BV)** 01.12.1946

Schulartikel (Art. 135 BV) 07.07.1968

Wahlalter BV (Art. 7 und 14 BV)** 24.05.1970

Rundfunkfreiheit (Art. 111a BV) 01.07.1973

Landtagswahlrecht (Art. 14 BV)** 01.07.1973

Umweltschutz (Art. 3, 131, 141 BV)** 17.06.1984

Abfallrecht 17.02.1991

Kommunaler Bürgerentscheid 01.10.1995

Zwei Änderungen der Verfassung des Freistaates Bayern: Reform von Landtag und Staatsregierung, Weiterentwicklung im Bereich der Grundrechte und Staatsziele (u.a. Verkleinerung des Landtags)** 08.02.1998

Bayerischer Senat 08.02.1998

Zwei Änderungen der Verfassung des Freistaates Bayern (u.a. Parlamentsinformationsgesetz, Konnexitätsprinzip)** 21.09.2003

Gesundheitsschutzgesetz 04.07.2010

* Volksbegehren gescheitert **nur Verfassungsänderungen (ohne Volksbegehren) Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung

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Volksbegehren in Bayern seit 1967 Volksentscheide in Bayern seit 1946

Bayerische Verfassung (BV)** 01.12.1946

Schulartikel (drei Begehren) 1967 Schulartikel (Art. 135 BV) 07.07.1968

Wahlalter BV (Art. 7 und 14 BV)** 24.05.1970

Demokratische Gebietsreform* 1971

Rundfunkfreiheit (Art. 111a BV) 1972 Rundfunkfreiheit (Art. 111a BV) 01.07.1973

Landtagswahlrecht (Art. 14 BV)** 01.07.1973

Lernmittelfreiheit* 1977

Zusammensetzung des Senats* 1977

Umweltschutz (Art. 3, 131, 141 BV)** 17.06.1984

Abfallwirtschaftsgesetz 1990 Abfallrecht 17.02.1991

Kommunaler Bürgerentscheid 1995 Kommunaler Bürgerentscheid 01.10.1995

Zwei Änderungen der Verfassung des Freistaates Bayern: Reform von Landtag und Staatsregierung, Weiterentwicklung im Bereich der Grundrechte und Staatsziele

(u.a. Verkleinerung des Landtags)** 08.02.1998

Abschaffung des Bayerischen Senats 1997 Bayerischer Senat 08.02.1998

Kennzeichnung gentechnikfreier Produkte aus Bayern* 1998

Erziehungs- u. Unterrichtswesen sowie Schulfinanzierung* 2000

Organisation des Verfassungsgerichtshofs* 2000

Änderung des Art. 100 der Verfassung des Freistaates

Bayern – Verankerung bioethischer Grundsätze* 2003

Zwei Änderungen der Verfassung des Freistaates Bayern (u.a. Parlamentsinformationsgesetz, Konnexitätsprinzip) 21.09.2003

Änderung des Waldgesetzes* 2004

Änderung des Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen* 2005

Änderung der Bauordnung und des Landesentwicklungsprogramms* 2005

Gesundheitsschutzgesetz 2009 Gesundheitsschutzgesetz

* Volksbegehren gescheitert **nur Verfassungsänderungen (ohne Volksbegehren) Quelle: Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung

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04.07.2010

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Unser Service für Sie

InformationsmaterialienDer Bayerische Landtag hält eine Vielzahl von Informationsmaterialien für Sie bereit, die kostenfrei abgegeben werden. Die Bestellung kann per Post, per Fax, per E-Mail, telefonisch oder auf unseren Webseiten erfolgen. Alle Angaben finden Sie unter »Kontakt« auf der folgenden Seite.

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Der Bayerische Landtag im InternetDer Internetauftritt des bayerischen Parlaments bietet unter anderem Live-Übertragungen der Plenarsitzungen (Live-Streaming), aktuelle Informationen über den Ablauf der Sitzungen (Plenum Online) sowie Aufzeichnungen vergangener Sitzungen (Video-Archiv). Darüber hinaus können Sie Sitzungspläne und Tagesordnungen einsehen, nach Sitzungsprotokollen, Gesetzentwürfen, Anträgen und Beschlüssen des Parlaments suchen (Dokumentenrecherche), Hinweise zur Parlamentsgeschichte und zum Bauwerk Maximilianeum nachlesen sowie Biografien und Adressen aller Abgeordneten und eine Vielzahl weiterer Informationen, insbesondere auch für jugendliche Interessenten, finden. Eine 360° Panorama Tour ermöglicht Ihnen eine virtuelle Reise durch das Maximilianeum. Bei der virtuellen Tour können Sie sich an insgesamt acht verschiedenen Standorten im Gebäude umschauen. Beiträge des Bayerischen Landtags finden Sie auch auf YouTube und Twitter.

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»Maximilianeum« – das Online-Magazin des Bayerischen LandtagsUnter www.maximilianeum-online.de werden unter den Rubriken »Titel«, »Politik« und »Panorama« regelmäßig Beiträge rund um das Parlamentsgeschehen in Bayern veröffentlicht. Unter www.bayern.landtag.de können Sie das Online-Magazin kostenlos abonnieren.

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Besuch im MaximilianeumFür Einzelbesucher ist die Teilnahme an Ausschuss- oder Plenarsitzungen ohne vorherige Anmeldung möglich, soweit Besucherplätze verfügbar sind (Vorlage eines Personalausweises oder Reisepasses). Hausbesichtigungen sind ohne Einladung durch das Landtagsamt nicht möglich.

Gruppen können den Bayerischen Landtag nach Anmeldung und Einladung durch das Landtagsamt besuchen. Der Besuchswunsch muss schriftlich und möglichst frühzeitig vorliegen. Die Gäste werden vom Besucherdienst des Landtagsamts betreut.

Bayerischen Schulklassen wird im Rahmen der »Pädagogischen Betreuung« ein spezielles Programm angeboten. Wegen des großen Zuspruchs ist rechtzeitige Anmeldung (in den ersten Wochen des Schuljahres!) erforderlich. Ein Besuch ist an weitere Bedingungen gebunden.

KontaktBayerischer Landtag – LandtagsamtReferat P V – Öffentlichkeitsarbeit, BesucherMaximilianeum, 81627 MünchenTelefon (0 89) 41 26 – 27 05 oder - 23 36 (Besucherdienst)Telefon (0 89) 41 26 – 21 91 oder – 26 02 (Bestellungen)Fax (0 89) 41 26 – 17 [email protected]@bayern.landtag.de (Besuche von Schulklassen)www.bayern.landtag.de

Zu Fragen rund um den Bayerischen Landtag:Zentrale Informationsstelle (ZIS) des LandtagsamtsTelefon (0 89) 41 26 – 22 68, [email protected]

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Herausgeber:Bayerischer LandtagLandtagsamtReferat Öffentlichkeitsarbeit, BesucherMaximilianeum81627 MünchenTelefon (0 89) 41 26 - 0Fax (0 89) 41 26 -13 [email protected]

Gestaltung:Vogt, Sedlmeir, Reise. GmbH München

Druck: Donau Druck GmbH, Vilshofen an der Donau

Stand: Juni 2012 2. Auflage 16. WP

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Herausgeber:Bayerischer LandtagLandtagsamtReferat Öffentlichkeitsarbeit, BesucherMaximilianeum81627 MünchenTelefon (0 89) 41 26 - 0Fax (0 89) 41 26 -13 [email protected]

Gestaltung:Vogt, Sedlmeir, Reise. GmbH München

Druck: Donau Druck GmbH, Vilshofen an der Donau

Stand: Juni 2012 2. Auflage 16. WP