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Der Brexit und die Potenziale des Binnenmarktes für NRW Abschlussbericht zum Brexit NRW-Projekt für das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen

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Der Brexit und die

Potenziale des

Binnenmarktes für NRW

Abschlussbericht zum Brexit NRW-Projekt für das

Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

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Impressum

© 2019

IW Consult GmbH

Konrad-Adenauer-Ufer 21

50668 Köln

Tel.: 0221 / 49 81-758

www.iwconsult.de

Autoren

Dr. Thomas Schleiermacher

Pauline Pohl

Dr. Philipp Schade

Pascal Singler

Bildnachweise

Shutterstock.com, Graphical_Bank

MWIDE NRW/F. Wiedemeier

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

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Vorwort von Professor Dr. Andreas Pinkwart

Das Vereinigte Königreich ist für Nordrhein-Westfalen schon seit Gründung unseres Bundeslandes ein besonderer Nachbar gewesen. Vom „Geburtshelfer“ bei der Vereinigung von Rheinland und Westfalen hat sich Großbritannien schnell zu einem engen Freund entwickelt, der unser Land auch durch seine jahrzehntelange Präsenz vor Ort stark geprägt hat. Zahlreiche wirtschaftliche und persönliche Kontakte sind in dieser Zeit entstanden und werden auch in Zukunft bestehen bleiben.

Der Brexit bleibt eine bedauernswerte Entscheidung, die wir als nordrhein-westfälische Landesregierung uns so nicht gewünscht haben. Dennoch gilt es, die Entscheidung unserer britischen Freundinnen und Freunde zu respektieren. Wir hoffen weiterhin, dass es nicht zu einem harten Brexit kommt, arbeiten aber intensiv daran, auch für den worst case bestmöglich vorbereitet zu sein. Gleichzeitig sind wir entschlossen, alle Chancen zu nutzen, die sich durch den Brexit für NRW ergeben.

Für die vorliegende Studie des IW Köln, die im Auftrag meines Ministeriums und mit Unterstützung von IHK NRW erstellt wurde, möchte ich allen beteiligten Akteuren meinen herzlichen Dank aussprechen. Sie geht auf eine Initiative meines im April 2018 einberufenen Brexit-Beraterkreises mit Vertretern der Wirtschaft, der Gewerkschaften, der Wissenschaft und der Landesverwaltung zurück.

Die Studienergebnisse zeigen, dass sich die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen von den Entwicklungen rund um den Brexit bislang nicht verunsichern lassen. Viele von ihnen haben sich bereits frühzeitig auf die neue Situation eingestellt. Die Studie bestätigt damit Eindrücke, die ich selbst bei vielen Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern in den letzten Monaten gewonnen habe. Klar ist aber auch, dass der Brexit-Schock für unsere Unternehmen leichter zu bewältigen sein wird, wenn er noch durch ein Abkommen zwischen der EU und Großbritannien abgefedert wird.

Die Studie gibt uns als Land zudem wertvolle Impulse, wie wir das erfolgreiche nordrhein-westfälische Standortmarketing im Vereinigten Königreich in Zukunft noch systematischer und regionaler gestalten können. Unternehmen aus dem Vereinigten Königreich, die im Zuge des Brexits Geschäftstätigkeiten in die EU verlagern wollen, finden in Nordrhein-Westfalen attraktive Standortvorteile vor, die die Studie gut herausstellt. Um diese Vorteile zu kommunizieren, möchten wir in Zukunft noch mehr mit den regionalen Stärken NRWs arbeiten, aber auch die verschiedenen Regionen des Vereinigten Königreichs stärker in den Blick nehmen. Unsere landeseigene Wirtschaftsförderungsgesellschaft NRW.INVEST hat daher auch ein Büro in Großbritannien eröffnet, das flexibel ist und an verschiedenen Stellen im Land Präsenz zeigen kann.

Betonen möchte ich, dass uns auch nach dem Brexit weiterhin sehr an einer engen Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich, seinen Unternehmen und seiner exzellenten Forschungslandschaft gelegen ist. Diesen Punkt habe ich auch auf meinen beiden bisherigen Reisen ins Vereinigte Königreich deutlich hervorgehoben. Denn auch in einem Europa nach dem Brexit wird das Vereinigte Königreich weiterhin ein enger Freund Nordrhein-Westfalens bleiben, mit dem wir gemeinsam die Zukunft gestalten wollen.

Professor Dr. Andreas Pinkwart Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen

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Vorwort von Professor Dr. Michael Hüther

Das Brexit-Drama nimmt auch eine Woche vor dem vorgesehenen EU-Austrittsdatum, dem 29. März 2019, kein Ende. Die britische Politik hat bislang spektakulär deutlich gemacht, was sie nicht will: Sie stimmte gegen den ausgehandelten Deal, gegen einen No Deal und auch gegen ein zweites Referendum. Jegliches Interesse an einem konstruktiven Ausgang scheint führenden Akteuren in London abzugehen, wobei die Konfliktlinien quer durch alle Parteien verlaufen.

Trotz fairer Verhandlungen von Seiten der EU mehren sich derweil in Deutschland die Forderungen, den Briten (weiter) entgegenzukommen. Eine Verschiebung des Brexit soll die Gefahr eines ungeregelten Ausscheidens des Vereinigten Königreiches aus der EU bannen. Vor dem Hintergrund der chaotischen politischen Prozesse auf der Insel bleibt höchst fragwürdig, ob sich dadurch etwas gewinnen lässt.

Schlimmer noch: Sollte das Vereinigte Königreich aufgrund einer Brexit-Verschiebung an den EU-Wahlen am 23. Mai teilnehmen, würde das Chaos im britischen Parlament in die EU hineingetragen. Drängende EU-Projekt, wie Investitionen in Forschung (KI) und Infrastruktur (transeuropäische Netze), die Weiterentwicklung der Banken-union und die Schaffung der Kapitalmarktunion, die Stärkung der außenpolitischen Autorität und der Ausbau der Verteidigungszusammenarbeit, könnten durch britische EU-Abgeordneten blockiert werden. Die EU würde sich erpressbar machen.

Wirtschaftlich macht sich der Brexit im Vereinigten Königreich bereits heute deutlich bemerkbar: Die Inflation ist gestiegen, Wirtschaftswachstum und Investitionstätigkeit empfindlich gesunken, das britische Pfund hat abge-wertet. Gesellschaftlich sind eine enorme Spaltung und Lagerbildung zu beobachten. Wie diese wieder zu heilen ist, bleibt derzeit ein Rätsel.

Was aber bedeutet der EU-Austritt für die eingespielte und jahrzehntelang erfolgreiche Partnerschaft zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Vereinigten Königreich? Unsere Studie hat gezeigt, dass drei von vier NRW-Unter-nehmen aufgrund der intensiven Handelsverflechtungen bereits heute erste Brexit-Auswirkungen spüren. Nur sind diese – anders als mancher erwarten mag – mehrheitlich positiver Natur. So konnten etwa EU-Unternehmen, die bislang Vorprodukte aus dem Vereinigten Königreich bezogen haben, von NRW-Betrieben als Neukunden ge-wonnen werden. Auch auf die Zeit nach dem Brexit haben sich viele NRW-Unternehmen bereits intensiv vorbe-reitet. Die im Rahmen unserer Studie geführten Experteninterviews belegen eindrucksvoll, dass wichtige Wei-chenstellungen bereits kurz nach dem Brexit-Referendum vorgenommen wurden.

Allen Unternehmen, die bislang zuversichtlich auf einen positiven Ausgang des Brexit-Dramas gesetzt haben, bleibt nur ein Ratschlag: Stellt Euch auf einen harten Brexit ein und löst die Notfallpläne aus! In unsicheren Zeiten muss man mit dem Schlimmsten rechnen.

Professor Dr. Michael Hüther IW-Direktor und Mitglied des Präsidiums

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

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Inhaltsverzeichnis

1 Management Summary ................................................................................................................. 8

2 Motivation und Studien-Design ................................................................................................... 10

3 Wirtschaftsstandort NRW ............................................................................................................ 12

3.1 Wirtschaftsstrukturen in NRW .......................................................................................................................... 13

3.1.1 Sektorstruktur ......................................................................................................................................... 13

3.1.2 Arbeitsmarkt ........................................................................................................................................... 14

3.1.3 Außenhandel ........................................................................................................................................... 14

3.2 Standortbedarfe von VK-Unternehmen ............................................................................................................ 18

3.2.1 Identifikation von Standort-Indikatoren ................................................................................................. 19

3.2.2 Bestandsaufnahme ................................................................................................................................. 20

3.2.3 Urbane Regionen und industrielles Kernland ......................................................................................... 21

3.2.4 Online-Tool zum Standortmarketing ...................................................................................................... 40

4 Unternehmensbefragung ............................................................................................................ 44

4.1 Chancen und Risiken des Brexit ......................................................................................................................... 45

4.2 Brereits heute spürbare Brexit-Auswirkungen .................................................................................................. 46

4.3 Befürchtete negative Auswirkungen in Brexit-Szenarien .................................................................................. 47

4.4 Erwartete positive Auswirkungen in Brexit-Szenarien ...................................................................................... 48

4.5 Stand der Brexit-Vorbereitungen im Überblick ................................................................................................. 49

4.6 Brexit-Vorbereitungen im Detail ....................................................................................................................... 50

4.7 Vorbereitungsstand in Brexit-Problembereichen.............................................................................................. 51

5 Design Thinking-Workshop .......................................................................................................... 52

6 Experteninterviews ..................................................................................................................... 55

6.1 Wie haben Sie sich auf den Brexit vorbereitet? ................................................................................................ 55

6.2 Gibt es Empfehlungen zum Brexit, die Sie den NRW-Unternehmen mit auf den Weg geben möchten? ........ 59

7 Appendix .................................................................................................................................... 61

7.1 Methodik: IW Regional Similarity-Index ............................................................................................................ 61

7.2 Interviewpartner ................................................................................................................................................ 62

7.3 IW-Publikationen zum Brexit ............................................................................................................................. 65

7.4 Brexit-Projektteam der IW Consult ................................................................................................................... 70

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2-1 Der Brexit-Prozess als Zeitstrahl ......................................................................................................10 Abbildung 2-2 Modulares Studien-Design im Überblick .........................................................................................11 Abbildung 3-1 Ein- und Ausfuhranteile des Vereinigten Königreichs......................................................................17 Abbildung 3-2 VK-Unternehmen mit Plänen zur Standortverlagerung ...................................................................18 Abbildung 3-3 Indikatoren-Set zur Standortbewertung: Hauptthemen und Unterthemen ...................................19 Abbildung 3-4 Produktivität und Lohnkosten im Vergleich: NRW und VK, 2015 ....................................................20 Abbildung 3-5 Top-5 Vergleichsregionen (BSD) ......................................................................................................22 Abbildung 3-6 Top-3 Vergleichsregionen (BSD) ......................................................................................................23 Abbildung 3-7 Top-5 Vergleichsregionen (D‘dorf) ...................................................................................................24 Abbildung 3-8 Top-3 Vergleichsregionen (D‘dorf) ...................................................................................................25 Abbildung 3-9 Top-5 Vergleichsregionen (K/B) .......................................................................................................26 Abbildung 3-10 Top-3 Vergleichsregionen (K/B) .....................................................................................................27 Abbildung 3-11 Top-5 Vergleichsregionen (Ruhr) ...................................................................................................28 Abbildung 3-12 Top-3 Vergleichsregionen (Ruhr) ...................................................................................................29 Abbildung 3-13 Top-5 Vergleichsregionen (AC) ......................................................................................................30 Abbildung 3-14 Top-3 Vergleichsregionen (AC) ......................................................................................................31 Abbildung 3-15 Top-5 Vergleichsregionen (NR) ......................................................................................................32 Abbildung 3-16 Top-3 Vergleichsregionen (NR) ......................................................................................................33 Abbildung 3-17 Top-5 Vergleichsregionen (OWL) ...................................................................................................34 Abbildung 3-18 Top-3 Vergleichsregionen (OWL) ...................................................................................................35 Abbildung 3-19 Top-5 Vergleichsregionen (SWF) ....................................................................................................36 Abbildung 3-20 Top-3 Vergleichsregionen (SWF) ....................................................................................................37 Abbildung 3-21 Top-5 Vergleichsregionen (ML) ......................................................................................................38 Abbildung 3-22 Top-3 Vergleichsregionen (SWF) ....................................................................................................39 Abbildung 3-23 Online-Tool „site locator NRW” .....................................................................................................40 Abbildung 3-24 Standort-Prioritäten im Online-Tool „site locator NRW” ..............................................................41 Abbildung 3-25 Standort-Details im Online-Tool „site locator NRW” .....................................................................42 Abbildung 3-26 Top-3-Standort-Empfehlungen im Online-Tool „site locator NRW” ..............................................43 Abbildung 4-1 Chancen und Risiken des Brexit .......................................................................................................45 Abbildung 4-2 Heutige Brexit-Auswirkungen ..........................................................................................................46 Abbildung 4-3 Befürchtete negative Auswirkungen des Brexit ...............................................................................47 Abbildung 4-4 Erwartete positive Auswirkungen des Brexit ...................................................................................48 Abbildung 4-5 Stand der Brexit-Vorbereitungen .....................................................................................................49 Abbildung 4-6 Brexit-Vorbereitungen im Detail ......................................................................................................50 Abbildung 4-7 Brexit-Problembereiche ...................................................................................................................51 Abbildung 5-1 Design Thinking-Prozess im Überblick .............................................................................................52 Abbildung 5-2 Brexit-Charette .................................................................................................................................53 Abbildung 5-3 Brexit-Ideensammlung .....................................................................................................................53

Tabellenverzeichnis

Tabelle 3-1 Sektorstruktur anhand der regionalen Bruttowertschöpfung 2015.....................................................13 Tabelle 3-2 Die 10 wichtigsten Wirtschaftsabteilungen für die Beschäftigung in NRW 2017 ................................14 Tabelle 3-3 Ausfuhr wichtiger Handelspartner .......................................................................................................15 Tabelle 3-4 Die fünf wichtigsten Güter der Ausfuhr in das Vereinigte Königreich ..................................................16

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

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1 Management Summary

Studien-Design

Grundsätzliches Ziel des vom Wirtschaftsministerium NRW geförderten Projektes „Brexit NRW“ war die Er-

fassung der Betroffenheit und des Vorbereitungstandes der NRW-Wirtschaft in Bezug auf den Brexit.

Dabei sollten spezifische Chancen und Risiken unterschiedlicher Brexit-Szenarien für die NRW-Wirtschaft

identifiziert werden.

Ein Methodenmix aus 5 aufeinander aufbauenden Studien-Modulen bietet einen differenzierten und zu-

gleich facettenreichen Blick auf den Brexit

Studien-Modul 1: Wirtschaftsstandort NRW

Zur Ermittlung der regionalen Standortvorteile NRWs wurde auf empirischer Basis ein Indikatoren-Set aus

33 Einzelindikatoren entwickelt. Anhand dieses Indikatoren-Sets wurden im Rahmen der Studie

o strukturgleiche Regionen in NRW identifiziert,

o Regionen mit ähnlichen Wirtschaftsstrukturen im Vereinigten Königreich identifiziert und

o die Ergebnisse in das Online-Tool www.site-locator.nrw zum Standortmarketing eingesetzt.

Nordrhein-Westfalen lässt sich aus Standort-Perspektive in neun Regionen unterscheiden. Diese lassen sich

wiederum vier Gruppen zuordnen (das Münsterland stellt in dieser Systematik einen Sonderfall dar):

o urbane Regionen bzw. Metropolregionen: In der ersten Gruppe befinden sich Metropolregionen, die

sich durch eine ausgezeichnete Infrastruktur, eine vielfältige Bildungslandschaft und häufig auch eine

stärkere Dienstleistungs-Orientierung auszeichnen. Vertreter der ersten Gruppe sind in NRW: Bergi-

sches Städtedreieck, Düsseldorf und (in etwas geringerem Ausmaß) die Region Köln/Bonn und die Met-

ropole Ruhr

o industrielles Kernland: Die zweite Gruppe kann als das „industrielle Kernland“ bezeichnet werden. Hier

finden sich ländlichere Regionen, die mit international erfolgreichen Großkonzernen wie auch ihrer Viel-

zahl an erfolgreichen Mittelständlern das industrielle Rückgrat der Wirtschaft bilden. Vertreter der zwei-

ten Gruppe in NRW sind: Aachen, Niederrhein, Ost-Westfalen-Lippe, Südwestfalen und – zum Teil – die

Metropole Ruhr

In der Gesamtbetrachtung über alle neun Wirtschaftsregionen in NRW weisen vor allem die Regionen im

Norden Englands ähnliche Wirtschaftsstrukturen auf. Die größten Unterschiede im Vergleich zu den NRW-

Regionen zeigen sich in Nordirland, Schottland und London.

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Management Summary

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Studien-Modul 2: Unternehmensbefragung

Zielstellung der Unternehmensbefragung sollte bewusst nicht sein, ein repräsentatives Bild der NRW-Wirt-

schaft zu zeichnen, sondern vielmehr ein möglichst aktuelles und breit gefächertes Stimmungsbild zum Brexit

zu erheben.

Bei einem harten Brexit sehen die befragten Unternehmen vor allem Risiken auf sich zukommen. Ein weicher

Brexit hielte nach Einschätzung der befragten Unternehmen – allerdings nur leichte – Chancen für die NRW-

Wirtschaft bereit.

Bereits zum Zeitpunkt der Unternehmensbefragung Ende 2018/Anfang 2019 waren vorauseilende Auswir-

kungen des Brexit zu spüren. Diese Auswirkungen sind aber – zumindest bezogen auf das Deutschlandge-

schäft und Geschäfte mit dem Ausland ohne das Vereinigte Königreich – sogar unter dem Strich positiv.

Mehr als zwei Drittel der NRW-Unternehmen gaben an, dass sie bereits Maßnahmen zur Vorbereitung auf

den Brexit getroffen haben. Für ein knappes Viertel der Unternehmen ist der Brexit laut eigener Einschätzung

weder direkt noch indirekt für das eigene Geschäftsmodell relevant. Insbesondere für Unternehmen, die

zwar laut eigenen Angaben vom Brexit betroffen sein werden, zugleich aber noch keine vorbereitenden Maß-

nahmen getroffen haben, könnte die Zeit nun aber sehr knapp werden.

Bislang haben nur vergleichsweise wenige Unternehmen bei den Brexit-Vorbereitungen den Schritt von Pla-

nung zur Aktion vollzogen. Dieser Umstand kann aber schlüssig durch das politische Chaos erklärt werden,

das die Ausarbeitung und Implementierung spezifischer Maßnahmen in den Unternehmen gravierend stört.

Studien-Modul 3: Design Thinking-Workshop

Am 23.11.2018 trafen sich insgesamt 13 Brexit-Fachexperten, um in einem eintägigen Design Thinking-Work-

shop unter Anleitung von 3 IW-Design Thinking Coaches innovative Szenarien in Bezug auf den anstehenden

Brexit durchzuspielen.

Die drei "Prototypen" zur Nutzung von Brexit-Chancen oder Vermeidung von Brexit-Risiken zeigten eine in-

teressante Gemeinsamkeit: Alle drei Gruppen haben den Bereich der Mitarbeitergewinnung für die NRW

Unternehmen in ihren jeweiligen Prototypen thematisiert.

Studien-Modul 4: Experteninterviews

Durch Experteninterviews mit Unternehmensvertretern und institutionellen Akteuren wurden die im Pro-

jektverlauf gesammelten Informationen nochmals kritisch hinterfragt und mit Beispielen aus der betriebli-

chen Praxis angereichert.

Zusammenfassend zeigte sich in (fast) allen Gesprächen, dass alle notwendigen vorbereitenden Maßnahmen

bereits weit im Vorfeld – oftmals in zeitlicher Nähe zum Brexit-Referendum 2016 – eingeleitet wurden.

Solide kaufmännische Grundlagen, etwa im Bereich des Controllings, und die Bereitschaft, sich flexibel an

neue Rahmenbedingungen anzupassen, scheinen dabei zentrale Erfolgsfaktoren zu sein, um für ein wie auch

immer geartetes Brexit-Szenario gut gerüstet zu sein.

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

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2 Motivation und Studien-Design

Am 23. Juni 2016 stimmte das Vereinigte Königreich beim sogenannten „Brexit“-Referendum mit rund 52 Prozent für den Austritt aus der Europäischen Union. Nach mehr als 40 Jahren, in denen die EU stetig neue Mitglieder aufgenommen hat, wird das Vereinigte Kö-nigreich nun als erstes Land die Europäische Union wieder verlassen. Die einzelnen Schritte des EU-Aus-tritts regelt Artikel 50 des Vertrags über die Europäi-sche Union.

Die Austrittsverhandlungen, die die britische Premier-ministerin Theresa May Ende März 2017 formal ein-geleitet hat, müssen nach spätestens zwei Jahren ab-geschlossen sein. Das Vereinigte Königreich würde so-mit am 29. März 2019 um 23.00 Uhr mitteleuropäi-scher Zeit die EU verlassen. Sollten die Verhandlun-gen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich

(VK) zu keiner Einigung führen, erlischt die EU-Mit-gliedschaft für das VK ebenfalls an diesem Tag.

Zum Zeitpunkt der Finalisierung des vorliegenden Stu-dienberichtes (Anfang März 2019) war noch immer keine abschließende Einigung im britischen Parla-ment erzielt. Vielmehr wurden für den 12.-14. März 2019 – also 14 Tage vor einem ungeregelten Brexit – ein neuerlicher Abstimmungsmarathon anberaumt. In diesen Abstimmungen soll neben der „May“-Ver-tragslösung auch über einen ungeregelten Brexit so-wie – erstmalig – über eine Verschiebung des Brexit abgestimmt werden. Der Ausgang dieser Abstimmun-gen ist weiterhin ungewiss – zu unversöhnlich und un-vereinbar stehen sich die einzelnen Lager innerhalb der beiden großen politischen Parteien gegenüber.

Abbildung 2-1 Der Brexit-Prozess als Zeitstrahl Wichtige Daten und Fakten im Überblick

Quelle: Deutscher Mittelstands-Bund (DMB) e.V., 2019, Brexit – Der britische EU-Austritt, Wichtige Daten und Fakten, geladen am

27.02.2019 unter https://www.mittelstandsbund.de/politik/themen-und-analyse/themenbeobachtung/themenbeobachtung-internatio-

nalisierung/monitoring-brexit/

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Motivation und Studien-Design

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Was der Austritt des VK aus der Europäischen Union letztendlich bewirken wird, ist in vielen Punkten noch unklar. Beispielsweise wäre es möglich, dass das Verei-nigte Königreich zwar die EU verlässt, aber Mitglied im sog. Europäischen Wirtschaftsraum bleibt. Das würde bedeuten, dass Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital sich weiterhin frei zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich bewegen können.

Pessimisten befürchten gravierende negative Folgen ei-nes Brexit nicht nur für die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs, sondern auch für Deutschland und die an-deren EU-Mitgliedsstaaten. Vor allem wenn zwischen den EU-Mitgliedsstaaten und dem Vereinigten König-reich erneut Zölle eingeführt werden sollten, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf den Export von Waren aus den verbleibenden Mitgliedsstaaten in das Verei-nigte Königreich und auch der Bezug von Vorleistungen aus dem Vereinigten Königreich würde in diesem Sze-nario spürbar kostspieliger werden. In Folge könnten sich deutsche Stückkosten erhöhen und die Wettbe-werbsposition heimischer Unternehmen auf den inter-nationalen Märkten erodieren. Dies würde vor dem Hintergrund der derzeit bestehenden Handelsverflech-tungen insbesondere deutsche Industriebranchen tref-fen – und damit auch industriell geprägte Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen.

Der Brexit des VK könnte auf der anderen Seite aber auch Chancen für den Standort NRW und die hier ange-siedelten Unternehmen bereithalten. Ein Beispiel für solche positiven Effekte des Brexit für die heimische Wirtschaft sind „handelsumlenkende Effekte“ des Brexit. Sucht beispielsweise ein spanisches Unterneh-men nach Ersatz für den bisher beauftragten Zulieferer aus dem VK, da dessen Lieferzuverlässigkeit nicht mehr gewährleistet ist, so könnte dieses spanische Unterneh-men von einem NRW-Unternehmen als neuer Kunde akquiriert werden. Auch Absatzmärkte, die bislang von VK-Unternehmen bedient wurden, könnten für NRW-Unternehmen zukünftig attraktiver werden, wenn VK-Unternehmen die Zoll-Bürokratie in ihren Preisen an EU-Kunden weitergeben wollen oder müssen.

Die immer weiter aufgeschobene politische Entschei-dung zum verfolgten Brexit-Szenario machte es für die Wirtschaft in NRW aber extrem schwierig, den Über-blick über diese verfahrene (politische) Gemengelage zu behalten. Grundsätzliches Ziel des vom Wirtschafts-ministerium NRW geförderten Projektes „Brexit NRW“ war daher die Erfassung der Betroffenheit und des Vor-bereitungstandes der NRW-Wirtschaft in Bezug auf den Brexit sowie die Identifikation der Chancen und Risiken unterschiedlicher Brexit-Szenarien. Dazu wurde ein modular aufgebauter Methodenmix eingesetzt.

Abbildung 2-2 Modulares Studien-Design im Überblick Erläuterung

Quelle: eigene Darstellung IW Consult

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

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3 Wirtschaftsstandort NRW

Im vorliegenden Studien-Design stellt die Analyse des Wirtschaftsstandortes NRW das zentrale Studien-Mo-dul dar. Neben einer allgemeinen Bestandsaufnahme zur Sektorenstruktur, dem Arbeitsmarkt und den Au-ßenhandelsverflechtungen der NRW-Wirtschaft wur-den hier auf Grundlage eines detaillierten Indikatoren-Sets neun strukturähnliche Regionen in NRW identifi-ziert.

Parallel dazu wurden im VK solche Regionen identifi-ziert, die strukturell den in NRW definierten Regionen ähneln. Für jede der neun identifizierten NRW-Regio-nen findet sich im vorliegenden Bericht ein detaillierter

Benchmarkvergleich mit den TOP-3 bzw. TOP-5 VK-Ver-gleichsregionen.

Diese Studienergebnisse ermöglichen zum einen ein zielgruppenspezifisches NRW-Standortmarketing im VK. Zum anderen wurden die Ergebnisse auch im Rah-men des Online-Tools „site locator NRW“ genutzt. Die-ses Online-Tool ermöglicht es Unternehmen weltweit, auf Grundlage der eigenen Standortbedarfe in Echtzeit und 24/7 eine (erste) automatisierte Standortempfeh-lung mit weiterführenden Informationsmöglichkeiten abzurufen.

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Wirtschaftsstandort NRW

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3.1 Wirtschaftsstrukturen in NRW

Der Brexit bietet für die Unternehmen in NRW nicht nur Risiken, sondern auch potenzielle Chancen. Um Chan-cen und Risiken besser identifizieren und abschätzen zu können, sind zunächst die grundsätzlichen Strukturen

der nordrhein-westfälischen Wirtschaft genauer zu analysieren. Dabei soll an dieser Stelle ein besonderer Fokus auf den Außenhandelsverflechtungen von NRW-Unternehmen mit dem VK liegen.

3.1.1 Sektorstruktur

Die sektoralen Wirtschaftsschwerpunkte NRWs lassen sich zunächst anhand der regionalen Bruttowertschöp-fung erkennen. Die nordrhein-westfälische Wirtschaft ist traditionell stark industriell geprägt. Das verarbei-tende Gewerbe spielt mit einem Anteil von 20,6 % an der nominalen Bruttowertschöpfung nach wie vor eine dominierende Rolle. Im Vergleich zur gesamtdeutschen

Wirtschaft (23,1 %) fällt der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der gesamten nominalen Bruttowert-schöpfung in Nordrhein-Westfalen trotzdem etwas ge-ringer aus. Die Anteile aller weiteren Wirtschaftsab-schnitte weisen nur geringe regionale Unterschiede auf.

Tabelle 3-1 Sektorstruktur anhand der regionalen Bruttowertschöpfung 2015 Die Buchstabenkennzeichnung in Klammern steht für die jeweilige Bezeichnung des Wirtschaftsabschnittes im Rahmen der

Wirtschaftszweigklassifikation, Ausgabe 2008 (WZ 2008).

Wirtschaftsabschnitt Nordrhein-Westfalen

(in %)

Deutschland

(in %)

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei (A) 0,4 0,6

Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden (B) 0,1 0,2

Verarbeitendes Gewerbe (C) 20,6 23,1

Energieversorgung (D) 2,1 1,7

Wasserversorgung, Entsorgung, Bes. v. Umweltversch. (E) 1,4 1,1

Baugewerbe (F) 3,9 4,6

Handel, Instandhaltung u. Reparatur von Kraftfahrzeugen (G) 11,1 9,9

Verkehr und Lagerei (H) 4,2 4,6

Gastgewerbe (I) 1,3 1,6

Information und Kommunikation (J) 5,2 4,7

Erbringung von Finanz- und Versicherungsleistungen (K) 4,2 4,1

Grundstücks- und Wohnungswesen (L) 11,1 10,9

Freiberufliche, wiss. und techn. Dienstleistungen (M) 6,3 5,9

Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen (N) 5,5 5,1

Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung (O) 5,8 6,0

Erziehung und Unterricht (P) 4,6 4,5

Gesundheits- und Sozialwesen (Q) 8,1 7,5

Kunst, Unterhaltung und Erholung (R) 1,5 1,4

Erbringung von sonstigen Dienstleistungen (S) 2,4 2,4

Private Haushalte (T) 0,3 0,3

Summe (A-T) 100,0 100,0

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, eigene Berechnungen IW Consult

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

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3.1.2 Arbeitsmarkt

Einen Überblick über die sektoralen Schwerpunkte der

Beschäftigung in Nordrhein-Westfalen gibt die nachfol-gende Tabelle. Die zehn beschäftigungsstärksten Wirt-schaftsabteilungen stellen gemeinsam knapp die Hälfte aller Beschäftigten in NRW (47,3 %).

Das Tableau wird vom Gesundheitswesen angeführt, auf das ein Anteil von 7,9 % entfällt. Darüber hinaus be-finden sich auch das Sozialwesen (4,6 %) und der Be-reich Heime (3,6 %) unter den zehn wichtigsten Wirt-

schaftsabteilungen. Damit ist ein Großteil der Beschäf-tigten in NRW im Gesundheits- und Sozialwesen tätig (16,1 %).

Der Einzel- und Großhandel belegt als zweite wichtige Gruppe mit zusammen 12,5 % den zweiten und dritten Platz. Die Beschäftigungsanteile des verarbeitenden Gewerbes fallen hingegen überraschend gering aus: Im Maschinenbau sind lediglich 3,2 % der Beschäftigten tä-tig, gefolgt von der Herstellung von Metallerzeugnissen mit einem Anteil von 3,1 %.

3.1.3 Außenhandel

Im Vergleich zum gesamtdeutschen Außenhandel weist Nordrhein-Westfalen mehrere Besonderheiten auf, die vor allem auf die geographische Lage zurückzuführen sind. So sind die benachbarten Niederlande für Nord-rhein-Westfalen im Bereich der Ausfuhr der mit Ab-

stand wichtigste Handelspartner. Bei deutschlandwei-ter Betrachtung rangieren die Niederlande auf dem fünften Rang. Auch das Nachbarland Belgien spielt für den nordrhein-westfälischen Außenhandel eine grö-ßere Rolle als im gesamtdeutschen Durchschnitt: Der

Tabelle 3-2 Die 10 wichtigsten Wirtschaftsabteilungen für die Beschäftigung in NRW 2017 Die Zahlenkennzeichnung in Klammern steht für die jeweilige Bezeichnung der Wirtschaftsabteilung im Rahmen der Wirtschafts-

zweigklassifikation, Ausgabe 2008 (WZ 2008).

Wirtschaftsabteilung

NRW

(in %)

1 Gesundheitswesen (86) 7,9

2 Einzelhandel (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen; 47) 7,4

3 Großhandel (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen; 46) 5,1

4 Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung (84) 5,0

5 Sozialwesen (ohne Heime; 88) 4,6

6 Erziehung und Unterricht (85) 3,8

7 Vorber. Baustellenarbeiten, Bauinstallation u. sonst. Ausbaugew. (43) 3,7

8 Heime (ohne Erholungs- und Ferienheime; 87) 3,6

9 Maschinenbau (28) 3,2

10 Herstellung von Metallerzeugnissen (25) 3,1

Summe 47,3

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, eigene Berechnungen IW Consult

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Wirtschaftsstandort NRW

15

Anteil Belgiens an den gesamten Ausfuhren ist in Nord-rhein-Westfalen nahezu doppelt so hoch wie in Deutschland insgesamt.

Abgesehen von der besonderen Stellung Belgiens und der Niederlande weisen Nordrhein-Westfalen und Deutschland eine vergleichbare Außenhandelsstruktur auf. So zählen Frankreich, die Volksrepublik China und das Vereinigte Königreich sowohl für Nordrhein-West-falen wie auch für Deutschland insgesamt zur Gruppe der wichtigsten Handelspartner.

Nordrhein-Westfalen ist zudem weniger stark mit den USA verflochten als die gesamtdeutsche Wirtschaft. Der Anteil des Vereinigten Königreichs an der Gesamt-ausfuhr liegt in Nordrhein-Westfalen hingegen nur leicht über dem gesamtdeutschen Durchschnitt.

Die Datenlage deutet damit zusammenfassend zwar auf eine tendenziell hohe Brexit-Betroffenheit der nordrhein-westfälischen Wirtschaft hin. Diese Brexit-Betroffenheit liegt jedoch auf gesamtdeutschem Ni-veau, so dass keine NRW-spezifische Brexit-Sondersitu-ation zu befürchten ist.

Die Unterschiede zwischen Nordrhein-Westfalen und Deutschland im Bereich der Ausfuhr gelten analog für die Einfuhr: Belgien und die Niederlande zählen aus nordrhein-westfälischer Sicht zu den wichtigsten Ein-fuhrländern und vereinen 21,9 % der Gesamteinfuhr. Ihre Bedeutung für die gesamtdeutsche Einfuhr fällt mit einem gemeinsamen Anteil von 12,7 % deutlich gerin-ger aus, auch wenn die Niederlande in der deutschland-weiten Betrachtung den zweiten Rang belegen. Dieser Unterschied zwischen Nordrhein-Westfalen und Deutschland gilt umgekehrt für die Vereinigten Staa-ten, die für die gesamtdeutsche Einfuhr eine dominan-tere Rolle spielen als in NRW.

Die Außenhandelsverflechtungen mit dem Vereinigten Königreich fallen im Bereich der Einfuhr deutlich gerin-ger aus als im Bereich der Ausfuhr. Nordrhein-Westfa-len und Deutschland weisen hier eine ähnliche Intensi-tät auf: In Nordrhein-Westfalen beträgt der Anteil des Vereinigten Königreichs an der Gesamteinfuhr 3,8 %, für Deutschland liegt der Anteil mit 3,6 % leicht darun-ter. Die Brexit-Betroffenheit Nordrhein-Westfalens und Deutschlands ergibt sich somit im Wesentlichen aus der Rolle des Vereinigten Königreichs als Empfänger deut-scher Exporte.

Tabelle 3-3 Ausfuhr wichtiger Handelspartner Die Ausfuhrzahlen umfassen ausschließlich den Warenverkehr zwischen den Ländern.

Handelspartner

NRW

(in %)

Handelspartner

Deutschland

(in %)

1 Niederlande 10,2 1 Vereinigte Staaten von Amerika 8,7

2 Frankreich 8,2 2 Frankreich 8,3

3 Vereinigtes Königreich 7,0 3 Volksrepublik China 6,7

4 Vereinigte Staaten von Amerika 6,5 4 Vereinigtes Königreich 6,7

5 Belgien 5,9 5 Niederlande 6,6

6 Volksrepublik China 5,9 6 Italien 5,1

7 Italien 5,3 7 Österreich 4,9

8 Polen 5,1 8 Polen 4,6

9 Österreich 4,7 9 Schweiz 4,2

10 Spanien 3,4 10 Belgien 3,5

Summe 62,0 Summe 59,3

Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen IW Consult

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

16

Sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Deutschland insgesamt wird die Ausfuhr in das Vereinigte Königreich von Kraftwagen und Kraftwagenteilen geprägt. Der An-teil dieser Gütergruppe liegt in Deutschland mit 28,5 % allerdings deutlich über dem nordrhein-westfälischen Niveau von 20,2 %. In beiden Regionen spielen darüber hinaus Maschinen und chemische Erzeugnisse eine wichtige Rolle. Chemische Erzeugnisse haben allerdings in Nordrhein-Westfalen einen deutlich höheren Anteil an der Gesamtausfuhr als in Deutschland insgesamt. Dies spiegelt die herausgehobene Bedeutung der Che-mie- und Kunststoffindustrie für Nordrhein-Westfalen wider, das mit Bayer, Evonik, Henkel und Lanxess gleich mehrere Branchengrößen beheimatet.

Im Bereich der Einfuhr aus dem Vereinigten Königreich dominieren ebenfalls die Kraftwagen und Kraftwagen-teile, wobei die Bedeutung für NRW (18,7%) etwas hö-her ist als für Deutschland (13,9%). Dieser Befund un-terstreicht die starke Verknüpfung des VK mit Deutsch-land bzw. NRW entlang internationaler Wertschöp-fungsketten im Bereich der Kraftwagenherstellung.

Erdöl und Erdgas machen ebenfalls einen relevanten Anteil der Einfuhren aus dem VK aus, sowohl für NRW als auch für Deutschland. Im Gegensatz zur Gesamt-deutschen Betrachtung sind für NRW auch Metalle ei-nes der Hauptgüter der Einfuhr aus dem VK – eine Folge der starken Metall-Industrie in NRW.

Der Anteil der Gesamtausfuhr, der auf das Vereinigte Königreich entfällt, hat sich in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland im Zeitverlauf ähnlich entwickelt: Nach einem leichten Anstieg in 2008/2009 sank der Ausfuhranteil zwischen 2009 und 2011 zunächst. Bis 2015 folgte dann ein erneuter Zuwachs. Seitdem ist der Ausfuhranteil wieder rückläufig, liegt aber immer noch leicht über dem Ausgangsniveau des Jahres 2008. Zwi-schen 2008 und 2015 lagen die nordrhein-westfäli-schen Ausfuhranteile stets über dem gesamtdeutschen Durchschnitt. Seit 2015 hat sich dieses Verhältnis zwar umgekehrt, die Abweichungen sind aber marginal.

Im Bereich der Einfuhr aus dem Vereinigten Königreich ist ein negativer Trend zu beobachten, der Nordrhein-Westfalen in besonderem Maße betrifft: So ist der An-teil der Einfuhr sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch im gesamtdeutschen Durchschnitt seit 2008 nahezu kontinuierlich gefallen. In Nordrhein-Westfalen lag der Einfuhranteil 2008 noch deutlich über dem gesamt-deutschen Niveau, mittlerweile haben sich beide An-teile jedoch sichtlich angenähert.

Tabelle 3-4 Die fünf wichtigsten Güter der Ausfuhr in das Vereinigte Königreich Die Ausfuhrzahlen umfassen ausschließlich den Warenverkehr zwischen den Ländern. Der Anteil der jeweiligen Güter-

gruppe ist gemittelt über den Zeitraum 2008 bis 2017. Die Abkürzung in Klammern steht für die jeweilige Meldenummer

der Güter im Rahmen des Güterverzeichnisses für Produktionsstatistiken, Ausgabe 2009 (GP 2009).

Gütergruppe

NRW

(in %)

Gütergruppe

Deutschland

(in %)

1 Kraftwagen und Kraftwagenteile

(GP09-29)

20,2 1 Kraftwagen und Kraftwagenteile

(GP09-29)

28,5

2 Chemische Erzeugnisse (GP09-20) 13,2 2 Maschinen (GP09-28) 11,4

3 Metalle (GP09-24) 10,8 3 Datenverarbeitungsgeräte, elektr. u.

opt. Erzeugnisse (GP09-26)

7,8

4 Maschinen (GP09-28) 9,8 4 Chemische Erzeugnisse (GP09-20) 7,6

5 Nahrungsmittel und Futtermittel

(GP09-10)

6,9 5 Pharmazeutische und ähnliche Er-

zeugnisse (GP09-21)

6,0

Summe 60,9 Summe 61,4

Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen IW Consult

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Wirtschaftsstandort NRW

17

Abbildung 3-1 Ein- und Ausfuhranteile des Vereinigten Königreichs Anteile an den gesamten Einfuhren bzw. Ausfuhren, in Prozent

Quelle: Statistisches Bundesamt, eigene Berechnungen und Darstellung IW Consult

3,0

4,0

5,0

6,0

7,0

8,0

2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017

Ausfuhr Deutschland Einfuhr Deutschland Ausfuhr NRW Einfuhr NRW

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

18

3.2 Standortbedarfe von VK-Unternehmen

Wie untenstehende exemplarische Übersicht der Medi-enberichte zu „wechselwilligen“ VK-Unternehmen zeigt, lässt der anstehende und weiterhin unbestimmte Brexit den heimischen Standort für viele Unternehmen unterschiedlichster Branchen aus dem VK tendenziell unattraktiver werden. Einige planen den Medienbe-richten zufolge, die gesamte VK-Repräsentanz auf den Kontinent zu verlagern. Andere VK-Unternehmen wol-len „nur“ neue Dependenzen in der EU gründen.

Sollte es gelingen, diesen VK-Unternehmen die vielfäl-tigen Vorzüge des Standortes NRW transparent zu ma-

chen, kann darin eine große Chance für das Standort-marketing liegen. Dazu sind neben grundsätzlichen Überlegungen zur Wirtschaftsstruktur im VK insbeson-dere solche VK-Regionen zu identifizieren, die zu den neun identifizierten Regionen in NRW möglichst ähn-lich sind. In diesen VK-Regionen kann das NRW-Standortmarketing am effizientesten eingesetzt wer-den. Das im Projekt entwickelte Online-Tool „site loca-tor NRW“ denkt diesen Servicegedanken systematisch weiter und stellt Standort-Informationen in Echtzeit und 24/7 digital bereit.

Abbildung 3-2 VK-Unternehmen mit Plänen zur Standortverlagerung Zeitstrahl exemplarisch ausgewählter VK-Unternehmens-Nachrichten der letzten 8 Monate

Quelle: eigene Recherche in diversen Onlinemedien und Darstellung IW Consult

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Wirtschaftsstandort NRW

19

3.2.1 Identifikation von Standort-Indikatoren

Betrachtet man die einzelnen Wirtschaftsregionen Nordrhein-Westfalens, so zeigen sich unterschiedliche Schwerpunkte und Besonderheiten in den regionalen Wirtschaftsstrukturen. Dementsprechend verfügt jede Region auch über ein individuelles Portfolio an Stand-ortvorteilen. Dies erfordert eine stark regionalisierte Betrachtungsweise, um die Stärken der nordrhein-westfälischen Wirtschaft vor den regional oftmals un-terschiedlichen Bedürfnissen der einzelnen Unterneh-men adäquat darstellen zu können.

Zur Ermittlung dieser regionalen Standortvorteile wur-den auf empirischer Basis ein Indikatoren-Set entwi-ckelt. Die Standortfaktoren des Indikatoren-Sets lassen sich dabei fünf Hauptthemenbereichen zuordnen:

Kosten & Produktion Märkte & Wettbewerb Technologie & Wissen Mitarbeiter & Fachkräfte Infrastruktur & Digitales

Diese fünf Hauptthemen lassen sich nochmals in 13 Un-terthemen ausdifferenzieren. Jedes dieser Unterthe-men wird dann in der hier verwendeten Systematik durch einen oder mehrere konkrete statistische Indika-toren oder Kennzahlen beschrieben. Insgesamt wurden 33 Einzelindikatoren in das Indikatoren-Set aufgenom-men.

Abbildung 3-3 Indikatoren-Set zur Standortbewertung: Hauptthemen und Unterthemen

Quelle: eigene Darstellung IW Consult

X

Produktion

Kosten

Finan-zierung

Internatio-nalisierung

Grün-dungen

Forschung

Bildungs-wesen

Techno-logische Prägung

Demografie

Fach-kräfte

Infras-truktur

Öffentliche Finanzen

Kaufkraft

Standort-Indikatoren

Kosten &

Produktion

Märkte &

Wettbewerb

Technologie&

Wissen

Mitarbeiter&

Fachkräfte

Infrastruktur&

Digitales

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20

3.2.2 Bestandsaufnahme

Ein Vergleich zwischen NRW und dem Vereinigten Kö-nigreich auf aggregierter Ebene zeigt bereits erste strukturelle Unterschiede in Bezug auf Wirtschaft und Demografie.

Generell hat die Arbeitsproduktivität, gemessen als Bruttowertschöpfung je Arbeitsstunde, in NRW ein spürbar höheres Niveau als im VK. Dementsprechend fallen auch die Arbeitnehmerentgelte signifikant höher aus.

Um hingegen die Produktionskosten der beiden Länder zu vergleichen eignen sich die Lohnstückkosten. In die-ser Studie wurden die Lohnstückkosten definiert als Ar-beitskosten je Arbeitsstunde der Arbeitnehmer im Ver-hältnis zur Bruttowertschöpfung je Arbeitsstunde der Beschäftigten. Die Lohnstückkosten in der hier verwen-deten Definition setzen damit also die Arbeitskosten in Relation zur erzeugten Wertschöpfung.

Abbildung 3-4 Produktivität und Lohnkosten im Vergleich: NRW und VK, 2015

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, eigene Berechnungen IW Consult

48

44

41

36

38

40

42

44

46

48

50

NRW VK VK ohne London

Arbeitsproduktivität (BWS je Std., in Euro, 2015)

31,7 31,8

28,5

26

27

28

29

30

31

32

33

NRW VK VK ohne London

Arbeitnehmerentgelt (je Std., in Euro, 2015)

100

108

104

94

96

98

100

102

104

106

108

110

NRW VK VK ohne London

Lohnstückkosten (NRW=100, 2015)

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Wirtschaftsstandort NRW

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Dabei zeigt sich für das Jahr 20151, dass die durch-schnittlichen Lohnstückkosten in NRW niedriger sind als im VK. Dieser Befund bleibt auch erhalten, wenn man den Raum London mit seinen überdurchschnittlich hohen Arbeitnehmerentgelten aus der Betrachtung herausnimmt. Somit sind die vergleichsweise niedrigen Lohnstückkosten ein klarer Standortvorteil für NRW.

Dabei sind jedoch auch die Unterschiede in der Sek-torstruktur der beiden Wirtschaftsräume zu beachten. Das VK hat einen klaren Dienstleistungs-Schwerpunkt, während in NRW das verarbeitende Gewerbe relativ gesehen deutlich stärker ausgeprägt ist. Somit könnten die rechnerisch hohe Arbeitsproduktivität in NRW – und die dementsprechend geringeren Lohnstückkosten – auch anteilig der kapitalintensiveren Produktion im verarbeitenden Gewerbe in NRW geschuldet sein.

Auch die Altersstruktur der Bevölkerung unterscheidet sich deutlich zwischen NRW und dem VK. So kommen

im VK auf 100 Menschen im Alter von 20 bis 65 Jahren rund 40 Unter-20-Jährige – in NRW sind es nur etwas mehr als 30. Laut Bevölkerungsvorausberechnung des statistischen Landesamts NRW wird die Zahl der Perso-nen im erwerbsfähigen Alter (20 bis unter 65 Jahre) in allen neun Regionen NRWs bis 2040 schrumpfen. Im Vereinigten Königreich würde die Bevölkerung laut der Prognose des Office for National Statistics2 im Ver-gleichszeitraum hingegen wachsen. Der Trend zu einer alternden Bevölkerung, der in hochentwickelten Volks-wirtschaften öfter beobachtet wird, ist in NRW also schon deutlich weiter fortgeschritten als im VK.

Dies stellt einen potenziellen Standortnachteil NRWs dar: Während die Zahl der Erwerbsfähigen im VK in den nächsten Jahrzehnten weiter steigen wird, wird sie in NRW tendenziell sinken. Die Sicherstellung eines aus-reichenden Angebots an Arbeitskräften ist damit ein wichtiger Faktor, um NRW als einen attraktiven Stand-ort für VK-Unternehmen zu positionieren.

3.2.3 Urbane Regionen und industrielles Kernland

Nordrhein-Westfalen lässt sich aus Standortperspek-tive in neun Regionen unterscheiden. Diese lassen sich wiederum in vier urbane Regionen bzw. Metropolregi-onen und das industrielle Kernland unterscheiden. Das Münsterland ist in dieser Systematik einen Sonderfall.

Für die urbanen Regionen Bergisches Städtedreieck, Düsseldorf und (in etwas geringerem Ausmaß) die Re-gion Köln/Bonn und die Metropole Ruhr wurden städ-tisch-geprägte Vergleichsregionen im VK identifiziert:

Greater Manchester (urbaner Ballungsraum rund um Manchester),

Merseyside (die Region um Liverpool) und West Yorkshire (u.a. die Stadt Leeds).

Diese Regionen haben einen Dienstleistungs-Schwer-punkt und eine urbane Siedlungs- und Bevölkerungs-struktur. Im Folgenden werden sie mit den entspre-chenden NRW-Regionen verglichen, wobei die relati-ven Standortstärken und -schwächen der Regionen NRWs hervorgehoben werden.

Die Regionen Aachen, Niederrhein, Ost-Westfalen-Lippe, Südwestfalen und – zum Teil – die Metropole

1 Das aktuellste verfügbare Jahr für die Daten aus dem VK.

Ruhr bilden mit international erfolgreichen Großkon-zernen wie auch ihrer Vielzahl an erfolgreichen Mittel-ständern und teils noch familiengeführten Unterneh-men das industrielle Rückgrat der nordrhein-westfäli-schen Wirtschaft. Sie ähneln in ihrer Wirtschafts- und Bevölkerungsstruktur vor allem den ländlich-industriel-len Regionen im Norden Englands:

Tees Valley and Durham im Nord-Osten, Lancashire und Cheshire im Nord-Westen, Derbyshire and Nottinghamshire sowie East Wales (mit Cardiff-Newport).

Diese Regionen der zweiten Gruppe haben einen stär-keren Industrie-Schwerpunkt und sind in ihrer Sied-lungs- und Bevölkerungsstruktur weniger urban als die meisten Regionen der ersten Gruppe.

Im Folgenden werden die einzelnen Regionen NRWs mit den (strukturell ähnlichen) VK-Regionen hinsicht-lich zentraler Standortfaktoren verglichen, wobei die relativen Standortstärken und -schwächen der jeweili-gen NRW-Regionen besonders hervorgehoben werden.

2https://www.ons.gov.uk/peoplepopulationandcommunity/populationand-migration/populationprojections/bulletins/nationalpopulationprojec-tions/2016basedstatisticalbulletin

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Bergisches Städtedreieck (urbane Region / Metropolregion)

Das bergische Städtedreieck stellt durch die Kombination eines starken Industriestandorts mit einer urbanen Siedlungs- und Bevölkerungsstruktur einen einzigartigen Wirtschaftsraum dar, für den es im VK kaum direkte Vergleichsregionen gibt3. Das zeigt sich auch an den geringen IW-Regional Similiarity Index-Werten4, die selbst für die Top-5 Vergleichsregionen des VK unter 75 Punkten liegen.

Abbildung 3-5 Top-5 Vergleichsregionen (BSD) IW-Regional Similarity Index (RSI), Wertebereich [0 – 100]

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

3 Bei Betrachtung der NUTS-2 Regionen des VK. Da das bergische Städtedreieck eine sehr kleine Region ist, ist nicht auszuschließen, dass es zu einer kleineren Region im VK (NUTS-3-Ebene) stärkere Ähnlichkeiten aufweisen könnte. Auf Grund mangelnder Datenverfügbarkeit in dieser regionalen Tiefe für das VK ist ein Vergleich mit NUTS-3 Regionen jedoch nicht möglich. 4 Vgl. zur methodischen Darstellung des IW-Regional Similarity Index (IW-RSI) den Anhang 7.1.

Die Region Greater Manchester weist insgesamt die größten Ähnlichkeiten zum bergischen Städtedreieck auf. Mit einem Wert von nur 67,8 Index-Punkten gibt es dennoch spürbare Unterschiede zwischen den bei-den Regionen. Besonders das Verarbeitende Gewerbe nimmt im bergischen Städtedreieck einen deutlich hö-heren Stellenwert ein als in Greater Manchester: In der urbanen NRW-Region liegt der Beitrag zur regio-nalen Bruttowertschöpfung mit rund 28,5% deutlich höher als in Greater Manchester (10,2%).

Würde man nur die Branchen-Struktur betrachten, wä-ren die Regionen East Yorkshire and Northern Lin-colnshire, Cumbria und Cheshire aufgrund ihres Indust-rie-Schwerpunkts die Top-3 Vergleichsregionen für das bergische Städtedreieck. Diese Regionen sind jedoch stark ländlich geprägt und haben eine deutlich niedri-gere Bevölkerungsdichte, weshalb sie in einer Gesamt-Betrachtung der Standortfaktoren keine optimalen Ver-gleichsregionen darstellen.

Mit Blick auf die Demografie zeigen sich weitere Unter-schiede zwischen dem bergischen Städtedreieck und den Vergleichsregionen im VK. Die Bevölkerungsdichte im bergischen Städtedreieck ist deutlich niedriger als in den Top-3 Vergleichsregionen; insbesondere die West Midlands weisen eine deutlich höhere Anzahl an Ein-wohnern je Quadratkilometer auf.

Auch die Altersstruktur unterscheidet sich deutlich: Während im bergischen Städtedreieck auf 100 Einwoh-ner im Alter von 20 bis 65 Jahren rund 32 Unter-20-Jäh-rige kommen, sind es in Greater Manchester rund 42 und in den West Midlands sogar rund 46.

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Wirtschaftsstandort NRW

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Die Bevölkerungsentwicklung ist in den VK-Regionen ebenfalls deutlich dynamischer. Im bergischen Städte-dreieck betrug das Bevölkerungswachstum von 2011 bis 2016 rund 2,3% - verglichen mit rund 3,3% in Grea-ter Manchester und 4,3% in den West Midlands.

Einen klaren Standortvorteil des bergischen Städtedrei-ecks bilden hingegen die Lohnstückkosten: Diese sind im bergischen Städtedreieck deutlich geringer als in den Regionen Greater Manchester und West Midlands. Dabei ist jedoch zu beachten, dass rein rechnerisch ge-ringe Lohnstückkosten auch die Folge einer besonders kapitalintensiven Fertigung sein können. Da in Greater Manchester und in den West Midlands besonders die wissensintensiven Dienstleistungen stärker ausgeprägt sind als im bergischen Städtedreieck, ist die Differenz der Lohnstückkosten zumindest zum Teil auf diesen Ef-fekt zurückzuführen.

Abbildung 3-6 Top-3 Vergleichsregionen (BSD) Direktvergleich ausgewählter Indikatoren

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

1.871 2.174

3.170

2.111

0

1.000

2.000

3.000

4.000

BergischesStädtedreieck

GreaterManchester

WestMidlands

Merseyside

Bevölkerungsdichte (Einwohner je km2, 2016)

31,84

42,32 46,00

38,82

0

10

20

30

40

50

BergischesStädtedreieck

GreaterManchester

WestMidlands

Merseyside

Jugendquotient (2016)

2,32

3,32

4,33

1,43

0,0

1,0

2,0

3,0

4,0

5,0

BergischesStädtedreieck

GreaterManchester

WestMidlands

Merseyside

Bevölkerungswachstum (2011-2016)

101,6114,4

123,6

99,0

0

20

40

60

80

100

120

140

BergischesStädtedreieck

GreaterManchester

WestMidlands

Merseyside

Lohnstückkosten, NRW=100 (Wechselkurs-Basis, 2015)

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Region Düsseldorf (urbane Region / Metropolregion)

Die Region Düsseldorf ist in Bezug auf ihre Wirtschafts- und Bevölkerungsstruktur am besten mit der VK-Region Greater Manchester zu vergleichen. Als der zweit-bevölkerungsreichste urbane Ballungsraum des VK – nach London und vor Birmingham – ist Greater Manchester wie Düsseldorf eine bedeutende Metropolregion. Mit einem IW-Regional Similiarity Index-Wert von fast 75 Punkten sind auch aus statistischer Perspektive zahlreiche Standort-Gemeinsamkeiten zu erkennen.

Abbildung 3-7 Top-5 Vergleichsregionen (D‘dorf) IW-Regional Similarity Index (RSI), Wertebereich [0 – 100]

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

5 https://www.greatermanchester-ca.gov.uk/info/20175/re-search/209/greater_manchesters_economy_2018; Download: 5.12.2018

Wie in der Region Düsseldorf (DD) liegen auch in Grea-ter Manchester (GM) die Branchenschwerpunkte, ge-messen an der Bruttowertschöpfung, in den Bereichen Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleis-ter, Grundstücks- und Wohnungswesen (DD: 35,3%, GM: 32,4%) sowie in den Bereichen Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommuni-kation (DD: 27,9%, GM: 24,7%). Neben großen Unter-nehmen und Banken (wie RBS und Barclays) und den großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gibt es im Großraum Manchester auch eine Reihe spezialisierter KMU, besonders für Versicherungen, Rückversicherun-gen und Pensionsfonds. Einen weiteren Schwerpunkt bilden die Digital- und Kreativ-Branchen, u.a. mit der MediaCityUK, einem Hub für Medienunternehmen wie der BBC, ITV Granada oder Satellite Information Ser-vices.

Das verarbeitende Gewerbe ist in der Region Düssel-dorf mit einem Wertschöpfungsbeitrag von rund 14,0% etwas stärker ausgeprägt als in Greater Man-chester mit 10,2%. Dennoch sind einige große Unter-nehmen wie Siemens, BASF, Heinz und Kellogg’s in der Region um Manchester ansässig5. Die Metropolregion beheimatet außerdem eine große materialwissen-schaftliche Forschungsbasis, in der Anwendungen u.a. für die Luft- und Raumfahrt, die Automobil-, Textil- und Nuklearindustrie entwickelt werden. Vor allem die Textilindustrie hat traditionell einen besonderen Stel-lenwert in Greater Manchester. Das Textil-Cluster North West Textiles Network richtet sich an Unterneh-men aus allen Sparten der Textilbranche und umfasst Hersteller von Teppichen bis hin zu Bekleidung und Zu-lieferer wie Textilmaschinenhersteller und Designer6.

6 https://www.clustercollaboration.eu/cluster-organisations/north-west-tex-tiles-network

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Wirtschaftsstandort NRW

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Auch im Bereich Infrastruktur ist Greater Manchester gut aufgestellt: Der Flughafen Manchester ist der größte Regionalflughafen Großbritanniens. Die Region verfügt außerdem über gute Verbindungen nach Lon-don und ein integriertes multimodales Verkehrssystem mit Anbindung an den nationalen und internationalen Schienengüterverkehr sowie ein dichtes Autobahnnetz. Entlang des Manchester Ship Canal gibt es Schiffsver-bindungen zum Hafen von Liverpool. Die Region Düs-seldorf punktet im Infrastrukturbereich u.a. mit dem dritt-größten deutschen Flughafen (Statistia, 2018), den Neuss-Düsseldorfer-Häfen und einer guten Anbin-dung an das Schienennetz. Ein Standortvorteil für die Region Düsseldorf ist dabei insbesondere die zentrale Lage in NRW: Dadurch können wichtige europäische Märkte einfacher, schneller und kostengünstiger er-reicht werden.

Vergleicht man die Lohnstückkosten (Stand 2015), ist die Region Düsseldorf deutlich wettbewerbsfähiger als die meisten der Top-5 Vergleichsregionen im VK: Nur Merseyside weist geringere Lohnstückkosten auf.

Im Bereich Wissen punktet Greater Manchester mit vier Universitäten. Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Gesundheitswesen und Advanced Mate-rials. Dennoch verfügen rund 10% der Einwohner im Al-ter von 16 - 64 Jahren über keine formellen Qualifikati-onen (Stand 2017). Die Region Düsseldorf punktet hin-gegen mit der höchsten Akademikerquote NRWs, der Heinrich-Heine-Universität und einigen kleineren Hochschulen.

Ein potenzieller Standortnachteil ergibt sich durch die demografische Struktur der Region Düsseldorf. Mit we-niger als 30 Einwohnern unter 20 Jahren je 100 Einwoh-ner im Alter von 20 bis 65 Jahren ist die Region Düssel-dorf am stärksten gealtert, sowohl im Vergleich der neun NRW-Regionen als auch im Vergleich mit den Re-gionen des VK. Greater Manchester weist mit rund 42 Unter-20-Jährigen je 100 Einwohnern im Alter von 20 bis 65 eine deutliche jüngere Bevölkerungsstruktur auf. Dieser potenzielle Standortnachteil könnte jedoch zum Teil durch Wanderungsbewegungen gelindert, wenn auch nicht geheilt werden: Das statistische Landesamt NRW prognostiziert für die Region Düsseldorf einen Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung um nur 2% von 2014 bis 2040 – deutlich weniger als der Rückgang im NRW-Durchschnitt in Höhe von 11%.

Abbildung 3-8 Top-3 Vergleichsregionen (D‘dorf) Direktvergleich ausgewählter Indikatoren

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

1.758 2.174 2.111

3.170

0

1.000

2.000

3.000

4.000

RegionDüsseldorf

GreaterManchester

Merseyside WestMidlands

Bevölkerungsdichte (Einwohner je km2, 2016)

29,71

42,32 38,82

46,00

0

10

20

30

40

50

RegionDüsseldorf

GreaterManchester

Merseyside WestMidlands

Jugendquotient (2016)

2,85 3,32

1,43

4,33

0,0

1,0

2,0

3,0

4,0

5,0

RegionDüsseldorf

GreaterManchester

Merseyside WestMidlands

Bevölkerungswachstum (2011-2016)

100,0114,4

99,0

123,6

0

50

100

150

RegionDüsseldorf

GreaterManchester

Merseyside WestMidlands

Lohnstückkosten, NRW=100 (Wechselkurs-Basis, 2015)

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Region Köln/Bonn (urbane Region / Metropolregion)

Die Wirtschaftsstruktur der Region Köln/Bonn ist am besten mit der Region West Yorkshire im Norden Englands zu vergleichen. Im Zentrum dieser Region liegt der Ballungsraum Leeds-Bradford, der sich auf Platz vier der bevölkerungsreichsten urbanen Regionen des VK befindet. Mit einem IW-Regional Similiarity Index-Wert von über 80 Punkten sind Standort-Gemeinsamkeiten hier unverkennbar.

Abbildung 3-9 Top-5 Vergleichsregionen (K/B) IW-Regional Similarity Index (RSI), Wertebereich [0 – 100]

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

7 https://www.clustercollaboration.eu/cluster-organisations/huddersfield-district-textile-training-co-ltd

Die Branchenstruktur der Regionen Köln/Bonn und West Yorkshire ist relativ ähnlich: In der Region Köln/Bonn sind das verarbeitende Gewerbe und die Branchen Handel, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe, Information und Kommunikation etwas stärker ausge-prägt. Dafür werden in West Yorkshire im Baugewerbe und in den Bereichen öffentliche und sonstige Dienst-leister, Erziehung und Gesundheit größere Anteile der regionalen Bruttowertschöpfung erwirtschaftet. Tradi-tionell bedeutend ist auch das Textil-Cluster Hudders-field & District Textile Training Co Ltd mit mehr als 90 Textil- und Bekleidungsunternehmen. Die Unterneh-men werden u.a. durch moderne F&E-Einrichtungen, drei Technologieplattformen mit disruptivem Charak-ter und die Textile Innovation Knowledge-Plattform un-terstützt. Auf akademischer Seite gibt es Kooperatio-nen mit den Universitäten von Huddersfield, Sheffield, Leeds und Oxford Brookes7.

Die Stadt Leeds ist die zentrale Metropole der Region West Yorkshire mit einer sehr guten Anbindung an die Autobahn und an das Schienenverkehrsnetz. Im Nor-den Englands findet man eine vergleichbare Verkehrs-infrastruktur nur in den Städten Manchester und Liver-pool. Der Flugverkehr wird über den Leeds Bradford In-ternational Airport abgewickelt. Dieser ist mit einem Volumen von 4,1 Mio. Passagieren im Jahr 2017 jedoch deutlich kleiner als der Köln/Bonner Airport mit 12,4 Mio. Passagieren. Durch die zentrale Lage in Westeu-ropa, die gute Erreichbarkeit von Verkehrsinfrastruktur und den Kölner Hauptbahnhof als einen der meistfre-quentierten Fernbahnhöfe Deutschlands, kann die Re-gion Köln/Bonn im Bereich Infrastruktur also klare Standortvorteile aufweisen.

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Wirtschaftsstandort NRW

27

Auch im Bereich Forschung und Wissen kann die Region Köln/Bonn mit sieben Hochschulen, elf Fachhochschu-len und einer vielfältigen Forschungslandschaft punk-ten. In der Region West Yorkshire befinden sich zwölf Hochschulen (Universitäten und Colleges), die Größte ist die University of Leeds8. Mit rund 34.000 Studieren-den9 ist diese jedoch deutlich kleiner als die Universität zu Köln mit rund 49.400 Studierenden10. Insgesamt kann die Region Köln/Bonn damit auch im Bereich For-schung und Wissen Standortmerkmale aufweisen, die ihr im Vergleich mit West Yorkshire Vorsprünge ver-schaffen.

Ein potenzieller Standort-Nachteil liegt hingegen in der Altersstruktur der Region Köln/Bonn: Hier kommen auf 100 Einwohner im Alter von 20 bis unter 65 Jahren nur rund 31 Einwohner im Alter von unter 20 Jahren – ver-glichen mit rund 43 in West Yorkshire. Verglichen mit West Yorkshire hat die Region Köln/Bonn außerdem eine geringere relative Bevölkerungsdichte mit rund 830 Einwohnern je km2 im Vergleich zu rund 1.130 Ein-wohnern je km2 in West Yorkshire.

Ähnlich wie in der Region Düsseldorf dürfte die Bevöl-kerung der Region Köln/Bonn in den nächsten Jahr-zehnten deutlich langsamer schrumpfen als in den üb-rigen NRW-Regionen: Das statistische Landesamt NRW prognostiziert einen Rückgang der Bevölkerung im Al-ter von 20 bis 65 Jahren um nur 1% von 2014 bis 2040 – deutlich weniger als im NRW-Schnitt mit einem Rück-gang von 11%. Die Region Köln/Bonn weist damit den geringste (prognostizierten) Bevölkerungsrückgang al-ler neun NRW-Regionen auf.

Nicht zuletzt kann die Region Köln/Bonn auch beim Fak-toreinsatz einen klaren Standortvorteil verbuchen: Keine der Top-5 Vergleichsregionen im VK weist niedri-gere Lohnstückkosten auf. Hier ist jedoch wieder da-rauf hinzuweisen, dass dieser statistische Befund auch – zumindest in Teilen – durch eine überdurchschnittlich hohe Kapitalintensität der Produktion (mit)verursacht werden kann.

8 http://www.gohigherwestyorks.ac.uk/ 9 https://www.leeds.ac.uk/info/5000/about/140/facts_and_figures

Abbildung 3-10 Top-3 Vergleichsregionen (K/B) Direktvergleich ausgewählter Indikatoren

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

10 Stand: Wintersemester 2016/17, Personen, HaupthörerInnen, ohne Pro-motionsstudierende (https://www.portal.uni-koeln.de/8845.html)

829

1.132

474 415

0

500

1.000

1.500

RegionKöln/Bonn

West Yorkshire Hampshire andIsle of Wight

Berkshire,Buckinghamshireand Oxfordshire

Bevölkerungsdichte (Einwohner je km2, 2016)

31,19

43,34 40,13 43,33

0

10

20

30

40

50

Region Köln/Bonn West Yorkshire Hampshire andIsle of Wight

Berkshire,Buckinghamshireand Oxfordshire

Jugendquotient (2016)

3,85

3,05 3,36

4,54

0,0

1,0

2,0

3,0

4,0

5,0

Region Köln/Bonn West Yorkshire Hampshire andIsle of Wight

Berkshire,Buckinghamshireand Oxfordshire

Bevölkerungswachstum (2011-2016)

94,6117,7

101,7 110,8

0

50

100

150

RegionKöln/Bonn

West Yorkshire Hampshire andIsle of Wight

Berkshire,Buckinghamshireand Oxfordshire

Lohnstückkosten, NRW=100 (Wechselkurs-Basis, 2015)

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

28

Metropole Ruhr (urbane Region / Metropolregion)

Die Metropole Ruhr weist ebenfalls starke Ähnlichkeiten mit der Region West Yorkshire auf: Der Regional Similarity-Index erreicht hier einen Wert von 78,7 Punkten. Aber auch die Regionen Merseyside (72,8 Punkte) und North East England mit Tees Valley und Durham (71,6 Punkte) im Norden Englands stellen interessante Vergleichsregionen dar.

Abbildung 3-11 Top-5 Vergleichsregionen (Ruhr) IW-Regional Similarity Index (RSI), Wertebereich [0 – 100]

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

11 https://teesvalley-ca.gov.uk/ 12 https://enterprisezones.communities.gov.uk/enterprise-zone-finder/tees-valley-enterprise-zone/

Merseyside ist die Region um die Stadt Liverpool im Nord-Westen Englands. Sie profitiert vom traditionell wichtigen Hafen in Liverpool und den Verbindungen ins Landesinnere entlang des River Mersey. Die Region Tees Valley und Durham im Nordosten Englands ist ver-gleichsweise ländlich strukturiert und war im 19. und 20. Jahrhundert stark vom Kohleabbau geprägt. Ähnlich wie die Metropole Ruhr haben beide Vergleichsregio-nen durch den Rückgang der Industrie im Norden Eng-lands einen tiefgreifenden Strukturwandel erlebt.

Die Branchenstruktur der Metropole Ruhr weist viele Ähnlichkeiten mit den Regionen Merseyside sowie Tees Valley und Durham auf. Während Industrie und Berg-bau im 19. und bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts Haupttreiber von Beschäftigung und Wertschöpfung waren, wird heute der Großteil der Wertschöpfung durch Dienstleistungen erwirtschaftet. Das verarbei-tende Gewerbe trägt rund 16,2% zur regionalen Wert-schöpfung in der Metropole Ruhr bei – verglichen mit 13,9% in Merseyside und 15,4% in Tees Valley und Durham.

Die Schlüsselbranchen in Tees Valley liegen traditionell in der Schwerindustrie. Heute verfügt die Region über etablierte Infrastruktur und Expertise in den Bereichen fortgeschrittene Fertigung und Maschinenbau, Offs-hore (Öl und Gas, Windenergie, u.a.), Logistik und Che-mie- sowie Prozessindustrie11. Tees Valley verfügt au-ßerdem über acht sogenannte „Enterprise Zones“. Diese bieten finanzielle Anreize und Steuererleichte-rungen für Unternehmen, sowie eine überdurch-schnittlich gut ausgebaute Infrastruktur12.

Die Region Tees Valley und Durham verfügt im Gegen-satz zur Metropole Ruhr über keine wichtigen Groß-städte, die als Wachstumsmotor für die Region wirken können. Die größte Stadt der Region ist Durham mit

https://teesvalley-ca.gov.uk/business/enterprise-zones/

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Wirtschaftsstandort NRW

29

rund 50.000 Einwohnern und der renommierten Uni-versity of Durham.

Deutlich dynamischer zeigt sich die Wirtschaft in Mer-seyside: Die Region um Liverpool beherbergt eine Reihe führender Logistik-, Energie-, Handels- und Industrie-unternehmen – u.a. ACL, Bibby Line Group, Cammell Laird, CMA CGM, Dong Energy, Jaguar Land Rover, Ma-ersk, NSG Pilkington, QVC, Stobart und Unipart Dor-man. Im Bereich Infrastruktur punktet vor allem das multimodale Logistikcluster Superport Liverpool. Die-ses erstreckt sich vom historischen Hafen von Liverpool entlang des Manchester Ship Canal über die Haupt-adern des nördlichen britischen Straßen- und Schienen-netzes, zwei Flughäfen sowie zwei nationale Enterprise Zones. Das Gebiet hat außerdem die höchste Dichte an Lagerhallen in Großbritannien13.

Mit Blick auf die Bevölkerungsstruktur der Vergleichs-regionen zeigen sich auffallende Unterschiede: Kom-men in der Metropole Ruhr auf einen Quadratkilome-ter rund 1.153 Einwohner, sind es in Merseyside deut-lich mehr mit rund 2.111 und in Tees Valley und Durham mit nur 395 Einwohnern je km2 deutlich weni-ger.

Die Lohnstückkosten der Metropole Ruhr sind im Ver-gleich mit den Top-5 Vergleichsregionen im VK relativ hoch - nur in West Yorkshire liegen sie noch höher. Das stellt einen relativen Standortnachteil für die Metro-pole Ruhr im Bereich der Produktionskosten dar.

Zusammenfassend zeigen sich sowohl in Merseyside als auch in Tees Valley und Durham einige Parallelen zur Metropole Ruhr - die Ähnlichkeiten zur Region Mersey-side, insbesondere als wichtiges Logistik-Zentrum, überwiegen jedoch. NRW-Standortmarketing sollte demnach berücksichtigen, dass die Metropole Ruhr vor allem im Vergleich zu Tees Valley und Durham deutli-che Standortvorteile aufweisen kann. Gleichzeitig flo-riert die Wirtschaft hier aber auch weniger stark und die Zahl innovativer, erfolgreicher Unternehmen mit ei-nem potenziellen Umsiedlungsinteresse dürfte ent-sprechend geringer sein. In Merseyside finden VK-Un-ternehmen bereits jetzt ähnliche Standortbedingungen wie in der Metropole Ruhr. Hier gibt es aber auch einen größeren Pool an dynamischen und innovativen Unter-nehmen, die ein Brexit-bedingtes Umsiedlungsinte-resse besitzen könnten.

Abbildung 3-12 Top-3 Vergleichsregionen (Ruhr) Direktvergleich ausgewählter Indikatoren

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

13 https://www.liverpoollep.org/

1.153 1.132

2.111

395

0

500

1.000

1.500

2.000

2.500

MetropoleRuhr

WestYorkshire

Merseyside Tees Valleyand Durham

Bevölkerungsdichte (Einwohner je km2, 2016)

30,19

43,34 38,82 40,03

0

10

20

30

40

50

MetropoleRuhr

WestYorkshire

Merseyside Tees Valleyand Durham

Jugendquotient (2016)

1,24

3,05

1,43 1,38

0,0

1,0

2,0

3,0

4,0

MetropoleRuhr

WestYorkshire

Merseyside Tees Valleyand Durham

Bevölkerungswachstum (2011-2016)

104,6117,7

99,0 93,7

0

50

100

150

MetropoleRuhr

WestYorkshire

Merseyside Tees Valleyand Durham

Lohnstückkosten, NRW=100 (Wechselkurs-Basis, 2015)

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

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Region Aachen (industrielles Kernland)

Die Region Aachen weist in Bezug auf ihre Wirtschafts- und Bevölkerungsstruktur starke Ähnlichkeiten mit einer Reihe von VK-Regionen auf. Die Top-5 Vergleichsregionen erreichen im IW Regional Similarity Index hohe Punktzahlen und sind dementsprechend gut mit der Region Aachen zu vergleichen. Mit einem IW-Regional Similiarity Index-Wert von über 88 Punkten sind Standort-Gemeinsamkeiten mit dem walisischen Powys offensichtlich.

Abbildung 3-13 Top-5 Vergleichsregionen (AC) IW-Regional Similarity Index (RSI), Wertebereich [0 – 100]

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

14 StatsWales (2018) Welsh exports (https://gov.wales/statistics-and-re-search/welsh-exports/) 15 Office for National Statistrics (2018) Regional economic activity by gross value added (balanced), UK: 1998 to 2017 (URL:

Der walisische Außenhandel (Powys und angrenzende Regionen) ist im Allgemeinen deutlich stärker auf die EU ausgerichtet als der des gesamten VK. Zwischen September 2017 und September 2018 stiegen die wali-sischen Ausfuhren in die EU um rund 4,6%. Die Exporte in die EU machten dabei knapp 61% der walisischen Ex-porte aus, verglichen mit knapp 50% im gesamten Ver-einigten Königreich. Deutschland war mit 18,8% das wichtigste Exportziel. Bei den Gütern der Ausfuhr do-minieren Maschinen und Transportmittel, die 50,6 Pro-zent der Exporte ausmachen14.

Die Region East Wales umfasst die östliche Hälfte von Wales (Powys) inklusive des Ballungsraums Cardiff-Newport an der Südküste der Region. Im Vergleich mit den übrigen drei Nationen des VK - England, Schottland und Nordirland - gilt Wales generell als wirtschaftlich abgeschlagen. Das Produktivitätsniveau – gemessen als pro-Kopf-Produktivität – ist seit rund 20 Jahren das Ge-ringste der vier Nationen15. Die walisischen Gebiete mit der höchsten Produktivität - Cardiff und der Vale of Gla-morgan sowie Flintshire and Wrexham und Mon-mouthshire and Newport – befinden sich dabei alle-samt in East Wales.

Ein Hauptauslöser der wirtschaftlichen Schwäche war der Rückgang der traditionell wichtigen Schwerindust-rie im 20. Jahrhundert, insbesondere von Kohle- und Schieferabbau. Der Strukturwandel hin zu einer dienst-leistungs- und wissensorientierten Wirtschaft verlief schleppend und weniger erfolgreich als in anderen klas-sischen Industriegebieten des VK, wie etwa den Regio-nen um Liverpool oder Manchester.

Ein Wachstumsmotor könnte hingegen das neue Ver-bindungshalbleiter-Cluster CSconnected sein, dessen Anwendungsfelder in den Bereichen Robotik, 5G und

https://www.ons.gov.uk/economy/grossvalueaddedgva/bulletins/region-algrossvalueaddedbalanceduk/1998to2017)

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Wirtschaftsstandort NRW

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selbstfahrende Autos liegen. Unterstützt wird das Clus-ter u.a. durch die Cardiff University, das Compound Se-miconductor Centre, CSA Catapult, IQE PLC, Newport Wafer Fab, SPTS und Microsemi. Auf Grund des allge-mein schwierigeren wirtschaftlichen Umfelds in Wales bleibt jedoch abzuwarten, ob ein hinreichend innovati-ves Umfeld geschaffen werden kann, damit sich das Cluster erfolgreich entwickelt und anderen Unterneh-men einen ausreichenden Nährboden bietet. Eine wei-tere Initiative ist der Life Sciences Hub Wales mit Sitz in Cardiff. Der Hub agiert als Drehscheibe für den gesam-ten Life Sciences-Sektor, einschließlich akademischer Institutionen, Gesundheitseinrichtungen, Unterneh-men, Fachberater, klinischer Einrichtungen und Finanz-unternehmen. Schwerpunkte sind Bio-Pharmazeutika, medizinische Geräte, Gesundheitsinformationsma-nagement und e-Health16.

Die Region Aachen hat sich im Vergleich deutlich erfolg-reicher als Technologie- und Wissenschaftsstandort etablieren können: Mit einer hohen Beschäftigung in MINT-Berufen, einer Vielfalt an universitären und au-ßeruniversitären Spitzenforschungsinstituten und er-folgreichen Cluster-Initiativen verfügt die Region über relative Standortvorteile.

Die Branchenstruktur der Region Aachen weist viele Ähnlichkeiten mit der Region East Wales auf. Bei der Bevölkerungsdichte ergeben sich hingegen stärkere Di-vergenzen. Kommen in der Region Aachen auf einen Quadratkilometer rund 357 Einwohner, sind es in East Wales nur rund 151. Ein potenzieller Standortnachteil der Region Aachen liegt auch in der Altersstruktur der Bevölkerung. Die Sicherstellung eines ausreichenden Angebots an Arbeitskräften wäre somit eine wichtige Aufgabe für die Region Aachen, um auch in Zukunft im Standort-Wettbewerb erfolgreich zu sein.

Die Regionen Aachen, Derbyshire and Nottinghamshire und Northumberland sowie Tyne und Wear haben ein sehr ähnliches Lohnstückkosten-Niveau. Nur in Tees Valley und Durham liegen die Lohnstückkosten unter dem Niveau der Region Aachen; in Cheshire und East Wales liegen sie deutlich darüber. Die besonders hohen Lohnstückkosten in East Wales stellen im Vergleich zur Region Aachen einen relativen NRW-Standortvorteil dar.

16 https://www.clustercollaboration.eu/cluster-organisations/life-sciences-hub-wales

Abbildung 3-14 Top-3 Vergleichsregionen (AC) Direktvergleich ausgewählter Indikatoren

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

357

151

395 407

0

100

200

300

400

500

RegionAachen

East Wales Tees Valleyand Durham

Cheshire

Bevölkerungsdichte (Einwohner je km2, 2016)

30,89

40,16 40,03 39,46

0

10

20

30

40

50

RegionAachen

East Wales Tees Valleyand Durham

Cheshire

Jugendquotient (2016)

1,81 2,08

1,38

1,92

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

RegionAachen

East Wales Tees Valleyand Durham

Cheshire

Bevölkerungswachstum (2011-2016)

103,7116,8

93,7112,1

0

50

100

150

RegionAachen

East Wales Tees Valleyand Durham

Cheshire

Lohnstückkosten, NRW=100 (Wechselkurs-Basis, 2015)

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

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Niederrhein (industrielles Kernland)

Die Top-Vergleichsregion im VK für die Region Niederrhein ist Derbyshire und Nottinghamshire in den East Midlands. Die Region liegt zentral im mittleren England, wichtige Städte sind Derby und Nottingham. Mit 80,5 Punkten erreicht das Regionen-Paar einen relativ hohen Wert auf dem IW-Regional Similarity Index.

Abbildung 3-15 Top-5 Vergleichsregionen (NR) IW-Regional Similarity Index (RSI), Wertebereich [0 – 100]

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

17http://www.d2n2lep.org/write/Documents/Research%20Re-ports/D2N2_SIA.pdf 18 https://www.hs2.org.uk/where/

Der Niederrhein ist ein wichtiger Knotenpunkt für die Binnenschifffahrt: Drei der 13 NRW-Häfen liegen am Niederrhein. Die Region profitiert außerdem von der Nähe zu den Niederlanden, Düsseldorf und der Metro-polregion an der Ruhr. Auch die Region Derbyshire und Nottinghamshire punktet durch ihre zentrale Lage im mittleren England und profitiert zudem von den an-grenzenden Metropolregionen um Manchester und Sheffield. Die Haupt-Verkehrsader der Region, sowohl für den Personen- als auch für den Güterverkehr, ist die Autobahn M1, die die zentrale Nord-Süd-Verbindung auf der britischen Insel darstellt17. Die Anbindung an den internationalen Flugverkehr erfolgt über den an die Region angrenzenden East Midlands Airport und den Doncaster Sheffield Airport. Im Schienenverkehr soll durch den Bau der Hochgeschwindigkeitsbahn High Speed 2 und der East Midlands Hub Station in Toton ein neuer Hauptverkehrsknotenpunkt in der Region ge-schaffen werden. Es entstehen dabei Hochgeschwin-digkeitsverbindungen nach London, Birmingham, Leeds und Manchester18.

Im Bildungsbereich punktet die Region Derbyshire und Nottinghamshire mit drei Universitäten. Die University of Nottingham und die Nottingham Trent University machen Nottingham zudem zu einer der größten Stu-dentenstädte Englands. Am Niederrhein stellt die Hochschule Niederrhein mit rund 14.500 Studierenden eine der größten Fachhochschulen in NRW dar19. Zu-sätzlich weist der Niederrhein mit einer Fachkräf-tequote von 61% ein gutes Angebot an Fachkräften auf.

Der Bereich Technologie und Innovation wird in Der-byshire und Nottinghamshire durch drei Wissen-schaftsparks und über zehn Innovationszentren/Inku-batoren unterstützt20. Ein wachsender Life-Science-Cluster in Nottingham, verankert durch Boots und Bio-City, und ein aufstrebender Cluster für digitale Techno-logien in und um den sogenannten „Creative Quarter“

19 https://www.hs-niederrhein.de/hochschule/zahlen-und-fakten/ 20 http://www.d2n2lep.org/write/Documents/Research%20Re-ports/D2N2_SIA.pdf

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Wirtschaftsstandort NRW

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in Nottingham sollen auch in Zukunft Wachstumspo-tenziale für die Region schaffen.

Die Branchenstruktur der Region Niederrhein kann gut mit der Region Derbyshire und Nottinghamshire vergli-chen werden. Während jedoch am Niederrhein beson-ders Unternehmen der chemischen Industrie angesie-delt sind, befinden sich in Derby und Derbyshire einige wichtige Unternehmen der Automobilindustrie, darun-ter Rolls-Royce, Bombardier und Toyota. Gerade dort werden auf Grund des Brexit weitreichende negative Konsequenzen erwartet: Der Geschäftsführer des Toyota-Betriebs in Derbyshire, Marvin Cooke, sprach gegenüber der BBC bereits von erwarteten Produkti-onsausfällen im Fall eines unkontrollierten Brexits21. Auch die Flugzeug-Sparte von Rolls-Royce hat bereits bestätigt, dass Aufgabenbereiche des Produktions-standorts in Derbyshire an den deutschen Standort in Dahlewitz (Brandenburg) verlagert werden22.

Die Bevölkerungsdichte liegt mit rund 580 Einwohnern je Quadratkilometer am Niederrhein etwas höher als in den Vergleichsregionen im VK. Das Bevölkerungs-wachstum ist mit gut 2 % ebenfalls auf einem ähnlichen Niveau wie in den VK-Vergleichsregionen. Größere Un-terschiede zeigen sich hingegen bei der Altersstruktur der Bevölkerung: Die Bevölkerung in den Vergleichsre-gionen im VK ist deutlich jünger als am Niederrhein. Hinzu kommt: Laut Bevölkerungsvorausberechnung des statistischen Landesamts NRW wird die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter (20 bis unter 65 Jahre) am Niederrhein im Zeitraum 2014 bis 2040 um rund 11 % sinken. Daher ist die Sicherstellung eines aus-reichenden Angebots an Arbeitskräften ein maßgebli-cher Faktor, um die Attraktivität des Standortes Nieder-rhein für Unternehmen aus dem VK zu erhalten.

Die Lohnstückkosten der Region Niederrhein sind in Re-lation zu den Top-5 Vergleichsregionen im VK absolut wettbewerbsfähig. Nur in Tees Valley und Durham sind die Kosten niedriger. Besonders die Regionen Cheshire und East Wales weisen aber deutlich höhere Lohn-stückkosten auf als der Niederrhein.

21 https://www.bbc.com/news/business-45676633 (vom 29.9.2018)

Abbildung 3-16 Top-3 Vergleichsregionen (NR) Direktvergleich ausgewählter Indikatoren

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

22 https://www.derbytelegraph.co.uk/news/business/rolls-royce-confirms-transfer-work-2319550

576

455 482 407

0

200

400

600

800

Niederrhein Derbyshire andNottinghamshire

Lancashire Cheshire

Bevölkerungsdichte (Einwohner je km2, 2016)

31

39 42 39

0

10

20

30

40

50

Niederrhein Derbyshire andNottinghamshire

Lancashire Cheshire

Jugendquotient (2016)

2,14

2,99

1,30

1,92

0,0

1,0

2,0

3,0

4,0

Niederrhein Derbyshire andNottinghamshire

Lancashire Cheshire

Bevölkerungswachstum (2011-2016)

97,8

103,3 102,2

112,1

90

95

100

105

110

115

Niederrhein Derbyshire andNottinghamshire

Lancashire Cheshire

Lohnstückkosten, NRW=100 (Wechselkurs-Basis, 2015)

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Ost-Westfalen-Lippe (industrielles Kernland)

Die Region Ost-Westfalen-Lippe weist die stärksten Ähnlichkeiten mit den Regionen Cheshire und Lancashire im Nord-Westen Englands auf. Beide Regionen sind eher ländlich geprägt und haben keine wichtigen Großstädte - sie profitieren jedoch von der Nähe zu den Ballungsräumen Liverpool und Manchester. Die TOP 3-VK-Vergleichsregionen weisen im IW-Regional Similarity Index allesamt Werte von über 80 Punkten auf, was auf viele Standortgemeinsamkeiten hindeutet.

Abbildung 3-17 Top-5 Vergleichsregionen (OWL) IW-Regional Similarity Index (RSI), Wertebereich [0 – 100]

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

23https://www.baesystems.com/cs/Satellite?c=BAEStandardArticle_C&child-pagename=UK%2FBAELayout&cid=1434591266815&d=Touch&page-name=UKWrapper 24 https://energyinnovationdistrict.com/

Die Region Cheshire besitzt einen vielfältigen Bran-chenmix mit Schwerpunkten in den Bereichen Automo-bil-, Biotechnologie-, Chemie- und Nahrungsmittel-In-dustrie sowie Finanzdienstleistungen und IKT. Wichtige Automobilunternehmen in der Region sind Bentley Mo-tors mit Sitz in Crewe sowie Vauxhall mit einer Produk-tionsstätte in Ellesmere Port. Auch das Rüstungsunter-nehmen BAE Systems Land hat einen Produktions-standort in der Region, an dem Munition für Waffen-systeme produziert wird23. Neue Impulse setzt der Energy Innovation District - ein Cluster aus Energieer-zeugern, energieintensiven Industriebetrieben, Innova-toren und Wissenschaftlern. Ziel des Clusters ist die Be-reitstellung sicherer, kohlenstoffarmer und kosten-günstiger Energie aus dem Nordwesten Englands24.

Im Bereich Forschung und Wissen stellt der Cheshire Science Corridor einen regionalen Hub innerhalb des breiteren North West Science & Technology Cluster dar. Schwerpunkte liegen in den Bereichen Pharmain-dustrie, Chemietechnik, Energie- und Kerntechnik, Ra-dioastrophysik und Astronomie25. Die Initiative ist ein-gebettet in die Forschungslandschaft im weiteren Nordwesten, mit der University of Chester sowie Stand-orten der Manchester Metropolitan University in Che-shire, dem Manchester Science Park, dem Media Park in Trafford, Sci-Tech Daresbury, sowie Capenhurst und Thornton Science Park. Bedeutende Unternehmen sind Astra Zeneca, Siemens, Waters Corporation und das National Nuclear Laboratory26.

Die Region Lancashire beherbergt einen der weltweit größten Luft- und Raumfahrtcluster, die North West Aerospace Alliance. Mit über 12.700 Beschäftigten ist es der größte Cluster der Luft- und Raumfahrt in Groß-britannien und nach Seattle, Toulouse und Montreal der viertgrößte Luft- und Raumfahrtcluster der Welt. BAE Systems hat seinen Sitz in Lancashire und produ-

25 http://www.871candwep.co.uk/science-corridor/ 26 http://www.871candwep.co.uk/science-corridor/

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Wirtschaftsstandort NRW

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ziert dort die britischen Eurofighter Typhoons sowie ei-nen Teil des militärischen Luft- und Raumfahrtpro-gramms F-35. Airbus UK und andere Firmen in der Re-gion beliefern den zivilen Luftfahrtmarkt. Mit weiteren führenden Unternehmen wie Senior Aerospace Wes-ton, Magellan Aerospace, Rolls-Royce und Safran Nacelles leistet die Region Lancashire einen wichtigen Beitrag zur gesamten Lieferkette der Luft- und Raum-fahrt-Industrie27. Auch die Automobilindustrie liefert einen nennenswerten Beitrag zur regionalen Wirt-schaft: 3.500 Personen sind in der Branche beschäftigt.

Das regionale Angebot an F&E-Personal wird u. a. durch die University of Central Lancaster und die Lancaster University sichergestellt, die Schwerpunkte in den Be-reichen der fortgeschrittenen Produktionstechnologie, im Maschinenbau und bei unbemannten Luftfahrzeug-systeme gesetzt haben. Zudem bietet die Lancashire Enterprise Zone, die an den BAE Systems-Standorten in Samlesbury und Warton entwickelt wird, spezielle Standortvorteile für Unternehmen – u. a. Steuerver-günstigungen sowie eine speziell ausgebaute Breit-band- und Verkehrs-Infrastruktur28. Einen weiteren Schwerpunkt der regionalen Wirtschaft von Lancashire bildet die Energie- und Umweltwirtschaft sowie der Nuklearsektor.

Die Hauptverkehrsadern der Regionen Cheshire und Lancashire sind die Autobahnen. Zudem haben beide Regionen Anschluss an den Manchester Ship Canal. Im Schienenverkehr sollen durch den Bau der Hochge-schwindigkeitsbahn High Speed 2 die regionalen Ver-kehrsknotenpunkte in Crewe (Cheshire) und Preston (Lancashire) aufgewertet werden. Es entstehen dabei u. a. Hochgeschwindigkeitsverbindungen nach Birmin-gham und London29.

Die ländliche Siedlungs- und Bevölkerungsstruktur in Ost-Westfalen-Lippe und den Top-Vergleichsregionen im VK zeigt sich deutlich an den geringen Bevölkerungs-dichten, die sich grob zwischen 300 und 500 Einwoh-nern je km2 befinden. Der generelle Befund einer stär-ker veralteten Gesellschaft in NRW verglichen mit dem VK zeigt sich auch für Ost-Westfalen-Lippe anhand des Jugendquotienten. Die Lohnstückkosten der Region Ost-Westfalen-Lippe sind in Relation zu den Top-5 Ver-gleichsregionen im VK aber absolut wettbewerbsfähig – ein klarer NRW-Standortvorteil.

27 http://www.lancashirelep.co.uk/the-lancashire-offer/key-business-sec-tors/aerospace.aspx

Abbildung 3-18 Top-3 Vergleichsregionen (OWL) Direktvergleich ausgewählter Indikatoren

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

28 http://www.lancashirelep.co.uk/lep-priorities/lancashire-enterprise-zone.aspx 29 https://www.hs2.org.uk/where/

315

407 482

395

0

200

400

600

OstWestfalenLippe Cheshire Lancashire Tees Valley andDurham

Bevölkerungsdichte (Einwohner je km2, 2016)

3439 42 40

0

10

20

30

40

50

OstWestfalenLippe Cheshire Lancashire Tees Valley andDurham

Jugendquotient (2016)

1,34

1,92

1,30 1,38

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

OstWestfalenLippe Cheshire Lancashire Tees Valley andDurham

Bevölkerungswachstum (2011-2016)

98,8

112,1

102,2

93,7

80

90

100

110

120

OstWestfalenLippe Cheshire Lancashire Tees Valley andDurham

Lohnstückkosten, NRW=100 (Wechselkurs-Basis, 2015)

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

36

Südwestfalen (industrielles Kernland)

Die Region Südwestfalen unterscheidet sich am stärksten von den Regionen im VK. Das zeigt sich auch anhand der geringen Werte des IW Regional Similarity Index, die in keiner VK-Region die 60 Punkte-Marke überschreiten. Dieses Ergebnis lässt sich vor allem durch den besonderen Industrie-Schwerpunkt der Wirtschaft Südwestfalens erklären.

Abbildung 3-19 Top-5 Vergleichsregionen (SWF) IW-Regional Similarity Index (RSI), Wertebereich [0 – 100]

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

30 MINT: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik.

In Südwestfalen werden knapp 40% der Bruttowert-schöpfung im Verarbeitenden Gewerbe erwirtschaftet - ein Löwen-Anteil, der mit keiner VK-Region unmittel-bar zu vergleichen ist. Die Region Cheshire West hat mit rund einem Viertel bereits den größten regionalen Wertschöpfungs-Anteil des verarbeitenden Gewerbes im gesamten Vereinigten Königreich. Die Bereiche Han-del, Verkehr und Lagerei, Gastgewerbe und Informa-tion und Kommunikation sowie Finanz-, Versicherungs- und Unternehmensdienstleister und das Grundstücks- und Wohnungswesen sind in Cheshire im Gegenzug deutlich stärker ausgeprägt als in Südwestfalen.

Aufgrund des besonderen Industrie-Schwerpunkts sind auch die Standortbedingungen in Südwestfalen stark an den Bedarfen der Industrie orientiert: Hier finden sich die höchste Fachkräfte-Quote in NRW, die höchste Dichte an MINT-Berufen30 und überdurchschnittlich viele Auszubildende. Darüber hinaus sind die Preise für Bauland nirgendwo in NRW so günstig wie in Südwest-falen. Damit verfügt die Region über gute Bedingungen, um Industrie-Unternehmen aus dem zunehmend dienstleistungsorientierten Vereinigten Königreich an-zuziehen.

Ein entscheidender Punkt ist dabei aber der Erhalt des Arbeitskräfte-Angebots: Südwestfalen hat als einzige Region in NRW im Zeitraum von 2011 bis 2016 einen Bevölkerungsrückgang verzeichnet. Im Vereinigten Kö-nigreich ist Cumbria die einzige Region, deren Bevölke-rung in diesem Zeitraum ebenfalls geschrumpft ist. Zu-dem ist Südwestfalen mit 225 Einwohnern je Quadrat-kilometer die am dünnsten besiedelte Region NRWs. Hinzu kommt ein wenig optimistisch stimmender Aus-blick für die Zukunft: Laut Bevölkerungsvorausberech-nung des statistischen Landesamts NRW wird die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter (20 bis unter 65 Jahre) in Südwestfalen im Zeitraum 2014 bis 2040 um rund ein Viertel zurückgehen. Daher ist die Sicherstel-lung eines ausreichenden Angebots an Arbeitskräften

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Wirtschaftsstandort NRW

37

ein maßgeblicher Faktor, um Südwestfalen als attrakti-ven Industrie-Standort für Unternehmen aus dem VK zu erhalten.

Dabei stellen die niedrigen Lohnstückkosten einen kla-ren Standortvorteil für die Region Südwestfalen dar. Während in Lancashire ein ähnlich gutes Niveau er-reicht wird, sind die Lohnstückkosten in den übrigen vier Top-5 VK-Vergleichsregionen höher – in Cheshire, Cumbria und East Wales sogar deutlich. Dabei ist je-doch immer zu berücksichtigen, dass in der Industrie im Allgemeinen kapitalintensivere Produktionsmethoden angewandt werden als in den Dienstleistungsbranchen. Dementsprechend können in Regionen wie Südwestfa-len, wo die Industrie für einen Großteil der Wertschöp-fung und der Beschäftigung verantwortlich ist, die er-rechneten Lohnstückkosten alleine aufgrund dieses statistischen Effektes tendenziell geringer ausfallen.

Abbildung 3-20 Top-3 Vergleichsregionen (SWF) Direktvergleich ausgewählter Indikatoren

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

225

407

74

151

0

100

200

300

400

500

Südwestfalen Cheshire Cumbria East Wales

Bevölkerungsdichte (Einwohner je km2, 2016)

32,00

39,46 36,95 40,16

0

10

20

30

40

50

Südwestfalen Cheshire Cumbria East Wales

Jugendquotient (2016)

-0,36

1,92

-0,54

2,08

-1,0

-0,5

0,0

0,5

1,0

1,5

2,0

2,5

Südwestfalen Cheshire Cumbria East Wales

Bevölkerungswachstum (2011-2016)

102,0

112,1

116,3 116,8

90

95

100

105

110

115

120

Südwestfalen Cheshire Cumbria East Wales

Lohnstückkosten, NRW=100 (Wechselkurs-Basis, 2015)

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

38

Das Münsterland: Ein Spezialfall

Das Münsterland weist große Ähnlichkeiten mit ländlicheren Regionen des VK auf, in denen auch die Landwirtschaft einen höheren Stellenwert einnimmt. Die Top-Vergleichsregion ist Shropshire an Staffordshire im westlichen Mittelengland. Der IW Regional Similarity Index erreicht dort mit mehr als 86 Punkten einen überdurchschnittlich hohen Wert.

Abbildung 3-21 Top-5 Vergleichsregionen (ML) IW-Regional Similarity Index (RSI), Wertebereich [0 – 100]

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

Die Region Shropshire und Staffordshire grenzt im Wes-ten an Wales, im Norden an Cheshire, im Osten an Der-byshire und Nottinghamshire sowie im Süden u.a. an die West Midlands, wodurch die Region von der Nähe zur Metropolregion Birmingham profitiert. In der Re-gion selbst befinden sich jedoch keine größeren Städte. Im Bereich Infrastruktur sind vor allem Schienen- und Straßenverkehr relevant, da es innerhalb der Region keine größeren Verkehrsknotenpunkte mit Anbindun-gen an den Luft- oder Schiffverkehr gibt. Im Fernver-kehr ist vor allem der Bahnhof in Stafford, aufgrund sei-ner Lage zwischen London und Birmingham im Süden sowie Liverpool und Manchester im Norden, ein wich-tiger Knotenpunkt. Das Münsterland punktet dagegen mit dem Flughafen Münster-Osnabrück, drei multimo-dalen Logistikknoten und einer guten Anbindung an den Straßenverkehr – u. a. an die Autobahnen A1 und A2. Außerdem profitiert das Münsterland von der Nähe zu den Niederlanden sowie den Metropolregionen in NRW. Somit kann das Münsterland im Bereich Infra-struktur relativ zu Shropshire und Staffordshire einige Standortvorteile aufweisen.

Im Bereich der Hochschulbildung gibt es in der Region Shropshire den Campus Telford der University of Wol-verhampton und die landwirtschaftlich orientierte Har-per Adams University. In Staffordshire gibt es ebenfalls zwei Universitäten, die Keele University und die Staf-fordshire University. Als größte Hochschule der Region sind an der Staffordshire University knapp 15.000 Stu-dierende (Stand: WS 2016/17) inskribiert. Die Westfäli-sche Wilhelms-Universität (WWU) in Münster ist mit rund 44.700 Studierenden (Stand: WS 2016/17) um ein Vielfaches größer. Eine überdurchschnittliche Fachkräf-tequote und ein Spitzenplatz bei der Zahl der Auszubil-denden runden den Standort Münster im Bereich Wis-sen & Fachkräfte ab. Hier gibt es im Vergleich zu Shrop-shire und Staffordshire klare Standortvorteile.

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Wirtschaftsstandort NRW

39

Ein Blick auf die Bruttowertschöpfung nach Branchen zeigt einen relativen Industrie-Schwerpunkt im Müns-terland verglichen mit Shropshire und Staffordshire. Im Münsterland wird rund ein Fünftel der Bruttowert-schöpfung im verarbeitenden Gewerbe erwirtschaftet – in Shropshire und Staffordshire weniger als ein Sechs-tel. Dafür leisten die Bereiche Handel, Verkehr und La-gerei, Gastgewerbe sowie Information und Kommuni-kation in Shropshire und Staffordshire einen entspre-chend größeren Beitrag zur Wertschöpfung. Nennens-werte Industrieunternehmen in der Region Shropshire und Staffordshire sind der Maschinenbauer J.C. Bam-ford Excavators (JCB), der sich u.a. auf Bau- und Land-maschinen spezialisiert hat sowie das Rüstungsunter-nehmen BAE Systems, das in Telford, Shropshire, ge-panzerte Fahrzeuge baut und wartet.

Die Lohnstückkosten im Münsterland sind mit denen der Regionen Herefordshire, Worcestershire and War-wickshire vergleichbar. In den übrigen vier Top-5 VK-Vergleichsregionen liegen die Lohnstückkosten hinge-gen etwas höher. Die Unterschiede fallen jedoch ver-gleichsweise gering aus.

Die ländliche Prägung des Münsterlands und der Top-Vergleichsregionen im VK zeigt sich nicht zuletzt an der geringen Bevölkerungsdichte in diesen Regionen, die grob zwischen 200 und 300 Einwohnern je Quadratkilo-meter liegt. Mit einem Bevölkerungswachstum von 2,7% von 2011 bis 2016 hatte das Münsterland den-noch die dynamischste Entwicklung aller ländlichen Re-gionen in NRW vorzuweisen. In den Top-3 Vergleichsre-gionen im VK hat sich die Bevölkerung aber ähnlich dy-namisch entwickelt. Bei der Altersstruktur der Bevölke-rung zeigen sich hingegen größere Unterschiede. Auf 100 Einwohner im Alter von 20 bis 65 Jahren kommen im Münsterland rund 33 Unter-20-Jährige – der zweit-höchste Wert in NRW nach Ost-Westfalen-Lippe. Den-noch liegt der Jugendquotient in den Vergleichsregio-nen im VK nochmals höher: In Shropshire und Staf-fordshire kommen rund 39 Unter-20-Jährige auf 100 Einwohner im Alter von 20 bis 65 Jahren. Hinzu kommt: Laut Bevölkerungsvorausberechnung des statistischen Landesamts NRW wird die Zahl der Personen im er-werbsfähigen Alter (20 bis unter 65 Jahre) im Münster-land im Zeitraum 2014 bis 2040 um 13% schrumpfen. Die Sicherung des Arbeitskräfteangebots ist somit eine zentrale Aufgabe für das Münsterland, um für VK-Un-ternehmen als Standort attraktiv zu bleiben.

Abbildung 3-22 Top-3 Vergleichsregionen (SWF) Direktvergleich ausgewählter Indikatoren

Quelle: Arbeitskreis VGR der Länder, Eurostat, Statistisches Bun-

desamt, eigene Berechnungen u. Darstellung IW Consult

273 259 216

260

0

50

100

150

200

250

300

Münsterland Shropshire andStaffordshire

Dorset andSomerset

Northumberlandand Tyne and

Wear

Bevölkerungsdichte (Einwohner je km2, 2016)

33

39 39

37

30

32

34

36

38

40

Münsterland Shropshire andStaffordshire

Dorset andSomerset

Northumberlandand Tyne and

Wear

Jugendquotient (2016)

2,7

2,0

3,3

1,7

0,0

1,0

2,0

3,0

4,0

Münsterland Shropshire andStaffordshire

Dorset andSomerset

Northumberlandand Tyne and

Wear

Bevölkerungswachstum (2011-2016)

98,8

102,0101,5

103,9

96

98

100

102

104

106

Münsterland Shropshire andStaffordshire

Dorset andSomerset

Northumberlandand Tyne and

Wear

Lohnstückkosten, NRW=100 (Wechselkurs-Basis, 2015)

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

40

3.2.4 Online-Tool zum Standortmarketing

Die im Projektverlauf gesammelten Daten zum Stand-ort NRW und den zugehörigen Vergleichsregionen im VK sollten im vorliegenden Projekt nicht in unübersicht-lichen und kaum genutzten Tabellenbänden „ver-steckt“ werden. Daher wurde nach einer Möglichkeit gesucht, die abstrakten statistischen Daten der NRW-Standortdatenbank mit ihren neun Regionen und einer Vielzahl an Einzelindikatoren für jede Region sowie den daraus resultierenden Ähnlichkeitsmaßen – ausge-drückt durch den IW-Regional Similarity Index – dem

Nutzer auf einfache und transparente Weise zugänglich zu machen.

Als primärer Nutzer dieser Informationen wurden in Abstimmung mit dem Auftraggeber dabei Unterneh-men aus dem VK identifiziert, die Interesse am Standort NRW zeigen. Diese sollten ihren individuellen und oft-mals komplexen Standortbedarf niedrigschwellig und auf einfachste Weise spezifizieren können, um dann in Echtzeit eine individuell angepasste Strandortempfeh-lung für NRW zu erhalten.

Abbildung 3-23 Online-Tool „site locator NRW” Screenshot der Begrüßungsseite des „site locator NRW“ (www.site-locator.nrw)

Quelle: Konzept und Umsetzung IW Consult

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Wirtschaftsstandort NRW

41

Um eine individuelle NRW-Standortempfehlung zu er-halten, müssen die Unternehmen in einem ersten Schritt zunächst zentrale Standortfaktoren hinsichtlich ihrer jeweiligen Relevanz bewerten. Die Auswahlmög-lichkeiten wurden hier mit einer dreifachen Skala be-wusst sehr einfach gehalten.

Alle Standort-Faktoren, die mit einem „relevant“ oder einem „highly relevant“ bewertet wurden, können auf der nachfolgenden Seite des Tools näher spezifiziert werden. Durch diesen Filter gehen zwar Informationen verloren, die Nutzerfreundlichkeit des Tools kann aber spürbar erhöht werden.

Wichtig erscheint an dieser Stelle auch der Hinweis auf die „mobile first“ Strategie des Tools: Im Rahmen der Designentwicklung und -umsetzung sowie Program-mierung wurde der Bedienbarkeit über ein mobiles Endgerät wie Smartphone oder Tablet höchste Priorität eingeräumt. Die Nutzung des Tools als Desktop-Vari-ante stellt nur eine spezifische Aufbereitung der im Kern immer noch mobilen – im Fachjargon „responsi-ven“ – Version des Tools dar.

Abbildung 3-24 Standort-Prioritäten im Online-Tool „site locator NRW” Screenshot der Prioritätenauswahl im „site locator NRW“ (www.site-locator.nrw)

Quelle: Konzept und Umsetzung IW Consult

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

42

In jedem als relevant oder sogar hochrelevant einge-stuften Standort-Faktor können nun im Online-Tool de-tailliertere Informationen zum individuellen Standort-bedarf hinterlegt werde. Für jedes dieser Standort-De-tails kann in einem Wertbereich zwischen 0 und 10 Punkten die Bedeutung bewertet werden.

Jede Angabe des Nutzers bei einem spezifischen Indika-tor (z. B. „High Tech Startups“) wird nun vom Tool im Hintergrund mit der Ausprägung dieses Indikators in al-

len neun NRW-Regionen verglichen. Je kleiner die Ab-weichung zwischen dem im Tool spezifiziertem Bedarf und der konkreten Ausprägung in einer bestimmten NRW-Region ist, desto höher steigt diese Region im an-schließenden „Empfehlungs-Ranking“.

Dabei gilt: Je genauer ein Unternehmen seinen Stand-ortbedarf im Tool präzisiert, desto zielgenauer kann auch eine Standortempfehlung für eine spezifische Re-gion in NRW erfolgen.

Abbildung 3-25 Standort-Details im Online-Tool „site locator NRW” Screenshot der Konkretisierung von Standortbedarfen im „site locator NRW“ (www.site-locator.nrw)

Quelle: Konzept und Umsetzung IW Consult

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Wirtschaftsstandort NRW

43

Auf der letzten Seite des Tools werden dem Nutzer die TOP-3-Standort-Empfehlungen für seine individuellen Standortbedarfe präsentiert. Neben einer Kurzzusam-menfassung einiger beispielhaft ausgewählter Stand-ortvorteile in englischer Sprache werden die Nutzer an-schließend auf das Beratungsangebot von NRW.Invest (https://www.nrwinvest.com/en/nrw-as-location/ economic-regions/ ) weitergeleitet.

Dort kann das am Standort NRW interessierte VK-Un-ternehmen dann nochmals anhand einer Übersichts-karte von NRW die betreffende Region auswählen. Dies führt zu einer Kurzbeschreibung der spezifischen

Standortvorteile dieser Region sowie einer Link-Samm-lung der weiter regionalisierten Informationsangebote. Zwar haben bereits einige der verlinkten regionalspezi-fischen Website eine originär fremdsprachige Seite im Angebot (insbesondere die großen Metropolen), viele regionalspezifische Websites nutzen aber entweder die qualitativ wenig überzeugenden automatisierten Google-Übersetzungsdienste oder verzichten gleich ganz auf eine mehrsprachige Begrüßung der Interes-senten. Hier wäre es sicher empfehlenswert, auch die regionalen Websites durchgängig mehrsprachig anzu-bieten.

Abbildung 3-26 Top-3-Standort-Empfehlungen im Online-Tool „site locator NRW” Screenshot der Standortempfehlungen im Prototypen des „site locators NRW“

Quelle: Konzept und Umsetzung IW Consult

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

44

4 Unternehmens-befragung Zielstellung der im Brexit-NRW-Projekt vorgehsehenen Unternehmensbefragung sollte bewusst nicht sein, ein repräsentatives Bild der NRW-Wirtschaft zu zeichnen. Vielmehr sollte ein möglichst aktuelles und breit gefä-chertes Stimmungsbild zum Brexit erhoben werden. Darüber hinaus sollte die Umfrage trotz der hochkom-plexen Fragestellung – immerhin sollten die tatsächli-chen und hypothetischen Effekte unterschiedlicher Brexit-Szenarien parallel bewertet werden – für die Teilnehmer möglichst unkompliziert und transparent zu beantworten sein.

Die Befragung der NRW-Unternehmen wurde daher als reine Online-Umfrage durchgeführt. Die Beantwortung der Fragen konnte auf Wunsch vollkommen anonym erfolgen. Die Online-Umfrage war im Zeitraum vom 9.11.2018 bis zum 13.01.2019 für die Teilnehmer er-reichbar. In diesem Zeitraum haben insgesamt 170 Un-ternehmen den Fragebogen vollständig beantwortet.

Dem Thema Datenschutz wurde bei der Entwicklung des vorliegenden Befragungsdesign große Aufmerk-samkeit gewidmet. So wurde zum einen eine strikte Trennung zwischen Umfrage-Infrastruktur-Bereitstel-lung durch die IW Consult und den Verarbeitern der Teilnehmer-Kontaktlisten in den jeweiligen Institutio-nen (IHKen, Verband Freier Berufe, ...) umgesetzt. Zum anderen wurde bei der Datenerhebung im Rahmen der Online-Umfrage bewusst auf die Erfassung von perso-nenbezogenen Daten verzichtet.

Unser Dank gilt an dieser Stelle als erstes allen Teilneh-mern der Online-Umfrage, die ihre Zeit investiert ha-ben, um einen detaillierten Blick auf den aktuellen Vor-bereitungsstand und die wahrscheinliche Betroffenheit der NRW-Wirtschaft durch den Brexit zu ermöglichen. Auch der IHK-Organisation in NRW sowie den anderen beteiligten Verbänden sei an dieser Stelle für ihre hilf-reiche Unterstützung bei der Einladung der Teilnehmer gedankt.

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Unternehmensbefragung

45

4.1 Chancen und Risiken des Brexit

Harter Brexit = Risiko Weicher Brexit = (leichte) Chance

Bei einem harten Brexit sehen die befragten Unterneh-men vor allem Risiken auf sich zukommen. Diese Ein-schätzung ist in allen Branchendifferenzierungen und Größenklassenunterscheidungen analog festzustellen. In der Industrie und bei den größeren Unternehmen sind die potenziellen Risiken eines harten Brexit beson-ders deutlich ausgeprägt.

Ein weicher Brexit hielte nach Einschätzung der befrag-ten Unternehmen – allerdings nur leichte – Chancen für die NRW-Wirtschaft bereit. Spiegelbildlich zu den aus einem harten Brexit resultierenden Risiken werden bei einem weichen Brexit vor allem für Industrie und Groß-unternehmen Chancen entstehen.

Ob ein spezifisches Brexit-Szenario von den befragten Unternehmen als Chance oder als Risiko eingestuft wird, hängt maßgeblich davon ab, welche negativen Auswirkungen und positive Effekte die Unternehmen in Folge eines spezifischen Brexit-Szenarios bereits heute spüren oder für die Zukunft in den jeweiligen Szenarien erwarten. Dabei ist nochmals hervorzuheben, dass die Umfrage zwischen Nov 2018 und Jan 2019 durchge-führt wurde – ein Zeitpunkt, an dem zumindest aus rückblickender Perspektive noch alle Brexit-Szenarien eine vergleichbare Wahrscheinlichkeit ihrer letztendli-chen Realisierung aufwiesen

Abbildung 4-1 Chancen und Risiken des Brexit

Mittlere Punktwerte von 1 Punkt (ausschließlich Risiken) bis 10 Punkte (ausschließlich Chancen), alle befragten Unterneh-

men, nach Branchengruppen und im Größenvergleich

Quelle: IW Consult, 2019, Unternehmensbefragung “Brexit NRW”, Datenstand: 16.01.2019.

3,43,1

3,9 3,8

2,9

5,9 6,05,7 5,7

6,6

Ges

amt -

Ind

ust

rie.

Die

nst

leis

ter

bis

1 M

io.

meh

r al

s 5

0 M

io.

harter Brexit weicher Brexit

Ch

ance

R

isik

o

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

46

4.2 Brereits heute spürbare Brexit-Auswirkungen

Heute feststellbare negative Brexit-Auswirkungen auf das VK-Geschäft begrenzt

Die befragten NRW-Unternehmen sollten ebenfalls an-geben, ob sie bereits heute Auswirkungen des Brexit spüren und ob diese ggf. eher positiver oder negativer Natur seien. Neben der Existenz von geschäftlichen Kontakten in das Ausland bzw. das VK ist auch deren relative Bedeutung am Gesamtumsatz wichtig. Die Um-frageergebnisse zeigen, dass sich die NRW-Wirtschaft zwar durch eine Vielzahl internationaler Geschäftskon-takte auszeichnet, aber nur knapp 2,4% aller Umsätze wurden von den Befragungsteilnehmern im VK erzielt. Zudem stammen nur 1,7% der benötigten Vorprodukte aus dem VK.

Dies erklärt auch die vermeintlich hohe heutige Betrof-fenheit der NRW-Wirtschaft vom Brexit: Mehr als drei Viertel der Befragungsteilnehmer gaben an, dass sie

bereits heute Auswirkungen des Brexit verspüren. Da-bei zeigt sich aber, dass die NRW-Unternehmen im Be-fragungsmittel eher (leichte) positive Effekte feststel-len konnten. Hier kommen die handelsumlenkenden Effekte zum Tragen, etwa wenn ein spanisches Unter-nehmen Ersatz für den bislang im VK beauftragten Lie-feranten sucht. In gleiche (positive) Richtung und mit gleicher Ursache wirkt der Brexit schon heute bei 60% der Befragten im Auslandsgeschäft ohne das VK.

Das VK-Geschäft ist hingegen nur in gut der Hälfte der befragten Unternehmen mit existentem VK-Geschäft betroffen. Wenn hier bereits heute Effekte des Brexit abzulesen sind, so sind diese in aller Regel deutlich ne-gativer Natur.

Abbildung 4-2 Heutige Brexit-Auswirkungen Mittlere Punktwerte von 1 Punkt (stark negative Auswirkungen) bis 10 Punkte (stark positive Auswirkungen), alle befragten

Unternehmen

Quelle: IW Consult, 2019, Unternehmensbefragung “Brexit NRW”, Datenstand: 16.01.2019.

4,14,14,1

3,5

3,0

5,4

6,06,3

7,07,3

6,05,75,9

5,65,8

Um

sätz

e

Bes

chaf

fun

gvo

n V

orl

eist

un

gen

Bes

chäf

tigu

ng

Pro

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im VK im Ausland in D

po

siti

v n

egat

iv

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Unternehmensbefragung

47

4.3 Befürchtete negative Auswirkungen in Brexit-Szenarien

Negative Auswirkungen bei geregeltem (=„weichen“) Brexit stark begrenzt

Vor dem Hintergrund ihrer individuellen geschäftlichen Rahmenbedingungen und Geschäftsmodelle sollten die Befragungsteilnehmer anschließend spezifizieren, wel-che negativen Auswirkungen in den unterschiedlichen Brexit-Szenarien erwarten.

Im Falle eines harten Brexit befürchtet eine Mehrheit der Unternehmen (63%), dass die Geschäfte mit dem VK weniger lukrativ werden. Berücksichtigt man bei der Interpretation der Daten die Erkenntnisse aus den Ex-perteninterviews (Kapitel 6.1), nach denen intensive Handelsverflechtungen mit dem VK schon seit mehr als einem Jahr weitgehend entflochten wurden, scheint dem VK im Falle eines harten Brexit eine empfindliche Einschränkung der Geschäftsbeziehungen zu NRW-Un-ternehmen und dem damit verbundenen Handelsvolu-men bevorzustehen. Dieser Effekt wäre im Falle eines

weichen Brexit aus Perspektive der Umfrageteilnehmer ungleich geringer.

Eine Verlagerung und Intensivierung des Wettbewerbs erwarten bei einem harten Brexit nur ein gutes Drittel der Befragungsteilnehmer. Auch hier ist ein weicher Brexit mit weniger weitreichenden Konsequenzen ver-bunden.

Mit einem Erstarken der VK-Konkurrenz, zum Beispiel weil die VK-Regierung wachstumshemmende Auflagen dereguliert, sowie neuen Konkurrenten aus dem Nicht-VK-Ausland, rechnen bei einem harten Brexit 25% bzw. 17%. Bei einem weichen Brexit wären hingegen in rund 80% bzw. 87% der Unternehmen wahrscheinlich keine negativen Folgen zu erwarten.

Abbildung 4-3 Befürchtete negative Auswirkungen des Brexit Betroffenheit von negativen Auswirkungen unterschiedlicher Brexit-Szenarien in Prozent, alle befragten Unternehmen

Quelle: IW Consult, 2019, Unternehmensbefragung “Brexit NRW”, Datenstand: 16.01.2019.

63%

34%

25%

17%

21%

17%

20%

13%

0% 20% 40% 60% 80%

Geschäfte mit VKwürden weniger lukrativ

Verlagerung und Intensivierungdes Wettbewerbs

Erstarken der VK-Konkurrenz

Neue Konkurrenten ausdem Nicht-VK-Ausland

harter Brexit

weicher Brexit

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

48

4.4 Erwartete positive Auswirkungen in Brexit-Szenarien

Positive Auswirkungen des Brexit klar begrenzt

Wie bereits die heute spürbaren Brexit-Auswirkungen gezeigt haben, muss ein Ausscheiden des VK aus der EU keineswegs nur negative Folgen für die Wirtschaft in NRW haben. Daher wurde in der Umfrage auch gezielt danach gefragt, welche positiven Auswirkungen in den jeweiligen Brexit-Szenarien zu erwarten seien.

Insbesondere die Schwächung der derzeitigen VK-Kon-kurrenz könnte nach Ansicht von 37 Prozent der Unter-nehmen eine mögliche positive Folge eines harten Brexit aus Perspektive der NRW-Unternehmen sein. Bei einem weichen Brexit reduziert sich die Zahl der Unter-nehmen, die eine solche Konsequenz erwarten, auf nur noch 10 Prozent. Diese Daten lassen erahnen, wie weit-reichend die Konsequenzen des Brexit nicht für die Un-ternehmen der EU sein werden, sondern für die im VK beheimateten Unternehmen selbst. Durch den Brexit, so sehen es zumindest viele befragte NRW-Unterneh-men, wird die internationale Wettbewerbsposition der VK-Wirtschaft nachhaltig geschwächt.

Ein besseres Fachkräfteangebot für das eigene Unter-nehmen, etwa weil für osteuropäische Arbeitskräfte ein Arbeitsaufenthalt im VK weniger attraktiv wird, wäre in beiden Szenarien gleich bedeutend für die NRW-Wirtschaft.

Die Stärkung regionaler Netzwerke durch Zuzug von VK-Unternehmen sowie bessere Rahmenbedingungen im VK für das eigene Unternehmen halten sowohl bei einem harten Brexit als auch bei einem weichen Brexit nur vergleichsweise wenige Unternehmen für eine wahrscheinliche positive Folgewirkung des Brexit.

Zusammenfassend ist aber festzustellen, dass das Ein-treten von positiven Folgewirkungen des Brexit in bei-den Szenarien deutlich zurückhaltender bewertet wird, als die aus den jeweiligen Brexit-Szenarien resultieren-den negativen Folgewirkungen.

Abbildung 4-4 Erwartete positive Auswirkungen des Brexit Betroffenheit von positiven Auswirkungen unterschiedlicher Brexit-Szenarien in Prozent, alle befragten Unternehmen

Quelle: IW Consult, 2019, Unternehmensbefragung “Brexit NRW”, Datenstand: 16.01.2019.

37%

16%

12%

6%

10%

19%

11%

17%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%

geschwächte VK-Konkurrenz

besseres Fachkräfteangebot

Stärkung regionaler Netzwerke

bessere Rahmenbedingungen im VK

harter Brexitweicher Brexit

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Unternehmensbefragung

49

4.5 Stand der Brexit-Vorbereitungen im Überblick

Mehrheit der NRW-Unternehmen bereitet sich auf den Brexit vor.

Wie die vorausgehenden Darstellungen gezeigt haben, sind vergleichsweise viele NRW-Unternehmen in die in-ternationale Arbeitsteilung eingebunden. Deswegen sind auch bereits heute erste vorauseilende Auswirkun-gen des Brexit zu spüren. Diese sind aber – zumindest bezogen auf das Deutschlandgeschäft und Geschäfte mit dem Ausland ohne das VK – sogar positiv. Damit be-stünde aber die potenzielle Gefahr, dass der Brexit von den Unternehmen „auf die leichte Schulter genom-men“ wird und notwendige vorbereitende Maßnah-men unterbleiben.

Die Unternehmensbefragung von Ende 2018/Anfang 2019 kann in diesem Punkt klare Entwarnung geben: Mehr als zwei Drittel der NRW-Unternehmen (68%) ga-ben im Rahmen der Befragung an, dass sie bereits Maß-nahmen zur Vorbereitung auf den Brexit getroffen ha-ben. Für ein knappes Viertel der Unternehmen ist der

Brexit laut eigener Einschätzung weder direkt noch in-direkt relevant für das eigene Geschäftsmodell. In diese Gruppe fallen sehr unterschiedliche rein regional aus-gerichtete Unternehmen vom kleinen Kaufmann bis zur lokal ausgerichteten Online-Werbeagentur.

Insbesondere für diejenigen Unternehmen, die zwar laut eigenen Angaben vom Brexit betroffen sein wer-den, zugleich aber noch keine vorbereitenden Maßnah-men getroffen haben (9%), könnte die Zeit nun aber sehr knapp werden: Da nicht nur die direkten Handels-beziehungen auf den Prüfstand gehören, sondern auch bestehende VK-Abhängigkeiten von Zulieferern und B2B-Abnehmern, sollte die noch verbleibende Zeit bis zum Brexit von diesen Unternehmen dringend genutzt werden.

Abbildung 4-5 Stand der Brexit-Vorbereitungen Anteil der befragten NRW-Unternehmen nach dem Stand ihrer jeweiligen Brexit-Vorbereitungen, in Prozent

Quelle: IW Consult, 2019, Unternehmensbefragung “Brexit NRW”, Datenstand: 16.01.2019.

Gar nicht, da der Brexit kein Thema für uns ist.

23%

Bislang noch nicht, der Brexit ist aber relevant für uns.

9%

Brexit-Vorbereitungen sind bereits angelaufen.68%

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

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4.6 Brexit-Vorbereitungen im Detail

Unsichere Brexit-Szenarien verhindern effiziente Vorbereitung der NRW-Unternehmen auf den Brexit

Der Eigenbewertung des grundsätzlichen Vorberei-tungsstandes auf den Brexit folgt eine konkrete Ab-frage der bereits umgesetzten Vorbereitungsmaßnah-men. Die einzelnen Maßnahmen bzw. Schritte zur Vor-bereitung auf den Brexit lassen sich dabei auf einem Kontinuum von „Informieren / Analysieren“ bis hin zu „Aktion / Gestalten“ einordnen. Insbesondere in der grafischen Darstellung fällt sofort auf, dass bislang nur vergleichsweise wenige Unternehmen den Schritt von der zweiten zur dritten Maßnahme gemacht haben.

Dieser Umstand kann aber schlüssig durch das politi-sche Chaos erklärt werden, das im derzeitigen Brexit-

Prozess herrscht: Solange auf politischer Ebene nicht entschieden wurde, ob es nun einen geregelten oder ungeregelten Brexit geben wird bzw. ob der Brexit überhaupt kommt (wenn ja: wann?), ist auch die Imple-mentierung spezifischer Maßnahmen für die Unterneh-men nicht möglich.

Die Einleitung konkreter unternehmerischer Vorberei-tungsmaßnahmen erfordert Transparenz hinsichtlich des weiteren Brexit-Verfahrens, die aber angesichts der immer noch bzw. immer weiter verfahrenen politi-schen Gemengelage für die NRW-Wirtschaft eher ge-ringer als größer wird.

Abbildung 4-6 Brexit-Vorbereitungen im Detail Anteil der Unternehmen mit bereits gestarteten Brexit-Vorbereitungs-Maßnahmen nach Kategorien, in Prozent aller Unter-

nehmen

Quelle: IW Consult, 2019, Unternehmensbefragung “Brexit NRW”, Datenstand: 16.01.2019.

36%

41%

9%

3%

11%

7%

0% 25% 50%

Wir haben uns bislang über die Grundzügedes Brexit informiert.

Wir haben uns bereits gut informiert undhaben die Folgen des Brexit für unser

Unternehmen abgeschätzt.

Wir haben Arbeitsgruppen eingerichtet, umdie Folgen eines Brexit für unser

Unternehmen detailliert zu analysieren.

Wir haben uns mit externen Beraternausgetauscht und Gutachten eingeholt.

Wir sind strategisch auf unterschiedlicheBrexit-Szenarien vorbereitet.

Wir haben bereits vorbereitendeMaßnahmen ergriffen und unsere Strategie

an mögliche Brexit-Szenarien angepasst.

Informieren / Analysieren

Aktion / Gestalten

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Unternehmensbefragung

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4.7 Vorbereitungsstand in Brexit-Problembereichen

Zollwesen und Wechselkurseffekte sind die wichtigsten Brexit-Problembereiche für die NRW-Wirtschaft

Die Unternehmen wurden ebenso danach gefragt, in welchen konkreten Problembereichen sie besonders stark vom Brexit betroffen sind und wie der eigene Vor-bereitungsstand im jeweiligen Bereich ist. Aus diesen Angaben lässt sich eine (absteigend sortierte) Liste der besonders relevanten Brexit-Problembereiche erstellen. Insbesondere das Zollwesen und Wechselkursschwan-kungen scheinen für die befragten NRW-Unternehmen eine vergleichsweise hohe Bedeutung zu haben.

Da die befragten NRW-Unternehmer für jeden Problem-bereich außerdem angeben sollten, für wie gut sie den eigenen Stand der Brexit-Vorbereitungen in diesem Be-reich selbst bewerten, zeigt sich aber auch: Gerade in den wichtigsten Problembereichen ist der Vorberei-tungsstand der Unternehmen am höchsten – wenn auch sicher noch nicht für alle denkbaren Brexit-Szenarien

ausreichend. Am jeweiligen Stand der Vorbereitungs-maßnahmen lässt sich zudem eine klare Priorisierung der Brexit-Vorbereitungsmaßnahmen erkennen: Je marktnäher diese sind, desto mehr haben die Unterneh-men bereits in diesen Bereich zur Brexit-Absicherung in-vestiert. Die Experteninterviews des letzten Kapitels hal-ten hier eindrucksvolle Beispiele aus der betrieblichen Praxis bereit.

Zusammenfassend ist aber trotzdem festzuhalten, dass der Vorbereitungsstand auch in den wichtigsten Prob-lembereichen größtenteils als „eher unzureichend“ ein-gestuft wird. Auch diese doch sehr pessimistische Be-wertung dürfte maßgeblich auf die immer noch beste-hende Unsicherheit hinsichtlich der konkreten Brexit-Konditionen zurückzuführen sein.

Abbildung 4-7 Brexit-Problembereiche Mittlere Punktwerte von 1 Punkt (keine Vorbereitung bzw. keine Betroffenheit) bis 10 Punkte (sehr gute Vorbereitung bzw.

sehr starke Betroffenheit), nur Unternehmen mit VK-Geschäft, absteigend sortiert nach Stärke der Betroffenheit

Quelle: IW Consult, 2019, Unternehmensbefragung “Brexit NRW”, Datenstand: 16.01.2019.

5,7 5,5

5,04,7 4,4 4,1 3,8

3,42,9

2,3

5,14,4 4,2 4,2 4,1 4,1

5,04,2 4,5 4,3

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Stärke der Betroffenheit

Stand der Vorbereitungen

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

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5 Design Thinking-Workshop

Am 23.11.2018 trafen sich insgesamt 13 Brexit-Fachexperten, um in einem eintägigen Design Thinking-Workshop unter Anleitung von drei IW-Design Thinking-Coaches innovative Szenarien in Bezug auf den an-stehenden Brexit durchzuspielen.

Abbildung 5-1 Design Thinking-Prozess im Überblick

Quelle: eigene Darstellung IW Consult

Design Thinking ist ein Ansatz, der zum Lösen von kom-plexen Problemen und zur Entwicklung innovativer Lö-sungen genutzt wird. Das Design Thinking bedient sich

dabei unterschiedlicher Brainstorming- und Kreativi-tätstechniken. Diese werden in einem sechsstufigen Prozess (siehe Abbildung) systematisch eingesetzt, um zunächst die Bedürfnisse des Nutzers zu identifizieren

4Dr. Thomas Schleiermacher / IW Consult GmbH / 27.11.2018

Chancen und Risiken

identifizieren

Chancen ergreifen u. Risiken vermeiden

Empathie-Phase Ideen-Phase

Durch Personas

Betroffene Unternehmen „greifbar“ machen

Prototypen erstellen und präsentieren

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Design Thinking-Workshop

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(Module 1 bis 3) und darauf aufbauend eine Lösungs-idee zu entwickeln, die im Rahmen des „Testens“ dem Nutzer in Gestalt eines Prototypen zur Bewertung vor-gelegt wird (Module 4 – 6).

Grundlegende Erläuterungen zur Struktur von Design Thinking-Workshops und erste Ergebnisse aus der pa-rallel laufenden Brexit-Unternehmensbefragung bilde-ten den Einstieg in den Workshoptag und zugleich eine erste ungefilterte Konfrontation mit der "Zielgruppe NRW-Unternehmen", für die im Rahmen des Work-shops

konkrete Lösungen zur Vermeidung von (wahr-scheinlichen) Risiken des Brexit sowie

Instrumente für die Nutzung der sich aus dem Brexit ergebende Chancen

erarbeitet werden sollten. Dieser Arbeitsauftrag wurde den Teilnehmern in Gestalt der Challenge vorgegeben.

Die Design Thinking Methode bot bei der anschließen-den Gruppenarbeit die notwendige Struktur für zielge-richtetes Arbeiten: In jeder der drei Teilnehmer-Grup-pen wurden nach einer Charette (Nutzer, Situation, Be-dürfnis) zwei Unternehmens-Personas entwickelt.

Abbildung 5-2 Brexit-Charette Beispielhafte Gruppenarbeit zu Nutzer, Situation, Bedürfnis

Quelle: eigene Darstellung IW Consult

Abbildung 5-3 Brexit-Ideensammlung Beispielhafte Chancen nutzen/Risiken vermeiden-Sammlung

Quelle: eigene Darstellung IW Consult

Solche Personas dienen der Fokussierung aller Grup-penmitglieder auf konkrete Unternehmenstypen statt auf eine vergleichsweise unspezifische Zielgruppe "Wirtschaft in NRW". Aus Perspektive dieser beiden Beispiel-Unternehmen wurden anschließend durch die "Intelligenz der Gruppe" möglichst vielfältige Chancen und Risiken des Brexit identifiziert, systematisiert und priorisiert.

Aus diesem sehr detaillierten Problemverständnis wur-den dann im Rahmen der zweiten Workshop-Hälfte konkrete Maßnahmen für die identifizierten Chancen-Nutzung bzw. Risiken-Vermeidung entwickelt. Auch hier wurde wieder dem Design Thinking-Prinzip gefolgt, durch das sich aus sehr vielen - vermeintlich wahllos ge-sammelten - Ideen relativ einfach einige (wenige) gute Ideen entwickeln lassen, statt die ganze Energie auf die detaillierte Ausarbeitung der "einen einzigen Idee" zu verwenden – die dann ggf. in der Bewertung der Ziel-gruppe durchfällt.

Die gesammelten Ideen wurden anschließend in einen einzigen "Prototypen" überführt. Interessant ist an die-ser Stelle, dass alle drei Gruppen - die unabhängig von-einander in unterschiedlichen Räumen ihre jeweiligen Prototypen entwickelt haben - den Bereich der Mitar-beitergewinnung für die NRW Unternehmen in den Mittelpunkt ihrer jeweiligen Prototypen gestellt ha-ben. Die konkreten Schwerpunkte der entwickelten Prototypen waren dabei aber durchaus unterschied-lich:

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

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NRW - New Residents Welcome (Gruppe 1)

Gruppe 1 setzt vor allem auf Social Media, um bei den benötigten Fachkräften Werbung für den Arbeitsort NRW zu machen.

Ein Beispiel-Unternehmen ist Thomy, gegründet 1920 und Marktführer. Thomy sitzt mit 120 Mitarbeitern in Neuss. Außerdem wird die britische Steuerberatungs-kanzlei Miller, Smith & Johnson herangezogen, die seit 1992 in Düsseldorf sitzt und Kunden bei der internatio-nalen Steueroptimierung berät. Ein spezielles Problem ist die Frage, ob das Unternehmen mit einer britischen Steuerberatungslizenz nach dem Brexit weiterhin in Deutschland tätig sein kann. Das Unternehmen sieht aber auch Chancen in der Auseinanderentwicklung von EU und UK, weil so eine größere Unabhängigkeit vom Mutterkonzern entsteht. Beide Unternehmen sind vom Brexit in Bezug auf Fachkräfte betroffen.

Deswegen hat die Gruppe eine Kampagne für das Land NRW entwickelt, die Fachkräfte für NRW anwerben soll. Zielgruppe sind Fachkräfte aus dem europäischen Ausland, z. B. aus Polen oder Spanien, die im Vereinig-ten Königreich tätig sind oder dies planen. Die Kam-pagne, die unter dem Motto „New Residents Wanted“ steht, soll auf allen Kanälen im Netz laufen, sowohl auf Englisch als auch in den Muttersprachen der Zielgrup-pen. Außerdem soll es Präsenz auf Jobmessen und an-deren Veranstaltungen geben. Ein Best Practice-Bot-schafter könnte ein Sportler á la Lukas Podolski sein.

Das Ausbildungs-Boot (Gruppe 2)

Gruppe 2 will insbesondere die Sprachbarriere "Deutsch" im Rahmen der Berufsausbildung senken.

Ohne prototypische Unternehmen hat diese Gruppe ein Konzept für ein „Ausbildungsboot“ entwickelt. Das beispielhafte Berufsfeld sind Mechatroniker. Unter der Regie der IHKs soll sich das Ausbildungsboot des durch den Brexit ausgelösten Fachkräftemangels annehmen. Zielgruppe sind Fachkräfte, die schon in UK arbeiten.

Ein weiterer Vorschlag ist, den theoretischen Teil der dualen Ausbildung auf Englisch anzubieten. Dies könn-ten ebenfalls die IHKs übernehmen.

One-Stop-Shop Brexit (Gruppe 3)

Gruppe 3 setzt auf die bewusst "offline" ausgerichtete Vernetzung aller Akteuren von A wie Außenhandels-kammern bis Z wie Zoll.

Die dritte Gruppe hat zwei fiktive Unternehmen kon-struiert, die vom Brexit stark betroffen sind, aber zu klein sind, um das Problem vollkommen eigenständig zu bewältigen. „Haken und Ösen“ ist im Sauerland nie-dergelassen und in der Metallbe- und -verarbeitung tä-tig. Von 117 Mitarbeitern sind 15 international tätig, davon drei in UK. Die Exportquote beträgt 18,5% und UK ist einer der wichtigsten Märkte. „Rhein Logistik“ sitzt mit 250 Mitarbeitern in Düsseldorf. Es ist im Be-reich Speziallogistik für Automotive tätig und vollstän-dig auf den britischen Markt ausgerichtet.

Die Gruppe hat ein Konzept für einen „One Stop Shop Brexit“ entwickelt. Dieser soll ein physischer Anlauf-punkt für vom Brexit betroffene Unternehmen sein, an-gesiedelt am Duisburger Hafen. Der One Stop Shop soll mit allen relevanten Akteuren vernetzt sein, die im Be-reich Brexit zuständig sind. Das sind u. a. der Zoll, das Land NRW, AHK, HWK, IHK, TÜV. Dadurch können alle Fragen von Unternehmen bezüglich des Brexit zentral beantwortet werden, ohne von einem Ansprechpart-ner zum nächsten weitergeleitet zu werden. Idealer-weise befindet sich zum Beispiel die Zolldirektion im gleichen Gebäude, um Entscheidungskompetenzen vor Ort zu haben. Der One Stop Shop könnte dabei den er-warteten Wettbewerb zwischen den Bundesländern anregen und ein Hub für Westdeutschland bilden.

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Experteninterviews

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6 Experten-interviews

Neben einer Charakterisierung der NRW-Wirtschaft wurden im vorliegenden Studien-Projekt eine Unternehmensbefragung und ein Design-Thinking-Workshop mit Brexit-FachexpertInnen durchgeführt. Durch die sich anschließenden Experteninterviews mit Unternehmensvertretern und institutionellen Akteuren werden die im Projektverlauf gesammelten Informationen nochmals kritisch hinterfragt und mit Beispielen aus der betrieblichen Praxis angereichert.

6.1 Wie haben Sie sich auf den Brexit vorbereitet?

Im Rahmen der Expertengespräche wurde der Frage nach den individuellen Vorbereitungen auf den Brexit hohe Priorität geschenkt. Zusammenfassend zeigte sich in (fast) allen Gesprächen, dass alle notwendigen vorbereitenden Maßnahmen bereits weit im Vorfeld – oftmals in zeitlicher Nähe zum Brexit-Referendum 2016 – eingeleitet wurden. Solide kaufmännische Grundlagen, etwa im Bereich des Controllings, und die Bereitschaft, sich flexibel an neue Rahmenbedingungen anzupassen, scheinen dabei zentrale Erfolgsfaktoren, um für ein wie auch immer geartetes Brexit-Szenario gut gerüstet zu sein.

Britische Produktionsstätte schrittweise geschlossen, Absatz- und Beschaffungsseite konsolidiert

BIW ergriff bereits vor dem Referendum im Juni 2016 tiefgreifende Maßnahmen, um die negativen Folgen des möglichen Brexit für das Unternehmen abzuschwä-chen. So wurde die Produktion in einem britischen Be-trieb, den BIW vor einigen Jahren übernommen hatte, schrittweise zurückgefahren. Als das Brexit-Referen-dum konkreter wurde, wurde der Betrieb vollständig geschlossen und die Produktion an andere Standorte verlagert. Neben dem drohenden Brexit gab es zwar noch weitere Faktoren, die die Zusammenarbeit zwi-

schen der deutschen Muttergesellschaft und der briti-schen Niederlassung beeinträchtigten, ausschlagge-bend für die Standortschließung war jedoch der Brexit.

Nach dem Referendum wurden weitere Maßnahmen eingeleitet, um die Abhängigkeit des Unternehmens vom britischen Markt zu reduzieren. BIW-Geschäfts-führer Stoffels erklärt die Hintergründe: „Ich gehe nach wie vor davon aus, dass es einen ungeregelten Brexit geben wird und dann möchte ich nicht mehr von ir-gendwelchen britischen Geschäften abhängig sein.“ Auf der Kundenseite wurden zunächst diejenigen Un-ternehmen identifiziert, die nennenswerte Umsätze ge-nerierten. Der Kreis der relevanten Kunden konnte so auf rund 20 Unternehmen eingegrenzt werden. Eine weitere Analyse ergab, dass diese Kunden größtenteils

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

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nicht-britischen Unternehmensgruppen angehörten. Diese Kunden sind laut Stoffels in der Regel unproble-matisch, da sie auch über ihre nicht-britische Niederlas-sungen beliefert werden können. Mit den britischen Kunden wurden vorgezogene Lieferungen und garan-tierte Abnahmen vereinbart. Gleichzeitig wurde der Be-zug von Vorleistungen aus britischer Produktion redu-ziert, indem auf nicht-britische Lieferanten ausgewi-chen wurde. Kostensteigerungen wurden dabei be-wusst in Kauf genommen. Mittlerweile hat BIW alle wichtigen Lieferanten aus dem Vereinigten Königreich durch Unternehmen aus anderen Ländern ersetzt.

Brexit wie andere Unternehmensrisiken behandelt

Crespel & Deiters behandelt den Brexit laut Compliance Manager Dr. Blaha grundsätzlich analog zu sonstigen Unternehmensrisiken. Dementsprechend wurde auch zur Abschätzung der Brexit-Folgen das „klassische“ In-strumentarium der Risikoanalyse eingesetzt. Zunächst wurde untersucht, wie sich der Brexit auf die verschie-denen Stufen der Lieferkette und die internen Prozesse auswirken würde.

Die interne Risikoanalyse wurde von einer Task Force koordiniert, in die neben der Management-Ebene auch Einkauf und Vertrieb eingebunden waren. Die Task Force konnte in weiten Teilen auf bestehende Struktu-ren zur Prozessanalyse (insbesondere ein gut funktio-nierendes ERP-System) und bereits vorliegende Pro-zessbeschreibungen zurückgreifen.

Laut Dr. Blaha ging die Task Force vor dem Hintergrund des unklaren Ausgangs der Brexit-Verhandlungen stets vom Eintritt des „Worst Case“ aus: „Als Risikomanager muss ich den Worst Case annehmen. Nach heutigem Stand ist das Vereinigte Königreich ab dem 29. März 2019 ein Drittland. Und darauf müssen wir vorbereitet sein.“ Kleine und mittelständische Unternehmen, die den Eintritt des Brexit anzweifeln und keine Maßnah-men ergreifen, kann Dr. Blaha aus Sicht des Risikoma-nagements nicht verstehen: „Das ist extrem leichtfer-tig, eine komplette Ignoranz der Tatsachen.“

London Drehscheibe für den europäischen Vertrieb abgelöst

Die GfG ist laut Geschäftsführer Hübner in Großbritan-nien eng in lokale Branchennetzwerke eingebunden. So ist man unter anderem Mitglied im Branchenverband CoGDEM, dem Council of Gas Detection and Environ-mental Monitoring. Seit 2006 gibt es eine Niederlas-sung der GfG in Großbritannien. Ursprünglich wurden von dort aus neben den britischen Kunden auch zent-rale Märkte in Süd- und Südosteuropa, Skandinavien und dem Baltikum beliefert. Zudem war der Support für diese Länder über den Standort im Nordosten Londons organisiert. Den Ausschlag bei der Standortwahl gab 2006 die Nähe der Niederlassung zum Flughafen Lon-don-Stansted und die entsprechend gute Erreichbarkeit der europäischen Kunden. Schon allein aufgrund dieses länderübergreifend organisierten Vertriebsmodells sah sich die GfG in besonderem Maße vom Brexit betroffen. Eine Lieferkette, die von Deutschland aus über London zurück in die EU führt, macht in Zeiten unsicherer Han-delsverträge und Zollvorschriften wenig Sinn.

Durch die intensiven Kontakte nach Großbritannien wurde man bei der GfG bereits früh auf die wachsende Unterstützung im Vereinigten Königreich für einen EU-Austritt aufmerksam. Bereits 12 Monate vor dem ei-gentlichen Brexit-Referendum setzte man sich bei der GfG daher bewusst mit den möglichen Risiken ausei-nander.

Diese Risikoanalyse fiel in eine Zeit, als das Unterneh-men auch unabhängig von der Brexit-Thematik eine Re-Evaluierung der Vertriebs- und Lieferstruktur vornahm. Das Ergebnis des Brexit-Referendums war einen zusätz-lichen Impuls, die Pläne zur Umstrukturierung in die Tat umzusetzen. Inzwischen erfolgt die Belieferung euro-päischer und internationaler Kunden entweder über das in den letzten Jahren weiter ausgebaute Netz nati-onaler Vertriebsniederlassungen (Niederlande, Schweiz, Polen und Frankreich) oder über das interna-tionale Vertriebsteam am Stammsitz in Dortmund.

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Experteninterviews

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Brexit mindert Wachstumschancen

Im Gegensatz zu anderen Branchen ist das Bauwesen nur in geringem Maße international ausgerichtet. Da die Bauteile vorwiegend in Deutschland produziert und kaum Vorleistungen aus dem Ausland bezogen werden, konzentrieren sich die Außenhandelsverflechtungen von Goldbeck auf die Absatzseite. Das Geschäft im VK konzentriert sich vor allem auf den Bau von Parkhäu-sern, da aufgrund der anhaltenden Deindustrialisierung die Nachfrage nach industriell nutzbaren Objekten (zum Beispiel Lagerhallen) gering ist. Der Marktanteil von Goldbeck im Bereich schlüsselfertiger Parkhäuser liegt im VK bei etwa 30 Prozent (Deutschland: > 50 %). Die Aktivitäten im VK machen derzeit zwar nur etwa drei Prozent des Gesamtumsatzes aus, der dortige Markt für schlüsselfertige Parkhäuser gilt jedoch als Wachstumsmarkt.

Nach dem Brexit-Referendum im Juni 2016 versuchte Goldbeck zunächst, zu einer besseren Abschätzung der Risiken zu gelangen. Die Informationen waren aus Sicht von Geschäftsführer Uwe Brackmann jedoch teilweise widersprüchlich und deshalb wenig hilfreich. Infolge-dessen wurde eine interne Abschätzung der möglichen Folgen vorgenommen. Dabei wurden zwei Fragen iden-tifiziert, die für Goldbeck besonders relevant erschie-nen:

Zölle: Auf welche Bauteile werden Zölle fällig? Wie hoch werden die zusätzlichen Kosten ausfallen?

Montage: Inwiefern können Fachkräfte weiterhin zur Montage in das VK entsandt werden?

Darüber hinaus wurden zwei Handlungsoptionen für den Brexit-Fall durchgespielt, die die Extrempunkte des Alternativenraums darstellen:

Reduzierung des VK-Geschäfts, im Extremfall Schließung der dortigen Niederlassung

Aufbau einer eigenen Produktion im VK

Brexit ist kein Grund zur „Panik“ – Vorratshaltung dennoch ausgeweitet

Aufgrund des starken Engagements im VK stellte sich für pfm medical nach dem Brexit-Referendum im Juni 2016 akut die Frage nach den möglichen Auswirkungen auf das Unternehmen. „Ich sehe das ehrlich gesagt aus zwei Gründen ganz gelassen“, beschreibt Vorstands-vorsitzender Aurel Schoeller seine erste Reaktion auf das Brexit-Referendum, „und dabei ist es eigentlich auch bis heute geblieben.“

Zum einen sei pfm medical im VK seit Jahren etabliert und eine rechtlich selbständige britische Tochtergesell-schaft. Das Unternehmen habe darüber hinaus beim NHS eine gute Reputation. Zum anderen spielt dem Un-ternehmen laut Schoeller die starke Auslandsabhängig-keit des VK in die Karten. Trotz der Vielzahl an briti-schen Unternehmen im Medizintechnikbereich werde sich das Land nicht aus eigener Kraft versorgen können. Der Staat wird nach Einschätzung Schoellers alles dafür tun, um die medizinische Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten – notfalls auch mit Hilfe von Sonder-erlassen.

Möglichen Problemen im operativen Bereich sieht pfm medical ebenfalls gelassen entgegen, da das Unter-nehmen über eine langjährige Expertise im internatio-nalen Umfeld verfügt. „Auf neue Logistikketten sind wir schon vorbereitet“, erklärt Schoeller. Durch den Brexit könne zwar zusätzlicher administrativer Aufwand ent-stehen, doch das notwendige Knowhow sei bereits vor-handen.

Auch wenn pfm medical die eigene Brexit-Betroffenheit eher als gering einschätzt, wurden nach dem Brexit-Re-ferendum Vorkehrungen getroffen: Das Unternehmen erweiterte seine Lagerkapazitäten und steigerte die Vorratshaltung. So wird zwar ein gewisses Bestandsri-siko in Kauf genommen, gleichzeitig wird jedoch die Lie-ferfähigkeit für mehrere Monate sichergestellt. Schoel-ler geht davon aus, den gesamten Lagerbestand auch tatsächlich absetzen zu können. Es könne zunächst bei der Einfuhr von Nachschubprobleme geben, doch mit großer Sicherheit könne mit dem Bestandsaufbau auch diese begrenzte Zeit überbrückt werden.

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

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Geringe direkte Betroffenheit – Standortchancen für NRW

Bei der HSBC Deutschland hat sich die Frage der Vorbe-reitung nicht mit der Dringlichkeit gestellt, wie sie mög-licherweise bei anderen Banken notwendig ist. Grund: Die HSBC ist auf dem europäischen Kontinent mit eigenen Banken mit jeweils eigenen Bilanzsummen und den nationalen Aufsichten verankert. Auch bezüg-lich des personellen Austauschs zwischen HSBC Deutschland und der Londoner HSBC-Holding gibt es keine Befürchtungen nach einem Brexit. Dazu ist einer-seits der zahlenmäßige Umfang zu gering, andererseits handelt es sich meist um Arbeitserlaubnisse für ein Jahr. Geschäftsteile, die statt wie bisher in London zu-künftig auf dem Kontinent getätigt werden müssten, werden nach Paris verlagert und betreffen somit auch nicht die deutsche Bankeinheit. Aufsichtsratsvorsitzen-der Schmitz fasst die Situation so zusammen: „Als Bank betrifft uns der Brexit aus organisatorischer Sicht zu-nächst null.“

Der Brexit kommt jedoch auf die Bank auf der Risiko-seite zu: Dann nämlich, wenn ein Kunde der HSBC Deutschland durch sein bisheriges starkes Engagement im Vereinigten Königreich, durch Zollabgaben oder durch das Zerschlagen der Wertschöpfungskette seine Wettbewerbsfähigkeit verliert bzw. diese beeinträch-tigt wird.

Ein anderer Aspekt ist das umfangreiche Euro-Clearing, das bisher hauptsächlich in London stattfindet. Sollten die EZB, die Deutsche Börse u. a. entscheiden, dass das Euro-Clearing nicht mehr in London, sondern in Frank-furt/Main angesiedelt werden sollte, dann würden Ar-beitsplätze im Bereich Compliance, Legal, Advisory und Tax in einer möglichen Größenordnung von 2.000 bis 3.000 Beschäftigten entstehen sowie entsprechendes Kapital nach Deutschland fließen. Problematisch könnte dabei der Mangel an Fachkräften sein.

Auswirkungen eines Brexits frühzeitig untersucht

Im Herbst 2017 kam das Unternehmen META Regalbau das erste Mal im Rahmen eines Händlertreffens im VK mit dem Thema Brexit näher in Kontakt. Zu diesem Zeit-punkt war noch nicht absehbar, welche konkreten Fol-gen der Brexit haben könnte. Doch schon wenige Mo-nate später, seit Anfang 2018, setzte sich META Regal-bau intensiver damit auseinander und analysierte, an welchen Stellen das Unternehmen von einem Brexit be-troffen sein könnte.

Dabei wurde z. B. untersucht, welcher Mehraufwand bei der Abwicklung des Versands von Deutschland aus in Arnsberg, aber auch im VK entstehen würde. Parallel ging es um rechtliche Fragen: Wie sieht es mit dem Markenschutz aus, wie mit der Normung? Gelten die technischen Normen, nach denen sich das Unterneh-men in Deutschland richtet, auch noch nach dem Brexit im VK oder werden diese verändert? Ein Thema konnte schnell abgehandelt werden: Da die Tochtergesell-schaft im VK eine Gesellschaft nach britischem Recht ist, gab es bezüglich deren möglicher zukünftiger Rechtsform keine Fragen.

Die oben kurz skizzierten Punkte wurden dann detail-liert auf das Unternehmen META Regalbau herunterge-brochen. Dabei wurde festgestellt, dass in Arnsberg durch die Erstellung von Exportpapieren nur ein Mini-malaufwand wie bei einem Drittlandsgeschäft entste-hen würde. Dieser Mehraufwand, so Hans-Jürgen Korth, International Sales Director und Geschäftsführer von META UK, liegt bei ca. 25 Minuten für die Bearbei-tung der Papiere. Auch die Frage nach möglicherweise veränderten Markenschutzrechte konnte dahingehend beantwortet werden, dass es zunächst keine Änderun-gen geben würde und META Regalbau höchstens die Marken im VK mit geringem finanziellen Aufwand nochmals neu anmelden müsste. Bezüglich der Nor-mung bzw. technischer Daten gibt es für META Regal-bau ebenfalls keine größeren Veränderungen, da die britischen Normen sehr stark Einfluss auf die EU-Nor-men genommen haben.

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Experteninterviews

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6.2 Gibt es Empfehlungen zum Brexit, die Sie den NRW-Unternehmen mit auf den Weg geben möchten?

Um andere Unternehmen in NRW möglichst effizient in ihren jeweiligen Brexit-Vorbereitungen zu unterstützen, wurden die Fachexperten ebenfalls nach Ihren individuellen Erfahrungen in diesem Themenfeld befragt. Hier sind zwar branchenspezifische Besonderheiten in Rechnung zu stellen. Dennoch erlauben diese Tipps aus der betrieblichen Praxis auch branchenfremden Unternehmen einen schnellen Abgleich mit dem eigenen Stand der Brexit-Vorbereitung und geben ggf. Anregungen, welche zusätzlichen Maßnahmen sich in den jeweiligen Brexit-Szenarien als sinnvoll erweisen könnten.

.

Wirtschaft muss schnell und konsequent handeln

Als Präsident der südwestfälischen IHK rät Stoffels Un-ternehmen im Hinblick auf den möglichen Brexit, schnell und konsequent zu handeln. Unternehmen soll-ten nach Stoffels Auffassung „nicht warten, sondern so-fort reagieren und das knallhart und rigoros und nicht auf irgendetwas hoffen, das sowieso anders kommt.“ Analog zum Vorgehen von BIW empfiehlt er mehrere Maßnahmen.

Tipp 1: neue Absatzmärkte erschließen

Unternehmen sollten zunächst analysieren, welche Kunden im VK sitzen, welchen Umsatzbeitrag sie leisten und wie sich ein ungeordneter Brexit auf die Geschäfts-beziehung zu diesen Kunden auswirken würde. Darauf aufbauend sollte eine individuelle Strategie zur Gegen-steuerung entwickelt werden. Falls der Brexit zum Ver-lust britischer Kunden führen würde, muss ein Unter-nehmen Maßnahmen ergreifen, um diesen Verlust zu kompensieren. Hier sollte die Erschließung neuer Ab-satzmärkte im Vordergrund stehen. Stoffels rät in die-sem Zusammenhang: „Man sollte nicht versuchen, das Geschäft mit den britischen Kunden um jeden Preis zu retten, sondern ich würde als erstes gucken: Was ma-chen die mit meinem Produkt? In welcher Branche sind sie tätig? Und wer sind deren Wettbewerber außerhalb von Europa?“ Eine wirksame Maßnahme könne darin bestehen, die nicht-britischen Wettbewerber der bis-herigen Kunden im VK zu identifizieren und eine Belie-ferung dieser Unternehmen anzustreben.

Tipp 2: neue Lieferanten identifizieren

Auch auf der Beschaffungsseite sollten sich Unterneh-men unter den Wettbewerbern der derzeitigen briti-schen Zulieferer umsehen, um alternative Zulieferer außerhalb des VKs zu identifizieren. Verfügen die Liefe-ranten über mehrere Niederlassungen, kann auch um die Belieferung durch eine nicht-britische Niederlas-sung gebeten werden.

Aus Stoffels Sicht ist die Rolle des VK im Internationali-sierungsprozess insgesamt nicht ausschlaggebend. Ins-besondere Mittelständler sollten die Strategie verfol-gen, neue Branchen und Märkte zu erschließen, anstatt (erfolglos) zu versuchen, das Geschäft mit Kunden und Lieferanten aus dem VK aufrechtzuerhalten. BIW hat zum Beispiel ein Werk in China errichtet, dessen Eröff-nung für 2019 geplant ist.

Prozessdokumentation als Asset im Krisenfall

Der Brexit gefährdet insbesondere auf der Absatzseite die Unternehmensziele von Crespel & Deiters. Nichts-destotrotz geht das Unternehmen davon aus, dank der beschriebenen Maßnahmen gut auf den Brexit vorbe-reitet zu sein.

Aus Sicht von Dr. Blaha basiert diese Einschätzung auf folgenden Faktoren:

Crespel & Deiters verfügt über ein gut funktionie-rendes ERP-System. Bereits vor dem Brexit-Refe-rendum im Jahr 2016 wurden die internen Pro-

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zesse umfangreich dokumentiert. Die interne Risi-koanalyse konnte auf diesem Fundament auf-bauen.

Das Unternehmen verfügt über die notwendige Expertise in den Bereichen Außenhandel und Lo-gistik, um zum einen die Auswirkungen des Brexit genauer abschätzen zu können (zum Beispiel Ab-wicklung von Ausfuhren) und um zum anderen wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen zu können (zum Beispiel vorausschauender Aufbau des Lager-bestands beim Kunden).

Normungs- und Zertifizierungswesen mit Risikopotential

Als konkretes Beispiel für die mit dem Brexit verbunde-nen Probleme führt Hübner das Normungs- und Zertifi-zierungswesen am Beispiel der Gasmesstechnik an. Bis-lang gilt, dass Messgeräte der GfG in allen EU-Ländern zertifiziert werden können. Die jeweilige nationale Zer-tifizierung wird dann EU-weit anerkannt.

Sollte das Vereinigte Königreich die Europäische Union ohne Austrittsabkommen verlassen, würden Zertifikate britischer Institute in den übrigen 27 EU-Mitgliedstaa-ten ihre Gültigkeit verlieren und dürften in der EU nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Heute über VK-Zer-tifikate in der EU zugelassene Produkte müssten dann womöglich in einem EU-Land erneut zertifiziert wer-den. Auch bei der Frage der weiteren Verwendung von Komponenten und Baugruppen britischer Hersteller sei die Frage der Zertifizierung bislang ungeklärt. Umge-kehrt gilt dasselbe. Auch die Produkte aus Dortmund müssten für den Export ins Königreich dann eine neue, britische Zulassung bekommen, was unnötige Mehr-kosten für das Unternehmen und Verzögerungen für die Kunden bedeuten würde.

Unternehmen agieren zurück-haltend – Standortmarketing sollte intensiviert werden

Große Unternehmen wie BMW oder andere bereiten sich stabsmäßig auf den Brexit vor. Das betrifft z. B. die Bereitstellung von Transport- oder auch Lagerkapazitä-ten. Viele der kleinen und mittleren Unternehmen un-terschätzen jedoch die konkreten praktischen Auswir-

kungen bzw. Probleme, die durch den Brexit auf sie zu-kommen. So muss möglicherweise ab dem 29. März 2019 plötzlich eine Zollerklärung abgegeben werden, ohne zu wissen, dass man sich dazu als Unternehmen erst einmal beim Zoll registrieren lassen muss. Die Un-ternehmen nehmen angesichts der unklaren Entschei-dungssituation eine eher abwartende Haltung ein. Ins-besondere Investitionsentscheidungen werden zur Zeit auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Dennoch sieht Schmitz die Situation eher positiv: „Risiken und Chancen gehen immer Hand in Hand“: Nicht die Augen vor den Risiken verschließen, und immer sehen, dass aus Risiken auch Chancen erwachsen können – „wenn wir es denn richtig machen“.

Aus Sicht von Schmitz sind verschiedene Möglichkeiten denkbar, um NRW, das Rheinland, aber auch Düssel-dorf in London oder im VK bekannter zu machen. Die alleinige Vermarktung von Düsseldorf in London wäre aber nicht zielführend, sondern sollte in den Kontext Rheinland eingebunden werden – Köln und Düsseldorf zusammen würden eine bessere Wirkung erzielen. Schmitz weist in diesem Zusammenhang auf die ratio-nale Vorgehensweise von Unternehmen hin, die auf Standortsuche sind. Kosten sind – neben der Größe und Nähe des Absatzmarktes – der wichtigste Faktor, ge-folgt von der Ausstattung einer Region mit qualifizier-ten Arbeitskräften sowie zur Verfügung stehenden Flä-chen.

Prioritätenliste für „Kurzentschlossene“

Für Unternehmen, die bisher noch nicht aktiv gewor-den sind, schlägt Korth eine Prioritätenliste vor. „Wer bis jetzt noch keinen Aktionsplan hat: Nun ist es aller-höchste Zeit!“ Wenn im VK eine eigene Gesellschaft besteht: Prü-

fen, nach welchem Recht sie gegründet worden ist.

Situation der Markenschutz- und Patentrechte prüfen, insbesondere für Hersteller im Konsumgü-terbereich.

Wenn es um technische Güter geht: Prüfung der zukünftigen technischen Vorschriften.

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Appendix

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7 Appendix 7.1 Methodik: IW Regional Similarity-Index

Um die Wirtschaftsstruktur von NRW und dem VK auch auf regionaler Ebene vergleichen zu können, wurde für jede Region der Grad der „Ähnlichkeit“ zu den übrigen Regionen in NRW und im VK bestimmt. Dabei gilt: Je höher der Index, desto ähnlicher sind die Regionen. Der Index ist standardisiert auf einen Wertebereich von 0 bis 100 Punkten mit Mittelwert 50.

Ab einem Wert von etwa 75 Punkten sind sich zwei Re-gionen hinreichend ähnlich, um diese gut miteinander vergleichen zu können. Das entspricht zum Beispiel dem Wert des IW Regional Similarity-Index für die Re-gionen Niederrhein und Ost-Westfalen-Lippe. Jedoch können auch niedrigere Werte auf interessante Refe-renzregionen hinweisen, zum Beispiel wenn eine NRW-Region einer VK-Region in vielen Bereichen ähnlich ist, die Produktivität in der NRW-Region aber deutlich hö-her liegt. Die „Ähnlichkeit“ der beiden Regionen wäre in diesem Fall geringer, der potenzielle Mehrwert wer-bender Maßnahmen in der entsprechenden VK-Region wäre dafür deutlich höher.

Dafür wurden Daten für die 40 NUTS-2 Regionen31 des VK gesammelt und mit den Wirtschaftsregionen NRWs abgeglichen. Der Abgleich basiert, auf Grund geringerer Daten-Verfügbarkeit für die Regionen des VK, auf ei-nem reduzierten Indikatoren-Set. Konkret wurden fol-gende Indikatoren herangezogen, um die Vergleichsre-gionen für NRW zu identifizieren:

Branchenstruktur (BWS-Anteile der Wirtschaftsab-schnitte),

Einwohnerdichte, Produktivität (BWS je Arbeitsstunde), die Altersstruktur der Bevölkerung (Jugendquoti-

ent), sowie das Bevölkerungswachstum.

31 Die NUTS-Klassifikation (fr. Nomenclature des unités territoriales statis-tiques, Systematik der Gebietseinheiten für die Statistik) ist ein hierarchisches System zur Untergliederung des EU-Wirtschaftsraums durch die EU. NUTS-2

Zwischen den neun Wirtschaftsregionen in NRW und den 40 NUTS-2-Regionen im VK wurde jeweils die Can-berra-Distanz auf Basis von Daten zu Branchenstruktur (BWS-Anteile der Wirtschaftsabschnitte), Einwohner-dichte, Produktivität (BWS je Arbeitsstunde), Alters-struktur der Bevölkerung (Jugendquotient), sowie dem Bevölkerungswachstum berechnet. Die Canberra-Dis-tanz zum Vergleich von Regionen 𝑖 und 𝑗 wird folgen-dermaßen berechnet:

∑|𝑥𝑖𝑎 − 𝑥𝑗𝑎|

|𝑥𝑖𝑎| + |𝑥𝑗𝑎|

𝑝

𝑎=1

Wobei 𝑥𝑖𝑎 der Wert der Variable 𝑎 in Region 𝑖 ist und 𝑝 die Anzahl der Variablen. Die somit berechneten Dis-tanzen liegen zwischen 0 und p. Für die dem Index zu-grundeliegenden Berechnungen gilt p=11. Die Distan-zen wurden im Anschluss standardisiert und um den Mittelwert 50 skaliert. Werte, die mehr als zwei Stan-dardabweichungen vom Mittelwert entfernt waren, wurden auf 0 bzw. 100 gesetzt. Ab 75 Punkten liegt der IW-Regional Similarity Index mindestens eine Stan-dardabweichung über dem Mittelwert - die Ähnlichkei-ten zwischen zwei Vergleichsregionen sind dann ausrei-chend groß.

Regionen haben mind. 800.000 und bis zu 3 Mio. Einwohner. In Deutschland entsprechen die NUTS-2 Regionen den Regierungsbezirken.

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Abschlussbericht zum Brexit-NRW-Projekt

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7.2 Interviewpartner

BIW Isolierstoffe GmbH

Sitz Ennepetal

Branche Isolierstoffe

Gründung 1971

Mitarbeiter ca. 550

Interviewpartner Ralf Stoffels,

Geschäftsführer BIW und Präsident IHK Südwestfalen

Interviewdatum und -art 18.12.2018, Voice-Call

Interviewer Dr. Thomas Schleiermacher, IW Consult GmbH

Dr. Philipp Schade, IW Consult GmbH

Crespel & Deiters GmbH & Co. KG

Sitz Ibbenbüren

Branche Stärkeindustrie

Gründung 1858

Mitarbeiter ca. 300

Interviewpartner Dr. Ralf Blaha, Compliance Manager

Interviewdatum und -art 18.12.2018, Video-Call

Interviewer Dr. Thomas Schleiermacher, IW Consult GmbH

Dr. Philipp Schade, IW Consult GmbH

GfG Gesellschaft für Gerätebau mbH

Sitz Dortmund

Branche Gasmesstechnik

Gründung 1959

Mitarbeiter ca. 250

Interviewpartner Hans-Jörg Hübner

Geschäftsführer GfG und Honorarkonsul der Republik Südafrika

Interviewdatum und -art 20.12.2018, persönlich vor Ort

Interviewer Dr. Thomas Schleiermacher, IW Consult GmbH

Dr. Philipp Schade, IW Consult GmbH

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Appendix

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Goldbeck International GmbH

Sitz Bielefeld

Branche Bauwesen

Gründung 1969

Mitarbeiter ca. 6.250

Interviewpartner Uwe Brackmann,

Geschäftsführer

Interviewdatum und -art 19.12.2018, Voice-Call

Interviewer Dr. Philipp Schade, IW Consult GmbH

HSBC Trinkaus & Burkhardt AG

Sitz Düsseldorf

Branche Bankwesen

Gründung 1785

Mitarbeiter ca. 2.800

Interviewpartner

Andreas Schmitz,

Präsident IHK Düsseldorf und

Vorsitzender des Aufsichtsrats HSBC Trinkaus & Burkhardt

Interviewdatum und -art 09.01.2019, persönlich vor Ort

Interviewer Dr. Thomas Schleiermacher, IW Consult GmbH

Ralf Wiegand, IW Consult GmbH

META-Regalbau GmbH & Co. KG

Sitz Arnsberg

Branche Lagertechnik

Gründung 1896

Mitarbeiter ca. 300

Interviewpartner Hans-Jürgen Korth,

Intern. Sales Director und Geschäftsführer

Interviewdatum und -art 21.01.2019, Voice-Call

Interviewer Ralf Wiegand, IW Consult GmbH

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pfm medical AG

Sitz Köln

Branche Medizintechnik

Gründung 1971

Mitarbeiter ca. 550

Interviewpartner Aurel Schoeller,

Vorstandsvorsitzender

Interviewdatum und -art 17.01.2019, Voice-Call

Interviewer Dr. Philipp Schade, IW Consult GmbH

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Appendix

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7.3 IW-Publikationen zum Brexit

Unternehmer, setzt Eure Notfallpläne um! Ein harter Brexit ist kaum noch abzuwenden, sagt der IW-Ökonom Michael Hüther im Interview mit Spiegel Online. Daran werden auch neue Verhandlungen nichts ändern. Die deutsche Wirtschaft muss sich darauf einstellen. MICHAEL HÜTHER INTERVIEW AUF SPIEGEL ONLINE · 16. JAN 2019 https://www.iwkoeln.de/presse/interviews/beitrag/mi-chael-huether-unternehmer-setzt-eure-notfallplaene-um.html

Für die EU gibt es nichts mehr zu verhandeln Nachdem die britische Premierministerin Theresa May mit ihrem Brexit-Vorschlag im Parlament gescheitert ist, gibt es kaum noch Hoffnung auf ein geregeltes Austreten Großbri-tanniens. Deutsche Unternehmen müssen sich auf starke Einschränkungen einstellen, warnt Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). MICHAEL HÜTHER IW-NACHRICHT 16. JAN 2019

https://www.iwkoeln.de/presse/iw-nachrichten/bei-trag/michael-huether-deutsche-unternehmen-mues-sen-jetzt-ihre-notfallplaene-umsetzen.html

Brexit auf Twitter: Dissonantes Gezwitscher Knapp zweieinhalb Jahre nach dem Brexit-Votum rückt der Austritt aus der EU für die Briten näher. Eine IW-Studie zur Tonalität auf Twitter zeigt, wie stark die Parteien im Verei-nigten Königreich in der Brexit-Frage gespalten sind. Die Rhetorik der britischen Zeitungen dagegen nähert sich, pas-send zum öffentlichen Meinungsbild auf der Insel, einem EU-freundlichen Standpunkt. MATTHIAS DIERMEIER / HENRY GOECKE · IWD · 9. JAN 2019

https://www.iwd.de/artikel/brexit-auf-twitter-disso-nantes-gezwitscher-416049/

Brexit: What's next? Am 29. März 2019 tritt das Vereinigte Königreich formell aus der EU aus – wahrscheinlich. Denn ganz sicher ist noch nicht einmal das: Nach einem Urteil des Europäischen Ge-richtshofs kann London den EU-Austritt ohne Zustimmung der übrigen Mitgliedstaaten zurückziehen. Aber wohl nur, wenn die entsprechende Mehrheit im britischen Parlament erreicht wird, schreibt IW-Ökonom Matthias Diermeier in einem Kommentar im Wirtschaftsdienst. MATTHIAS DIERMEIER GASTBEITRAG IM WIRTSCHAFTSDIENST· 17. DEZ 2018 https://www.iwkoeln.de/presse/in-den-medien/bei-trag/matthias-diermeier-brexit-whats-next.html

Brexit: Der Widerstand schwindet Theresa May muss sich heute einem Misstrauensvotum stellen. Aber die Erfolgsaussichten der Brexit-Hardliner, die britische Premierministerin vom Thron zu stürzen, sind of-fenbar gering. Wahrscheinlicher ist, dass sie sich mit diesem Schritt selber schwächen. Eine gestärkte May könnte dann doch ihren Austrittsdeal durchbringen, wenn die Angst vor dem No-Deal-Chaos weiter steigt. JÜRGEN MATTHES IW-NACHRICHT 12. DEZ 2018 https://www.iwkoeln.de/presse/iw-nachrichten/bei-trag/juergen-matthes-der-widerstand-schwindet.html

Auswirkungen des Brexits aus Sicht deutscher Unter-nehmen bisher begrenzt Der Brexit führt im Vereinigten Königreich (UK) schon heute zu verschlechterten Wirtschaftsdaten. Für die deutsche Wirtschaft sind die Auswirkungen aber noch gering. Nur ei-nes von 15 Unternehmen spürt negative Konsequenzen für Beschäftigung und Produktion. Selbst bei den Unterneh-men, die auf die britischen Inseln exportieren, nennen nur knapp 29 Prozent verringerte Exporte. Das heißt jedoch nicht, dass der Brexit ohne Folgen für Deutschland wäre. Der Ausgang der Verhandlungen ist für die Zukunft der wirt-schaftlichen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und dem UK von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

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JÜRGEN MATTHES / HUBERTUS BARDT IW-KURZBERICHT NR. 76 10. DEZ 2018 https://www.iwkoeln.de/studien/iw-kurzberichte/bei-trag/auswirkungen-des-brexits-aus-sicht-deutscher-unter-nehmen-bisher-begrenzt-409945.html

Das Risiko eines chaotischen Brexits ist noch nicht ge-bannt Auch wenn die EU den Brexit-Vertrag besiegelt hat, besteht die Gefahr eines ungeordneten EU-Austritts der Briten. Denn die Konfliktlinien gehen in London quer durch alle Par-teien, schreibt IW-Direktor Michael Hüther in einem Gast-beitrag im Handelsblatt. MICHAEL HÜTHER GASTBEITRAG IM HANDELSBLATT 26. NOV 2018 https://www.iwkoeln.de/presse/in-den-medien/beitrag/mi-chael-huether-das-risiko-eines-chaotischen-brexits-ist-noch-nicht-gebannt.html

Gefahr von hartem Brexit macht deutschen Unter-nehmen Sorgen Trotz der vorläufigen Einigung auf ein Austrittsabkommen kann es weiterhin zu einem harten Brexit kommen. In einer aktuellen Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) geht die Mehrheit der befragten deutschen Unterneh-men aus Industrie und industrienahen Dienstleistungen von einem solchen Szenario mit deutlich verschlechterten Han-delsbedingungen aus. Betroffen sind vor allem Unterneh-men mit direkten Handelsbeziehungen in das Vereinigte Kö-nigreich (UK). JÜRGEN MATTHES / HUBERTUS BARDT IW-KURZBERICHT NR. 71 16. NOV 2018 https://www.iwkoeln.de/studien/iw-kurzberichte/bei-trag/juergen-matthes-hubertus-bardt-gefahr-von-hartem-brexit-macht-deutschen-unternehmen-sorgen-411058.html

Brexit-Verhandlungen: „Das kommt alles so spät“ Der Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen bedeute nichts anderes als „eine Verlängerung der gegenwärtigen Si-tuation“, sagte IW-Direktor Michael Hüther im Deutschland-funk. Für die Unternehmen komme die Einigung viel zu spät.

Diese hätten sich mittlerweile auf einen harten Brexit einge-stellt. MICHAEL HÜTHER INTERVIEW IM DEUTSCHLANDFUNK 14. NOV 2018 https://www.iwkoeln.de/presse/interviews/beitrag/mi-chael-huether-das-kommt-alles-so-spaet.html

„Die Versorgung mit Medikamenten könnte schlech-ter werden“ Neben der Automobil- und der Dienstleistungsindustrie ist die Pharmabranche die drittwichtigste im europäisch-briti-schen Handel. Unter welchen Bedingungen die Hersteller nach dem Brexit ihre Medikamente in der EU produzieren und vertreiben können und was das für die Patienten be-deutet, erläutert Elmar Kroth, Geschäftsführer Wissenschaft des Bundesverbands der Arzneimittel-Hersteller. BERIT SCHMIEDENDORF IWD 13. NOV 2018 https://www.iwd.de/artikel/die-versorgung-mit-medika-menten-koennte-schlechter-werden-409734/

Brexit: Optionen für den Binnenmarkt Was spricht eigentlich dagegen, dass die EU und das Verei-nigte Königreich auch künftig ihre Waren frei zwischen bei-den Handelspartnern passieren lassen? Aus ökonomischer Perspektive wäre solch ein Deal für die 27 EU-Mitgliedsstaa-ten sogar vorteilhaft. JÜRGEN MATTHES IWD 12. NOV 2018 https://www.iwd.de/artikel/brexit-optionen-fuer-den-bin-nenmarkt-409601/

Umfrage: Unternehmen zu wenig auf No-Deal-Brexit vorbereitet Die Brexit-Verhandlungen stocken, ein No-Deal-Szenario wird immer wahrscheinlicher. Trotzdem bereiten sich viele deutsche Unternehmen nicht ausreichend darauf vor: Das hat eine Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) ergeben. Selbst Firmen, die regelmäßig ins Vereinigte

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Appendix

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Königreich exportieren, sind zu einem großen Teil unvorbe-reitet. Der deutschen Wirtschaft drohen große Schäden, wenn sich das nicht bald ändert. HUBERTUS BARDT / JÜRGEN MATTHES PRESSEMITTEILUNG 6. NOV 2018 https://www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/bei-trag/hubertus-bardt-juergen-matthes-unternehmen-zu-we-nig-auf-no-deal-brexit-vorbereitet.html

Brexit: Unternehmen in Deutschland kaum auf No-Deal-Szenario vorbereitet Die Gefahr wächst, dass die Austrittsverhandlungen zwi-schen der EU und dem Vereinigten Königreich (UK) schei-tern. Trotzdem mangelt es in der deutschen Wirtschaft noch an Vorkehrungen für ein solches No-Deal-Szenario und das dann drohende Chaos. Das zeigt eine aktuelle IW-Um-frage unter Unternehmen aus Industrie und industrienahen Dienstleistungen. Selbst bei Firmen, die in das UK exportie-ren und daher besonderen Risiken des Brexits ausgesetzt sind, sagen 29 Prozent, dass sie nicht vorbereitet sind; wei-tere 44 Prozent nur in geringem Maß HUBERTUS BARDT / JÜRGEN MATTHES IW-KURZBERICHT NR. 69 6. NOV 2018 https://www.iwkoeln.de/studien/iw-kurzberichte/bei-trag/hubertus-bardt-juergen-matthes-unternehmen-in-deutschland-kaum-auf-no-deal-szenario-vorbereitet-409024.html

Harter Brexit: Unternehmen wären schlecht gewapp-net Derzeit ist es durchaus möglich, dass die Verhandlungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich über den Austritt scheitern und Ende März ein harter Bruch erfolgt. Die deutschen Unternehmen sind darauf laut einer Befra-gung des IW ziemlich schlecht vorbereitet. JÜRGEN MATTHES IWD 6. NOV 2018 https://www.iwd.de/artikel/harter-brexit-unternehmen-waeren-schlecht-gewappnet-409447/

Brexit: Why a free trade area for goods is in the inter-est of the EU In the political declaration of the Withdrawal Agreement the EU should leave the door open for a free trade area for goods that has been suggested by the UK’s Chequers pro-posals. JÜRGEN MATTHES IW-REPORT NR. 38 16. OKT 2018 https://www.iwkoeln.de/studien/iw-reports/beitrag/juer-gen-matthes-why-a-free-trade-area-for-goods-is-in-the-in-terest-of-the-eu-and-how-to-achieve-a-sound-balance-of-rights-and-obligations.html

Harter Brexit, harte Grenze Matthias Diermeier und Markos Jung, persönliche Referen-ten von IW-Direktor Michael Hüther , prognostizieren in ei-nem Gastbeitrag für die Fuldaer Zeitung, dass deutsche Un-ternehmen unter einem harten Brexit besonders zu leiden hätten. MATTHIAS DIERMEIER UND MARKOS JUNG GASTBEITRAG IN DER FULDAER ZEITUNG 16. OKT 2018 https://www.iwkoeln.de/presse/in-den-medien/bei-trag/matthias-diermeier-markos-jung-harter-brexit-harte-grenze.html

Hard Brexit: Hohe Kosten für Deutschland Deutsche Unternehmen würden unter einem harten Brexit besonders leiden, zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Neue Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse würden die Firmen mit Milliarden belas-ten, der Handel könnte empfindlich einbrechen. Der Politik läuft die Zeit davon, Lösungen zu finden. MATTHIAS DIERMEIER / MARKOS JUNG PRESSEMITTEILUNG 9. OKT 2018 https://www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/bei-trag/matthias-diermeier-markos-jung-hohe-kosten-fuer-deutschland.html

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If Nothing is Achieved: Who Pays for the Brexit? The United Kingdom will depart from the European Union in March 2019. Numerous open questions remain about de-tails and conditions especially with regard to post-Brexit EU-UK trade relations. In case of a negotiation failure, a "hard Brexit" could cause considerably high costs on both sides of the Channel. In the short run, companies will be charged more than 15 billion euro as tariffs. In the long run, UK-EU trade could be reduced up to 50 percent. MICHAEL HÜTHER / MATTHIAS DIERMEIER / MARKOS JUNG / ANDREW BASSILAKIS · EXTERNE STUDIEN · 9. OKT 2018 https://www.iwkoeln.de/studien/externe-studien/bei-trag/michael-huether-matthias-diermeier-markos-jung-who-pays-for-the-brexit.html

Brexit: Vorbereitung dringend empfohlen Ob weicher Brexit oder gar kein Abkommen – der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU wird den grenzüber-schreitenden Handel für die Unternehmen der M+E-Indust-rie spürbar verändern. Vor allem ein harter Brexit könnte die Situation im März 2019 schlagartig verschärfen – die Be-triebe sollten sich jetzt auf den Ernstfall vorbereiten. JÜRGEN MATTHES IWD 25. SEP 2018 https://www.iwd.de/artikel/brexit-vorbereitung-dringend-empfohlen-403016/

„Derzeit geht die größte Gefahr vom Brexit aus“ Vor zehn Jahren stürzte die Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers die Welt in eine Finanzkrise und bescherte den Euroländern ein gigantisches Staatsschuldenproblem. Welche Reformen daraufhin angestoßen wurden und ob sie genügen, erklärt Markus Demary, Finanzmarktexperte des Instituts der deutschen Wirtschaft, im Interview mit iwd.de. MARKUS DEMARY IWD 14. SEP 2018 https://www.iwd.de/artikel/derzeit-geht-die-groesste-ge-fahr-vom-brexit-aus-404085/

Brexit führt zu Investitionsschwäche im Vereinigten Königreich Die britische Wirtschaft beginnt immer mehr unter dem Brexit zu leiden. Zwar läuft der Arbeitsmarkt weiter rund. Aber neben dem schwächelnden privaten Konsum haben die privaten Investitionen stark an Dynamik verloren. Einen regelrechten Einbruch gibt es vor allem bei den Direktinves-titionen aus dem Ausland. JÜRGEN MATTHES IW-KURZBERICHT NR. 44 25. JUL 2018 https://www.iwkoeln.de/studien/iw-kurzberichte/bei-trag/juergen-matthes-brexit-fuehrt-zu-investi-tionsschwaeche-im-vereinigten-koenigreich-397731.html

Neues Brexit-Weißbuch: Auf dem Weg zu einem Frei-handelsabkommen 3.0? Mit der Vorlage des neuen Weißbuchs zum Brexit durch die britische Regierung zeichnet sich ein weicherer Brexit ab. Die EU muss sich vor allem entscheiden, wie sie mit dem be-merkenswerten Vorschlag einer Freihandelszone für Waren umgeht. Damit würde ein sehr weitreichendes Freihandels-abkommen möglich. Um ein Rosinenpicken zu verhindern, müssen die Briten aber noch weitere Zugeständnisse ma-chen. JÜRGEN MATTHES IW-KURZBERICHT NR. 43 12. JUL 2018 https://www.iwkoeln.de/studien/iw-kurzberichte/bei-trag/juergen-matthes-auf-dem-weg-zu-einem-freihan-delsabkommen-30-397089.html

Brexit führt zu Schwäche bei Reallöhnen und Konsum Der Brexit hinterlässt tiefe Spuren in den Geldbörsen der Briten. Durch die deutliche Pfund-Abwertung um rund 18 Prozent seit dem Herbst 2015 stieg zeitverzögert die Infla-tion stark. Das hat im UK zu Reallohneinbußen und Konsum-schwäche geführt. JÜRGEN MATTHES IW-KURZBERICHT NR. 19 6. MÄR 2018 https://www.iwkoeln.de/studien/iw-kurzberichte/bei-trag/juergen-matthes-brexit-fuehrt-zu-schwaeche-bei-real-loehnen-und-konsum-382773.html

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Wachstumskosten des Brexit Im Zuge der jüngsten Haushaltsrede des britischen Schatz-kanzlers wurden auch die Wachstumsprognosen für die bri-tische Wirtschaft erneut nach unten revidiert. Rechnet man die Abwärtskorrekturen seit dem Herbst 2015 zusammen, ergibt sich für den Zeitraum 2016 bis 2020 eine Wachstums-einbuße von insgesamt rund 5 Prozentpunkten. JÜRGEN MATTHES IW-KURZBERICHT NR. 81 24. NOV 2017 https://www.iwkoeln.de/studien/iw-kurzberichte/bei-trag/juergen-matthes-wachstumskosten-des-brexit-371032.html

Brexit jeopardizes supply chains A hard Brexit would hit the economy on both sides of the channel heavily, especially the extended supply chain of key German industries, the Cologne Institute for Economic Re-search (IW) shows in a study. BERTHOLD BUSCH · PRESSEMITTEILUNG NR. 36 · 24. AUG 2017 https://www.iwkoeln.de/presse/pressemitteilungen/bei-trag/berthold-busch-brexit-gefaehrdet-lieferketten-347379.html

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7.4 Brexit-Projektteam der IW Consult

Thomas Schleiermacher, Dr. rer. pol., Diplom-Volkswirt. Ge-boren 1974 in Köln. Studium von 1995 bis 2000 an der Uni-versität zu Köln; in 2003 Promo-tion an der Universität zu Köln. 2001 bis 2003 wissenschaftli-cher Mitarbeiter am For-schungsinstitut für Sozialpolitik

der Universität zu Köln. 2003 bis 2005 wissenschaftli-cher Mitarbeiter am Institut für Wirtschafts- und Poli-tikforschung Richter & Schorn in Köln. 2005 bis 2009 Referent „Konjunktur und Arbeitsmarkt“ bei der IHK für München und Oberbayern in München. Seit Mai 2009 Research Analyst in der IW Consult im Bereich Empirie, seit 2017 Bereichsleiter „Empirie & Metho-den“. In 2014 Fortbildung zum Design Thinking-Coach durch das HPI Potsdam. Seither Planung, Organisation und Durchführung von DT-Workshops für IW-interne und externe Partner mit unterschiedlichsten themati-schen Schwerpunkten. In 2019 Fortbildung zum Da-tenschutzbeauftragten nach DSGVO, zertifiziert durch den TÜV Rheinland. Kontakt: [email protected]

Pascal Singler, B.A., geboren 1995 in Tuttlingen. Studium der Medienkulturwissenschaft / Medieninformatik an der Uni-versität zu Köln. Von 2016 bis 2018 studentischer Mitarbeiter bei der IW Consult GmbH als Webentwickler. Seit Oktober 2018 Junior Webentwickler im Bereich „Empirie und Metho-

den“ der IW Consult GmbH.

Kontakt: [email protected]

Pauline Pohl, M.Sc. Gebo-ren 1994 in Wien. Studium der Volkswirtschaftslehre von 2012 bis 2017 an der University of Bristol (UK) so-wie der Universität Wien mit Schwerpunkt auf empi-rischen Methoden und mo-dell-basierten Analysen. 2012 bis 2014 einschlägige

Praktika im Bereich der volkswirtschaftlichen Analysen in österreichischen Großbanken sowie am Economica Institut für Wirtschaftsforschung in Wien. 2015 bis Feb-ruar 2018 (Assistant) Researcher am Economica Institut für Wirtschaftsforschung mit methodischem Schwer-punkt im Bereich der Ökonometrie. Seit März 2018 Re-ferentin im Bereich „Empirie und Methoden“ der IW Consult.

Kontakt: [email protected]

Philipp Schade, Dr. rer. pol., ge-boren 1984 in Haan. Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität zu Köln. Von 2011 bis 2017 wissenschaftli-cher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Betriebliche Finanzwirt-schaft der RWTH Aachen; 2017 Promotion in Aachen. Anschlie-

ßend Referent der Geschäftsleitung bei LANCOM Sys-tems in Würselen. Seit 2018 Referent im Bereich „Stra-tegie und Wachstum“ der IW Consult GmbH. Kontakt: [email protected]

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Ralf Wiegand, Dipl.-Geograph, geboren 1964 in Neuss; Stu-dium der Geographie an der Universität zu Köln und Univer-sität Bonn. Ab 1996 bis 2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institut der deutschen Wirt-schaft Köln im Verbundprojekt „Innovationsstimulierung der

deutschen Wirtschaft (INSTI)“ mit Themenschwer-punkt Internet. Seit 2002 in der IW Consult im Bereich eBusiness. 2002 bis 2005 Stellv. Leiter, seit 2006 Leiter des bis 2012 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) geförderten Verbundprojekts PROZEUS – Prozesse und Standards in der IW Consult. Von Januar 2012 bis Ende 2015 Leiter der Koordinie-rungsstelle Logib-D als Projektpartner des Bundesmi-nisteriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Als Senior Projektmanager im Bereich „Stra-tegie und Wachstum“ der IW Consult GmbH Leiter un-terschiedlichster Projekte mit Bezug zur Digitalisie-rung, u. a. Aufbau und Betrieb von interaktiven Webportalen, Microsites oder Informationsplattfor-men. Kontakt: [email protected]

Mehrzad Koohestani, Dipl.-Ing., geboren 1961 in Firouz-abad/Iran; Studium der Elektro-technik/Nachrichtentechnik an der Fachhochschule Köln, SAP Certified Development Consul-tant SAP NetWeaver '04 - Appli-cation Development ABAP, 2000 synetix information manage-

ment GmbH, Entwicklungsabteilung, Analyse, Design und Entwicklung im Bereich komplexer Telekommuni-kations- und IT-Projekte, von 2001 bis 2004 Yline e-So-lutions Germany GmbH/ MSG Media Support Group, Entwicklungsabteilung, Analyse, Benchmarking, Kon-zeption, Entwicklung von Soft- und Hardware-Produk-ten, Internet-Portalen und Paymentsystemen basie-rend auf Oracle-Datenbanken, BroadVision One to One, Java , Perl, Unix Betriebssystemen HP-UX, Sun Solaris, Linux und Windows. Mitarbeit bei der Analyse, dem Entwurf und der Entwicklung vom Payment-Scoringsys-tem zur Bewertung des individuellen Zahlungsverhal-tens bei Internet-Bestellungen. Von 2004 bis 2008 Ana-lyse, Konzeption, Beratung und Erstellung von Mach-barkeitsanalysen, Maßnahmenkatalogen sowie Ent-wicklung von E-Commerce Anwendungen und 3tier Ar-chitekturen unter SAP, BroadVision, JEE sowie O-pensource Software im Bereich ERP, CRM, SCM und CMS. Seit Dezember 2008 bei der IW Consult GmbH; Mitarbeit bei der Durchführung von Studien zum Thema eBusiness und eBusiness-Standards.

Kontakt: [email protected]