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Der Dressierte Mann

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Esther Vilar hat den Emanzipations-Spieß umgedreht: Herr im Haus istdie Frau. Sie dressiert den Mann mitheimtückischen Tricks zum unterwür-figen Sklaven und schickt ihn dannzum Geldverdienen hinaus ins feind-liche Leben. »Als Gegenleistung« stelltsie ihm »ihre Vagina in bestimmtenIntervallen zur Verfügung«. Soschwungvoll bissig, doch nicht ganzohne Charme, löst Esther Vilar dasUralt-Rätsel um den Mythos Frauund entlarvt ihre Geschlechtsgenossin-nen als hartgesottene Ausbeuterinnen,die allein aus ihrer Anatomie gehörigKapital schlagen (Der Spiegel, Ham-burg). Ein brillant geschriebenes, lusti-ges, provozierendes Buch (Neue RuhrZeitung, Essen). Esther Vilar reizt invielen ihrer ketzerischen Gedankenzum Widerspruch. Aber ehrlich - ja,ehrlich kann man ihr nicht widerspre-chen (Abendzeitung, München). Mannennt sie den »Karl Marx der Män-ner« (Kölner Stadtanzeiger). DenMännern zugeflüstert: was die Vilarvom Verhältnis der Frauen unterein-ander schreibt, ist unbedingt lesens-wert (Der Tagesspiegel, Berlin). Dieerste Männerrechtlerin der literari-schen Szene (Titel, Thesen, Tempera-mente — Deutsches Fernsehen). MitWagnermusik hat die Vilar gemein-sam: der Zuhörer kann sich ihr gegen-über nur mit Not neutral verhalten.Entweder ist er für oder gegen sie.Angesteckt vom Zorn der Autorin,kann der Leser bei der Lektüre ledig-lich zum Vilaristen oder zum erklär-ten Feind werden (Deutsches Allge-meines Sonntagsblatt, Hamburg).Wenn es noch Leute gäbe, die zumVergnügen lesen, müßte dieses Buchein Bestseller sein (Sebastian Haffner).

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Esther Vilar wurde 1935 in BuemAires geboren; ihre Eltern waren aiDeutschland emigriert. Sie vagaburdierte durch halb Amerika, Afrikund Europa — als Sekretärin, Fabrikarbeiterin, Verkäuferin, Dolmetsch«rin und Vertreterin. Nach Abschlueines Medizinstudiums kam sie meinem Stipendium nach Deutschlamstudierte Soziologie und arbeitete aAssistenzärztin in einem Krankerhaus.

Bisher veröffentlichte sieim Münchner Caann Verlag:

DER SOMMER NACH DEM TO:VON PICASSO

(ein Spiel)

MANNUND

PUPPE(Comic-Roman)

ÜBERDIE MACHT DER DUMMHEI1

(Essay)

SchiitzumschlagJan Buchholz und Reni Hinscb

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Esther Vilar

Der dressierteMann

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Inhalt

9 Vom Glück der Sklaven13 Was ist der Mann?22 Was ist die Frau?33 Der weibliche Horizont41 Das schönere Geschlecht49 Das Universum ist männlich60 Ihre Dummheit macht die Frau göttlich66 Dressurakte74 Dressur durch Selbsterniedrigung84 Ein Wörterbuch89 Frauen sind gefühlsarm96 Sex als Belohnung

106 Die weibliche Libido114 Dressur durch Bluff123 Kommerzialisierte Gebete131 Selbstdressur141 Kinder als Geiseln155 Die weiblichen Laster16 8 Die Weiblichkeitsmaske180 Berufswelt als Jagdrevier188 Die »emanzipierte« Frau198 Was ist Liebe?

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Dieses Buch ist denen gewidmet,die darin nicht erwähnt werden:den wenigen Männern, die sich nichtdressieren lassen, den wenigen Frauen,die nicht käuflich sind— und den Glücklichen, die keinenMarktwert haben, weil sie zu alt,zu häßlich oder zu krank sind.

E.V.

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Vom Glück der Sklaven

Der zitronengelbe MG schleudert. Die junge Frauam Steuer bringt ihn etwas waghalsig zum Stehen,steigt aus und entdeckt, daß der linke Vorderreifenplatt ist. Ohne Zeit zu verlieren, trifft sie Vorkehrun-gen für die Reparatur: Sie blickt den vorbeifahrendenAutos entgegen, als erwarte sie jemand. Auf diesesinternational genormte Signal weiblicher Hilflosigkeit(»schwache Frau von männlicher Technik sitzengelas-sen«) stoppt bald ein Kombiwagen. Der Fahrer erfaßtsofort, was zu tun ist, sagt tröstend: »Das werden wirgleich haben« und bittet die Frau zum Zeichen seinerEntschlossenheit um ihren Wagenheber. Er fragt sienicht, ob sie das Rad selbst wechseln kann, denn erweiß - sie ist etwa dreißig, modisch angezogen undgeschminkt -, daß sie es nicht kann. Als sie keinenWagenheber findet, holt er seinen eigenen, sein übrigesWerkzeug bringt er gleich mit. In fünf Minuten hat erdie Sache erledigt und das schadhafte Rad an dem hier-für vorgesehenen Platz verstaut. Seine Hände sindölverschmiert. Als ihm die Frau ihr besticktes Ta-schentuch anbietet, weist er es höflich zurück. Er hatfür solche Fälle immer einen alten Lappen in seinemWerkzeugkasten. Die Frau bedankt sich überschweng-lich und entschuldigt sich für ihre »typisch weibliche«Ungeschicklichkeit. Wenn er nicht gekommen wäre, sagt

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sie, hätte sie womöglich bis zum Abend hier gestanden.Er entgegnet darauf nichts, aber als sie einsteigt,schließt er galant die Wagentür und gibt ihr über dieheruntergekurbelte Fensterscheibe hinweg noch denRat, den schadhaften Reifen bald ersetzen zu lassen.Sie sagt, sie werde ihren Tankwart noch am gleichenTag entsprechend anweisen. Dann fährt sie davon.

Während der Mann sein Werkzeug aufräumt undallein zu seinem Wagen zurückgeht, bedauert er, daßer sich jetzt nicht die Hände waschen kann. Auch seineSchuhe, mit denen er während des Radwechsels infeuchtem Lehm gestanden ist, sind nicht mehr so sauber,wie sie es für seine Arbeit - er ist Vertreter - seinsollten. Wenn er seinen nächsten Kunden noch errei-chen will, muß er sich beeilen. Er startet den Motor.»Diese Frauen«, denkt er, »— eine blöder als die an-dere«, und er fragt sich im Ernst, was sie nur ange-stellt hätte, wenn er nicht gleich zur Stelle gewesenwäre. Er fährt, ganz gegen seine Gewohnheit, unvor-sichtig schnell, um die Verspätung wieder aufzuholen.Nach einer Weile fängt er an, leise vor sich hinzusum-men. Auf eine gewisse Art ist er glücklich.

Die meisten Männer hätten sich in der gleichen Si-tuation gleich verhalten, die meisten Frauen ebenso: Die

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Frau läßt den Mann - nur aufgrund der Tatsache, daßer ein Mann ist und sie etwas ganz anderes, nämlicheine Frau — bedenkenlos für sich arbeiten, wann immeres eine Gelegenheit gibt. Mehr als auf die Hilfe einesMannes zu warten, hätte diese Frau nicht unternehmenkönnen, hat sie doch nichts weiter gelernt, als daß manbei einer Autopanne einen Mann mit der Reparaturbeauftragt. Der Mann hingegen, der für einen ihm völ-lig fremden Menschen eine Dienstleistung rasch, fach-kundig und kostenlos erledigt, seine Kleider ruiniert,den Abschluß eines Geschäfts in Frage stellt und sicham Ende noch durch überhöhte Geschwindigkeit inGefahr bringt, hätte außer dem Radwechsel noch einDutzend anderer Defekte an dem Auto beheben kön-nen und hätte es auch getan, denn dafür hat er es jagelernt. Und warum soll sich eine Frau mit Repara-turen befassen, wenn die Hälfte der Menschen - dieMänner - das so gut kann und auch bereit ist, ihr Kön-nen der anderen Hälfte zur Verfügung zu stellen?

Die Frauen lassen die Männer für sich arbeiten, fürsich denken, für sich Verantwortung tragen. Die Frauenbeuten die Männer aus. Aber die Männer sind stark,intelligent, phantasievoll, die Frauen schwach, dummund phantasielos. Warum werden trotzdem die Männervon den Frauen ausgebeutet und nicht umgekehrt?

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Sind Kraft, Intelligenz und Phantasie am Ende garnicht Voraussetzungen für Macht, sondern für Unter-werfung? Wird die Welt nicht von Könnern regiert, son-dern von denen, die zu nichts anderem taugen: vonFrauen? Und wenn es so ist - wie bringen es dieFrauen dann fertig, daß ihre Opfer sich nicht betrogenund gedemütigt vorkommen, sondern als das, was sieam wenigsten sind — als die Herren? Wie geben sieihnen dieses Gefühl des Glücks, wenn sie für sie arbei-ten, dieses Bewußtsein des Stolzes und der Überlegen-heit, das sie zu immer noch größeren Leistungen an-spornt?

Warum werden die Frauen nicht entlarvt?

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Was ist der Mann?

Was ist der Mann? Der Mann ist ein Mensch, derarbeitet. Mit dieser Arbeit ernährt er sich selbst, seineFrau und die Kinder seiner Frau. Eine Frau dagegenist ein Mensch, der nicht (oder nur vorübergehend) ar-beitet. Die meiste Zeit ihres Lebens ernährt sie wedersich selbst noch ihre Kinder, geschweige denn ihrenMann.

Alle Eigenschaften eines Mannes, die der Frau nüt-zen, nennt sie männlich, und alle, die ihr nicht nützenund auch sonst niemandem, nennt sie weibisch. Deräußeren Erscheinung eines Mannes wird deshalb nurdann Erfolg bei den Frauen beschieden sein, wenn siemännlich ist, das heißt, wenn sie ganz auf den einzigenDaseinszweck des Mannes, die Arbeit, abgestimmt unddermaßen gestaltet ist, daß er jeder Aufgabe, die manihm stellen könnte, jederzeit nachkommen kann.

Außer nachts, wenn die meisten Männer buntge-streifte Pyjamas mit nur zwei bis vier Taschen tragen,bekleiden sich die Männer mit einer Art Uniform inGrau oder Braun aus schmutzabweisendem, dauerhaf-tem Material. Diese Uniformen oder »Anzüge«, wieman sie nennt, haben mindestens zehn Taschen, in 'denen der Mann die notwendigsten Hilfsmittel, die er J

zu seiner Arbeit braucht, immer griffbereit bei sichträgt (die Kleidung der Frau hingegen hat, da eine

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Frau ja nicht arbeitet, weder am Tag irgendwelche Ta-schen noch bei Nacht).

Bei geselligen Anlässen ist es dem Mann erlaubt,Kleidung in der empfindlicherenJFarbe Schwarz zu tra-gen, denn dort ist die Gefahr der Verschmutzung nichtgroß, und außerdem kommt neben Schwarz die farben-prächtige Garderobe der Frau um so besser zur Gel-tung. Männer in grüner oder gar roter Gesellschafts-kleidung, die man gelegentlich trifft, sind trotzdem gerngesehen: lassen sie doch die anwesenden wirklichenMänner um so männlicher erscheinen.

Auch in seiner übrigen Erscheinung hat sich derMann seiner Situation angepaßt. Seine Haare trägt erso, daß ein viertelstündiger Haarschnitt alle zwei bisdrei Wochen zu ihrer Pflege ausreicht. Locken, Wel-len oder Tönungen sind unerwünscht, sie würden ihnbei der Arbeit, die er vielfach im Freien verrichtenmuß oder die ihn zumindest oft ins Freie führt, nurbehindern. Und selbst wenn er sie trüge und sie ihmgut stünden, würden sie seinen Erfolg bei den Frauenganz gewiß nicht vergrößern, denn Frauen beurtei-len Männer - ganz anders als Männer Frauen - nie-mals nach ästhetischen Gesichtspunkten. Männer, dievorübergehend individualistischen Haarschnitt tragen,merken das meist nach einiger Zeit von selbst und

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kehren zu einer der zwei bis drei Varianten der männ-lichen Kurz- oder Langhaar-Standardfrisuren zurück.Das gleiche gilt für Bartträger. Nur Übersensible - ,. v\meist sind es mehr oder weniger intellektuelle Männer, j j ^die durch einen ungezügelten Bartwuchs den Eindruck >igeistiger Robustheit vortäuschen wollen - tragen über <-« *-*längere Zeit einen Vollbart. Da dies ein nicht unwichti- 'JA?ger Hinweis auf ihre Konstitution und somit auf die 1^:4*>

besondere Art ihrer Verwertbarkeit ist, wird es von :4it**"Frauen als brauchbares Erkennungsmerkmal toleriert(es zeigt, auf welcher Ebene sich diese Männer amleichtesten ausbeuten lassen, nämlich bei der neuroti-schen Arbeit der Intellektuellen).

Im allgemeinen jedoch benutzt der Mann morgens fdrei Minuten lang einen Elektrorasierer, um seinen IA"\~Bartwuchs im Zaum zu halten, und zur Pflege seiner lHaut genügen ihm Wasser und Seife, denn von seinemGesicht wird ja nichts weiter verlangt, als daß er essauber und ungeschminkt, also für jedermann kontrol-lierbar, zur Schau stellt. Zu erwähnen wären noch dieFingernägel des Mannes: Sie sollen für die Arbeit sokurz wie möglich sein.

Ein männlicher Mann trägt - außer seinem Ehe-ring, der anzeigt, daß er bereits von einer besonderenFrau auf eine besondere Art verwertet wird - keinen

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Schmuck. Die große, plumpe Uhr an seinem Handge-lenk - wasserdicht, stoßfest und mit Datumsanzeige -ist wahrhaft kein Luxusgegenstand. Häufig wird sieihm von der Frau geschenkt, für die er arbeitet.

Wäsche, Oberhemden und Socken des männlichenMannes sind so genormt, daß sie sich von einem Mannzum anderen höchstens in der Größe unterscheiden.Man kann sie in jedem Laden ohne Zeitverlust erwer-ben. Lediglich bei der Auswahl der Krawatten hätteder Mann eine gewisse Freiheit, aber da er an Freiheitin gar keiner Form gewöhnt ist, überläßt er dieseWahl - wie übrigens die aller anderen Kleidungsstückeauch - der Frau.

Sosehr sich die Männer im Äußeren ähneln - einBeobachter von einem fremden Stern müßte anneh-men, sie legten es darauf an, sich wie ein Ei dem ande-ren zu gleichen -, ist die Art und Weise, wie sie ihreMännlichkeit, das heißt ihre Verwertbarkeit für dieZwecke der Frauen, unter Beweis stellen, doch sehr ver-schieden. Sie muß verschieden sein: da die Frauen kaumarbeiten, braucht man die Männer für alles.

Es gibt Männer, die morgens um acht Uhr einegroße Limousine vorsichtig aus einer Garage heraus-manövrieren. Andere fahren eine Stunde früher mit

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einem Mittelklassewagen zu ihrem Arbeitsplatz, wie-derum andere gehen, wenn es draußen noch stockfinsterist, mit einer alten Aktentasche unterm Arm, in derein Overall und ein paar Frühstücksbrote liegen, zumBus, zum Zug, in die Untergrundbahn und fahren zuder Baustelle oder Fabrik, bei der sie beschäftigt sind.Ein unbarmherziges Schicksal will es, daß die letzteGruppe, die Ärmsten unter den Männern, auch nochvon den am wenigsten attraktiven Frauen ausgebeu-tet wird. Denn da es Frauen bei Männern immer nuraufs Geld ankommt und Männern bei Frauen immernur aufs Aussehen, werden ihnen die begehrenswertenFrauen aus ihrem Milieu immer von den besser verdie-nenden Männern weggenommen.

Es ist ganz gleichgültig, wie ein bestimmter Mann seinenTag verbringt, eines hat er mit allen anderen gemein-sam: Er verbringt ihn auf eine demütigende Weise. Under tut es nicht für sich selbst, zur Erhaltung seineseigenen Lebens - dafür würde eine viel kleinere An-strengung genügen (Männer legen ohnehin keinen Wertauf Luxus) -, er tut es für andere, und er ist maßlosstolz darauf, daß er es für andere tut. Die Fotos seinerFrau und seiner Kinder stehen auf seinem Schreibtisch,er zeigt sie bei jeder Gelegenheit herum. ^ ,

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Was immer der Mann tut, wenn er arbeitet - ob erZahlen tabelliert, Kranke heilt, einen Bus lenkt odereine Firma leitet -, in jedem Augenblick ist er Teileines gigantischen, unbarmherzigen Systems, das einzigund allein auf seine maximale Ausbeutung angelegt ist,und er bleibt diesem System bis an sein Lebensendeausgeliefert.

Es mag interessant sein, Zahlen zu tabellieren undSummen mit anderen Summen zu vergleichen - aberwie lang? Ein ganzes Leben lang? Sicher nicht. Viel-leicht ist es ein phantastisches Gefühl, einen Bus durcheine Stadt zu dirigieren, aber wenn es Tag für Tag dergleiche Bus auf der gleichen Strecke in der gleichenStadt ist, jahrein, jahraus? Und bestimmt ist es erre-gend, Macht über die vielen Menschen einer großen Fir-ma zu haben. Aber wie, wenn man herausfindet, daßman eigentlich eher ihr Gefangener ist als ihr Beherr-scher?

Die Spiele, die wir als Kinder spielten - spielenwir die auch heute noch? Natürlich nicht. Und auch alsKinder haben wir nicht immer das gleiche Spiel ge-spielt, wir spielten es genau so lang, wie es uns gefiel.Der Mann aber ist wie ein Kind, das ewig das glei-che Spiel spielen muß. Der Grund ist offensichtlich: So-bald er für eines seiner Spiele mehr gelobt wird als

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für andere, spezialisiert er sich später darauf und bleibt,weil er dafür »begabt« ist und damit am meisten Geldverdienen kann, ein Leben lang dazu verdammt.Wenn er in der Schule gut in Rechnen war, wird ersein Leben mit Rechnen verbringen - als Buchhalter,Mathematiker, Programmierer -, denn dort liegt sein {Leistungsmaximum. Er wird rechnen, Zahlen tabel- ,,.,^-lieren, Maschinen bedienen, die Zahlen tabellieren, lfe*"aber er wird niemals sagen können: »Jetzt habe ichgenug, mir reicht's, ich suche mir etwas anderes.« DieFrau, die ihn ausbeutet, wird nicht erlauben, daß ersich wirklich etwas anderes sucht. Er wird vielleicht,angespornt durch diese Frau, in der Hierarchie derZahlentabellierer in mörderischen Kämpfen aufstei-gen, es zum Prokuristen oder zum Bankdirektor brin-gen. Aber ist der Preis, den er für sein Gehalt zahlt,nicht ein bißchen zu hoch?

Ein Mann, der seine Lebensweise ändert - also sei-nen Beruf, denn leben ist für ihn das gleiche wie ar-beiten - gilt als unzuverlässig. Wechselt er mehrmals,wird er von der Gesellschaft ausgestoßen und bleibtallein. Denn die Gesellschaft, das sind die Frauen.

Die Furcht vor einer solchen Konsequenz muß be-trächtlich sein: Würde sonst ein Arzt (der als Jungegern mit Kaulquappen und Einmachgläsern hantierte)

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sein ganzes Leben damit verbringen, nun ekelerregendeGeschwüre aufzuschneiden, menschliche Ausscheidungenaller Art zu begutachten und sich Tag und Nacht mitMenschen abzugeben, die so aussehen, daß jeder anderevor ihnen die Flucht ergreift? Würde ein Pianist, dernichts weiter als ein Kind war, das gern musizierte,sonst zum tausendsten Mal jenes Nocturne von Chopinvorspielen? Würde ein Politiker, der seinerzeit imSchulhof zufällig die Handvoll Tricks herausfand, wieman Menschen führt, und gut damit umgehen konnte,im Erwachsenenalter jahrzehntelang all diese nichtssa-genden Phrasen in der Rolle irgendeines .subalternenFunktionärs von sich geben, all diese Grimassen schnei-den und sich all das fürchterliche Gerede seiner ebensosubalternen Konkurrenten gefallen lassen? Er hat ein-mal von einem anderen Leben geträumt! Und selbstwenn er auf diesem Weg der Präsident der VereinigtenStaaten werden sollte: Hat er für diese Stellung dannnicht doch ein bißchen zuviel bezahlt?

Nein, es ist kaum anzunehmen, daß die Männer,was sie tun, gern und ohne den Wunsch nach Abwechs-lung tun. Sie tun es, weil sie dafür dressiert werden:Ihr ganzes Leben ist nichts als eine trostlose Folge vonDressurkunststückchen. Ein Mann, der diese Kunst-stückchen nicht mehr beherrscht, der weniger Geld ver-

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dient, hat »versagt« und verliert alles: seine Frau, seineFamilie, sein Heim, den Sinn seines Lebens — jedwedeGeborgenheit.

Man könnte natürlich auch sagen: Ein Mann, dernicht mehr genug Geld verdient, ist automatisch frei Aund könnte sich über das Happy-End freuen. Aber der Jö»^Mann will nicht frei sein. Er funktioniert, wie wir später tX***%noch sehen werden, nach dem Modell der Lust an der A***Unfreiheit. Lebenslängliche Freiheit wäre für ihn nochschlimmer als lebenslängliche Sklaverei.

Anders formuliert: Der Mann sucht immer jemandoder etwas, dem er sich versklaven kann, denn nur alsSklave fühlt er sich geborgen - und seine Wahl fälltdabei meist auf die Frau. Wer oder was aber ist dieFrau, daß er sich ausgerechnet ihr, der er dieses ent-würdigende Leben verdankt und von der er darin nachallen Regeln der Kunst ausgebeutet wird, versklavt unddaß er sich ausgerechnet bei ihr geborgen fühlt?

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Was ist die Frau?

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Wir haben gesagt, die Frau sei, im Gegensatz zumMann, ein Mensch, der nicht arbeitet. Man könnte hierdie Definition der Frau schon abschließen — viel mehrläßt sich wirklich nicht über sie sagen -, wäre nicht derBegriff Mensch ein zu umfassender, zu ungenauer Be-griff, um Mann und Frau damit gleichzeitig zu defi-nieren.

Das menschliche Dasein bietet die Wahl zwischeneiner mehr animalischen - also tierähnlichen, niede-ren - Existenz und einer geistigen. Die Frau wähltfraglos die animalische. Körperliches Wohlbefinden,ein Nest und die Möglichkeit, darin ungehindert ihrenBrutregeln nachzugehen, sind ihr das höchste. ? V:

Es gilt als erwiesen, daß Männer und Frauen mitden gleichen geistigen Anlagen geboren werden, daßes also keinen primären Intelligenzunterschied zwi-schen den Geschlechtern gibt. Ebenso erwiesen ist aber,daß Anlagen, die nicht entwickelt werden, verküm-mern: Die Frauen benützen ihre geistigen Anlagennicht, sie ruinieren mutwillig ihren Denkapparat undgelangen nach einigen wenigen Jahren sporadischen.Gehirntrainings in ein Stadium sekundärer, irreversi-;;bler Dummheit.

Warum benützen die Frauen ihr Gehirn nicht? Siebenützen es nicht, weil sie, um am Leben zu bleiben,

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keine geistigen Fähigkeiten braudien. Theoretisch

wäre es möglich, daß eine schöne Frau weniger Intelli-

genz besitzt als beispielsweise ein Schimpanse, und

daß sie sich dennoch im menschlichen Milieu behaup-

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Spätestens mit zwölf Jahren - einem Alter, in demdie meisten Frauen beschlossen haben, die Laufbahnvon Prostituierten einzuschlagen, das heißt, spätereinen Mann für sich arbeiten zu lassen und ihm alsGegenleistung ihre Vagina in bestimmten Intervallenzur Verfügung zu stellen - hört die Frau auf, ihrenGeist zu entwickeln. Sie läßt sich zwar weiterhin aus-bilden und erwirbt dabei allerlei Diplome - denn derMann glaubt, daß eine Frau, die etwas auswendig ge-lernt hat, auch etwas weiß (ein Diplom erhöht alsoden Marktwert der Frau) -, doch in Wirklichkeit tren-nen sich hier die Wege der Geschlechter ein für allemal.Jede Verständigungsmöglichkeit zwischen Mann undFrau wird an diesem Punkt abgeschnitten, und zwarfür immer.

Deshalb ist einer der wichtigsten Fehler, die demMann bei der Beurteilung der Frau immer wieder pas-sieren, daß er sie für seinesgleichen hält, das heißtfür einen Menschen, der mehr oder weniger auf dergleichen Gefühls- und Verstandesebene funktioniert

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wie er selbst. Der Mann kann das Verhalten seinerFrau von außen beobachten, hören, was sie redet, mitseinen Augen sehen, womit sie sich beschäftigt, auf-grund äußerer Zeichen schließen, was sie denkt - aberbei alldem richtet er sich nach seiner eigenen Wertskala.Er weiß, was er an ihrer Stelle reden, denken, tunwürde. Und betrachtet er das - nach seinen Maßstä-ben — deprimierende Resultat seiner Studien, wird erdaraus nur schließen, daß es irgend etwas geben muß,was die Frau daran hindert, das zu tun, was er selbstan ihrer Stelle gern tun würde. Denn er hält sich -und falls sich der Mensch als ein abstrakt denkendesWesen definiert, mit Recht - für das Maß aller Dinge.

Erfährt er zum Beispiel aus seinen Beobachtungen,daß eine Frau soundsoviel Stunden am Tag mit Ko-chen, Saubermachen und Geschirrspülen verbringt, sowird er daraus nicht folgern, daß diese Tätigkeiten siebefriedigen, weil sie ihrem geistigen Niveau ideal ent-sprechen. Er denkt, daß es gerade das sein muß, wassie an allem anderen hindert, und bemüht sich, ihr Ge-schirrspülautomaten, Staubsauger und Fertiggerichtezur Verfügung zu stellen, die ihr diese stupiden Arbei-ten abnehmen und sie in die Lage versetzen, ein Lebenzu führen, wie er es für sich selbst erträumt.

Doch er wird enttäuscht sein: Statt daß die Frau

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jetzt anfängt, ein Leben des Geistes zu führen, sich umPolitik, Geschichte oder die Erforschung des Welt-raums zu kümmern, verwendet sie die gewonnene Zeitdarauf, Kuchen zu backen, Unterwäsche zu bügeln,Rüschchen zu nähen oder, wenn sie ganz unterneh-mungslustig ist, die sanitären Einrichtungen des Ba-dezimmers mit Blümchengirlanden zu bekleben.

Da der Mann glauben muß (beziehungsweise dadie Frau ihn glauben macht — denn welcher Mann legtschon wirklich Wert auf gebügelte Unterwäsche, Blüm-chenmuster oder Kuchen, der nicht vom Konditorkommt?), das alles brauche man zum Leben, gehöre zu-mindest zur Kultur, erfindet er den Bügelautomatenfür sie, den gebrauchsfertigen Kuchenteig, den indu-striell verzierten Klosettpapierhalter. Aber die Fraufängt noch immer nicht an, etwas zu lesen, sie küm-mert sich noch immer nicht um Politik, und die Erfor-schung des Universums läßt sie absolut ungerührt. DieZeit, die sie gewonnen hat, kommt ihr gerade recht:Endlich kann sie sich jetzt um sich selbst kümmern.Und weil ihr bekanntlich Sehnsucht nach geistigenDingen fremd ist, versteht sie darunter natürlich ihreäußere Erscheinung.

Der Mann, der die Frau liebt und nichts sehn-licher wünscht als ihr Glück, macht auch dieses Stadium

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mit: Er produziert für sie den kußediten Lippen-stift, das tränenfeste Augen-Make-up, die Heimdauer-welle, die bügelfreie Rüschchenbluse, die Unterwäschezum Wegwerfen. Dabei hat er immer noch das gleicheZiel vor Augen: daß das alles einmal ein Ende neh-men wird, daß alle spezifisch weiblichen, ihm fremden,also »höheren« Lebensbedürfnisse der »von Natur ausempfindlicheren, sensibleren« Frau - wie er glaubt -erfüllt sein werden und sie aus ihrem Leben endlichdas macht, was er einzig und allein für lebenswerthält: das Leben eines freien Mannes.

Und er wartet. Da die Frau nicht von allein zu ihmkommt, beginnt er sie in seine Welt zu locken: Erpropagiert Koedukation auf den Schulen, um ihr vonklein an seinen Lebensstil vorzuführen. Er holt sie mitallen möglichen Ausreden auf seine Universitäten, «msie in die von ihm entdeckten Geheimnisse einzuwei-hen und in der Hoffnung, sie gewänne durch direkteAnschauung Geschmack an den großen Dingen. Erverschafft ihr Zugang auch zu den letzten Ehrenämtern,die er bisher noch exklusiv ausgeübt hat (gibt dabeiihm heilige Traditionen auf), und animiert sie zurWahrnehmung ihres politischen Wahlrechts, damit siedie von ihm ausgeklügelten Systeme der Staatsverwal-tung nach ihren Vorstellungen verändern kann (viel-

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leicht erhofft er sich in der Politik von ihr sogar denFrieden, denn er schreibt ihr ja pazifistisches Cha-risma zu).

Er ist so konsequent und verbissen bei seiner ver-meintlichen Aufgabe, daß er nicht merkt, wie lächer-lich er sich macht. Lächerlich nach seinen eigenen Maß-stäben, nicht nach denen der Frau: Diese ist unfähig,Abstand zu gewinnen, und deshalb völlig humorlos.

Nein, die Frauen lachen nicht über die Männer. Siekönnten höchstens eines Tages ärgerlich über sie wer-den. Noch erscheinen die alten Fassaden - Haushalt,Versorgung der Kinder -, mit denen sie ihren Ver-zicht auf eine geistige Existenz kaschieren, nach außenhin nicht baufällig genug, um den vorzeitigen Abgangder Mädchen aus den Hochschulen und ihren Verzichtauf die anspruchsvolleren Berufe nicht wenigstens proforma zu rechtfertigen. Wie wird es aber sein, wenn dieHausarbeit noch mehr automatisiert ist, wenn es wirk-lich genug gute Kindertagesstätten gibt oder wenn dieMänner gar entdecken - was eigentlich längt fälligwäre —, daß man zum Leben Kinder überhaupt nichtbraucht?

Wenn der Mann nur einmal in seiner blinden Ak-tivität einhalten und Bilanz ziehen würde, so müßte

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er feststellen, daß seine Bemühungen um die geistigeBelebung der Frau ihn nicht einen Schritt weiterge-bracht haben. Daß die Frau zwar von Tag zu Tag ge-putzter, gepflegter und »kultivierter« wird, daß sieaber immer nur höhere materielle Ansprüche an ihrLeben stellt und niemals geistige.

Hat sie zum Beispiel seine Art zu denken, die erauf seinen Hochschulen lehrt, je zur Entwicklung eige-ner Theorien verleitet? Hat sie seine Forschungsinsti-tute, die er für sie geöffnet hat, jemals für eigene For-schungen in Anspruch genommen? — Es müßte demMann allmählich auffallen, daß die Frau all die wun-dervollen Bücher, die er ihr in seinen Bibliotheken zurVerfügung stellt, einfach nicht liest. Daß seine phan-tastischen Kunstwerke, die er ihr in seinen Museenzeigt, sie bestenfalls zur Imitation anregen. Daß alldie Aufrufe zur Selbstbefreiung, die er ihr in Filmenund Theaterstücken auf ihrem eigenen Niveau in ihrereigenen Sprache nahebringen will, von ihr immer nurnach ihrem Unterhaltungswert beurteilt werden und sienie, aber auch wirklich nie zur Revolte verleiten.

Es ist ganz logisch, daß der Mann, der die Frau fürseinesgleichen hält und dabei mitansehen muß, wasfür ein stupides Leben sie neben ihm führt, glaubt, erunterdrücke sie. Doch solange man sich erinnert, ist die

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Frau nidit mehr zu irgendeiner Unterwerfung unterden Willen des Mannes gezwungen worden, im Ge-genteil: Es sind ihr alle Möglichkeiten zur Verfügunggestanden, sich unabhängig zu machen. Wenn sich alsodie Frau in dieser langen Zeit nicht von ihrem »Joch«: —_.«•*•-•»befreit hat, dann gibt es dafür nur eine Erklärung: Sie •**""""*"i i • J?ö*^*~' ' '

hatkems. /wJ^wDer Mann liebt seine Frau, aber er verachtet sie

auch, weil ein Mensch, der morgens auszieht, um vol-ler Energie neue Welten zu erobern - was ihm dann,aus Gründen des Broterwerbs, freilich nur selten ge-lingt -, einen, der das nicht will, verachtet. Und dasist es, was den Mann vielleicht am meisten dazubringt, sich um die geistige Entwicklung der Frau zubemühen: Er schämt sich für sie und glaubt, sie schämesich auch. Er möchte ihr wie ein Gentleman aus derVerlegenheit helfen.

Was er nicht weiß, ist, daß die Frauen diese Neu-gier, diesen Ehrgeiz, diesen Tatendrang, die ihm soselbstverständlich erscheinen, nicht kennen. Wenn sie (\nicht an der Welt der Männer teilnehmen, dann des- ' "halb, weil sie nicht wollen: Sie haben kein Bedürfnisnach dieser Welt. Die Art Unabhängigkeit der Männerwäre für sie vollkommen wertlos, sie fühlen sich nichtabhängig. Die geistige Überlegenheit des Mannes schüch-

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tert sie nidit ein, Ehrgeiz in geistigen Dingen kennensie ja nicht.

Die Frauen können wählen, und das ist es, was sieden Männern so unendlich überlegen macht: Jede vonihnen hat die Wahl zwischen der Lebensform einesMannes und der eines dummen, parasitären Luxus-geschöpfes - und so gut wie jede wählt für sich diezweite Möglichkeit. Der Mann hat diese Wahl nicht.

Würden sich die Frauen von den Männern unter-drückt fühlen, hätten sie doch ihnen gegenüber Haßoder Furcht entwickelt, wie man dies Unterdrückerngegenüber nun einmal tut — doch die Frauen hassen dieMänner nicht, und sie fürchten sie auch nicht. Würdendie Männer sie mit ihrem größeren Wissen demütigen,so hätten sie - da ihnen alle Mittel zur Verfügungstehen - danach getrachtet, es ihnen gleichzutun.Würden die Frauen sich unfrei fühlen, dann hättensie sich wenigstens jetzt, in dieser günstigsten Konstella-tion ihrer Geschichte, endlich von ihren Unterdrückernbefreit.

In der Schweiz (einem der am höchsten entwickeltenStaaten der Welt, in dem die Frauen bis vor kurzemnoch kein politisches Wahlrecht hatten) ließ man in einembestimmten Kanton die Frauen über die Einführungdes Frauenwahlrechts selbst abstimmen - die Mehrheit

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entschied sich dagegen. Die schweizerischen Männer wa-ren bestürzt, glaubten sie doch in diesem unwürdigenVerhalten das Werk ihrer jahrhundertelangen Bevor-mundung zu sehen.

Wie sie sich irren: Die Frau fühlt sich durch denMann alles andere als bevormundet. Eine der vielendeprimierenden Wahrheiten im Verhältnis zwischenden Geschlechtern ist ganz einfach die, daß in der Weltder Frauen der Mann praktisch nicht existiert. DerMann ist der Frau nicht wichtig genug, daß sie sichgegen ihn auflehnt. Ihre Abhängigkeit von ihm ist janur materieller, gewissermaßen »physikalischer« Art.Es ist die Abhängigkeit eines Touristen von seinerFluggesellschaft, eines Wirts von seiner Kaffeemaschi-ne, eines Autos von Benzin, eines Fernsehgeräts vonStrom. Solche Abhängigkeiten bereiten keine Seelen-qualen.

Ibsen, der dem gleichen Irrtum erlegen war wie dieanderen Männer, hat sich die Mühe gemacht, mit seiner»Nora« eine Art Befreiungsmanifest für alle Frauenzu schreiben. Aber die Uraufführung des Stückes imJahr 1880 hat lediglich bei den Männern einen Schockbewirkt. Sie schworen sich, noch verbissener für men-schenwürdige Lebensbedingungen der Frau zu kämp-fen.

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Bei den Frauen selbst übrigens haben sich die Eman-zipationsbestrebungen wie üblich in einer modischenVariante erschöpft: Eine Zeitlang gefielen sie sich in deroft belächelten Maskerade der Suffragetten.

Einen ähnlich tiefen Eindruck hat später die Philo-sophie Sartres auf die Frauen gemacht. Zum Beweis,daß sie alles verstanden hatten, ließen sie sich die Haarebis zur Taille wachsen und trugen dazu Hosen undschwarze Pullover.

Das gleiche widerfuhr kürzlich den Lehren desKommunistenführers Mao Tse-tung; für die Dauereiner Saison war der »Mao-Look« in Mode.

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Der weibliche Horizont

Was immer die Männer anfangen, um den Frauen zuimponieren: In der Welt der Frauen zählen sie nicht.In der Welt der Frauen zählen nur die anderen Frauen.

Wenn eine Frau bemerkt, daß ein Mann sich aufder Straße nach ihr umdreht, freut sie sich natürlich.Ist dieser Mann teuer angezogen oder fährt er gareinen teuren Sportwagen, dann ist die Freude um sogrößer. Sie ist etwa mit jenem Gefühl vergleichbar,das ein Aktionär bei der Lektüre eines positiven Bör-senzettels empfindet. Ob der Mann für die Frau gutaussieht oder nicht, sympathisch oder nicht, intelli-gent oder nicht, spielt keine Rolle. Dem Aktionär istes ja auch gleichgültig, mit welchen Farben seine Cou-pons bedruckt sind.

Erlebt diese Frau hingegen, daß sich eine andereFrau nach ihr umwendet — was wirklich nur im äußer-sten Fall geschieht, denn die Maßstäbe, nach denenFrauen sich gegenseitig messen, sind viel umbarmher-ziger als die der Männer -, hat sie ihr Höchstes er-reicht. Dafür lebt sie: für die Anerkennung, für dieBewunderung, für die »Liebe« der anderen Frauen.

Denn in der Welt der Frauen existieren nur dieanderen Frauen: die Frauen, mit denen sie beimKirchgang, Elternabend oder im Supermarkt zusam-mentreffen. Die Frauen, mit denen sie sich über die

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Hecken ihrer Vorgärten hinweg unterhalten. DieFrauen, an denen sie beim Einkaufsbummel in den ele-ganten Geschäftsstraßen oder bei festlichen Abendver-anstaltungen scheinbar achtlos vorübergehen. Sie mes-sen sich mit dem, was in deren Köpfen ist, nicht indenen der Männer, ihr Urteil ist für sie ausschlagge-bend, nicht das der Männer, und für ein schlichtes Lobaus dem Mund einer anderen Frau verzichten sie gernauf all die unbeholfenen Komplimente ihrer Liebhaber,die doch immer nur dilettantisch sein können. DennMänner haben keine Ahnung, in welcher Welt dieFrauen wirklich leben, und übersehen so bei ihren Lo-beshymnen immer alle wichtigen Gesichtspunkte.

Dann wollen die Frauen den Männern also garnicht gefallen? Vergessen wir nicht, daß die Männerihre materielle Basis sind. Aber die Bedürfnisse derMänner wären, da sie in bezug auf Frauen so gut wieausschließlich auf Sexsymbole und eine gewisse Ver-fremdung durch Schminke reagieren, mit viel wenigerAufwand zu befriedigen. Zum Beispiel durch langeHaare, bemalte Lippen, enganliegende Pullover, kur-ze Röcke, durchsichtige Strümpfe, Stöckelabsätze.Doch die lebenden weiblichen Kunstwerke, die man inden eleganten Einkaufsstraßen von Paris, Rom oderNew York trifft, sind den Wünschen und dem Ver-

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ständnis der Männer weit entrückt. Einen Lidschattengut zu placieren und abzutönen erfordert eine hoheKultur; die Wahl eines bestimmten Lippenstifts, dieTechnik, ihn optimal, mit Pinseln oder direkt, inSchichten oder nicht in Schichten, aufzutragen, die ge-wünschten Wirkungen und die unerwünschten Neben-wirkungen von falschen Wimpern in ein optimales Ver-hältnis zu bringen und am Schluß alles in sich und mitdem Kleid, der Stola, dem Mantel, der Beleuchtung ab-zustimmen, erfordert Spezialistentum. Ein Mann hatdafür keinen Sinn, er hat überhaupt keine Kultur inbezug auf weibliche Maskerade entwickelt und kanndeshalb wandelnde Kunstwerke dieser Art in ihrerganzen Größe überhaupt nicht adäquat bewerten.Denn dazu braucht man Zeit, Geld und eine unendlichegeistige Beschränktheit - Voraussetzungen, die sichausschließlich bei Frauen finden lassen. txw

In anderen Worten: Eine Frau wird einen Mann*-*"4^'\^\immer nur so weit beeindrucken wollen, daß er bei ihr fbleibt und sie - im weitesten Sinn allerdings - er-^Ty..nährt. Alles was sie sonst noch in sich investiert, zielt f 0 \x

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auf die anderen Frauen: Außerhalb seiner Funktionals Ernährer mißt die Frau dem Mann keinen Wert zu.

Wenn ein Unternehmen hinter einer Spitzenarbeits-kraft her ist, wird es versuchen, sie mit den äußersten

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Mitteln so lange zu ködern, bis sie weich ist. Es weiß,daß es sich nach Unterzeichnung des Vertrags schadloshalten kann. Es sitzt immer am längeren Hebel.Mit den Frauen ist es das gleiche: Sie lassen ihremMann nur so viel Leine, daß er das Leben an ihrerSeite einer Kündigung des Vertrags gerade noch vor-zieht.

Überhaupt kann man eine Frau gut mit einer Fir-ma vergleichen. So wie eine Firma ein neutrales Sy-stem zur Gewinnmaximierung ist, so ist die Frau ohnepersönliche Liebe, Bosheit und ohne Haß mit demMann verbunden, der für sie arbeitet. Wenn er sie ver-läßt, bekommt sie es natürlich mit der Angst zu tun,denn ihre wirtschaftliche Existenz steht ja auf demSpiel. Aber dies ist eine rationale Angst, sie hat ratio-nale Ursachen und läßt sich ausschließlich rational -ohne daß sich Abgründe auftun könnten — kompen-sieren. Zum Beispiel dadurch, daß sie einen anderenMann unter Vertrag nimmt. Diese Angst hat alsoüberhaupt nichts mit den Empfindungen eines Manneszu tun, der sich in der gleichen Situation in Eifersucht,Minderwertigkeitsgefühlen oder Selbstmitleid verzehrt.

Da ein Mann eine Frau immer nur wegen eineranderen Frau verläßt und nie, um frei zu sein, gibt esfür eine Frau keinen Grund, ihn zu beneiden oder gar

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eifersüchtig zu werden. Er verbessert ja in ihren Augenseine Position um nichts. Das existentielle Abenteuer,das ihrem Mann durch die neue Liebe zu einer ande-ren Frau widerfährt, beobachtet sie aus der Perspek-tive eines kleinen Unternehmers, der seinen bestenAngestellten an die Konkurrenz verliert und sich nunder Mühe unterziehen muß, einen brauchbaren Ersatzaufzutreiben. Liebeskummer ist also für die Frau be-stenfalls das Gefühl, daß ihr ein gutes Geschäft davon-schwimmt.

Deshalb ist es auch absurd, wenn ein Mann zum Bei-spiel seine Frau für treu hält, nur weil sie ihn nichtmit anderen, in seinen Augen weit attraktiverenMännern seiner Umgebung betrügt. Warum sollte siedas tun, solange er gut für sie arbeitet und sie dadurchdie Freuden haben kann, auf die es ihr wirklich an-kommt? Die Treue einer Frau hat mit der Treue einesMannes prinzipiell nichts gemein: Frauen sind, im Ge-gensatz zu Männern, für das Äußere ihres Partners sogut wie unempfindlich. Flirtet eine Frau mit dem be-sten Freund ihres Mannes, dann will sie damit be-stimmt nur dessen Frau ärgern und nicht ihren Mann,denn nur deren Gefühle sind für sie wichtig (wenn esihr um den Mann ginge, würde sie das bestimmt nicht

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so offen zeigen). Die neuen Gruppensexpraktiken sindlediglich eine Variante des in manchen Gesellschafts-kreisen überholten Flirts. Auch hier kommt es der Fraunur auf die anderen Frauen an und nicht auf derenMänner. Die Geschichte ist voll von Anekdoten überKönige und Fürsten, die sich mit mehreren Mätressenzugleich vergnügten. Über weibliche Potentaten kursie-ren solche Histörchen kaum: Eine Frau würde sich beimGruppensex nur mit Männern zu Tode langweilen; daswar schon immer so und wird sich nicht ändern.

Würden die Frauen auf das Aussehen der Männerreagieren, hätte es sich die Werbung längst zunutzegemacht. Da die Frauen — dank des Geldes, das dieMänner für sie verdienen — über eine weit größereKaufkraft verfügen als die Männer (darüber gibt esaufschlußreiche Statistiken), würden die Fabrikantenselbstverständlich versuchen, den Kauf ihrer Produktedurch Fotos und Werbespots von schönen, kräftigenMännern mit ausgeprägten sekundären Geschlechts- .merkmalen zu stimulieren. Aber das Gegenteil ist derFall: Wohin man sieht, präsentieren die Werbeagentu-ren schöne Mädchen, die zum Kauf von Pauschalrei-sen, Autos, Waschpulver, Fernsehgeräten oder Schlaf-zimmereinrichtungen verführen sollen.

Die Filmproduzenten finden erst jetzt allmählich

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heraus, daß man den Frauen statt der gewohnten beausgenausogut häßliche Liebhaber, wie etwa Belmondo,Walther Matthau oder Dustin Hoffman vorzeigenkann. Die Männer, die in physischer Hinsicht ein sehrniederes Selbstwertgefühl haben und sich nur aus-nahmsweise für schön halten - schön sind in ihrenAugen nur die Frauen -, können sich mit häßlichenSchauspielern leichter identifizieren. Solange nur dieweiblichen Hauptrollen weiterhin mit schönen Starsbesetzt bleiben, konsumieren die Frauen diese Filmeebenso gern wie die mit Rock Hudson, denn wirklichinteressieren werden sie nur die darin vorkommendenFrauen.

Dieser Umstand konnte dem Mann eigentlich nurdeshalb verborgen bleiben, weil er ständig erlebt, wieeine Frau die andere diffamiert. Wenn er immer wie-der hört, wie seine Frau die krumme Nase, den fla-chen Busen, die X-Beine oder die fülligen Hüften eineranderen kritisiert, muß er logischerweise annehmen,die Frauen könnten sich gegenseitig nicht ausstehenoder fänden sich zumindest ganz und gar reizlos. Dochdas ist natürlich eine Fehlinterpretation: Einen Firmen-inhaber, der ständig vor seinen Angestellten die Kon-kurrenzfirma lobt, würde man ja auch für wahnsinnighalten. Er wäre seine besten Angestellten sicher bald

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los. Politiker müssen die gleiche Art Komödie auffüh-ren und sich gegenseitig öffentlich verteufeln; dabeiwürde sich Nixon bestimmt viel lieber mit Kossyginoder Fidel Castro auf eine einsame Insel verbannenlassen als mit dem hochgelobten Mann von der Straße,der ihm das Mandat verschafft hat. Mit dem Mannvon der Straße verbindet ihn so gut wie nichts.

Wenn es sich die Frauen materiell leisten könnten,würden sie sich bestimmt eher mit anderen Frauen zu-sammentun als mit Männern. Nicht etwa, weil sie allelesbisch wären. Was die Männer die lesbische Veran-lagung der Frau nennen, hat vermutlich wenig mit demGeschlechtstrieb der Frauen zu tun. Nein - die beidenGeschlechter haben so gut wie keine gemeinsamen In-teressen. Was also sollte die Frauen bei den Männernhalten, wenn nicht das Geld? Sie selbst hätten unter-einander so viel Gemeinsamkeit, denn der weibliche In-tellekt und das weibliche Gefühlsleben sind auf einemprimitiven, das heißt allgemeinen Niveau stehengeblie-ben, und es gibt so gut wie keine individualistisch oderaußenseiterisch veranlagten Frauen. Man könnte sichgut vorstellen, was für ein anregendes Leben sie mit-einander führen würden - ein paradiesisches Lebenvielleicht, wenn auch auf einem schauderhaft niedrigenNiveau. Aber wen könnte das schon stören?

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Das schönere Geschlecht

Der Mann wäre für einen außerirdischen Betrachtersicher das anbetungswürdigste Wesen auf diesem Pla-neten; jedenfalls steht außer Zweifel, daß er ihnweit attraktiver finden müßte als beispielsweise dieFrau. Denn der Frau gegenüber hat er zwei Vorzüge:Er ist schön, und er ist intelligent.,v ^ . . -s %i- >r

Nur dank einer jahrhundertelangen Verwirrungaller Wertmaßstäbe kann es möglich geworden sein,die Frau als »das schöne Geschlecht« zu apostrophie-ren. Allein die Tatsache, daß sie dümmer ist als derMann, würde genügen, diese absurde Behauptung zuwiderlegen. Ein dummer Mensch kann niemals schönsein, es sei denn, man legt den kreatürlichen Charak-ter des Menschen bei der Beurteilung zugrunde. Undes muß betont werden, daß vor allem der Mann selbstden Fehler begeht, die Frau nach Maßstäben zu bewer-ten, die Mensch und Tier auf die gleiche Stufe stellen.Das ist wohl nötig, denn in der Gruppe homo sapienshätte sie nicht die geringste Chance.

Der Mann braucht, wie wir noch sehen werden, dieFrau, um sich ihr zu unterwerfen. Und um vor sichselbst zu bestehen, läßt er nichts unversucht, sie mitQualitäten auszustatten, die seine Unterwerfung recht-fertigen. Da sie ihren Geist noch nie unter Beweis ge-stellt hat, kann er sie nicht gut für geistreich halten

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(obwohl er mit der Erfindung des Begriffs »weiblicheIntuition« auch in dieser Richtung schon Versuche un-ternommen hat). Also nennt er sie schön.

Ästhetische Maßstäbe erzwingen die Haltung derSubjektivität, jedes ästhetische Urteil ist ein Akt per-sönlicher Freiheit. Aber die Subjektivität wird leichtzum Alibi, und der Mann läßt sich gern versklaven.Nur weil die Frau sich auf eine Weise herausputzt,die darauf abzielt, alle Blicke auf sich zu lenken, setztder Mann voraus, sie habe auch einen Grund dazu. Erfindet sie schön, weil sie sich selbst schön findet. Under ist ihr dankbar dafür, daß sie ihm erlaubt, sie schönzu finden.

Sie unterstützt diesen Anspruch auch noch miteinem Trick: Da sich das höchste Ideal der Frau - einLeben ohne Arbeit und Verantwortung - mit dem einesKindes deckt, imitiert sie das Kind. Kinder sind »rüh-rend« hilflos, sie haben einen lustigen kleinen Körpermit lustigen kleinen Gliedmaßen, über ihren lustigenkleinen Fettpolstern spannt sich makellose, junge, zarteHaut. Sie können leicht zum Lachen gebracht werden,benehmen sich überhaupt possierlich - sie sind eineVerniedlichungsform des Erwachsenen -, und da siesich nicht selbst ernähren können, ist es selbstverständ-lich, daß man für sie sorgt und ihnen alle Schwierig-

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keiten aus dem Weg räumt. Das ist durch einen biolo- j cjeisdien Mechanismus gesichert: Spezies, die ihre Nach- -f Jkommenschaft zugrunde gehen lassen, sterben aus. ^

Durch eine raffinierte Kosmetik, die darauf abzielt, Tihren Baby-Look zu konservieren und ein hilflos-nied- "Jliches Geplapper, in dem Ausdrücke des Erstaunens, -**der Überraschung und der Bewunderung (»Oh!«, »Ah!«,»Wundervoll!«) die Hauptrolle spielen, versucht sie,ihrer Umwelt so lang wie möglich das süße liebe kleineMädchen vorzugaukeln. Denn dadurch, daß sie ihrKindergesicht und eine gewisse Attitüde der Hilflosig-keit bewahrt, appelliert sie an die Beschützerinstinktedes Mannes und veranlaßt ihn, für sie zu sorgen. A

Diese Rechnung ist, wie alles, was die Frau selb- 7ständig unternimmt, so dumm und kurzsichtig, daß es jan ein Wunder grenzt, wenn sie trotzdem aufgeht. So-lang sie nämlich das Babygesicht als weibliches Schön-heitsideal propagiert, muß sie sich spätestens mit fünf-undzwanzig Jahren in einer Sackgasse wiederfmden.Mit allen Tricks der Kosmetik (in Frauenzeitschriftenliest man tatsächlich, die Frau habe beim Denken Denk-falten und beim Lachen Lachfalten zu vermeiden) läßtes sich nicht verhindern, daß sie in diesem Alter dasGesicht einer Erwachsenen bekommt. Aber was soll derMann, der darauf dressiert wurde, nur süße kleine

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Mäddien schön, liebenswert und hilfsbedürftig zu rin-den, mit einer erwachsenen Frau anfangen?

Was soll er anfangen mit einer Frau, deren glatte,feste Rundungen zu schwabbeligen Fettklumpen un-ter einer schlaffen, weißen Hautdecke geworden sind?Deren Stimme nicht mehr kindlich klingt, sondernschrill? Deren Lachen nicht mehr spontan und fröh-lich ist, sondern stoßweise und wiehernd? Mit einerSchreckschraube, deren abstoßend dummes Geschwätzjetzt, da es nicht mehr aus Kindermund kommt, an sei-nen Nerven zerrt und in deren Gesicht die vielen über-raschten »Ahs« und »Ohs« immer seltener den Aus-druck naiven Erstaunens hervorzaubern und immerhäufiger den des Schwachsinns? Keinerlei erotischeWunschträume wird die kindische Mumie jemals wie-der entzünden. Man möchte glauben, endlich sei es ausmit ihrer Macht.

Doch die Rechnung der Frauen geht, wie gesagt,trotzdem auf, und zwar aus zwei Gründen: erstens,weil sie mit Hilfe der Kinder, die sie inzwischen gebo-ren haben, wiederum Schutzlosigkeit vortäuschen kön-nen, und zweitens, weil es auf der Welt einfach nichtgenug junge Frauen gibt.

Es liegt wohl auf der Hand, daß die Männer, hät-ten sie nur die Wahl, ihre erwachsen gewordenen Baby-

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Frauen von Herzen gern gegen jüngere eintauschenwürden. Doch weil das zahlenmäßige Verhältnis zwi-schen den Geschlechtern annähernd eins zu eins ist,es also nicht für jeden Mann zu jeder Zeit eine jungeFrau geben kann — und weil er zum Leben unbedingteine Frau braucht -, bleibt er bei der, die er schon hat.

Der Beweis ist leicht zu erbringen. Wenn der Manntatsächlich wählen kann, wählt er immer die jüngereFrau. Marilyn Monroe oder Liz Taylor waren in demAugenblick passe, als sich zum ersten Mal ihre Fält-dhen nicht mehr vollständig verkleistern ließen: DerMann'hat an der Kinokasse einfach das Billett für einejüngere gekauft. Wer es sich finanziell leisten kann,wählt nicht nur an der Kinokasse, sondern auch imLeben. Die Manager aus Finanzwelt und Showbusinesstauschen regelmäßig ihre altgedienten Ehefrauen gegenjüngere ein. Da sie gute Ablösungen bezahlen, findetniemand etwas dabei, nicht einmal die Frau selbst(die ist vermutlich froh, den Mann so günstig loszu-werden).

Aber diesen Luxus können sich nur die reichenMänner leisten. Wenn ein armer Schlucker sich auf-bläst und in einem Augenblick des Überschwangs undder Verblendung zum zweiten Mal eine junge Fraunimmt, kann er sicher sein, daß er sie bald wieder ver-

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liert, weil sein Geld zum Unterhalt von zwei Frauen(und der Kinder, auf denen auch die zweite bestehenwird) nicht ausreicht: Hat eine schöne junge Frau dieWahl zwischen einem älteren und einem jüngerenMann mit gleichem Einkommen, wird sie auf jedenFall den jüngeren bevorzugen, und zwar nicht, weildessen Jugend sie ästhetisch oder sympathisch beeinflus-sen würde, sondern weil er länger für sie sorgen kann.Die Frauen wissen genau, was sie von einem Mann er-warten, daher wissen sie auch, wie sie sich zu entschei-den haben. - Vermutlich ist es noch nie vorgekommen,daß eine Frau einen armen zwanzigjährigen Manneinem reichen vierzigjährigen vorgezogen hätte.

Es ist ein großes Glück für die erwachsenen Frauen,daß die Männer sich selbst nicht für schön halten.

*^*1 "K i Dabei sind die meisten Männer schön. Mit ihrem glat-l, <?»»*.• t e r i ) v o n J e r Arbeit trainierten Körper, ihren kräftigen

Schultern, ihren muskulösen Beinen, ihren melodischenStimmen, ihrem warmen, menschlichen Lachen, ihremintelligenten Gesichtsausdruck und ihren ausgewoge-nen — weil sinnvollen — Bewegungen stellen sie allesin den Schatten, was die Frau auch bei rein kreatür-licher Betrachtungsweise jemals sein könnte. Und da sieim Gegensatz zur Frau arbeiten und ihren Körper

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ständig sinnvoll weiterbenützen, bleibt er auch längerschön als ihrer, der infolge fehlenden Trainings raschverfällt und nach fünfzig Jahren nichts weiter mehr istals ein beliebiger Haufen menschlicher Zellen (manbeobachte nur einmal auf der Straße die fünfzigjähri-gen Hausfrauen und vergleiche ihr Aussehen mit demgleichaltriger Männer). i , }

Aber die Männer wissen nicht, daß sie schön sind.1 '-* 'Es sagt ihnen niemand. Man faselt von der »Anmut«der Frauen, vom »Liebreiz« der Kinder, vom »Zauber«der Tierwelt. Doch wenn vom Mann die Rede ist, dannlobt man höchstens seinen Mut, seine Tapferkeit, seineEntschlossenheit - lauter Eigenschaften, die sich aufseine Verwertbarkeit für die Zwecke der Frauen be-ziehen und nie auf seine äußere Erscheinung. Es gibtwohl außerhalb der medizinischen Lehrbücher keineBeschreibung des Mannes, die sich lang mit der Formseiner Lippen, der Farbe seiner Augen bei dieser oderjener Beleuchtung, beim kräftigen Wuchs seiner Haare,der Zartheit seiner Brustwarzen oder der Ebenmäßig-keit seiner Hodensäcke aufhielte. Und der Mann selbstwäre höchst erstaunt und belustigt, wenn man ihn we-gen dieser Merkmale seines Körpers loben würde.

Der Mann ist nicht daran gewöhnt, daß man vonseinem Aussehen redet. Die erwachsene Frau, die meist

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häßlich ist und somit genug Anlaß hätte, sich der Be-wunderung des Mannes hinzugeben (und Zeit dazuhätte), sieht ihn nicht. Das ist keine Böswilligkeit odergar Berechnung, aber für sie ist der Mann eine ArtMaschine, die materielle Werte produziert. Eine Ma-schine beurteilt man nicht nach ästhetischen, sondernnach funktionellen Gesichtspunkten. Der Mann ist dergleichen Ansicht und beurteilt sich ebenso. Die Männersind viel zu sehr in den Arbeitsprozeß eingespannt undvom permanenten Konkurrenzkampf zermürbt, umsich mit Abstand sehen zu können.

Vor allem aber wollen die Männer gar nicht wis-sen, ob sie schön sind oder nicht. Um ihrem Kampfeinen Sinn zu geben, müssen ganz einfach die Frauendie Schönen sein, die Hilflosen, die Anbetungswürdi-gen. Und deshalb nennen sie sie weiterhin, in Erman-gelung einer genaueren Definition für ihre wider-sprüchlichen Eindrücke, »das schöne Geschlecht«.

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Pas Universum ist männlich

Der Mann ist - im Gegensatz zur Frau - schön, weil •• . . . ' .

er - im Gegensatz zur Frau - ein geistiges Wesen ist.Das bedeutet:Der Mann ist neugierig (er will wissen, wie die

Welt um ihn herum aussieht und wie sie funktioniert).Der Mann denkt (er zieht Folgerungen aus den

Daten, die er vorfindet).Der Mann ist schöpferisch (er macht, aufgrund sei-

ner Kenntnisse über Vorhandenes, etwas Neues).Der Mann fühlt (Auf seiner außerordentlich brei-

ten, außerordentlich vieldimensionalen Gefühlsskalaregistriert er nicht nur Herkömmliches in feinsten Ab-stufungen. Er schafft und entdeckt auch neue Gefühls-werte und macht sie durch sensible Beschreibungen auchanderen zugänglich oder stellt sie in Beispielen künstle-risch dar).

Von allen Qualitäten des Mannes ist seine Neu-gier sicher die ausgeprägteste. Diese Neugier ist der-maßen verschieden von der Neugier der Frau, daß esunbedingt einiger Erläuterungen bedarf:

Die Frau interessiert sich prinzipiell nur für Dinge,die sie unmittelbar für sich persönlich nutzbringendverwerten kann. Wenn sie zum Beispiel in der Zeitungeinen politischen Artikel liest, so ist viel wahrschein-licher, daß sie einen Studenten der Politischen Wissen-

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sdiaften becircen will, als daß sie Anteil am Schicksalder Chinesen, Israelis oder Südafrikaner nimmt.Schlägt sie im Lexikon den Namen eines griechischenPhilosophen nach, bedeutet das nicht ein plötzlichesInteresse an griechischer Philosophie, sondern daß erzur Lösung eines Kreuzworträtsels fehlt. Studiert siedie Reklame für ein neues Automobil, dann weil sie eshaben will und nicht aus einer Art platonischem Inter-esse an Technik.

Es ist eine Tatsache, daß die meisten Frauen - auchMütter - überhaupt keine Vorstellung davon haben,wie die menschliche Frucht entsteht, wie sie sich inihrem Leib entwickelt und welche Stadien sie bis zurGeburt durchläuft. Natürlich wäre es völlig überflüs-sig, wenn sie über diese Dinge Bescheid wüßten, dennsie könnten ja auf die Entwicklung des Fötus ohnehinkeinen Einfluß nehmen. Wichtig ist für sie zu wissen,daß eine Schwangerschaft neun Monate dauert, daßman sich unterdessen schonen und bei Komplikationensofort zum Arzt gehen muß, der selbstverständlich alleswieder in Ordnung bringt.

Die Neugier des Mannes ist dagegen etwas ganz an-deres: Sie genügt sich selbst, es ist kein unmittelbarerNutzeffekt damit verbunden, und sie ist dennoch nütz-licher als die der Frau.

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Man muß nur einmal an einer Baustelle vorbei-kommen, an der irgendein neues Arbeitsgerät einge-setzt wird, zum Beispiel eine neue Art Bagger. Es gibtkaum einen Mann — ganz gleich, welcher sozialenSchicht —, der daran vorbeigeht, ohne zumindest einenlängeren Blick darauf geworfen zu haben. Viele aberbleiben stehen, sehen zu und unterhalten sich darüber,welche Eigenschaften die neue Maschine besitzt, wie-viel sie leistet, warum sie es leistet und inwiefern siesich von herkömmlichen Modellen unterscheidet.

Einer Frau würde es nicht einfallen, an einer Bau-stelle stehenzubleiben, es sei denn, die Menschenan-sammlung wäre so groß, daß sie glauben müßte, eineprickelnde Sensation (»Arbeiter von Planierraupe zer-malmt«) zu versäumen. In einem solchen Fall wür-de sie sich erkundigen und sich dann sofort ab-

. • < ., r-wenden- ~'"""Y-"". ~', ' :""1 . ' . rc '

Die Neugier des Mannes ist universell. Es gibt prin-zipiell nichts, was ihn nicht interessiert, ob es sich nunum Politik handelt, Botanik, Atomtechnik oder umGott weiß was. Auch Dinge, die nicht in sein Ressortfallen, wie zum Beispiel das Einwecken von Obst, dasAnsetzen eines Kuchenteigs, die Pflege eines Säuglings,finden sein Interesse. Und einem Mann könnte es nichtpassieren, daß er neun Monate schwanger geht, ohne

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daß er über die Funktion von Plazenta und Ovarien inallen Einzelheiten Bescheid wüßte.

Der Mann beobachtet nicht nur alles, was um ihnherum (und in der Welt überhaupt) passiert, er inter-pretiert es auch. Da er versucht, sich über alles zu in-formieren, fällt es ihm auch leicht, Vergleiche anzu-stellen, im Gesehenen bestimmte Prinzipien zu erken-nen und diese nutzbringend anzuwenden - immer mitdem Ziel, etwas ganz anderes, nämlich etwas Neues,daraus zu machen. ,

Man muß nicht betonen, daß alle Erfindungen undEntdeckungen auf dieser Welt von Männern gemachtworden sind, ob es sich nun um Elektrizität, Aerodyna-mik, Gynäkologie, Kybernetik, Mechanik, Quanten-physik, Hydraulik oder Abstammungslehre handelt.•Auch die Prinzipien der Kinderpsychologie, der Säug-lingsernährung oder der Speisenkonservierung wur-den von Männern ersonnen. Ja, sogar die Wandlungender Damenmode oder etwas derart Banales wie dieEntdeckung neuer Speisenfolgen und Geschmacksnuan-cen liegen traditionell in den Händen der Männer.Sucht man ein besonderes Erlebnis für seinen Gaumen,so findet man es im allgemeinen nicht am Familientisch,sondern in einem Restaurant, in dem selbstverständ-lich das Essen von einem Mann zubereitet wird. Die

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Geschmackssensibilität der Frauen ist - selbst wenn siedie Absicht hätten, eine neue Speise zu erfinden -derart begrenzt und durch die Zubereitung der übli-chen phantasielosen Alltagsgerichte derart abgenützt,daß sie dazu nicht imstande wären. Es gibt keine weib-lichen Gourmets, die Frauen taugen zu überhauptnichts.

Doch der Mann, der alle geistigen und körperlichenVoraussetzungen für ein reiches, freies, menschenwür-diges Leben in sich vereint, verzichtet darauf und führtstatt dessen das Leben eines Sklaven. Denn was machter mit allen seinen wunderbaren Fähigkeiten? Erstellt sie in den Dienst derer, die diese Fähigkeitennicht haben. Er nennt sie »die Menschheit« und meintdamit die Frauen und die Kinder der Frauen.

Es ist wirklich eine Ironie, daß diejenigen, die dazubefähigt wären, ein ideales Leben zu führen, es nicht <wollen, und daß jene, denen sie ein solches Leben durch i -t<.ihr Opfer ermöglichen, nicht daran interessiert sind. ' v**< u

Man hat sich so sehr an diesen stumpfen Mechanismusder einseitigen Ausbeutung einer Menschengruppe durcheine Parasitenclique gewöhnt, daß alle Moralbegriffevöllig pervers geworden sind. Es ist für uns selbstver-ständlich, im männlichen Geschlecht den Sisyphos zu

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sehen, der auf die Welt kommt zum Lernen, Arbeiten,Kinderzeugen und dessen Söhne wiederum auf dieWelt kommen zum Lernen, Arbeiten, Kinderzeugenund immer weiter so, daß wir uns überhaupt nicht mehrvorstellen können, wozu der Mann sonst noch da seinsollte.

Ein junger Mann, der eine Familie gründet undsich hinfort sein ganzes Leben lang, meist in stumpf-sinnigen Tätigkeiten, der Ernährung von Frau undKindern widmet, gilt als ehrenwert. Einer, der sichnicht bindet, keine Kinder zeugt, mal hier und maldort lebt, mal dies und mal jenes tut — weil es ihninteressiert und um sich selbst und nur sich selbst zu er-nähren -, und der einer Frau, wenn er sie trifft, alsfreier Mensch gegenübertritt und nicht in der Unifor-mität des Sklaven, wird von der Gesellschaft ausge-stoßen und verachtet. v*'A > v

Es ist deprimierend zu sehen, wie die Männer Tagfür Tag all das verraten, wozu sie geboren sind. Wiesie, statt mit ihrem Geist, ihrer Kraft und ihrer unge-heueren Energie Welten zu erschließen, von denen mannoch nicht einmal zu träumen wagt - wie sie, stattGefühle zu erforschen, von deren Vorhandensein mannicht einmal etwas ahnt — wie sie, statt das Lebenunendlich reich und lebenswert zu machen (ihr eigenes,

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von dem die Frauen nichts verstehen), auf all diese un-geheueren Möglichkeiten verzichten und ihren Geistund ihren Körper freiwillig in Geleise zwängen, in de-nen sie für die abstoßend primitiven Bedürfnisse derFrauen nützlich sind. -

Mit dem Schlüssel zu allen Rätseln des Univer-sums in der Hand, begeben sich die Männer aus freienStücken auf das Niveau der Frauen herab und bie-dern sich ihnen an. Mit ihrem Geist, ihrer Kraft undihrer Phantasie, die dazu prädestiniert sind, zu ma-chen, was sein könnte, konservieren und verbessern siedas, was schon ist. Und wenn sie etwas erfinden, wases noch nicht gibt, so stets mit dem Alibi, daß es früheroder später ja doch der »ganzen Menschheit« (gemeintist: der Frau) zugute kommen wird. Sie entschuldigensich noch für ihre Großtaten, entschuldigen sich dafür,daß sie Weltraumfahrt betreiben und zum Mond flie-gen, statt noch mehr leiblichen Komfort für dieFrauen und deren Kinder zu schaffen. Die mühselig-ste Anstrengung bei ihren Neuentdeckungen war nochimmer deren Übersetzung in die weibliche Sprache,z. B. mittels Fernsehwerbespots aus Kindergeplapperund süßlichem Liebesgeflüster, mit denen sie dieFrauen sanft einladen, sich der neuen Errungenschaftendoch ruhig zu bedienen. Denn wegen ihrer erwiesenen

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Phantasielosigkeit besteht bei der Frau niemals a prioridas Bedürfnis nach irgendwelchen Erfindungen - sonstwürde sie doch einmal selbst eine machen, wenigstenseine einzige.

Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, daß dieMänner alles, was sie tun, im Hinblick auf die Frautun, daß wir nicht einmal mehr in Betracht ziehen,daß es auch anders sein könnte. Daß zum Beispieldie Komponisten auch einmal etwas anderes komponie-ren könnten als Z.z'e&e$-(Abhängigkeits-)Lieder. DaßSchriftsteller keine Romane und keine Z,z'e£es-(Abhän-gigkeits-)Lyrik mehr verfassen, sondern Kunst. Wie eswäre, wenn die Maler endlich aufhören würden mitihren ewigen Frauenakten und Frauenprofilen (gegen-standslos gemalt oder konventionell) und uns endlichetwas Neues sehen ließen, das wir noch niemals gese-hen haben!

Es müßte doch zu machen sein, daß die Wissen-schaftler ihre wissenschaftlichen Werke nicht mehrihren Frauen widmen (die sie doch nie, nie, nie ver-stehen), daß die Cineasten die Ideen ihrer Filme nichtmehr mit vollbusigen Frauenleibern belasten, daß dieZeitungen Raumfahrtreportagen nicht unbedingt mitgroßformatigen Fotos blondierter Astronautenfrauenentschuldigten, und auch, daß sich die Astronauten

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selbst etwas anderes von der Erde in den Raum über-spielen ließen als Z,*e&es-(Abhängigkeits-)Schnulzen.

Wir haben nidit die geringste Ahnung, wie eineWelt aussähe, in der die Männer die Phantasie, die siedarauf verwenden, noch schneller erhitzbare Schnell-kochtöpfe, noch weißer waschendes Waschpulver, nochfarbfestere Veloursteppiche und noch kußechtere Lip-penstifte zu fabrizieren, auf die Lösung wirklicher Pro-bleme verwendeten. In der sie, statt Kinder zu zeugen(die wieder Kinder zeugen) und so das Leben immerweiter fortzuschieben, selbst lebten. In der sie, statt im-mer wieder die »rätselhafte« Psyche der Frau erfor-schen zu wollen - sie erscheint ihnen nur so rätsel-haft, weil es dort rätselhafterweise nichts gibt, waserforscht werden könnte -, ihre eigene Psyche erforsch-ten oder sich auf die mögliche Psyche von möglichenLebewesen auf anderen Planeten besännen und sichWege einfallen ließen, mit diesen Kontakt aufzuneh-men. In der sie, statt Waffen für Kriege herzustellen,die doch kein anderes Ziel haben, als das (nur fürFrauen nützliche) Privateigentum zu beschützen, immereffektivere interstellare Raumfahrzeuge konstruierten,die sie fast so schnell wie das Licht zu anderen Weltentrügen und uns von Dingen berichteten, die wir unsnicht einmal träumen lassen.

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Leider haben die Männer, die über alles nachzuden-ken befähigt und willens sind, alles, was die Fraubetrifft, zum Tabu erklärt. Das Schlimmste ist, daß dieTabus so wirksam sind, daß sie niemand mehr erkennt.Die Männer führen, ohne je darüber nachzudenken,die Kriege der Frauen, zeugen die Kinder der Frauen,bauen die Städte der Frauen. Und diese Frauenwerden dabei immer fauler, dümmer, materiell an-spruchsvoller. Und immer reicher. Durch ein primitives,aber wirkungsvolles System von direkter Ausbeutung,Heirat, Scheidung, Beerbung, Witwen-, Alters- undLebensversicherung bereichern sie sich unaufhaltsam. Inden USA, wo der Anteil der berufstätigen Frauen seitJahrzehnten rückläufig ist, verfügen die Frauen be-kanntlich über mehr als die Hälfte des gesamtenPrivatvermögens. Nicht viel anders dürfte es in denfortschrittlichen Teilen Europas sein. Bald wird dieFrau außer der psychologischen Macht über den Mannauch die absolute materielle Macht über ihn haben.

Der Mann ignoriert das und sucht weiter seinGlück in der Unterwerfung. Sie hätte gewissermaßeneine poetische Rechtfertigung, wenn die Frau wirklichdas wäre, wofür er sie hält. Wenn sie dieses zarte, an-mutige Wesen wäre, diese gütige Fee, dieser Engel auseiner besseren Welt, zu gut für ihn und diese Erde.

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Wie ist es nur möglich, daß ausgeredinet die Män-ner, die sonst alles wissen wollen, vor diesen einfa-chen Tatsacher, die Augen verschließen? Daß sie nichtbemerken, daß an den Frauen, außer einer Vagina,zwei Brüsten und ein paar Lochkarten mit dummen,stereotypen Redensarten, nichts, aber auch wirklichnichts ist? Daß sie Konglomerate von Materie sind,Klumpen ausgestopfter Menschenhaut, die vorgeben,denkende Wesen zu sein?

Wenn die Männer nur einmal in ihrer blinden Pro-duktivität einhielten und überlegten, so müßten sie dochdie Frauen mit ihren Kettchen, Rüschenblüschen undGoldsandalettchen im Handumdrehen entlarvt und mitder ihnen eigenen Intelligenz, Phantasie und Zielstre-bigkeit innerhalb von Tagen ein Gerät konstruiert ha-ben, eine Art menschenähnlicher Maschine, die ihnenfür die Frau, an der weder außen noch innen etwasoriginell ist, einen vollwertigen Ersatz bieten würde.Warum fürchten sich die Männer so sehr vor der Wahr-heit?

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Ihre Dummheit macht die Frau göttlich 1Nur Unterdrückte können ein Bedürfnis nach Frei-heit entwickeln. Sobald sie frei sind — und voraus-gesetzt, sie sind intelligent genug, diese Freiheit mitallen Konsequenzen zu ermessen -, kehrt sich ihrfrüheres Freiheitsbedürfnis genau ins Gegenteil: Sie be-kommen Angst und fangen an, sich wieder nach derGeborgenheit fester Bindungen zu sehnen.

In seinen ersten Lebensjahren ist ein Mensch immerunfrei. Er ist eingekeilt zwischen den Regeln der Er-wachsenen und, da er selbst noch keine Erfahrung imsozialen Verhalten hat, von diesen Regeln auch voll-kommen abhängig. Er entwickelt deshalb einen star-ken Freiheitsdrang, wünscht sich nichts sehnlicher, alsseinem Gefängnis zu entrinnen, und tut das beierster Gelegenheit. Ist er dann endlich frei, wird ersich, falls er dumm ist - und Frauen sind dumm -, inseiner Freiheit sehr wohl fühlen und sie sich zu erhal-ten suchen. Ein dummer Mensch denkt nicht abstrakt,verläßt das eigene Terrain nicht und kennt deshalbauch keine Existenzangst. Er fürchtet sich nicht vordem Tod (er kann ihn sich nicht vorstellen) und fragtnicht nach dem Sinn des Daseins: Alle seine Handlun-gen erhalten in der Erfüllung seiner Komfortgelüsteeinen unmittelbaren Sinn, und der genügt ihm. AuchReligionsbedürfnisse sind ihm fremd. Sollten sie trotz-

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dem einmal auftreten, befriedigt er sie umgehend ansich selbst, denn es liegt im Charakter der Dummen,daß sie imstande sind, die eigene Person hemmungsloszu bewundern (hängt eine Frau einer Religion an,dann nur, damit sie in den Himmel kommt - derliebe Gott ist nichts weiter als der Mann, der das fürsie bewerkstelligen soll).

Die Lage des Intelligenten (des Mannes) ist ganzanders: Er empfindet zwar die Befreiung zunächst alsunendliche Erleichterung, die grandiosen Perspektivenseiner Unabhängigkeit berauschen ihn, doch sobald erdann von dieser Freiheit Gebrauch machen, also so-bald er sich durch eine freie Tat in dieser oder jenerRichtung festlegen will, bekommt er es mit der Angstzu tun: Da er abstrakt denken kann, weiß er auch,daß jede seiner Taten die Möglichkeit unendlich vielerKonsequenzen in sich birgt - Folgen, die er trotz seinerIntelligenz nicht alle vorhersehen kann und für die er,da er sich für die Tat frei entscheidet, voll verantwort-lich ist.

Wie gern würde er aus Furcht vor negativenAuswirkungen seiner Handlungen überhaupt nichtsmehr unternehmen! Und weil das nicht möglich ist -der Mann ist zu Taten verurteilt -, fängt er an, sichnach den festen Regeln seiner Kindheit zurückzuseh-

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nen, nach jemand, der ihm sagt, was er tun und lassensoll und so seinen jetzt sinnlosen Handlungen (dennsie dienen zwar letztlich dem eigenen Komfortbedürf-nis, doch wozu dient er selbst?) wieder einen Sinn gibtund ihm seine große Verantwortung erleichtert. Under sucht sich einen Gott, der ihm den Gott seiner Kind-heit — der seine Mutter war — ersetzt und dem ersich bedingungslos unterwerfen kann.

Am liebsten wäre ihm zu diesem Zweck ein zwarstrenger, aber auch gerechter, weiser und allwissenderGott, wie etwa der jüdische, christliche oder mohamme-danische. Doch da er intelligent ist, weiß er natürlich,daß es einen solchen nicht geben kann, daß jeder Er-wachsene per definitionem sein eigener Gott selbst istund daß er folglich seine Lust an der Unfreiheit (dieRückkehr in ein der frühkindlichen Abhängigkeit ähn-liches Stadium bereitet ihm tiefes Wohlbehagen) im-mer nur an selbsterfundenen Regeln befriedigen kann -und er macht sich daran, sich solche Regeln (Götter)zu erfinden.

Er tut es unbewußt mit anderen zusammen, er gibt,wie die anderen, seine Einzelerfahrungen zu Proto-koll, vergleicht sie mit denen der anderen, erkenntdarin Gemeinsames, erfaßt dieses Gemeinsame unbe-wußt mit den anderen in Regeln, erfindet so Gesetze

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für künftiges »sinnvolles« (das heißt, für irgend je-mand oder etwas außer ihm nützliches) Verhalten undunterwirft sich ihnen freiwillig. Die so entstehendenSysteme werden kollektiv und individuell immer wei-ter ausgebaut und sind bald so komplex, daß sie dereinzelne nicht mehr überblicken kann — sie gewinnenAutonomie und werden »göttlich«. Man kann ihrenGesetzen nur noch vertrauen - ebenso wie man alsunerfahrenes Kind den teils sinnvollen, teils sinnlosenGesetzen der Eltern vertrauen mußte -, kontrollierenkann man sie nicht, und bei ihrer Übertretung drohtimmer Ausschluß aus der Gemeinschaft und Verlustder Geborgenheit. Marxismus, Nächstenliebe, Rassis-mus oder Nationalismus sind solche erfundenen Syste-me, und Männer, denen es gelingt, ihr Religionsbe-dürfnis daran zu befriedigen, werden für die Unter-werfung unter eine Einzelperson (Frau) weitgehendimmun.

Die weitaus größte Zahl der Männer unterwirftsich jedoch vorzugsweise bewußt den ExklusivgötternFrauen (sie nennen diese Unterwerfung Liebe), denndiese haben für die Befriedigung ihrer Religionsbedürf-nisse die günstigsten Voraussetzungen: Die Frau istimmer für den Mann da, sie hat kein eigenes Religions-bedürfnis, ist also insofern tatsächlich »göttlich«. Weil

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sie ständig Forderungen stellt, fühlt der Mann sichvon ihr nie verlassen (sie ist als Gott immer gegen-wärtig). Sie macht ihn unabhängig von kollektivenGöttern, die er mit Konkurrenten teilen müßte. Sieerscheint ihm vertrauenswürdig, denn sie gleicht, indemsie seiner Mutter gleicht, dem Gott seiner Kindheit.Sie gibt seinem sinnlosen Leben einen künstlichen Sinn,denn alles, was er tut, gilt jetzt ihrem Komfort, nichtseinem (später auch noch dem Komfort ihrer Kinder).Sie kann als Göttin nicht nur strafen (durch Entzugvon Geborgenheit), sondern auch belohnen (durch Ge-währung von sexuellem Genuß).

Die wichtigsten Voraussetzungen für ihre Göttlich-keit sind jedoch ihr Hang zur Maskerade und ihreDummheit. Ein System muß seine Gläubigen entwederdurch seine Überlegenheit an Wissen beeindruckenoder diese durch seine Unverständlichkeit verwirren.Da die erste Möglichkeit für die Frauen nicht inFrage kommt, profitieren sie von der zweiten. IhreMaskerade läßt sie dem Mann fremd und geheimnis-voll erscheinen, ihre Dummheit macht sie für jeden sei-ner Kontrollversuche völlig unerreichbar. Denn wäh-rend sich Intelligenz in verständlichen, logischen Hand-lungen äußert und dadurch meßbar, berechenbar undkontrollierbar wird, entbehren die Handlungen der

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Dummen jeglicher Vernunft und lassen sich dadurch•weder voraussehen noch überprüfen. So ist die Frau,genau wie die Päpste und Diktatoren, durch einenSchutzwall aus Pomp, Maskerade und Geheimniskrä-merei ständig vor Entlarvung geschützt; sie kann ihreMacht immer weiter ausbauen und garantiert geradedadurch dem Mann auf lange Sicht die Befriedigungseiner Religionsbedürfnisse.

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Dressurakte

Damit der Mann in seiner Freude an der Unterwer-fung sich aber auch tatsächlich der Frau unterwirftund nicht etwa anderen Männern, einer Tierart odereinem der erwähnten Systeme, hat sie in sein Lebeneine Reihe von Dressurakten eingebaut, mit deren Ein-studierung sie frühzeitig beginnt. Dabei kommt es ihrzustatten, daß er ihr gerade dann am meisten ausge-liefert ist, wenn er sich am leichtesten dressieren läßt:als Kind. Und durch die natürliche Selektion reprodu-zieren sich gerade jene Frauen, die zur Dressur desMannes am besten geeignet sind - die anderen könnensich ja ohnehin nicht reproduzieren.

Allein die Tatsache, daß der Mann von Anfang andaran gewöhnt ist, eine Frau um sich zu haben, ihreGegenwart als »normal« zu empfinden und ihre Ab-wesenheit als »anormal«, würde genügen, ihn später ineiner gewissen Weise von ihr abhängig zu machen. Dochdiese Abhängigkeit wäre nicht gravierend, denn einLeben ohne Frau käme in diesem Fall dann lediglicheinem Milieuwechsel gleich. Wer im Gebirge aufgewach-sen ist und später im Flachland wohnt, wird sich viel-leicht ewig nach dem Gebirge sehnen, aber deshalb wirder noch lange nicht dorthin zurückkehren. Es gibt wich-tigeres.

Es läge auch nicht im Interesse der Frau, im Mann

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nur so eine romantische, untergeordnete Sehnsucht nachArt des Heimwehs zu erzeugen, die nur sonntags undin der Entfernung spürbar ist und zu keinen Konse-quenzen führt. Wichtig ist für sie, daß sie den Manndirekt zur Arbeit erzieht und dazu, daß er ihr alleFrüchte dieser Arbeit zur Verfügung stellt. Sie wirddeshalb in erster Linie versuchen, eine Reihe von Re-flexen bei ihm zu bedingen, die ihn zur Produktion alljener materiellen Werte veranlassen, die sie braucht.Das erreicht sie dadurch, daß sie ihn von seinem erstenLebensjahr an nur auf ihre eigene Wertskala dressiert.Damit bringt sie ihn so weit, daß er zum Schluß seinenWert mit seiner Nützlichkeit für sie gleichsetzt undsich nur wohl fühlt, wenn er in ihrem Sinne wertvollist, das heißt, etwas für sie Wertvolles produziert.

Die Frau selbst wird ihm dabei zu einer Art Skala,an der er zu jedem Zeitpunkt Wert oder Unwert einerbestimmten Tätigkeit ablesen kann. Und wenn er et-was tut, was nach dieser Skala wertlos ist - etwa Fuß-ballspielen -, wird er versuchen, dieses Minus so raschwie möglich durch erhöhte Aktivität auf einem von derSkala anerkannten Gebiet wettzumachen (aus diesemGrund werden etwa Fußballspiele und andere Sport-veranstaltungen bis zu einem gewissen Grad von denFrauen gern toleriert).

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Von allen Dressurmethoden, deren sich die Frau beider Erziehung des Mannes bedient, hat sich das Lob alsdie brauchbarste erwiesen: Es ist eine Methode, mitderen Anwendung man sehr früh beginnen kann unddie noch bis ins hohe Alter ihre Wirksamkeit unver-mindert beibehält (im Gegensatz etwa zur Dressurdurch Sex, die nur über einen relativ kurzen Zeitraumpraktikabel ist). Die Lobmethode ist so effektvoll, daßman bei richtiger Dosierung sogar auf ihren Antagoni-sten, den Tadel, verzichten kann: Jemand, der an Lobgewöhnt ist, wird sich ohne Lob bereits so vorkommen,als sei er getadelt worden.

Dressur durch Lob hat zum Beispiel folgende Vor-teile: Sie macht den Gelobten abhängig (damit dasLob etwas wert ist, muß es von einer höheren Instanzkommen, der Gelobte wird also den Lobenden zu einerhöheren Instanz erheben); sie macht ihn süchtig (ohneLob weiß er bald nicht mehr, ob er etwas wert istoder nicht, er verliert die Fähigkeit, sich mit sich selbstzu identifizieren); sie steigert seine Leistung (Lob wirdzweckmäßig nicht immer wieder für die gleiche Leistungerteilt, sondern für eine jeweils höhere).

Sobald ein männlicher Säugling zum ersten Mal da-für gelobt wird, daß er seine Notdurft nicht im Bettverrichtet hat, sondern auf einem Töpfchen, wenn er

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ein gütiges Lächeln und ein paar jener bekannten mun-ter-idiotischen Redensarten als Lob für ein leergetrun-kenes Fläschchen erkennt, tritt er in den Teufelskreis.Um wieder in den Genuß des lustvollen Gelobtwer-dens zu kommen, wird er bei nächster Gelegenheit ge-nau das zu wiederholen versuchen, was dieses Gefühlhervorgerufen hat. Bleibt das Lob eines Tages aus, ister unglücklich und tut alles, worin er auch nur die ge-ringste Chance sieht, jenes Glück, nach dem er süchtiggeworden ist, aufs neue zu erlangen.

Natürlich ist auch der weibliche Säugling Dressur-akten ausgeliefert; während der ersten beiden Lebens-jahre macht die Frau kaum einen Unterschied zwischenden Geschlechtern ihrer Kinder. Aber die Dressurbricht beim Mädchen ab, sobald es die Regeln der Hy-giene gelernt hat: Die Wege trennen sich, und je weiterdie Erziehung fortschreitet, desto mehr wird das kleineMädchen zur Ausbeuterin erzogen, der kleine Jungezum auszubeutenden Objekt.

Ein wichtiges Mittel dazu ist das Kinderspielzeug.Indem sie den Spieltrieb ihrer kleinen Kinder zuerstfördert und dann ausnützt, lenkt die Frau wie zufälligin die gewünschte Richtung. Dem kleinen Mädchen gibtsie Puppen und Puppenaccessoires: Wagen, Bettchen,Miniaturgeschirr; dem kleinen Jungen alles, was das

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Mädchen nicht bekommt: Baukästen, Modelle vonelektrischen Eisenbahnen, Rennwagen, Flugzeugen. Soerhält das weibliche Kind früh Gelegenheit, sich mitseiner Mutter zu identifizieren, die Rolle der Frau zu)erlernen: Es überträgt deren Dressursysteme auf diePuppen, lobt und tadelt, wie es selbst gelobt und geta-delt wird, lernt spielerisch die Grundgesetze der Men-schenführung. Und weil auch das kleine Mädchen aufLob angewiesen ist, dieses Lob aber nur für Identifi-kationen mit der Frauenrolle bekommt, wird es auchspäter nichts anderes sein wollen als »weiblich«. Seinemaßgebende Instanz werden deshalb immer Frauensein, nie Männer, weil nur Frauen beurteilen können,wie gut es diese Rolle spielt (den Männern wird ge-lehrt, die Frauenrolle sei minderwertig, sie kommen da-her als Lobredner nicht in Frage).

Dem männlichen Kind wird für alles applaudiert,nur nicht für das Spiel mit Miniaturmenschen. Es bautModelle von Schleusen, Brücken, Kanälen, zerlegt ausNeugier Spielzeugautos, feuert Schüsse aus Spielzeug-pistolen und übt so alles, was es später zum Unterhaltder Frau einmal brauchen wird. Wenn ein kleiner Jungeins Schulalter kommt, kennt er bereits die Grundge-setze der Mechanik, Biologie, Elektrotechnik aus eige-ner Erfahrung, er kann Hütten aus Brettern bauen und

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in Kriegsspielen verteidigen. Je mehr eigene Initiativeer dabei entwickelt, desto sicherer erntet er Lob. DieFrau ist ja daran interessiert, daß er bald mehr weißals sie - sie selbst könnte sich mit ihren Kenntnissen ineiner Welt ohne Männer kaum am Leben erhalten -und daß er sich in allem, was Arbeit betrifft, ganzvon ihr unabhängig macht. Der Mann ist für sie zwareine Maschine, aber keine gewöhnliche: Eine solchemüßte ja von ihr fachkundig bedient oder zumindestprogrammiert werden. Wenn eine Frau wüßte, was dasist, würde sie ihn als eine Art Roboter mit Bewußtseinbezeichnen, der fähig ist, sich selbst zu programmieren(und daher, sich weiterzuentwickeln) und sich jederneuen Situation mit neuem Programm ideal anzupas-sen (auch die Wissenschaftler arbeiten an der Ent-wicklung solcher Roboter, die für sie arbeiten, entschei-den und denken und ihnen die Früchte ihrer Aktivitätzur Verfügung stellen - freilich Roboter aus unbe-lebter Materie).

So ist der Mann, noch bevor er sich für die eineoder andere Lebensweise selbständig entscheidenkönnte, derart süchtig geworden nach Lob, daß er sichnur noch bei solchen Tätigkeiten wohl fühlt, für die ihmjemand Beifall zollt. Und er wird, weil er süchtig ist,immer mehr Beifall brauchen und daher immer

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größere Leistungen in der von der Frau gewünschtenRichtung vollbringen müssen. Natürlich könnte derBeifall im Prinzip auch von einem Mann kommen, aberdie Männer sind — aus eben diesen Gründen - unun-«terbrochen beschäftigt und stehen gegeneinander infeindseliger Konkurrenz. Deshalb holt sich ein Mann,

'sobald er es sich leisten kann, seinen eigenen, exklusi-ven Lobredner ins Haus: jemand, den er jederzeit fra-gen kann, ob er gut und brav war oder nicht, und wiegut und wie brav er war. Die Frau ist, scheinbar zu-fällig, für diese Rolle die ideale Besetzung - aber siehat ja alles so inszeniert und nur darauf gewartet, siezu übernehmen.

Nur selten gelingt es einem Mann - einem erfolg-reichen Künstler oder Wissenschaftler etwa —, diesenBann zu brechen und seinen dringend benötigten Bei-fall auch von Männern zu beziehen. So macht er sichzwar von den Frauen unabhängig, aber nie von derSucht nach Beifall selbst. Der Beweis dafür ist, daßein Mann, der auf einem bestimmten Gebiet erfolg-reich war und daher auch materiell gesichert ist, sichnie freiwillig in ein anderes begibt, um dort seineFähigkeiten zu erproben und seine Neugier zu befrie-digen. In der Regel arbeitet er - wie zum BeispielMirö mit seiner Strichpunkt-Technik, Strauß mit sei-

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nen Walzern, oder Tennessee Williams mit seinen Frau-endramen - immer auf dem Terrain, auf dem er schoneinmal Lob geerntet hat. Er scheut das Risiko, seineigener Maßstab zu sein.

Der Verdacht, daß der sogenannte »persönliche«Stil eines Künstlers nichts Positives ist, liegt sehr nah.Ein Autor wie Beckett etwa, der im Lauf von zwanzigJahren immer GoJot-Varianten produziert, tut dasnicht aus Vergnügen (dafür ist er zu intelligent). Erscheut - lobsüchtig - das Risiko wie eine Entziehungs-kur. Könnte er sich doch von seiner konditionierten Ver-haltensweise lösen! Längst hätte er etwas anderes ge-macht, vielleicht Flugzeuge konstruiert (die zuverlässigeMechanik seiner Stücke läßt auf technische Bega-bung schließen), seltene Pflanzen gezüchtet oder zumin-dest einmal eine Komödie geschrieben (soviel Erfolgverprellt bestimmt die beste Verzweiflung). Vielleichteine Komödie, in der eine Frau bis zur Taille in einemErdhügel steckt und nach ihrer Zahnbürste sucht, wiein »Glückliche Tage«. Vielleicht hätte er damit so-gar Erfolg beim Publikum. Aber ein solches Experimentwäre für einen nach dem Leistungsprinzip dressiertenMann natürlich zu riskant. Deshalb schreibt einer wieBeckett lieber weiterhin dramatisch über die Absurditätdes Lebenstriebes: denn dafür ist ihm Lob sicher.

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Dressur durch Selbsterniedrigung

Manchmal wird ein kritisch eingestellter Mann viel-leicht sagen, die Frauen hätten - wegen der Scham-losigkeit, mit der sie ihre Ignoranz auf allen Wissens-gebieten eingestehen - kein Ehrgefühl. Dabei vergißter allzu leicht, daß er seine eigenen Begriffe von Ehre,Stolz, Menschenwürde et cetera weiblicher Dressur ver-dankt. Daß er nur deshalb ehrenhaft, stolz, ritterlichgeworden ist, weil er von einer Frau dazu dressiertwurde. Und daß diese Eigenschaften - die seine Männ-lichkeit ausmachen, auf die er so stolz ist -, desto stär-ker in seinem Charakter verankert sind, je gründlicherdiese Dressur an ihm vorgenommen wurde. Er selbsthat nichts dazu getan.

In jedem einschlägigen Psychologie-Lehrbuch stehtzu lesen, daß Leistung beim Kind am besten durchSelbstvertrauen gefördert wird. Es ist aber unmöglich,daß ein Kind von sich aus Selbstvertrauen gewinnt:Es wird in ein Milieu hineingeboren, wo ihm allesüberlegen ist und es aus eigener Kraft nichts erreichenkönnte. Die Frau, die daran interessiert ist, aus einemmännlichen Kind einen Menschen zu machen, der nichtnur sich selbst erhält, sondern auch noch andere, wirddeshalb mit ihrer Erziehung in erster Linie darauf ab-zielen, Selbstvertrauen zu züchten. Sie wird die Gefah-ren des Daseins - soweit sie diese überhaupt selbst er-

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kennt - in seinen Augen bagatellisieren, die Möglich-keit seines eigenen Todes vor ihm verheimlichen (zumBeispiel durch die Versprechung eines ewigen Lebensals Belohnung für Wohlverhalten in ihrem Sinn) undso jene schwachsinnig-optimistische Grundstimmung inihm erzeugen, die es für ihre Dressurakte (und somitfür das Leben überhaupt) am besten aufrüsten. Eineder Methoden, das männliche Selbstbewußtsein und da-mit das Leistungsniveau hochzuschrauben, ist, wie wirschon gesehen haben, das Lob. Eine weitere ist dieSelbsterniedrigung der Frau.

Wenn die Frau einem von ihr geborenen Kind nichtwenigstens während seiner ersten Lebensjahre an In-telligenz überlegen wäre, hätte die Menschheit längstaufgehört zu existieren. Doch eine gute Mutter wirdimmer auf der Hut sein, daß diese anfängliche Über-legenheit ihr Kind nicht in seiner Entwicklung hemmt,sich so eines Tages womöglich noch gegen sie selbstrichtet und das Kind länger als unbedingt nötig anihrem Rockzipfel hängt. Sie wird versuchen, ihremKind, besonders wenn es ein Junge ist, sobald wiemöglich ein Gefühl der Überlegenheit über sie zu ver-mitteln. Eine Art Vorschuß auf spätere Leistungen, derihm sein erstes Selbstvertrauen gibt. Dabei gebrauchtsie um so häufiger einen Kunstgriff, je weiter der prä-

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sumptive Mann in seiner Entwicklung vorwärtskommt: Sie stellt sich immer noch dümmer, als sie ohne-hin schon ist, und gibt ihm so einen Vorsprung, den er,wenn er ein richtiger Mann werden will (und sie sorgtdafür, daß er es will), nicht mehr verlieren darf.

Da der Wert der Frauen in der Gesellschaft nichtnach ihrer Intelligenz gemessen wird, sondern nachganz anderen Gesichtspunkten (eigentlich wird über-haupt nichts gemessen: Der Mann braucht sie, und da-mit genug), können sie es sich leisten, sich so dumm zustellen und so dumm zu sein, wie es ihnen geradekommt. In diesem Punkt gleichen die Frauen denReichen allgemein: Auch bei diesen ist nicht wichtig,ob sie intelligent sind, sondern daß sie reich sind. WennHenry Ford II. die geistige Kapazität einer der Stamm-kundinnen von Tiffany's hätte, wäre er nicht mindergesellschaftsfähig. Nur sein Chauffeur kann sich dasnicht leisten. Ebenso wie ein Reicher kann sich eineFrau jede Blöße geben - und man kann mit Recht be-haupten, daß sie sich jede nur mögliche Blöße gibt -,ohne daß ihr Nachteile daraus erwachsen. Mit anderenWorten: Eine Frau kann so dumm sein, wie sie nurwill - der Mann wird trotzdem zu ihr aufsehen undnicht auf ihre Gesellschaft verzichten wollen.

Ihre Beschwörungsformel lautet ganz einfach: Ar-

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beiten ist männlidi, Nichtstun weibisch. Sie verkündet,der Mann sei in einer beneidenswerten Situation, starkund ungebunden, sie dagegen schwach und durch dieheilige Bürde des Gebarens ans Haus gefesselt. Sie seizu wertvoller Arbeit körperlich nicht geeignet.

Der Mann folgt dieser Mythologie willig und hältsie für schmeichelhaft. Er bedenkt nicht, daß auch derElefant stark ist, stärker als ein Mann zum Beispiel,und daß Männer trotzdem für die meisten Arbeitenbesser geeignet sind als Elefanten.

Natürlich verheimlicht die Frau dem Mann, daß sieselbst im Vergleich zu ihm so gut wie nichts tut. Tat-sächlich beschäftigt sie sich ja unentwegt mit irgendetwas. Sie sagt nur, alles, was sie tut, sei im Vergleichzu seiner Arbeit minderwertig. Sie suggeriert ihm, daßdie schwachsinnigen Vergnügungen, denen sie sich imLauf des Tages hingibt (Bügeln, Kuchenbacken, dasHeim verschönern), für das Wohl der Familie notwen-dige Arbeiten seien und daß er sich glücklich schätzenkönne, eine Frau zu haben, die ihm diese niedrigenDinge abnimmt. Der Mann, der ja nicht ahnen kann,daß einer Frau solche Beschäftigungen tatsächlich Spaßmachen, wird sich glücklich schätzen.

Indem die Frau alle Arbeiten in »männlich« und»weibisch«, in »würdig« und »unwürdig« einteilt und

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so mit Gefühlswerten befrachtet, denen sich nach eini-ger Zeit niemand mehr entziehen kann, wird sie selbstunkontrollierbar und verschafft sich so in ihrem Macht-bereich völlige Narrenfreiheit. Was immer sie tut - esist ja im Vergleich zu .Männerarbeit sowieso nichtswert; sie selbst sagt es, und warum sollten die Männerdas nachprüfen wollen?

Natürlich könnte der Mann, wenn er nur wollte,die weibliche Terminologie entlarven, die »männlichen«und »weibischen« Arbeiten »schwer« und »leicht« nen-nen: Männerarbeit ist meist schwer, Hausarbeit immerleicht. Mit den Maschinen, die der Mann dafür erfun-den hat, erledigt sich die Arbeit zum Beispiel für einenVier-Personen-Haushalt mühelos in zwei Vormittags-stunden. Alles, was die Frauen sonst noch tun, ist über-flüssig, dient ihrem Vergnügen und zur Erhaltung deridiotischen Statussymbole ihrer Clique (Spitzengardi-nen, Blumenbeete, Hochglanzpolitur): Wenn sie es alsArbeit bezeichnen, so ist das nichts weiter als eine un-verschämte Zwecklüge.

Hausarbeit ist so leicht, daß sie in psychiatrischenHeilanstalten traditionell von jenen Schwachsinnigenerledigt wird, die zu keiner anderen Tätigkeit mehrtaugen. Wenn sich die Frauen beklagen, daß sie fürdiese Arbeit nicht noch extra Geld bekommen (sie for-

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dern n[dit viel, nur etwa den Lohn eines Automechani-kers!), dann ist das nur ein weiterer Beweis dafür, wieattraktiv diese »Arbeit« für sie ist. Solche Forderun-gen sind außerdem kurzsichtig, denn sie könnten dazuführen, daß die Frauen eines Tages tatsächlich als Ar-beitskraft bewertet und angemessen belohnt würden.Das würde dann offenbaren, wie sehr sie auf Kostender Männer über ihre Verhältnisse leben.

Doch der Mann ist an die weibliche Terminologievon Kind an gewöhnt und hat kein Interesse, sie zuentlarven. Er muß den Glauben haben, daß er etwasGroßes tut, wenn er Geld für seine Frau verdient. Daßer etwas leistet, wozu eine Frau nicht fähig wäre. Hätteer dieses Gefühl der Überlegenheit nicht, müßte er ander Stumpfsinnigkeit seiner Arbeit verzweifeln. Sobalder den Eindruck hat, etwas zu tun, das ebensogut eineFrau tun könnte (und hin und wieder finden die Frauenes opportun, diesen Eindruck zu erwecken), versucht er,seine Leistung zu steigern und so den gewohnten Ab-stand zwischen sich und dem »schwachen« Geschlechtwiederherzustellen. Er braucht das für sein Selbstbe-wußtsein.

Die Analyse des Teufelskreises ist einfach: Die Frauenerfinden Regeln, dressieren die Männer darauf und

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80 lkönnen sie so beherrschen. Sie selbst halten sich niean die Regeln der Männer. Die Mannesehre zumBeispiel ist ein System, das die Frauen gemachthaben. Sie selbst nehmen sich von diesem System ausverzichten für sich auf jede Art Ehre und manipulie-ren auf diese Weise die Männer. In einem der bekann-ten Fernsehkrimis mit Emma, Peel stehen sich in einerSzene zwei Männer feindselig an einem Billardtischgegenüber. Jeder hat eine Pistole vor sich liegen, und sievereinbaren aus Fairneß, daß sie laut bis drei zählenund dann aufeinander schießen würden. Der Heldnimmt die Pistole schon bei zwei und rettet so seinLeben. Er blieb außerhalb des Systems und konnte soden anderen manipulieren, der sich auch in Lebens-gefahr noch lieber an ein System hielt als an die Ver-nunft.

Indem die Frau alles verächtlich macht, was sieselbst tut, bringt sie den Mann dazu, den Rest zu über-nehmen: also alles, was ihr kein Vergnügen macht (siewar ja als seine Mutter zuerst da und hat die Wahl vorihm getroffen). Er fühlt sidi unglücklich und wertlos,wenn er »Frauenarbeit« verrichtet. Viele Männer stel-len sich bei der Hausarbeit sogar absichtlich ungeschicktan, denn ihre Unbeholfenheit wird von den Frauen ge-feiert, weil sie so »männlich« ist. Ein Mann, der sich

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selbst einen Knopf annäht, ist kein »richtiger« Mann.Hantiert er mit dem Staubsauger, muß irgend etwasmit ihm nicht in Ordnung sein. Mit solchen und ähn-lichen Argumenten läßt sich der Mann entmündigen(er traut sich alles zu, nur nicht, daß er eine Suppe ko-chen kann) und sich ohne Widerspruch vom anspruchs-losesten Arbeitsplatz der Welt vertreiben. Erst voneinem gewissen Stadium seiner Dressur an kann erdann ohne Gefahr für bestimmte Hausarbeiten alsHilfskraft herangezogen werden (wobei er natürlichdie Anweisungen der Frau strikt zu befolgen hat, denner versteht ja nichts von solchen Dingen). Er wird dieseArbeiten immer als entwürdigend empfinden und niemerken, wie angenehm das alles im Vergleich zu seinereigenen Arbeit ist.

Allein der Stoßseufzer, sie sei einer Arbeit »alsFrau« nicht gewachsen, entledigt eine Frau jeder Mühe.Wenn sie zum Beispiel nur hin und wieder in ein Ge-spräch einfließen läßt - womöglich im Beisein vonZeugen -, ihr Mann könne viel besser Auto fahren alssie, gewinnt sie durch diese einfache Bemerkung einenChauffeur auf Lebenszeit (die Autobahnen sind vollvon Frauen, die sich von Männern chauffieren lassen).Oder wenn eine Frau sagt, »als Frau« könne sie nichtallein ein Lokal (Theater, Konzert) besuchen, dann gibt

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es zwar für dieses Argument keinen rationalen Grund —Frauen werden in Restaurants so gut und so schlechtbedient wie Männer, und wenn sie nicht »belästigt«werden wollen, wie sie sich ausdrücken, brauchen siesich nicht so aufreizend zu kleiden -, aber sie be-kommt durch solche Geständnisse einen Lakaien, der siewie einen Staatsgast bis vors Portal fährt, für sie einenfreien Tisch erkämpft, ihr Menü zusammenstellt, sieunterhält und abschließend noch die Rechnung bezahlt.- Oder sie gesteht, von Politik verstünde sie nichts,eine Frau sei einfach zu dumm dafür, und schon findetsich ein Mann, der für sie Tageszeitungen und politi-sche Magazine studiert, langwierige Fernsehdiskussio-nen über sich ergehen läßt, die verschiedenen Argu-mente anderer Männer gegeneinander abwägt und ihram Wahltag fix und fertig eine Meinung präsentiert.Sie wählt dann die Partei, die jener Mann aufgrundseiner gewissenhaften Studien in seiner - und somitihrer — speziellen Situation für die günstigste hält,und entledigt sich der lästigen Wahlpflicht, indemsie die Meinung ihres Mannes verdoppelt und das End-ergebnis nicht gefährdet (was ja für ihr persönlichesWohlergehen - denn sie versteht tatsächlich nichts vonPolitik und weiß das auch - katastrophale Folgen ha-ben könnte).

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Eine der phantastischsten Blüten dieser Dressurdurch Selbsterniedrigung ist es, wenn eine Frau, dieihre Tage unter paradiesischen Bedingungen in einerkomfortablen Vorortvilla verbringt, in Gesellschaftvon Kindern, Hunden und anderen Frauen, ausstaffiertmit Zweitwagen, Fernsehapparat und allen nur mög-lichen Haushaltsgeräten, ihrem Mann (der vielleichtIngenieur ist oder Rechtsanwalt) sagt, er sei zu benei-den, denn er habe ein »erfülltes« Leben, während sie»als Frau« gezwungen sei, ein menschenunwürdigesDasein zu führen - wenn sie das einem Mann sagt,der diesen ganzen Plunder mit seinem Leben bezahlt -,und wenn dieser Mann das glaubt.

In der Bibel heißt es, Eva sei aus Adams Rippe ge-macht, somit also eine Kopie und weniger wertvoll alsdieser: ein typisches Beispiel von Dressur durch Selbst-erniedrigung. Man kann fast sicher sein, daß diese Ge-schichte irgendwann einmal von einer Frau erfundenworden ist. Aufgeschrieben hat sie dann selbstverständ-lich ein Mann (daß Frauen schreiben können, ist jün-geren Datums).

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Ein Wörterbuch

Ihre ständige Selbsterniedrigung vor dem Mann hat da-zu geführt, daß sich die Frauen in seiner Gegenwarteiner Geheimsprache bedienen, die sie zwar selbst un-tereinander verstehen, zu der aber der Mann keinenZugang hat, weil er sich an ihren Wortlaut hält. Eswäre deshalb für ihn lohnend, sich den Code zu ver-schaffen und eine Art Wörterbuch anzulegen, in dem erjedesmal, wenn er eine solche Phrase hört, nachschlagenund deren Sinn in Klartext übersetzen könnte. Hiereinige Beispiele (Original mit jeweiliger Übersetzungin die männliche Sprache):

CHIFFRE

Ein Mann muß michbeschützen können.

Ich will mich bei einemMann geborgen fühlen.

KLARTEXT

Ein Mann muß mich vorUnbequemlichkeitenschützen können (Wovorkönnte er denn eine Frausonst schützen? Vor Räu-bern? Vor dem Atom-krieg?).

Mit Geldsorgen muß ermir um alles in der Weltvom Halse bleiben.

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Zu einem Mann muß ichaufblicken können.

Ich würde meinen Berufsofort aufgeben, wennes mein Mann von mirverlangt.

Ich wünsche mir nichtsweiter, als ihn glücklich zumachen.

Damit er für mich über-haupt in Frage kommt,muß er intelligenter,verantwortungsbewußter,mutiger, stärker, fleißi-ger sein als ich - wassollte ich denn sonst mitihm anfangen?

Sobald er genug Geld hat,werde ich nie mehrarbeiten.

Ich werde mir alle Mühegeben, damit er niemalsmerkt, wie ich ihnausnütze.

Ich will ihm alle kleinenSorgen abnehmen.

Ich werde alles tun, damitihn nichts von der Arbeitabhält.

Ich will nur für ihnda sein.

Kein anderer Mann sollfür mich arbeiten dürfen.

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Ich werde nur noch fürmeine Familie leben.

Ich halte nichts von derweiblichen Emanzi-pation.

Wir leben schließlich imZeitalter der Gleich-berechtigung!

Ich bin in diesen Dingenso schrecklich ungeschickt.

Nie mehr im Leben werdeich etwas tun. Soll er sichmal anstrengen!

Ich bin doch nicht blöd,ich lasse lieber einenMann für mich arbeiten.

Er soll nicht denken, daßer mir Vorschriften ma-chen kann, nur weil ermein Geld verdient!

Das ist eine Arbeit, dieer mir abnehmen muß.Wozu ist er denn sonstda?

Er weiß einfach alles.

Wenn man sich wirklichliebt, braucht man nichtgleich einen Trauschein.

Man kann ihn sogar nochals Nachschlagewerk be-nützen.

Er ist noch etwas wider-spenstig, aber im Bettkriege ich ihn schon 'rum.

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Ich liebe ihn. Er ist eine erstklassigeArbeitsmaschine,

usw.Doch solche Phrasen sagen die Frauen selbstverständ-lich nur zu einem Mann direkt oder wenn er in Hör-weite ist. Sind sie unter sich, sprechen sie von Män-nern — wenn überhaupt — ganz normal. Etwa so, wiesie von Sachen sprechen würden, oder so, als tauschtensie zusätzliche Bedienungsanweisungen für ein Haus-haltsgerät, von dessen Nützlichkeit ohnehin jeder über-zeugt ist.

Wenn eine von ihnen etwa sagt: Diesen Mantel oderjenen Hut kann ich nicht mehr tragen, weil er meinemFreund nicht gefällt, dann ist mit der Erwähnung desFreundes keinerlei Gefühlswert verbunden (höchstensmit der des Hutes oder Mantels). Es bedeutet sovielwie: »Ich tu ihm in Gottes Namen den Gefallen, ermacht ja sonst alles, was ich will.«

Wenn Frauen untereinander von den Bedingungensprechen, zu denen sie sich für einen bestimmten Mannentscheiden würden, dann sagen sie gewiß nicht, daßes einer sein müßte, dem sie sich unterlegen fühlen, dersie beschützt (solches Geschwätz würde Gelächter pro-vozieren) oder zu dem sie aufblicken können. Sie er-wähnen vielleicht, daß sie einen Mann mit diesem oder

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jenem Beruf bevorzugen würden (Berufe stehen fürGehaltshöhe, Alters- und Witwenversorgung, die Fä-higkeit, hohe Lebensversicherungsprämien zu zahlen).Oder sie sagen etwa: »Der Mann, den ich heiratenwürde, müßte ein paar Jahre älter sein, mindestenseinen halben Kopf größer und intelligenter als ich.«Das heißt dann nur soviel wie: Es fällt weniger aufund wirkt natürlicher, wenn an etwas älterer, intelli-genterer und kräftiger Mensch einen jüngeren, kleine-ren und dümmeren ernährt.

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Frauen sind gefühlsarm

Es gibt viele Formen und Varianten weiblicher Dres-surmethoden, und es würde zu weit führen, hier aufjede einzelne hinzuweisen. Nur zwei relativ harm-lose seien noch einer näheren Betrachtung gewürdigt:die der »guten Manieren« des Mannes, und jene, welchedie Unterdrückung seiner Emotionen zum Ziel hat.

Jeder Mann, der bei den Frauen Erfolg haben will(und welcher Mann möchte das nicht?), muß außer In-telligenz, Ehrgeiz, Fleiß, Ausdauer möglichst noch eineweitere Qualifikation mitbringen: Er muß wissen, wieman sich in Gegenwart von Frauen zu benehmen hat.Dafür gibt es bestimmte Normen, welche die Fraueneigens zu diesem Zweck erfunden haben: die sogenann-ten »guten Manieren«. Sie besagen, daß jeder Mann,der etwas auf sich hält, jede Frau zu jeder Zeit wie eineKönigin zu behandeln hat und daß umgekehrt jede Frau,die etwas auf sich hält, einem Mann die Gelegenheitgeben muß, sie jederzeit wie eine Königin zu behandeln.

Freilich wird eine Frau einen Mann schon alleinunter der Voraussetzung heiraten, daß er reich ist. Hatsie jedoch die Wahl zwischen einem reichen Mann mitschlechten und einen ebenso reichen mit guten Manie-ren, wird sie natürlich den letzteren bevorzugen. Denndie Beherrschung der Regeln des guten Benehmensbürgt ihr dafür, daß diesem Mann der ideelle Wert der

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Frau durch eine zusätzliche Reihe bedingter Verhal-tensweisen so sehr in Fleisch und Blut übergegangen ist,daß er ihn auch später, wenn sie für ihn weniger attrak-tiv sein wird, nie mehr ernsthaft in Frage stellt. »BeimLachen wird man fröhlich«, sagen die Psychologen,oder »Der Glaube kommt mit dem Beten.« Das istrichtig, trifft aber nur für den Mann zu: Wenn er dieFrau wie ein höheres Wesen behandelt, wird sie für ihnein höheres Wesen. Frauen können zwischen Wirklich-keit und Theater viel besser unterscheiden.

Die »guten Manieren« sind nicht, wie die anderenDressurakte, tiefenpsychologisch verwurzelte Formender Konditionierung. Sie werden den Kindern relativspät anerzogen und sind so besonders leicht als Maß-nahmen weiblicher Ausbeutung zu erkennen. Es istwirklich ein Rätsel, wie so alte Tricks auch heute nocherfolgreich sein können.

Welche Unverfrorenheit gehört doch zum Beispieldazu, wenn eine Mutter ihrem Teenagersohn für seinenersten Theaterbesuch mit einer jungen Dame etwa fol-gende Ratschläge mit auf den Weg gibt: » . . . du zahlstdas Taxi, steigst aus, gehst um den Wagen herum, öff-nest die Tür und hilfst der Dame beim Aussteigen. . . du geleitest sie die Stufen hinauf; dabei gibst duihr den Arm oder gehst, wenn nicht genug Platz ist,

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hinter ihr, damit sie bei einem eventuellen Ausgleitennicht stürzen kann . . . du öffnest die Türen für sie. . . hilfst ihr aus dem Mantel . . . bringst den Mantelzur Garderobe, besorgst ihr ein Programmheft . . . dugehst voraus und bahnst ihr den Weg durch die Reihen,in der Pause bietest du ihr Erfrischungen an . . .« Undso weiter. Dabei muß man noch bedenken, welche Qua-len das Theater dem Mann an sich schon bereitet, weiles eine überholte Kunstgattung ist und weil so gut wiealle Stücke, die dort gezeigt werden (wie der größteTeil des »kulturellen Lebens« überhaupt), auf das in-tellektuelle Niveau der Frauen zugeschnitten sind. Erahnt, daß sowohl er selbst, der die Frau dorthin beglei-tet, als auch der ganze Lakaienapparat von Intendan-ten, Schauspielern und Regisseuren, der sie dort erwar-tet, nur dazu da ist, ihr und ihrer Clique einen Ort zubieten, an dem sie ihre schwachsinnigen Orgien feiernkönnen - die darin bestehen, daß sie sich vor der Sta-tisterie der schwarzgekleideten Männer gegenseitig ihregrotesken Maskeraden vorführen.

Der frivolste Aspekt der »guten Manieren« ist, daßsie den Mann in die Beschützerrolle zwingen. Das fängtganz harmlos dort an, wo er hinter der Frau die Trep-pe hinaufsteigt und auf der Außenseite des Bürgersteigsgeht, und endet bei der Einberufung zum Militär- und

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Kriegsdienst. »Wenn es die Situation erfordert«, lautetalso eine der Benimmregeln, »so hat der Mann die Frauunter Einsatz seines Lebens vor Unannehmlichkeitenzu bewahren.« - Sobald er alt genug ist, wird er dieseRegeln ohne Überlegung befolgen: Die Dressur ist ihmlängst vorausgeeilt, bei jeder Katastrophe wird er zu-erst Frauen und Kinder retten, bevor er an sich denkt.Und wenn es sein Leben kostet!

Dabei gibt es wirklich keinen triftigen Grund, wes-halb die Rollen nicht ebensogut vertauscht werden soll-ten. Da die Frau gefühlsarm ist, könnte sie die Ein-drücke der Kriegsgreuel viel leichter verkraften als derMann, bei dem sie nicht selten psychische Dauerschädenhervorrufen. An den Anblick von Blut ist sie durchden Monatszyklus ohnehin gewöhnt, und die heutigeForm der Kriegsführung erfordert weder körperlicheKraft noch Intelligenz, nur Zähigkeit. In jeder StatiJ

stik über die Lebenserwartung kann man nachlesen, daßFrauen älter werden als Männer, also zäher sind. Einenormal entwickelte Nordamerikanerin, die währendihrer Schulzeit Sport getrieben hat, ist beispielsweiseden viel kleineren Vietnamesen an Körperkräften be-stimmt nicht unterlegen. Ein G. /. kämpft also, wenn ergegen Asiaten Krieg führt, gegen Feinde, die nicht stär-ker sind als seine Freundinnen aus dem College.

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Die erwähnte Gefühlsarmut zeigt sich auch darin, daßdie Frau die Emotionen des Mannes unterdrückt, wosie nur kann, und sich dabei noch in den Ruf bringt,gefühlvoll und sensibel zu sein.

Die Tränendrüsen sind winzige Flüssigkeitsbehäl-ter, die, ähnlich wie die Harnblase, durch Trainingdazu gebracht werden können, dem Willen zu gehor-chen. Es ist einem Erwachsenen möglich, sein Bett nichtzu nässen und nicht zu weinen. Beim männlichen Kindwird diese Dressur (wiederum durch Selbsterniedrigungder Frau — »Ein Junge weint nicht!«, »Du bist doch keinMädchen!«) durchgeführt. Beim weiblichen wird sieunterlassen, und dieses lernt das bald zu seinem Vorteilzu nutzen. Sieht ein Mann eine Frau weinen, dannwird er niemals denken, daß sie ihre Flüssigkeitsbe-hälter nicht unter Kontrolle hat: Er wird annehmen,sie sei von einem starken Gefühl überwältigt, ja erschließt dessen Stärke direkt aus der Flüssigkeitsmenge,die ihre Tränendrüsen absondern.

Das ist natürlich eine Fehlinterpretation, dennFrauen sind gefühlsarm - schon deshalb, weil sie sichkeine Gefühle leisten dürfen. Gefühle könnten sie da-zu verführen, einen für ihre Zwecke unverwertbarenMann zu nehmen (einen, der sich nicht versklavenläßt), oder daß sie die Männer - die ihnen doch eigent-

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lieh sehr fremd sein müßten - überhaupt nicht ausste-hen könnten und ihr Leben ausschließlich in der Ge-sellschaft von Frauen zubrächten (tatsächlich gibt esviel weniger homosexuelle Frauen als Männer, und siesind meist reich oder zumindest finanziell gesichert).

Das alles würde für eine Frau aber bedeuten, daßsie denken, arbeiten, Verantwortung tragen und auf alljene Dinge verzichten müßte, an denen ihr gelegen ist.Weil sie das nicht will, entwickelt sie keine Gefühle,spielt jedoch nach außen hin die Gefühlvolle, damitder Mann nicht merkt, wie kalt und berechnend sie inWirklichkeit ist. Da sie Gefühle immer nur imitiert,behält sie bei diesem Spiel immer einen freien Kopf undist so in der Lage, die Gefühle ihres Partners für ihreneigenen Vorteil auszunutzen (man kann ein Gefühlnur dann berechnen, wenn man nicht zugleich selbstdarin verstrickt ist). Dabei genügt es ihr nicht, daß derMann glaubt, sie fühle sich so stark wie er. Er mußglauben, sie sei »als Frau« noch viel labiler, sensibler,irrationaler und gefühlsbetonter als er, denn nur sokann sie von vornherein jeden Verdacht von sich ab-lenken. - Die Vorbedingung für diesen Betrug schafftsie durch den soeben beschriebenen Dressurakt.

Ein richtiger Mann weint nicht, lacht nicht laut(reserviertes Lächeln wirkt auf seine Umgebung sym-

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pathisch und auf seine Geschäftspartner seriös), zeigtkeine Überraschung (er ruft nicht »ahhh . . . !« , wenn dasLicht angeht, oder »ihhh . . . !« , wenn er mit kaltemWasser in Berührung kommt). Er läßt sich nicht an-merken, wenn er sich anstrengt (sagt nicht »uff...!«,wenn er eine schwere Kiste getragen hat), und singtnicht, wenn er fröhlich ist.

Und der Mann, der alle diese Gefühlsäußerungenbei der Frau erlebt, denkt nicht daran, daß er selbstseine Gefühle nur deshalb nicht zeigt, weil eben dieFrau ihn gelehrt hat, sie nicht zu zeigen. Er nimmt ganzeinfach an, daß die Gefühle der Frau unendlich vielstärker sein müssen als seine eigenen, wenn sie sie der-maßen unkontrolliert zur Schau stellt.

Ein Mann, der selbst nur dann weint, wenn ihn eingroßes Unglück trifft (etwa beim Tod seiner Frau),muß annehmen, daß der Schmerz, den seine Frau emp-findet, wenn sie - zum Beispiel einer verdorbenenUrlaubsreise wegen - in Tränen ausbricht, ebenso starkist. Und er wird sich einen gefühlsarmen Tölpel schel-ten, weil er diesen Schmerz nicht nachvollziehen kann.Welche Hilfe wäre es deshalb für die Männer, wenn siewüßten, was für eiskalte, glasklare Gedanken eineFrau haben kann, während ihre Augen von einem Trä-nenschleier umflort sind!

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Sex als Belohnung

Alle Dressuren gehen auf das Zuckerbrot-und-Peitsche-Prinzip zurück. Seine Anwendbarkeit wird von denjeweiligen körperlichen Kräfteverhältnissen zwischenDompteur und Objekt bestimmt. Doch selbst bei derDressur kleiner Kinder zeigt sich ein gewisser Trendzugunsten des Zuckerbrots: Es bietet den Vorteil, daßdas kindliche Vertrauen in die Erwachsenen erhaltenbleibt - die Kinder kommen mit ihren Problemen wei-terhin zu ihren Eltern und lassen sich so noch viel bes-ser manipulieren, als wenn sie geprügelt wordenwären.

Hat ein gefangener Delphin einen Dressurakt gut ge-macht, wirft ihm der Dompteur einen Fisch zu. DerDelphin ist auf Fütterung angewiesen, er tut dafür,was man von ihm verlangt. Ein Mann dagegen ist inder Lage, sich seine Nahrung selbst zu besorgen: DasGeld geht durch seine Hände. Er wäre also gewisser-maßen unbestechlich, wenn er nicht noch ein anderes,sehr starkes Bedürfnis hätte, dessen Befriedigung er al-lein nicht schafft: sein Bedürfnis nach physischem Kon-takt mit dem Körper einer Frau. Es ist so stark, und erempfindet bei seiner Realisierung soviel Lust, daß esvielleicht das stärkste Motiv für seine Unterwerfungunter die Frauen ist — ja, vielleicht ist seine Lust an derUnfreiheit nur eine Facette seiner Sexualität.

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Er muß sein Bedürfnis befriedigen, und die Grund-lage der Ökonomie ist noch immer der Tausch. Wereine Dienstleistung verlangt, muß etwas entsprechendWertvolles dagegen bieten. Nun verhält es sich so,daß die Männer die exklusive Benutzung der weib-lichen Vagina zu Wahnsinnspreisen hochgesteigert ha-ben. Das ermöglicht der Frau einen sehr hohen Gradder Ausbeutung - und er stellt ja auch tatsächlich daskonservativste kapitalistische System weit in denSchatten. Kein einziger Mann bleibt davon verschont.Und weil das Weibliche in erster Linie ein soziologi-sches Phänomen ist und kaum ein biologisches, blei-ben nicht einmal Homosexuelle vor Ausbeutung be-wahrt. Der triebschwächere Partner findet bald dieManipulierbarkeit des triebstärkeren heraus, fällt indie Rolle des Ausbeuters - der Frau - und benimmtsich entsprechend: Weiblich sein heißt den schwäche-ren Sexualtrieb haben.

Genauso, wie sich die Frauen keine großen Gefühleleisten können, verzichten sie auch auf eine ausgeprägteLibido (wie ließe sich sonst erklären, daß ein jungesMädchen sich seinem Freund verweigert, aber trotzdemvon Liebe spricht?). Die Frau unterdrückt sie, den Rat-schlägen ihrer Mutter folgend, schon während derPubertät im Interesse des Kapitals, das sie später dar-

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aus schlagen will. Früher war die »wertvolle« Brautjungfräulich, auch heute noch gilt ein Mädchen mitwenig Liebhabern für »wertvoller« als eines mit vielen.Die Keuschheit des Mannes war noch nie etwas wert(da den Frauen nichts an ihm liegt, liegt ihnen auchnichts an seiner Keuschheit). Ein Junge kann deshalbvon einer erwachsenen Frau nur »verführt« werden,niemals vergewaltigt. Ein Mann, der mit einer Minder-jährigen das gleiche tut, ist ein Sexualverbrecher, fürden der weibliche Mob Zuchthaus fordert.

Ebensogut wie die Frau könnte auch der Mann sei-nen Sexualtrieb konditionieren - vorausgesetzt, erwürde früh genug damit anfangen. Der Beweis sinddie Mönche, die weitgehend ohne sexuelle Betätigungauskommen (niemand wird ernsthaft behaupten, daßdiese große Gruppe von Männern aus Eunuchen be-steht). Doch statt ihn unterdrücken zu lernen, läßt derMann die Entwicklung seines Sexualtriebs fördern, woes nur geht - selbstverständlich von den Frauen, dennvor allem sie sind an seiner Libido interessiert.

Während ein Mann jederzeit so gekleidet ist, daßsein Anblick auf keinen Fall beim anderen Geschlechtsexuelle Erregung hervorrufen könnte, beginnt dieFrau bereits im Alter von zwölf Jahren, sich als Köderherauszuputzen. Sie betont die Rundungen ihres Bu-

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sens und ihrer Hüften in enganliegenden Kleidungs-stücken, macht in durchsichtigen Strümpfen auf dieLänge ihrer Beine, auf die Form ihrer Waden undSchenkel aufmerksam, schminkt Lippen und Augen-lider feuchtschimmernd, tönt ihre Haare in leuchten-den Farben — und das alles zu keinem anderen Zweck,als damit die Gier des Mannes nach sexueller Betäti-gung zu erregen und ununterbrochen wachzuhalten.Sie bietet ihm ihre Ware so offen an, als läge sie ineinem Schaufenster, und als bedürfe es nur der Über-windung einer winzigen Distanz, um sie zu besitzen.Was Wunder, daß der Mann, durch dieses unverhohleneKaufangebot in ständige sexuelle Erregung versetzt,bald keinen anderen Gedanken mehr hat als den, ge-nug Geld zu verdienen, um sich in den Besitz der ver-lockenden Ware zu bringen.

Denn ohne Geld oder zumindest ohne Aussichtauf Geld bekommt ein Mann keine Frau und somitkeinen Sex. Es gibt zwar in der Beziehung zwischenden Geschlechtern das Kreditwesen — das heißt, daßeine Frau unter Umständen bereit sein wird, solangihr Mann noch in der Berufsausbildung steckt, ihr eige-nes Geld zu verdienen und ihm währenddessen schon -quasi als Vorschuß auf künftige Leistungen - ihrenKörper zur Verfügung zu stellen. Aber in diesem Fall

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sind auch die Zinsen entsprechend hoch (der Beruf, dender Mann während dieser Zeit erlernt, muß so gut do-tiert sein, daß sich die Investition der Frau lohnt). Imallgemeinen gilt der Grundsatz, daß eine Frau um soteurer ist, je ansprechender ihre sekundären Geschlechts-merkmale sind. Deshalb sollte ein Mann, wenn ereinem anderen mit einer besonders attraktiven Fraubegegnet, nicht deprimiert sein, sondern bedenken, wieteuer diese Frau diesem Mann zu stehen kommt.

ökonomischer wäre es für den Mann auf jedenFall, seinen Sexualtrieb bei Prostituierten zu befrie-digen, statt sich in eine Ehe zu stürzen (bei Prosti-tuierten im konventionellen Sinn — strenggenommengehören ja die meisten Frauen in diese Gruppe). Dochda der Mann auch hier wieder nach dem Leistungsprin-zip handelt, auf das er dressiert ist, empfindet er Sex,für den er nicht viel bezahlt hat, als minderwertig.Sein Genuß ist um so größer, je teurer die Frau ist, mitder er schläft. Und wenn er eine begehrte Frau nichtanders bekommt — oder wenn er keine andere Mög-lichkeit sieht, sie zu behalten —, bietet er den Höchst-preis und führt sie zum Standesamt.

Aus diesem Grund können die Frauen die offeneProstitution ruhig tolerieren. Da ihnen Eifersucht imSinn des Mannes fremd ist (gelegentlich spielen sie

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Eifersucht, um ihrem Mann zu schmeicheln), macht esihnen nichts aus, Bordelle zu befürworten. Ebensowe-nig wie es ihnen je etwas ausgemacht hat, außerehe-liche Amouren ihres Partners zu ignorieren oder, fallssie zu offensichtlich werden, zu verzeihen. Wie vieleFrauen bleiben bei ihrem Mann, wenn er sie betrügt,und wie selten ist das Umgekehrte der Fall. - Ja, dieFrau wünscht im Grunde nichts anderes, als daß ihrMann fremdgeht, denn schlechtes Gewissen oder Dank-barkeit für Toleranz garantieren ihr zusätzliche Vor-teile. Am liebsten ist es ihr aber, wenn diese außer-ehelichen Amouren unter ihrer Kontrolle stattfinden;Partnertausch und Gruppensexpraktiken erscheinen des-halb immer mehr Frauen als ideale Möglichkeit zurNeutralisierung der sexuellen Phantasie ihrer Männer.Diese Formen außerehelichen Verkehrs sind gratis (dasGeld für die Prostituierte fließt in die diversen Haus-haltskassen) und bringen keine gesundheitlichen Gefah-ren mit sich: Da die Beteiligten sich kennen, werden dieRegeln der Hygiene besser eingehalten, als wenn jederMann für sich anonyme Bordelle frequentiert (anstek-kende Krankheiten sind ja das einzige, was die Frauenbei den sexuellen Abenteuern ihrer Männer wirklichbefürchten müssen).

Was für eine Ironie, wenn die Männer ausgerech-

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net die gewöhnlichen Prostituierten so sehr verachten -gehören doch diese zu den wenigen Frauen, die ehr-lich zugeben, daß sie mit der Vermietung einer be-stimmten Körperöffnung ihr Geld machen. Prostituierte,Schauspielerin, Sängerin, Tänzerin, Fotomodell sindBerufe, die nicht von Männern ausgeübt werden. Dochwährend Schauspielerin, Sängerin, Tänzerin, Fotomo-dell mit Netz arbeiten - das Netz ist der Mann, der sieauffängt, wenn sie keine Lust mehr haben -, ist dieProstituierte ohne jede Sicherung. Wird sie müde, stehtniemand bereit, der nur auf diesen Augenblick gewar-tet hat, und es gibt in unserer Gesellschaft keinen Mann,der sich von einer ehemaligen Prostituierten so ausbeu-ten ließe wie von einem ehemaligen Fotomodell.

Die Frauen selbst verachten die gewöhnlichenProstituierten ebenfalls, aber aus einem anderen Grund:Sie verachten sie wegen ihrer Dummheit. Eine Frau,die ihren Körper so ungeschickt verkauft, ist nach demIntelligenzbarometer der Frauen einfach zu dumm. Siebewundern nur solche Frauen, die Wucherpreise erzie-len und zum Beispiel von einem der Rothschilds, AgaKhans oder Rockefellers geheiratet werden. Den Be-griff vom »schmutzigen Gewerbe« haben sie nur zurAbschreckung der Männer geprägt, die vielleicht sonstdoch eines Tages Parallelen ziehen könnten.

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Das Grundprinzip von Sex als Belohnung ist beiallen Frauen gleich: Sie bieten sich dem Mann an, in-dem sie ihre Reize betonen, machen ihn lüstern, undwenn er dann brav seine Dressurkunststückchen vor-zeigt, schenken sie sich ihm. Und da sie ihn immer undimmer wieder aufgeilen, braucht er diese Belohnungimmer und immer wieder. Nur Männer von geringersexueller Potenz können es sich leisten, lang herumzu-gammeln und auf diese regelmäßigen Belohnungen zu-gunsten sporadischer zu verzichten. Ein Mann mitausgeprägter Libido muß noch fügsamer sein als jederandere — der »dynamische, unternehmungslustige, tat-kräftige, begeisterungsfähige junge Mann«, den manin allen Wirtschaftszweigen so sehr begehrt, ist nichtsweiter als ein total sexabhängiger Psychopath, der sichseine Ziele in bezug auf die Frauen besonders hochgesteckt hat. Denn was, wenn nicht die Belohnungdurch eine Frau, sollte einen jungen Mann dazu ver-anlassen, sich mit Begeisterung für den Verkaufeines x-beliebigen Markenartikels einzusetzen, wäh-rend draußen vor seinem Bürofenster eine ganze Weltvoll interessanter Abenteuer auf ihn wartet? Sein Triebist so stark, daß er auf die ganze Welt draußen ver-zichtet und sich mit dem so schwer erbeuteten Geldeine Frau kauft. Doch nennt er diese Frau dann auch

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sein »Abenteuer« - sie ist niemals ein Ersatz für dasVerlorene: Bei seiner Begegnung mit einer Frau ver-läuft alles nach dem strengen System von Angebot undNachfrage, das festen Regeln gehorcht und bei demÜberraschungen selten sind.

Die alte Weisheit, das Schicksal der Frau sei ihreAnatomie, trifft tatsächlich zu, insofern man unterSchicksal etwas Positives versteht. Im negativen Sinnkönnte dieser Spruch heutzutage allerdings eher aufden Mann passen, denn während die Frau von ihrenanatomischen Besonderheiten profitiert, wo sie nurkann, bleibt er ewig Sklave der seinen. Die Erektiondes männlichen Gliedes ist für eine Frau so grotesk,daß es ihr, wenn sie zum ersten Mal davon erfährt,vollkommen unmöglich erscheint, daß es so etwas ge-ben kann. Und wenn sie dann bemerkt, daß es nichteinmal der Gegenwart einer nackten Frau bedarf, umdieses Phänomen - das so simpel ist wie ein Patelar-sehnenreflex - zu erzeugen, sondern daß bereits derAnblick eines Filmes oder einer Photographie dazu ge-nügt, kommt sie aus dem Staunen nicht mehr heraus.

Es hat wohl nie etwas Absurderes gegeben als dieFreudsche Illusion vom Penisneid. Das männliche Gliednebst Hodensäcken erscheint der Frau lediglich alsetwas völlig Überflüssiges am sonst so aufgeräumten

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Körper des Mannes, als etwas beinahe Unordentliches(es ist ihr unverständlich, daß der Penis nach Gebrauchnicht wie die Antenne eines Kofferradios im Körperdes Mannes versenkt werden kann), kein kleines Mäd-chen würde auf die Idee kommen - auch nicht imtiefsten Unterbewußtsein -, einen kleinen Jungen dar-um zu beneiden (daß es vor ihm benachteiligt wird,empfindet es schon gar nicht, denn es wird ja bevor-zugt).

Freud war der Dressur durch weibliche Selbst-erniedrigung zum Opfer gefallen, die seine Mutter undspäter seine Ehefrau - und wohl auch seine Töchter -an ihm durchgeführt hatten. Er verwechselte Ursacheund Wirkung: Eine Frau denkt ja nicht, der Mann seimehr wert als sie selbst, sie sagt es nur. Die Machtder Frau wäre eher ein Grund zum Neid - aber derMann hat ja Lust an seiner Ohnmacht.

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Die weibliche Libido

Die weibliche Sexualität bereitet den Männern Unbe-hagen. Denn sexuelle Erregbarkeit und Orgasmus las-sen sich bei der Frau - ganz im Gegensatz zum Mann- schwer kontrollieren. Die Männer sind also bei ihrenUntersuchungen hauptsächlich auf jene Informationenangewiesen, die ihnen die Frauen freiwillig zukommenlassen. Und da eine Frau an wissenschaftlich exaktenErgebnissen in keiner Weise interessiert ist und immernur an den nächstliegenden Vorteil denkt, wird sieimmer nur gerade das aussagen, was ihr in dieser oderjener speziellen Situation opportun erscheint. Deshalbführen die vielen Untersuchungen - etwa über die Fri-gidität der Frau, über ihre Genußfähigkeit beim Ge-schlechtsakt, ob sie einen mit dem des Mannes vergleich-baren Orgasmus hat - zu genau entgegengesetztenResultaten (es sei unterstellt, daß auch Masters & John-son die Durchschnittsfrau nicht auf ihren Prüfstandbekamen). Der Mann schwankt daher zwischen derAnnahme, die Frau habe überhaupt keinen Sexualtrieb,und alles sei nur Komödie, und der Furcht, sie sei inWirklichkeit viel potenter als er (und verschweige ihmdas aus Mitleid), ständig hin und her. Um sich Gewiß-heit zu verschaffen, arbeitet er immer neue, noch bes-ser ausgeklügelte Fragen und Fragebogen aus, in derselbstverständlichen Erwartung, die Frauen beantwor-

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teten sie im Dienst der höheren Sache gewissenhaft.Eine trügerische Erwartung!

Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo in der Mit-te: Die Frauen sind zwar nicht wild auf Geschlechts-verkehr (sonst gäbe es sicher mehr männliche Prostitu-tion), andererseits ist ihnen der Geschlechtsakt auchnicht verhaßt, wie oft behauptet wird.

Die Frau existiert auf einem animalischen Niveau,sie ißt gern, trinkt gern, schläft gern, und auch Sexgefällt ihr - vorausgesetzt, sie versäumt dadurchnichts Besseres und muß sich dafür nicht übermäßiganstrengen. Im Gegensatz zum Mann würde sie niegrößere Strapazen auf sich nehmen, um einen Partnerins Bett zu bekommen: Wenn sie ihn aber schon inihrem Bett hat (und wenn sie nicht gerade eine kosme-tische Großaktion beabsichtigt oder im Fernsehen einProgramm läuft, das sie gern sehen würde), ist sie -vorausgesetzt, dieser Mann übernimmt die aktive Rol-le - dem Geschlechtsverkehr durchaus nicht abgeneigt.Denn auch die schöne Bezeichnung »aktiv« für denmännlichen Part und »passiv« für den weiblichen kannnicht darüber hinwegtäuschen, daß sich die Frau auchim Bett - wie sonst überall im Leben - vom Mann be-dienen läßt. Auch wenn er dem Mann Lust verschafft,ist der Geschlechtsakt doch letzten Endes nichts wei-

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ter als eine Art Service an der Frau, bei dem der Mannder bessere Liebhaber ist, der einer Frau geschickterrascher und länger Lust verschafft.

Weil die Männer zumindest ahnen, daß eigentlichsie diejenigen sind, die während des Geschlechtsaktsmißbraucht werden, hatten sie schon immer eine ge-wisse Angst vor der weiblichen Libido. Man findetdiese Angst in vielen Riten vergangener Kulturen, inden philosophischen Werken Schopenhauers, Nietz-sches, in den Romanen Baudelaires, Balzacs, Monther-lants, in den Dramen von Strindberg, TennesseeWilliams, O'Neill. Doch seit der Erfindung der Gebur-tenkontrolle durch Ovulationshemmer - der sogenann-ten Anti-Baby-Pille - hat diese Angst hysterischeFormen angenommen. Es werden ganze Bücher darübergeschrieben, ob und wie sehr der Mann die Frau insexueller Hinsicht fürchten müsse, ganze Zweige derPublizistik leben davon, den Männern Ratschläge füreine überlegene Rolle im Geschlechtsverkehr zu ver-kaufen.

Denn mit der Erfindung der medikamentösen Emp-fängnisverhütung hat sich der Mann (natürlich hat erdiese Erfindung gemacht) des einzigen Triumphs be-raubt, den er bei all seiner sexuellen Abhängigkeit vonder Frau noch hatte: Sie war ihm in diesem Punkt

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in gewisser Weise ausgeliefert. Jetzt ist sie plötzlichdi hier überlegen: Sie kann Kinder haben, soviel, so-

wenig und von wem sie will (also möglichst von einemReichen), und auch wenn sie keine Fortpflanzungsab-sichten hat, kann sie den Geschlechtsakt vollziehen,sooft es ihr vorteilhaft erscheint.

Der Mann kann das nicht. Er hat sich immer denAnschein gegeben, seine sexuelle Potenz sei unendlichgroß, und nur die Zurückhaltung der Frau hindere ihndaran, sie unter Beweis zu stellen. Doch heute muß erFarbe bekennen, heute kann sich jede Frau in der erst-besten Illustrierten darüber informieren, wie es um diemännliche Potenz bestellt ist. Sie weiß jetzt, wie potentein Mann in einem bestimmten Alter zu sein hat, ob ernachmittags potenter ist als nachts, ob er vor dem Essenpotenter sein sollte als nachher, ob See- oder Gebirgs-luft seine Potenz steigern, und wie oft hintereinanderer in der Lage sein muß, eine Frau zu befriedigen.Und da die Männer die Statistik nie belügen - dermännliche Mann lügt überhaupt nicht, Lügen ist fürAn ein Eingeständnis der Schwäche -, kann sie sichauf diese Daten hundertprozentig verlassen. Anhander Tabellen, welche die Männer für sie ausgearbeitet

haben, kann sie die Potenz eines bestimmten Mannes«akt feststellen. - Nicht nur feststellen, sondern, da

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der Geschlechtsverkehr kein Risiko mehr für sie birgt,mit der eines jeden beliebigen anderen vergleichen.Doch sie wird nicht - wie der Mann in seiner Angstglaubt - die Potenzen gegeneinander abwägen undsich für den Potentesten entscheiden. Da sie - wie be-reits gesagt wurde - nicht wild ist auf Sex, wird sie(falls die anderen Bedingungen gleich sind) eher denweniger Potenten bevorzugen und mit ihren Intim-kenntnissen erpressen.

Denn der Mann ist auf sexuellem Gebiet mehr nochals sonst ein Opfer des Leistungsprinzips, nach demer dressiert wurde. Er gibt sich selbst Zensuren: drei-mal hintereinander = sehr gut, zweimal = gut, ein-mal = befriedigend. Sexuelles Versagen bedeutet fürihn Versagen auf jedem Gebiet (auch wenn er ein bril-lanter Wissenschaftler ist, wird er nicht mehr glücklichwerden). Die Frau weiß das und sieht darin mehrereMöglichkeiten, sich Vorteile zu verschaffen: a) Sie kannso tun, als wisse sie nicht, daß ihr Mann eine geringePotenz hat, und ihn trotzdem für seine Potenz loben(vermutlich die am meisten verbreitete Methode), b) Siekann den Mann glauben machen, seine geringe sexuelleLeistungsfähigkeit sei ein großes Handikap, und er kön-ne sich glücklich schätzen, wenn sie trotzdem bei ihmbleibe, c) Sie kann drohen, ihn öffentlich bloßzustellen,

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wenn er sich ihr nicht genügend versklavt. Und weilder Mann sich noch lieber einen Dieb oder Totschlägerschelten läßt als einen Impotenten, wird er sich in je-dem Fall beugen und tun, was sie von ihm verlangt.

Die Potenz des Mannes hängt noch mehr als jedeandere Körperfunktion von psychischen Faktoren ab,und wenn es einmal angefangen hat, gerät er tatsäch-lich mit der Zeit in immer größere Potenzschwierig-keiten. Er steigert sich in die Angst, die Frau nichtmehr zu brauchen, denn aufgrund seiner Dressur iden-tifiziert er diese Abhängigkeit mit seiner Männlichkeit.Man muß sich den Widersinn einmal klarmachen:Er tut alles, um sich die Abhängigkeit von der Frauzu erhalten. Aphrodisiaka - früher unter dem Laden-tisch verkauft und von Quacksalbern zubereitet - sindlängst salonfähig geworden und Bestseller der pharma-zeutischen Industrie. Sogar in seriösen Blättern häufensich die Artikel über Beischlafschwierigkeiten, undHerrenwitze - die bekanntlich der männlichen Kastra-tionsangst entspringen - haben mehr denn je Hoch-konjunktur, obwohl ihnen der »Witz« meistens fehlt.Die zahlreichen pornografischen Magazine kauft sichder Mann bestimmt nicht zum Vergnügen — amüsierenwürde er sich auf einem anderen Niveau besser -, son-dern in der verzweifelten Hoffnung, durch diese star-

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ken Reize immer fit zu sein und auf der Höhe seinesMännlichkeitsmythos zu bleiben.

Und bei alledem ist er wieder einmal das Opfer sei-ner Gewohnheit, die eigenen Wertmaßstäbe für die Be-urteilung der Frau anzuwenden. Er glaubt, die Frauhabe nun, da es eine zuverlässige Verhütungsmethodegibt, nichts anderes mehr im Kopf, als alles Versäumtenachzuholen und nur noch das zu machen, was er -wegen seiner gründlichen Dressur - für das höchstealler Vergnügen hält - Sex. Das ist selbstverständlichein Irrtum — denn Sex ist zwar ein Vergnügen für dieFrau, aber lang nicht das größte. Die Freude, die einerFrau ein Orgasmus verschafft, rangiert auf ihrer Wert-skala weit hinter der, die ihr zum Beispiel der Besucheiner Cocktailparty bereitet oder der Kauf von einemPaar auberginefarbenen Lackstiefeln.

Die Angst der Männer, durch die neugewonneneFreiheit der Frauen von diesen sexuell übertroffenoder gar physisch geschwächt zu werden, ist deshalbabsurd. Eine Frau wird einen Mann, der für sie sorgt,immer nur so weit außer Gefecht setzen, daß er amdarauffolgenden Morgen pünktlich in seinem Büroses-sel Platz nehmen kann. Weshalb sollte sie in diesemPunkt Risiken eingehen? Selbst eine feurige Geliebtewird, wenn ihrem Mann wegen durchlebter Nächte

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auch nur der geringste Nachteil in seiner beruflichenLaufbahn entstehen könnte, den Geschlechtsverkehrsofort auf ein ungefährliches Maß reduzieren. Nympho-manische Frauen gibt es fast nur im Film und im Thea-ter. Gerade weil sie im Leben selten sind, ist das Publi-kum auf sie neugierig (aus demselben Grund handelnso viele Filme und Romane von extrem reichen Leuten,deren Anteil an der Gesamtbevölkerung ja auch sehrgering ist).

Wenn die Frauen an der männlichen Potenz inter-essiert sind, so hauptsächlich wegen der zu zeugendenKinder. Kinder braucht die Frau - wie wir später nochsehen werden - zur Verwirklichung ihrer Pläne. VieleFrauen wären vermutlich froh, wenn die sexuelle Po-tenz ihres Ehepartners nach der Zeugung von zwei bisdrei Kindern versiegen würde, ließen sich doch so fürsie eine Unmenge kleiner Komplikationen vermeiden.

Daß der Frau die körperliche Liebesfähigkeit desMannes nicht so wichtig ist, beweist auch die Tatsache,daß gutverdienende Männer auch dann unbeirrt gehei-ratet werden und verheiratet bleiben, wenn sie impo-tent sind (man könnte sich umgekehrt kaum vorstel-len, daß Frauen ohne Vagina irgendwelche Aussichtenauf die Ehe mit einem normal veranlagten Mann hät-ten).

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Dressur durch Bluff

Der starke Sexualtrieb des Mannes, seine hervorragen-de Intelligenz und sein Verlangen nach einem System,das ihm seine große Verantwortung abnimmt (dieer aufgrund eben dieser Intelligenz erkannt hat), ge-statten der Frau die sinnvolle Verwertung von Institu-tionen, die eigentlich der Vergangenheit angehören: derKirchen, Sekten und anderen Glaubensgemeinschafteneiner jeglichen Richtung, die sie kaltblütig zur Dressurihrer kleinen Kinder mißbraucht und deren Heere vonAngestellten, die Geistlichen, ihr auch später, wenndiese Kinder erwachsen sind, als eine Art Polizeitrup-pe dienen, die darauf achtet, daß ihre Interessen im-mer gewahrt bleiben. Dabei kommt es ihr zustatten,daß sie selbst, wie wir gesehen haben, weder gläubignoch abergläubisch ist. Auch die Männer glauben spä-ter nicht an die Lehren ihrer Kirche (es sei denn, eineDressur wäre - wie etwa bei einem Priester - beson-ders gut gelungen), doch wenn man sie diesen Lehrenfrüh genug zuführt, kann man gewisse Archetypen inihnen züchten, Maßstäbe für Gut und Böse, die nichtin ihrem Verstand verwurzelt sind, sondern in ihremUnterbewußtsein, und die sie deshalb nie mehr verges-sen können. Und diese Maßstäbe sind ihrem Wesennach immer Maßstäbe der Frau.

Jedes Glaubenssystem gründet sich auf Dressur,

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denn es besteht aus einer gewissen Anzahl von Regelnoder Geboten und einem Katalog von Strafen, die derÜbertretung dieser Regeln (der sogenannten »Sünde«)folgen. Natürlich folgen diese Strafen niemals wirk-lich, denn der Glaube an eine Art Überbewußtsein istja ein System ohne reale Basis, und es gibt daher auchniemand, der von einer heimlichen Sünde wissen odersie bestrafen könnte. Man sagt deshalb, daß Unglücks-fälle, die sich sowieso ereignen, wie etwa Erdbebenoder der Verlust eines Freundes (früher, bei noch we-nig entwickelten Naturwissenschaften, auch Seuchen,Mißernte, Blitzeinschlag), solche Strafen für began-gene Sünden seien und daß man diese durch bedin-gungslose Unterwerfung unter die Regeln oder durchBuße (eine Art Gehirnwäsche) von sich selbst abwen-den könne. Natürlich wird der Mensch in dem Maß,wie er seine Intelligenz entwickelt, diese Fiktion durch-schauen und das Ausbleiben der Strafen verifizierenkönnen. Doch die tiefverwurzelte Angst vor den Stra-fen (das Gefühl der Sünde), das in jenen ersten Jahrenin ihm gezüchtet wurde, wird ihn auch als Erwachse-nen nach Möglichkeit Handlungen meiden lassen, diein seiner Jugend als »böse« galten. Oder er wird, wenner sie begeht, zumindest ein schlechtes Gewissen dabeihaben.

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Eine der Sünden, die sich in beinahe allen diesenKatalogen findet, ist die Freude am Geschlechtsakt,der nicht der Fortpflanzung dient. Und da die Män-ner - von den Frauen dazu provoziert - immer Lustauf Sex haben, dieser Lust so oft wie möglich nach-geben möchten und dabei nie an Fortpflanzung den-ken (während des Orgasmus empfindet der Mann be-stimmt jede Art von Freude, nur nicht die Freude aufdas Kind, das er gerade zeugt - er wird also in diesemAugenblick noch mehr betrogen als gewöhnlich), ver-stoßen sie ständig zumindest gegen eine der Regelnihres Kinderglaubens und tragen so immer ein Gefühlvon Sünde mit sich herum. Die Frauen hingegen, dieihren Trieb konditioniert haben und den Geschlechts-akt meist aus einem bestimmten Grund ausführen, undnicht zu ihrem Vergnügen (Broterwerb, Fortpflan-zung, Befriedigung des Mannes - im letzten Fall alsokaritativ), begehen dadurch meist keine Sünde; selbstwenn sie darauf Wert legen würden, blieben sie vonGewissensbissen verschont. Im Gegensatz zum Mann,der zwar immer wieder gute Vorsätze faßt, diese je-doch in der Praxis nicht einhalten kann, hätten sie,auch wenn sie daran glaubten, kein Schuldkonto beiihrem System. In ihrem Hang zur Selbsterniedrigung,ihrem verstümmelten, unterdrückten Sexualtrieb (und

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auch in der Selbstverständlichkeit, mit der sie ohne ein-trägliche Beschäftigung auskommen und andere fürsich arbeiten lassen) ähneln sie jenen Figuren - Jesus,Gandhi -, die sie ihren Männern als Vorbilder anprei-sen lassen. Vorbilder, die diese in ihrer Triebbesessen-heit natürlich nie erreichen können und die sie in ihremVerdacht bestätigen, alle wirklich anbetungswürdigenQualitäten seien doch letzten Endes weiblich.

Dabei sind weder die Frauen am Sexualtrieb desMannes sonderlich interessiert, noch deren Polizei. DasTabu müßte nicht unbedingt Sex sein, sie haben es nurdeshalb gewählt, weil Sex die größte und reinste -vielleicht die einzige - Freude des Mannes ist. Wenner den gleichen oder einen noch größeren Genuß beimEssen von Schweinefleisch oder beim Rauchen empfän-de, würden sie natürlich sein Gefühl für Sünde mit derZigarette oder dem Schweinefleisch koppeln. Hauptsa-che, er lebt überhaupt in Sünde - in Angst - undbleibt so martipulierbar. Der Katalog wird deshalbauch je nach Alter variiert. Für die Kleinen ist die LügeSünde, das Begehren fremden Eigentums oder die un-zureichende Ehrerbietung gegenüber Vater und Mutter.Für die Älteren ist es die Lust auf Sex und das Begeh-ren »des Weibes ihres Nächsten«.

Doch wie sollen sie diese Sünden erkennen, wenn

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sie zunächst weder die Regeln kennen noch das System,in dessen Namen sie errichtet wurden? Wie sollen siean etwas glauben, das es nicht gibt, oder sich einerFreude schämen, die niemand schadet? Da alles, wasmit religiösem Glauben zu tun hat, dermaßen gegendie Logik verstößt, muß die Dressur in einem Alterdurchgeführt werden, in dem man noch nicht logischdenken kann. Sie muß nach Möglichkeit an einem Ortstattfinden, dessen absurde Architektur der Absurditätdes Vorgetragenen entspricht und es so etwas weni-ger unglaubhaft erscheinen läßt. Und wenn möglich,sollten diejenigen, die diese Schulung im alogischen Den-ken betreiben, anders aussehen als gewöhnliche Men-schen. Wenn es zum Beispiel Männer sind, die Frauen-kleider tragen oder irgendeine andere Maskerade, wirddie Verwirrung und Einschüchterung der Kinder bes-ser gelingen, und der Respekt, den sie vor diesen Wesenempfinden, wird sie auch bei späteren Begegnungen nieganz loslassen.

Dabei haben die Frauen von Anfang an dafür ge-sorgt, daß ihre Lobby, die Geistlichen, ausschließlichaus Männern besteht. Denn erstens könnte es demweiblichen Image schaden, wenn sie ihre Interessenselbst vertreten würden (man könnte sie womöglich fürberechnend halten!), und zweitens wissen sie, daß der

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Mann nicht allzuviel von ihrem Verstand hält unddaß sie deshalb immer nur über die Gefühle auf ihneinwirken können. Aber Ratschläge, die ihm ein ande-rer Mann erteilt - besonders einer, den er von Kindan als Respektperson kennengelernt hat -, wird er an-hören und vielleicht sogar befolgen. Daß diese Rat-schläge immer den Frauen zugute kommen (sie ratenzum Beispiel, bei einer ungeliebten Frau auszuharrenoder für Kinder zu sorgen, die sie nicht gewollt haben),entspricht nicht etwa einer Feindseligkeit dieser Lobbygegenüber den »normalen« Männern, sondern ist einedirekte Konsequenz aus deren finanzieller Abhängig-keit von den Frauen.

Die Frauen könnten gut ohne Kirchen existieren(sie brauchen sie, wie gesagt, nur zur Dressur von Män-nern und Kindern oder als Kulisse zur Vorführung vonGarderoben zu besonderen Gelegenheiten), die Kircheselbst wäre jedoch ohne die Unterstützung der Frauenschnell ruiniert. Wenn es der Frau einfiele, ihre Kindernur noch außerhalb der Kirchen zu dressieren - waszuweilen schon geschieht -, wenn sie darauf verzich-teten, das Kirchenschiff als den wirkungsvollsten Rah-men für ein weißes Kleid zu betrachten, und wenn siesich bei der Trauzeremonie mit der Einschüchterung desBräutigams durch einen Standesbeamten begnügten,

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stünden die Kirchen innerhalb weniger Jahre vollkom-men leer (in der Sowjetunion haben die sogenannten»Heiratspaläste« die Kirchen als Kulisse ersetzt). Manwürde sie plötzlich als das erkennen, was sie sind, Re-likte aus einer vergangenen Kultur, und ihnen unver-züglich alle staatlichen und privaten Zuwendungensperren - die doch letzten Endes immer von Männernkommen, denn natürlich zahlt der Mann, da es sonstniemand für ihn tut, seine Peiniger stets selbst. Wenndaher jemand sagt, die Kirchen hätten erwiesenerma-ßen etwas Magisches an sich, weil sie mit ihren jahr-tausendealten Lehren auch heute noch so viele Menschenin ihren Bann zögen, dann ist das ganz einfach eineFehlinterpretation. Nicht die Kirchen haben diesesMagische, sondern die Frauen. Die Glaubensgemein-schaften sind längst zu Instrumenten der Frauen um-gemünzt und tun wohl nie etwas anderes als das, wasdiese von ihnen verlangen.

Die Leidtragenden sind nicht zuletzt die Reprä-sentanten der Religionsgemeinschaften selbst. Sie wol-len nichts weiter als ein friedliches, kampfloses Lebenführen (freilich auf Kosten der männlichen Män-ner - aber die Frauen tun ja nichts anderes) und wer-den nun von den Frauen als eine Art Mafia benutzt,mit deren Hilfe sie ihre Kinder erschrecken, ihre Part-

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ner versklaven, den Fortschritt bremsen. Sie werdengezwungen (unter Boykottdrohung), bei besonderenAnlässen in einer lächerlidl-weibischen Maskerade auf-zutreten, mit lauter Stimme groteske Lieder zu intonie-ren und vor einem - manchmal sogar intelligenten -Auditorium Schauermärchen zu verbreiten, die allenmodernen theologischen Erkenntnissen widersprechen,die sie auf ihren Universitäten gelernt haben und mitdenen sie sich vor diesem Auditorium unsäglich blamie-ren.

Denn mit der modernen Theologie, die dem Zucker-brot-und-Peitsche-Prinzip völlig entsagt, kann manniemand mehr schrecken und selten Leistungen stei-gern. Was die Frauen brauchen, sind die alten Geschich-ten aus der Mottenkiste von Himmel und Hölle, Engelund Teufel, Paradies und Jüngstem Gericht. Nur wennder Tod eine Tür zu ewigem Glück oder ewiger Ver-dammnis ist, an der nach einem Punktsystem die aufErden vollbrachten Leistungen im Sinne der Frau abge-rechnet werden, ist er ein brauchbares Dressurmittel.Und wenn man das ewige Leben als etwas Wirklicheshinstellt, zu dessen Erwerb nur Treue und Sklavereierforderlich sind, dann ist das den Interessen derFrauen viel zuträglicher, als wenn ihre Männer tatsäch-lich nach der biologischen Unsterblichkeit forschen

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würden, die womöglich dann doch ein paar Generatio-nen auf sich warten ließe.

Von alledem bleiben die Frauen selbst natürlich ganzunberührt. Sie gehen in ihre Kirchen, wann immer eserforderlich scheint, und bleiben ohne Gewissensbissefern, wann immer es ihnen paßt. Zu den großen Zere-monien (die nie etwas anderes sind als Einschüchte-rungsversuche - Einschüchterungsversuche der Frauen,nicht der Priester) erwerben sie mit viel Aufwand fest-liche Toiletten (Brautkleider, Taufkleider, Trauerklei-der, Firmungskleider) und stecken die sie begleitendenMänner in die gewohnten dunklen Anzüge. Sie spielendie Gläubigen, Abergläubischen oder auch die Zweifle-rinnen, doch bei allem denken sie über den Glaubenselbst nie nach. Die Erwägungen der Männer, ob esphysikalische Voraussetzungen dafür gäbe, durch einenZaubertrick auf dem Meer zu wandeln, Wasser zuWein zu verzaubern oder durch Zauberei »unbefleckt«ein Kind zu empfangen, lassen sie kalt. Sie sind, wieimmer, auf die Sache selbst nicht neugierig, ihr Inter-esse liegt bei deren Verwertbarkeit. Und wenn sie aufeinen Mann treffen, der einen anderen Glauben hat undzur Bedingung macht, daß sie den ihren aufgeben, tunsie es ohne Zögern.

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Kommersialisierte Gebete

Die meisten Männer vergessen, wie gesagt, ihren Kin-derglauben. Was bleibt, sind andressierte Verhaltens-muster, wie etwa die Wahrheitsliebe, die Freude an derArbeit oder die Lust an der Unfreiheit.

Vom moralischen Standpunkt aus ist das Recht aufLüge eines jener Menschenrechte, die eigentlich jedemzustehen sollten, denn mit der Lüge kann man allzudreiste Überwachungsversuche der Gesellschaft abweh-ren und so den eigenen Existenzkampf verringern.Ungünstig ist dabei nur, daß lügen nur dann sinnvollist, wenn nicht jeder lügt. Das heißt, damit jemandbelogen werden kann, muß er wahrheitsliebend seinund das auch bei anderen voraussetzen. Die Lüge istalso gewissermaßen ein Luxusartikel, sie hat Selten-heitswert; und der muß — durch unablässige Verteufe-lung - im Interesse der Lügner unbedingt erhalten blei-ben. Aus diesem Grund ist es so wichtig, daß die Frauden Mann zur Wahrheitsliebe dressiert: Nur wenn erdie Wahrheit liebt, kann sie sich diesen Luxus leisten.

Die Wahrheitsliebe des Mannes ist für das Über-leben der heutigen Gesellschaftsordnung, in der allewichtigen Arbeiten von Männern verrichtet werden,ohnehin Voraussetzung: Auf der Lüge könnte man kei-ne funktionstüchtigen - das heißt logischen - Systemeerrichten. In unserem hochentwickelten, arbeitsteiligen

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Gesellschaftssystem muß einer mit dem anderen zu-sammenarbeiten und sich auf dessen Daten vollkommenverlassen können. Würden die Männer lügen — würdensie, nur weil es ihnen in einem Augenblick nützlichwäre, etwa falsche Angaben über die Abfahrtszeitenvon Zügen, Kapazitäten von Frachtern oder Benzinvor-räten von Flugzeugen an ihre Kollegen melden -, so hät-te dies für das gesamte Wirtschaftssystem verheerendeKonsequenzen; binnen kürzester Zeit entstünde einkomplettes Chaos.

Eine Frau kann ruhig lügen. Da sie nicht in denArbeitsprozeß eingegliedert ist, schadet ihre Lüge im-mer nur einem einzelnen Menschen - meist ihremMann -, und sie nennt sie, wenn sie zuweilen dochertappt wird, auch nicht »Lüge« oder »Betrug«, son-dern »weibliche List«. Und solange sie nur »weiblicheList« anwendet (solange es nichts mit einer körperlichenUntreue zu tun hat - das einzige Delikt, das ihr derMann nicht verzeihen würde), findet niemand etwasAnstößiges an ihrer Lügerei. Es scheint dem Mann (we-gen der an ihm vorgenommenen Dressur durch Selbst-erniedrigung der Frau) ganz natürlich, daß eine Frau,schwach und abhängig wie sie ist, solche Listen ge-braucht, um ihn, den starken, triebbesessenen Koloß(dieses »unselige Tier«), auf den richtigen Weg zu len-

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ken. Und es ist deshalb kein Wunder, daß erfolgreicheErfahrungen in dieser Sparte unter den Frauen ganzoffen diskutiert und sogar in ihren Gazetten, den Frau-enzeitschriften, veröffentlicht werden können. DieMütter geben sie an ihre Töchter weiter und diese andie ihren. Sie empfinden diesen Erfahrungsaustausch alsvöllig legitim, denn sie sind ja häufig dazu gezwungen,beide den gleichen Mann auszubeuten (erst den der Mut-ter, dann den der Tochter), und ihr ganzes Wohlergehenhängt davon ab, wie er pariert.

Natürlich sagen sie einem erwachsenen Mann nichtoffen, daß er nicht lügen darf. Sie tun nichts weiter,als mit seiner Lüge Unlustgefühle zu verbinden. Dasmachen sie - wie wir gesehen haben - entweder überden Umweg der Glaubenssysteme, bei denen auf Lügenfiktive Strafen stehen, oder direkt, durch eine Art per-sönlicher Magie. Wenn eine Frau ihrem Kind sagt:»Lügen ist etwas Böses, du darfst deine Mutter niemalsbelügen«, dann bekommt das Kind automatisch beimLügen Gewissensbisse. Sie braucht dieses »Böse« nichtweiter zu begründen, das Kind glaubt es einfach so, es istdarauf angewiesen, ihr zu glauben, und vertraut dar-auf, daß sie es ihrerseits auch nicht belügt (was natür-/lieh Unsinn ist, denn Mütter belügen ihre Kinder stän-

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Es ist die gleiche Magie, mit der die Frau späterihren Mann überzeugt: »Untreue ist etwas Erbärm-liches, du darfst mich nie betrügen«, oder bei den soge-nannten »großzügigen« Frauen: »Wenn du mich be-trügst, ist es nicht so schlimm, nur verlassen darfst dumich nicht.« Der Mann folgt diesem Befehl - denn esist ein Befehl -, ohne dessen Berechtigung zu bezwei-feln: Er wird eine solche Frau gelegentlich betrügen,doch verlassen wird er sie selten (obwohl doch das Ein-geständnis einer solch maßlosen Gleichgültigkeit fürihn ein Signal zum sofortigen Aufbruch sein müßte).

Im allgemeinen lügt der Mann nur in einer einzigenSituation, nämlich dann, wenn er - seinem starkenGeschlechtstrieb folgend - eine Frau, die er liebt, trotz-dem mit einer anderen betrogen hat. In diesem Fallbekommt er es dermaßen mit der Angst vor den mög-lichen Konsequenzen (daß die geliebte Frau etwa Glei-ches mit Gleichem vergelten könnte), daß er eher diegrößten Unlustgefühle in Kauf nimmt, als die Wahr-heit zu gestehen. Wenn es aber zum Beispiel darumgeht, einen schweren, selbstverschuldeten Autounfall zubeichten, einen menschlichen Verrat oder einen ver-bummelten Arbeitstag, unterdrückt er seine Angst vorKomplikationen und erleichtert sich bei ihr lieber miteinem vollen Geständnis.

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Bei der Frau verhält es sich genau umgekehrt: Sieverheimlicht ihrem Mann alles, nur nicht ihr Interessean einem anderen Mann oder dessen Interesse an ihr.Wenn sich schon ein zweiter oder dritter Mann für sieinteressiert, dann muß dieses Interesse auch umgehendkommerzialisiert werden und so einen Sinn bekommen:Der Mann, dem sie es eingesteht, muß begreifen, daß esnotfalls noch andere gibt, die für sie sorgen würden.Das wird augenblicklich seine Produktivität steigernund ihn wieder auf Trab bringen.

Über die männliche Lust an der Unfreiheit wurde ineinem anderen Teil dieses Buches berichtet. Sie führtzur Religiosität und zu Gebeten. - Eine Modifikationder kindlichen Gebete sind die Schlager: Der frühereGott wird kurzerhand direkt durch die viel glaubwür-digere Göttin Frau ersetzt (denn von ihr hängt ja tat-sächlich das Glück des Mannes ab), die Inhalte - Sehn-sucht nach Unterwerfung, Bitte um Erhörung, Flehenum Gnade oder ganz einfach Idealisierung — bleibenpraktisch gleich. Ob man singt »You're driving mecrazy...« oder »Befiehl du deine Wege...«, ob mansingt »Fly me to the moon...« oder »So nimm dennmeine Hände...«, kommt auf das gleiche heraus. Man-che modernen Schlager besingen auch tatsächlich noch

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den alten Gott, man merkt dann nur an Formulierun-gen wie »du läßt alles wachsen« oder dergleichen, daßdie Frauen nicht direkt gemeint sind.

Gebete und religiöse Lieder (vertonte Gebete) be-schwichtigen die Existenzangst, weil sie immer an einÜberbewußtsein appellieren, von dessen Wohlwollenalles abhängt: Man kann sich gehenlassen, braucht umsein Glück nicht mehr selbst zu kämpfen, alles liegt jain der Hand des Angebeteten. Je erwachsener derMann wird, desto größer wird auch seine Angst (vonder er jetzt weiß, daß sie begründet ist), und destogrößer auch wird sein Verlangen, sich wenigstens fürAugenblicke gehenzulassen und in die Allmacht einesanderen zu begeben. Früher haben die intellektuellenJünglinge Liebesgedichte verfaßt,, die als Gebete eineähnlich beruhigende Wirkung auf sie hatten. Heutzu-tage ist diese Form der Anbetung überflüssig gewor-den, denn das Angebot an Schlagern - die dunklenTriebe der Männer werden selbstverständlich immerauf deren eigene Kosten kommerzialisiert - wird vonJahr zu Jahr reichhaltiger, und viele Texte, wie bei-spielsweise die der Beatles, genügen jetzt auch höchstenAnsprüchen.

Natürlich gibt es auch Schlager, die den Mann an-beten: Wenn nämlich ein solches vertontes Gebet, das

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zunächst durch eine Männerstimme zum hit wurde, nunauch von einer Frau gesungen werden soll. Im allge-meinen besingen die Frauen nicht den Mann, sonderndie Liebe (was ihnen, da der Mann sie zur Liebebraucht, letzten Endes doch wieder selbst zugutekommt). Irgendwann müssen sie dabei entdeckt haben,daß es ihnen auch möglich ist, sich selbst zu besingen,ohne dabei allzusehr aufzufallen. Seither preisen sieunbekümmert ihre eigene Göttlichkeit, ihre Unbe-rechenbarkeit, ihre Grausamkeit oder die Selbstherrlich-keit, mit der sie sich diesem oder jenem hingeben, ihndadurch vernichten oder erlösen:

»Ich bin von Kopf bis Fußauf Liebe eingestellt,denn das ist meine Weltund sonst gar nichts.Das ist, was soll ich machen,meine Natur,ich kann halt lieben nurund sonst gar nichts.Männer umschwirren mich,wie Motten das Licht,und wenn sie verbrennen,- ja, dafür kann ich nichts!«

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So singt Marlene Dietrich im »Blauen Engel«. Wenndie Frauen sich selbst so göttlich rinden, wie göttlichmüssen sie dann erst sein! Im Leben betreiben sie dieAusbeutung der Männer subtiler als in diesem Film, sieruinieren sie vor allem nicht so rasch (niemand wird einHuhn schlachten, das goldene Eier legt), sondern imLauf eines ganzen Lebens; daher lachten die Männerüber die unglückliche Gestalt des Gymnasialprofessors,statt sich darin selbst zu erkennen. Heute singt NancySinatra, etwas abgewandelt:

»These boots are made for walkingand that's what they're going to do- one of these days these bootswill walk on over you.«

- Ein hit, denn das befriedigt ebensogut die Sehnsuchtder Männer nach einer grausamen Göttin wie die An-sprüche der Frauen auf Allmacht.

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Selbstdressur

Das Ideal eines Dompteurs wäre, ein Tier so weit zu• bringen, daß es sich selbst dressiert. Das hat es bishernoch nicht gegeben. Beim Mann verhält es sich anders:Von einem bestimmten Stadium an tut er es (er ist javiel intelligenter als seine Dompteuse). Wichtig ist da-bei nur, daß er Ziel, Belohnung und Strafe immer vorAugen hat.

Wir haben bereits eine Variante dieser Eigendres-sur in der Idealisierung der Frau durch die Schlager-industrie kennengelernt. Die beste Möglichkeit zurSelbstdressur bietet jedoch die Werbewirtschaft; dortidealisiert er die Frau nicht, weil es ihm masochistischeLust verschafft, sondern weil diese Idealisierung fürihn zu einer Frage des Überlebens wird. Nur die Aus-beuterinnen haben genug Zeit und Geld, seine Produk-tion zu kaufen und zu konsumieren. Um die Frau inseiner eigenen Vorortvilla mit Kaufkraft zu versehen,bleibt ihm nichts anderes übrig, als ganze Legionenebenso kauflustiger Frauen in anderen Vorortvillen zuzüchten, die seine Produkte kaufen. Er dreht sich dabeiin einem Teufelskreis, und er dreht sich immer schneller,bis ihm der Atem ausgeht und ein anderer seine Rolleübernimmt. Aussteigen und davonlaufen gibt es nicht.

Die Marktforschungsinstitute fahnden vorzugs-weise nach unbewußten weiblichen Wünschen (die an-

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deren sind ja längst befriedigt) und verkaufen ihreTrophäen für viel Geld an die Konsumgüterindustrie.Die beeilt sich, die erkannten »Marktlücken« - alswenn es welche wären - zu schließen. Auch der umge-kehrte Weg wird gegangen: Männer produzieren vonsich aus einen neuen Artikel, von dem sie sich aus-rechnen, daß die Frauen nach einer entsprechendenWerbekampagne Geschmack daran finden könnten. Siebeauftragen dann eine Werbeagentur damit, die Sehn-sucht nach dem neuen Produkt zu wecken. Sie mußnicht immer erfolgreich sein. Es ist zum Beispiel in kei-nem europäischen Land gelungen, Fertighäuser nachamerikanischem Vorbild im großen Stil zu verkaufen.

Alle paar Jahre geht wegen dieser kostspieligenFörderung weiblicher Konsumfreudigkeit eine Welleder Entrüstung durch die Reihen der Männer, denndas Klischee von der Frau als Opfer männlicher Aus-beutung ist in ihrem Bewußtsein so stark verankert, daßsie noch bei einem so eindeutigen Beweis ihrer eige-nen Ausbeutung mit Blindheit geschlagen sind. DieFrau werde, sagen sie, durch die Werbung manipuliert,ihre Naivität und Gutgläubigkeit (sprich Dummheit)werde in schamloser Weise zu Zwecken der Absatzstei-gerung mißbraucht. Diese Männer sollten sich doch bes-ser einmal fragen, wer denn hier manipuliert wird:

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derjenige, dessen verborgenste Wünsche entdeckt, ge-hätschelt und befriedigt werden, oder jener, der (umsich die Zuneigung des ersten zu erhalten oder zu er-werben) diese Wünsche entdecken, hätscheln und be-friedigen muß? Es galt dem Mann schon immer alshöchstes Ziel, die geheimen Wünsche einer geliebtenFrau zu erfüllen, »von ihren Augen abzulesen«, wie esin konventionellen Romanen heute noch heißt. Es istsoweit: Es gibt keinen weiblichen Wunsch mehr, derverborgen bliebe, und fast keinen, der nicht durch ent-sprechende Anstrengung erfüllbar wäre.

Daß so die Frauen notgedrungen immer noch düm-mer werden und die Männer immer noch intelligenter -daß sich also der Abstand immer mehr vergrößert, eineVerständigung immer unmöglicher wird -, fällt kaumnoch auf. Es ist ein biologisches Grundprinzip, daß In-telligenz sich nur im Wettbewerb entwickelt. Die Frauaber steht außerhalb jeden Wettbewerbs, das Überan-gebot an Komfort schläfert sie ein und läßt auch dieletzten Überbleibsel ihrer geistigen Anlagen verküm-mern. Während der Mann, gerade wegen des weibli-chen Komfortsbedürfnisses, immer neue Geldquellenerschließen und seine Erfindungsgabe zu immer größe-ren Leistungen anspornen muß, wird seine von steigen-dem Luxus umgebene Frau von Tag zu Tag stumpfer

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und gleichgültiger. Und so wird der Begriff der Weib-lichkeit, der bisher einfach nur Gebärfähigkeit undKäuflichkeit bezeichnete, immer mehr zu einem Güte-zeichen für Gebärfähigkeit, Käuflichkeit und Sdrwadj-sinn.

Wenn Marx recht hat und es tatsächlich zutrifft,daß das Sein das Bewußtsein bestimmt - also zumBeispiel die Antibabypille die Sexualmoral und dasAtompatt die Friedensideologien -, dann ist das Be-wußtsein der westlichen Frau, deren Lebensbedingungensich in den letzten zwanzig Jahren grundlegend gewan-delt (»verbessert«) haben, in einem akuten Stadium derVeränderung begriffen. Und diese Veränderung - dienur in der vollständigen Verblödung der Frauen endenkann - ist deshalb so gefährlich, weil niemand siebemerkt. Denn das Image der Frau wird heute nichtmehr von der Frau selbst gemacht, sondern von derWerbung - vom Mann also -, und sobald jemand anihrem hohen Wert irgendwie zweifeln könnte, stehenhundert zündende Werbeargumente dagegen. Die Frauist witzig, geistreich, erfinderisch, phantasievoll, warm-herzig, praktisch und immer geschickt, sagt die Wer-bung. Milde lächelnd, wie eine Göttin, serviert sie ihrerdankbaren Kinderschar das neueste Instantgetränk,die Augen ihres Mannes sind anbetend auf sie gerich-

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tet, weil ihm ihr neues Fertiggericht besonders gutschmeckt oder weil sie ihm gerade ein Frotteehandtuchreicht, das durch ein neues Spülmittel noch weicher istals gewohnt. Dieses Image - das der Mann für den Ver-kauf seiner Konsumgüter braucht und aus diesemGrund eigens geschaffen hat - wird auf der ganzenwestlichen Hemisphäre über alle Massenmedien pau-senlos wiederholt und jeden Tag neu gefestigt. Wiesollte da noch jemand auf die Idee kommen, die Frauenseien in Wirklichkeit dumm, phantasielos und unsen-sibel? Die Frau kann es nicht, und der Mann darf esnicht.

Die Frau ist der Kunde, der Mann der Verkäufer.Einen Kunden gewinnt man nicht, indem man sagt: Dasist etwas Gutes, das mußt du kaufen. Man sagt: Dubist großartig, warum solltest du dich mit minderwerti-gen Dingen umgeben; du hast Komfort verdient, ersteht dir zu! Der Mann muß also die Frau, abgesehenvon allem anderen, auch noch deshalb loben, weil ersie als Kundin braucht. Es fällt auf, daß er sich hiereines ähnlichen Tricks bedient wie die Frau bei derDressur an ihm. Doch leider so, daß er sich gegen ihnselbst kehrt: Sie lobt ihn, damit er für sie arbeitet, erlobt sie, damit sie sein Geld ausgibt. Wenn er der Frauseines Nachbarn schmeichelt und ihr dabei einen neuen

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Teppichboden für ihr Wohnzimmer aufschwatzt, mußer damit rechnen, daß der gleiche Nachbar am nächstenTag seiner eigenen Frau eine beheizbare Badewanneandreht - denn womit sollte er sonst den Teppich-boden bezahlen?

Der Mann sitzt in der Falle, er hat sie sich selbstgebaut: Während draußen der Kampf ums Geld immerhärter wird, verblödet ihm zu Hause seine Frau, undseine Wohnung füllt sich von Tag zu Tag mehr mitjenem Plunder und Schnickschnack, mit dem sie dieVerblödung der Frauen seiner Konkurrenten finanziert.Der Mann, der eigentlich das Schlichte und Funktio-nale liebt, findet sich jeden Tag mehr in einem Ge-strüpp aus Schnörkeln und allerlei Zierat. In seinemWohnzimmer häufen sich Porzellankatzen, Barhocker,Glastische, Kerzenständer und seidene Kissen, in seinemSchlafzimmer sind die Wände tapeziert mit Blümchen-stoff, in seinen Schränken stehen zwölf Sorten verschie-dener Gläser, und wenn er in seinem Badezimmer einenPlatz für seinen Rasierapparat sucht, sind alle Bordebelegt mit den tausend Cremes und Schminkutensilienseiner kunstgewerblerisch bemalten Frau.

Dabei ist es interessant, daß man auch ihm selbstfast nur solche Produkte verkaufen kann, die irgend-wie der Frau zugute kommen: Sportwagen (um Frauen

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zu ködern), Luxusartikel für die Frau oder Dinge fürden Haushalt (also auch für die Frau, der dieser Haus-halt de facto gehört - er selbst ist ja ein Heimatlo-ser, der zwischen einem Büro und einem Bungalow hinund her pendelt). Die Frauen selbst würden ihrenMännern von deren Geld gern auch etwas kaufen, undsie versuchen es auch, wann immer man ihnen dazuGelegenheit gibt (sie schenken ihnen Krawatten, bunteFreizeithemden, Aschenbecher, Brieftaschen, so oft esnur geht). Das Problem besteht darin, daß ein Mann sowenig braucht: Seine Kleidung ist genormt und daherbillig, sein Konsum an Speisen und Getränken ist schonim Interesse seiner Leistungsfähigkeit beschränkt, undfür den Konsum anderer Güter - außer der Zigarette,die er während der Arbeit raucht — hat er keine Zeit.Alle Anstrengungen der Industrie, Männer zum Kon-sum von Duftwässern, Haarsprays oder farbenfroher -also modisch kurzlebiger - Kleidung zu überreden,waren bisher mehr oder weniger vergeblich. Nur sehrjunge Männer (deren Arbeitsproduktivität für dieFrauen noch ungenügend ist), Reiche (die ohnehin »ge-liebt« werden), Künstler (eine Art Amüsiertruppe derFrauen) oder Päderasten gehen nach der jeweils neue-sten Dandymode. Es ist zum Beispiel trotz allerBemühungen der Werbeleute nicht gelungen, den so-

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genannten »Vatertag« zu etablieren, während der»Muttertag« in jedem Jahr für alle Brandien ein glän-zendes Geschäft ist. An dem Tag, an dem sie eigentlichgefeiert werden sollten, gehen die Männer bestenfallsfür ein paar Stunden in irgendein Lokal und trinkendort in Ruhe ein Glas Bier.

Es gibt außer Essen, Trinken und Rauchen nur nocheine Tätigkeit, bei der der Mann selbständig konsu-miert: nämlich dann, wenn es darum geht, seinenSexualtrieb zu befriedigen. Es ist daher kein Wunder,daß inzwischen ganze Wirtschaftszweige darauf spe-zialisiert sind, diesen Trieb auszubeuten, das heißt, ihnaufzugeilen und seine ohnehin schon große Lust auf Sexzu vervielfachen. Befriedigen muß er diese Lust dannallerdings, zum üblichen Preis, bei einer Frau.

Da diese Unternehmen selbstverständlich in derHauptsache von Männern betrieben werden, bedeutetdies, daß der Mann (zum Überleben) in der peinlichenLage ist, seine Geschlechtsgenossen selbst aufgeilen zumüssen. Er züchtet deren Lust auf die Frau mit allenirgendwie dazu geeigneten Mitteln und verführt dabeiebenso gründlich wie Alexander Pawlow bei seiner be-rühmten Dressur am Hund. So wie dieser die Speichel-sekretion des dressierten Hundes nicht nur beim An-

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blick einer Mahlzeit bewirken konnte, sondern bereitsauf ein bestimmtes Klingelzeichen hin, kann der Manndie Erektion seiner Geschlechtsgenossen nicht nur durchdie Anwesenheit einer Frau, sondern schon durch dasFoto eines halbnackten Busens, einen Seufzer auf einerSchallplatte oder einen bestimmten Satz in einem Buchbedingen. Deshalb produziert er solche Anregungengleich serienmäßig und stellt sie den anderen Männerngegen bares Geld zur Verfügung. Dieser Mechanismuskommt natürlich nicht nur der Erotika-Industrie zu-gute, sondern auch noch allen anderen Industriezwei-gen, die dem Mann für die Frau etwas verkaufen wol-len, denn auch Konsumgüter für Frauen werden ihmmittels attraktiver Frauenbusen leichter verkauft. Ererwirbt ein bestimmtes Buch, geht in einen bestimmtenFilm oder liest ein bestimmtes Magazin, weil er sichdabei einen Kitzel für seinen Sexualtrieb erhofft, undganz nebenbei wird so noch seine Lust auf eine Welt-reise zu zweit, ein Wochenendhaus in den Bergen odereinen neuen Sportwagen erweckt.

Eines der am besten gemachten Zeugnisse dieserVariante männlicher Selbstdressur ist das amerikanischeHerrenmagazin »Playboy«, wo dem Mann zwischenwundervollen Busen, die seine Lust entfachen, und her-vorragenden theoretischen Abhandlungen, die ihn un-

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terhalten (und ihm Gelegenheit geben, sich vor demnächsten Busen von seiner Erektion zu erholen), ab-wechselnd teure Autos, Spirituosen, überflüssige Klei-dung und Tabakwaren angeboten werden. Auf Frauenwirken solche Magazine gespenstisch, doch beim Mannscheint sich der Busenkult inzwischen so weit verselb-ständigt zu haben, daß ihm jedes Maß für das Gro-teske seiner Situation abhanden gekommen ist. Die In-dustrie, die seinen Sexualtrieb ausbeutet, suggeriert ihmso geschickt, daß der weibliche Busen zur Lust des Man-nes da ist, daß er darüber ganz vergessen hat, wozu dieFrauen ihre Brüste wirklich haben. Die Illusion gelingthundertprozentig, denn seit der Erfindung des vollwer-tigen Muttermilchersatzes bekommt er kaum noch einsaugendes Baby zu Gesicht.

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Kinder als Geiseln

Daß Kinder über alle Maßen liebenswert sind, ist nochlang keine Rechtfertigung dafür, sie auf die Welt zubringen: Wer Kinder macht, macht Erwachsene - alsoMänner und Frauen. Die meisten Männer leben aberals Erwachsene in der Hölle. Und das Glück der Frau-en ist dermaßen primitiv und geht zudem so sehr aufKosten anderer, daß es auch keinen Grund dafür gebenkann, Frauen zu machen.

Es entspräche nicht der Wahrheit, wenn man be-haupten wollte, nur Frauen seien an der Zeugung vonKindern interessiert: Auch Männer wünschen sich Kin-der, denn diese gehören zu den zwei bis drei Ausreden,mit denen sie nach außen hin ihre Unterwerfung unterdie Frau rechtfertigen können. Die Frau hingegen recht-fertigt damit ihre Faulheit, Dummheit und Verant-wortungslosigkeit. So mißbraucht jeder das Kind fürseine eigenen Zwecke.

Obwohl die Welt voll ist von halbverhungertenWaisen, bekommt jedes Ehepaar immer wieder seineneigenen Nachwuchs. Denn der Mann muß ja einenGrund dafür haben, daß er sich auch später noch, wennsein sexuelles Begehren längst nachgelassen hat, einerbestimmten Frau versklavt (der Mutter seiner Kinder)und nicht irgendeiner anderen. Da für ihn die Frau vorallem ein Alibi zur Unterwerfung ist, kann er zur glei-

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dien Zeit immer nur eine gebraudien (in jeder Indu-striegesellsdiaft ist der Mann monotheistisch - dasheißt monogam - veranlagt), mehrere Götter (Frauen)würden ihn unsidier madien, seine Identifikation mitsidi selbst erschweren und ihn in jene Freiheit zurück-stoßen, vor der er ständig auf der Flucht ist.

Für die Frau zählen soldie Gründe nicht. Da sienicht abstrakt denkt, hat sie, wie wir gesehen haben,audi keine Existenzangst und kein Bedürfnis nacheinem Gott, der ihrer Welt einen höheren Sinn gäbe. Siebraucht nur eine Ausrede dafür, daß ausgerechnet die-ser spezielle Mann für sie arbeiten soll (der längst nichtmehr sonderlich gern mit ihr ins Bett geht), und dafürbraucht sie Kinder von eben diesem Mann. Angenom-men, auf unserem Planeten würde Männerüberschußherrschen und auf jede Frau kämen beispielsweise dreiMänner, dann hätte die Frau selbstverständlich keiner-lei Hemmungen, sich von jedem der drei ein Kind ma-chen und ihn für dieses Kind (das heißt, für sie selbst)arbeiten zu lassen. Sie könnte dann diese drei Männergegeneinander ausspielen und dadurch deren Leistun-gen - und somit ihren eigenen Komfort - enormsteigern. Sie wäre - entgegen der landläufigen Auf-fassung - zur Polygamie viel eher prädestiniert alsder Mann.

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Ein Mann, der mit einer Frau Kinder zeugt, gibtihr Geiseln in die Hand und hofft, daß sie ihn damitbis in alle Ewigkeit erpressen wird. Nur so hat er inseinem absurden Dasein einen Halt und die sinnloseSklaverei, auf die er dressiert wurde, eine Rechtferti-gung. Wenn er für Frau und Kind arbeitet, arbeitet ernicht nur für zwei Menschen, von denen der eine nichtstun will, weil er weiblich ist, und der andere nichts tunkann, weil er noch zu klein ist. Er arbeitet für etwas,das mehr ist als diese Frau und dieses Kind: für einSystem, das alles umschließt, was arm, hilflos undschutzbedürftig ist auf dieser Welt (das Arme und dasHilflose und das Schutzbedürftige an sich) und das -wie er glaubt - seiner bedarf. Durch Frau und Kindschafft er sich ein Alibi für seine Sklaverei, eine künst-liche Rechtfertigung für seine trostlose Existenz, under nennt dieses System, diese heilige Gruppe, die ersich willkürlich geschaffen hat, seine »Familie«. DieFrau nimmt seine Dienste im Namen der »Familie«freudig entgegen: Sie akzeptiert die Geiseln, die er ihranvertraut, und macht damit, was er sich wünscht (ket-tet ihn immer fester an sich und erpreßt ihn bis an seinLebensende) - und zieht daraus den Nutzen.

Beide, Mann und Frau, haben also nur Vorteile vonihren Kindern (sonst würden sie ja keine zeugen). Der

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Mann hat den Vorteil, dadurch seinem Leben rückwir-kend einen höheren Sinn zu geben und sich auf ewigversklaven zu dürfen, und die Frau hat alle übrigenVorteile. Diese Vorteile müssen für sie enorm sein,denn so gut wie jede von ihnen kann wählen zwischenBerufsleben und Kindern, und so gut wie jede wähltdie Kinder.

Man könnte hier einwenden, daß die Frauen sichnur deshalb für Kinder entscheiden und nicht für denBeruf, weil sie Kinder lieben. Dagegen ist zu sagen,daß eine Frau so großer Gefühle, wie sie eine reineLiebe zu Kindern erfordern würde, gar nicht fähig ist.Der Beweis ist dadurch gegeben, daß so gut wie alleFrauen sich immer nur um ihre eigenen Kinder küm-mern und nie um fremde. Sie nehmen sich nur danneines fremden Kindes an, wenn sie aus medizinischenGründen keine eigenen bekommen können (und auchdann erst, wenn alle Versuche gescheitert sind, inklu-sive künstlicher Befruchtung durch den Samen einesfremden Mannes). Obwohl die Waisenhäuser der gan-zen Welt voll sind von reizenden, hilfsbedürftigenKindern, und obwohl Fernsehen und Zeitungen fasttäglich die Zahlen der kleinen Afrikaner, Inder undSüdamerikaner veröffentlichen, die den Hungertod ge-storben sind, nehmen die Frauen - die doch vorgeben,

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Kinder zu lieben - eher noch einen streunenden Hundoder Kater in ihr Heim auf als ein verlassenes Kind.Und obwohl in jedem Nachrichtenmagazin die hoheRate der Mißgeburten nachzulesen ist, die jährlichgezeugt werden (eines von sechzig — Kinder mit Wasser-kopf, fehlenden Gliedmaßen, blinde, taube, schwach-sinnige Kinder), lassen sie sich dadurch nicht beein-drucken und setzen — als wären sie durch einen bösenZauber dazu verurteilt — eines nach dem anderen indiese Welt. Wenn eine von ihnen dann solch einenmißgestalteten Menschen geboren hat, fühlt sie sich da-durch nicht in ihrem Egoismus entlarvt und zur Ver-antwortung gezogen: Als Mutter einer Mißgeburt wirdsie in unserer Gesellschaft wie eine Märtyrerin verehrt.Von einer Frau, die ein schwachsinniges Kind geborenhat, spricht man mit dem allerhöchsten Respekt, undwenn sie noch kein gesundes Kind hat, wird sie sorasch wie möglich eines bekommen, ein »normales«, daswie die Kinder der anderen Frauen ist, um ihre Gesund-heit zu beweisen (und sie zwingt damit dieses gesundeKind, seine ganze Jugend, sein ganzes Leben in der Ge-sellschaft eines Schwachsinnigen zu verbringen).

Daß die Frauen Kinder nicht lieben und nur zu ihremVorteil mißbrauchen, ist deshalb so schwer zu entlar-

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ven, weil Schwangerschaft, Geburt und die Betreuungeines sehr kleinen Kindes tatsächlich mit einigen Un-annehmlichkeiten verbunden sind. Doch wie geringsind diese Unannehmlichkeiten gegen das, was sie da-für eintauschen: lebenslange Sicherheit, Komfort undFreiheit von Verantwortung. Was müßte ein Mann aufsich nehmen, um etwas annähernd Gleichwertiges fürsich zu erreichen?

Daß eine Schwangerschaft nicht so unangenehm ist,wie es scheint, hat sich inzwischen sogar schon bis zuden Männern herumgesprochen. Manche Frauen fühlensich während dieser- Zeit besonders wohl, und es istneuerdings Mode geworden, das sogar offen zuzugeben.Daß sie alle dadurch häßlich und unansehlich werden,mit klobiger Figur, aufgedunsenem Gesicht, fleckigerHaut, spröden Haaren und geschwollenen Beinen,braucht sie wenig zu kümmern. Sie suchen ja wäh-rend dieser Zeit keinen Mann, sie haben schon einen,und wenn der mitansehen muß, wie seine Frau sichvom Schmetterling zur Raupe wandelt, hat er sich dasja selbst zu verdanken. Es ist ja sein Kind, das sie er-wartet, er hat sie dermaßen entstellt - welches Rechthätte er da, sie plump und abstoßend zu finden (außer-dem ist sie ja gerade dabei, ihm »ihre Jugend zu schen-ken«)?

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Über den Gebärvorgang selbst grassieren noch Ge-rüchte, die so furchterregend sind, daß der Mann nieauf die Idee kommen kann, eine Frau bekäme ihreKinder zu ihrem eigenen Vorteil und nicht zu seinem.Die Redensart »Sie schenkte ihm ein Kind«, die früherin den Romanen vorkam, gerät zwar in der Literaturallmählich aus dem Gebrauch, im Bewußtsein der Män-ner ist sie jedoch immer noch stark genug verwurzelt,um bei der Geburt ihrer Nachkommenschaft nichts alsSchuldgefühle in ihnen zu erzeugen (Schuldgefühle,wohlgemerkt, gegenüber der Frau, nicht etwa gegen-über dem Neugeborenen!).

Ein Mann müßte sich nur einmal vorstellen, daß ersich durch eine sechsstündige Sitzung bei seinem Zahn-arzt eine kleine Lebensrente verdienen könnte - würdeer das nicht tun? Natürlich gibt es zuweilen auch schwie-rige Geburten (sie sind wegen der Narkose weitgehendschmerzlos), im allgemeinen jedoch ist die Entbindungvon einem Kind für eine Frau nicht schlimmer als einelange Sitzung beim Zahnarzt. Was die Männer vonihren Frauen über den Geburtsvorgang erfahren,sind meist schamlose Ubertreibungen. Die wüstenSchreie, die häufig durch die Türen der Entbindungs-zimmer zu ihnen dringen, lassen sich am besten durchfehlenden Stolz und mangelnde Selbstbeherrschung er-

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klären (beides wurde an anderer Stelle ausführlicherläutert). Seit Jahren gibt es die schmerzlose Geburt,bei der Frauen ihre Kinder nach einer Vorbereitungs-zeit mit Gymnastik und autogenem Training ohneNarkose zur Welt bringen und sich nicht beklagen. DieFrauen täten deshalb gut daran, sich zu verabreden, obdie Entbindung von einem Kind nun weh tut odernicht. Solang die einen dies erzählen und die anderenjenes, bringen sie sich in Mißkredit und schaden so dergemeinsamen Sache.

Natürlich hat die Frau für das Erzeugen kleinerMenschen noch ein paar andere Gründe als den, daß siesich damit einen Anstrich von Hilflosigkeit gibt und soihre Tage bei leichter Arbeit und ohne Vorgesetzte ver-bringen kann. Zum Beispiel entdeckt sie eines Tages,daß ihr Körper wie ein Automat funktioniert, in denman nur etwas ganz Unscheinbares hineinstecken muß,damit etwas ganz Tolles herausfällt. Es reizt sie natür-lich, dieses wundervolle Spiel einmal auszuprobieren.Und wenn sie es einmal gespielt hat, möchte sie es wie-der und wieder spielen (es klappt fast immer — nach ge-nau neun Monaten kommt ein Mensch), sie ist ganzverrückt vor Begeisterung und findet sich wunderbar.Die Bedienung des Automaten ist natürlich im Grundeso legitim, wie wenn ein Mensch einem anderen den

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Schädel einschlägt (und dieser dann automatisch um-fällt), nur weil das biologisch möglich ist. - Wennnicht jedes dieser Spiele mit ihrem Körperautomatenhinterher ein bißchen Mühe für sie bedeuten würde,wäre sie dabei unersättlich. So ist sie gezwungen, sicheine Grenze zu setzen: dort, wo noch ein Kind mehrnur eine Vergrößerung ihres Arbeitspensums mit sichbrächte und keine Steigerung von Sicherheit und Kom-fort.

Diese Grenze ist in der Regel ganz leicht zu fixie-ren und wird hauptsächlich durch das Stadium derAutomatisierung des jeweiligen Haushalts bedingt: Inhochindustrialisierten Ländern wünscht sich eine Fraudurchschnittlich zwei bis drei Kinder. Bei der Nord-amerikanerin, deren Haushalt vollautomatisiert ist,liegt das Optimum näher bei drei, bei der Westeuro-päerin (der noch einige Haushaltsgeräte fehlen) näherbei zwei. Ein einziges Kind wird selten gewünscht, undmehr als drei Kinder gelten schon fast als asozial we-gen ihres Lärms und des Wäschegeruchs. Ein Einzelkindbringt keinen Vorteil mit sich, nur Nachteile. Eine Fraumit nur einem Kind erscheint nie so schutzlos und ansHaus gefesselt, wie sie sollte. Auch könnte diesem einenKind etwas zustoßen - womöglich in einem Alter, wenndie Frau nicht mehr gebärfähig ist —, es gäbe dann keine

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Ausrede mehr für sie, es sidi bequemer zu madien alsihr Mann, und er hätte keine Ausrede mehr, ausgerech-net für sie zu arbeiten. Außerdem hätte ein soldiesEinzelkind ja keinen Spielkameraden, die Frau müßtewomöglich selbst mit ihm spielen - und wenn es etwasgibt, was Frauen hassen, dann ist es, mit ihren Kindernzu spielen. Während Kinder sich für alles interessieren,nach allem fragen, interessiert sich ja die Frau prinzi-piell für nichts (außer für die schwachsinnigen Amüsier-möglichkeiten, die ihr der Haushalt und ihr eigenerKörper bieten). Es fällt der Frau deshalb - selbst, wennsie den besten Willen dazu hat - ausgesprochen schwer,auf die abenteuerliche Welt eines Kindes einzugehen.Sie hat zwar ein Repertoire läppischer Redensarten zurUnterhaltung sehr kleiner Kinder (»Ei, ei, wer kommtdenn da?«), doch sobald sie älter sind als zwei Jahreund selbst anfangen zu denken, ist es aus. Das sprich-wörtliche Klischee über die gemeinsamen Interessen vonVater und Sohn (der Vater, der nicht von der elektri-schen Modelleisenbahn seines Sohnes lassen kann) gibtes in bezug auf Mutter und Sohn nicht, ja nicht einmalin bezug auf Mutter und Tochter. Wenn sich eine Fraudennoch überwindet und täglich eine halbe Stunde mitihrem Kind spielt (». . . mehr wäre auch schädlich fürseine geistige Entwicklung«), erzählt sie es überall her-

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um wie eine Großtat (und das mit Recht, denn ein sol-ches Maß an Selbstüberwindung ist für sie tatsäch-lich eine Großtat).

Zwei bis drei Kinder erst garantieren materielleSicherheit, sie lassen die Frau hilflos und erwerbsun-fähig erscheinen, und das Risiko, im Alter ohne Kinder(ohne Enkelkinder) dazusitzen, ohne jemand, der ihrfür die mütterliche Fürsorge seine Reverenz erweisenkönnte, wird geringer. Außerdem können die Kindermiteinander spielen, während sich die Frau ihren »hö-heren« Vergnügungen, zum Beispiel dem Nähen oderdem Kuchenbacken, hingibt. Die mütterliche Fürsorgebesteht in diesem Fall darin, die Kinder zusammen inein Zimmer zu sperren und dieses erst dann wieder zubetreten, wenn sich eines verletzt und laut genug brüllt.

Hinzu kommt, daß die Erziehung und Dressur vonzwei und mehr Kindern viel leichter zu bewerkstelligenist als die eines einzigen Kindes. Um den Gehorsameines einzigen Kindes muß man kompliziert werben,man muß sich Methoden ausdenken, um es zu übertöl-peln (»zu überreden«, »zur Einsicht zu bringen«), oderman muß es züchtigen (was für die Frau nur lästigsein kann, so daß sie es ihrem Mann überläßt). Meh-rere Kinder hingegen erzieht man durch Erpressung.Da sie alle auf die Anerkennung ihrer Mutter ange-

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wiesen sind, genügt es, eines von ihnen ein klein wenigzu bevorzugen, damit die anderen sofort alles tun, wassie von ihnen verlangt. Jedes Kind lebt in ständigerFurcht, daß ihm die Mutter ihre »Liebe« entziehen undeinem anderen zuwenden könnte, und wenn dieseFurcht in der Regel auch keine Zuneigung zwischenGeschwistern entstehen läßt (als ob die Frauen daraninteressiert wären!), so fördert sie doch den Wettbewerbund somit die Leistung. Und auch später, wenn dieseKinder längst erwachsen sind, werden sie im Grundenichts anderes wollen, als sich gegenseitig zu übertrump-fen und vor ihrer Mutter auszustechen. Die Söhne be-friedigen ihren Ehrgeiz im Beruf, die Töchter überbie-ten sich gegenseitig in der Anhäufung von Besitztümern.Und von Zeit zu Zeit kehren sie alle immer wieder zuihrer Mutter zurück (die das für Sympathiekundgebun-gen hält und das Interesse der Geschwister aneinander»Familiensinn« nennt), um auf ihre neuesten Errungen-schaften aufmerksam zu machen.

Alle diese Vorteile gelten jedoch nur für eine Zahlvon zwei bis drei Kindern. Eine Frau mit mehr alsdrei Kindern (in unserer heutigen Zeit meistens aus ir-gendeinem Versehen heraus oder wegen religiöser Bin-dungen des Mannes) hat ein paar Jahre lang tatsächlichziemlich viel zu tun - wenn auch bei freier Arbeitsein-

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teilung, ohne Verantwortung für den Lebensunterhalt(Verantwortung für Kinder ist den meisten Frauenohnehin fremd) und ohne Vorgesetzte. Doch diese er-höhte Aktivität dauert nur so lange, bis das jüngsteKind das Kindergartenalter erreicht hat, und bietet ihrnoch einen kleinen Vorteil: Sie kann sicher sein, daß sieihr Mann, solange die Kinder nicht erwachsen sind, nie-mals sitzenläßt. Denn ein Mann, der eine Frau mit vierund mehr Kindern verläßt (und sei es auch nur des-halb, weil er diese Frau einfach nicht mehr ausstehenkann), gilt in unserer Gesellschaft praktisch als krimi-nell.

Wie dem auch sei: Wenn die Kinder das Schul- oderKinderschulalter erreicht haben, ist auch für die kinder-reiche Frau die meiste Arbeit ihres Lebens getan. Siehat wieder Zeit und oft auch Geld genug, ihr Lebeneinigermaßen zu genießen. Sie geht zum Friseur, arran-giert Blumen in Vasen, bestreicht Möbel nach den Vor-schlägen der Frauenzeitschriften bunt und pflegt ihrenkostbaren Körper. In den meisten westlichen Länderndauert der Schulunterricht fast den ganzen Tag, und inden wenigen, wo es noch keine Ganztagsschulen gibt,sind die Männer bereits mit dem üblichen Elan dabei,sie zu errichten. Sie haben aufgrund ihrer Untersuchun-gen festgestellt, daß Kinder, die nicht den halben Tag

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lang dem Einfluß ihrer Mütter ausgesetzt sind, ihregeistigen Fähigkeiten besser entfalten können und so-mit später leistungsfähiger sein werden. Die praktischeVerwertung dieser Erkenntnis, die sie in keiner Weiseals kränkend empfinden (da sie die »Ehre« des Mannesnicht kennen, kann man sie auf diese Art nicht ver-letzen), liegt also in doppelter Hinsicht im Interesseder Frauen.

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Die weiblichen Laster

Wenn ein Stapel gebügelter Leintücher ordentlich ineinem Schrankfach liegt, wenn ein Braten schön gleich-mäßig von allen Seiten bräunt, wenn ein Löckdienauf die gewünschte Weise in die Stirn fällt, wenndas Rosa eines Nagellacks genau zum Rosa eines Lip-penstifts paßt, wenn sauber gewaschene Wäschestückeim Wind flattern, wenn zehn Paar Schuhe frisch ge-putzt in Reihen stehen, wenn Fensterscheiben so blanksind, daß sie die Passanten blenden, wenn der Mannpünktlich zur Arbeit gefahren ist und wenn die Kinderfriedlich miteinander in der Sonne spielen, dann ist dieWelt der meisten Frauen hundertprozentig in Ord-nung. In solchen Stunden befinden sie sich auf demGipfel ihrer Genußfähigkeit, ihr Glücksgefühl läßt sichdurch nichts mehr überbieten. Und damit sie in dieserHochstimmung bleiben, backen sie rasch noch einen Ku-chen, gießen den Gummibaum am Wohnzimmerfensteroder stricken an einem Pullover für ihr Jüngstes. Dennwer nicht arbeitet, hat andere Genüsse als einer, derarbeitet. Eine Frau lümmelt sich nicht mit einer Zei-tung auf der Couch herum, ihr Müßiggang ist von dem,was Männer unter Müßiggang verstehen, grundver-schieden (und deshalb erscheint sie diesen ja auch so flei-ßig): Wenn eine Frau nicht arbeiten will, so nicht, weilsie es sich bequem machen und ausruhen möchte - wo-

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von sollte sie sich ausruhen? -, sondern weil sie uner-hört vergnügungssüchtig ist und weil sie für ihre Ver-gnügungen Zeit braucht. Diese Vergnügungen sind:Kuchenbacken, Wäschebügeln, Kleidernähen, Fenster-putzen, Löckchendrehen, Fußnägel lackieren und zu-weilen - bei sehr hochentwickelten Frauen, wir wer-den später noch auf sie zu sprechen kommen - auchMaschineschreiben und Stenografieren. Und damit esnicht auffällt, nennt sie ihre Amüsements im Haus»Hausarbeit«. Körperpflege betreibt sie ohnehin nurzur Freude ihres Partners, und ihre läppischen Vergnü-gungen in den Vorzimmern der berufstätigen Männer- die darin bestehen, daß sie, in voller Maskerade amSchreibtisch sitzend, deren fertig formulierte Gedankenin ein optisches Medium überträgt - bezeichnet sie als»anregende geistige Tätigkeit«. Auf diese Weiseschwelgt sie mit ihrer Clique in einem großen, perma-nenten Fest, lebt sie in einer Welt der Freiheit, Verant-wortungslosigkeit und des rationalen Glücks, von derein Mann für sich selbst nicht einmal zu träumen wagtund die er allenfalls bei Hippies oder Südseeinsulanernvermuten würde, aber nie in seiner eigenen Umgebung.

Es gäbe natürlich gegen diese unschuldigen Orgiennichts einzuwenden, wenn die Männer wüßten, daß essolche sind. Wenn sie nicht ihr ganzes Leben ruinierten

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in dem Glauben, die Frauen hätten es noch viel schlech-ter als sie. Denn auf den Gedanken, daß dies alles dieVergnügungen ihrer Frauen sind, können Männer vonallein nicht kommen. Dazu müßter. sie begreifen, wieabgrundtief dumm diese Frauen sind: so dumm, daßsie sich nur auf dem allerniedrigsten Niveau und aufewig gleichbleibende Weise amüsieren können, und einsolches Maß an Dummheit liegt für einen Mann außer-halb jedes Vorstellungsvermögens.

Nicht einmal die Psychologen, die sich doch stän-dig mit der weiblichen Intelligenz befassen (als Männerinteressieren sie sich nun einmal mehr für Frauen als fürsich selbst), sind bisher auf die Idee verfallen, daß ihnendie »weibliche« Psyche möglicherweise nur deshalbso sonderbar vorkommt, weil Frauen so blöde sind.Daß ihnen die »weiblichen« Tätigkeiten nur deshalb sounattraktiv erscheinen, weil es ihnen an der zum Ver-ständnis notwendigen Dummheit mangelt. Wenn dieseFachleute mit ihren Untersuchungen etwa feststellen,daß Schulmädchen fast ausschließlich in jenen Fächernreüssieren, in denen man nicht zu denken braucht, woman also, wie beim Sprachenstudium, auswendig ler-nen kann - dabei kann ein gutes Gedächtnis bekannt-lich ebensogut ein Symptom für Schwachsinn sein - oderwo, wie in der Mathematik, alles nach strengen Regeln

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verläuft, die man wiederum auswendig lernt, und daßsie in gewissen anderen (Physik, Chemie, Biologie)weitgehend versagen, dann folgern sie daraus nicht et-wa, daß es diesen Mädchen an Intelligenz mangelt,sondern sie sprechen von einer »typisch weiblichen«Intelligenz. Daß diese Art von »Intelligenz« eine er-worbene (also nicht angeborene) Art von Dummheitist, die daher rührt, daß eine Frau durchschnittlich imAlter von fünf Jahren zum letzten Mal einen origi-nellen Gedanken äußert und sich dann unter Anleitungeiner total verblödeten Mutter darum bemüht, jedeForm von Intelligenzentfaltung abzubremsen, würdendiese Psychologen nie begreifen.

Und auch die übrigen Männer mögen sich die gren-zenlose Dummheit ihrer Partnerinnen nicht recht ein-gestehen: Sie seien zwar nicht besonders gescheit, mei-nen sie, dafür hätten sie jedoch Instinkt - und sie nen-nen diesen Instinkt, im Unterschied zum tierischen, denweiblichen. Aber leider ist dieser vielgerühmte Instinktnur ein anderes Wort für statistische Wahrscheinlich-keit: Weil Frauen sich in alles einmischen und zu allemihre Meinung äußern (da sie dumm sind, merken sienicht, wie sie sich blamieren), kann es natürlich nichtausbleiben, daß sie mit ihren Prognosen zuweilen rechtbehalten. Die meisten Prognosen sind ohnehin negativ

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und nie sehr exakt formuliert: »Das kann nur eineKatastrophe geben«, sagen sie, » . . . von dieser Sachewürde ich lieber die Finger lassen«, oder » . . . mit dei-nen sogenannten Freunden wirst du nichts als Enttäu-schungen erleben.« Solche Prophezeiungen könnte je-der bei jeder Gelegenheit wagen. Und wenn Frauenmanchmal tatsächlich klarer sehen als Männer, so des-halb, weil sie im Unterschied zu den Männern ohneGefühle urteilen.

Dabei ist die Dummheit der Frauen nur eine allzulogische Konsequenz ihrer ganzen Einstellung zum Le-ben: Was könnte eine Frau, die sich schon als Kinddafür entscheidet, später auf Kosten eines Mannes zuleben (alle fünfjährigen Mädchen wollen später heira-ten, einen Haushalt führen und Kinder zur Welt brin-gen, und die zehn-, fünfzehn- und zwanzigjährigenwollen es immer noch), mit Intelligenz und den dadurchbedingten Einsichten wohl anfangen? Sie muß sich dochdafür bereithalten, später ganz auf die Neigungen undInteressen jenes Menschen einzugehen, der für sie sorgt(sie muß ihn ja wegen dieser Neigungen und Interessensogar noch loben), und sie hat doch im voraus keineAhnung, was das für einer sein wird. Was könnte esihr schon nützen, sich beispielsweise frühzeitig für denSozialismus zu engagieren (demonstrierende Studentin-

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nen sind immer mit einem demonstrierenden Studentenliiert), wenn sie später womöglich einen wohlhabendenFabrikanten heiraten wird? Was käme denn dabei her-aus, wenn sie aus lauter Sensibilität zur Vegetarierinwürde und dann womöglich einem Viehzüchter nachAustralien folgen müßte? Und wozu sollte sie sich zumAtheismus bekehren, wenn sie dann vielleicht doch ihrLeben in einem rosenumsponnenen Pfarrhaus ver-bringt?

Was hätte es Jacqueline Bouvier genützt, wenn siein ihrer Jugend irgendwelche ideologischen Konzepteentwickelt hätte? Ein Faible für Demokratie jedenfallswäre ihr nur bei ihrer ersten Heirat mit /. F. K. zu-statten gekommen, ein Faible für Faschismus nur beider zweiten. Und da sie eine der »weiblichsten« Frauenüberhaupt ist, legt sie vermutlich auf die Achtung derMänner ohnehin keinen Wert: Im Grunde kommt es ihrnur darauf an, den Frauen zu gefallen und sie zu beein-drucken.

Es ist also besser, wenn eine Frau der Gesellschaft,in ihrer Jugend nur ein bißchen über Kunst, ein biß-chen Tischsitten und ein bißchen Sprachen lernt. Wennsie tatsächlich einmal in die Verlegenheit kommen soll-te, eine Rolle im öffentlichen Leben zu spielen - alsFrau eines Mannes, der im öffentlichen Leben eine Rolle

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spielt -, genügt es vollkommen, wenn sie beteuert, daßeine »echte« Frau vor allem für ihren Mann und fürihre Kinder da sein sollte, und alle Welt wird dies alsein Zeichen größter Bescheidenheit werten und ihr da-für Beifall zollen.

Die Dummheit der Frauen ist so überwältigend, daßalles, womit sie in Berührung kommen, gleichsam wievon ihr durchtränkt wird. Sie fällt nur deshalb nichtmehr auf, weil ihr jeder von der ersten Sekunde sei-nes Lebens an ausgeliefert war und sich so unmerklichan sie gewöhnen konnte. Bisher wurde sie daher vonden Männer auch entweder ignoriert oder als typischweibliche Eigenschaft betrachtet, die niemand störte.Doch mit dem Zuwachs an Zeit und Geld ist auch dasUnterhaltungsbedürfnis der Frauen gestiegen, was be-deutet, daß diese Dummheit sich nun auch im öffent-lichen Leben immer mehr breitmacht. Nicht nur jedeBodenvase, jedes Schlafzimmerbild und jeder Brokat-vorhang eines Haushalts, jede Cocktailparty und jedeSonntagspredigt spiegelt sie jetzt wider, auch in densogenannten Massenmedien beansprucht sie inzwischenimmer mehr Platz. Die Frauensendungen in Hörfunkund Fernsehen nehmen überhand, die Spalten mit Ge-sellschaftsklatsch, Verbrechen, Mode, Horoskop, Koch-

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rezepten werden audi in seriösen Tageszeitungen immerlänger, und die speziellen Publikationsorgane der Frauenkommen jeden Tag zahlreicher und üppiger auf denMarkt. Und ganz allmählich wird so nicht nur die pri-vate Sphäre der Männer, sondern auch das gesamte öf-fentliche Leben von dieser Dummheit verseucht.

Es gibt zum Beispiel Publikationen über Politik,Philosophie, Naturwissenschaften, Wirtschaft, Psycho-logie und solche über Kleidung, Kosmetik, Wohnkul-tur, Gesellschaftsklatsch, Kochen, Verbrechen, Liebes-affären. Die ersten werden fast ausschließlich vonMännern gelesen, die letzten ausschließlich von Frauen,und beiden - Männern sowohl als auch Frauen - er-scheint die Lektüre des anderen so abstoßend undöde, daß sie sich lieber zu Tode langweilen, ehe siesich daran vergreifen. Tatsache ist, daß die Männer sichwirklich dafür interessieren, ob es auf dem Mars primi-tive Lebensformen gibt oder ob die Argumente derChinesen im russisch-chinesischen Grenzkonflikt stich-haltiger sind als die der Russen, und daß solche Pro-bleme die Frauen absolut kalt lassen. Sie interessierensich dafür, wie man braune Häschen stickt, Klei-der häkelt und ob sich eine bestimmte Filmschauspie-lerin scheiden läßt oder nicht. So leben beide schönvoneinander getrennt, jeder mit seinem eigenen Hori-

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zont und ohne jemals mit dem anderen in wirklicheBerührung zu kommen. Das einzige Thema, das siebeide interessiert, ist die Frau.

Natürlich bleiben einige Männer trotzdem nicht da-vor verschont, sich mit den speziellen Frauenpublika-tionen zu befassen, denn so wie auch die weiblicheMode, die ja die meisten Männer nicht im geringsteninteressiert, von männlichen Sklaven gemacht wird (dieFrauen sagen dann seelenruhig, sie beugten sich demDiktat der großen Couturiers), werden auch die Un-terhaltungsorgane für Frauen von solchen hergestelltund vertrieben. Und diese Bemühungen können erstdann erfolgreich sein, wenn die Männer sich ganz aufdie geistige Ebene der Frau hinabbegeben und heraus-zubekommen versuchen, was ihr gefällt. Da dies füreinen Mann ein beinahe hoffnungsloses Unterfangen ist,läßt er sich dabei von einem Stab weiblicher Redak-teure beraten, der ihm sagt, was eine Frau gut unter-hält. Die Verantwortung für Gestaltung, Verkauf undAuflagensteigerung dieser Organe bleibt ihm jedoch aufalle Fälle.

Diese Blätter unterhalten die Frau (zum BeispielLadies' Home Journal, McCall's), befriedigen ihreKlatschsucht (Gente, Movie Life), beraten sie bei derAuswahl ihrer Maskerade (Vogue, Bazaar) und vereinen

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manchmal auch diese verschiedenen Elemente in einereinzigen Publikation (Elle, Brigitte, Grazia). Undihnen allen ist gemein, daß sie den Mann völlig igno-rieren (das Hauptthema der Herrenjournale dagegenist die Frau). Wenn sie ihn erwähnen, so prinzipiell nurin Zusammenhang mit seinen Vorlieben in bezug aufFrau, Heim oder Speisen (»Tragen Sie in diesem Som-mer hautfarbene Unterwäsche, Männer mögen das«,»Ein natürliches Make-up für das erste Rendezvous«,»Stellen Sie Kerzen auf, das stimmt ihn romantisch«,»Drei Gerichte, für die er Sie lieben wird« usw.). Undweil eine solche pauschale Kenntnis seiner Vorliebennur dem Zweck dienen kann, mit ihrer Hilfe irgend-einen Mann leichter zu ködern oder länger zu fesseln(die Leserinnen dieser Blätter sind allesamt entwederledig, und somit auf der Suche nach einer Arbeitskraft,oder verheiratet, also darauf angewiesen, die bereitseroberte Kraft zu halten), sind sie letzten Endes dochnichts weiter als Gebrauchsanweisungen. Gebrauchsan-weisungen für den immer noch zuverlässigsten Arbeits-roboter der Welt, als den sie den Mann betrachten.Häufig heißen die Überschriften denn auch ganz offen:»So angeln Sie sich den Mann fürs Leben«, »ZehnDinge, die ihn bei Laune halten« oder »Ratschläge fürdie ersten drei Ehejahre«. Und diese Anweisungen le-

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sen sich so klar und übersichtlich, als handle es sichum Tips zum Erwerb eines Wagens oder um Pflegean-leitungen für einen Kaschmirpullover.

Wegen der Begrenztheit der weiblichen Interessenkommt es in den Redaktionen solcher Blätter natürlichhäufig zu Stoffmangel. Dann müssen die Redakteureauf sogenannte Männerthemen zurückgreifen (von de-nen es ja, da die Männer sich für alles interessieren,genug gibt) und diese durch ein kompliziertes Um-wandlungsverfahren auf das Niveau ihrer Leserinnenzurechttrimmen. Dabei lautet das oberste Gesetz: JederArtikel muß den Eindruck erwecken, als handle es sichum einen Bericht über Frauen. Nur unter einer Über-schrift wie »Frauen waren mein Ruin« könnte übereinen gealterten Boxer berichtet werden, ein Komponistmuß während des Interviews zumindest einmal sagen,daß ihn Frauen inspiriert haben und daß ja auch einschönes Mädchen wie eine Melodie sei - nur nochschöner. Wenn diese Tarnung gut gelingt, ist es durch-aus möglich, die entferntesten Themen an die Frauenheranzutragen. Es hat sich herausgestellt, daß man so-gar über die Aufgaben eines Verteidigungsministeriumsetwas für Frauen schreiben kann, wenn man das Ganzeals einen Bericht über das Familienleben des betreffen-den Ministers aufzieht (dabei darf natürlich der Platz

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für die Fotos von Frau und Kindern des Ministersnicht zu knapp bemessen sein), und sogar über fremdeLänder läßt sich etwas bringen, wenn man die Repor-tagen als Artikel tarnt, die das Leben einer Frau ausdem Milieu der Leserinnen schildert, die einen Mannaus einem solchen fernen Land geheiratet hat (»MeinMann ist Japaner, Ägypter, Chilene, Israeli«).

Dieses Prinzip trifft eigentlich auf alle Sparten zuund gilt ganz besonders für die Politik. Da Frauensich nur für Frauen interessieren und nicht für Männer,kann man ihnen auch aktuelle politische Ereignisse nurdann nahebringen, wenn diese den Eindruck erwecken,als hätten sie eine Frau zum Mittelpunkt. Der Viet-namkrieg etwa wurde erst populär, als die ersten Fotosjener sagenhaften Madame Nhu in der Presse erschie-nen, die Probleme der nordirischen Katholiken sinderst seit Bernadette Devlin aktuell, und das Drama umdie unfruchtbare Soraya hat wahrscheinlich zum Ver-ständnis der Probleme des Iran mehr beigetragen alsalle anderen Publikationen über dieses Land zusammen-genommen.

Die erste politische Tat eines Machthabers solltedaher seine Heirat mit einer möglichst fotogenen Frausein. Man kann nur ahnen, welch einen Gewinn es fürLänder wie Israel oder Indien bedeutet hätte, wenn

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Golda Meir oder Indira Gandhi nach den strengenMaßstäben der Frauen schön gewesen wären, wenn ihreFotos anstelle der Gracias von Monaco, Sirikits vonThailand oder Farah Dibas von Persien die Titelseitender Illustrierten geschmückt hätten. Die entsprechendenReportagen hätten dann Überschriften gehabt wie»Die Juwelen der Golda Meir« oder »Was den Män-nern an Indira Gandhi so gefällt« - und ganz neben-bei hätte man auch der anderen Hälfte der 'Weltbevöl-kerung (der wohlhabenderen Hälfte) immer wiederklarmachen können, daß beispielsweise in Israel derTeufel los ist und in Indien jedes Jahr soundsovielhunderttausend Kinder den Hungertod sterben (die manvon dem Geld leicht ernähren könnte, das Frauen fürNagellack und Nagellackentferner ausgeben).

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Die Weiblichkeitsmaske

Zwischen einer ungeschminkten, kahlen und nacktenFrau und einem ungeschminkten, kahlen und nacktenMann gibt es kaum einen Unterschied. Mit Aus-nahme jener Organe, die der Fortpflanzung dienen,wird alles, was Mann und Frau voneinander unter-scheidet, künstlich erzeugt. Der Mann wird zum Manndurch die Entwicklung seiner Intelligenz und die da-durch mögliche Produktivität (seine Erscheinung bleibtdabei fast unverändert), die Frau wird zur Frau durchgraduelle Verdummung und durch die Verwandlungihres Äußeren, und diese Differenzierung der Ge-schlechter geschieht ausschließlich auf Veranlassung derFrau.

Ein Mann gilt, wie wir gesehen haben, erst nacheiner Reihe weiblicher Dressurakte als »männlich«, dieFrau selbst jedoch verwandelt sich in eigener Regie undmacht sich »weiblich« mit Hilfe der Kosmetik, Frisier-kunst und Garderobe. Diese artifiziell hergestellteWeiblichkeit besteht aus zwei Komponenten: der Be-tonung der sekundären Geschlechtsmerkmale, die bereitsan anderer Stelle beschrieben wurde, und der Verfrem-dung durch den Maskeneffekt. Denn mit ihren vielfäl-tigen Masken verfolgt die Frau immer nur den Zweck,den Unterschied zwischen sich und einem beliebigenMann so auffällig wie möglich zu gestalten.

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Durch die Betonung ihrer Geschlechtsmerkmale wirdsie für den Mann begehrenswert, durch die übrige Mas-kerade wird sie geheimnisvoll für ihn - sie wird dasfremde, das schillernde, das »andere« Geschlecht, unddaß sie das wird, erleichtert ihm seine Unterwerfung.Mit Hilfe der weiten Skala von Verwandlungsmöglich-keiten, die ihr zur Verfügung stehen — eine »richtige«Frau sieht jeden Tag ein wenig anders aus -, frappiertund überrascht sie den Mann jedesmal aufs neue.Außerdem gewinnt sie Zeit: Während er hinter ihremveränderten Äußeren mühsam die Frau vom Tag zuvorwiederfinden muß, kann sie in Ruhe ihre eigenen Plänerealisieren — die darin bestehen, diesen Mann in einemöglichst ausweglose Position zu manövrieren — undihn dabei geschickt von jenem Verwesungsgeruch ablen-ken, den ihr unter der gefälligen Maskerade dahinfau-lender Geist überall verströmt.

Eine Frau betrachtet sich daher immer nur als Roh-stoff für eine Frau: Nicht das Material wird beurteilt,sondern was daraus entsteht. Ohne Make-up, Locken-frisur und Kettchen sind Frauen praktisch noch nichtvorhanden - das erklärt auch, weshalb so viele vonihnen völlig ungeniert mit Lockenwicklern und einge-fettetem Gesicht herumlaufen: Das sind ja noch nichtsie, sie werden erst noch gemacht! -, und diese Fiktion

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gelingt ihnen um so leichter, als ihnen dabei ihre Intel-ligenz nicht im Weg steht.

Damit diese Metamorphose zur Frau gelingt, habensie von jeher keine Mühe gescheut. Keine kosmetischeProzedur war einer Frau je zu zeitraubend oder kost-spielig, wenn es darum ging, jenes Endprodukt herzu-stellen, das sich vom Mann in so auffälliger Weiseunterscheidet. Indem sie ihre Haut einfettete, wurdediese immer glatter und immer verschiedener von derdes Mannes, indem sie ihre Haare lang trug oder lockig,unterschied sie sich ebenfalls von ihm, und indem sieihre Augen mit schwarzer Schminke umrahmte, wur-den sie zwar nicht schöner, aber ganz und gar andersals Männer äugen: fremd, geheimnisvoll, beunruhigend.

Das alles war der ursprüngliche Sinn der weiblichenMaskerade, doch er ist inzwischen fast in Vergessen-heit geraten. Da die bürgerliche Frau in den letztenJahrzehnten durch den von Männern geschaffenenWohlstand von einer vielbeschäftigten Hausangestell-ten zu einer Art Kokotte avanciert ist, konnte es nichtausbleiben, daß sich ihre früher zweckgebundenen Spie-le mit ihrer äußeren Erscheinung verselbständigten. Siehat jetzt Zeit und Geld und möchte sich mehr denn jeunterhalten wissen. Und weil das Spiel mit ihrem Kör-

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per zu ihren bevorzugten Unterhaltungen zählt (häufigist es sogar ihr einziges Vergnügen, denn besonderswohlhabenden Frauen muß es ja auch noch die Haus-arbeit ersetzen), wird es auch von allen Seiten forciert -von den Männern, die ihre .Schminkutensilien produ-zieren, von denen, die ihre Kleider und Frisuren ent-werfen und produzieren, und von denen, die davonleben, für dieses Spiel immer neue Varianten vorzu-schlagen: den Redakteuren von Frauenfunk und Frau-enzeitschriften. Dabei hat sich inzwischen tatsächlichso etwas wie eine ganz eigene Kultur unter den Frauenentwickelt, eine Art Kunstgewerbe, in dessen Schutzsie völlig ungestört und unter sich leben können, unddas sie in Höhen (vielmehr Tiefen) führt, wohin ihnender Mann - mit Ausnahme der darauf spezialisiertenArbeitssklaven - nicht mehr folgen kann.

»Sorgen Sie dafür, daß Ihre Lippenhaut geschmei-dig bleibt«, rät beispielsweise eine renommierte Frau-enzeitschrift einer Leserin, die über »zu tiefe« Lippen-falten klagt, »bürsten Sie Ihre Lippen täglich vorsich-tig mit einer nassen Zahnbürste, und benutzen Siemehrmals am Tag Lippenpomade. Nehmen Sie Lip-penstifte ohne Perlmuttschimmer, sie setzen sich nichtso leicht in den Falten fest.« »Messen Sie nach«, be-fiehlt sie allen Frauen, »Ihr Beckenumfang darf Ihre

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Taillenweite um 25, den Brustumfang höchstens umacht Zentimenter übersteigen.« »Bürsten Sie Ihre Brauenimmer erst in Form, bevor Sie sie nachstricheln. MalenSie nie einen glatten Bogen, sondern stricheln Siesorgfältig Härchen für Härchen. Ganz natürlich siehtes aus, wenn Sie direkt neben der Nasenwurzel fastsenkrechte Striche malen und wenn Sie zwei Farbenmischen, zum Beispiel Grau und Braun.« »Hängen Sieeinen Spiegel in Ihre Küche: er hilft Ihnen kontrol-lieren, ob Sie beim Kochen unbewußt Grimassenschneiden oder Ihre Stirn in Falten legen, und er er-innert Sie auch, wenn Ihre Frisur sich aufgelöst hat.«

Und die Frauen, für jede neue Spielregel dankbar(denn sie haben ja nicht genug Phantasie, selbst solchezu erfinden), führen alles gewissenhaft aus: messenihren Beckenumfang, bürsten ihre Lippen, strichelnihre Augenbrauen und hängen sich, zur Vermeidungvon Denkfalten, kleine Spiegel in die Küche. Und wennsie das getan haben, warten schon wieder neue Spiel-vorschläge: Es gibt heute tatsächlich Frauen, die ihreBrüste täglich zehn Minuten lang in kaltem Wasserbaden (»Das macht sie straff«), die sich, ohne krank zusein, jeden Morgen von Kopf bis Fuß einölen, die ihreHaare alle paar Tage auf mindestens dreißig Locken-wickler drehen und die allein für das Make-up ihrer

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Augen über eine halbe Stunde benötigen. Und da siedank all dieser, in seinen Augen absurden Tätigkeitendem Mann immer fremder, immer unberechenbarer -immer weiblicher — erscheinen, sind es häufig geradediese Frauen, denen er sich am willigsten versklavt.

Inzwischen geht das Spiel immer weiter. Wer mit-spielen will, wer den Anschluß an die Clique nichtverlieren möchte, muß immer neue Regeln beachten,denn die Anforderungen, die die Frauen gegenseitig ansich stellen (die Männer sind aus dem Spiel längst aus-geschieden), werden enorm, die Unterhaltungsmöglich-keiten mit dem eigenen Körper sind ins Unendlichegewachsen und nehmen von Tag zu Tag weiter zu. Da-bei ist es natürlich unvermeidbar, daß viele Frauenhalbwegs auf der Strecke bleiben und sich wieder vor-nehmlich den Amüsements des Haushalts zuwenden.Es entstehen, durch das unterschiedliche Einkommender Männer bedingt, Klassenunterschiede zwischensehr gut, gut und weniger gut maskierten Frauen, wo-bei die ersteren allen anderen als Idole dienen undihnen durch ihre perfekte Maskerade, die sie über ihrespeziellen Publikationsorgane ständig überwachen, eineArt Ersatzbefriedigung bieten.

Doch auch für die nur mittelmäßig maskierte Frauwerden die Spielregeln immer komplizierter: Zum

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Schwimmen beispielsweise geht sie nur noch mit was-serfestem Spezial-Make-up, sorgfältig enthaarten Bei-nen und Achselhöhlen, eingefettetem Körper und mitunter der von Gummiblüten übersäten Bademütze auf-gedrehten Haaren; vor der Fahrt zum Supermarktpflegt sie sich zumindest mit mattschimmernder Tages-creme, einem Tupfer Rouge und hellbrauner Wimpern-tusche; bei Beerdigungen nimmt sie zur schwarzen Man-tilla eine besonders helle Teintgrundierung und fastunsichtbaren Lippenstift; und das Schminken und An-kleiden für eine ganz gewöhnliche Cocktailparty, diesie vielleicht nach ein paar Minuten schon wieder ver-läßt, beansprucht inzwischen Stunden. Wo sie frühereinen einzigen Lidschatten auftragen mußte, nimmtsie jetzt drei (etwa weiß, gold und grün), ihre Lippenpflegt sie mit Lippenpomade, Konturenstift, Perlmutt-stift und Puder, ihre falschen Wimpern werden nichtmehr en bloc aufgeklebt, sondern Wimper für Wimper(»Das wirkt natürlicher«), und in die eigene Frisur wirdimmer häufiger ein falsches Haarteil eingeflochten, dasselbstverständlich, genau wie das eigene Haar, immerfrisch gereinigt und gelockt sein muß. Allein für dasMake-up von Augen und Augenbrauen braucht eineFrau folgendes: ein Band falscher Wimpern, Spezial-kleber und Pinzette für das Befestigen dieser Wim-

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pern, Mascarastift, Wimperntusche, Eyeliner, Lidschat-ten (drei Farben), Brauenstifte (zwei Farben), Brauen-puder mit abgeschrägtem Pinsel, Brauenbürstchen,ölhaltige Pads für das Abschminken und Spezialaugen-creme.

Und den Männern, die ihre Göttinnen zwar göttlichmögen (fremd, schillernd, das heißt weiblich), aber nichtmit zusehen wollen, wie sie Stunden um Stundensklavisch vor dem Spiegel verbringen, wird es bei die-ser Entwicklung immer unbehaglicher. Denn genauwie bei der Hausarbeit, die in ihren Augen gegen diemenschliche Würde verstößt und von der sie nichtglauben können, daß sie ihren Frauen Vergnügen ver-schafft, können sie dies auch von der Kosmetik nichtannehmen. Jeder Mann weiß zwar von sich selbst, daßer keinen Wert darauf legt, daß seine Frau zur Pflegeihrer Augenlider drei verschiedene Puderfarben ver-wendet (genauso, wie er weiß, daß er keine Zimmer-pflanzen und keine Spitzenvorhänge an seinem Fensterbrauchte), doch er denkt, genau wie bei der Haus-arbeit, daß die anderen Männer oder die Gesellschaftdies von einer Frau verlangen, und er bedauert sie des-wegen und fühlt sich für diese Entwicklung persönlichverantwortlich. Da er weiß, daß er und seine Ge-schlechtsgenossen nur auf das Äußere einer Frau Wert

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legen, auf Sexsymbole und eine gewisse Verfremdungdurch Schminke, die sich jedoch in Grenzen hält (wor-auf sollen sie bei der Dummheit und Gefühlsarmutder Frau eigentlich sonst Wert legen?), folgert er, daßderen unermüdliche Beschäftigung mit ihrem Körpersich nur mit einem Übereifer bei der Erfüllung dermännlichen Ansprüche erklären läßt, und fühlt sichschuldbewußt und gerührt. Durch seine primitiven Be-dürfnisse mache er die Frau zum Objekt, meint er (zumLustobjekt), unterdrücke ihre wertvollen Eigenschaften(die ja tatsächlich nirgends zu finden sind!) - und gehtdamit natürlich wieder einmal haarscharf an der Wahr-heit vorbei. Denn daß diese ganze Entwicklung die bis-her höchste Stufe weiblicher Kultur ist, daß Frauen sichdurch Mode und Kosmetik nicht zu Objekten machen,sondern daß ihre fortwährende Beschäftigung mit die-sen Dingen der geistigen Aktivität unendlich primitiverSubjekte entspricht, mag er in seinem eigenen Interessenicht denken.

Und noch etwas kann er nicht wissen: daß näm-lich die Art, wie eine Frau sich sozusagen Tag für Tagvöllig neu erschafft, wie sie sich durch ihre vielfältigenMaskeraden immer wieder vor sich selbst verfremdet, sienicht nur amüsiert, sondern auch noch ihr ohnehin sehrschwaches Religionsbedürfnis (das, wie wir im Kapitel

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über die »Lust an der Unfreiheit« gesehen haben, durchihre geringe Intelligenz bedingt ist) befriedigt. JederSchritt zu einer solchen Verwandlung erfordert jaganz neutrale, kritische Selbstbeobachtung von ihr undzwingt sie praktisch dazu, sich ständig mit den Augeneiner fremden Zuschauerin zu sehen und ihr Werkmit deren Maßstäben im Laufe eines Tages tausend-mal zu überprüfen. Folglich kann sie sich, wenn dieVerwandlung gelingt, wenn die Maskerade den An-forderungen der Fremden entspricht oder diese sogarnoch übertrifft, mit deren Augen auch hemmungslosbewundern. Sie ist durch diesen Trick sozusagen in derLage, sich selbst zu verherrlichen, und bleibt damit vorjedem System, das dazu dient, die menschliche Lust ander Unfreiheit zu befriedigen (Ideologien, Religionen,Verherrlichung eines anderen), weitgehend verschont.

Aus allem, was die Frauen mit sich anstellen, undwas immer ihrer Verschönerung dient, ergibt sich fürdie Männer eine logische Konsequenz: daß Frauennämlich Männer, selbst wenn sie sie beachten wür-den, auf keinen Fall schön finden könnten. Es heißtzwar, »ein Mann muß nicht schön sein«, und vieleMänner zitieren diese Weisheit ganz ohne Hinterge-danken sogar noch selbst, aber offensichtlich ist es doch

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so, daß er nicht nur nicht schön sein muß, sondern daßer, selbst wenn er es wünschte, in den Augen der Frauennicht einmal schön sein könnte. Wenn die Frauen sichin ihrer albernen Maskerade selbst schön finden (undnichts deutet das Gegenteil an), können sie nicht zu-gleich die weitgehend ungeschminkten, uniformier-ten Männer schön finden; diese wären in ihren Augenja bestenfalls Vorstufen zu Menschen, Rohmaterial,Entwürfe. Ein Mann ist daher für die Frau in gewis-sem Sinn sowieso immer häßlich, und folglich kann siebei ihrer Wahl sein Äußeres auch völlig ignorieren undsich ganz frei — das heißt nur nach dem Lebensstan-dard, den er ihr bieten könnte - entscheiden.

Besonders sensible Männer müssen dies in jünge-rer Zeit auch selbst empfunden haben und versuchendaher, nach den Maßstäben der Frau schön zu wer-den und diese endlich auch einmal durch ihr Äuße-res zu beeindrucken. Doch dieser Ausbruchversuch istinzwischen so gut wie gescheitert: Erstens konnten allediese Männer unmöglich von heute auf morgen daserreichen, was Frauen in Generationen kultiviert ha-ben (das lange Haar eines Mannes ist nie so seidig,seine Haut nie so zart und seine Garderobe nie so er-lesen extravagent wie die einer Frau), zweitens habendie Legionen versklavter Männer diese Verräter sofort

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aus ihrer Gemeinschaft ausgestoßen und ihnen weit-gehend die Verdienstmöglichkeiten gesperrt.

Heute maskieren sich fast nur noch jene - Dichter,Maler, Musiker in Beatbands, Hippies, Schauspieler,Journalisten, Fotografen-,die gerade mit dieser Maske-rade, als eine Art Hofnarren der Bourgeoisie, ihr Geldverdienen, und fast jeder von ihnen hat auch eine Frau,die dieses Geld sofort wieder verwertet. Beim Dichterist es die Muse, beim Maler das Modell und bei denjungen Beatmusikern das Groupie, das auf ihre Kostenlebt. Und sollten sich wirklich einmal lange Haare oderHalsketten für Männer allgemein durchsetzen (wasdurchaus möglich ist, denn alle hundert Jahre gibt es,meist wegen der inzwischen veränderten Arbeitsbedin-gungen, auch in der Herrenmode kleine Varianten),dann werden diese langen Haare bei allen genau gleichlang sein, und die Ketten, die sie anstelle der Krawat-ten tragen, werden ebenso diskret und unauffällig seinwie diese.

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Berufswelt als Jagdrevier

Die vielen berufstätigen Frauen - Sekretärinnen, Fa-briksarbeiterinnen, Verkäuferinnen, Stewardessen -, de-nen man überall begegnet, die sportlichen jungenMädchen, die in immer größerer Zahl Colleges undHochschulen bevölkern, könnten einen fast auf die Ideebringen, die Frau habe sich in den letzten zwanzigJahren grundlegend verändert. Sie könnten einen glau-ben machen, das moderne junge Mädchen sei fairer alsseine Mutter und habe sich - vielleicht von einem gro-ßen Mitleid mit seinem Opfer überwältigt - entschlos-sen, nicht mehr die Ausbeuterin des Mannes zu sein,sondern seine Partnerin.

Dieser Eindruck täuscht. Die einzig wichtige Tatim Leben einer Frau ist die Wahl des richtigen Man-nes (sie darf sich sonst überall irren, hier nicht), unddeshalb trifft sie diese Wahl meist dort, wo sie diemännlichen Qualitäten, auf die es ihr ankommt, ambesten beurteilen kann: beim Studium und bei der Ar-beit. Büros, Fabriken, Colleges und Universitäten sindfür sie nichts weiter als gigantische Heiratsmärkte.

Welches Milieu sie zum Ködern ihres künftigenArbeitssklaven tatsächlich wählt, hängt weitgehendvom Einkommen des Mannes ab, der sich vorher fürsie versklavt hatte - ihres Vaters. Die Töchter gut-verdienender Männer suchen sich den Mann zum Hei-

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raten vorzugsweise auf Hochschulen und Universitä-ten, denn dort bestehen die größten Chancen, einenmindestens ebensogut verdienenden Mann zu finden(außerdem ist ein Pro-Forma-Studium bequemer alseine — wenn auch vorläufige — Berufstätigkeit). Mäd-chen aus weniger gutem Hause müssen sich zum gleichenZweck vorübergehend in einer Fabrik, einem Laden,Büro oder Krankenhaus verdingen. Beide Formen desEngagements sind provisorisch - sie dauern bis zurHochzeit, in Härtefällen bis zur Schwangerschaft - undhaben einen großen Vorteil: Jede Frau, die heute heira-tet, hat »dem Mann ihrer Wahl zuliebe« entwedereinen Beruf oder ein Studium aufgegeben. Und solche»Opfer« verpflichten.

Berufstätigkeit und Studium der Frau verfälschenalso nur die Statistik und dienen außerdem dazu, denMann noch hoffnungsloser zu versklaven - denn so-wohl Beruf als auch Ausbildung sind für Mann undFrau etwas völlig verschiedenes.

Für den Mann geht es im Beruf immer um Lebenund Tod. Gerade die ersten Jahre sind meist für seineganze Zukunft entscheidend - ein Mann, der mitfünfundzwanzig noch nicht auf dem Weg nach obenist, gilt als hoffnungsloser Fall -, in dieser Zeit ent-faltet er alle seine Fähigkeiten, der Kampf mit seinen

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Konkurrenten ist ein Kampf bis aufs Messer. Hintereiner Maske großzügiger Kollegialität liegt er ständigauf der Lauer; jedes Zeichen von Überlegenheit einesanderen wird ängstlidi registriert, jedes Zeichen vondessen Schwäche muß er sofort zu seinen Gunsten aus-nützen. Und bei alldem ist er immer nur ein Rädchenin einem gigantischen Wirtschaftsgetriebe, das ihnnach allen Regeln der Kunst auswertet: Wenn er andereschindet, schindet er sich selbst am meisten, die Befehle,die er gibt, sind Befehle anderer über ihm. Wird ergelegentlich von seinen Vorgesetzten gelobt, geschiehtdas nie, um ihm eine Freude zu machen, sondern immermit dem Ziel, ihn noch weiter anzuspornen. Für ihn,der darauf dressiert wurde, stolz und ehrenhaft zu sein,ist jeder Tag im Berufsleben eine endlose Kette vonDemütigungen: Er begeistert sich für Markenartikel,die ihn nicht interessieren, lacht über Witze, die er ge-schmacklos findet, vertritt Meinungen, die nicht dieseinen sind. Und bei alldem darf er sich nicht eineSekunde lang vergessen: Die kleinste Nachlässigkeitkann Degradierung bedeuten, ein einziges falsches Wortkann das Ende der Karriere sein.

Die Frau, um die es bei diesen Kämpfen in ersterLinie geht und unter deren Augen sich das alles ab-spielt, sieht dem gelassen zu. Für sie ist die Zeit ihrer

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Berufstätigkeit eine Zeit der Flirts, Rendezvous, Nek-kereien - in der als Vorwand auch noch ein bißchenArbeit erledigt wird, mit der meist keinerlei Verant-wortung verbunden ist. Sie weiß, daß das alles vor-übergeht (und falls nicht, dann hat sie wenigstensjahrelang in dieser Illusion gelebt). Die Kämpfe derMänner beobachtet sie deshalb aus sicherer Distanz, ge-legentlich applaudiert sie einem der Kämpfer, tadeltoder ermutigt ihn. Und während sie ihnen Kaffee kocht,ihre Post öffnet und ihre Telefongespräche abhört, trifftsie kaltblütig ihre Wahl. Sobald sie den Mann fürsLeben gefunden hat, zieht sie sich zurück und überläßtdas Terrain dem Nachwuchs.

Beim Studium ist es nicht anders. In den USAfindet man auf Colleges und Hochschulen mehr Frauendenn je, doch die Zahl derer, die fertigstudieren, istgeringer als vor dem zweiten Weltkrieg. Während dieStudentinnen in den Vorlesungen ihre Frühjahrsgar-derobe entwerfen, in den Pausen kokettieren und, mitunter durchsichtigen Gummihandschuhen blutrot lak-kierten Fingernägeln, an Leichen herumsezieren, gehtes bei ihren männlichen Partnern immer um alles odernichts. Einer Frau genügt es, College oder Universitätmit einem Verlobungsring abzuschließen, beim Mannreicht nicht einmal ein Diplom. Diplome kann man

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leicht durch Auswendiglernen erwerben (es gibt we-nig Prüfer, die zwischen Wissen und Bluff unterschei-den können), der Mann aber muß auch begreifen, wor-um es geht. Von der Fundiertheit seiner Kenntnissewird später sein materieller Erfolg abhängen, sein Pre-stige und häufig sogar das Leben von Menschen.

Die Frau kennt keinen Kampf. Wenn sie ihr Stu-dium abbricht und einen Universitätsdozenten heira-tet, hat sie ohne Anstrengung das gleiche erreicht wieer. Als Ehefrau eines Fabrikanten wird man sie mitnoch größerer Ehrerbietung behandeln als diesen (undnicht wie jemand, den man in der gleichen Fabrikbestenfalls am Fließband beschäftigen könnte). AlsFrau hat sie immer den Lebensstandard und das Sozial-prestige ihres Mannes und muß nichts tun, um diesenStandard und dieses Prestige zu erhalten - das tut er.Der kürzeste Weg zum Erfolg ist deshalb für sie immernoch die Heirat mit einem erfolgreichen Mann. Undden bekommt sie weder durch Fleiß noch durch Streb-samkeit oder Ausdauer, sondern einzig und alleindurch eine attraktive Erscheinung.

Man hat gesehen, welche Anforderungen die gutdressierten Männer an das Aussehen der Frauen stel-len. Die besten Dompteusen bekommen automatisch -

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also ohne sich im geringsten bemühen zu müssen — dieerfolgreichsten Kämpfer unter ihnen. Da diese soge-nannten »schönen« Frauen auch meist die sind, die esseit ihren Kindertagen am leichtesten hatten und somitnoch weniger als die anderen einen Grund zur Entwick-lung ihrer geistigen Anlagen fanden (Intelligenz ent-faltet sich nur im Wettbewerb), ergibt sich die logi-sche Konsequenz, daß sehr erfolgreiche Männermeist abgrundtief blöde Frauen haben (es sei denn, manbewertet das Geschick einer Frau, sich als Köder her-auszuputzen, als Intelligenzleistung).

Es ist fast schon ein Klischee, daß ein Mann, deres besonders weit gebracht hat (als Wirtschaftsboß,Finanzmakler, Großreeder, Dirigent), auf dem Gipfelseines Erfolgs (also meist in zweiter oder dritterEhe) ein Fotomodell heimführt. Männer, die durch Erb-schaft reich sind, leisten sich meist schon in erster Eheein solches Superweib (das sie dann freilich im Laufeder Jahre von Zeit zu Zeit auswechseln). Fotomodelleaber sind meist Frauen, die nicht einmal eine abge-schlossene Schulbildung haben und die bis zu ihrerHeirat nichts anderes tun, als graziös vor Kameras zuposieren. Doch da sie »schön« sind, sind sie poten-tielle Reiche.

Und alle diese Frauen »geben aus Liebe eine Kar-

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riere auf«. Jedenfalls erzählen sie das dem Mann, undder glaubt es. Der Gedanke, daß er durch seinen An-trag die Frau im letzten Augenblick vor der Müheeines Abiturs oder Staatsexamens gerettet hat, wärenicht so schmeichelhaft für ihn, deshalb schiebt er ihnweit von sich und berauscht sich statt dessen an der»kompromißlosen« Liebe, die diese Frau nach ihreneigenen Angaben für ihn empfindet. Wer weiß, denkter — immer seinen eigenen Wertmaßstäben folgend —,vielleicht wäre eines Tages aus ihr eine berühmte Chir-urgin (gefeierte Primaballerina, brillante Journalistin)geworden - und das alles hat sie aufgegeben, für ihn!Die naheliegende Idee, daß sie lieber die Frau einesberühmten Chirurgen, mit dessen Einkommen, dessenPrestige und ohne dessen Arbeit und Verantwortungist, kommt ihm nicht. Er nimmt sich vor, ihr das Lebenan seiner Seite so angenehm wie möglich zu gestalten,damit sie ihr großes Opfer nie bereuen muß.

Ein geringer Prozentsatz der Studentinnen west-licher Industrienationen (10—20 %) schafft dennoch vorder Heirat ein Hochschuldiplom. Trotz gelegentlicherAusnahmen sind es meist die weniger attraktivenFrauen, denen es nicht gelungen ist, während ihrer Stu-dienzeit eine brauchbare Arbeitskraft zu engagieren.Dieses Diplom erhöht dann automatisch ihren Markt-

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wert, denn eine gewisse Sorte Mann fühlt sich - vor-ausgesetzt, er hat selbst ein Diplom - durch den Ti-tel seiner Frau persönlich geschmeichelt (wie gescheitmuß er sein, daß diese hochgebildete Frau sich für ihninteressiert!). Und wenn seine Koryphäe dann nocheinigermaßen sexy ist, fühlt er sich im siebenten Him-mel.

Doch nicht lang. Denn auch die Ärztin, Juristinoder Soziologin wird ihre Karriere für die seine »op-fern« oder zumindest zurückstellen. Sie wird in eineVorortvilla ziehen, Kinder gebären, Blumenbeete an-legen und sein Heim mit dem üblichen Kitsch anfül-len. Nach ein paar Jahren hat sie über diesen Amüse-ments ihr bißchen auswendiggelerntes Fachwissenvollkommen vergessen und wird im Grund genausosein wie ihre Nachbarinnen.

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Die »emanzipierte« Frau

Es gibt aber auch Frauen über fünfundzwanzig, dieberufstätig sind. Das kann verschiedene Gründe haben:

a) Die Frau ist mit einem »Versager« verheiratet (miteinem Mann; der nicht genug Geld verdient, um ihreKitschorgien zu finanzieren).

b) Die Frau ist aus biologischen Gründen kinderlos(einige Männer sehen dann nach dem Abklingenihrer Leidenschaft keine Veranlassung mehr, sie zuversorgen).

c) Die Frau ist häßlich.d) Die Frau ist emanzipiert.e) Die Frau hat Interesse an einem bestimmten Beruf

(und verzichtet daher von vornherein auf den eige-nen Sklaven und die eigenen Kinder).

Die Motive für die Berufstätigkeit von a) und b) lie-gen nahe. Wichtig sind die beiden nächsten Gruppen,denn die häßliche Frau gilt oft als emanzipiert, unddas ist falsch. Die Chancen, einem Exemplar der letz-ten Kategorie zu begegnen (einer Frau, die geistigenInteressen zuliebe - oder gar aus Fairness! - auf Kom-fort und Leibeigene verzichtet), sind fast aussichtslos.

Die häßliche Frau (die Frau, die nach dem Ge-schmack der Männer häßlich ist, weil ihre sekundären

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Geschlechtsmerkmale entweder unvollkommen entwik-kelt oder ungenügend zur Schau gestellt sind, und weilihren Gesichtszügen jeglicher Baby-Look fehlt) arbei-tet aus dem gleichen Grund wie <ier Mann: weil essonst niemand für sie tut. Doch während der Mannmit seinem Gehalt Frau und Kinder ernährt, arbei-tet sie immer nur für sich selbst und nie, um mit demverdienten Geld das Leben eines schönen jungen Man-nes zu finanzieren.

Diese Frau ist oft ziemlich intelligent. Anfangs läßtsie zwar wie alle Frauen, dem Beispiel ihrer Mutterfolgend und im Vertrauen auf den künftigen Arbeits-sklaven, ihre geistigen Anlagen verkümmern. Doch jeälter sie wird, desto mehr sieht sie ihre Chancen aufeinen solchen Sklaven dahinschwinden. Und einesTages bleibt ihr nichts anderes übrig, als sich der letz-ten Überbleibsel ihrer Intelligenz zu erinnern und dar-aus das Beste zu machen.

Manche Frauen aus dieser Gruppe bringen es da-mit sogar sehr weit: als Schriftstellerinnen, Politike-rinnen, Journalistinnen, Ärztinnen, Juristinnen kommensie nicht selten (und gerade, weil sie als intelli-gente Frauen so sehr aus dem Rahmen fallen) zu gro-ßen Ehren. Damit erweisen sie natürlich der Ausbeute-rin in der Vorortvilla unschätzbare Dienste: »Seht ihr«,

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sagt diese, »wir Frauen könnten auch so manches, wirverzichten nur immer zugunsten der Männer.« Undanhand der abschreckenden Beispiele dieser Intelligenz-bestien kann sie dem Sklaven an ihrer Seite immerwieder klarmachen, wie häßlich, hart und uncharmant(wie »unweiblich«) eine große Leistung die Frau macht.Und er wird selbstverständlich die Gehirnamputiertein seinem Bett jener anderen immer noch tausendmalvorziehen (reden kann er ja notfalls auch mit Män-nern).

Auch die Häßliche verzichtet trotz ihres Erfolgesnie ganz auf ihren weiblichen Sonderstatus und erwar-tet mit größter Selbstverständlichkeit, daß ihre Um-welt sie - »als Frau, die erfolgreich war« - wie eineArt Weltwunder betrachtet. Es ist fast obszön, wiesehr gerade diese Frau immer ihre »Weiblichkeit« her-ausstreicht. Sie produziert sich vor Presse und Fern-sehen, wann immer es geht, läßt ihren schwabbeligenBusen über ihre große Schreibtischplatte hängen undklagt, wie schwer gerade sie, »als Frau«, es in ihrerhohen Position habe.

Wie dem auch sei, im Vergleich zur landläufigenAusbeuterin ist sie einigermaßen respektabel. Daß siezu ihrer Respektabilität gezwungen wird - manbraucht ihr nur ins Gesicht zu sehen, um zu wissen, war-

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um sie so gescheit ist -, ist eine andere Sache. DennHäßlichkeit ist natürlich kein persönliches Verdienst.

Kompliziert wird es bei der sogenannten emanzipier-ten Frau. Denn während man die ersten drei Kate-gorien der berufstätigen Frauen (die Häßliche aller-dings nur, bevor sie Erfolg hat) durch entsprechendeGeldangebote ohne weiteres von ihren beruflichen Plä-nen abbringen könnte, arbeitet die Emanzipierte niefür Geld. Sie war per definitionem in ihrer Jugendimmer attraktiv und hat daher immer einen gutverdie-nenden Sklaven zur Hand. Emanzipieren kann sichnur die »schöne« Frau: Die häßliche hat, genauso wieder Mann, nichts, wovon sie sich emanzipieren könnte;niemand hat sie je zu korrumpieren versucht, sie hat-te nie die Wahl.

Die Emanzipierte hat auch Kinder (allerdings oftnur eins bis zwei), eine komfortable Wohnung und alleStatussymbole ihrer Clique. Doch sie findet ihre Ver-gnügungen nicht nur im Heim und auf den von ihrenGeschlechtsgenossinnen organisierten Maskenbällen: Ambesten amüsiert sie sich mit untergeordneten Hand-langerdiensten, bei denen sie viel Publikum hat. Manfindet sie ätherisch durch Korridore von Verlagen undZeitungsredaktionen schwebend, im Vorzimmer der

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Film-, Fernseh- und Theaterbosse, in der Rolle derRegieassistentin, der Dolmetscherin, an den Schalternder Reisebüros, in Juwelier- und Antiquitätengeschäf-ten, in Boutiquen. Kurz, überall dort, wo sich reicheund interessante Leute treffen. Das Geld, das sie ver-dient, verbraucht sie meist restlos für ihre aufwendigenMaskeraden, mit deren Hilfe sie sich an ihrem Arbeits-platz jeden Tag von neuem wieder in Szene setzt.

Die emanzipierte Frau ist genauso dumm wie dieanderen, aber sie möchte nicht für so dumm gehaltenwerden: Von Hausfrauen spricht sie nur auf die ab-fälligste Art. Sie glaubt, allein die Tatsache, daß sieeine Arbeit ausführt, die auch eines Mannes nichtunwürdig wäre, mache sie intelligent. Sie verwechseltdabei Ursache mit Wirkung: Die Männer arbeiten janicht, weil sie so intelligent sind, sondern weil sie müs-sen. Ihre Intelligenz könnten die meisten von ihnenerst dann sinnvoll gebrauchen, wenn sie frei von finan-ziellen Verpflichtungen wären (so frei wie die Haus-frauen zum Beispiel). In der Regel hätte eine Frau inihrer Vorortvilla viel bessere Voraussetzungen für einreges Geistesleben als zwischen Schreibmaschine undDiktiergerät.

Die Arbeit der Emanzipierten ist selten schwierigoder verantwortungsvoll, doch sie lebt in dem Wahn,

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sie sei sowohl das eine als auch das andere. Diese Ar-beit »füllt sie aus«, »regt sie an«, sie könnte »ohnesie nicht existieren«. Doch wirklich angewiesen ist sieauf diese Arbeit nie, sie kann sie jederzeit aufgeben,denn die Emanzipierte arbeitet, im Unterschied zurHäßlichen, nie ohne Rettungsautomatik: Immer gibtes einen Mann, der irgendwo im Hintergrund bereit-steht und bei der ersten Schwierigkeit zu Hilfe eilt.

Daß sie langsamer aufsteigt als ihre männlichenKollegen, findet sie zwar unfair, doch an deren mör-derischen Kämpfen nimmt sie deshalb noch lange nichtteil. Das sei eben so: »als Frau«, selbst wenn man»emanzipiert« sei, habe man nicht die gleichen Chancen.Anstatt an Ort und Stelle für eine Veränderung derTatsachen zu sorgen, rennt sie, geschminkt wie einClown und über und über mit Lametta behangen, aufdie Versammlungen ihrer Clique und schreit nachGleichberechtigung. Daß die Frauen selbst - und nichtdie Männer - wegen ihrer Interesselosigkeit, ihrerDummheit, ihrer Unzuverlässigkeit, ihrer Käuflichkeit,ihren albernen Maskeraden, ihren ewigen Schwanger-schaften (und vor allem wegen ihrer erbarmungslosenDressur am Mann) die Schuld an diesen Zuständentrifft, kommt ihr nicht in den Sinn.

Man könnte nun annehmen, die Männer der Eman-

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zipierten hätten es besser als die anderen, weil sie dieVerantwortung nicht allein tragen. Das Gegenteil istder Fall: Die sogenannte emanzipierte Frau machtihren Mann unglücklich. Denn dieser Mann wurdenatürlich, wie alle seines Geschlechts, nach dem Lei-stungsprinzip dressiert und muß ihr deshalb immer einpaar Schritte voraus sein: Die Übersetzerin hat einenSchriftsteller zum Mann, die Sekretärin einen Abtei-lungsleiter, die Kunstgewerblerin einen Bildhauer, dieFeuilletonistin einen Chefredakteur.

Die emanzipierte Frau ist deshalb nie eine Ent-lastung für ihren Mann: Sie beutet ihn noch mehr ausals die anderen. Je höher sie hinaufkommt, desto un-barmherziger treibt sie ihn an (und manchmal kommteine solche Frau, durch Zufall oder die Protektioneines Mannes - denn sie ist ja attraktiv - tatsäch-lich in eine wichtige Stellung). Wenn er nicht selbst einehohe Position hat, wird jede ihrer Gehaltserhöhungenfür ihn zum Trauma, jede ihrer beruflichen Anerken-nungen kann ihn in Panik versetzen. Er lebt ständig inAngst, sie könnte ihn eines Tages doch noch überrun-den, und findet keinen Augenblick Ruhe. Die fremdenMänner, die sie täglich trifft, stürzen ihn in wilde Eifer-sucht. Er fühlt sich überflüssig, sein ganzes Daseinscheint ihm sinnlos, denn er glaubt, daß sie ihn nicht

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mehr braucht. Das Glück des Sklaven - das einzigeGlück, das den Männern nach ihrer Dressur noch er-reichbar ist - bleibt ihm versagt.

Und auch ihre Kinder macht die Emanzipierte un-glücklich. Denn sie ist ja nicht besser als der Rest, nuranders: Sie vergnügt sich mehr bei einer stupiden Büro-arbeit als bei der Versorgung ihrer intelligenten Kinder.Doch auf das Gebären wird sie deshalb noch lang nichtverzichten: Als Frau, sagt sie, brauche man ein Kind,sonst bliebe man sein Leben lang »unerfüllt«.

Die Emanzipierte verzichtet prinzipiell auf nichts:Sie ißt die Torte und den Kuchen auch noch. Damitsie ihrer »anregenden geistigen Tätigkeit« nicht ent-sagen muß, gibt sie ihre Kinder in Tagesheime undInternate oder läßt sie von jenen Hausfrauen erziehen,die sie so sehr verachtet. Und auch die Hausarbeit machtsie natürlich nicht allein: Sie erledigt sie mit ihremMann gemeinsam nach Büroschluß. Dafür darf er sichauch beim Parkettbohnern, Blümchengießen und Sil-berputzen mit seiner »geistig regen« Frau »anregend«unterhalten. Denn auf den traditionellen Plunderihrer Sippschaft verzichtet die Emanzipierte natür-lich genausowenig wie auf den Arbeitssklaven und dieKinder.

Um ihrem Anspruch auf die männlichen »Privi-

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legien« Nachdruck zu verleihen (ihren Anspruch auf diegutdotierten Stellungen der Männer, nicht etwa auf die»Privilegien« des Soldaten), organisiert die Emanzi-pierte von Zeit zu Zeit sogenannte Emanzipations-bewegungen. Bei solchen Gelegenheiten lenkt sie dannmit viel Gezeter die Aufmerksamkeit der Weltöffent-lichkeit auf sich, steckt sich Kampfabzeichen an den je-weils neuesten Suffragetten-Look, stellt zur Demonstra-tion ihrer politischen Interessen etwa Kerzen an ihrWohnzimmerfenster, kneift unter den Augen des Fern-sehpublikums Bauarbeitern in die Hinterbacken undmacht dergleichen Mätzchen mehr. Regelmäßig befreitsie sich dabei auch von irgendwelchen »Fesseln«. Unddiese »Fesseln« versteht sie (da ihr geistige Fesseln fremdsind) immer ganz wörtlich: Zu Beginn dieses Jahrhun-derts war es das Korsett, von dem sie sich befreite, inden siebziger Jahren war es der Büstenhalter (damitdiese Sensation auch niemandem entgehen konnte, ließsie ihre Sklaven die durchsichtige Bluse erfinden), undbei der nächsten Emanzipationswelle wird es vielleichtder unbequeme lange Rock sein, den sie gerade gegenden Willen der Männer mit viel Koketterie in ihrenMaskenfundus aufnimmt. Nur ihre Dummheit, ihreAlbernheit, ihre Lächerlichkeit, ihre Verlogenheit, ihreGefühlskälte und ihr abgrundtief blödes Geschwätz -

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das hat sie bei einer solchen Gelegenheit noch nie ab-gelegt.

Und selbstverständlich wird sie dem Mann an ihrerSeite, auch wenn sie noch so gut verdient, nie die häus-liche Domäne überlassen und an seiner Stelle die Ver-antwortung für Lebensunterhalt und Sozialprestige aufsich nehmen. Obwohl es möglich ist, daß sie sich im Be-rufsleben tatsächlich »erfüllt« und »glücklich« vor-kommt - sie ist ja viel unsensibler als der Mann undkann deshalb bei einer stumpfsinnigen Arbeit auch nichtso sehr leiden -, wird sie ihm mit ihrem Geld niemalsdie Möglichkeit für ein besseres Leben schaffen. Siewird ihm weder Feuer geben noch Türen für ihn öffnen,sie wird weder Lebensversicherungen zu seinen Gunstenabschließen noch bei der Scheidung eine Rente für ihnaussetzen. Das wäre denn gar zu »unweiblich«. Undauch dem Mann würde eine solche Regelung nicht inden Sinn kommen, dazu ist er zu gut dressiert. DerMann der Emanzipierten wird sich nach einem Kuß dieCreme-, Puder- und Lippenstiftspuren aus dem Gesichtwischen und sich wieder in den Kampf stürzen.

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Was ist Liebe?

Der Mann wird von der Frau so dressiert, daß er ohnesie nicht leben kann und deshalb alles tut, was sievon ihm verlangt. Er kämpft um sein Leben und nenntdas Liebe. Es gibt Männer, die drohen ihrer Angebetetenmit Selbstmord, wenn sie nicht erhört werden. Das istfür sie kein Risiko: Sie haben nichts zu verlieren.

Aber auch die Frau kann ohne den Mann nicht exi-stieren, sie ist für sich allein so lebensuntüchtig wie eineBienenkönigin. Auch sie kämpft um ihr Leben, und auchsie nennt das Liebe. - Einer braucht den anderen, und essieht so aus, als gäbe es doch wenigstens ein gemein-sames Gefühl zwischen ihnen. Aber die Ursachen unddas Wesen dieses Gefühls und ihre Konsequenzen sindfür Mann und Frau völlig verschieden.

Für die Frau bedeutet Liebe Macht, für den MannUnterwerfung. Für die Frau ist Liebe ein Vorwand fürkommerzielle Ausbeutung, für den Mann ein emotions-getränktes Alibi für seine Sklavenexistenz. »Aus Liebe«tut die Frau Dinge, die ihr nützen, der Mann solche, dieihm schaden. Die Frau arbeitet »aus Liebe« nicht mehr,wenn sie heiratet; der Mann arbeitet, wenn er heiratet,»aus Liebe« für zwei. Die Liebe ist für beide Teile einKampf ums Überleben. Aber der eine überlebt nurdurch Sieg, der andere nur durch Niederlage. Es ist eineIronie, daß die Frauen auch ihre größten Gewinne im

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Augenblick ihrer größten Passivität ernten und daßihnen das Wort »Liebe« auch bei ihrem erbarmungs-losesten Betrug am Mann den Glorienschein der Selbst-losigkeit gibt.

Der Mann vernebelt sich mit »Liebe« seinen feigenSelbstbetrug und macht sich glauben, seine sinnlose Skla-verei für die Frau und deren Geiseln sei ehrenhaft undhabe einen höheren Sinn. Er ist zufrieden mit seinerRolle, als Sklave ist er am Ziel seiner Wünsche. Undweil die Frau ohnehin nur Vorteile aus diesem Systemzieht, wird sich nichts ändern; das System zwingt siezwar zur Korruption, aber niemand findet etwas dabei.Man darf von einer Frau nichts anderes erwarten alsLiebe, solange sie damit alles andere eintauschen kann.Und den zum Sklaven dressierten Mann werden seineAnstrengungen immer nur im Sinn der Dressur weiter-bringen, nie zu seinem Vorteil. Er wird immer nochmehr leisten, und je mehr er leistet, desto weiter wirddie Frau sich von ihm entfernen. Je mehr er sich ihranbiedert, desto anspruchsvoller wird sie werden. Jemehr er sie begehrt, desto weniger wird er selbst für siebegehrenswert sein. Je mehr er sie mit Komfort umgibt,desto bequemer, desto dümmer, desto unmenschlicherwird sie werden, und desto einsamer er selbst.

Nur die Frauen könnten den Teufelskreis von Dres-

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sur und Ausbeutung brechen. Sie werden es nicht tun,es gibt dafür keinen rationalen Grund. Auf ihre Ge-fühle darf man schon gar nicht hoffen —, Frauen sindgefühlskalt und ohne jedes Mitleid. Die Welt wird alsoimmer weiter in diesem Kitsch, in dieser Barbarei, indiesem Schwachsinn Weiblichkeit versinken, und dieMänner, diese wunderbaren Träumer, werden niemalsaus ihren Träumen erwachen.