Der Eigene : 1897-09-10

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  • 8/9/2019 Der Eigene : 1897-09-10

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    E rsc he int m ona tlich zweim al. Pre is pro Vierteljahr M. 1,50. Einz elnum m er 25 Pf. .

    i~'" ./ ' ; • "Preis dieser Do ppel num me r 50 Pfge.

     

    Ausgab e au f .Ku nstd ruck pap ier ( in TJmechlag) 1 Mk.

    ^VEontag

    - ^ a m 15. M ä rz 1897. ^ -

    | Gharlottenburg.

    Adolf Brand's Verlag.

    io

    9. 10.

    ->-? 1. J a h r g a n g .  \ -

    H e i n r i c h V o r m a n n : .S teoerf rc i" (Gedich t) . — Ka r l M e rz : „Un sre Kolo nie*. :— H m «

    V o l k e r : .Vo m Pan. " — A d o l f B r a n d - „Kahn fahr t* (Gcd ii-h t). —  K a r  1 H e r m a n: „Zwang

    lose Rand/eilen ans dem philosophischen Liegesessel." — G ed ic ht e von H a n s V o l k e r , K a r l

    : ,Mc r i" , Fr .a n z   E T  e r s. — » " B ü ch e r u n d M e n s c h e n . " — H e i n r , V o r

      m

      t u n : „Frßhrot". — » E i n e l i t c r a r i s c h e V i o r o r -

    '•an s s t e l l n j i g."; — Vermerke nnd Anjeigen. — (Sondcrbeilage): „ J n g e n d Ein Appell an alle Künstler und Studenten'' von

    Heinr. Vormann". — » M e in .W in k e l '

    1

      (Vagabundns). — Zierleisten von Fidu s. -. -• ..

    eX® Steuerfre i . @xe>

    :

      ~.Ja schätzt s ie n t ir e in und.wägt s ie gut ,

    Mein e -ledijrp -Aug enw eide, -

    :

    Mein u n v erzo l l tes Vag an tcn b lu t , "

    Das Geheimnis von "Wald und Heide

    15s en tge ht dem Sta ate noch manc her lei

    Vo n S tcu ero b jek ten , To n mas to n : -

    — Nu n k o mmt d ie r en tab e ls te Ze i t , d e r Mai :

    Da b lü h t es in sch weren Las ten

    Da g il t es mit Br i l len , tabellengcnau

    Den Dich te r lu x u s zu zä h le n : ' . > .

    Den Regenbogen und Per lenthau ,

    Die f lat ternden Wolke n Juwelen

    '  Moin Haupt is t

      TOII

      von köstlichem Gold,

    To m Mo b i l ia r .mein es Leb en s — V- .

    Ja lad et mich nur, solang ihr wollt: •

    Mich regis triert ihr vergeb ens , •

    Heinrich Vormann.

    Uris re Kolonie .

    ">;-.

      - E s w ar «in einfaches, "weissgelünchtes Bau ernslübc hen,

    in" dem w irw oh nt en . An den beiden Fens tern geblümte

    - Tu chg ard inen ,-m it ten dr in e in grossmächl iger Kleider

    schrank in "seiner Patr iarch en-E cke . Auf dem Schrank

    ma chte s ich ein gelber Kürbisriese wichtig, zwischen

    einer Bastei von H ut- und Wo lleschachteln verscha nzt.—

    ., .  . Ich lie ge im Ha lbd usel auf dem weissen Kissen

    "me ines Bettes und guck e an die Zimm erdecke

      hinauf

    Es ist Morg en. ' Ei n frischer H auch, gaukelt durchs Ge

    mach , den ich mit W ohlb ehag en schlürfe . Durc h d ie

    Gardinen, -wenn d er W in d sie emporwe ht, fällt hin und

    wied er ein ra sche r Sonnenstrahl, ins Zimm er. A ber tiefes

    Schw eigen innen und aussen. Ich fühle mich wie im

    Para diese ufnd ha be keinen W uns ch, als ewig so zu

    ruhen und zu träumen.*

    .' . '•.. Jetzt regt sichs neb en mir. Li nk s von mir

    auf dem Kissen ruht nachbarlich ein Köpfchen." dessen

    gelöstes H aa r sich mir noch in einzelnen Sträh nen übe r

    Brust und W an ge n zieht. Sie bat s ich eben um gedreh t

    und wendet mir nun ihr Gesicht zu, "dessen Augen sich

    aber noch nicht vom Schlumm er geöffnet haben . Ic h.

    hebe mich einwenig und betrachte mir die holdeSchläfeiin,

    wie ichs in solcher Stunde so gern thue. Ihre Wangen

    gucken mich rosig und morgenfrisch an, die Züge' ver

    raten Müdigkeit , haben a be r jenen offenen, unschulds

    vollen Aus druck , jene Kind lichkeit bei aller Reife, die

    mich im me r an ihr entz ück te u nd die sie m ir einst

    ohne Gewissenspein und Sü nde in die Ar m e ga b, —-

    einfach we il sie mich lieb h atte , weil sie an mich

    g laub te . . . -. ' -

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    her   E ig en e .

    . La ng sam und vorsicht ig b euge ich mich endlich

    mit einem K uss über ih re St irn mit dem dunkelblonden

    Haare. Sie erwacht nicht von dem leisen Wärmehauch

    und ich scheue mich, s ie härter zu berühren. So träume

    ich noch e ine We ile vor mich hin. A m zweiten Fens ter

    sind" die Gardine n ein wenig zurückgeschob en, da bl icke

    ich gerade in die Tiefen eines al ten Ulmenbaumes hinein,

    durch den ga nz oben man chmal die Saphiraugen des

    Himm els durchblinzeln. Hin und her und immer uner-

    müdlich fort wiegen sich und zappeln die sonnig schim

    mernden Blät ter- mit ihrer melodienreichen Munterkei t ,

    — die mich dennoch wie aus einer unendlichen Schwer

    mut geboren anmutet . : . ' .

    Im Hof-unten gehen jetzt geschäft ige Schri t te auf

    u n i ab . P lö tz lich kratz t e twas an der Fens terbrüs tung,

    ich hö re, ein Steigen u nd einige Auge nblicke spä ter

    erscheint ein lach endes, bärt ige s Gesicht im Fenster;"

    zwei. H än de höh len, sich vorm Mund und eine kräftige-

    S ti m m e b rül lt i ns Z i m m er he re i n : La ng s c h l ä fe r —

    Dann verschwindet die Erscheinung. —

    ' Ab er ein Schlum mer , d en m an sich in fleifsiger

    Heuernte erworben hat . i s t

      tief

    Nichts rührt sich an

    meiner Sei te. Ich schäme mich jetzt wahrhaft ig meiner

    Faulhei t gestern, die mich den Nach mittag t ief ins Heu

    eingewühlt verschlafen Hess, während Lisa so fleissig die

    dürren Schwaden schüttel te und den Schnit tern das

    Vesper hera usbra chte . . Und doch wa r es so gött lich

    gewesen dieses Nicht§thun, — dies Emporwandern erst

    in die blau en Geh eimnisse, der. Une ndlichkeit auf den

    Wolkenlei tern über mir .

      -

     und dann die Ruh e, der ge

    sun de, Somm erschlaf auf dem sonne nwa rmen; duftenden

    Natur lager ; — kein Daunenbet t könnte mirs bezahlen

    und. keine Brüsseler G ardin e mit Seidenfransen .• '. .

    aber pap per lapa pp, was stel l ich blos,für dumm e Ver

    g l e iche , an — f- überhaupt * j e t z t : — L i s a

    . . . . Ein Sonnen strahl fällt ihr eben schr äg über s

    Gesicht und draufsen   • erhebt ein Cho r

      vo n

      Spatzen mit

    aller Kraft sein lärm ende s Gek reische. Es ist sp ät am

    Tage-und wir dürfen nicht länger müfsig l iegen. , Ich

    kneife sie in die rote n Backen : Lise l aufwachen

      IT—-

    Ve rw und ert öffnet s ich neben mir ein Mäulchen un de in

    Paa r süfser, verschlafener A ugen ; ganz mü de lächelt s ie

    zu mir her und fragt dann leise nach einigem Besinnen:

    .Sag , wa s wa r denn, das vorhin ? — Es hat doch ein

    mal jem an d'so . laut gerufen — O der h ab ' ich das blos

    ge t r äum t ?"" ':'- . ^ ' V : ' , '  •

    •• >;, „Ihr gebt w ahrhaft ig mal im Himm el die er sten'Frü h-

    me ttenbläse r " lachte uns unser bärt iger Freund Ge rhait

    — er War es, der die Indiskretion von heute morgen be

    gangen hal te — mit seinem knurrigen Humor entgegen,

    als wir ihn zu Mit ta g-in seiner Ma lerwerk stät te, einem

    Blockhäuschen am Rand e unseres W eihe rs aufsuchten.

    .Hältst du uns dafür so geeignet?" fragte ich leichthin.

    .7 » H m . . o j a ; d en n d ie L e t z t e n w e rd e n d o r t d r ü b e n

    bekanntl ich d ie E r s t e n sein * E r gr ins te ü b er 'd en

    Witz. — Sodann nahm er bedächtig seine kurze Pfeife

    aus den Zähnen, ohne die er schier nie zu sehen war,

    und setzte sich zu Tische. .Fre ut euch überh aupt auf-

    den Himmel", fuhr er dabei In seiner gutmütigen Weise

    fort , „dort giebt ' s al l ' Tag'gefül l te Eierkuchen, nicht blos

    am Sonntag wie bei uns — Donner, wie schön knusprig

    diesmal " u nd er hieb ein, wie ein Kürassier bei Wör th

    oder Sedan. Auch unser beider Essen hat te-Lisa heu te

    mit dem Gerharts zusammen, in einem grofsen Tragkorb

    herübergebracht , — und so leisteten wir ihm wackere

    Gefo lgschaft. . -  ; • • •>_ , -  • .•"': • . , . • . ,

    .Mals t du immer noch an deinem Tannhäuser?"

    „Ja immer noch — die verdammte Kleinarbei t für

    euer Journal läfst mich zu keiner Ruhe dafür kommen "

    ^„ H ö r mal , Kerl , deine prächtigen Vignetten — ich.

    an deiner Stel le l iefse den Venusbe rg Venusb erg sein

    und malle ' , oder vielmeh r zeichnete übe rhau pt nichts

    mehr als Randleisten, Füfsleislen, Kopfleisten, Figürcheh.

    Ranken, Blumenguirlanden,- Teufelsfratzen und lauter

    so lchen Krimsk rams *

    „Ach w as, — das verstehst du " und fast grob

    schlug er mit der Gabel auf den Teller; .— „bis wann

    brau chst du de nn das Ze ug? ". . ' •:•_,.

    :

    ".;.'.'

    „In acht . Ta ge n — abe r da bestimmt.", . .

    „Na ja. — Aber für die He uern te bin ich mai

    nicht zu" hab en die W oc he "

      -.;•• [•

      .""•""' >.'.''•'•

    . L i s a lachte hel l hinaus. „Ei , da werden sich ja die

    Schnit ter freuen " ."_ .- . - -

    - „ W a s hab ' ich nicht einen W age n schier al lein

    vollgepackt?'— Überhaupt freuen sich die Mädels immer,

    wenn ich hinausko mm e " Er lächel te verräterisch vor

    sich hin . '.." ••' '. -

    • - '- • „O , i ch f reue m i ch au ch " . . . U nd ve rgnüg t

    hüpfte^ Lisa ins Nebenzimmer, aus dem alsbald eine tolle

    Flut von Töne n quoll. Sie phantasierte auf dem Klavier,

    — ganz präc htig, überm ütig, t rotz aller Mifsakkorde. "

    die mit unterliefen.'-. •'•-. -

    Gerhart hörte das gerne; er war ein grofser Musik- •

    enthusiast , darum hatte m an ihm das kleinere von zwei

    vorhandenen Instrumenten hereingestel l t ; das andere

    stand im grofsen „Saal" drunten. Er selber zwar, mufs

    ich bemerken", spielte nicht; es war der Schmerz seines

    Lebens, dafs er früher nie Musik erlernt halte urid-jetzt

     •

    fand er nicht mehr die Zeit dafür, woilte auch nicht blos

    stümpern; — aber das Spiel anderer freute ihn ungemein,

    am liebsten hörte er Lisas zigeunerlustige Melodien^ ".'•.••

    „Heute Abend sol l ja , . wil l ja der neue Gast aus

    Leipz ig, de r He rr Musikdirektor oder was er is t. im

    Saale spielen," — kam sie wieder in die Thür.

    • „D onn erw etter — j a " , fluchte ich, , „ich soll ja auch

    was rezi t ieren — was nehme ich nur gleich."

    _

     „A ch , d u findst schon was ", lac hte Lisa . „ Ich freue

    mich übrigens sehr aut das alles, — und du speziell, wenn

    du's gut machst^ sollst du die drei Frühbirnen von meinem

    Spalier kriegen, extra als Belohnung; hörst du ?" '- .

    „D as ist ja — da sol l te ich ja gleich a u c h wa s

    ans lellen " brum mte Freund Gerhar t .

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    Der Eigene .

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    „Natür l ich , mufs t du auch)" bes tä t ig te ich ,- indem

    . I c h eine sehr ernsthafte Miene aufsetzte, — „wie soll

    denn Frau JBürglen allein fertig werden in der Küche?

    Auf Hedwig ist auch nicht zu rechnen, die flicht blos

    Kränze und unterhält s ich mit Simon und den Gästen-

    "Wozu bist du so ein Ko chg eni us "

    - ,,: Unser gu ter Gerh art fühlte sich ein bischen in die

    Knge getrieben. " -

    „Helfen Sie mir, Fräulein Lisa?" fragte er galant

    un d vo rsi ch tig . "• '••

      :

      . . : ' •

    J

    a

    . gerne "* ' . ' " - . , - '

    ; ,Aber erst noch", brummte er wieder, „mufs ich

    hier oben dem dreckigen Entenvolk rein Futter geben

    — an mir is t 's ja doch hängen geblieben und dann die

    Lampions anordnen für heuteAbend; was meins t du:

    ist a u c h kein e Kleinigkeit In die höchsten Baumwipfel

    heifs t 's hinaufklettern."

    • „A h br av o " jubelte Lisa, „d a helf ich Ihnen

    ebenfalls "

    . .^. „Schön," schaltete ich ein, „so verabschiede ich

    ." m ic h inzw ischen, denn ich hab e jetzt noch «inige

    Korrekturen zu machen " — Und mit fröhlichem Nicken

    trat ich ins Fre ie. — -. •

    . . . . A n der „Pfar re" , wie wir das grössCe der

    drei Baue rnhäus er bena nnten, in denen unsere kleine

    Kolonie zusammen hauste (dazu hatten wir noch Ger-

    hart 's Blockhäuschen erbaut und eine Anzahl Sommer

    hütten für Gäste) , wuchs eine uralte, mäc htige W ein rebe

    hinauf Ich hatte immer meine Freude an dem knorrigen

    Gew inde , das sich in seinen letzten Ausläufe rn bereits

    b is ans Da ch em pors l reckte . Hübe n wie drüben, um

    .a l l e Fens ter her krabbel ten und tas te ten d ie b lä t ter

    reichen Ran ken an der W an d weiter , hier Schlangen,

    dort gespreizten Fingern und Hän den ähnlich und das

    Laub funkelle ordentlich in der Julisonne, sobald man

    -.etwas von der Seile herblic kte. Ich empfand im m er'

    "ein "W ohlbehag en, wenn ich mir dies alte Hau s besah

    • m i t seinem hphen Giebel, seinem schwä rzlichen, z ur

    ; Hälfte moosbedeckten Dach, seiner Rebenwand, seinen

    grünen Läden und den traulich kleinen Fensterscheiben

    dazwischen, — und mit nicht geringem Stolz überkam

    mich 's , wenn ich mir dann s ag te: die Menschen, die so

    •fröhlich und tliatenreich miteinander unter diesen Giebeln

    :

      hausen, ha st d u zusam mengeführt, diese Gegen d, diesen

    Hof hast du mit ihnen -aufgestöbert, — und aus allem

    Glitzern und Funkeln d er Blätter r ief mir 's d ann zu :

    „das Gröfste, das Fröhlichste auf der W el t ist 's doch.

    Freunden ein Helfer sein, ist's doch Menschen um sich

    y scha ren, in denen man sein ande res Ich findet "

    . . . Ja und wenn mein Freund Rieland, der stille

    Mensch mit seinen blauen Träum erau gen nocfi lebte —

    -' wie hatte d er gerade die Reben so gern . . . und dort

    xd ie roten Feuerlil ien — er m alte s ie imm er von neuem

    — Und dann Richard Faber ganz besonders , wenn ich

    den endlich in seiner Versch ollenhe il auftreiben kön nte,

    • meine n besten, .treuesten G enossen — ach ia, ich habe

    oft m it Lisa v on ihm g eplaud ert und imm er wieder war

    dann mein Refra in : „Es könnte no c h, n oc h her r l icher

    für uns se in " . . . . . - ' . ' • ' .

    E in  Brief — Ich halte ihn vor mir und traue noch

    immer meinen .Au gen nicht. Ein Brief vom meinem

    Freund Richard . . . Richard Fa ber - Ich erkannte Hand

    schrift und Fo rm at des Co uver ts, als der Briefträger

    noch unter der Gartenpforte stand und mit Simon, unsrem

    Land wirt plau derte. Ich nahm die Tr ep pe jeden Absatz

    in einem Sprung und rifs dem Zögernden die Bescherung

    aus der Han d. Auf dem gleichen Flec k noch hab ' ich

    ihn geöffnet. — Also er lebt noch, der Verscholle ne

    Er lebt noch und unser Kon tak t, drei Jahre" unterbroc hen,

    ist wied er hergestelll , — hergestellt so warm und lebendig,

    wie am le tz ten Tag. an dem wir durch Taunuswälder

    nach der Bahn wander ten und Träum e spannen : wie

    wir in einem selbsterbauten Boot den Orinoko

      hinauf-

    fahren w ollten und uns im hintersten Brasilien od er aut

    den Höhen d er Ande n zusammen ansiedeln; — — oder

    wie in jener N acht, als er auf dem Gipfel de s Al tkö nig '

    die Geige h ervorho lte und auf einem Steinblock am

    Feue r s tehend, das wir uns e ntzündet, eine W el t phan

    tastischer Klänge in die erstaunten Schlummcrwipfel

    der Tan nen hinaufsandte, —- — es wirbelt mir im Köpf

    von tausend h errlichen Mom enten und Situationen, in

    denen ich ihn einst von immer neuen Reiten kennen

    lernte, und in denen wir uns imm er lieb er gew annen .

    W as gab ich m ir nicht Mühe seither, die Spu r des Ver

    lornen wiederaufzufinden und alles verge blich Dafs wir

    uns wieder begegnen würden, hier — dort — irgendwo;

    das w ar mir nie einen Äugenblick zweifelswert gewe sen ;

    aber je tzt, — — jetzt ha b' ich ihn ja wie der Jetzt ' ers t

    wird der zu uns kom men, der mir immer noch fehlte.

    im Gedank en an den ich all dies W e rk beg onnen  

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    7 Der E igene .

    ; Wom it soll ich anfangen? — Ac h ich bin rcichor gcwordon,

    viel reicher die letzten Jahre; an Geld nicht sehr, abor sonst

    an allem, ausser a n . . . nun an dem, was man eben nur als Kind,

    als Knabe noch, hat — oder soll ichs bei Dir wiederfinden ?

    Jenes zarte, goldene Gewebe, das ttborm Himmel liegt und

    Überm Boden und über don Menschen, — über allem, wohin"

    das Auge trifft, das Öhr hört, die Sinne s pü re n ?. .. .Der Elan

    der Mo rgennatur, der Schmolz des Glaubens, dio Sonne frischer,

    unze rstöckelter Hoffnungen und Begierdon ? - • Die grosse

    Trauraphnntasie, aus der heraus wir.so gewaltige Dichter

    worden könnten,- so u nm ittelbar e We ltvorstän d ige und "Welt-

    weise,' w en n- '— . ja wenn, sie uns eben" m i t dem hinzu

    kommenden Wissen erhalten bliebe ? . . . ~'"

    :-

      - ^; ' . , ;

    ~r

     .-.

     Ich .'wohne jet zt in einem ganz scheusslichen Fabr ikviertel

    der Reichshanp tstadt. Schlote,, nichts als Sch lote . Fünf

    Brüde r und ein .n ic h t sehr entfernter V ette r dieser Spezies

    steh en , mir täglich vor der Nase , andre reihen sich per

    spektivisch, a n — ganz lieblich sag' ich Di r Sogar das Ster-

    ncnplak at, das der liebe He rrg ott alle Na cht an den Himmel

    raufnagelt,  >

      förmlich verschleiert wird's vom Qualm dieser

    Pompejussäulen und vom .Dun st der darumliegenden Men-

    seheng räberw üste, in: die ich m ir oft als einziger Lebe ndige r,

    hinau s Verstössen scheine. .  . ' " - ' < "

    -./: Was thue ich nur hier? frag' ich mich oft, was will ich

    blos'.Nichts doch eigentlich', als mich für die Zukunft kon.

    servier en; für eine glückschöne , heissverkingtc Zukunft, die ;

    wir einmal so nah, so ganz nah vor uns gla ubte n,— Du weiss*

    noch? Dafür lebo ich weiter, und turne alle Tago, dam it ich

    gesund bleibe und erhalte mich so verg nüg t, als es eben

    möglich-ist. Ich ahne aber, dass ich jetzt d och.an einem

    wetterwendischen Punkt meines Schicksals angelangt bin; —

    ich fühlte es schon lang e, und da ss"ich D ich, wieder gefun-,

    ; den habe, bestä rkt mich gö tterfest in diesem Glauben.- -  Ich

    kann" meine- Um gebun g hier wirklich nicht meh r verdauen-'

    Ma n" hat" nirgend s soviel G elegenheit, sich zu bilden, Mori-

    schen, Dingo, Ansichten,' Kunstschatze, Methoden und tau

    senderlei andres zugleicherzeit kennen zu lernen, aber was.hilft

    es   mir, wenn ich doch blos wie ein pergamentener Schreib

    zet tel, zwischendurchlaufe und no tiere 

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    iDer Eigene. 7

    '•'— und zwischen beiden keine Br ück e Schliesslich vergeuden

    dann beide ihre Liebeskräfte im Gassenverkehr, oder an

    banke rotte, marklosc Seelen, die ihre Partnerscha ft nie zu

    würdigen wissen —

    Ich habe mich auch verä ndert gegen früher, ich bin viel

    ruhiger, gelassener geworden — vielleicht ken nst Du mich

    garn icht mehr. Ei n Beka nnter nannte mich kürzlich scher-

    zenderweise „den Freund der Kinder und alten Jungfern";

    — Du siehst,

      wie_

     harmlos man mich nim mt Ich hätte auch

    wahrlich mehr erreichen können hier, wenn ich noch so das

    Gebo t in mir fühlte wie früher, herv orzu treten , wenn ich

    nicht viel zu gleichmütig und skeptisch in die W elt gucken

    gelern t hätt e. Ich vermöchte heute kaum jemanden zu be

    geistern, weil mir selber das Unbezwingliche fehlt, das was

    zieht und t reibt und nicht loslässt. Du siehst, ich habe

    eine elementare Ku r nötig, — weis st Du mir nicht eine

    Anstalt zu empfehlen? Bedingung: keine Fabrikesse.auf zehn

    Meilen, und auch keine hygieinischen Apparate, dafür grosser

    Keichtum an jenen kom fortabeln Einric htunge n, die unser

    He rrg ot t am dritten Schöpfungstage extra zum Zweck von

    Sonnen*, Luft- und Fichtennadelbädern erfunden hat.

    ' Ja , Herzensmensch, lieber Karl wir müssten einen Ort

    erfinden, wo wir Selbstherren sind,— Kameraden von Fels

    und Baum und zugleich Genossen kecker., tiefinnerlicher

    Menschenw esen, einen Or t, an dem nic ht immer die Polizei

    wie ein Damoklesschwert auf die Fröhlichen niederhängt,

    eine Empfängnis- und Geburtsstätte riesiger "Willensgüter

    und Gedankenmächte, kurz so was wie wir schon seit einem

    Jahrz ehnte davon geträumt hab en.— besinne Dich', kann

    man das nicht zuwege bringen ? — Qder h ast Du es amonde

    sch on? ? . ,\ . . .._

      :

    .

      :

    " Mein lieber K ar l eins freut mich, was mi r'beze ugt,

    dass ich noch nicht ganz Pergament geworden bin: ich

    wachse noch, fühle noch Stufen in mir, die ich überklettert,

    habe, oder über die ich. oben klettere. Mich immer wieder

    in mir überwinden  verach ten, und mich immer wieder

    von neuen-S eiten in mir liebgewinnen — es ist der beste

    Genuss, den ich'bei meinem Umhersegeln in der "Welt schöpfe,

    der einzige tiefere Genuss, den es für einen Menschen unseres

    Schlags überhaupt geben kann Ge ht'es Dir auch so, dass

    Du wie ..ein Brunnenforecher durch Dein Wesen wan derst

    . und aufjubelst, wenn Di r irgendwo ein. noch unbekannter

    Quell aus dem Boden sickert? Oder wenn ein alter Quell

    kräftig er zu fiiessen beg innt, oder wenn sich zweie, droie zu

    einem Gewässer vereinigt haben? —

    — K arl, w ir profitieren ja von al le m , auch vom Mise

    rabelsten irgendwie, und es wäre kein Schicksal für uns

    verloren, wenn — wir nicht inzwischen alterten wenn wir

    nicht unsre Jugend, unsre Lebensweile dran verbrauchten

    W arte n hä tf ich ja gelernt; wenn ich nur wüsste, endlich

    komm t's d o c h und — ich bin dann noch so empfänglich

    dafür, noch so antwortsfähig wie .heute, und vor mir liegt

    die Ew igke it Aber die Na tur ist knauserig und rechnet

    mit ihren Minuten. Jede, bedeutet ein Schicksal, ein höchste s,

    und die Surr ogate , die w ir dafür hinnehmen, werden uns nie

    fürs Echtere umgetauscht. — Kannst mirs nachdenken?

    Der Augenblick ist eine Unendlichkeit in seiner Tiefe, wir

    aber tauchen nu r. ganz seicht in ihn ein, — meerabgrund-

    weit einmal in seltenem Zufall Ka rl, handeln wir, setzen

    w ir alles d ran, ins Volle, Tiefrollende zu gelangen, eh zuviel

    Jug end den Be rg hinunter is t Späte r resigniert, man auch

    zu leicht, — ich fühle oft je tz t schon die bedrohlich sten

    Anwandlungen von Zufriedenheit in mir und von Stumpfsinn

    gegenüber meiner Verwesung. . ..-,• ;•. '

    — Aber Teufel — Ich habe D ir nun soviel geschrieben

    und immer blos von m ir Bitte vergi lt es nun mit noch

    viel m ehr Nachrichten und Bekenntnissen von Dir — Du

    ahnst nicht, wie ich bis dahin die Stunden zähle. Ich weiss

    ja garniehts mehr, garnichts, was Du th ust und was aus

    Dir geworden ist. Meine Geige leb t auch noch; ist mein

    Juw el, dio mir über viel trübe Stunde n hinüberhalf und noch

    helfen wird. — Ich juble heut,

     %

    und glaube doch noch gar

    nicht an mein Glück; frage mich schon, in wieviel Trauer

    tage n ich sie wieder büssen werde diese Freu de. . - '

    Ich brauche Dir keinen Gruss zu schreiben ; nimm jedes

    W or t als einen Herzen sgruss der Freundschaft, die Dich

    hoffentlich noch wie einst verbindet mit Deinem alten

    R i c h a r d . "

    (Schluss in nächster Nummer.)

    Karl Merz.

    e X ® V o m P a f t . 1  ( zo

    Mit dem Haupt , dem hörner lee ren

    Nickt den Text der preise Pan . ,

    — Langsam kommt die Zeit heran,

    " Da die G ötter sich besc hweren **)

    Als En de vorigen Jahres unter Aufwand sehr

    bet räch t licher Summen der Pa n gegründet wu rde , ' da

    : *) Siehe die Anmerkung am Schlüsse dieses Aufsatzes

    **) Ein im Zusamm enhang mit der Kunstzeitschrift Pan öfters

    genMinter Bicrbaum'scher Vers lautet:

    Mit dem Haupt, dem hörnerschweren,

    . Nickt den Takt der grosse Pan:

    „Langsam kommt die Zeit heran,

    Da d ie Göt te r wiederkehren" .

    hoffte die oft be troge ne "Welt der Kun stfreunde , endlich

    ein Panth eon zu besitzen, in dem in W ahr hei t .al les

    göttlich " sei, d.~ h. in dem nichts zur G eltung kom me n

    dürfe, als K u n s t ; die Ku nst, in ihren mannigfach

    sten Ausd rucksw eisen nach Tec hnik und Individualität ,

    imm er aber nur in hervorrage nden und kennzeichnenden

    Leistungen. Heute erklingt eine Stimme nach der andern,

    die,

      sei es schadenfroh spot tet, sei es grollend mifs mu tig.

    sich zurückzieht, oder aus irgend einer Ferne ihr scharfes

    W or t des Tad els herüberschleu dert . Natürlich, wie es

    ja nicht ande rs gehen du rfte: der Geldsack, dem man

    erst hofier te, ist übe rmä chtig gew orden und der alte

  • 8/9/2019 Der Eigene : 1897-09-10

    6/20

    7

    Öer E igene .

    Pan ha t so etwa die Mienen eines begabten , s trebsame n

    und nach oben wohlgesehenen Akademieprofessors an

    genommen. Erst sprang er noch etwas tol l , da gab es

    Rippenstösse, nun wird er imm er. salonfähiger u nd

    s terb licher ; ga n z uns terb l ich is t er überha upt n ie gew esen.

    Um was es dabei schade ist : — natürl ich um die

    aufgewandten Ban knoten denn es hät te sich was rec ht

    Bedeuten des und Bleibendes mit ihnen ins Dasein rufen

    lassen; 'wird ab er leider für ein W eilch en mit heru m

    sein, dafs man wieder eine ähnliche Summe für künst

    lerische Zwecke flüssig macht

    Der zwei te Jahrgang wurde in e twas erzwungener

    W eise so gepla nt , dafs jede s- seiner vier Hefte einer

    besondern Zent rale

      des,

     deutschen Kuns t lebens gewidm et

    sein sol l te, vorläufig: , Berl in, Ha mb urg , Dre sden und

    München. H at schon diese An ord nun g viel Schulmeister

    l iches an sich, so versp richt das erschienene erste de r

    vier Hefte für seine Nachfolger doppelt was an Staub

    und Mo notonie Es enthäl t Gediegene s, gewifs; a ber

    die blofse Gediege nheit m acht we der ein Ku nstw erk

    aus, noch vollends haucht sie ihm ein blutfrisches,

    nervöses Le be n ein. Seh r vieles ab er is t nicht einmal

    gediegen. Die Bilder stehen im Durchschnit t über dem

    li terarischen Teil "und standen es von Anfang an, aber

    auch .vor ihne n fragt ma n sich ein manc hesm al: w ie'

    komm t das gerade zum Pan ? Ode r wol l te der Pan nur

    beachtensw erte , red l iche Sachen, sowie e in ige.durch ihre

    Flot lhei t interessante- Studien bringe n, wo ll te er nicht

    eine Kuns twar te ers ten Ranges sein , in der b los zum

    W ort e gelangt , w as wi rk l ich Keime einer eminenten

    Kro nenb ildung in sich schliesst? Ein Hau ptfehler d es

    Pan, wie er . s ich jetzt präsen tiert , is t seine Neigu ng,

    s ta tt K u n s t K ü n s t g e s c h i c h t e , K u n s t p h i l o s o p h i e ,

    K u n s t b e t r a c h t u n g e n z u b i e te n ; im k ü n st le r is c he n T e il

    aber — zumal in der Dichtung — das M arkante , d ie

    sich aufbäumende Keckheit und Jugendlichkeit gegen

    über braven Leis tungen von n icht zu beans tandender .

    Dur chschn it tsgüte zu vernach lässigen. Ott o Jul ius Bier

    baum, der anfänglich in der Redaktion safs, hat te darin

    noch den besseren Merks, nur verirrte er s ich wieder

    al lzugern ins Burleske, in Bierbaumeleien und Purzel

    bau me reien . ,. .

    — — Nun frei l ich: tadeln ist bequem und ich wil l

    auch ger ne zuge ben, dafs ich insofern viel leicht ü bers

    Ziel hinausschiefse, als der. Pan in der von ihm rep rä

    sentierten Gesamtleistung immerhin ein stat t l iches Stück

    Geistesarbei t und eine grofse Summe von Geschmack,

    ja einigemal auc h genialer Ansch auu ng (von den oft

    br i l lan ten Darbietun gen der Repro dukt ion ganz abge

    sehen) zweifellos in die W el t gegebe n hat . A be r d a s

    Aufserorden tl iche ist er s icher nicht gew orde n, das er

    zu werden versprac h und — aufgrund der Mi t te l

    wenigs tens — auch hät te werden können

    Einem Einzeln en die Schuld aufzubürden dürfte

    schwer fa llen ; i ch kenn e auch d ie Lei te r zu wen ig .

    Aber es verlohnt sich viel leicht , eine kleine Betra chtun g

    anzustel len über die wesentl ichsten Vorbedingungen für

    Gründung und Leitung einer solchen Publikat ion, die

    ja in ihrer Idee zweifel los vom höchsten W er te und

    ein seit lang em und imm er wied er gefühltes Bedürfnis

    ist —: die deutsche Kunst der Gegenwart in technisch

    vollendetster Wiedergabe, ohne Rücksicht auf Personen

    oder Richtungen, noch endlich auf den Geldbeutel

    „Alle schaffensstarken Kunstrichtungen der Gegenwait

    sollen vertreten sein", hiefs es im Prospekte.

    Auf was wi r immer wieder h inauskommen werden

    ist , dafs ein gewähltes Konsort ium von Fachverständigen

    in Sachen des Geschmackes nichts taug t; das Fü r und

    W ider , das hier auftaucht , mufs sich unbed ingt im

    Kopfe eines einzigen, unbefangenen Kenners ausfechten

    Ist ein solcher von den erforderl ichen Q uali täten nicht

    zu finden, so nützen alle grofsen Mittel und nützen alle

    F inessen der Reprodukt ion n ichts : das Mi t te lgute wi rd

    die Oberhand gewinnen, weil es im Kreise der Richter

    auf den wenigsten W ider slan d stufst . Aufserdem l iegt

    die Gefahr der Protektion und namentl ich des Einflusses

    der Geldmach t drei bis zehnm al so nah e, als bei de r

    Leitung nur eines einzigen, unabhängig gesinnten Mannes.

    Selbst eine gewifse Geschmacksvorl iebe dieses einen

    Leiters is t nicht halb so schädlich als diese Schäden es

    sind. Steht ihm ein Kreis ratend er Fre un de zur Seite,

    um so besser Abe r man kan n ihm den nicht zu dikt ieren.

    Da s führt nun g leich auf e ine wei tere E rw äg un g:

    ich g laube, dafs es von vornherein e in unr icht iger W eg

    ist , wenn man sich eines schönen Tags bei einer schönen

    Idee er tappt und nun Geld sammel t im Gedanken: d ie

    M änner sie durchzuführen werd en sich schon finden

    Umgekehr t : h ier s ind d ie vorhandenen menschl ichen

    Fähigkei ten das durchaus Pr imäre, in ihrer Richtung

    ha t der Reichtu m seine Gleise zu legen, sonst führen .

    sie ins Ne bulo se. Ein Einfa ll, an sich noch so gu t und

    noch so Bedürfnis ist für die Allge me inheit nichts, oh ne

    die Kraft , die ihn trä gt und die ihn zu gestal ten ver

    s teh t . Ers te Fra ge dem nach : mi t welchen tücht igen

    Kräften ist zu rechne n? Die se Fr ag e lei tet darau f hinaus,

    dem W er k e in ganz i n d i v i d u e l l e s ( ind iv iduel l dabe i

    ja n icht e n g genomm en ) Gep räge zu ver le ihen; denn

    jede Idee, von der Person abgelöst , , erhäl t s tante pede

    eine demokrat i s ierende Tendenz, d ie , wenn i rgendwo,

    so in Sachen der- Kun st vo m Üebe l is t . W a s . ma n wil l ,

    is t doch al lgem ein: der Ku nst emporhelfen. Man v er

    steife sich also nicht

      darauf

    gerade e inen Pan zu ,

    gründen, um ihm nach der Gründung erst seine Leiter

    zu wählen , son der n , man knüpfe dor t an , wo s i ch

    K rä f t e r e g e n , d i e we i t he rz ig s ten , ges ta l tungs du rs ti g s ten

    un d feinstempfindsamen K räfte . Ihnen vertraue man an

    zu schaffen w as

     

    sie eben als ihr bestes in solcher Art

    zu schaffen verm ögen . Od er wen n m an selber als Kraft

    mit in Re chn ung kom mt, so gehe m an ja keine er-,

    künstel ten, vom Geld oder von Majori täten best immten

    Assoziat ionen ein, sondern man gl iedere-sich Leute £h,

    d ie e inem zur persönl ichen Hi l fe und Ergänzung werden,

    ohne dafs man seinen Geschmack dem ihrigen preiszu

    geben brauch t . W a s ein so lches Bündnis zuwege br ingt ,

  • 8/9/2019 Der Eigene : 1897-09-10

    7/20

    Der Eigene .

    7

    vird doch immer e twas Ganzes , e twas Neues und Be

    stimmtes sein, währe nd k ünstliche Ko rpor ation en fast

    imm er an vag er Mittelmäfsigkeit kra nke n. In der

    Pan-M anier verd erbt m an blos auf lang hinaus den

    Gusto an ähnlichen Versuchen

    . Und dann noch eins, ein W ic ht ig es : w ie es scheint,

    ha"t die P an-Re daktion ruhig die Kün stler an sich heran

    kommen lassen und ihnen von der feilgebotenen Ware

    " abgeno mm en, was sie für tauglich hielt . Da s wa r ein

    grundsätzlicher Fe hler . De r Kü nstle r is t durch aus nicht

    immer befähigt, die Gütr seiner Leistungen treffend

    abzu wäg en, oder zu bemessen was für eine derart ige

    Sam mlung taugt. Äüfserdem sind unzäh lige gerad e der

    tüchtigsten und eigenartigsten Kräfte entweder mit dem

    Pan nicht bekannt, oder s ie r iskieren aus irgend einem

    Grun d, keine Zusen dung. W a s steckt n icht alles in

    Deutschlands Eck en und W ink eln vo n echter , grofser

    Hildnerseele, von keckem Wurf und fr ischem Blüten-

    •tiiebe Di e gilt es aufzufinden, — nicht zuerst die

    Koryphäen d es Tag s , n icht d ie schon Gemachten und

    Bekannten, das überlasse man Journ alen, die genötigt

    s in d m i t N a m e n z u g l ä nz e n R e i s e n u n d s u c h e n

    wä re d ie Aufgabe e ines Pan-R edakte urs , den M alern

    in ihre Ateliers wan dern, ihre Map pen durch blätter n,

    s ich von den Dichtern im ganz ungestörten Beisammen

    sein lesen lassen, was ihre geheim en Fä ch er bergen,

    — kurz lüs terne , leckr ichte Ausw ahl hal ten und d ie

    erob erte Beute zuhau s einer nochm aligen energischen

    Sichtung unterwerfen. Is t dan n von' ebenbü rtigem

    Material genügend viel gewonnen, um ein Heft — nicht

    nur zu füllen, sondern aberm als mit prickelndstem Ge

    schm ack architektonisch aufzubauen, — gut, so läfst

    mans erscheinen . Eine ganz genaue Zeit und auch

    einen gan z genaue n Umfang festzusetzen halte ich für

    recht überflüssige Beschrän kung. Beides hat viele Mit

    schuld an de r Mittelmäfsigkeit un sere r Journale.- Ein

    Schalk giebt mehr als er h at, — oder giebt auch, bevo r

    er genu g an Genügendem , ha t ' "

      v

    . . . Dies so in meinem Kop f die Grundlinien

    A n m e r k u n g . I ch g e b e , z u g le ic h d e m W u n s c h e d e s A u t o rs

    . f ol g en d , d i es e n A u fs at z ä n d e r u n g s l o s w i e d e r, t r o tz d e m ( d u r c h d i e

    • lange Verzö gerun g im Erscheinen des Eigen en) berei ts fünf Monate

    seit seiner Nied erschrift verflossen sind und sich die Ding e insofern

    etwas verschob en h aben, als inzwischen zwei wei tere Hef te des .„P an"

    - herausge komm en s ind , vor denen Volk er selbs t sein ohnedies

    polemisch gefas st es Ur te i l noch mehr b e d i n g e n möchte . — Er

    schr ieb mir in dieser Angelegenhei t u. a. :

    . Ic h weiss , dass die letzten Hef te — Heft 2 auch im l i terar ischen

    T e il — be s se r sin d* u n d d a ss i ch vi el le ic h t d e r k ü n s t l e r i s c h e n

    Redakt ion in einem Pu nk t sowieso Unrecht getha n hab e : s i e nemlich

    schein t e tl i chemal , auf d i e Suche gegangen zu s e i n , und hat neuer

    dings ( im Mttnchener Hef t ) sogar Br i l lantes für uns entdeckt :

    — Bei Hef t 1 mag ja noch der fatale Um stand eingerechnet

    w e r d e n, d a ss e s g e r a d e B e r l i n g e w i d m e t

      wa r

      und das s Ber l in augen-

    künstlerischer Pan-V ersuche He ute s inds schier nur

    Namen von öfters und oft gehörtem Silbenfall, denen

    wir im Pan begegnen; E ntdeckungen hat er noch herz

    lich wenige gemacht — zumal nicht in seinem literarischen

    Teil. U nd wen n nur d er Name jedesm al für ein Mindest

    n iveau von e twas achtbarer Höhe garant ier te Ab er von

    Schriftstellern, die schon so Tü ch tig es wie die beiden

    Hart, wie Flaischlen, Holz, Hartleben u. a. hinter s ich

    haben, hätte man sich gerade hier wohl ein bischen

    mehr Ueberraschung mit Bedeutendem versprechen

    dürfen — Am fraglosesten is t der Pan w ohl in den

    Vignette bestanden; da haben wir so einige Kerls von

    ganzem Schlag: d ie Sat t ler , d ie Thoma, d ie Eckmann,

    Fidus,

      L . v. Hofmann, Leistik ow und and ere, deren

    Zierleis ten wirklich erbauen. — Der alte Fontane (mit

    zwei Gedichten) und sein Porträt (von Liebermann) thun

    redlich woh l. Menzel is t in einem Aufsatze von

    H . v. Tsc hud i treffend nach den Gren zen seines künst

    lerischen Könnens bewertet — ins Ueberschwengliche

    der Menzelapotheosen hinein ein erfreulich besonn ener

    Kla ng. Deh me l in seinen Poesien is t und bleibt, bei

    a l ler n ic htz u leugnenden Kraf t , e in S t immu ngen-Klauber .

    Von Malern oder Zeichnern sind Skarbina , Hofmann,

    Menzel, Sattler , Zorn, Cornelia Paczka und einige andere

    wertv oll vertreten . Do ch ich will mich heute nicht

    weiter mit Einzelheiten des Inhalts befassen. — —

    Um nun zur Moral zu kom me n: Ohne d ie ganz

    aufsergewöhnlich befähigte Oberleitung eines Einzelnen

    glaube ich, -dafs alles Odium, der grofsen Kun staus

    stellungen auch den Pan treffen. mufs. und dafs das

    Interesse der Kün stlerwelt s ich besser Son derpublikationen

    von einheitl ichem Geschmack zuw endet, die aus dem

    Kreis einer innerlich verbunden en und in sich ver

    wurzel ten El i teschar s tammen . Die Elfer e twa, w enn

    sie nicht so per Zufall zusammengewürfelt wären, oder

    der Simplizissimus, wenn er seinem ästhetischen Gehalt

    nach fragloser dastände, könnten uns einen Fingerzeig

    geben. '

    Hans Volker.

    bl ickl ich nicht viel an schöpfer ischer Potenz beherbergt , — wiewohl

    s ich selbs t dor t wie ich glaube t iefere Leis tungen hät ten  uf-

    t reiben lassen

    Etwas Akadem isches , etwa s . Unak tuel les (auch im Ewig kei ts

    s inne ) , etwas vom schönen Bi lderbuch is t der Pan abe r auch sei ther

    (und auch im plas t ischen Tei l ) nicht los gewo rde n: das br ing t eben

    die scholas tische Art seines Zustandekomm ens m it s ich —

    Mein Aufsatz is t so in einem FIuss niederg eschr ieb en und ich

    hal te ihn in seinem wesent l ichen Ideengang und seinen Schlussfolge

    runge n so durchaus aufrecht , dass es mir leid wä re, ihn nochmal*

    umorgeln zu müssen. Viel leicht gebeq Sie ihm eine erklärende Not iz

    bei , das wird, denke ich, genüge n." •

    Ich glaub e Volkers Wunsch mit Zi t ierung dieser Br iefs telle selbs t

    am besten erfül l t zu haben.

    r  H e r a u s g e b e r

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    8/20

    •;

      7

    D e r E i g e n e .

    CDX®

      B a h n f a h r t . @ X 9

    (es Abends Schatten schleichen auf den See

    Und folgen lauschend unserm kleinen K&hn,

    Die Triefen blicken stumm und rätselvoll —

    Die Sterne aber sinnen In die f lacht. . .

    . Dort durch den Uferwald kom m t st i l l der M ond,

    Im Kiefernhaar blinkt bleich sein mattes Gold

    Und aus dem Schilfe steigert Nebel auf —

    Die Sterne aber sinnen in die Nacht. . .

    Die Wasser glänzen und die Tiefe bebt ,

    DU s iehst m ich gross und ban g und fragend an •

    Un d mein e p u lse p och en seh n su ch t s t o l l —

    ,. Die Stern e a ber sin ne n i n die Nacht. . .

    Die Wel len sch meich e ln le i s e u m d as Boot ,

    Die f lu te n trä um en und die Ruder ruhn, -

    Der Win d n u r z ieh t u n s s ch w eigen d at romh ln ab -

    Die Sterne aber s inn en In die Nacht . —

    ±

    II.

    .T

    W i r fuhren wiede r auf den See hina us

    Und wie de r s ah der JVIond so ble ich und g ros s,

    Und wieder spielt* Im Rohr der Abendwind.

    Leicht gl it t der Nachen auf den W ass ef h in , '

    S ie sass am Steuer und loh fuhr den Kahn,

    — Du lags t zu ih ren Fü s sen w ie e in K 'n d.

    Sie sang und sprach von Ihrer K'hderzelt ,

    Du lausehtest s t i l l und thatst mit Worten schön

    Und Deine St imme klang so weich und l ind.

    An meiner'Seite aber sass der Tod

    Und zeigte s tumm mir mein verblutend Herz

    Und meine Ruder jagten pfei lgeschwind. —

    W'r st iegen aus und ihr gingt dann al le in

    . . , . Und als m ein Herz verblutet w a r im Wald,

    San g in den Blät tern noch, der Ab endw ind. —

    ' Adolf Bra nd.

    Z w a n g l o s e R a n d g l o s s e t i a u s d e m p h i l o s o p h i s c h e n

    Liegeses se l .

    H .

    •"•- . "Während Schopenhauer und Spir die Vielheit und

    Verschiedenheit der Dinge, d. h. die Technik der Er

    scheinung als eine abnorme Aeufserung der Allsubstanz

    zu denunzieren lieben, um die letztere gegen ihre Pro

    zesse auszuspielen, und en twed er aus. dem dualistischen

    Zwiespalte ins Nirwana weisen, oder die uniforme Lösung

    als die einzig w ahre Leb ensäufseru ng der "Weltein

    heit proklamieren, macht es der Antipode Stirner

    gerade umg eke hrt: er entnimmt dem Vielen und Ver

    schiedenen seinen immanenten Zusammenhalt und plura-

    lisiert genau so auf psychologischem Gebiete, wie es der

    Materialismus im physiologischen Revier thut.

    15.

    "••'-. Stirners geniales Verdienst bleibt, das Ego aus dem

    pantheistischen Allnebel h erausgeholl zu haben, — ohne

    freilich die wah re Sou veränität des Ego erkannt zu

    haben. Er rückt vielmehr dieses auf die Bildfläche ge

    rettete Ego sofort wieder in einen neuen Mischmasch

    von Definition 

  • 8/9/2019 Der Eigene : 1897-09-10

    9/20

    Sv±r^r^£ -i <   -;

    r? ——r-r

    Der Eigene .

    Le hrbu ch D r . Ka spar Schmidts lehr t — W ir sagen

    auch: Jeder hat Recht — aber eben nur bedingt : be

    dingt vo n der eigenen besseren Qualität , d. h. Identität ,

    die ihren Au sdr uck in den sozialen Radien f indet, be

    dingt durch die aus dem einheitl ichen Zusam menh ang

    s ich ergebende Wer tskala ; auf d ieser monis t ischen Wer t

    leiter is t aber nicht der primitive Egoismus der Ueber-

    legene, sondern de r ideale Eg oism us Also einerseits

    liebt Stirner als blofser Th eore tike r die Wertdifferenz

    auf —• den Vergle ich , (denn der Vergle ich se tz t im

    m er   das. Gleiche im V erschiedenen voraus ) — und giebl

    Jedem ein vergleich ungsloses Ichrecht, ein w illkürliches

    Au sleb erec ht; u nd andrerseits schiebt er sofort den Rie

    gel wieder vo r : d i f f er en zi er t ' , aber zu Guns ten der

    Pr im it ivwe r te — Diese Verw orrenhei t se tzt s ich auc h in

    Nietzsche fort . Zw ar neigt Nietzsche zur Bevor

    zugung d er idealen" Egotreffer, — setzt über den paro-

    distischen Spafs und die Spiegelfechterei Stirners den

    hochaufragenden Übermenschen, aber in der Hauptsache

    beireit auch er s ich nicht von den philosophischen Schwä

    chen Stirners , ' also namentlich nicht von dessen Einheits-

    losigkeit Mit Re cht wirft die Düh ringschu le Nietzsche

    den Mangel an u msp annend en Begriffen v or: namentlich

    die Preisgabe d e r. monistischen I dee ; je ner gröfsten

    Errunge nschaft, der Giordano Bruno und ande re Pioniere

    ihr Herzblut geopfert haben.*)

    . . • . • ' • : • . - . . 1 6 . - .

    Nietzsches Uebe rmensc h ist trotz aller V erleugnung

    nichts and eres als das unte r dem alten K önigsbe rger

    Ti te l über Bord geworfene und in neuem Kurs format

    wi ed er aufgefischte -„Ding an sic h". Jenseits aller Dif-

    . ferenzierung, im reinsten Phäaken nim bus strahlt eben das

    alte »An sich "de r Ding e Nietzsche liefs freilich den Ein

    heitsbegriff fallen, um nicht blos ein en, sonde rn viele

    Ueberrhenschen in Sicherheit zu bringen, womit er s tatt

    des einen .D in ge s an sich" e ben viele „Dinger an s ich"

    erhält , s ich darin mit Stirner berührt und denselben Plu

    ralismus ve rtr it t , den er an de n Materialis ten als ato-

    mistische Erklärungstölpelei so heftig verspottet. Nietzsche

    s e tz t neben de ren m a t e r i e l l e A bs o luthe il en d ie p s y

    c h i s c h e n r ' '

    \ "   W ,  ' •

    Di e Aufhebung der We rtdifferenzierung ist ein be

    liebtes Kun ststück a ller Stirnerian er und Nietzscheaner

    gew orde n. Phr asen wie : „Altes ist Re ch t, alles is t

    W ahr hei t , " oder „Nichts is t W ahrh ei t" , ' d ie dem Bour

    geois recht graulich ins Gesicht springen, bilden jetzt das

    Orge lreperto ir der „Vorurteils losesten" und „ Ganzem an

    zipierten

     u

    . Es giebt nichts hochkom ischeres, als die

    S t i rner -Nietzsche-Schule , zu der man immer zugleich

    •) So manches dialekt ische SoJrces töclc Hegels scheint auf St imer

    nicht cindruckslos gebl ieben zu sein, wenigs tens entnahm er Hegeln eben

    das, was denselben am wenigsten solid erscheinen läfst, neiiilich dessen

    akrobat ische Kunstgr if fe in method ischer Beziehung, worin es St ime r

    zu e inem bewundernswer t en Debüt br achte .

    Nietzsches Aussp ruch setzen muss: „Sobald jem and mit

    mir übereinstimm t, fühle ich mich gleich im U nrecht "

    IS.

    Selbst Böcklins Land- und Meergeburten haben es

    den im Phantasiehandwerk nachpfuschenden Böcklinianern

    nicht so boshaft angethan, als es der Uebermensch jen-"

    seits von Gut und Böse den Zarathustraknappen anthat

    Was Nietzsche mit seinem Jenseits der Wertunterschei-

    dun g sa gen wollte od er kon nte, war nur ein Jenseits be

    dingter N atu r Jenseits von Gut und Böse im unbeding

    ten Sinn ist Unsin n Es werden imm er wied er Mom ente

    auftreten, d ie sich auch für den reifsten Geist als wei

    teres Entw icklu ngsm ilieu darste llen, als „Gut und Böse" 1.

    Ueber d ie Dif ferenzierung ü b e r h a u p t kom mt auch der

    überübe rs te Mensch n icht h inaus W ir können nur immer

    jenseits rückständiger Ordnungen kommen: jenseits dessen

    kom me n, w as vo r uns liegt, hiefse die polare Spann ung

    in ihrem ganzen technischen Prinzip aufheben und den

    Indifferentismus pre dige n. Man sieht, wie Nietzsche

    trotz seines ausgeprägten Unterscheidungstriebs ins La- •

    ger derer gerät, die thatsächlich alle Wertunterschiedc

    aufheben. Nietzsche stellt seinen Ueberm enschen als

    Mehrw ert üb er die He rde nw erte , nicht etwa als ein zu

    fälliges Stellungspro dukt a us mechanischen Häufungen,

    sondern a ls dynamischen-Faktor —: und im selben Atem

    leugnet er die Seinseinheit, und vervielheitlicht den Ge-

    schichtsprozess ganz im pluralis tischen Fa hrw ass er E r

    giebt dem Uebermenschentum al le At t r ibute des Unbe

    dingten, m acht es zu zusamm enhanglosem Selbstzweck,

    — ohne zu merken, dafs er damit nur den ab

    solu ten W idersp ruch verher r lich t Imm er wieder wird

    der Ueberm ensch, nach vorw är ts gesehen, neue Unter- -

    Scheidungen aus s ich heraus nehmen und neueSleigerungs-

    staffeln gewahr werden: das Ego der Menschheit wird

    also in Jedem als ein immer wieder bedingtes und im

    Gesamtprozess seinen Selbstzweck fests tellendes Ego sein.

    Aber in dieser Beding theit we chselt allerdings die Qua

    lität in aufwärtssteigenden Vertiefungen, so dafs der Begriff

    des Idealen als des Uebe rlegenen, also das vornehm e

    Ueb erme nschen tum in sozialem Umfange in den Vorder-

      )

    grund tr it t .

    19.

    Stirner und Nietzsche sind keine zusammenfassen

    den Gröfsen , es s ind E r r e g e r . Abe r geis tvol le Er

    reg er erzeug en auc h geists chw ere Ge"genstöfse Nietzsches

    anhalten des Unwe rten ha t etwa s Athletisches an sich:

    nur wer auf die s tärkste Frage das Gegenwort f indet;

    hat sich selbst im flüssigen Be sitz Di e Natu r prod uziert

    keine Negation ohne eine darin latent l iegende Position:

    sie entläfst kein Moment aus dem grandiosen Zusammen

    klang, der, von der obersten Spekulationsinstanz aus ge

    sehen, eben das ins Unendliche gerückte Vollkommenheits

    ideal ist. —" Nietzsc hes fieberhaftes Um we rten .hat a ber

    auch seine Tragik darin, dafs er krampfhaft jene Diffe-

    renzierungslosigkeit anstreb t, welc he eben nur als eine

    stets durch Gleichnisformen w irken de Darste llung, nie

    als reines „An sich" für uns in Betracht kommt.

  • 8/9/2019 Der Eigene : 1897-09-10

    10/20

    78 Der

    20

    Da s Unbedingte als direk te Versinnlichung im Sinne

    Nietzsche's genomm en, ist nichts anderes, als die von

    vielen Anarchisten nachgebetete Willkür mit dem Motto:

    Ap res nous le del ug e Nietzsches Sehnsucht nach dem

    Unbedingten kennzeichnet ihn als eine trotz aller Ab

    leugnung und Fehlmü ndung metaphysische Natur . Hät te

    er 'das Un bed ingte in seiner paradoxen Darste llung ge

    sucht und a ls normgebende Enlwick lungsperspekl ive

    festgehalten, s tatt au s ihm eine Vielheit von Substanz en

    zu fabrizieren, die weiter nichts als gute Nachbarn der

    Atom isten sind, so wäre ihm auch der soziale Gedanke

    als ein innerweltl icher und inner- ichlicher aufgegangen

    und Zarathustra hätte thatsächlich statt blofser Geistes-

    gymnast iker d ie Komm enden angekündig t .

    . . . • 2 1 .

    Es wird uns als erklecklicher Fortsch rit t vorgetutet ,

    was Stirner , Feuerbach, Heinzen und andere Jung- und

    Gegen hegelianer „ über_ Heg el hinaus" entdec kten. Ich

    finde aber in all diesen so gepriesenen Rette rn der

    simplen De nkk raft und Sprachdeutlichkeit nicht allzuviel

    mehr, als entschiedene Rü ckgän ge in wesentlichen Po .

    s i t ionen: da s 'm äc ht ig e Umspannungsbedür fn is Hegels

    macht in diesen Nachkommenden einem Spezialistentum

    Pla tz, dessen oft bis zur ban alen Binsenrichtigke it ge

    lotstes Deta il treiben die nachfolgende Verseichtung d es

    Spekulativen einleitete. Man sehe sich nur den von H e

    gel so ung leic h tiefsinniger gefassten und in diesem Sinn

    nicht bestr i t tenen Satz Feuerbachs an: „Nicht Gott macht

    den Menschen, der Mensch macht Gott ." — Die in einen

    Do ppel vorg ang g erüc kte Bedeutun g dieses Satzes bei

    .He gel vereinfacht Feue rbach zu einem pluralist ischen

    Aneinander von Gottesvorstellungen, deren symbolische

    Bindung ihm völlig verloren geht. Die G leichnisform

    ist eben nichts anderes, als das in die Erscheinung in

    im m er in t im er en Dar s t el lun g en t re t en d e U n b ed in g te , ,

    is t d e s s e n S e l b s t e n t h ü l l u n g D i es e n G an zb eg riff, de n

    Hegel als den metaphysischen Resonanzboden konsequent

    festhielt, diese Totali tä t , aus der h eraus das Bauen von

    oben herab sich ergiebt, hat die nachhegelische Gene

    ration leichten. He rzens üb er Bord geworfen und damit

    der ' materialist ischen „Naturwissenschaft- ' einerseits und

    einem rationalist ischen Freidenkertum andrerseits die Ein

    leitung geschrieben.

    • • . • 2 2 .

    Es ist freilich eine lächerliche Anmafsung der

    Materialisten gew esen, sich als die Tr äg er der monistischen

    Weltanschauung auszusp ie len , indem d ie „Mater ie" a ls

    Lücke nbüfser für den alten Einhe iisgedan ken der Philo

    sophen den .Stoffgläubigen plausibel gemach t w urde .

    Man getrau te sich nicht, mit der handgreif l ichen  uf-

    fassung des Ato ms Ern st zu mach en und schuf einen

    neuen K öhlerg lauben , den G lauben an die Materie. Seit

    Nietzsche habe n nun auch viele Anarch isten den Mut

    bekommen, gegen d ie Atomisten Front zu machen;

    Eigene.-

    freilich nur d esh alb, weil sie (ohne es zu wissen) nur

    e in e m a ter ia li st ische I n k o n s e q u e n z , n em li ch den

    Glauben an ein einheit liches .W es en * — die Materie —

    bekäm pfen Im Grunde haben sich die Anarchisten

    vom Koloi it Stirne rs und Bakun ins und die Materialisten

    folgerichtigen Schla gs nichts vorzuw erfen. Ebe nso läch er

    l ich ist die anarchistische Ph rase von d er „Gew altlosig-

    ke if 'J D er -Haup ttrumpf aller jener pluralist ischen

    Anarchisten aus dem Stirner-Nietzschetum ist die  uf-

    hebung der Differenzierung, d. h . die Ordnungslosigkeit

    schlechtweg und der Kam pf Alle r gegen Alle (statt

    Ka m p f Al le r i n A l len ) a lso d am i t d i e A u f h eb u n g

    der Gew alllosigkeit W o die Din ge nicht durc h sich

    selbst , sondern durch 'unbedingte Aufsenkonstellationen

    veränd ert w erden , da wird nicht überze ugt, sondern

    vergew altigt . De r Pluralismus in anarchistischer Praxis

    ist die folgerichtige Vergewaltigung

    23.

    De r anarchistische Geda nke wird sich von der ver

    materialisierten Sozialdem okratie nur, dann unzw eideutig

    trennen, wenn er über die fragmentarischen Ans ätze in

    Stirner-Nietzsche hinausgreif t , diesen letzten Autoritäts

    dusel überwin det und das platte Spez ialistentum ' den

    Sozialdemo kraten überläfst. Einzig die monistische Basis

    wird dem Individualleben die vornehm e u nd sichere

    Richtung in Blüte und Fruch t gebe n De r einheitsvollc

    I n div id u a li sm us d eck t si ch ab e r m i t - d e r W i e d e r e r

    w e c k u n g d e r S y m b o l f r a g e . D i e s ym b oli sc he W e l t

    anschau ung ist eben jene W eltle hre , w elche die Genesis

    der Dinge in der Beleuchtung des in unendlicher Ent

    hüllungsskala Zusa mm enhän gende n betrachtet und alle -

    Relativität der Din ge in imm er sich ablösenden Neu

    ordnungen verstehen lernt. De r We ltprozefs ist eine

    perm anente Steigeru ng der Gleichnisse, ist trotz aller

    Unterbrec hungen und gerade mit allen Unterbrec hungen

    . die unze rstücke lbare Rep räsen tation des U nbedingten

    und Vol lkommenen . W en n d iese Lehre Myst ik genannt

    werden soll , so bin ich My stiker Und ich greife den

    Namen Mystiker gerne auf , erstens weil ich Perspektiven

    l iebe und wei l ich mich fernerh in mi t d i e s e r M ystik

    in^ best er Gesellschaft weifs. Es giebt auch eigentlich

    nur- zwe i grofse Ric htun gen , "die G oethe schon treffend

    au sein and e r leg te : R a t io n a l i s t e n ( b ezw. Fo r m a li s ten )

    u n d M y s t i k e r . R em b r an d t d e r Fa r b en m y s t ik e r u n d

    Dürer, der Mystiker des Stifts, wie er in seinen Vignetten

    und seinem Ornamentalsir ich auftr i t t , Beethoven und

    Goethe , Emmerson und Dante , Schel l ing und Schopen

    hauer u . s . w. auf dem e in e n Pol , — N amen wie

    Lessing , Nikola i , der t rockene Denker und Pädagog

    Herbart , der grofse Hypothesenfeind Virchow, der Musik

    mathemat iker Brahms, der Typus heu t iger Comtoir -

    demokraten Eug en Rich ter , fe rner Du Bois-Reymond.

    der Maler Lie berm ann u. s. w. auf dem ande rn. Man

    fasse nur aber ja nicht das W o rt „M ystik" in einem

    spezialisier ten Sinne, als blos okkultist ische Fachkurve

    Mystik im souv eräne n Sinne ist , eben nichts anderes ;

  • 8/9/2019 Der Eigene : 1897-09-10

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    b e r E i g e n e . 7 9

    als das Heraus arbe iten d er grofsen. natu r- und gattungs-

    sozia len Symbole

    24 -

    W ir w erd en nie ins darstellungslos e „An sich" de r

    Dinge gelangen und ob noch so viele Daseinsdimensionen

    sic h 'a n unser Erdenleben ansch liessen mögen . Die W er t

    ska la Von Plus zu Plus führt , da w ir — par ado x —

    das Unb edingte ins Unendliche setzen müssen un d es in

    j ed em Mo m en te a l s En twick lu n g sg r ad g ew ah r wer d en

    können, in un begren zte Fernlin ien und diese Aussicht

    Hörst du nicht die Töne sehnsuchtseliger Geigen?

    Kennst du wohl das Lied, das da lockt zu ewigem Schweigen?

    Süsse Spiele sinds: Geigen, die ich befehle.

    In der heiligen Stundo, wenn die Glocken zwölfmal schlagen,

    steh ich auf der Wache, wo meine Cyprcs.sen ragen,

    und erwarte manche lebensmüde Seele.

    giebt jene mystische Anknüpfung, jene Ego-Mystik.

    wie sie sich auch a us Nietzs che he rau s (folgerichtig ge-

    fafst) and eute n läfst. D er Indiv idual ism us auf einheitlich

    evolutionistischer Grundlage setzt seine Weiterrechnung

    nicht in das blofse pantheis tische Versc hw imm en im All,

    sondern auf personelle Me tamorph osen. D a abe r diese

    Punkt ierungen den d ich tenden Den ker mehr , a ls den

    „exakten" Denker engagieren, so sei an dieser Schwelle

    mit dem Angedeuteten abgeschlossen. —

    Kar l Herman.

    (Weitere. Abtriudtt». it s?nr>

    Komm in meine Nachte, sie sind wie blühende Haine,

    die verschwiegen schlafen; schöner findest du keine;

    komm du her, ich lege um dich die ewigen Flügel.

    Gieb mir deine Hand, ich will dich sicher leiten,

    will über deine Seele meine Fittiche breiten,

    führe dich zu meiner Ruhe träumendem Hügel.

    e X ® E i n Z i el © X ?

    ist mein Genius wider mich verschworen,

    sein "Wollen über mich gespannt:

    nich recht im grauen Nichts verloren

    a Wirbels, den man Welt genannt

    t ihr Strom, — nur ich hineingegangen

    i qualenwütigen Verlangen:.

    Ein Ziel Ein Ziel

    In ihren Armen selbst hat michs ergriffen

    Und aus dem Schlafe schreckt' michs wüst empor.

    Das tolle Boot, entronnen Klipp' und Riffen,

    Ich sah, wie sichs im Wellenschaum verlor' . . .

    — Ausbreitet' ich die Arme angstzerrissen

    Und schmerzlich stöhnt' und weint' ich in die Kissen.

    Ein Ziel Ein Ziel .

    Zerflattern heisst der Fluch an dem ich kranke,

    Ein schwanker Zweig, von Winden müdgehetzt

    Und glaub' ich noch, dass an die letzte Ranke

    Sich schimmernd eines Herbstes Segen setzt? —

    Auf, — treib' ins Gold, du meine spate Blüte

    . . . Dann — Jugend , Hoffnung, dass euch Gott be hüte —

    Ein Zie l . . . E in Zie l

    Hana Volker .

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    ..  , . . • . • • 0 -  • . •

    ÖO Ö e r E i g e n e .

    Sicher geht dein Fuss durch meine Märehenhallcn,

    wenn die müden Lider dir über die Augen fallen,

    und geschlossnen Blicks schaust du verborgene Tiefen:

    Tiefen, dio im Leben du nimmer konntest sehen;

    fühlst in deinen Händen stille Kräfte erstehen:

    Kräfte, die im Leibe dir fest verschlossen schliefen.

    Und ich führe dich, zu meinem Heiligtumo,

    schmücke dein schlafendes Haar mit der weissen Königsblume,

    deine Gewände sollen sein wio sehiinmerndos Linnen.

    Folge mir nach, ich will dich still und sicher machen,

    wirst den Schmerz vergessen, und im Traume wirst du wa chen,

    sehnst aus meinen Nächten dich nimmermehr von hinnen.

    Komm, oh komm doch her, meine "Worte sind süsse Ruhe,

    meine Vorheissungen nahn auf weichem, wohligem Schuhe,

    wollen dir die Frucht der grossen Erkenntnis roiehön.

    Und du pilgerst hin durch meiner Nächte Schatten,

    die noch für jeden "Wandrer ewigen Frieden hatten,,

    siehst so fern, so fern des Lebens Mühsal weichen...

    F r an z Eo e r s .

    („Hohe L ieder . " )

    B ü c h e r u n d J V L e n s e h e r t .

    ~ . B ü c h e r . . . . E s l i eg t e in e z i em l i ch e Z a h l v o r m i r , u n d Go tt

    se i Dank , ich kann bezeugen , dass auch aus ihnen a l len M e n s c h e n

    sprechen, Menschen mit deren Innerem und Innerstem bekannt zu wer

    den schon .der  Mühe ver lohn t —

    Ich muss mich ab er gleich von vornherein den Verfassern gegen

    ü b e r en tschu ld igen , dass ich mich nur so ku r r üb er d ie meis ten von ihnen

    werde

      äussern können , — wo ich doch so manches und so man cherlei

    noch über s ie ae f dem Herzen hä t te Abe r de r le id ige Raummange l

    macht dem Journal -Kr itike r die Kürze, zu einer ganz besonderen , ja

    zur eklatantesten aller Tuge nden, nnd da ich überd ies ungerecht ge

    nug bin, den Rau m, de n ich hab e, nicht in gleiche Teile zu teilen,

    sondern einzelnen meiner Dichter eine grösse re Breite einzuräumen, bleibt

    für die übrigen leider recht wenig da. — Ein anderm al hof fen tlic h . . .

    L y r i k e r s i nd ' s f ü r h eu t e, u n d n u r L y r i k e r , d ie i c h m i r z u r

    Besprec hung ausgewählt habe . In de r totalen Verschiedenheit ihrer

    Naturen, — die wie die Springhülsen auseinanderplatzen würd en,

    wollte man sie unte r einen Hu t spannen, — im merhin ein recht interes

    santes und reiches K onsortium

    . ' r '•• *

    \ / D ie blutwärm ste, die unmittelbarste unter ihnen allen ist vielleicht

    M a r i a J a n i t s c h e k . D i e b lu t w ä r m s t e , w en n a uc h n ic ht g e ra d e d ie

    b l u t re ic h s t e . Jedenfa ll s i s t s ie » ine Weib l ichke i t , in de r Grösse und

    noch ein Stück ganz unverfälschter Natur

    steckt W er die f inden will , der lese Ge-

    'k " | d ich te von ih r , wie „Du Lose " , „H urra h '

    He i l " , „Mädchenfrage, " „Vorf rüh l ing" , „Der Gas t" , „Glückse l igke i t" ,

    „L iebeszauber" , „Fan g s ie " , „Bes t imm ung" , und vor a l lem das un- .

    säg l ich l ieb l iche „Kindersp ie l" :

    Sie küssen

      sich hungrig, s ie küssen sich satt ,

    die Vöglein lausehen sacht;

    es rührt s ich in den Büschen kein Blatt ;

    nacktfüfsig kom mt die Nacht. _ .

    Die jüngsten Sterne gucken <

    neugierig auf die zwei,

    i hr e g old ne n W im p er n zu cken . . . .

    zögernd ziehen sie vorbei.

    ,  Leider  sind nicht al le Poesiecn der Verfasserin bei der wa nnen

    Unm ittelbarkeit j ener Gedic hte in Sprac he und Anschauung geblieben .

    W ie

      viele

      Poe ten fre il ich g ieb ts , d ie heu te n i c h t da ran k ra nk en ? . . .

    a uch M aria Ja nitsch ek t hu ts : s i e ' p r o b i e r t u nd k o s t ü m i e r t

    mi r etl ichemal zuviel Das wird dann der Tod de r köstlichen Naive"

    Maria Janitschek  

    „ i m S o m m e r w i n d .

    tat, die ich in Gedich 'chen wie im .K inders piel* so entzückt be wun

    dere . An krassen Effektstudien wie (um ebenfalls klei ner e Ged ichte

    zu nennen) dem „Ab end " oder auch dem „Ge sicht" u. a . sonst, . ( in

    denen gewöhnlich m ehr versucht is t , a ls wozu d ie Kraft reich te),

    kann doch niemand im Ernst seine Freu de habe n — Interessant is t

    d ie Dich te r in immer (wie auch in ih ren Erzäh lungen) in de r P s y

    c h o l o g i e d e s W e i b e s . — ' I h r e r S i n n l ic h k e i t, d i e , s i e o ffe n u nd

    heiss zur- Schau träg t, woh nt nicht de r gerin gste Zu g "des Lüstern en'

    oder „Pikant en" inne, s ie behand elt geschlechtliche Motive mit eben

    soviel Reinheit als ungenierte r Frische. Ein paa rmal freil ich p as

    sieren ihr Geschmacklosigkeiten, die Tendenz v err ate n: wo sie, um

    im Punk te der Sexualität , bezhw. ästhetischer Philis terb edenk en recht

    unbefangen zu scheinen, sich mit Worten oder Bildern herein dräng t, die

    man als überflüssig und darum eben nicht meh r unbefangen empfindet.

    — Ihr Märchen von „de r verstofsenen See le" is t eine recht hübsche

    Persiflage auf die Kinderfurcht der Dccadenee-Gattin und hat mir als .

    Stimme eines Weibes besondere Freude gemacht.

    Wenig er ein Schw ärm- und Feuergeist , a ls ein ruhige r Betrac hter

    und Nachb i ldner t r i tt uns in B r u n o W i l l e en tgegen . Se ine neue

    lyrische Sammlung „Einsiedelkunst" is t , während ich diesschreibe, noch|

    Bruno Wille i

    „ E i n s i e d l e r u . G e n o s s e . '

    nicht erschienen, ich kenne einiges daraus,

    das mich mi t gros ser Hoffnung für sie er

    füllt. Hi er abe r will ich mich an sein

    E i n s i e d l e r u n d G e n o s s e " halten. — W illerstes Büchlein

    hat ,eincn*Fehfcr begangen : er hat seiher Samm lung den Unterti tel ge

    geben : „Soz ia le Ged ich te" .

      „

      Natürlich ist die l i terarische Kritik mit

    pflichtgemässcr Prom pthe it auf das W ort hereingefallen und h at .

    „sozialist ische Ged ichte" draus gem acht Wenig stens fand ich Wille

    .nun schon in m ehreren li teraturgeschichtlichen Essays in die Reihe

    der „soz ia l is t ischen Dich te r" , Schu l te r an Schu l te r mi t Ho n e k e l l ,

    M a c k a y und andern P rogramm poeten (e in Ausdruck mi t dem ich

    na tü rl ich Hcncke l l und Mackay n ich t e r s c h ö p f e n wi l l ) ve rwiesen .

    Und da er lange Zeit sozia listischer Ag itato r war, sc hien ja auch nichts

    näher zu l iegen. So oft ich abe r „Eins. u . Ge n." schon zur Hand

    na hm : von Tendenz, von polit ischer Fä rbun g hab ' ich auch nie das

    mindeste drin bem erk t Es ist doch, ein andere s, heisse Sehnsucht

    nach Erlösun g, nach Na tur, nach Sonne und Glück, im Gddichte a us

    prägen, oder ein proletarisches Manifest in schwun gvolle Reime fassen

    Sollte man nicht gerade anerkennen, und doppelt darauf hindeuten: hier

    , e in Agita to r, de r se ine Dich tung_vor jener Kl ippe b e w a h r t ha t ? Und'

    wenn niätTnun g ar von de r ganz gleichen Seite her, d ie einst so viel

    • P

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    D er E i g er tc

    81

    f .ärm von der „ Pf l icht" des modern en Lyrikers schlug, „soziale" und

    Grofcs t adt -Mot ivc zu behandeln , d e n Lyr ike r gerade, der d iese Pro

    bl em e mit am al lerbes ten bew äl t igte, darum als „sozialis tischen D ich ter '

    beisei te geschoben s ieht , so geht das schon s tark ins Komische hin

    übe r — Ich darf es wohl , sagen , ohne deshalb voreingenommen zu

    scheinen: über die Mlfsachtang- des Lyrikers Wil le hab' ich mich of t

    rech tem pö rt Er is t unbedingt eines der s tärks ten Talente, — eines der

    s e l b s t ä n d i g s t e n v o r a ll em , u n te r d e r g es am t en l yr is ch e n G e n e-

    ,rat ion von heute : und niemand weifs von ihm Ich ärgere mich

    nam entlich, weil es ein Licht auf das Kun stverständnis unsre r lite

    rarischen Kreise im allgem einen wirft, und auf ihre Stum pthcit, wo

    einmal Rcnomm age und Reklam e mang eln — Zur „Pop ular i tät" ist

    Wille ja* nu r sehr be ding t geeig net;, d. h. eigentlich nur durch seine

    St of fe . Es fehlt ihm dafür die Einfachheit des Volk sliedes, fehlt

    ihm aber auch anderersei ts die Rh etor ik, und fehl t ihm der glatte

    Fluss der Stroph en. Man "muss in ihn eindr ingen. Abe r umsom ehr

    sollte man auf die Achtu ng von literarische n Ke nnern für ihn hoffen

    dürfen . Die abe r finden mit ihr er schwach en Brus t nichts heraus, als

    dafs seine Spra che r inge und keuch e — und werfen, wenn's hoch

    kom mt, dem „volksfreundlich

  • 8/9/2019 Der Eigene : 1897-09-10

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    • • •

    8

    Der E igene .

    d a n n e rs t d iese r Vors te l lung wieder d ie ih r innc l iegenden Wcl t -

    getühle zu entnehmen . Da nun diese doppelte Anforderung zu schwer

    ist, können wi r von eine r landschaftlichen Schi lderu ng nu r vollen

    Genufs habeni wenn die der Natu r latent inncliegenden Gleichnis M o

    mente schon irgendwie darinnen ausgesprochen sind, d. h . wenn ent

    weder die Natur selber symbolisch verlebendigt wird, oder aber ihre

    Schi lderu ng nu r als Kulisse fUr einen menschlichen Scclcnzustnnd,

    eine, menschliche . Han dlung dient. In Willes „ Herb stabend ' ' wäre

    jede der vier Strophen es durchaus wert , e inem Gedichte eingereiht

    zuse in, seinen landschaftl ichen H intergrun d zu bilden, — aber für sich

    a l le in e in Ged ich t : dazu en thal ten s ie zu w e n i g - v i e l Dafi ir feh l t

    ihnen d er inten sive Gipfelp unkt, und überl astet sie eine Kette von

    gleichwertigen Einze lbilder n, die die Phantasie nur mit Muhe zu.

    sam me nhä lt '-. '. _ '•

    Indessen es geschä he W ille sehr Unrecht, wollte ich ihn schlecht

    weg mit dem Objek te dieser Kriti k identifizieren ' . W ieges agt: nur

    die Gefahr möchte ich andeuten, die für sein Malerauge vorhanden

    ist , gelegentlich die Grenzen zwischen Poesie und Malerei zu ve r

    gessen —:•  und sie vergessen sich namentlich dan n leicht, wenn man

    sich zu lange einsiedlerisch auf Naturbe obachtun g konzentriert , anstatt

    sie nur zur beweglichen.Folie seiner That und Stimmung zu wählen.

    Sonst im Gegen teil — ich finde die eben von mir geforderte Ver-

    . deutlichung des Xaturgleichnisses gerade in Wille 'sehe n Gedichten

    meisterhaft vollbracht — man lese nur das lebensvolle , s inntiefe

    Gedich t „Natu rverschwis te rung" od er auch : , „Reue" , „B erg" , „S t rom

    der Wahrhe i t" , „D er To te" , „Der T räumer" , „ Ich b le ibe" , — übe r

    haupt schier die ganze Poesieenk ette des „Einsied lers". Im zweiten

    Teil („D er Genos se") abe r, die in diesem und jedem Betreff gross

    artige „Wolkenstadt", das fast noch bedeutendere „Gefallen", den

    .Aufru hr", „Son nentod", „Im Feuerne st des He rdes " (wieder mit einer

    Stelle von packe nder M alerei) , die „Versammlung* und noch eine

    Reihe ande rer Gedic hte. — Als ein kleines aber kennzeichnendes

    Beispiel für die Bes eelu ng, die Wille jedem Gegenstande angedeihen

    lässt, den er in den Kreis seiner Dichtung zieht, mag noch die fol

    gende Stelle aus seiner derb-realistischen „Vogelscheu che* zit iert sein ;

    — ein halbverh unge rter Vagabund sucht , vom Gutshof mit Hunden

    fortgehetzt , den Tod:

    • • - • . . -  i

    ' Am W eg e in g re ise r Pappe lbaüm .

    Mit niedrigem Geäst,

    Der hilf t dem Strolch zu sich herauf

      #

    Und hält die Schlinge fest:

    „Hine in .den Hals du Menschenk ind

    Ich will dich treulich henken.

    , ', Spring- ab I Nun m ag de r tolle W ind

    Die zuckende Le iche schwenken* . —

    Dem wievielten Dichte r es wohl eingefallen wä re, auch diese

    stumme Mithilfe des Baums noch zu beseelen und eine Handlu ng des

    grotesken Mitleids aus iflr hcrauszugestalten ?

      •

     —

    ..•-• i •

    De r K reis Wi lle 'sc hcr. M o t i v e is t ein durchaus begrenzter —

    und er würd e ihn wohl nicht mit vielem. Glück erweitern. Ab er e r

    hat in ihren Rahm en, zweifellos eine ganz erstaun liche Fül le von

    Tiefe und Kraft gegös sen, und' ist dabei namentlich nie einen Schr itt

    von seiner Ar t gew iche n —'. Was ihm vielleicht am.ergreifendste n

    gelingt, das sind trübe, regnerische H crbstszeneriecn, schwere, wühlende

    oder versonnene Stimm ungen. So im Gedichte „ Eins t":

    Wie l iegt die Welt in Regenfloren

    So leichenhaft ver lore n:.

    « "~ D er Him mel grau und greise ;

    Die Erde runzlig greise

    Und beide weinen leise.

    Oder in dem besonders fein gewobenen Lied „Reue*:

    nachblickt, —

    Sonnenblume"

    oder auch am Abend, w ie in dem Ged icht „Die

    Dürres Sch i l f

    Zittert und flüstert : .

    Ich höre Dich weinen

    Und schluchzen — wie einst .

    Indessen finden wi r "auch lichtv oller e B ilder, oft von seltener

    Glut und Andacht, besonders wo er den glänzenden Wolken im Blauen

    Dort hinter vergilbtem Kartoffelkraut

    Und b londem S toppe lhaar

    Erglänzt der Himmel so goldig zart ,

    /Wie Gesang so wunderklar. —

    Das Motiv aber, das am häufigsten bei Wille wiederkehrt und für

    das er imm er neue Gleichnisform en findet, ist der tiefgreifende G egen

    satz von seliger freier Sonnennatur und menschlichem Elend; —jenem

    Geknechtetsein

     

    in dumpfen Mauern, in öden ITäusersärgen und qual

    vollem, ausdörrendem Arbcitsfrohn, das sich einem selbst als Prole

    tarier in die Has t der, Grofsstadt hineingeworfenen fi ihlsamen Be

    obachter .wahrhaftig wie ein Alp aufs Herz legen mu ss „Die Wölkcn-

    stadt", „Geschieden", „Liebch en Gold ", „Au fruhr ' , „Die komm ende

    Sonne", „V ersamm lung" und eben wiede r jene „V ogelscheuche" sind

    packende Zeugnisse dafür.

    — N e hm t m ic h m i t • - . . * ' • • '

    \ .-., .. Rei sst mich au s •

      :

    Fort aus steinerner Wüste, ,

     

    Aus dumpfigen K erkerm auern ^—

    fleht sogar der Baum im „Aufruhr", die durch die Höhe wirbelnden

    Lüf'e an. —

    Reinen Hum or „enthält — aufser dem sehr bit teren Hum or der

    . .Vogelscheuche* — nur ein einziges von allen Gedichten: das

    „lil iputanische FrUhli 'ngsfest" , das man schon aus diesem Gr unde sehr

    ger ne dazwischen, findet. — Die L iebe zum W eib findet sich im Ganzen

    nur mit einer geringe n Zahl von Versen bedacht, aber sie sind so

    eigenartig, wie alle andr e Poesie Wil le 's — auch hier nirgends ein

    abgeleierter Trott , oder ein Wo rt der Ph ras e Von klassischem

    Wert dUnkt mich d ie S te l le^

    O warum •

    Kann Liebe nicht leben

    Wi e auf dbr Flu r ein Vogelp aar? -.

    vDie treue Flur

    Giebt Halm e zum Nest und K örnchen .

    Doch zwei Menschenherzen

    In steinerner Siadt

    Brauchen Stube und Kleider und Brot;

    Un d die Stadt ist so graus am hart . . . . -

    Weinend es Lieb , ,

    Geh von deinem armen Schatz,

    Der dich nicht kleiden und speisen kann;

    Weinendes L ieb , fah r wohl —

    •* : V

    An einem fehlts manchem Gedicht der zweiten Periode noch sehr:

    an innerer Geschlossenheit , und auch an Melodie. Melodie, nicht im

    Leierkasten »inne  natürlich, ü berhau pt hier nicht im Sinne des Gesang

    lichen oder auch nur des Graziösen, sondern inr Sinne diesmal von

    etwas Uns agbarem , im Sinne jene s Schmelzes, der aus dem h armo

    nischen Traum arbeiten der Seele dhneweiters entspiingt, dagegen dem

    E r d a c h t e n m a n g e l t ; W i l le h at i h n o ft g e nu g , um i hn a n de re "

    male, wo er fehlt, vermissen zu lasse n Ebenso sehr-aber mangelts

    öfters an d er einheitl ichen Ru ndu ng fles Ba ues ; einzelne Teile wirken

    gedehn t , ja ve rsch lepp t , auch i st n icht j e d e s m a l e in vo l lwer tige r

    Schlu fs ge funden , häufig sodann verminder t de r Mange l an e p i s c h e m

    Können d ie S p a n n u n g im B i lde rwechse l , de r r .un ka le idoskop isch

    erschein t, ode r läfst sie in Man ier ums chlage n. — Wo a ber dafür '

    d r a m a t i s c h e G ri ff e e in s et ze n , w i r d e in u m s o v o ll e re r A k k o rd

    erreicht. Dieser is t nie gerade sehr reich an Tönen, aber echt und

    elementar. Das verhilf t den Gedichten „Gefallen", „Die Vogelscheuche",

    „ Ich w i l l " und noch v ielen andern m i t ' zu ih re r Wirk ung und heb t

    sie übe r die b 1  o s in der Malerei oder Stimm ung bedeutsamen hinaus,

    — d»nn sie geben Handlungen, geben eine innere Steigerung, einen

    sich en twickelnden Wechsel der Zustände, also ' erhöhten Reichtum. '

    Nur eine so intensive Gleich nissteigerun g wie bei der „W olken stadt"

    oder auch dem w ohlgelungenen „Im Angesicht des Berg es" (die zwar

    ebenfalls nicht ganz ohne dramatische Vorwärtsbew egung sind ) kann

  • 8/9/2019 Der Eigene : 1897-09-10

    15/20

    Der E igene .

    i-,ii

    8

    wied er ejamit kon kurr ieren . Da indes „Gefa l len" diese grofse-

    Symbol ik a u c h bes i t z t und m i t i hr , sowie m i t der g lückli chen

    Geschlossenhei t, m i t den maler ischen und Form-R eizen jener beiden

    Gedichte noch ein Plu s an Han dlun g verbindet , nehm e ich doch keinen

    Anstand, es übe r s ie zu s tel len, und es damit überh aupt fürs . wer t -

    , . vol ls te Stück der Samm lung zu erklä ren.

    '; i.

    v

      >  / .Z ug le i c h übr igens s ind d i e eben genannten" Pocs i een d i e zur

    : R e z i t a t i o n g e e ig n e ts te n u n d m a n w i r d m i t F r e u d e f in de n,

      '•

      wie sehr

    m a n m i t W i l l e ' s L y r i k g e r a d e b e im k ü n s tl e ri sc h e n V o r t r a g d i e

    ' ' • Hö rer packen kan n • . . .'

      v

    • • • •  • , . . , . • • . • * - • : - - _ , . • • • . _ • ' .

    ' - E i n s wäre s ehr zu wünsche n: dafs d i e Auss t a ttung des Büchle ins ,

    e

    ' dem aus echt p roletar ischem Gefühl seinerzei t nur auf die Bi l l ig

    kei t gesehen wurde, -und das denn auch aus echt proletar ischem Ge-

    ~;

      ;

      : . fühl l iegen bl ieb ) ' bald eine geschm ackvol lere w erden könnte. Be -

    ; ', '•;.- sond ers wä re u. a. ein kle ine rer Dru ck zu ' emp fehlen. .— V ielleicht

    v_ dafs wir später einmal die neue Sam mlun g mit der al ten vereint in

    J

    v e i ne r d r ei te i li g en A u s w a h l d e s B e s t e n b e g r ü fs e n d ü r fe n : i ch b i n-

    _-'. . . ' i m me r für S t r e n g e in. der Sichtu ng von Poesieen und glau be auch,

    - 'd af s" eine .solche dem l i terar ischen Urtei l geg enüb er nur Vorteilhaft

    '- .' ;". wirk en ka nn — •• '•' . - '-•• - •"

    G u s t a v R e n n e r i st e in Dichter , i n des sen Pocs i een s ich d ie

    Spu ren' von einem langen, b i t teren Kampf ums Leb en und um s Glück

    des Leb ens f inden; ein Dich ter von sympathischem Trotz des Charakters ,

    von leidenschaf t l ichem Temperament und

    von - kühnem-, kraftvollem Schw ung der"

    Gedan ken. Seine Bi ld er s ind eigenar t ig

    verraten eine lebhaf te und farbenreiche P hantas ie. Die

    Guatae Renner :

    „ G e d i c h t e . "

    6 —

    neu, und

    p o e t i s c h e D u r c h b i l d u n g un d B e s e e l u n g .se in er M ate rie frei

    lich läfst, zum al ini letzten Teil seiner Ged ichte „Au s Zeit und Stre it",

    zu wünschen übr ig. Beredt is t er" immer, doch gew öhnl ich von

    -

     etwas zu nack ter Bcre dtsam kei t — Was m ich, aufser einigen Bi ldchen

    der ers ten Abtei lung , am meis ten fessel t, s ind die „Gedan ken und

    St immungen; Bruchs tücke zu e inem Drama" : i deenmächt ige St rophen

    vol l feins inniger ur i3 dann wieder keck-aufgew ühlter Bi lde r und von

    einer pulsen den, ^pochenden Kraf t vorw ärtsbewegt , die mich überhaupt

    imme r wied er m eine Freude am persönl ich so s t i llen Ren ner haben

    lä fs t — . . . .

    • • • ; • •   . * - • • * - • - - • - . - •

    '/~'

    :

    ,  An so was wie Katzen.Sammetpfotcn dagege n er inner t mich

    R i c h a r d S c h a u k a i . E r g e h ö r t zu d e n m ü d e n S e e le n v o m f ir i d e

    s iecle, ohne jedes Rot der Gesundhe i t , — dafür die Wan gen vol l

    Schm inke un d Pu de r und mit einem schmachtende n, wel tschmerzl ichen

    Teint überha ucht . So schleicht er s ich

    aus der ar t igen C ausier-Eckc in den Mond

    schein hinaus , u n d w andel t dor t unter

    samtenen Nachtviolcn hin, mit zerr issenem, unbefr iedigtem Herzen,

    schiel t ab er auch manchmal mit wol lüs t igem Grau en . in die Tiefe

    •- seiner W unde n niede r , und, -wer weifs , f reut s ich gar heimlich über

    - s ie. . — Ab er ein Dic hter is t er dabei — da is t nichts dran zu mäkeln

    - Er trifft in seine r geistvollen Sc lbstiro nic und seine r schlaffen Sehn -

    «'sucht biswe i len ergreifende, sel ten ge hör te Tön e, — und sicher l ich

    w a r er -auch der Berufens ten e iner , d i e uns den Franzosen V e r l a in e

    übersetzen durf ten; — dessen „Pro me nad e sent imen tale" , dann auch,

    „N ach t igal l" und „ Fcm me et cha t te" bei Schauk ai , s ind geradezu

    Meis te rs tücke der lyr ischen TJeber t ragung m it ganz überraschende n

    Stel len. Zwe i Kongeniale haben s ich hier offenbar zusammeng e

    funden

    Richard Schaukai :

    „ V e r s e . "

    \ J

    Auch bei besche idener Ins t rumentat ion aus bescheidenem Sä nger-

    6 I mund kl ingt es manch mal so wunde rbar

    Georg l-»"fli  \

      M d

      ;

      t i f

      Eleg ie, dafs wir ge-

    „ H l p e n l u f t . " I " '

      h

    (2 | ban nt lauschen müssen, wie aufs Schluchzen

    von Nacht igal len-Chören:

    G

    . Jon.  Schlaf:

    . F r ü h l i n g .

    Ich bin ein Schmetter l ing der Nacht ;

    Die Blumen, die mir blühen,  •.. '• ' ' .»"\%

    • . Am Himm el dor t erglühen

    In ewig gleicher , s t i l ler Pra cht . ' • .  ,

    Ihr Tagesfalter heb t die Brust * - .

    In taumelndem Vergnügen,

    Und schlürft in vollen Zügen

    Aus jeder Blume leichte Lu st •—

    Nicht neid' ich euch, was hier euch lacht ;

    Kann ich die scl 'gcn Auen ."  '•/[

    Auc h nur von ferne schauen, '

    Ich bin ein Schmetter l ing der Nacht .

    W er diese Strophen l ies t , hat s icher schon den Dichter l iebge

    w o n n e n E s i st G e o r g L a n g i n S a c h s en h a u se n ; s e i n ' B ü ch le in

    (

    ,Alpenluf t" , (bei Jügcl in Frankfur t ver legt) bi ldet ein recht f reund

    l iches Geschenkchen, das auch sonst noch mit man cher Per le durch

    stickt ist. . • • ." .. "• ' '• - - .-. ' •

    - * ' " - ' - • ' 4 /

    Und nun  Sch l a f — J o h a n n e s S c h l a f m it s ei ne m w und er-V

    baren „F rüh l ing " Ich las das Buch zum ers tenmal an einem s trahlen

    den Septembertag, jmd an so einem mufs mans auch lesen — ein

  • 8/9/2019 Der Eigene : 1897-09-10

    16/20

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    v^

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      Liegesesse l .* )

    v : : ' \ . \ »-; *.. - .. ._',' . . •'*.... (Forts etzung ' von S. 79 die se r Numm er ).

    . .Ä

    , :. vEih eJ der genialsten Th aten Fr. Th . Vischers is t,

    wie selbst ,d er ihm in so Vielem ab ge ne igt e 'T h. Zieglef

    anerkenn t , seine Ab han dlun g über das Sym bol Es" ist

    sel tsam, däss derselbe Vischer im Tagebuch des „Auch.

    Einer", . in nächste Näh e des rat ionalist ischen Freid enk er- '

    tums kom mt "un d g leich diesem verk ennt , .dass nicht in.

    der abstrakten Entbildl ich ung d ie Aufklärung zu bestehen

    hat .-sondern vielmehr, in d er imm er reiferen H ervorbildun g

    der Gleichnisse, im Symb olprozefs selberr W ir werden

    eben nie ganz jensei ts a l ler Darstel lungsmilieus gelangen

    :

      ~ - , v ^ ' y - - ^ • r - ~ - - ' v - ' 2 6 . : •.•'•,;_•* • '•; • - V . . • ; : ' .

    Da s erfolglose, a i l i den Sport beschränkte Auftreten;

    des .

      offiziel len F reiden kertu ms l iegt in seinem abs tra-

    hirenden- Kam pf gegen das Sym bol , gegen" d ie An -

    : schäuungl D ie ^ Herren Büchner , Spech t ; Rüdt .- und

    And ere verken nen den B ildw ert ; „das Bild, daran wir~ zu

    Bildnern we rde n " Friedric h Schil ter hat e inen 'wun der

    baren Griff gethan , a ls er, von Göthes Nähe gesteiger t , '

    se ine „ästhet ische Erziehung des Menschengeschlechts"

    schrieb .und  Prof Forster trifft genau'die Mittfr' ,; wenn

    er" 'ausru ft : i .Die Ku nst hat einen sozialen 'Beruf ";"-^;

    D ie Sinnlichkeit ist das arm e Asc henb röde l und die hof-

    färtigeh Sch uldo ktrine h spielen sich als die Parag rafen-

    d a m e n

    ;

      auf, a lsl die des Königssohnes al le in w ürdigen

    Bräu te Un d' .