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Der Einbruch Hannibals in Etrurien Author(s): G. Faltin Source: Hermes, 20. Bd., H. 1 (1885), pp. 71-90 Published by: Franz Steiner Verlag Stable URL: http://www.jstor.org/stable/4471946 . Accessed: 25/10/2013 16:35 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Franz Steiner Verlag is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Hermes. http://www.jstor.org This content downloaded from 150.108.161.71 on Fri, 25 Oct 2013 16:35:03 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Der Einbruch Hannibals in Etrurien

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Der Einbruch Hannibals in EtrurienAuthor(s): G. FaltinSource: Hermes, 20. Bd., H. 1 (1885), pp. 71-90Published by: Franz Steiner VerlagStable URL: http://www.jstor.org/stable/4471946 .

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DER EINBRUCH HANNIBALS IN ETRURIEN.

Die geringe Kenntniss der Geographie, welche die alten Ge- schichtschreiber allenthalben an den Tag legen, und ihre Nach- lassigkeit in Ortsangaben macht fast jede militirische Action, Uber die sie uns berichten, zum Gegenstande einer besonderen Streit- frage. Auch Polybios, von dem noch neuerdings geruhmt worden ist, dass seine chorographischen Schilderungen als wahre Muster gelten konnten, dass sie klar, bestimmt, auf das wesentliche ge- richtet, von einer grossen Auffassung, getragen seien'), macht lei- der keine Ausnablme, denn uber alle die grossen Ereignisse, ilber welche er in seinem hochgertihmten 3. Buche2) berichtet hat, haben sich in Beziehung auf ihre chorographische Beziehung, lebhafte Conitroversen erhoben, die auch heute noch nicht erledigt sind und mit Polybios' Aufklarungen allein auch in der That nicht gelost werden konnen. Auch der folgende Versuch, die Ereignisse im Beginn des J. 217 naher zu bestimmen, wird filr diese Behauptung einen Beweis zu liefern im Stande sein.

Wenn wir uns aus Polybios eine Antwort auf die Frage ver- schaffen wollen, in welcher Gegend Hannibal die Winterquartiere von 218-217 genommen hatte, da gerade dies zu wissen fQr die genauere Bestimmung und richtige Beurtheilung der Operationen des J. 217 von erheblicher Bedeutung ist, so ist die directe Auskunft des- selben VOD wenig befriedigender Art, wenn er uns nicht mehr mitzu- theilen fUr nothwendig halt als die Thatsache (III 77, 3): ivaeaXQe- ,t4TCwv bv j? Kekrm7, (III 87, 2): vTCat?6 Qov w( - aQaXfSIaaQ

yeyevrjtvrjg Ev To7g xaia' ra)awiav iouoig.3) Der einzige Gewinn, der sich daraus ergiebt, ist, dass wir wissen, seine Winterlager lagen nichl im Gebiet der Ligurer, ein Gewinn freilich, der nicht eben hoch anzuschlagen ist. Und Niebuhr (Vortr. II 86) durfte, ohne Zweifel

1) Nissen, Italische Landeskunde I S. 13. 2) Niebuhr, Vortrage uiber die rfirnische Geschichte II 63: 'Das dritte

Buch des Polybios ist ein Meisterwerk.' 3) C. Holier, Sitzunigsberichte der Kais. Acad. d. Wissenschaften. Hist,

Phil. KI. Wieii 1b70, S. 8.

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in Anlehnung, an Polybios ruhig sagen: 'Hannibal nahlm an beiden Ufern des Po Quartiere.' Wir haben freilich nicht nuinder Rechlt, wenin wir es fuir wahrscheinilicher ansehen, dass er suldlich des Po eine Stellung genommen babe, durch welche die nach Placentia geflilchteten Trilmmer des an der Tiebia geschlagenen Heeres von ibren naturlicheni und niachsten Verbindungen abgeschnitten wurden '), wahiend er Cremona und den Theil des Heeres, der von Placentia spiter dahinl gebracht worden war'2), der Beobachtung der befreundeten Gallier uberliess. Zu Gunsten dieser Ansicht kiinnte man immerhin die Thatsache deuten, dass Polybios nichts von Truppenbewegungen und irgendwelchen Uniternehmungen durch die Punier nach der Schlachit an der Trebia zll erzahlen niothig fand. Dass darumn gar nicits in dern Winter vorgefallen sei, lhat manl frei- lich aus dem Stillschweigen des Polybios kaumn zu schliessen, denn es liegt bekanntlich in seiner Art, dass er Nachrichten und Angaben seinet' Quellen, die ihm for seine Leser oder fur den Gang der Ereignisse unbedeutend erscheinen, absichtlich unterdruckt, obwohl es nicht wahrscheinlich ist, dass man in deni langathmigen Betrach- tungen ethisch-psychologischer Art einen Ersatz dafur oder uiber- haupt nur eine werthvolle Eigenschaft seiner Geschichtschreibung zu sehen hat. Wenni man aber aus seinem Schweigen den Schiuss zieht, dass durch die Ereignisse des Winters keine massgebende Veranderuotg in der allgemeinen Lage herbeigefahrt worden ist, so durfte sich wohl in den Berichten der ubrigen Quellenschriftsteller schwerlich eine Widerlegutig Iiierfiir finden lassen. Jedenfalls aber muss matn bedauern, dass Polybios uns wichtige und werthvolle Nachrichten voretnthalten hat, da die anderen Berichte theils auch lciekenhaft, theils wie Livius offenbar fehlerhaft, ungeordnet, uber- trieben und widerspruchsvoll sind. Vor allem ist die Darstellung des Livius, die so Uber aus reichhaltig ist, im gauzen genommen eimi Kreuz fUir deni Historiker, da es bisher noch nicht hat gelingen mIgen, die Faden des wirren Knauels auseinander zu wickeln. 3)

1) C. Neumann, Das Zeitalter der punischen Kriege, Breslau 1883, S. 330. 2) Liv. XXI 56, 9. Pol. III 75, 3 -El rag 716h6; bezieht W6lfflin zu der

angefuihrten Stelle des Livius mit Recht auf Placentia und Cremona. Appian, '14pi,0. 7.

3) Wolfflin, C6lius Antipater S. 69. Seeck, Ueber den Winter 218/7. Hermes VIII S. 155ff. Sieglin, Zur Chronologie des Winters 218/17. Rh. Mlus. XXXVIII S. 348.

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DER EINB3RUCH HANNIBALS IN ETRURIEN 73

Gleichwohl wird ja- das Urtheil Nissens (Rh. Mus. XXIII S. 566. 572) im ganzen bereehtigt sein, wenn er sagt: 'Die annalistisehe Uebeilieterung, in der dritten Dekade zeugt grossentheils von einer Gute, welche spateren Partien durchaus fehlt und liefert unter sehonender und sorgfaltig,er Behandliing eine Menge unverachtlieher Daten zur Sehilderung des denkwirdigsten Krieges, der je auf italischem Boden gefuihrt ward.' Nach diesem Grundsatz ist auch Wolfflin in seiner Ausgabe des 21. und 22. Buches ver- fahren'); auch C. Neumann (Zeitalter der pun. Kriege S. 281 ff. 317. 320. 334) ist von einer ahnlichen Ansicht geleitet, und man muss es als ein eigenthumliches Gesehick bezeichnen, dass gerade in Bezug auf die glanzendste Leistung seines Buches, die Darstel- lung des Alpentiberganges, wobei er den Bericht des Livius in sein verdientes Recht einoesetzt hat, ihm von Nissen der Vorwurf einer nicht zutreffenden Wurdigung der Quellen gemacht worden isL (It. Landesk. I S. 156 A. 3). Auch fUr die folgenden Erorte- rungen soll derselbe Gesichtspunkt bestimmend sein, dass man die Korner in dein Spreuhaufen aufzusuchen babe.

Livius (XXI 58) berichtet von einem Versuch Hannibals den Apennin zu tibersebreiten, als sich die ersten unsicheren Anzeichen des Friihjahrs bemerkbar machten. Man behandelt die Nachricht mit grosser Zurttckhaltung und hat Bedenken an ihrer Richtig- keit. Niebuir (a. a. 0. S. 86) halt die Thatsache fur moglich, doch kaum fur wahrscheinlich, weil Polybios davon sehweige. Und doch muss er selbst zugeben, dass Livius' Schilderung von der Localitat und dem Karnpfe, den Hannibal mit den Elementen zu bestehen hatte, sehr giticklich sei. Gerade dieser Umstand ist fUir Neumanni (a. a. 0. S. 321) voni grosser Wichtigkeit, doch bleibt er immerhin nocli vor der Wahl stehen, anzunehmen, dass Livius die Schilderung entweder aus demn wahrheitsgetreuen Be- richte eines gut unterrichteten Schriftstellers entnommen oder per- sonlich auf einer Reise uibei den Apennin ein solches Phanomen erlebt und seiner Erinnerung die Farben zu diesem Gemalde ent- lehnt babe. Ich glaube, es kisst sich doch noch mehr dafuir sagen. Die Schilderung des Livius ergiebt, dass nur die furchtbare Gewalt des Unwetters, nicht die Ungangbarkeit der Strasse an sich den Ver-

1) T. Livi ab urbe conditai XXI. XXII. Leipzig 1873. 1875. Seitden wiederholt.

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such Hannibals scheitern machte. So ist es wahrscheinlich, dass auch der Abstieg ihni keine besonderen Schwierigkeiten gemacht hatte, und sicherlich waren weder die Strassen damals im Arnothale un- gangbar noch die Platze, die sie deckten, wie imn Westen am Meere Pisa, noch Pistoja und Fasula erheblich besetzt, da weder aus demn Pothal von den vorjahriaen Legionen Abtheilungen hierher gelangt waren noch die neuen Rustungen vollendet sein konnten. XVenn man bedenkt, mit welchen Opfern Hannibal spater sich den Marsch nach Etrurien hat erkaufen milssen, welchen verlustvollen Gewalt- marsch mitten durch das Sumpfland er wagte 1), um die vortreff- liche Defensivstellung der Romer zu durchbrechen und ihren strate- gischen Aufmarsch zu umgehen, so kann man keinen Augenblick daruber zweifelhaft sein, einen wie ungtemeinen Vortheil Hannibal gewann, wenn er durch einen unerwartet fruhen Beginn des Feld- zugs die vorzugliche Position dem Gegner entriss, noch ehe er sie besetzt hatte. Diesen hohen Gewinn hatte er aber gezogen, ware der Sturm nicht dazwischen gekommen, und die Verluste, die er bei dem vorfrilhen Becinn des Feldzugs zu erleiden hatte, waren gewiss nicht in Betracht gekommen im Verhaltniss zu denen, die er spater wirklich erlitten hat. Dieser Umstand, ferner die Taktik Hannibals, g,erade durch einen kuhnen Unternehmungsgeist den Feind zu ver- wirren, ihm zuvorzukommen, dann aber auch die sattsamn bezeugle Thatsache, dass seine Bundesgenossen, die Gallier, sehnsucbtig dar- nach verlangten, den Krieg in Feindesland gespielt zu sehen 2), be- stimmen mich ausser jener naturwahren Schilderung der Wutli der Elemente in der angezogenen Nachricht des Livius eine wohli bezeugte Thatsache zu sehen. Der Misserfol, des Versuches war fiUr Polybios hinreichend, uber ihn selbst hinwegzugehen.

Livius berichtet alsdann von der Rflckkehr Hannibals gegen Placentia und von einem Kampfe mit Sempronius, der anfangs fUr die Punier einen ungtinstigen Verlauf genommen, schliesslich

1) Polyb. III 79, 8-12. Liv. XXI 2. 3,1. 2) Polyb. III 78, 5. Liv. XXII 1, 1-2. Wenn es in der 7. Auflage der

commentirten Ausgabe des 21. Buches von Weissenborn-Muller zu 59, 2 heisst: 'Ist die Annahme richtig, dass wir es hier mit annalistischen Erfindungen zu thun haben, so fallt damit auch der an sich so unwahrscheinliche doppelte Versuch, den Apennin zu tiberschreiten', so beinerke ich dagegen, dass ich nur von e i n e rn Versuche und dem spater ausgeffi1irten Uebergange weiss. Uebrigens bezeichnet auch Nissent (Rh. Mus. XXII S. 571) deii Versuch als wahlischeinlich.

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aber umgeschlagen ware und den Rimern namentlich einen recht schmerzlichen Verlust an hOheren Offizieren gebracht hatte.') Hieran knuipft er die Nachricht, dass nach dem Kampfe sich Sempronius nach Lucca, Hannibal ins Gebiet der Ligurer') begeben babe, umn daselbst Stellung zu nehmen. Beide Nachrichten, die von der Schlacht und vom Marseb und Aufenthalt im Gebiet der Ligurer, werden von Zonaras (VIII 24) bestatigt; letzteres mit den Worten: 1E w)v AtyVUTLxv UiUV vdltQire'v. Fur den Kampf ist fieilich eine Motivirung zugeftigt, die gegen den Bericht des Li- vius verstOsst, wenn es heisst: ?; de' 'r v TveuivtiJcc fJ 'A4*vvy

ffoeevoydty 0 40yvog ?f1E%ro. Wenn wir uns nun entscheiden sollen, ob wir Livius oder Zonaras den Vorzug geben sollen, so giebt uns hierbei einen werthvollen Anhaltspunkt die Notiz des Livius (XXI 50, 10), dass Hannibal bei seiner Ankunft im Gebiet der Ligurer zwei rOtmische Quastoren, zwei Militartribunen und fUinf Manner aus dem Ritterstande, fast alle Sijhne von Senatoren, deren sich die Ligurer durch einen Handstreich bemachtigt hatten, als Bekraftigung ihres Buindnisses ubergeben worden seien. Denn wann soll es den Ligurern mnoglich gewesen sein, diesen Fang auszuftlhren? Lasst sich eine bessere Gelegenheit deaken, als wenn wir annehmen, dass Sempronius von Hannibal gedraingt und verfolgt den Apennin uberschritt? Denn sicherlich war niclit Sem- pronius der angreifende Theil, sondern der angegriffene. Und so unwahrscheinlich es ist, dass er mit der Absicht Hannibal zu schla- g,en und zu vernichten aus Placentia vorgeruickt sei, ebenso viele Wahrscheinlichkeit darf man dem Gedanken zuschreiben, dass, als Hannibal den Versuch machte den Apennin zu tiberschreiten, Sem- pronius von der Absicht der neuen Consuln unterrichtet, den Kampf nicht in der Poebene fortzusetzen, sondern eine Defensivstellung theils hinter dem Apennin, theils am Ostrand desselben zu nehmen, sobald als mijglich der Aufforderung zu entsprechen suchte, die Truppen, welche in Placentia nur eine Last fur die Colonie waren,

1) Liv. XXI 59. Sieglin a. a. 0. S. 366 hat diesen zweiten Kampf nur als eine Doubletteninachricht der Schlacht an der Trebia hinzustellen gesucht. Das ist wohl sehr unwahrscheinlich.

2) Secundumn ean pugnam Hannlibal in Ligures, Sempronius Luca7n concessit. Hierzu bemerkt Wblffiin: 'Concedere wird besonders gern von dern Beziehen der Winterquartiere oder uberhaupt einer festen Stellung gebraucht. Cf. Liv. XXI 1. XXVI 20, 6.'

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in die neue Vertheidigungslinie zu fuhren. Bedenkt 'man diese Situation, dass die Strassen frei waren, der eiserne GUrtel, mit dem Hannibal bisher die Colonie umschlossen hatte, durch seineni Auf- bruch gelhst war, dass andererseits, wie Livius (XXI 63, 1) aus- drtlcklich bericltet, Flaminius, dem die Legionen von Placentia durchs Loos zugewiesen waren, an Sempronius die Weisung ge- schickt hatte, am 15. Marz sich mit seinen Truppen im Lager von Arretium1) einzufinden, so ist es handgreiflich, dass der Consul die gebotene Gelegenheit so schnell als moglich zu benutzen suchen musste. Und ich zweifle auch nicht, dass er sie benutzt hat. Freilich wird das grausige Unwetter, welehes Hannibal zur Um- kehr zwang,, auch seinen Marsch aufgehalten haben, sodass, als das punisehe Heer auf Placentia zuruickzog, die Spitze unerwartet, wie ich glaube, mit den Romern zusainmenstiess. Es war jeden- falls fUr beide Theile ein unvermuthetes Zusammentreffen. Gleich- wohl muss es Sempronius trotz empfindlicher Verluste gelungen sein, die schutzenden Defilees zu gewinnen, ehe Hannibal ihn durch iberlegene Krafte fassen konute. Ebenso naheliegend ist die Vermuthung, dass bei dem raschen Marsch durch das Gebirge den anwohnenden Ligurern der Fang gelang, mit dem sie Hannibal erfreuten. Wenn man ferner von einer Notiz des Livius (XXI 63, 15) Gebrauch machen darf, die freilich in einer hochst fragwilrdigen Umgebung auftritt, namlich der von einemn Uebergang eines romi- schen Heeres uber den Apennin auf Pfaden, so konute man auch auf den Pass einen Schluss machen, den Sempronius gewahlt hat. Man d(irfte danin an den Pass denken, der von Reggio auf Carrara lauft, der weit beschwerlicher ist als der bequeme Weg voni Pontre- moli. 2) Freilich galt es einen angestrengten Marseb, um Lucca zu erreichen, wo jede Gefahr fur das abziehende Heer voruber war. Der Marsch gelang, und Hannibal seinerseits blieb einige Zeit bei den Ligurern.3) Denn jetzt noch einmal vor Placentia znt ziehen war zwecklos. Der Vogel, den er fangen wollte, war ausgeflogen. Auch war jetzt der Ueberganig iuber den Pass von Pontremoli (La Cisa), den Hannibal ohne Zweifel bei seinem Versuche benutzt hatte, da

1) Livius hat Ariminum; es wird wohl sein eigener Schreibfehler sein. 2) Nissen Rh. Mus. XXII S. 567. Italische Landeskunde I S. 231. 3) Dass man hieraus den Schluss ziehen m ui s se, Hannibal sei uber den

Apennin gegangen, wird wohl auch Sieglin a. a. 0. S. 365/6 nicht haben be- haupten wolleni.

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nun Lucca besetzt war, schwierig und musste bis auf weiteres unter- bleiben. Freilich scheint Sempronius seine Truppen, als Flaminius den Aufmarsch in Arretium vollendet hatte, dem Consul zugefilhrt zu haben, so dass die Strasse wieder frei wurde (Liv. XXI 63, 10). Nach diesem Zusammenhang haben wir uns Hannibal im Gebiet der Ligurer, am Nordabhang des Apennin in der Nahe des Zu- gangs zu den Passen von La Cisa und Sassalbo, zu denken, so- dass Livius zur Erganzung der Angabe des Polybios, dass Hannibal im Gebiet der Gallier uberwintert habe, eine werthvolle Notiz liefert. Es lasst sich nun denken, dass die Gallier nach dem Aufschub des Apenninilberganges, als Hannibal wieder in die Ebene herabstieg, recht schwierig wurden' und den Krieg im eigenen Lande zu fUrchten begannen, bei dem es nur wenige Vortheile fir sie geben konnte, dagegen grosse Verluste zu furchten waren. Denn in ibrem Lande erscheint er wieder, als er den Uebergang des Apennin zum zweiten Mal und den Einbruch in Etrurien plant. Das wird wohl in der Zeit gewesen sein, als Sempronius mit seinen Legionen Lucca verlassen, um sich zu Flaminius zu begeben.1)

Ist nun der Ausgangspunkt des punischen Marsches, etwa die Gegend von Parma, mit einiger Sicherheit festgestellt, so handelt es sich nun um die Bestimmung des Zieles. Steht dies fest, dann wird die Richtung des Marsches, der Pass und die Strasse durch die Sulrnpfe, wohl mit einiger Wahrscheinlichkeit sich ausfindig machen lassen.

Als Motiv fir den Aufbruch Hannibals giebt Livius (XXII 2, 1) neben anderem das Eintreffen der Nachricht, dass Flaminius bereits nach Arretium gelangt sei. Auch aus Polybios (III 78, 6) ist zu schliessen, dass Hannibal, ehe er sich in Marsch setzte, von der Aufstellung, des Consuls Kenntniss erhalten hatte; denn er wahlt nach den sorgfaltigsten Erkundigungen bei den Leuten, deren Orts- kenntniss besonders berufen war, seinen Weg gerade mit RUcksicht,

1) Dass Servilius die Truppen Scipios, der nach Livius (XXI 56, 9) in Cremona uiberwinterte, iibernommen hat, sagt Appian (4Avt#f. 8) ausdrdcklich, allerdings im Gegensatz zu Livius (XXI 63, 10). Es kann wohl sein, dass dieser Theil sich auf dem Po, wie Niebuhr (a. a. 0. II 86) fur das ganze Heer angenommen hat, zuruickgezogen und seinen Bestimmungsort Ariminum er- reicht hat. - Dass die Quartiere, aus denen Hannibal nach Etrurien aufge- brochen ist, um Parma herum gewesen sind, hat auch C. Neumann (a. a. 0. S. 330) ausgesproclhen.

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darauf, dass er Flaminius unerwartet erseheinen konnte. Der Weg selbst fflhrte durch ein Sumpfgebiet, dessen miuhevolles Durchwaten das punische Heer vier Tage und drei Nachte in Anspruch nahm. Unmittelbar an den SImpfen, sobald es trockenen Grund fand, schlug, es das Lager auf.

Wo lagen diese Sumpfe? Bei Strabo (V 2 p. 217) steht die Notiz, dass grosse Strecken zwischen Po und Apennin versumpft gewesen seien, durch sie habe Hannibal mit Mihe seimen Weg ge- nommen, als er gegen Etrurien vorrilckte. Aus demselben Strabo ist zu schliessen, dass diese von Scaurus 645/109 ausgetrockineten Sumpfstrecken zwischen Parma und dem Po gelegen haben miissen. Nach den bisherigen Er6rterungen uber- das Standquartier Han- nibals, von dem aus er seinen Marsch begann, werden wir ohne Zweifel mit Niebuhr (a. a. 0. S. 88), Nissen (Rhein. Mus. XXII S. 572 A. 18), Neumann (a. a. 0. S. 330 die Ansicht Strabos einfach als einen Irrthum bei Seite lassen. So lange die Heere in diesem Gebiet operirten, hbren wir audb nicht ein Wort, dass diese Sumpfe irgendwelche Schwierigkeiten gemacht haben. Nun plotz- lich beim Marsch nach Etrurien soll das Gelingen des Unter- nehmens davon abhangen, dass Hannibal durch die Posiimpfe zieht. Ein Blick auf die Karte lehrt, die Ultdenkbarkeit einer solchen Vor- stellung. Gleichwohl hat es dem Irrthum Strabos nicht an Ver- theidigern gefehlt'), und noch in jingster Zeit ist Sieglin (Rh. Mus. XXXIX S. 162), der eine gewisse Neigung ftir absonderliche Ein- falle zu haben scheint, fUir seine Angabe in die Schranken getreten, freilich nicht ohne eigene Irrthumer hinzuzufilgen.

Bekanntlich ist auch in diesem Falle das Zeugniss des Livius (XXII 2, 2) am klarsten, dass wir die Sumpfe am Arno zu suchen haben. Aber Sieglin irrt arg, wenn er den Livius fur den einzigen Gewahrsmann dieser Ansicht halt und meint, dass die Worte des Polybios (78, 6 > cv dic' Tl'v ?Iov et' w'v TvQe?vicav pe4ovaav -Fu,Bo) v) darauf hinweisen, er denke sich die Sumpfe ausserhalb Etruriens. Er hbtte sich vor diesem Irrthum bewahrt, wenn er sich an die Stelle des Polybios erinnert hatte, in welcher dieser die Sitze der Ligurer beschreibt (II 16, 1): wo'v Ulnev,'vov

AsyvUTZvo1 xaTotxovaL Ta6t sUv ezz To TVeQejV1xoV ff'Wayog

1) Guazzesi, Diss. intorno al passagio di Annibale per le paluidi. Roma 1571. Cramer, Description of ancient Italy I 177 f.

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avcov i3 eVQaV cXcXLiveV1xV xat wiv e irt a :edta aaea &a- Xacnav pyixQt or6ewsg Hiarjg, i qeici)ri xehZt aig Tveijvitag c * 3 c TQQg i&o w vaiiac, xara de wrv peuoyatav ec(g srl eeQ - rivwv XcOeag, ubrigens eine Stelle, die ibm sehr wohl bekannt war, da er sie in seinem Aufsatz 'Zwei Doubletten im Livius' Rh. Mus. XXXVIII S. 365 A. 2 selbst angefuihrt hatte. Indess, selbst wenn er sich dieser bereits durebschlagenden Stelle nicht erinnert hatte, so ware doch eine etwas sorgfaltigere Lectdire der Darstellung hei Polybios im Stande gewesen, Sieglin vor diesem Irrthume zu bewahren. Denn Polybios1) erzahlt mit aller wiinschenswerthen Klarheit, dass, als Hannibal wider Erwarten das Sumpfgebiet durch- zogen und unmittelbar an den Siimpfen das Lager aufgeschlagen hatte, er sich in Etrurien befunden und Flaminius vor Arretium im Lager gefunden habe. So ist also allein schon durch das Ver- haltniss der Quellen die Frage entschieden, wo die Suimpfe zu suchen sind. Die weitere Erirterung wird auch noch sachliche Grunde daftir liefern.

Von der Ausdehnung des Sumpfgebietes haben Niebuhr2), Nissen3) und Neumann4) so vortreffliche Beschreibungen geliefert, dass daruber kein Zweifel bestehen kann. Ich setze aus Nissens Landeskunde (S. 232) die durch Kdrze und Pracision ausgezeichnete Schilderung der Landschaft her: 'Der Arno verhalt sich zum Apen- nin wie der Laufgraben zum Wall. Der zwischen beiden gelegene Landstrich zerfallt in drei weite Thalbecken, welche durch parallele Bergrticken abgegrenzt sind. Die Pisaner Berge (915 m) scheiden die Kutste vom Thal der Pescia, der M. Albano (575 m) das Thal der Pescia von dem des Ombrone, die Berge des Mugello mit dem 979 m hohen M. Giovi das Thal des Ombrone von dem der Sieve'. Da Pisa im Alterthum nah an der See lag, das Sievethal den Raumbedingungen, die durch den Marsch gegeben sind, nicht ent-

1) 111 80, 1: dJanEeda' a di gaeajo6W roV,; cidEt; r6onov; xai xara- Xcqa?uY E' TvQQ,7vtV toY (IPhAoulvo qrero07rEdvOVTa 7EQo ?i; T6P W 4eej- tivcow ntSAuO , TOTE EY at'roi neo g TOlSFE6crt xaTEarearodE'VE fOVAO- (EYOS T^V TE dVYaptlU a41aCAtXEI Xa' nOAV7lQaypffOqat Ta ne 7EQ OVS VTE-

vavTiovS Xal TO?; 7lOXEqYOvg rJv IOv. Vgl. F. Voigt, Die Schlacht am Trasumenus (Philolog. Wochenschrift 1883 S. 1582). Was Sieglin etwa sonst noch zur Stutze seiner Ansicht beibringt, kann ich ohne Nachtheil fur die Sache ubergehen.

2) Vortrige II 88 ff. Alte bLnder- und Volkerkunde S. 537. 3) lRh. Mus. XXII S. 570. 4) Zeitalter d. pun. Kriege S. 331.

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spricht, so kann es sich nur um das Thalgebiet der Pescia und des Ombrone gelbandelt haben. An dieses denkt Nissen (Rhein. Mus. XXII 573f.), an jenes mit frilheren Forschern Neumann.') Um die Entscheidung hiertiber zu treffen, ist es nothig festzu- stellen, in welcher Richtung Hannibal in Etrurien selbst operirte. Denn uber den Punkt, an dem Hannibal das linke Ufer des Arno erreichte, lauten die Angaben der Gewahrsmanner nicht genotgend klar und bestimmt. Sowohl Polybios als Livius heben die Bezie- hung zur Stellung des rrmischen Heeres bei Arretium hervor. Wenn Polybios (III 84, 1) hierfur den Ausdruck hat: zxaaudaj%)v

eV TvQQ?p'tla TO6v Ottay,vtov uiQcaomedevOvTa riQo d Sg TCJV

'QeQrrItivwV moUmw, so kann dadurch der Schein erweckt werden, als ob Hannibal in seine unmittelbare Nahe gekommen sei. Oline Zweifel ist dies Verhaltniss sorgfaltiger von Livius (XXII 3, 1) aus- gedrtckt, indem er sagt: 'Durch vorausgeschickte Spaher hatte sich Hannibal versichert, dass sich das rtimische Heer vor den Mauern von Arretium befinde'. Denn ware Flaminius wirklich nahe ge- wesen, was sich aus Polybios' Worten wohl entnehmen lisst, so hatte er die Anwesenheit der Punier erfahren miissen, und wenn er sie erfabren, so ware es unbegreiflich, wenn er niclit alsbald auf den erschopften Feind einen kraftigen Anlauf versucht hatte, um ihn wieder in die Sumpfe zurtilckzutreiben. Statt dessen horen wir von Polybios und Livius uibereinstimmend, dass Hannibal mit einer gewissen Gemachlichkeit seine Erkundigungen einzog und seinen Plan vorbereitete, ohne dass Flaminius eine Ahnung hatte, dass der Feind bereits in das Land eingebrochen sei, welches er selbst schiltzen sollte. Den Plan aber, den Haninibal nun fasste, bezeichnen beide Schriftsteller richtig: er wollte moglichlst bald mit Flaminius schlagen, d. h. mit ihin allein schlagen. Dadurel, dass er die Defensiv- stellung des Feindes durchbrochen hatte, war der Feldzuog strategisch gewonnen. Es handelte sich fur ihn jetzt noch darum, den takti-

1) Zeitalter d. pun. Kriege S. 332. Auch Mommsen R. G. I6 S. 592 hat die Suimpfe zwisclien Serchio und Arno als das Gebiet bezeichnet, durch welches Hannibal gezogen ist. Dies ist auch schon Mannerts Meinung ge- wesen, Geogr. d. Griechen u. Romer 1 9 S. 398, doch auch er lasst hierauf Hannibal am Arno aufwarts direct auf Fasula ziehen. Das ware ein seltsamer Marsch gewesen, durch den Hannibal leichtsinniger Weise die eben errungenen Vortheile in Frage gestellt hatte, da auf diesem Wege ein Durchschneiden der Ruckzugslinie der Westarmee sehr zweifelhaft war.

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schen Erfolg hinzuzufilgen, indem er dulich Vernichtung des West- heeres sich vollig freie Hand fuir seine Operation en in Italien schaffte, sowie er durch die Schlacht an der Trebia sich zum Herren des Keltenlandes gemachlt hatte. Es gendgte schon, wenn ein Heer vernichtet wurde; denn das zweite war ihm alsdanni nicht mehr ge- wachsen. So setzte sich also Hannibal, nachdem sein Heer sich erholt tiud er selbst Ober die Natur der Landschaft und Ober die Strasseni zage sich sorgfaltig unterrichtet hatte, in Marsch, nicht um den Con- sul aufzusuchen, sondern um ihn auis seiner Steliung fortzuziehen und ihn zu einer Schlacht zu verleiten unter Bedingungen, die eine Niederlage unausbleiblich machten.') Von dliesem Marsch kennen wir nun den Endpunkt mit zweifelloser Siclherheit, dagegen ist der Ausgangspunkt durchaus unsicher. Denn wenn auch Polybios anigiebt, dass Hannibal aus der Gegend um Fasula aufgebrochen sei, so ist es doch iecht zweifelhaft, ob er den Ausdruck: &7d

rcJv xarao wrjv Oatc6)iav wo,lron', wirklich. seiner Quelle entlehnt hat. Denn Livius, bei dem in der Hauptsache dieselbe Quelle zu Grunde liegt, hat den Namen Fasula juist in der entgegengesetzten Beziehung. Es heisst bei ihm: (aeva relicto hoste Faestlas pe- tens medio Etruriae agro praedatum profectus quantam maximam vastitatern potest caedibus incendiisque consuli procul ostendit. Frei- lich pflegt man in den Worten des Livius 'Faesulas petens' eine Fluchtigkeit oder einen Irrthum zu sehen oder sie als widersinnig zu bezeichnen. 2) Ich kanD mich dieser Ansicht nicht anschliessen. Der Widersinn soll darin liegen, dass Fasula mit dem mittleren Etrurien in Verbindung gesetzt wird, dass Hannibal bei dem Marsch auf Fasula durch das mittlere Etrurien gezogen sei. Dass er wirklich durch das mittlere Etrurien gezogen ist, hat an sich gar nichts Unwahlischeinliches, da er die Ebene von Cortona unid den trasimenischen See ja wirklich erreicht hat. Ich sehe darin eine werthvolle Notiz uber die Ricltung, die Hannibal vom Arno- ufer aus his nach dem See verfolg,t hat. Ein Blick auf die Karte lasst die Strasse imn Thale der Elsa, die daDn ostlich auf Siena ftihrt und bei Fojano die Strasse von Arezzo nach Chiusi kreuzt, als den Weg erkennen, der dieser Bedingung in vortrefflicher WXTeise entspricht. Allerdings an Fasula in Nordetrurien ktinnen

1) Pol. III 80. Liv. XXJI 3, 5. 2) Nissen Rl. Mlus. XXII S. 5i 7 A. 33. Hofler Sitzungsberichte S, 15.

HIermes XX. 6

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wir dabei nicht denken. Livius meint ein Fisula, das nicht weit von Cortona, etwa in der Gegend von Fojano gelegen haben muss. Auf dieselbe Gegend weist ja auch das Fasula, das Polybios (11 25, 3) im Gallierkriege (225) erwahnt und ebenso lasst sich in dieser Gegend der ager Faesulanus des Sallust1) unterbringen. Mir scheinen diese drei zusammenstimmenden Angaben stark genug, um ein zweites Fasula in der bezeichneten Gegend anzunehmen2), und die vage Angabe des Polybios uber den Ausgangspunkt des Marsches von der Umgegend Fasulas am rechten Arnoufer ist zu verwerfen, zumal sie sich aus spateren Erwagungen noch als un- haltbar erweisen wird. Auf dieselbe Lage von Fasula weist eine zweite Wendung des Livius (XXII 3, 6): die etrurischen Gefil(le, die zwischen Fasula und Arretium liegen, konnen doch wohl unmong- lich in dem engen oberen Arnothale gesucht werden, wohin sie die Beziehung auf das Fasula am reebten Arnoufer zu verlegen nothigen wurde. Niebuhr3) hat es gethan, ebenso Nissen4) und Hofler5), aber wenn die unteren Thialer so ungeheure Schwierigkeiten dem Marsche entgegenstellten, so ist doch wahrscheinlich, dass das engere Oberthal nicht so leicht passirbar gewesen ist. Und wenn man er- wagt, dass Hannibal allen Grund hatte, die Schlagfertigkeit seines Heeres zu schonen, dass ferner die engen Thaler fur seine zahl- reiche Reiterei ein schlechtes Terrain waren, wihrend er doch immerhin die MOglichkeit ins Auge fassen. musste, dass Flaminius seine Anwesenheit erfahren und ihn direct aufsuchen wflrde oder sich seiner Begegnung auf der Strasse nach Clusium hin durch das Clanisthal entziehen wuirde, beides Eventualitaten, die ihm un- erwUlnscht sein mussten; wenn man ausserdem bedenkt, dass diese engen Thaler der Bezeichnung campi kaum entsprechen: so wird man sich wohl geneigt fuihlen, diese etrurischen, ausserordentlich fruchtbaren Gefilde im Val Chiana zu suchen. Und da Flaminius von diesen Verwtistungen nichts eher merkte, als bis ihm der Feind seine eigenen Rtuckzugslinien durchkreuzt und ihm die Strasse nach

1) de Cat. coni. 43, 1. 2) Schon Mannert, Geogr. d. Griechen u. Romer I 9 S. 396 hat sich zur

Annahme eines weiter suidlich gelegenen 'Fasola' gen6thigt gesehen. Doch folgt aus Polybios II 25, 3 nicht, dass der Ort suidwestlich von Clusium ge- legen haben muisse.

3) Vortrage II S. 89. 4) Rb. Mus. XXII S. 577. 5) Sitztingsberichte S. 12.

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Rom durchschnitten hattel), so bin ich Uberzeugt, dass Hannibal nicht eher mit der Verwustung begonnen hat, als bis er diesen zweiten strategischen Vortheil sich gesichert hatte. Es ware aber gewiss wunderbar, weuin Flaminius die AnnaherUng Hannibals nicht erfahren hatte, vorausgesetzt, dass dieser von seinem Lager an den Stimpfen sich in directer Linie, wie Niebuhr, Nissen, Hofler wollen, auf die Stellung bei Arretium losaeruckt ware; wenn er etwa, wie Hojfler ausftUhrt, im Arnothal bis zur Mttndung der Ambra umd

hierauf im Ambrathal sidwairts auf die Hohen und von hier in das Chianathal sich gewandt hatte. Hatte er aber etwas hiervon erfahren, so mtissen wvir aus dem wirklichen Verhalten des Flami- nius schliessen, dass er dem Gegner nicht gestattet hatte, seine Verbindung mit Rom zu durcbschneiden, sondern eher ihm die Engen im oberen Arnothale verlegt hiitte. Jedenfalls hatte es ihm gar nicht schwer werden ki)nnen, eher als Hannibal nach Cortona zu kommen, da z. B. der Weg von Arretium nach Fojano kurzer ist als z. B. die Strasse von Montevarchi durch das Ambrathal uber S. Savino nach Fojano, und erheblich bequemer. Diesen Unwahr- scheinlicbkeilen beugt allerdings in der Hauptsache die Meinung, Neumanns (a. a. 0. S. 333) vor, der Hannibal von Florenz Ober Greve und S. Savino ziehen lasst, nur hat sie zur Voraussetzung, dass Hannibal nach dem Marsch durch die Stimpfe am M. Albano sein Lager aufgeschlagen habe, eine Annahme, die doch nicht ganz den Verhaltnissen zu entsprechen scheint. Ausserdem kann ich nicht glauben, dass Flaminius das Becken des Ombrone, in dem so viele Apenninstrassen mtlndeten, unbeachtet gelassen hat. FUlhren doch die Passe von Bologna und Modena direct durch dies Thai auf Florenz, und indirect kann man ja auch von der Strasse La Cisa und dein Sassalbo uber Lucca, Pescia, Pistoja, Prato nach diesem Arnoubergange kommen. Da ferner von bier bequemere Strassen uber Greve und S. Savino einerseits, andererseits tiber S. Casciano und Siena nach dem Chianathal ftihren, so ist das Becken von Florenz allerdings fUr die Vertheidigung, der Arnolinie sehr wichtig. Man musste sich wundern, dass Flaminius nicht hier, sondern in dem Winkel bei Arretium zur Vertheidigung Etruriens Stellung genommen hat, wenn wir nicht wtssten, dass die Rticksicht auf die Armee bei Ariminum und die kUrzeste Ver-

I) Polyb. III 82. Liv. XXII 3, 6ff.

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bindung mit derselben fur diese Autstellung massgebend gewesen ist.1) Wir wissen aber aus Appian2), dass das Heer des Servilius um 10000 Mann starker war, wissen, dass er eine bedeutende Bei- terei zur Verfugung hatte; dass er berufen war, im freien Gelaude den Anmarsch des Feindes aufzuhalten, wahrend FlaMinius hinter Defileen. und Silmpfen stand. Ohne Zweifel schien Servilius berufen, die Hauptarbeit des Feldzugs zu leisten, nicht Flaminius, denn (lie allgemeine Voraussetzuncg scheint gewesen zu sein, dass Hannibal den Weg tiber Ariminum nehmnen wverde. Nur hieraus erklart sich meiner Ansicht nach, dass Flamiinius die weit zurilckgelegene Stel- lung bei Arretium wahlite. Denn es ist von Pisa, dem aussersten Posten inach Westen, etwa 200 Kilom. entfernt. Pisa also und ebenso das untere Arnobecken, unterhalb Florenz, lag thatsachlich ausserhalb seines Wirkungsbereiches. Dagegen konuten 2-3 Ge- waltmarsche den Consul in die Gegend von Fasula bringen, so- dass er hier noch zur rechten Zeit anlangen konute, vorausgesetzt, dass er zur rechten Zeit von der Annaherung des Feindes unter- richtet wurde. Es ist aber kaum glaublich, dass man die Vor- sicht soweit vernachlassigt und nicht einen umfangreichen Spaher- dienst in den Passen und auf den Wegen eingerichtet haben sollte, die auf Florenz convergiren. Denn wenn auch das mitt- lere Thalbecken zwischen dem M. Albano und Mug,ello in alter Zeit noch mehr als heute Ueberschwemmungen ausgesetzt wvar; wenn man Nissen3) auch zugeben will, dass es damals fast ein Sumpf zur Frfihjahrszeit gewesen ist: so fuhrte doch durch das Thal eine alte, viel begangene Strasse, die wohl kaum ganz un- passirbar geworden ist, und sollte sie auch auf Tage abgeschnitten gewesen sein, so musste man doch darauf rechnen, dass sie schnell frei werden konute. Eventuell boten ja auch die Abhange des nicht eben breiten Beckens die Mioglichkeit, das Ueberschweni- mungsgebiet zu um,,ehen. Also auf diesen Knotenpunkt voon Strassen musste Flaminius RQcksicht neimen, und wir haben in der That keinen Grund vorauszusetzen, dass er es nicht gethan habe. Dagegen war es geradezu urnmoglich, dass er von Arretium aus die unterhalb Florenz liegende Linie von. Pisa bis Floreniz beobachten lassen konnte. Es mussen bier also Verhalttnisse be-

1) Vgl. Nissen Rh. Mus. XXI[ S. 569. 2) 'ARvht. 10. 3) Rh. AlIus. XXII S. 5-i4.

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standen haben, welche die Annahme ausschlossen, dass Hannibal das Gebiet des unteren Arno zu passiren versuchen wlrde. Nun fiuhrte aber gerade die kulrzeste und bequemste Strasse von Pla- centia nach Etrurien ilber den Sattel von La Cisa. Luna, Lucca, Pisa. Also gerade hier war die nattirlichste Durchgangsstelle ftir Hannibal. Wenn sich Flaminius gleichwohl 200 Kilom. i)stlicli davon aufgestellt hatte, so ist mit Sicherlieit anzunehmen, dass der Platz gut befestigt und durch eine gentigende Truppenzahl fest- gehalten war, um auch einem weit ulberlegenen Feinde den Zu- gang von Lucca nach Pisa abzuschneiden.1) Zwischen den Bergen von Pisa aber und dem M. Albano lag das grosse Sumpfgebiet, dlurch welches die Pescia ihr WVasser dem Arno zufQhrt, an dessen nordwestlichen Rande der Serchio abfliesst. Noch um die Mitte dles vorigen Jahrhunderts lag am Ausgang des Thales an der Pescia der See von Fucecchio, an dem von Lucca der See von Bientina; ein niedriger H thenzug scheidet beide Thialer. Das Bett des Arno ist hoher als der Spiegel des Sees von Bientina, an dessen Aus- fillung fortwahrend gearbeitet wird, wahrend der See von Fucecchio langst in Wiesenland umgewandelt ist. Noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts betruog der Umfang des Sees von Bientina nebst anstossenden Sum)pfen etwa sieben geographische Meilen.2) Im Alterthum hat sich ohne Zveifel das Sumpfland von der Mian- dung des Arno bis tiber Empoli hinaus erstreckt. Inselartig er- hoben sich darin die Berge von Pisa und andere kleinere Hohen. Im Frfihjahr muss das ganze Land unter Wasser gestanden haben, wenn (las Hochwasser des Arno aus der Schlucht zwischen Signa und Montelupo hervorstuirzte. Serchio und Pescia halfen daran mit. Auch die hoher gelegene Ebene zwischen Florenz und Pi- stoja mag dann grossentheils tiberschwemmt gewesen sein.3) Es war eine verstandige und naturliche Voraussetzung von Seiten der rtimischlen Feldherren, wenn man dieses Terrain, durch welches ein Vordringen des Feindes von vornherein ausgeschlossen war, fur eine genug,ende Ieckung des Hinterlandes ansah. Gerade aber unter diesem Gesichtspunkte wahlte Hannibal seinen Weg, auf dem er sicher war von dem Feinide unbelastigt zu bleibeni. Diesen Punkt hebt Polybios wiederholt hervor (III 78, 6. 80, 1). Er fugt hinzu,

1) Nissen Rh. Mus. XXII S. 573. 2y Vgl. Nissen Rh. Mus. XXII S. 570. 3) Vgl. Neumann a. a. 0. S. 331.

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dass der Weg kurz gewesen sei, wahrend andere lang gewesen seien. Diese Charakteristik der Strassen ist von dem Standquartier im Keltenlande, also etwa der Gegend von Parma, gegeben. Dass sie nun besonders genau und zutreffenid sei, lasst sich kaum sagen. Denn wenn auch der Weg tiber den Pass La Cisa, Luna, Lucca, Pisa von Parma aus als der kuirzeste Weg, nach Etrurien, d. li. nach Polybios an das linke Arnoufer genannt werden muss, so ist doch clas Verlhaltniss desselben zu den ilbrigen Passen mit 'kurz' und 'lang' nichl richtig bezeichnet. Denn selbst der istlichste Pass, der unter den damaligen Verhaltnissen in Betracht kommen konnte, der von Bologna, hatte kaum viel mehr Zeit in Anspruch genommen als die westlichste Passage, vielleicht einen, gewiss nicht ganz zwei Tagernarsche, wenn die Punier bei Parma standen. Jedenfalls aber waren die Absichten Hannibals, wenn er am Nordrand des Apennin vorruckte, um einen der westlichen Passe zu wahlen, der Ent- deckung der Romer friuher blossgestellt, als wenn er (lirecl von Parma ilber den Apenniin ging. Denn er naherte sich mit jecdem Marsch nach Osten dem Gebiet, das der Feind, wie seine Auf- stellung hewies, als das walhrscheinliche Operationsfeld der Punier ansah, und fUir das er seinen Aufklalungsdienst eingerichtet haben musste. Da nun Polybios den Weg uber Pisa nicht im Sinine hat, wie die Sclhilderung des Marsches beweist, diesen ktirzesten Weeg also gar nicht beruicksichtigt, so passt das Merkmal der Ktirze auch nur noch auf einen directeni Marsch von Lucca durch die Stitmpfe, etwa in der Richtung tiber Lunata an dem niedrigen HoheDzuge bin zwischen dem See von Bientina und der Pescia in der Linie von Bassa und Empoli. Latsst man den Ueber- gang tiber den Apennin ausser Berechnuig - man hat dazu ein Recht, da Polybios und Livius ihn ganzlich mit Stillschweigen tibergehen als eine Sache, die weder Schwierigkeiten fQr die Aus- f0hrung, noch grosse Zweifel fUr die Entscheidung bot -und lhalt man es fUlr selbstverstandlich, dass Hannibal Uber den Sattel von La Cisa gegangen ist oder gehen musste; dass erst, da der nachste Weg Uiber Pisa unmoglich war, in Lucca an ihn die Frage herantrat, ob er auf der alten Strasse am Nordrand jenes Sumpfge- bietes Uber Pescia, Pistoja, Prato, Florenz gehen sollte oder direct von Lucca aus stidostlich durch die Sdmpfe: so passt hierfar ganz vortrefflich die Beschreibung des Livius (XXII 2, 2): cnm alichd longius, ceterurn commodius ostenderetur iter, propiorem viam per

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paludem petit, qua fluvius Arnus per eos dies solito magis inunda- verat. Fiir Livius ist auch der Standpunkt, von dem aus Polybios die Charakteristik giebt, nicht bindend. Er sagt ausdrflcklich, dass Hannibal, nachdem er seine Quartiere verlassen hatte, also mIg- licher Weise schon am Siidfuss des Apeinnin angelangt war, diesen Entschluss gefasst babe. Der Weg, durch die Suimpfe ist allerdings erheblich kurzer als der Weg Uber Pescia, Pistoja, Prato. Fiur diesen hat sich neuerdings Voigt 1) entsebieden. Aber ich muss be- merken, dass diese Strasse nicht bezeichniet werden kann mit 'per paludem' oder 'dtc' rtvcZv EUc5v' und dass mani von dem, der sie gegangen ist, nicht sagen kann 'a;creQearaa wotLg Jtd ToIrovg. Anch lief die Strasse so nialhe an den Sudabhagen des Apennin, dass mani von ihr aus mit leicliter Miuie trockene Lagerplatze hatte erreichen kotnnen. Man hatte von jenier Strasse nur sagen konDen, lass sie den Rand des Sumpfgebietes streifte. Das Pradicat der Kutrze kame ihr gegenttber keiner anderen Passage zu. Sie wiirde auch in das Thalbecken Pistoja - Fasula - Florenz ftldwreni, desseni Strassennetz nanli meitier Auffassung no thwendig in das Beobach- tungssystem der Westarmee gehOrte. Ferner ware die Marsch- leistunig, vorausgesetzt dass man lkeine Naclit ordenitlicli lagerni koninte, 11 Meilen - so lhoch belauft sich die Entfernung von Lucca nach Florenz auf der oenannten Strasse - wenn die Marsch- schwierigkeiten auch noch erheblich geringer gewesen waren, als Polybios und Livius sie schildern , granz aussergewohnlich gross. Darauf weist aber keine Spur in den Quellen. Nimmt mani an- dererseits mit Nissen2) an, dass Hannibal uber Modena oder Bo- logna auf den Apennin gestiegen unid bei Pistoja das Inundations- gebiet des Arnio erreicht hatte, so ist wieder dlie Entfernunng von hier bis Florenz f(inf Meilen zu gering, um der Marschzeit von vier Tagen zu entsprechen, abgeseben, dass die geringe Breite der Ebene auch hier die Moglichkeit trockenier Lagerplatze an den

1) Die Partie ist in Niebuhrs Vortragen II 88 sehr verworren. Voigt glaubt durch Vergleich mit einer Stelle in der Alten Lander- und Volkerkunde S. 537 f. flir Pisa schreiben zu miissen Pescia. Vgl. die Schlaclit am Trasi- menus, Phil. Wochenschrift 1883, S. 1582. Mit dieser Correctur hat Voigt ohne Zweifel Recht, aber aus derselben Stelle der V6lkerkunde wird doch auch klar, dass Niebuhr den Marsch in das Sumpfland am unteren Arno ver- legt hat, nicht auf die Strasse an dem Nordrand der Sumpfe hin.

2) Rh. Mus. XXII S. 574.

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Abliangen des M. Aibano oder Mugello nicht aussehloss. Dagegen ist die Entfernung zwischen Lucca und dem Htigelrande zwischen S. Miniato und Empoli, etwa Pino, mit den naturlichen Krutm- mungen des Weges auf 7-8 Meilen zu schatzen. Es entsprache also auch in Beziehung auf die M1arschdauer dieser Weg den ge- gebenen Bedingungen am besten. Heute fuhrt in dieser Rich- tuDn eine grosse Strasse, und ein Weg wird wohl auch im Alter- thum nicht gefehlt liaben. Wenn Neumann den M. Albano als den Punkt bezeichnet, an welchem Hannibal zuerst festen Boden erreichte, so sehe ich nicht recht ein, welchen Gewinn dieser davon hatte habeni sollen, dass er die Sumpfe in ihrer ganzen Breite durchmessen und einige Stunden langer sich den entsetz- lichen Strapazen ausgesetzt hatte. Landete er unterhall) Empoli, so hatte er nur die Begegnung mlit der Besatzung von Pisa zu ftirchten, falls diese seimien Marsch durch die Sdimpfe erfahren hatte, jedenfalls lag es ausser dem Bereich der Mi}glichlikeit, dass Flaminius ibm nahe kam, selbst wenn er seinen Marsch recht- zeitig erfuhr. Aber weder die Besatzung von Pisa scheint, als sich Hannibal von Lucca ostwarts wandte, an die Moglichkeit dieses Zuges gedacht zu haben, nioch uiberhaupt irgend etwas zur Benachrichtigung des Consuls gethan zu haben, so dass Hannibal ohne dringende Besorgniss einer Storung fur die Erholung seiner Truppen und die Vorbereitung seiner weiteren Operation sorgen konnte.

Fassen wir also die Ergebuiisse der Untersuchugo, zusammen, so ergiebt aus der Combination der Nachrichten bei Polybios und Livlus sichi als wahrscheinlich, dass Hannibal einen verun- gltlckten Versuch gemacht hat, bei den ersten Anzeichen des Fruh- jahrs in Etrurien einzudringen, dass aber ein gewaltiges Unwetter ihn bereits, ehe er die Passholhe erreichte, zur Rickkehr niithigte. Seine Entfernung hatte Sempronius benutzt, um seinen eigenen Abmarsch vorzubereiten, der sich nach dem niachsten freien Pass richtete. Zwar erreichten Hannibals zurruckkehrende Truppen noch das abziehende romische Heer, brachten ibm auch Verluste bei, aber der Abmarsch gelang doch, indem sich einzelne Abtheilungen fur die Rettung, des Ganzen opferten. In Lucca hielt sich Sempronius solange auf, bis der Eintritt der Ueberschwemmung und die An- kunft des neuen Consuls bei Arretium ihn veranlassten nach starker Besetzung von Pisa Lucca aufzugeben, indem man die Arnolinie zur

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Grundlage der Aufstellung der Westarmee machte. In dieser Zeit bricht Hannibal wieder auf, zieht tiber den Pass von Pontremoli bis Lucca und wendet sich nun sudostlich durch die Sompfe auf das Thal der Elsa. Nachdem sich seine Truppen erholt haben, ftihrt er sein Heer fiber Siena nach Fojano. Und jetzt im Chiana- thal angekommen meldet er dem Consul seine Nahe durch Rauch- saulen an, die aus den brennenden Dflrfern emporwirbeln. Erst jetzt erfahrt Flaminius, dass sein Vertheidigung,ssystem durchbrochen ist und zuigleich, dass seine Verbindung mit Rom durchsclinitteni ist. Ebenso war die Stellung seines Collegen bei Ariminum un- halLbar geworden. Auch ein besserer Feldherr hatte wohl in dieser furchtbaren Lage den Kopf verlieren ktnnen. Die Stellung bei Arretium noch langer festzuhalten ware eine Thorheit gewesen. Dazu haben seine Offiziere auch nicht gerathen; sie haben nur davor gewarnt, das Heer in eine Lage zu bringen, in welcher man die Annahme einer Schlacht nicht verweigern kinne. Und darum liaben sie verlangt, hauptsachlich mit der Reiterei der-Verwtlstung zu wehren. Es sollte dies kaum mehr heissen, als durch die Reiterei mit dem Feinde Fuhlung nehmen. Denn dass sich damit viel wiurde erreichen lassen, konnten sie wohi selbst kaum glauben, da die Ueberlegenheit des Feindes in dlieser Waffe ihnen kein Ge- heimniss sein konnte. Es handelte sich nur zu erfahren, in welcher Riclitung der Feind weiter zu operiren gedenke. Davon hingen die weiteren Entschlulsse des Consuls ab. Sie haben ihm ferner gerathen, die Vereinigung mit Servilius um jeden Preis zu suchen. Auch dies war unter den obwaltenden Umstanden ein schweres Problem. Wollte man ihn in Arretium erwarten, so liess inan dem Feinde einen Vorsprung von 3-4 Tagen minidestens, den er zu einem Handstreich gegen das villig unvorbereitete Rom be- nutzen konnte. Und was konnte man nicht einem Gegner zul- trauen, der bereits so Ungewdjhnliches, aller Erwartung, Wider- streitendes vollbracht hatte? Suchte man sie in suldlicher Richtung, so stand wiederum der Gegner auf der naturlichen Verbindungs- linie. Denn in Foligno stiessen die Strassen zusammen, auf denen man sich nahern konnte. Offenbar hat sich Flaminius fUr letztere Moglichkeit entschlossen, die ihm unter Umstanden doch erlaubte, auch einem Handstreich gegen Rom entgegenzutreten. Der Ent- schluss ist sachlich durchaus verstandig, dagegen trifft der scharfste Tadel die Ausfuhrung. Die Ereignisse rechtfertigen vollig die An-

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gabe des Polybios 1), dass er ohne jede Vorsichtsmassregel an den Feind zu kommen suchte. Wir haben keinen Grund anzu- nehmen, dass Parteileidenschaft die Darstellung zu Ungunsten des Flaminius in der Hauptsache entstellt babe. Denn Flaminius lief blindlings in die Falle, die ihm Hannibal am trasimenischen See gelegt hatte.

Wenn aber Hanniibal nach dem grossartigen doppelten Er- folge, den er eben davon getragen hatte, sich nicht gegen Rom wandte, obwohl ihm der Weg offen stand, so beweist dies, mit welcher Klarheit er seine Aufgabe erfasst hatte. Denn wenn es ihm auch gelungen ware, in Rom eine furchtbare Verwirrung und einen panischen Schrecken hervorzurufen, wenn es ihm selbst ge- lungen ware, sich des Mauerrings zu bemachtigen, hatte er damit Roms Herrschaft vernichtet? Er wusste, dass man Roms Herr- schaft in den Bundesgenossen und Colonieen, die mit ihrem Netz Italien umspannten, erschuttern mtlsse, dass er Italien, nicht die Stadt allein, zu bekampfen habe. Und darnach handelte er. In Etrurien hatte er keinen Zulauf gefunden; die Schlacbt am trasi- menischen See sicherte ihm den Weg nach Siudosten. Ware der Handstreich auf Spoleto gelungen, vielleicht hatte sich der Krieg zunachst in dieser Gegend festgesetzt. Da er aber auf eine be- queme und sichere Verbindting mit Karthago rechlnen musste, so ware doch bald eim weiteres VorrUcken nothwendig geworden.

1) III 82, 7: drvxt)a; iQO;iF yuEr rSi7 dvcaYEw;, OV xateov, ov ro-

noV nQOOQPEP5'o, POPOV di rUXEd'WV Tro; nOaEhUOt, qVy7lEaZv. Liv. XXII 4, 4: inexplorato.

Barmen. G. FALTIN.

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