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P. Strauss et al.: H6rverm6gen bei Diabetes mellitus 675 Diskussion Nur in der Gruppe der 30-39jfihrigen Koronarpatienten finden sich deutliche Abweichungen gegen/Jber altersbezogenen Vergleichswerten. Ein gr613erer H6rverlust liegt praktisch nur im Hochtonbereich vor, wo die Differenz 23 dB bei 6000 Hz betrfigt. Diese Gruppe war jedoch mit sieben Patienten bzw. 14 Ohren so klein, dab eine allgemein gtiltige Folgerung aus diesen Befunden nicht erlaubt ist. Bei den 40-49jfihrigen und den 50-59jfihrigen zeigen sich dagegen keine gr613eren H6rverluste als bei gleichaltrigen Herzgesunden. Die GegeniJberstellung der H6rverluste der gesamten Untersuchungsgruppe mit einer gleichaltrigen Gruppe ohne Koronarbelastung ergibt keine wesent- lichen Differenzen im tonaudiometrischen H6rverlust. Alle 111 Patienten mit leichten bis schwersten Koronarinsuffizienzen, davon 60,4% mit Herzinfarkt, zeigen im Durchschnitt keinen gr613eren H6rverlust als Herzgesunde. Das biologische Merkmal ,,Koronarinsuffizienz" hat danach keinen Einfluf3 auf das Geh6r. - Eine erhebliche und regelmfil3ig auftretende Innenohrschwerh6rigkeit konnte somit bei Koronarkranken nicht nachgewiesen werden. Daraus ergibt sich ftir die differentialdiagnostische Interpretation von Schwerh6rigkeiten die Schlul3folgerung, dab eine Koronarinsuffizienz generell als Ursache einer bestehenden Schwerh6rigkeit nicht angeschuldigt werden kann. Ftir die Begutachtung yon Schwerh6rigkeiten, insbesondere ftir die Begutachtung von Lfirmschwerh6rigkeiten heil3t dies, dab die Abgrenzung einer lfirmunabhfingigen Schwerh6rigkeitskomponente bei Versicherten mit Koronar- erkrankung oder abgelaufenem Herzinfarkt und somit ein MdE-Abzug nicht gerechtfertigt ist. P. Plath (Recldinghausen): Koronarerkrankung ist noch nicht gleichbedeutend mit Herabsetzung der kardialen Leistung. Erst diese und insbesondere die Minderdurchblutung des Ohres in Kombination mit anderen Noxen ftihrt m. E. zum Hirnschaden. T. Brusis (K61n), Schlugwort: Zu Herrn Plath: Koronarinsuffizienz und Herzinsuffizienzsind nattirlich verschiedene Erkrankungen. Der Grad der Koronarinsuffizienz wird in der Inneren Medizin durch die koronarangiographisch gewonnenen Parameter ,Ein-, Zwei- und Dreigef/ifAer- krankung" angegeben. Diese Parameter korrelieren sehr gut mit der Oberlebenszeit bei Koronarinsuffizienz. 70. P. Strauss, K. Schneider (a. G.), V. Terrivolo (a. G.) (Aachen): Der Einflull des Diabetes mellitus auf das H6rverln6gen. Untersuchungen an 660 Patienten Auditory Function in Diabetes Mellitus. Studies on 660 Patients Summary. It should be examined by this study, if there exists a form of hearing loss, which is typical for diabetes mellitus. 660 patients were interviewed by means of a questionaire with regard to case history and course of disease. Internal and ophthalmological findings have been registered, which were compiled during a clinical treatment for metabolic

Der Einfluß des Diabetes mellitus auf das Hörvermögen. Untersuchungen an 660 Patienten

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Page 1: Der Einfluß des Diabetes mellitus auf das Hörvermögen. Untersuchungen an 660 Patienten

P. Strauss et al.: H6rverm6gen bei Diabetes mellitus 675

Diskussion

Nur in der Gruppe der 30-39jfihrigen Koronarpatienten finden sich deutliche Abweichungen gegen/Jber altersbezogenen Vergleichswerten. Ein gr613erer H6rverlust liegt praktisch nur im Hochtonbereich vor, wo die Differenz 23 dB bei 6000 Hz betrfigt. Diese Gruppe war jedoch mit sieben Patienten bzw. 14 Ohren so klein, dab eine allgemein gtiltige Folgerung aus diesen Befunden nicht erlaubt ist. Bei den 40-49jfihrigen und den 50-59jfihrigen zeigen sich dagegen keine gr613eren H6rverluste als bei gleichaltrigen Herzgesunden.

Die GegeniJberstellung der H6rverluste der gesamten Untersuchungsgruppe mit einer gleichaltrigen Gruppe ohne Koronarbelastung ergibt keine wesent- lichen Differenzen im tonaudiometrischen H6rverlust. Alle 111 Patienten mit leichten bis schwersten Koronarinsuffizienzen, davon 60,4% mit Herzinfarkt, zeigen im Durchschnitt keinen gr613eren H6rverlust als Herzgesunde. Das biologische Merkmal ,,Koronarinsuffizienz" hat danach keinen Einfluf3 auf das Geh6r. - Eine erhebliche und regelmfil3ig auftretende Innenohrschwerh6rigkeit konnte somit bei Koronarkranken nicht nachgewiesen werden.

Daraus ergibt sich ftir die differentialdiagnostische Interpretation von Schwerh6rigkeiten die Schlul3folgerung, dab eine Koronarinsuffizienz generell als Ursache einer bestehenden Schwerh6rigkeit nicht angeschuldigt werden kann. Ftir die Begutachtung yon Schwerh6rigkeiten, insbesondere ftir die Begutachtung von Lfirmschwerh6rigkeiten heil3t dies, dab die Abgrenzung einer lfirmunabhfingigen Schwerh6rigkeitskomponente bei Versicherten mit Koronar- erkrankung oder abgelaufenem Herzinfarkt und somit ein MdE-Abzug nicht gerechtfertigt ist.

P. Plath (Recldinghausen): Koronarerkrankung ist noch nicht gleichbedeutend mit Herabsetzung der kardialen Leistung. Erst diese und insbesondere die Minderdurchblutung des Ohres in Kombination mit anderen Noxen ftihrt m. E. zum Hirnschaden.

T. Brusis (K61n), Schlugwort: Zu Herrn Plath: Koronarinsuffizienz und Herzinsuffizienz sind nattirlich verschiedene Erkrankungen. Der Grad der Koronarinsuffizienz wird in der Inneren Medizin durch die koronarangiographisch gewonnenen Parameter ,Ein-, Zwei- und Dreigef/ifAer- krankung" angegeben. Diese Parameter korrelieren sehr gut mit der Oberlebenszeit bei Koronarinsuffizienz.

70. P. Strauss, K. Schneider (a. G.), V. Terrivolo (a. G.) (Aachen): Der Einflull des Diabetes mellitus auf das H6rverln6gen. Untersuchungen an 660 Patienten

Auditory Function in Diabetes Mellitus. Studies on 660 Patients

Summary. It should be examined by this study, if there exists a form of hearing loss, which is typical for diabetes mellitus. 660 patients were interviewed by means of a questionaire with regard to case history and course of disease. Internal and ophthalmological findings have been registered, which were compiled during a clinical treatment for metabolic

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stabilisation. An ENT-examination was performed including vestibular and auditory tests. The evaluation of data showed that there was no median hearing loss, which could be attributed to the diabetic metabolic disorder. The hypothesis, that diabetes leads to a premature old age of hearing, could not be confirmed on a statistical base. The statistical analysis of separate factors of the diabetic disease, of vascular risks and of noise or ear infections leads till now to no results.

Zusammenfassung, Mittels eines Fragebogens wurden 660 Diabetiker interviewt fiber Krankheits-Vorgeschichte und Krankheits-Verlauf. Inter- nistische und ophthalmologische Befunde wurden erfa6t, die anlfi61ich eines Klinikaufenthaltes zur Stoffwechselkontrolle erhoben worden waren. Eine HNO-firztliche Untersuchung einschlie61ich Gleichgewichts- und H6rtest wurde durchgeffihrt. Die Auswertung zeigte, dab der mittlere H6rverlust (median) ffir die einzelnen Typen des Diabetes nicht deutlich fiber die Altersnorm Gesunder (Spoor) hinausgeht (Abb. 1). Die Hypothese, das Ohr des Zuckerkranken altere vor, konnte statistisch nicht belegt werden. Der Versuch, durch Faktorenanalyse einzelner oder gruppierter Faktoren die besser H6renden von den schlechter H6renden zu trennen, ist bisher

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Abb. 1. H6rverm6gen nach Alter und Geschlecht

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H. Weidauer et al.: Ein unbekanntes hereditfires Syndrom 677

gescheitert. Da die Zuckerkrankheit offenkundig nur eine gering wirkende Noxe ftir das Ohr ist, halten wir z. B. einen Abzug ftir die Zuckerkrankheit bei der Bewertung einer Lfirmschwerh6rigkeit ffir nicht statthaft.

P. Plath (Recklinghausen): Die Tatsache, dab Diabetiker nicht schlechter h6ren als die Vergleichsgruppen, wird bestritigt aufgrund eigener Untersuchungen. Nur juvenile Diabetiker wiesen bei uns statistisch abgesicherte H6rverluste auf.

P. Strauss (Aachen), Schlugwort: Zu Herrn Plath: Sie sahen bei sprit und schlecht eingestellten juvenilen Diabetikern gr6gere H6rverluste. Wir beobachteten bei massiven Nierenverrinderungen und Retinaverrinderungen, die ja Ausdruck einer solchen ungen•genden Einstellung sind, eher tin besseres H6rverm6gen. Dies k6nnen wir bisher nicht erklriren.

71. H. Weidauer, H.J . Br6ker (a. G.), M. Grugendorf (a. G.), M. Hiifner (a. G.) (Heidelberg): Ein unbekanntes heredit/ires Syndrom - Innenohrschwer- h6rigkeit, Hypokalz/imie, Vitiligo

An Unknown Hereditary Syndrome - Inner Ear Hearing Loss, Hypocalcemia, Vitiligo

Summary. We present a hereditary syndrome with recruitment-positive inner ear hearing loss, vitiligo and hypocalcemia. The disturbance of calcium metabolism can be attached neither to hypoparathyroidism nor to pseudohypoparathyroidism. Symptoms and findings are discussed.

Bisher in der Literatur nicht erwfihnt ist ein hereditfires Syndrom mit der Trias Innenohrschwerh6rigkeit, Hypocalcfimie, Vitiligo. Bei dem heute 46jfihrigen Vater und dem 10jfihrigen Sohn war seit friiher Kindheit eine Recruitment-po- sitive symmetrische Innenohrschwerh6rigkeit bekannt, bei dem Vater hoch- gradig (Abb. 1), bei dem Jungen geringgradig. Die Schwerh6rigkeit weist keine Progredienz auf, die vestibulfire Reaktion ist seitengleich und regelrecht.

Vater und Sohn beobachteten bei sich wiederholt Handkrfimpfe mit Pf6tchenstellung, Zusammenziehen der Lippen 2-3real pro Jahr ftir die Dauer von 3 - 4 h. Zusfitzlich lag beim Vater eine Vitiligo vor, welche in der Familie seiner Mutter gehfiuft auftritt und einen dominanten Erbgang mit reduzierter Expressivitfit aufweist.

Die internistische Untersuchung erbrachte bei Vater und Sohn eine Hypocalcfimie mit 1,7 mmol/1 (Normalwerte 2,0-2,6 mmol/1). Fehlende Ske- lettanomalien, die Normophosphatfimie, Hyperphosphaturie, Cyclo-AMP im oberen Normbereich, der Parathormonspiegel und der Ellsworth-Howard-Test lassen die Hypocalcfimie einer bisher nicht bekannten hypothetischen Sonder- form des Pseudohypoparathyreoidismus mit normaler Nierenreaktion und gest6rter Knochenreaktion auf Parathormon annehmen. Vitiligo wird durch ein progressives Verschwinden von Melanozyten in umschriebenen Hautbezirken hervorgerufen und ist in 1/5 aller Ffille mit St6rungen der Schilddrtise assoziiert, die in beiden Ffillen nicht vorlag. Die Kombination Vitiligo mit einer St6rung der Epithelk6rperchen ist bisher ebenfalls nicht beschrieben. Genetisch dtirfte sich die Vitiligo (Abb. 2) mit dominantem Erbgang zuffillig zu der autosomal