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137 Einleitung Das Rheinische Schiefergebirge im Westen von Hessen ist ein Teil des Va- riskischen Gebirges, das während der Karbon-Zeit, vor 320 Millionen Jahren, entstanden war. Vergleichbar mit den heutigen Alpen durchzog es als Hoch- gebirge ganz Europa. Da das Rheinische Schiefergebirge zahlreiche Erzlagerstät- ten enthält, war es besonders ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Ende des 2. Weltkriegs von großer wirt- schaftlicher Bedeutung. Entsprechend intensiv wurde die geologische Kar- tierung von der damaligen Königlich Preussischen Geologischen Landesan- stalt vorangetrieben. Daher stammt ein beträchtlicher Teil der einzelnen Blätter der Geologischen Karte von Hessen im Maßstab 1 : 25 000 (GK 25) aus dieser Zeit. Mittlerweile haben zwar die Erz- lagerstätten in Deutschland stark an Bedeutung verloren, dafür sind aber andere Fragestellungen in den Vorder- grund getreten. Dazu zählt die Raum- und Landesplanung, der Natur- und Landschaftsschutz sowie die Sicherung von Grundwasser-, Rohstoff- und Ener- gieressourcen. Als Grundlage für die Be- antwortung entsprechender Fragen zu diesen Themenbereichen ist ein moder- nes geologisches Kartenwerk erforder- lich. Da die personellen Ressourcen des HEINZ-DIETER NESBOR, KATJA ECKELMANN, PETER KÖNIGSHOF & ULF LINNEMANN Kooperationsprojekte mit externen Forschungs- einrichtungen im Rahmen der Aktualisierung der Geologischen Karte von Hessen 1 : 25 000 im Kellerwald G4 Abb. 1: Ausschnitt aus der geologischen Karte des Kellerwaldes (aus MEISCHNER 1966), bestehend aus einer Vielzahl unterschiedlicher Sedimentgesteine (verschiedene Farben) und vulkanischer Gesteine (dunkelgrün). Abstand der Gitterlinien = 1 km. 06 35 05 35 07 06 35 05 35 07 55 56 56 54 56 57 55 56 56 54 56 57 10 11 13 10 11 22 22 25 18 18 13 3 10 10 25 33 11 4 18 13 33 29 33 13 25 18 18 11 18 25 13 33 13 25 25 29 13 18 28 18 13 13 11 18 28 13 29 25 13 18 13 25 18 11 29 25 25 33 13 38 13 25 25 13 25 28 18 28 13 13 29 25 11 13 38 38 38 20 38 20 39 39 39 4 38 38 38 37 39 39 38 38 4 39 39 38 4 38 38 4 4 38 38 39 38 38 39 38 39 38 39 38 33 11 33 13 18 33 25 33 25 11 13 25 18 13 13 22 13 33 25 13 25 11 29 10 13 13 11 13 10 22 22 33 25 13 13 13 29 33 33 13 13 13 13 33 13 13 33 22 10 25 4 18 25 11 13 13 22 33 13 25 13 4 13 11 13 25 25 18 13 18 13 11 13 25 13 18 13 25 18 18 25 33 1325 13 39 39 25 33 33 4 18 33 13 13 25 13 33 39 33 29 38 33 13 25 18 13 13 13 13 13 32 25 4 11 33 25 13 25 33 13 30 13 18 13 13 13 33 18 13 25 3 13 25 35 25 13 13 13 25 25 13 35 33 38 25 18 39 25 30 30 39 20 35 39 13 18 33 4 13 39 37 4 37 38 39 33 33 39 37 39 39 25 33 13 39 20 39 38 11 37 39 33 39 37 39 35 37 20 39 13 30 13 3 22 39 4 33 13 25 3 33 13 3 13 1 11 33 13 11 33 29 33 29 4 13

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Heinz-Dieter nesbor, Katja ecKelmann, Peter KönigsHof & Ulf linnemannKooperationsprojekte mit externen Forschungseinrichtungen im Rahmen der Aktualisierung

der Geologischen Karte von Hessen 1 : 25 000 im Kellerwald

Einleitung

Das Rheinische Schiefergebirge im Westen von Hessen ist ein Teil des Va-riskischen Gebirges, das während der Karbon-Zeit, vor 320 Millionen Jahren, entstanden war. Vergleichbar mit den heutigen Alpen durchzog es als Hoch-gebirge ganz Europa. Da das Rheinische Schiefergebirge zahlreiche Erzlagerstät-ten enthält, war es besonders ab dem ausgehenden 19. Jahrhundert bis zum Ende des 2. Weltkriegs von großer wirt-schaftlicher Bedeutung. Entsprechend intensiv wurde die geologische Kar-tierung von der damaligen Königlich Preussischen Geologischen Landesan-stalt vorangetrieben. Daher stammt ein beträchtlicher Teil der einzelnen Blätter der Geologischen Karte von Hessen im Maßstab 1 : 25 000 (GK 25) aus dieser Zeit. Mittlerweile haben zwar die Erz-lagerstätten in Deutschland stark an Bedeutung verloren, dafür sind aber andere Fragestellungen in den Vorder-grund getreten. Dazu zählt die Raum- und Landesplanung, der Natur- und Landschaftsschutz sowie die Sicherung von Grundwasser-, Rohstoff- und Ener-gieressourcen. Als Grundlage für die Be-antwortung entsprechender Fragen zu diesen Themenbereichen ist ein moder-nes geologisches Kartenwerk erforder-lich. Da die personellen Ressourcen des

Heinz-Dieter nesbor, Katja ecKelmann, Peter KönigsHof & Ulf linnemann

Kooperationsprojekte mit externen Forschungs-einrichtungen im Rahmen der Aktualisierung der Geologischen Karte von Hessen 1 : 25 000 im Kellerwald

G4

Abb. 1: Ausschnitt aus der geologischen Karte des Kellerwaldes (aus Meischner 1966), bestehend aus einer Vielzahl unterschiedlicher Sedimentgesteine (verschiedene Farben) und vulkanischer Gesteine (dunkelgrün). Abstand der Gitterlinien = 1 km.

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063505 3507

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Jahresbericht 2011

HLUG für eine flächendeckende Neukartierung nicht vorhanden sind, werden Möglichkeiten genutzt, qua-litativ hochwertige Kartierungen von externen Fach-leuten heranzuziehen.

Eines dieser Kartenwerke betrifft das Gebiet des Kel-lerwaldes, das gleich mehrere Einzelblätter der GK 25 umfasst. Ab den 60er Jahren hatte eine Arbeitsgruppe von der Universität Göttingen unter Leitung von Prof. Dr. Meischner dieses Gebiet flächendeckend geolo-gisch kartiert. Meischner gilt in der Fachwelt als aus-gewiesener Experte des in seinem geologischen Bau überaus komplizierten Kellerwaldes (Abb. 1). Dem-entsprechend erfüllt die auf höchstem wissenschaft-lichen Niveau stehende Manuskripkarte die an eine amtliche geologische Karte zu stellenden Ansprüche.

Seit kurzem liegt die Manuskriptkarte des Keller-waldes im HLUG digital vor. Da das Kartenwerk aber bereits vor über 40 Jahren erarbeitet wurde, sind aufgrund des mittlerweile erfolgten Erkenntniszu-wachses verschiedene Aktualisierungen notwendig. Dies betrifft zuerst die biostratigraphische Einstufung der Sedimentgesteine. Das bedeutet, dass die seiner-zeit gültige Alterseinstufung der Gesteine anhand der aufgefundenen Fossilien überprüft und an die inzwischen geltenden zeitlichen Einstufungen ange-passt werden muss. Weiterhin ist die Abgrenzung der tektonischen Einheiten neu zu bewerten. Schließlich müssen die im Kellerwald weit verbreiteten vulka-nischen Gesteine mit den mittlerweile vorhandenen

modernen geochemischen Analysemethoden neu bearbeitet werden. Hierdurch ergeben sich jedoch keine Veränderungen in den Geometrien der ein-zelnen damals kartierten Gesteinskörper, wie durch erneute Geländebegehungen belegt werden konnte – eine Bestätigung der Gültigkeit der Manuskriptkarte.

Die Aktualisierung der vorliegenden Manuskript-karte des Kellerwaldes wird zurzeit im Rahmen von Kooperationsprojekten mit den Senckenberg For-schungsinstituten und Naturmuseen sowie mit dem Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göt-tingen durchgeführt. Die genannten Institute haben ihrerseits das grundsätzliche Interesse, neue biostrati-graphische Daten zu erheben und mit neuen Metho-den die bestehenden plattentektonischen Modelle zu überprüfen. Integriert werden dabei die unter Feder-führung des HLUG durchgeführten geochemischen Untersuchungen der vulkanischen Gesteine. Die geo-chemische Charakterisierung dient dazu, die Genese der vulkanischen Gesteine in einen erdgeschichtlich-geologischen Zusammenhang zu stellen. Weiterhin sollen die gesteinsbildenden Prozesse im Einzelnen beschrieben und mit den derzeit geltenden platten-tektonischen Vorstellungen verglichen werden. Die geplanten Arbeiten werden als grundlegend angese-hen, da die zu erwartenden Ergebnisse eine wesent-liche Verbesserung der bisherigen Datengrundlage darstellen und bestehende plattentektonische Modelle modifizieren.

Geologie des Kellerwaldes

Der Kellerwald lässt sich in drei Großeinheiten glie-dern: den Nördlichen, den Zentralen und den Süd-lichen Kellerwald (Abb. 2). Alle drei Einheiten unter-scheiden sich grundlegend in ihrer räumlichen und zeitlichen Entwicklung. Der Nördliche Kellerwald wird von Gesteinen aufgebaut, deren Alter von der höheren Unterdevon- bis in die Unterkarbon-Zeit reicht – eine Zeitspanne von 400–335 Millionen Jahren (Ma) vor heute. Das Gesteinsspektrum ist ent-sprechend vielfältig und reicht bei den Sedimentge-steinen von Tonschiefern über Sandsteine und Kalk-steine bis hin zu Kieselschiefern und Grauwacken.

Charakteristisch ist die weite Verbreitung vulkanischer Gesteine, die von einem intensiven untermeerischen Vulkanismus zeugen.

Im Zentralen Kellerwald dagegen sind nur drei Gesteinstypen vertreten, die erst in der tieferen Un-terkarbon-Zeit (360–345 Ma) entstanden sind. Der Kellerwald-Quarzit stellt dabei eine Besonderheit dar. Das überaus harte Gestein, das zahlreiche Klippen im Gelände bildet, setzt sich fast ausschließlich aus Quarzkörnern zusammen. Aufgrund der Reinheit, der guten Sortierung der Körner sowie sedimentolo-

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Heinz-Dieter nesbor, Katja ecKelmann, Peter KönigsHof & Ulf linnemannKooperationsprojekte mit externen Forschungseinrichtungen im Rahmen der Aktualisierung

der Geologischen Karte von Hessen 1 : 25 000 im Kellerwald

gischer Kriterien handelt es sich bei diesen Ablage-rungen wahrscheinlich um ehemalige Strandsande, deren Körner in der Meeresbrandung aufbereitet und gerundet wurden. Neben dem Kellerwald-Quarzit treten noch Kieselschiefer und in geringem Umfang vulkanische Gesteine auf.

Der Südliche Kellerwald ist durch Grauwacken geprägt, deren Alter aber zum Teil nicht mit dem der Grauwacken aus dem Nördlichen Kellerwald korres pondiert. So wurden im Südlichen Kellerwald Grauwacken schon in der höheren Oberdevon-Zeit

(375–360 Ma) abgelagert und nicht erst im Unterkar-bon. Weiterhin treten dort kleinräumige Scherkörper auf, die aus exotischen Kalksteinablagerungen aus der viel älteren Silur-Zeit (440–415 Ma) bestehen. Solche Gesteine sind für das Rheinische Schiefer-gebirge untypisch.

Die Gesteinsabfolgen aller drei Großeinheiten des Kellerwaldes sind während der Variskischen Ge-birgsbildung in der Oberkarbon-Zeit gefaltet, in ein-zelne schuppenförmige Gesteinskörper zerlegt und schwach metamorph überprägt worden.

0 1 2 3 4 5 km

.

Postvariskische Gesteine

Nördlicher KellerwaldUnterkarbonOberdevonMitteldevonUnterdevon

Ense− Schuppe

Zentraler KellerwaldUnterkarbon

Südlicher KellerwaldUnterkarbonOberdevonMittel− bis OberdevonUnterdevonSilur− Oberdevon

Abb. 2: Karte der Großeinheiten des Kellerwaldes.

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Jahresbericht 2011

Arbeitsschwerpunkte der Kooperationsprojekte

Voraussetzung für die Darstellung der geologischen Gegebenheiten einer Landschaft ist die möglichst exakte biostratigraphische Einstufung der einzelnen Gesteinseinheiten. Das bedeutet, dass anhand der in den einzelnen Gesteinsschichten vorhandenen Fossilien das relative Alter der jeweiligen Einheit be-stimmt wird und damit die Altersfolge der in dem betreffenden Gebiet auftretenden Gesteine festge-legt werden kann. Für diesen Zweck werden häufig Mikro fossilien herangezogen, die in den Gesteinspro-ben in großer Anzahl vorhanden sein können. Dabei handelt es sich meist um Bestandteile von Conodon-tentieren, die zu den frühen Wirbeltieren gezählt werden und die ausschließlich in marinem Milieu ge-lebt haben. Die überlieferten Relikte – zahnähnliche Reste eines Kauapparates (Conodonten) – haben eine Größe von nur wenigen mm und sind durch eine aus-gesprochene Formenvielfalt gekennzeichnet (Abb. 3).

Bedingt durch diese schnelle evolutive Entwicklung eignen sich diese Fossilien ausgezeichnet für bio-stratigraphische Einstufungen. Zur Feststellung des

Gesteinsalters werden Conodonten aus den verschie-denen Proben des Kellerwaldes unter dem Mikros-kop bestimmt und dem jeweiligen erdgeschichtlichen Alter zugeordnet.

Neben den Mikrofossilien werden auch die in den Sedimentgesteinen eingeschlossenen Makrofossilien betrachtet. Die in den Proben vertretene gesamte Fauna und Flora geben Auskunft über die damaligen Lebensgemeinschaften, die wiederum Rückschlüsse auf den Ablagerungsort der Sedimente erlauben. So unterscheiden sich z. B. die Lebensbedingungen in einem tropischen Meeresraum von denen in einem Meer der gemäßigten Breiten gravierend. Entspre-chend lässt der jeweilige Lebensraum nur die Ent-wicklung einer dort angepassten und damit typischen Tierwelt zu. Die genannten Arbeiten werden im Sen-ckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt am Main durchgeführt.

Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt zur Aktualisierung der Manuskriptkarte des Kellerwaldes stellt die Prove-

nance-Analyse dar, die eine Identifikation und Trennung einzelner tektonischer Einheiten ermög licht. Diese isolierten Einheiten sind durch die kompressiven Kräfte während der Variskischen Ge-birgsbildung entstanden. Dabei wurden die ursprünglich horizontal übereinan-der abgelagerten Gesteinsabfolgen gefal-tet, zerrissen und zum Teil über weite Strecken überschoben. Durch die Un-tersuchungen ist es nun möglich zu er-kennen, welche tektonischen Einhei ten zusammengehören und welche nicht. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist die exakte Kenntnis des biostratigraphi-schen Alters der jeweiligen Gesteins-schichten.

Die Provenance-Analyse ist ein sehr auf-wendiges Verfahren, bei dem aus ausge-wählten Sandstein- bzw. Grauwacken-proben winzige Körner des Minerals Zirkon zunächst separiert und dann auf einen Objekt träger aufgebracht werden. Abb. 3: Formenvielfalt der Conodonten aus der Devon- und Karbon-Zeit

(Foto: P. Königshof, Senckenberg Forschungsinstitut, Frankfurt am Main).

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Heinz-Dieter nesbor, Katja ecKelmann, Peter KönigsHof & Ulf linnemannKooperationsprojekte mit externen Forschungseinrichtungen im Rahmen der Aktualisierung

der Geologischen Karte von Hessen 1 : 25 000 im Kellerwald

Danach erfolgt die radio metrische Datierung der ein-zelnen Zirkon-Körner anhand der Uran-Blei-Isotope mittels Massenspektrometrie mit induktiv gekop-peltem Plasma (ICP MS, Abb. 4). Pro Gesteinsprobe werden ca. 80–150 Zirkon-Körner datiert. Die Ana-lysen werden im Geo PlasmaLab des Senckenberg Forschungsinstituts in Dresden vorgenommen. Als Ergebnis erhält man ein Altersspektrum, das für das damalige Liefergebiet des Sandes, aus dem der heu-tige Sandstein entstand, charakteristisch ist (Abb. 5). Der ursprüngliche Ablagerungsort bestimmter Sedi-mentgesteine des Kellerwaldes hat sich während der Devon- und Unterkarbon-Zeit sogar auf verschie-denen Kontinenten befunden, die durch Ozeane voneinander getrennt waren. Durch den späteren Zusammenstoß der Kontinente, der zur Bildung des Variskischen Gebirges geführt hat, wurden die be-treffenden Gesteinskörper übereinander geschoben. Heute liegen sie im Kellerwald unmittelbar nebenei-nander oder übereinander.

Die noch ausstehende petrographische und geoche-mische Neubearbeitung der im Kellerwald verbrei-teten vulkanischen Gesteine wird arbeitsteilig durch das HLUG und das Geowissenschaftliche Zentrum der Universität Göttingen übernommen. Dabei wer-den anhand einer Vielzahl von Gesteinsdünnschliffen aus den Einzelvorkommen petrographische Untersu-chungen durchgeführt, die Auskunft über die Mine-ralzusammensetzung und den Gesteinstyp geben. Weiterhin werden geochemische Untersuchungen an ausgewählten Gesteinsproben vorgenommen. Da-bei werden mithilfe der Röntgenfluoreszenzanalyse die Haupt- und Spurenelemente und mittels Mas-senspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP MS ) die Seltenen-Erden-Elemente bestimmt. Die Ergebnisse werden mit den aus dem übrigen Rheinischen Schiefergebirge im HLUG archivierten petrographischen und geochemischen Gesteinsana-lysen abgeglichen. Anhand der Ergebnisse können Aussagen über den Bildungsort der jeweiligen vul-

Abb. 4: Radiometrische Datierung von Zirkon-Kristallen mittels Massenspektrometer mit induktiv gekop-peltem Plasma im GeoPlasmaLab des Senckenberg Forschungsinstituts in Dresden.

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Jahresbericht 2011

657±18 Ma(a1)

754±32 Ma(a58)

658±21 Ma(a38-Kern)

558±18 Ma(a37-Rand)

2031±21 Ma(a44)

2470±33 Ma(a36)

2953±17 Ma(a23)

2106±32 Ma(a15)

2410±12 Ma(a27)

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Ulmbach-Grauwacke

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3200

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16

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12

8

4

0

Häu

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it Ems-Sandstein

Alter (Millionen Jahre)

Alter (Millionen Jahre)

467±12 Ma(b48)

466±11 Ma(a25)

935±29 Ma(a3)

970±30 Ma(b19)

1131±48 Ma(a6)

1362±22 Ma(a36)

1712±26 Ma(b54)

1764±22 Ma(b47)

1764±22 Ma(b47)

200μm

B

A

Abb. 5: Alterspektrum der Zirkon-Kristalle (eckelMann et al. 2011) in: A: Ems-Sandstein aus der Unterdevon-Zeit, abgelagert auf dem ehemaligen Großkontinent Laurussia (heutiges Nordamerika, Grönland und Nordeuropa). B: Grauwacke aus der Ober-devon-Zeit, abgelagert auf dem ehemaligen Mikrokontinent Armorika (südliche Teile des heutigen Mitteleuropas).

kanischen Gesteine getroffen werden. So kann z. B. unterschieden werden, ob die Gesteinsschmelzen in Form von Lavaströmen auf dem Boden eines Ozeans oder in einem Flachmeer auf kontinentaler Kruste

ausgeflossen sind. Diese Aussagen können wiederum mit den Ergebnissen der oben beschriebenen Prove-nance-Analyse in Beziehung gesetzt werden.

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Heinz-Dieter nesbor, Katja ecKelmann, Peter KönigsHof & Ulf linnemannKooperationsprojekte mit externen Forschungseinrichtungen im Rahmen der Aktualisierung

der Geologischen Karte von Hessen 1 : 25 000 im Kellerwald

Erste Ergebnisse – ein geologisches Puzzle am Ostrand des Rheinischen Schiefergebirges

Um die geologische Kartierung einer Großeinheit wie den Kellerwald für den Anwender nutzbar zu machen, ist die Kenntnis von Aufbau und Struktur der Gesteinsabfolge erforderlich. Das setzt wiederum voraus, die Entwicklungsgeschichte des entspre-chenden Gebietes in ihrer zeitlichen Abfolge und räumlichen Fixierung zu verstehen. Einen wesent-lichen Beitrag dazu liefert die Zusammenarbeit mit den kooperierenden Instituten.

Nach dem derzeitigen Kenntnisstand gab es vor etwa 370 Millionen Jahren auf der Erde zwei Groß-kontinente (Abb. 6). Im Süden der Erde lag damals Gondwana, bestehend aus dem heutigen Südamerika, Afrika, Antarktis, Australien und Indien. Weiter im Norden etwas südlich des Äquators befand sich der Großkontinent Laurussia, von Gondwana durch einen Ozean getrennt. Aufgrund der mächtigen roten Sandsteine, die dort unter wüstenhaftem Klima abgelagert wurden, spricht man auch vom „Old Red Continent“ („Alter roter Kontinent“). Er bestand aus dem heutigen Nordamerika, Grönland und Nord-europa. Den Südrand von Laurussia bildete der Mikrokontinent Avalonia. Dieser hatte sich lan-ge Zeit zuvor von Gondwana abgelöst, war zwischenzeitlich nach Norden gewandert und hatte sich schließlich mit Nordamerika und Nordeuropa vereint.

Zwischen den beiden Großkontinenten, durch Ozeanbereiche voneinander getrennt, lag ein Mikrokontinent mit dem Namen Armorika, der aus den südlichen Teilen des heutigen Mitteleuropas bestand. Er hatte sich, ebenso wie zuvor Avalonia, vom Nordrand des Großkontinents Gondwana gelöst und war nach Norden gewandert. In Hessen sind Bestand-teile von zwei der genannten Kontinente vertreten.

Das Rheinische Schiefergebirge ist ein Teil von Ava-lonia und gehört somit zum ehemaligen Großkonti-nent Laurussia, während Odenwald und Spessart zu Armorika zu rechnen sind.

Später führte die Kollision des Mikrokontinents Ar-morika (vor 340–330 Ma) und schließlich Gondwa-nas mit Laurussia zur Bildung des Superkontinents Pangäa, der vor knapp 300 Ma vollendet war. Pangäa vereinigte alle heutigen Erdteile in einem einzigen Kontinent. Durch die Kollision entstand das soge-nannte Variskische Gebirge, das nahezu die gesamte Erde umspannte. Das Rheinische Schiefergebirge, Odenwald und Spessart sind Teile dieses Gebirges. In Hessen liegt die Trennlinie zwischen dem ehema-ligen Nordkontinent Laurussia und dem südlich an-schließenden Armorika am Südrand des Taunus.

30° S

Äquator

Nord -Am

er ika

Süd-Amer ika

Afrika

L a u r u s s i a

Avalonia

Armorika

Grönland

Nord-

Europa

Sibirien

Go n d w a n a

Südpol

Abb. 6: Lage der Kontinente während der Oberdevon-Zeit, vor 370 Millionen Jahren. Roter Stern: Lage des späteren Rheinischen Schiefergebirges am Südrand von Laurussia. Blauer Stern: Lage von Odenwald und Spessart auf dem Mikrokon-tinent Armorika. (modifiziert nach TaiT et al. 2000, Torsvik 2004).

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Jahresbericht 2011

Die ersten Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass bei der oben beschriebenen Gebirgsbildung Teile von Armorika als Deckeneinheiten von Süden her auf das Rheinische Schiefergebirge und somit auf den Nord-kontinent überschoben wurden. Solche ortsfremde, allochthone Gesteinseinheiten, die durch weiträu-mige Deckentransporte an ihre heutige Position ge-langt sind, wurden schon seit längerer Zeit vermutet.

Deren Existenz ist in der Vergangenheit sehr kon-trovers diskutiert worden. Durch die vorliegenden Daten können solche weitreichende Deckenüber-schiebungen nun bewiesen werden. Auf der geolo-gischen Karte des Kellerwaldes befinden sich entspre-chende allochthone Gesteinskörper am häufigsten in der südlichen Großeinheit.

Literatur

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