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DER HOCHRHEIN VERBINDET Grenzüberschreitende Wildtierkorridore zwischen der Schweiz und Baden-Württemberg

Der Hochrhein Verbindet

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Grenzüberschreitende Wildtierkorridore zwischen der Schweiz und Baden-Württemberg

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Der HocHr Hein V er binDetGrenzüberschreitende Wildtierkorridore zwischen der Schweiz und Baden-Württemberg

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V o r A b

ehr geehrte Damen und herren, diese informationsbroschüre über Wild-tierkorridore am hochrhein darf gerne als appell

gelesen und verstanden werden! ein appell für einen länderübergreifenden ökologischen Verbund zwi-schen Baden-Württemberg und der nordwest-Schweiz, denn durch bauliche eingriffe und infrastruktu-relle nutzung des menschen ist eine natürliche Vernetzung von Wildtierlebensräumen zwischen deut-schen mittelgebirgen, dem Schweizer Jura und dem alpenraum kaum noch möglich. Die hochrheinkommission schätzt die einzigartigkeit der Kulturlandschaft am hochrhein und hat infolgedessen die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg (FVa) mit der erarbeitung dieser Broschüre beauftragt. unter dem motto »Verbinden, was zusammen gehört« geht es nicht

zuletzt darum, ein ausgewogenes miteinander von mensch, Wildtier und natur anzustreben und dadurch die Lebensqualität und Vielfalt am hochrhein zu erhalten! Die hier vorgestellten Grundlagen zeigen auf, wie eine artgerechte mobilität von Wildtieren in der grenz-überschreitenden Landschaft gewährleistet werden kann. Die an den hochrhein angrenzenden Landkreise und Kantone sind sich ihrer Verantwortung für die realisierung von Wildtierkorridoren vor ort bewusst. Sie erkennen die weit über die hochrheinregion hinaus-gehende Bedeutung dieser »grünen Bänder« für die Wildtierpopulationen. mit dieser Broschüre verbindet sich die hoff nung, einen auft akt für ein deutsch-schweizerisches Projekt geschaff en zu haben, in dem die räumliche Lage der vorhandenen, grenzüberschreitenden Wildtierkorridore ermittelt, ihre Funktionalität bewertet, länderübergrei-fend harmonisiert, raumplanerisch gesichert und wo notwendig entwickelt werden.

in diesem Sinne setzen wir auf die breite Beteiligung von Landbesitzern und -nutzern, interes-sierten Bürgern und Verbänden sowie der jeweiligen behördlichen Verwaltungen wenn es darum geht, Wildtieren die möglichkeit zu geben, sich grenzenlos über den rhein hinweg zu bewegen!

Für die hochrheinkommission im april 2011

Landrat tilman BollacherPräsident

regierungsrat Peter c. Beyeler Kanton aargau

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I N H A L T S V E R Z E I C H N I S

Mobilität von wildtieren – leben braucht Bewegung 3

der hochrhein – ein landschaftsraum von internationaler Bedeutung 5

die hochrheinregion – heimat vieler geschützter lebensräume 6

die gesichter der wildtierkorridore - wildtiere am hochrhein 7

der rothirsch – unsere größte heimische Säugerart 8

die gämse – der kletterer unter den herbivoren 10

wildkatze, luchs und wolf – die karnivoren 12

Fledermäuse – die fl iegenden jäger der nacht 14

der hochrhein – grenze und Barriere für wildtiere 16

Straßen - gefahren für wildtiere 18

wildtierkorridore am hochrhein – lösungsansätze 20

wildtierkorridore am hochrhein – die Projektidee 22

wildtierkorridore am hochrhein – Fakten, daten und Quellen im überblick 24

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iele Wildtiere finden auch in mitteleuropa noch geeignete Lebensräume vor, sind aber in ihrem natürlichen raum-zeit-Verhalten auf mobilität angewiesen. Beispielsweise müssen

Wildtiere häufi g zwischen teillebensräumen wechseln können, so z.B. zwischen dem Wald, der Deckung bietet und dem off enland, wo nahrung zu fi nden ist.

auch saisonal verlagern Wildtiere, z.B. aufgrund klima-tischer Bedingungen, ihre aufenthaltsräume von den hoch- in

die tiefl agen. Dieses Verhalten sichert ihnen im Winter durch einen geringeren energieverbrauch ausreichend nahrung und

höhere Überlebenschancen. ebenso werden auf der Suche nach Geschlechtspartnern häufi g weite Strecken zurückge-

legt. mobilität ist daher eine elementare Voraussetzung im Leben von Wildtieren. und Wildtiere sind elementarer

Bestandteil von Landschaft en. Die zusammensetzung heutiger Pfl anzen- und tiergemeinschaft en hat sich in der durch den menschen geprägten Landschaft

mitteleuropas im Laufe einer langen Koevolution entwickelt. in diesem zusammenhang ist auch der Begriff der »minimalen Überlebensfähigen

Population« wichtig. Damit wird ausgedrückt, dass eine Population erst ab einer bestimm-ten anzahl von individuen eine langfristige

Überlebenschance hat – liegt diese anzahl unter dem kritischen Schwellenwert ist

das aussterberisiko sehr groß. Für höher entwickelte tiere werden als mindestpopu-

lation 500 individuen angenommen.

Für tierarten mit großen raumansprüchen sind selbst die großen mittelgebirge als rückzugsräume viel zu klein. erst im Verbund mit benachbarten Populationen kann die zielgröße von mindestens 500 tieren erreicht werden (siehe Kasten unten). in einem solchen Populationsverbund haben auch einzelne, kleinere teilpopulationen in zerschnit-tenen Landschaft en eine hohe Überlebenschance, da sie im Verbund eine metapopulation bilden (siehe Seite 4). Der austausch zwischen den teilpopulationen geschieht durch ab- und zuwanderung einzelner tiere oder gan-zer Gruppen. Dabei können auch neue oder verwaiste Lebensräume besiedelt werden. Dieser, für den erhalt der Biodiversität entscheidende Prozess ist kontinuierlich im Gang und setzt für die jeweilige art eine spezifi sch durchläs-sige Landschaft voraus. ein intaktes metapopulationssystem wird biologisch als stabilste Populationsstruktur angesehen. in der regel benötigen größere tiere auch als individuum größere areale. im Fall eines Luchses sind das z.B. etwa 100 km². Solche arten können zudem über beträchtliche Distanzen wandern. Bei Wolf, Wildschwein und rothirsch sind Wanderstrecken über 100 km keine Seltenheit.

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»MiniMale üBerleBenSFähige PoPulation« am Beispiel luchs

Mindestpopulation .........................................................................500 Tiere

Fläche Schwarzwald ................................................................ ca. 500.000 ha

Raumbedarf für einen Luchs ....................................................... ca. 10.000 ha

Max. denkbare Populationsgröße im Schwarzwald (geschätzt)................ca. 50 Tiere

Fazit: Eine isolierte Luchspopulation im Schwarzwald wäre zu klein und könnte daher

nur im Verbund zu benachbarten Populationen existieren.

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moBiLität Von W iLDt i er enL e B e n B r a u c h t B e W e G u n G

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Größeren Wildtieren ist es zwar möglich natürliche bzw. natur-nahe hindernisse wie beispielsweise den hochrhein an einigen Stellen zu überwinden, aber ein dichtes netz aus Verkehrsträgern, Wildschutzzäunen sowie Produktions- und Siedlungsfl ächen bil-den zusammen für Wildtiere meistens unpassierbare Barrieren. auch großfl ächige landwirtschaft liche intensivnutzungen ohne Deckungsmöglichkeiten werden von Wildtieren gemieden und besitzen somit ebenfalls eine sehr hohe Barrierewirkung.

abb. 1S c h e m a t i s c h e s Ve r b u n d m o d el l bedeutender mit teleuropäischer gebirgsregionenAus der Perspektive eines Satelliten scheinen die beiden Gebirge des Schweizer Jura und des Schwarzwaldes fast miteinander zu verschmelzen. Beide Naturräume sind wenig frag-mentierte Rückzugsfl ächen für seltene und bedrohte Tier- und Pfl anzenarten. Zwischen den beiden Gebirgen liegt tief eingefurcht das schmale Tal des Hochrheins.

MetaPoPulation

Als Metapopulation wird die Summe

aller Individuen einer Tierart in einem

Landschaftsraum bezeichnet, die sich

aus einzelnen, voneinander räumlich

getrennt liegenden Teilpopulationen

zusammensetzt. Für den dauerhaften

Erhalt der einzelnen Teilpopulationen

ist ein Individuenaustausch zwischen

diesen erforderlich. Nur so können

Verluste ausgeglichen und die gene-

tische Vielfalt erhalten werden. Für

Ar ten mit großem Raumanspruch,

wie beispielsweise dem Luchs, ist in

den fragmentierten Lebensräumen

Mitteleuropas ein Überleben nur in sol-

chen Metapopulationen möglich.

Elbe

Donau

Main

Rhine

Weser

Werra

Saale

Drava

Spree

Fulda

Adda

Mosel

Piave

Altmuhl

Adige

Havel

Odra

Mur

Doubs

Moselle

Rhone

Vltava

Labe

Saale

Rhine

Adige

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Rhein

Maas

Schwarzwald

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as zentrale anliegen der grenzüberschreitenden Wildtierkorridore über den hochrhein ist der erhalt und austausch von tierpopulationen,

die nur durch den großräumigen Verbund von Lebensräumen zwischen dem Schwarzwald, der Schwäbischen alb einerseits und dem Schweizer Jura und mittelland andererseits möglich sind. Darüber hinausgehend sind die Wildtierkorridore am hochrhein auch von sehr großer relevanz auf internationaler maßstabsebene. Sie bilden einen wesentlichen abschnitt im Verbund der mitteleuro-päischen Gebirgsregionen (siehe abb. 1, Seite 4). eine der bedeutenden nord-Süd-achsen für Wildtiere in mitteleuropa verläuft demnach über den hochrhein und verbindet teile der deutschen mittelgebirge mit der alpenregion. Baden-Württemberg beherbergt als sehr waldreiches Bundesland zwei große und wenig zer-schnittene Wildtierlebensräume: den Schwarzwald und die Schwäbische alb. Große teile dieser regionen weisen bereits eine überdurchschnittliche Dichte an wertvollen Lebensräumen auf. Diese sind heimat vie-ler seltener und gefährdeter tier- und Pfl anzenarten (siehe abb. 2). in der Schweiz stellt der Jura mit einer Vielzahl von Biotopen und arten das Pendant zum Schwarzwald dar. Dank ihrer geringen Distanz zuei-nander sind diese beiden naturräume relativ leicht zu vernetzen. Dies ist nicht zuletzt auch deshalb von gro-ßer Bedeutung, weil viele tierarten auf klimatische

Veränderungen mit arealverschiebungen reagieren und sich beispielsweise Wärme liebende arten weiter nach norden ausbreiten. Doch nicht nur eine Vernetzung von tierlebens-räumen ist wichtig, sondern auch Pflanzenarten bedürfen eines großräumigen Biotopverbundes, bei dem Wildtiere eine bisher nur wenig bekannte Funktion erfüllen. Viele Pfl anzenarten profi tieren nämlich auch vom transport ihrer Samen durch Wildtiere (Vektorfunktion). Solche arten kom-men beispielsweise in den von natur aus verinselten Fels- und magerrasenbiotopen vor. Die Samen die-ser Pfl anzen haben im Laufe der zeit sogar spezielle haft organe zur Verankerung im tierfell entwickelt. ohne diesen transport im Fell eines Wildtieres wäre es für viele Pfl anzenarten unmöglich, einen genetischen austausch sicherzustellen oder geeignete Lebensräume neu zu besiedeln. Selbst insekten wie heuschrecken (z.B. Stenobothrus nigromaculatus) nutzen gelegent-lich transportmöglichkeiten durch größere Säuger. ein einzelnes Weibchen mit befruchteten eiern könnte auf diese Weise z.B. an einem weiter entfernten ort, den es aus eigener Kraft niemals erreicht hätte, eine Gründerkolonie etablieren. heuschrecken sind auch ein gutes Beispiel für arten, die von Wildtieren als habitatbildner profi tieren. So schaff en Wildtiere wäh-rend der nahrungsaufnahme Kleinstrukturen, wie beispielsweise off ene Bodenstellen durch den tritt mit ihren hufen, auf die spezialisierte insektenarten unbedingt angewiesen sind.

Der hochr hei nein LanDSchaFtSraum Von internationaLer BeDeutunG

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Straßburg

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Donau

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Rhei

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Rhei

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abb. 2räume hoher Biotopdichte in Baden-württembergRäume hoher Biotopdichte zeichnen sich im Vergleich zu anderen Gebieten durch eine höhere Zahl und Flächenanteile von Biotopen aus. Sie sind ökologisch und meist auch landschaftsästhetisch gesehen hoch-wertige Landschaftsteile.Quelle: Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW)

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ie Lebensräume seltener Pflanzen- und tierarten sowie die eigenart der Landschaft werden beid-seits des rheins durch Schutzgebiete verschiedener

Kategorien geschützt, die teilweise bis unmittelbar an den hochrhein heranreichen (siehe abb. 3). Der große Vernetzungsbedarf dieser region wird damit eindrück-lich unterstrichen. in der hochrheinregion gibt es eine Vielzahl an naturschutzgebieten, natura 2000-Flächen, aber auch großf lächige Gebiete mit geringerem Schutzstatus, wie die Landschaftsschutzgebiete und naturparke. Der Verlauf der für Wildtiere not-wendigen Korridore sollte nach möglichkeit so auf die Schutzgebiete abgestimmt werden, dass die Schutzgebietsflächen wo immer möglich Bestandteil der Korridore werden. Vor diesem hintergrund erscheint es sinnvoll, z.B. ausgleichsmaßnahmen ver-stärkt in den Korridorräumen zu verwirklichen, um so eine weitere optimierung der Durchlässigkeit von Landschaften zu erzielen. Die maßnahmen sollten dann vor allem auf regional bedeutende arten ausgerichtet werden. Die integration von Korridoren und Schutzgebieten ergibt einen ökologischen mehrwert, der durch isolierte Schutzflächen nicht erreicht werden könnte. um eine sol-che integration sicherzustellen ist neben einer fachlichen Konzeption auch eine Flächen- bzw. Funktionssicherung durch die raumplanung erforderlich.

Di e hochr hei nr eGionh e i m a t V i e L e r G e S c h Ü t z t e r L e B e n S r ä u m e

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legende

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Grenze

Schutzgebiet

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Relief abb. 3 | Lage bedeutender Schutzgebiete beidseits des Hochrheins.

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as Spektrum der tier- und Pflanzenarten, die von Wildtierkorridoren profitieren können, ist sehr groß – aber nur die wenigsten arten sind allge-

mein bekannt. alle arten erfüllen jedoch eine Funktion im ökosystem und stehen zueinander in vielfältiger Wechselwirkung – sie sind unverzichtbares element im naturhaushalt und tragen zur Biodiversität bei. Da es aber nicht möglich ist, alle arten gleichzeitig zu berück-sichtigen, ist eine auswahl von arten erforderlich, die den großräumigen Verbund besonders charakterisie-ren und Planern in besonderer Weise als zeiger bei der Bestimmung der räumlichen Lage von Korridoren hel-fen. Dies sind meist größere Säugetiere mit entsprechend großem raumanspruch, die sehr mobil sind und oft aufgrund unterschiedlicher Funktionen (habitatbildner, Jäger oder Vektor) eine herausragende Bedeutung im ökosystem einnehmen. Dazu zählt die sehr seltene Wildkatze, aber genauso das weit verbreitete Wildschwein oder das reh. auch unsere größte heimische Säugerart, der rothirsch, hilft uns neben weiteren arten wie der Gämse oder

dem selten anzutreffenden Luchs durch ihre raumnutzung die Lage der Wildtierkorridore zu analysieren. Stell-vertretend kann so mit hilfe einiger weniger arten für viele weitere mobile und waldasso-ziierte Säuger die Lage wichtiger Wildtierkorridore bestimmt werden. interessanterweise sind in die-sem zusammenhang auch verschiedene arten der Fledermäuse von Bedeutung. einige arten unterneh-men weite Wanderungen, sozusagen im »tiefflug« zwischen Sommer- und Winterquartieren, wobei sie sich insbesondere an bodennaher Vegetation struktur-reicher Flächen orientieren. in Bezug auf Querungshilfen und Leitstrukturen reagieren die arten unterschiedlich sensibel, selbst innerhalb einer art kann es beträchtliche individuelle unterschiede geben. unter den Großsäugern reagiert sicherlich der rothirsch hinsichtlich Dimensionierung und Störung am empfindlichsten. Viele arten sind jedoch weitaus weniger mobil als die hier genannten tierarten und sind deshalb besonders stark auf die Wildtierkorridore angewiesen.

Di e GeSicht er Der W iLDt i er Kor r iDor eW i L D t i e r e a m h o c h r h e i n

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abb. 4 | Grünbrücken tragen wesenlich zur Vernetzung von Wildtierlebensräumen und Biotopen bei.

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Der rothirSchu n S e r e G r ö S S t eh e i m i S c h e S ä u G e r a r t

SchutzStatuS Geschützte Tierart nach Anhang III der Berner Konvention

(1979, international)

evorzugte Lebensräume des rothirsches sind halboffene, strukturierte Landschaften sowie lichte Waldgebiete. Der rothirsch unternimmt

unter natürlichen umständen in gebirgigen regionen saisonal teils weite Wanderungen zwischen Sommer- und Wintereinständen. auf seinen Wanderungen orientiert er sich stark an traditionellen Fernwechseln. Das management dieser art ist aufgrund des hohen Konfliktpotenzials mit der Land- und Forstwirtschaft, den Sicherheitsaspekten im Straßenbetrieb und den jagdlichen interessen eine große herausforderung. als sensible und vorsichtige art stellt der rothirsch hinsichtlich der annahme von Leitstrukturen und Querungshilfen die höchsten ansprüche, weshalb er als art hervorragend für die Gestaltung dieser elemente geeignet ist. Wie schwierig großräumige Wanderbewegungen für den rothirsch zwischen Schwarzwald und Schweizer Jura sind, wird aus abb. 5 deutlich. es gibt nur noch sehr wenige Bereiche, über die ein austausch zwischen den aktuellen rotwildgebieten möglich ist.

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lebensraumpotenzial rothirsch

bestehende Populationen

gut geeignet

weniger gut geeignet

potenzielle Suchräume für Korridore

abb. 5Vorläufi ge karte des lebensraumpotenzials für den rothirschZum ersten Mal wurde hier mit gleichen Parametern und einheitlicher Methode ein grenzüberschreitend kohä-rentes Modell berechnet. Die Modellierung ist eine wichtige Grundlage zur Ausweisung grenzüberschrei-tender Wildtierkorridore zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz. In den grau dargestellten Flächen ist die Barrierewirkung der Landnutzung für den Rothirsch deutlich höher als in den grünen. (Unveröffentlicht, Roman Eyholzer, WLS CH, in Kooperation mit FVA).

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ls optimaler Lebensraum der Gämse wird das hochgebirge beschrieben, wo sich günstige äsungsflächen und felsige Schutzeinstände in

enger Verzahnung befinden. Weniger bekannt ist, dass die Gämse natürlicherweise auch in felsigen mittelgebirgslagen anzutreffen ist. So unterscheidet man heute nach ihrem bevorzugten habitat zwischen der Wald- und der alpengämse. im Projektgebiet ist die Gämse bereits in mehreren teilpopulationen per-manent anzutreffen. Gebiete mit Gämsenvorkommen sind in Baden-Württembergs der Südschwarzwald und teile der Schwäbischen alb. Wie auf der Karte in abb. 6 zu erkennen ist, sind Gämsen auch immer wieder außerhalb ihrer Kernverbreitungsgebiete anzu-treffen, insbesondere in den felsigen hängen der zum hochrhein führenden Flusstäler (albtal, Steinatal). Gämse sind sehr störungsempfindliche tiere, die auf unkalkulierbare oder überraschende ereignisse häufig mit einer fast panikartigen Flucht reagieren. Da die Gämse auch Luftfeinde wie den Steinadler kennt, reagiert sie beispielsweise auch auf Drachenflieger, Gleitschirme oder ultralight-Fluggeräte mit Flucht. Besonders im Winter können Gämsen ihre energiereserven durch häufige Flucht vollständig aufzehren und infolgedessen verenden. Sie stellen somit hohe ansprüche an die von ihnen genutzten Lebensräume.

D i e G ä m S eD e r K L e t t e r e r u n t e rD e n h e r B i V o r e n

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SchutzStatuSGeschützte Tierart nach Anhang III

der Berner Konvention (1979, international)

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legende

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Gämsengebiete

sporadische Gämsenvorkommen

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Relief

eine weitere eigenschaft, welche die Gämse als zielart für das Projekt wertvoll macht, ist die off ensi-ve ausbreitungsstrategie: Gämsen können sehr weite Strecken zurücklegen und durchqueren dabei auch für sie völlig ungeeignete Lebensräume. auch größe-re Gewässer und Flüsse kann die Gämse problemlos überwinden. allein über die bisherigen nachweise deuten sich einige grenzüberschreitende Korridore an. ein Beispiel ist der sich vom östlichen Jura über den hochrhein bei albbruck und dann in den Südschwarzwald das alb-tal hinauf ziehende Korridor.

abb. 6 | Verbreitung der Gämse beidseits des Hochrheins

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W iLDK atze , LuchS & WoLFD i e K a r n i V o r e n

ür die hochrheinregion sind Wildkatze, Luchs und Wolf relevante Vertreter aus der ordnung der Fleischfresser (Karnivora). Große Streifgebiete

und geringe Populationsdichten sind kennzeich-nend für diese arten und weite Wanderungen von einzeltieren eine wichtige Überlebensstrategie der Population. neben dem illegalen abschuss gilt die Straßensterblichkeit als die bedeutendste todesursache. Da nur noch wenige unzerschnittene und kon-fliktarme Flächen als Kerngebiete in Frage kommen, ist für diese arten in mitteleuropa ein Überleben nur im intakten metapopulationsverbund (siehe Seite 4) vorstellbar. Während diese arten bis vor wenigen Jahrzehnten in großen teilen mitteleuropas ausgerot-tet waren, sind heute der Schwarzwald, teile der Schwäbischen alb, das Schweizer Jura und die alpenregion potenzielle Lebensräume für diese drei rückkehrer. ihre aktuelle Verbreitung ist europaweit durch eine sehr starke Verinselung gekenn-zeichnet - für alle drei arten ist eine Vernetzung der Lebensräume umso notwendiger für das Überleben. in Baden-Württemberg gilt der Luchs trotz spora-discher nachweise nach wie vor als ausgerottet. Die herkunft und der Verbleib der gelegentlich bestä-

tigten tiere sind unklar. auf Schweizer Seite gibt es nach Wiederansiedlungsprojekten zwei größe-re Populationen in den alpen und im Jura. auf der Suche nach neuen Lebensräumen oder Partnern wan-dern insbesondere subadulte und männliche tiere oft über sehr weite Strecken. ein mit halsbandsender versehenes tier, der Luchs »turo«, überwand bei einer Wanderung nordwärts im raum Schaffhausen autobahn, rhein und Gleisanlagen. Die besender-

ten, subadulten tiere im Schweizer Jura legen regelmäßig bis zu 90 km auf der Suche nach neuen Lebensräumen zurück. Dies sind wich-tige hinweise darauf, dass zumindest einzelne

der sporadisch in Baden-Württemberg auftauchenden tiere aus dem Jura kommen könnten. außerdem bestä-tigte »turo« durch den Verlauf seiner Wanderung auch die ersten Landschaftsanalysen hinsichtlich potenziell geeigneter räume für grenzüberschreiten-de Wildtierkorridore. im Kanton aargau konnten in den Jahren 2009 und 2010 durch ein Fotofallen-monitoring mehrfach aufnahmen von Luchsen in der nähe des rheins gemacht werden.

Die Wildkatze galt seit 1912 in Baden-Württemberg als verschollen, jedoch konnten durch die FVa bereits 2006 und 2007 zwei totfunde in der Kaiserstuhl-region (D) sicher nachgewiesen werden. Das aktuelle monitoring bestätigt inzwischen in den angrenzenden auen des oberrheins eine Population einschließlich reproduktionsnachweise. Weitere Vorkommen in anderen Gebieten Baden-Württembergs werden von experten nicht ausgeschlossen, konnten jedoch bis-her nicht zweifelsfrei bestätigt werden. im Schweizer Jura ist ebenfalls eine Wildkatzenpopulation nach-gewiesen, es ist bisher jedoch unklar, ob diese tiere den anschluss an potenzielle Lebensräume im süd-lichen Schwarzwald gefunden haben. Wildkatzen sind zwar durchaus in der Lage, bei ihren Wanderungen Wasserläufe zu queren, meiden aber offene Flächen und Siedungsbereiche. Sie gelten u.a. als geeignete zeigerart für die Lage von waldbetonten Korridoren. Der streng geschützte Wolf zeigt unter den drei arten das höchste ausbreitungspotenzial. Die näch-sten rudel leben zwar in den französischen und italienschen alpen, einzeltiere sind jedoch bereits bis Luzern gewandert. eine rückkehr des Wolfes in den Schwarzwald bzw. den Jura scheint nur eine Frage der zeit zu sein.

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SchutzStatuSstreng geschützte bzw. geschützte Art nach

Anhang II bzw. III der Berner Konvention; auf-geführt in Anhang IV bzw. Anhang II und IV der FFH-Richtlinie; Höchstschutz nach BNatSchG;

Rote Liste Kategorie 2 (stark gefährdet)

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Mosel

Moselle

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legende

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Grenze

Vorkommen

sporadische Hinweise

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abb. 7 | Verbreitungskarte Luchs

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abb. 8 | Verbreitungskarte Wildkatze

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FLeDer m äuSeD i e F L i e G e n D e n J ä G e r D e r n a c h t

uch Fledermäuse wechseln regelmäßig zwi-schen teillebensräumen. einige ziehen sogar wie zugvögel zwischen ihren Sommer- und

Winterlebensräumen hin und her. Die Flugrouten der Fledermäuse verlaufen zur Überraschung vie-ler nicht entlang der kürzesten direkten Luft linie, sondern sie folgen und orientieren sich stark an land-schaft lichen Strukturen wie Fließgewässern, tälern, Waldrändern oder hecken. auf den ersten Blick unvorstellbar, können unter bestimmten umständen breite Verkehrsträger für Fledermäuse trotz ihrer Flugfähigkeit schnell zu einer Barriere werden. Daher spielt der erhalt von Wildtierkorridoren, die bei geeig-neter Lage als migrationsrouten von Fledermäusen genutzt werden können, eine wichtige rolle. auch die hochrheinregion ist für Fledermäuse grenzüber-schreitend als reproduktions- und nahrungsraum bedeutend, wie in abb. 9 zu erkennen ist. Vor dem hintergrund faunistischer unter-suchungen gelten Fledermäuse darüber hinaus als

eine tiergruppe, die als indikator sehr aussage-kräftige Bewertungskriterien zur Qualität eines untersuchungsgebietes liefern kann. ihre ökolo-gischen Bedürfnisse spiegeln die ansprüche vieler anderer tiergruppen wieder, denn ihre Lebensräume liegen häufi g in strukturreichen Gebieten, die eine große Diversität an nahrungstieren und potenziellen Quartieren besitzen. Die 36 europäischen Fledermausarten können auf-grund ihres migrationsverhaltens in zwei Gruppen eingeteilt werden (alle genannten Beispielarten kom-men im hochrheingebiet vor):. Fernwanderer, jährliche Wanderungen bis zu 2.000 km zwischen Sommer- und Überwinterungsgebieten (z.B. abendsegler, Kleinabendsegler, rauhaut-fl edermaus) . regionale Wanderer, die migrationsdistanzen liegen i.d.r. unter 100 km (z.B. Große hufeisennase, Großes mausohr, mopsfl edermaus, Bechsteinfl edermaus, Wimperfl edermaus)

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SchutzStatuSStreng geschützte Art nach Anhang IV

der FFH-Richtlinie (RL 92/43/EWG)

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legende

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See

Fluß

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Hufeisennase

Mopsfl edermaus

Wimperfl edermaus

Mausohr

Bechsteinfl edermaus

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abb. 9 und 10nachgewiesene Vorkommen verschiedener FledermausartenBisherige Untersuchungen belegen Vorkommen repräsen-tativer Fledermausarten beidseits der Grenze. Bezüglich der Migrationswege der hier vorkommenden Fledermausarten bzw. des Vernetzungsbedarfs ihrer Lebensräume besteht weiterer Untersuchungsbedarf (Brinkmann, mündlich).

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Der hochr hei nG r e n z e u n D B a r r i e r e F Ü r W i L D t i e r e

as hochrheintal hat sich mit seinen zu beiden Seiten liegenden Siedlungsbändern, Straßen, Bahnstrecken, uferbefestigungen, sowie intensiv

genutzten agrarfl ächen zu einer der am stärksten frag-mentierten Grenzen der Bundesrepublik entwickelt. Diese, insbesondere in Bezug auf die ökologie, sehr negative entwicklung ist noch nicht abgeschlossen. aktuell befi nden sich beispielsweise weitere abschnitte der hochrheinautobahn a98 teils in Planung, teils in Bau. hinzu kommen Großbauvorhaben wie das Pumpspeicherkraft werk atdorf. obwohl Wildtiere keine administrativen Gren-zen kennen und natürliche Flussläufe seit jeher überwinden, gelingen ihnen hier kaum noch grenz-überschreitende Bewegungen. Die wenigen Bänder, die eine nord-Süd-Querung noch zulassen, sind durch Wildunfallschwerpunkte an den kreuzenden Straßen

gekennzeichnet. hier treten die mobilitätshindernisse für Wildtiere auf dramatische Weise zu tage - an anderen Stellen entlang des hochrheins ist jede weiträumige Bewegung schon längst durch unüber-windbare Barrieren unterbunden So hat sich das hochrheintal im Laufe der zeit über viele Jahrzehnte schleichend zu einer bedeutenden und nur an wenigen Stellen durchlässigen Barriere für Wildtiere entwickelt. Diese Barrierewirkung der Siedlungs- und Verkehrsinfrastruktur wird am hochrhein zusätz-lich durch andere, für Wildtiere ungeeignete Flächennutzungen verstärkt. Gerade im landwirt-schaft lichen Bereich führt die hohe intensität der nutzung zu teilweise ausgeräumten Landschaft en, die keine Deckungsmöglichkeiten für Wildtiere mehr bieten.

dBad Säckingen

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Rhein

Bad Säckingen Bad Säckingen

Rhein abb. 11das Straßen- und wegenetz erschließt Landschaften bis in den letzten Winkel, wie hier an einem Beispiel zwischen Bad Säckingen und Waldshut dargestellt. Von links nach rechts werden zunächst überre-gionale Verkehrsachsen, dann regionale und schließlich untergeordnete Straßen und Wege eingeblendet. Siedlungen bil-den bereits durchgehende Bänder.

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Siedllungen

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Straßen/Wege

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St r aSSen G e F a h r e n F Ü r W i L D t i e r e

traßen haben vielfältige Wirkungen sowohl auf die Lebensräume, als auch auf die tier- und Pflanzenarten selbst. einigen wenigen

positiven aspekten stehen zahlreiche negative effekte gegenüber. Die ansätze, mit instrumenten der eingriffsplanung diese auswirkungen zu minimieren oder auszugleichen sind bisher noch nicht ausreichend. zum einen werden Summationswirkungen selten berücksichtigt, zum anderen wurden diese instrumente beim älteren Straßenbestand nie angewendet. zudem sind die Bezugsflächen um den eingriff in der regel viel zu klein. ein weiteres Problem ergibt sich aus der zufälligen Verteilung von maßnahmen im rahmen von eingriffsplanungen. Sie ergeben keine funktio-nalen ökologischen netzwerke und unterstreichen damit die notwendigkeit einer systematischen wildtierökologischen raumplanung. Von allen auswirkungen des Straßenverkehrs auf Wildtiere sind Wildunfälle die unmittelbarsten. Sie werden von uns menschen am ehesten wahr-genommen. in Baden-Württemberg verunfallen fast 20.000 rehe im Straßenverkehr jährlich – im Durchschnitt entspricht das aller halben Stunde einem reh! im landesweiten Vergleich für Baden-Württemberg sind die anrainergemeinden am

hochrhein überdurchschnittlich stark von Wildunfällen betroffen. in der Schweiz ergaben untersuchungen, dass neben dem illegalen abschuss die größte Gefährdung für den Luchs vom Straßenverkehr ausgeht. Bei anderen arten ist der Straßentribut schon aus methodischen Gründen kaum erfassbar. Beispiele hierfür sind die hohen Straßenverluste bei Krötenwanderungen oder unter Kleinsäugern wie igel, marder und mäusen. Sehr schnell sind dann solche arten in ihrem Bestand gefährdet, die bereits unter natürlichen Bedingungen in geringen Dichten vorkommen, nur lokal verbreitet sind oder wenige nachkommen haben. Dadurch kön-nen Populationsverluste durch Straßen nicht ausgeglichen werden, die Population schrumpft und stirbt schließlich aus. Das flächendeckend und häufig vorkommende reh ist deshalb anders zu bewerten als ein Luchs, eine Wildkatze, eine Kreuzotter oder Laufkäfer. andererseits stellen die vielen Wildunfälle mit rehen eine Gefährdung der Verkehrssicherheit dar und zie-hen als Folge enorme Sachschadensregulierungen nach sich - geschätzte 40.000.000 euro jährlich allein für Baden-Württemberg.

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51%

40%

3%

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ausgestorben/verschollen

gefährdet

ungefährdet

Vorwarnung

Daten unzureichend

abb. 13gefährdung von tierarten in deutschland

Fast jede zweite Tierart ist in Deutschland bereits gefährdet oder ausgestorben. Vor allem die Spezialisten unter den Arten mit geringem Tolerierungsbereich gegenüber Veränderungen ihres Lebensraumes, die soge-nannten Kulturfl üchter sind betroffen.

(Quelle: Binot u.a. BfN 1998)

Schadstoff-emissionen

Korridor

RandeffektTote Tiere als Nahrungsquelle

Tierverluste durch Verkehr

Ausweichen

Korridor

Barrierewirkung abb. 14wirkungen von Straßen auf tiere

Straßen sind für die meisten Tiere zumindest störend. Oftmals ist die Belastung aber so groß, dass durch Verluste ganze Populationen

gefährdet sind. (Quelle: COST-Handbuch 2003)

abb. 12 negative Folgen des Verkehrs | (Von links) Straßenopfer Hase, Gleisanlagen als tödliche Barriere (Hochrheintal-Bahn), Sachschäden, Straßenopfer Reh.

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W iLDt i er Kor r iDor e a m hochr hei nL ö S u n G S a n S ä t z e

ie wichtige Botschaft lautet: Der natur am hochrhein, den Wildtieren und anderen mit ihnen assoziierten arten kann geholfen werden!

Die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Projekt sind gegeben. neben dem interesse vieler politischer entscheidungsträger, vor allem in den betroff enen Landkreisen bzw. Kantonen am hochrhein, för-dern auch die gesetzlichen rahmenbedingungen auf eu-, Bundes- und Landesebene die etablierung von Wildtierkorridoren. auf beiden Seiten des rheins sind sehr wichtige Grundlagen für diese Problematik geschaff en worden: in Baden-Württemberg ist im Jahr 2010 der Generalwildwegeplan vom Kabinett verabschiedet worden. er zeigt landesweit die über-regionalen Korridore für Wildtiere auf und stellt für die nächsten Jahre die fachliche Grundlage für umsetzungsmaßnahmen in der eingriff splanung dar. in der Schweiz sind die Korridore für Wildtiere schon

2001 ermittelt worden und werden seitdem von den einzelnen Kantonen erhalten bzw. wiederhergestellt. aus fachlicher Sicht muss auf der Grundlage dieser großräumigen Verbundachsen auf lokaler ebene eine wissenschaft lich fundierte analyse der grenzüber-schreitenden Korridore am hochrhein erfolgen. Die planerische Sicherung und maßnahmenempfehlungen folgen als nächstes. Darauf auf bauend soll die umsetzung von Wiedervernetzungsmaßnahmen priorisiert und koordiniert werden. auch mit relativ kleinen maßnahmen kann vielen Wildtieren schon geholfen werden. Bereits klei-nere Veränderungen an unterführungen, z.B. die auft ragung eines geeigneten Substrats, können aus unüberwindbaren Barrieren für Wildtiere passier-bare Bauwerke machen. ein anderes Beispiel ist die Gestaltung von Gewässerdurchlässen. in abb. 16 ist ein aufgeweiteter Kleingewässerdurchlass abgebildet,

der an den Seiten ausreichend Platz für Großsäuger bietet. rothirsche würden erfahrungsgemäß einen solchen Durchlass aufgrund der geringen höhe trotz-dem meiden. als größte herausforderung steht vor allem die Frage nach der Finanzierung sowohl der Planungen als auch der nachfolgenden umsetzung im raum. Da das Projekt auf verschiedenen maßstabsebenen rele-vant ist, erscheint insbesondere eine Kofi nanzierung des Planungsteils durch verschiedene träger als faire Lösung. Soweit erforderlich sollten aber maßnahmen an der Verkehrsinfrastruktur vom Baulastträger nach dem Verursacherprinzip getragen werden. Denkbar ist in der umsetzung von maßnahmen aber auch die Berücksichtigung langfristiger Sanierungsintervalle der infrastruktur.

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abb. 15grenzübergreifende VernetzungsmöglichkeitenDie Doppelpfeile markieren potenzielle Suchräume für grenz-überschreitende Wildtierkorridore am Hochrhein, basierend auf einer Auswertung von Konzepten und Planungsunterlagen aus der Schweiz und Arbeiten der FVA.

Aarau

Basel

Zurich

Freiburg

Schaffhausen

Bad Säckingen

Donau

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Aare

abb. 16Bestandsbauwerke als tierquerungshilfeGewässerunterführungen können bei richtiger Gestaltung ebenfalls als Querungshilfe für Wildtiere nützlich sein. Für einen Rothirsch wäre eine solche Unterquerung aber zu niedrig.

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mögliche Korridore

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W iLDt i er Kor r iDor e a m hochr hei nD i e P r o J e K t i D e e

ProjektzielProjektziel ist die Schaffung von Grundlagen zur erhaltung und Sicherung der letzten möglichkeiten für Wildtiere, den hochrhein zu passieren. Dies soll durch eine bisher einzigartige grenz- und fach-übergreifende zusammenarbeit von verschiedenen Verwaltungsebenen, regionalplanungen, Verbänden und Wissenschaft auf deutscher wie auch schweizer Seite erreicht werden. Durch ein solches binationales Projekt sollen detaillierte planerische Voraussetzungen geschaffen und beispielhaft Lösungen für ggf. auftre-tende Konflikte aufgezeigt werden. Die systematische aufarbeitung entlang einer internationalen Grenze hat Pilotcharakter.

erwarteteS ergeBniSals ergebnis werden mehrere grenzüberschreitende Korridore planerisch abgegrenzt und sichergestellt. Für jeden dieser Korridore werden empfehlungen für wichtige maßnahmen zur entschneidung, optimierung und Sicherung erarbeitet. anhand der in Planung befindlichen abschnitte der a 98 (hochrheinautobahn) sollen Wege aufge-zeigt werden, überregionalen Straßenbau und Lebensraumvernetzung aufeinander abzustimmen. Das Projekt charakterisiert die hochrheinregion als mitteleuropäisches modell für eine nachhaltige grenz-überschreitende zusammenarbeit zweier Länder.

BiSherige anStrengungenin mitteleuropa ist die Schweiz in der Planung und umsetzung von Korridoren eine der füh-renden nationen. Sie hat ein rechtsverbindliches Konzept zur umsetzung der national bedeutsamen Lebensraumvernetzung verabschiedet. es steht in der Verantwortung der einzelnen Kantone, regio-nale Korridore umzusetzen. auf deutscher Seite zeigen die durch die FVa durchgeführten untersuchungen und der für ganz Baden-Württemberg erarbeitete Generalwildwegeplan die Bedeutung der region für den überregionalen Verbund. Vom Kabinett in Baden-Württemberg ist inzwischen der Generalwildwegeplan verabschiedet worden. auf deutscher Seite ist jedoch ein größerer aufwand erforderlich, um an den entwicklungsstand der Lebensraumvernetzung in der Schweiz anschließen zu können.

ProjektregionDie Projektregion deckt den gesamten hochrhein zwischen Bodensee und Basel ab und reicht so weit ins hinterland, daß die Korridore jeweils an größere geschlossene Waldgebiete (Freiräume) anschließen. Das Gebiet betrifft vor allem Flächen der Landkreise Waldshut und Lörrach auf deutscher Seite sowie die Kantone aargau, Schaffhausen, Basel-Land, zürich und Thurgau auf der schweizer Seite.

zeitlicher aBlauFDas Projekt sieht mehrere verzahnte module über einen zeitraum von 5 Jahren vor.

nutzen Für die regionGrundlegende ökologische Funktionen der hochrheinregion bleiben erhalten oder werden wie-der hergestellt. Die internationalen anstrengungen zur Lebensraumvernetzung können die region durch öffentlichkeitsarbeit als besonders nach-haltig und ökologisch bewusst herausstellen. Die umsetzung der Planung wirkt sich direkt und indi-rekt auch zum Vorteil der Bewohner aus, da neben Wildtierlebensräumen insbesondere auch die Lebens- und Wohnqualität optimiert werden. unter dem Gesichtspunkt von naturnahem tourismus in der region könnte das Vorhaben als wichtiger aspekt einer nachhaltigkeitsstrategie eingebracht werden.

Beteiligte gruPPenum den erfolg des Projektes zu sichern, sollen alle betroffenen interessengruppen an einem transparenten und partizipativen Planungsprozess beteiligt werden.

nächSte erForderliche SchritteDamit es weiter gehen kann, ist als nächster Schritt ein politischer Konsens zwischen der Schweiz und Deutschland sowie eine gesicherte Finanzierung erfor-derlich.

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W iLDt i er Kor r iDor e a m hochr hei nF a K t e n , D a t e n u n D Q u e L L e n i m Ü B e r B L i c K

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W i r D A n K e n▶ roman eyholzer (ch) – informationen zu Säugern in der Schweiz▶ Dr. Peter Voser (BVu-Kanton aargau) – informationen zu Säugern im Kanton argau▶ Dr. Dominik Th iel (BVu-Kanton aargau) für die kritische Durchsicht des manuskripts▶ Dr. robert Brinkmann – informationen zu Fledermäusen in der hochrhein-region▶ Dr. heinrich reck – informationen zu Wirbellosen▶ abteilung informatik des Kantons aargau, aarau (ch) – Bereitstellung von Datengrundlagen▶ allen Bildautoren

b i L D n A c H W e i Sumschlagseite 2 ▶ hochrhein: G. Th önenSeite 2-3 ▶ Frischlinge: K. echleSeite 7 ▶ alle tierbilder: K. echle, Grünbrücke: m. StreinSeite 8-9 ▶ rothisch: e. marekSeite 10 ▶ Gämsen: D. Th ielSeite 13 ▶ Luchs und Wildkatze: K. echle, Wolf: e. marekSeite 15 ▶ Fledermaus: K. echleSeite 18-19 ▶ Dachs: K. echleSeite 19 ▶ hase: m. Strein, Bahn u. auto: D. renkawitz, reh: P. zellerSeite 21 ▶ Gewässerunterführung: m. StreinSeite 23 ▶ reh: e. marek

i M P r e S S U M▶ Kontakt▷ Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVa), www.fva-bw.de Wonnhalde 4, 79100 Freiburg, tel.: 0761/4018-0▷ hochrheinkommission, im Wallgraben 50 D-79761 Waldshut-tiengen, www.hochrhein.org▶ idee & Konzeption martin Strein (FVa)▶ autoren martin Strein (FVa), rudi Suchant (FVa)▶ Gestaltung matthias Wieber, Freiburg

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Forstliche Versuchs- und ForschungsanstaltBaden-Württemberg