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Der Kampf des Konquestors

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Nr. 2103

Der Kampf desKonquestors

Auf einer verbotenen Welt - TrahRogue will zurück in die Galaxis

von Horst Hoffmann

Auf den von Menschen besiedelten Planeten der Milchstraße schreibt man dasJahr 1306 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, dies entspricht dem Jahr 4893 alter Zeit.Eigentlich weisen alle Anzeichen auf eine friedliche Entwicklung der Erde und der ge-samten Liga Freier Terraner hin.

Perry Rhodan konnte mit aktiver Hilfe der anderen »Unsterblichen« die letzten Be-drohungen beseitigen, wenngleich unter großen Opfern. Die negative Superintelli-genz SEELENQUELL, ein vergleichsweise junges Geisteswesen mit erstaunlicherMacht, wurde besiegt, die unterjochten Völker der Menschheitsgalaxis bekamen ihreFreiheit zurück. Geschwunden sind jedoch nicht die Spannungen zwischen denGroßmächten der Milchstraße, vor allem zwischen der Liga und dem Imperium derArkoniden.

In dieser Situation kommt unverhoffter Besuch in die Milchstraße - durch das Ster-nenfenster im Raumsektor Hayok, das mit Hilfe einer unglaublichen Technik errichtetwurde und eine Verbindung zum Reich Tradom erlaubt, fast vierhundert MillionenLichtjahre von der Menschheitsgalaxis entfernt.

Die Fremden verfügen über Waffen und Schutzschirme, die den galaktischenSchiffen überlegen sind. Und sie besitzen mit dem affenartigen Trah Rogue, der sichals Konquestor bezeichnet, einen Anführer mit ungebremstem Selbstvertrauen. Dieszeigt sich auch bei seinem härtesten Kampf - es ist DER KAMPF DES KONQUE-STORS …

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Die Hautpersonen des Romans:Trah Rogue - Der Konquestor von Tradom erkennt sein spezielles Überlebenspotenzial in sich.Tiki - Der kleine Kettensklave wird durch den Sumpf gezogen.Smarto Kim - Der Galactic Guardian beutet am liebsten hilflose Eingeborene aus.Tiver und Vemberey - Zwei Akonen suchen nach einem Überlebenden.Perry Rhodan - Der Terranische Resident setzt sich auf die Spur des Konquestors.

Prolog

Nach jedem menschlichen Ermessen hätteer tot sein müssen, verbrannt und verstrahltin dem, was von seiner Yacht MARZOMnoch übrig geblieben war.

Die MARZOM hatte sich von einem lei-stungsfähigen Raumfahrzeug in ein Konglo-merat kreischender, qualmender und Strah-lung emittierender Aggregate verwandelt.Nur der hochwirksame Schutzschirm seinesThrons erhielt Trah Rogue am Leben.

Und Trah Rogue war einfach kein Men-sch. Nach terranischer Meinung ähnelte ereher einem überdimensional großen Affen-wesen von 2,10 Metern Höhe, das mit bun-ten Gewändern bekleidet war und auf demSchädel eine Krone trug, die wie mit denKnochen verwachsen schien. Von der Hüftebaumelte ein ein Meter langer Gegenstand,der an einen Spazierstock erinnerte.

Der Konquestor von Tradom schwebteauf seinem fliegenden Thron durch denKommandostand. Überall sah er die Mitglie-der seiner Besatzung zusammensinken undqualvoll sterben. Eine unfassbare Situation!Er war der Konquestor, und die Terranerhatten ihn aus der Reserve gelockt. Vor al-lem dieser PerryRhodan!

Der Terranische Resident hatte ihn mit ei-ner Holo-Show provoziert. Trah Rogue erin-nerte sich an jedes Bild, an jede Darstellung;die Eindrücke hatten sich ihm geradezu insBewusstsein gebrannt.

Er sah das Bild vor sich, es zeigte ihnselbst, Trah Rogue. Er war besiegt, Rhodanhatte ihm das gepflegte Fell vom Leib ge-brannt, bis er winselnd vor ihm auf den Kni-en lag.

Er hatte die Schlacht verloren. Ihm drohte

nun hier, fern von Tradom, ein unrühmlichesEnde. Wenn die MARZOM explodierte,nützte ihm sein Schutzschirm nichts mehr.Mit diesen Gewalten wurde auch er nichtfertig.

Er war zwar der Feuerwalze der Milch-straßenbewohner in letzter Sekunde entkom-men, während sein Schlachtschiff explodier-te, aber rings um ihn knisterte und fauchtees, sprangen Stichflammen aus den Aggre-gaten und Pulten.

Die Hologramme waren nahezu komplettzusammengebrochen. Einige wenige Bild-schirme flackerten noch, zeigten aber kaumetwas an. Der Konquestor flog blind. Alleseine Bemühungen, ausgefallene Instrumen-te zu reaktivieren, brachten nichts ein.

Die MARZOM war verloren. Zwar hattesie noch den Sprung in den Hyperraum ge-schafft und hielt sich auch jetzt noch in die-sem Kontinuum auf, doch Trah Rogue warRealist genug, um zu wissen, dass ihn nachder Rematerialisation im Normalraum dasAus erwartete.

»Nein!«, schrie er. »Nichts bricht dieMacht von Tradom!«

Aber niemand hörte ihn mehr. Er war al-lein.

Dennoch lebte er. Noch schützte ihn seinSchirm gegen die tödliche Hitze und Strah-lung an Bord des Wracks.

Aber was nützte ihm das? Rogue ver-mochte keinen Einfluss mehr auf den Kursder Yacht zu nehmen. Sie befand sich unterder Kontrolle eines automatischen Systems,das nur sporadisch funktionierte.

Die MARZOM hatte sich in eine fliegen-de Zeitbombe verwandelt. Mit hoher Wahr-scheinlichkeit würde auch der nur an Erfolgegewöhnte Konquestor diesen unkontrollier-ten Flug nicht überleben, diese Flucht! Das

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war etwas, das Trah Rogue mit ohnmächti-ger Wut erfüllte.

Neben, vor und hinter ihm glühte und fun-kelte es. Rogue musste die Augen zusam-menkneifen. Er würgte Dunkle Gebete her-vor. Dunkelrote, flackernde Glut umgab ihn.Einige der toten Besatzungsmitgliederbrannten.

In seinem dichten schwarzen Fell fühlte erTiki, seinen Reinigungssklaven, hektischumherhuschen. Aber die sonst so penibelverfolgte Reinigung des Pelzes war in diesenMomenten das Letzte, was die Aufmerksam-keit des Konquestors gefangen hätte.

»Nein!«, kreischte das Wesen aus Tra-dom, das über eine Entfernung von fast vier-hundert Millionen Lichtjahren durch dasSternenfenster von Hayok in die Milchstraßegekommen war.

Trah Rogue blickte auf die wenigen Bild-schirme, die noch nicht explodiert warenund ab und zu Daten lieferten. Und dann,Rogue hatte sich schon mit dem Gedankenvertraut gemacht, im Hyperraum zu stran-den, veränderten sich schlagartig die weni-gen vertrauten Bilder.

Der Konquestor begriff sofort.Sein Schiff war unvermittelt in den Nor-

malraum zurückgefallen. Ein Blick auf sei-nen Zeitmesser und das Wissen um diewahrscheinliche Geschwindigkeit der MAR-ZOM ließen ihn ahnen, dass er nicht mehrals maximal tausend Lichtjahre von Terrazurückgelegt haben konnte. In welcher Rich-tung allerdings Terra oder das Sternenfen-ster liegen konnten, darüber gewährten diesporadischen Anzeigen keinen Aufschluss.

Was sie ihm verrieten, war mehr, als ernoch vor Minuten hatte erwarten können. Inder Glut des Kommandostandes las er aufflackernden Bildschirmen Daten ab, die ihmsagten, dass er nicht weit von dem einzigenPlanten einer kleinen roten Sonne entfernt»herausgekommen« war. Seine Yacht triebgenau auf den Planeten zu.

Trah Rogue verschwendete keine Zeit da-mit, auszurechnen, wie groß oder klein dieWahrscheinlichkeit war, dass er in unmittel-

barer Nähe einer vielleicht rettenden Weltaus dem Hyperraum gekommen war undnicht Lichtjahre entfernt im Leerraum zwi-schen den Sonnen dieser Galaxis. Er legtedie rechte Hand auf die Stirn: sein Dank andas Universum. Aber hatte er wirklichGrund dazu?

Das kleine Schiff, 110 Meter lang und 66Meter breit, trieb direkt auf den Planeten zu,weiterhin ohne eine Chance für Rogue, sei-nen Kurs zu beeinflussen.

Immer wieder setzten sekundenweise dieTriebwerke ein. Es sah ganz so aus, als wol-le das praktisch zerstörte automatische Sy-stem eine Notlandung versuchen.

Aber was immer der Konquestor auchversuchte, das System ließ sich weder steu-ern noch abschalten. Der Absturz der Yachtstand offenbar unmittelbar bevor.

Trah Rogue kam zur Ruhe. Er zwang sichdazu. Er schwebte mit seinem Thron und inseinen Schutzschirm gehüllt durch die bren-nende Zentrale, hinweg über die Leichenseiner Besatzung. Noch schützte ihn seinSchirm. Noch zeigte er keine Ausfälle oderÜberlastungsanzeigen. Was Trah Roguejetzt tun musste, war, die Nerven zu behal-ten. Vielleicht geschah ja das Wunder und erüberlebte den unvermeidlichen Aufprall.Vielleicht feuerten die Bremsdüsen nocheinmal …

Noch war er nicht tot, und solange er leb-te, konnte er keine Panik brauchen - allesaußer ihr. In ihm war plötzlich die Erinne-rung an zahllose bestandene Kämpfe. Daswar gewesen, bevor er zum gemächlichen»Thronhocker« geworden war, was ihm alleBewegungen abnahm.

Trah Rogue bereitete sich auf den Kampfvor - vielleicht auf den letzten seines Le-bens.

1.Perry Rhodan

27. Oktober 1311 NGZ

Perry Rhodan hatte ein gutes Gefühl: Sei-ne neuen Gäste würden zu guten Freunden

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werden. Der Terraner hatte tausendfachErstkontakt zu Außerirdischen gehabt, hattetausendmal mit neuen Völkern das Gesprächgesucht. Er war sicher: Die Jankaron gehör-ten zu den jungen, aufmüpfigen Völkern,und ihr Kommandant war der Erlebnishung-rigste der kleinen Gruppe.

Zusammen mit Ascari da Vivo, Bré Tsin-ga und Reginald Bull saß der Terraner in ei-nem Besprechungsraum der LEIF ERIKS-SON dem Kommandanten des vor einer hal-ben Stunde an Bord genommenen Raumersgegenüber. Und dieser Kommandant warRoxo Quatron aus dem aufstrebenden Volkder Jankaron. Seine Heimat war der Kugel-sternhaufen Virginox, der wiederum rund30.000 Lichtjahre »außerhalb« der Riesen-galaxis Tradom lag.

Die Terraner hatten Quatron und seineBegleiter in buchstäblich letzter Minute vordem Vernichtungsfeuer der sieben Katamar-Schlachtschiffe gerettet, die ihnen durch dasHayok-Sternenfenster gefolgt waren. Unddann hatte die LEIF ERIKSSON den so ge-nannten CoJito-Planetenjäger mitsamt seinerBesatzung eingeschleust.

Jankaron besaßen einen humanoiden Kör-perbau und einen Schädel, der dem einesRaubvogels glich. Aus tief schwarzen Au-gen blickte Roxo Quatron auf seine Ge-sprächspartner, als beobachte er aus großerHöhe eine Beute. Rhodan wusste, dass die-ses Bild von Klischees bestimmt wurde,aber es passte zu dem vorhandenen Ein-druck.

»Roxo Quatron«, sagte Rhodan, nachdemder Fremde den ersten Teil seines Berichtsbeendet hatte, »wir möchten mehr wissen.Du hast die Alten erwähnt, die Eltanen. Duhast gesagt, dass ihr ohne euer Zutun mit ih-nen zusammengetroffen seid. Wie kam esdazu?«

Die Translatoren übersetzten die Sprachedes Jankaron, das in Tradom und seinemUmfeld gebräuchliche Anguela-Idiom, insInterkosmo und umgekehrt.

Quatron kniff seine Raubvogelaugen zu-sammen, was ihm ein bedrohliches Ausse-

hen verlieh. Seine Worte hingegen klangenoffen und freundlich.

»Weiß ich nicht, Rhodan«, antwortete er.»Sie holten uns aus dem Transitionsflugdurch den Hyperraum zu sich. Bitte fragnicht, wie das möglich war. Offenbar hattensie die Mittel dazu. Sie verfügen über eineder unseren weit überlegene Technik, abersie sind alt geworden und kraftlos.«

»Und deshalb holten sie sich euch«, warfBull ein, »als Vertreter eines jungen, aufstre-benden und wagemutigen Volkes. Sie müs-sen euch lange beobachtet haben.«

Ascari da Vivo beugte sich nach vorne.Die hoch gewachsene, junge und schöne Ar-konidin war sich ihrer Ausstrahlung vor al-lem auf Männer voll und ganz bewusst. Beiden Jankaron wirkte das offensichtlich nicht,Quatron schaute sie an, reagierte aber nichtauf ihre offenkundigen Reize.

»Ihr gefallt mir«, sagte die Admiralin.»Ihr gefallt mir sogar sehr.«

Roxo Quatron warf ihr einen irritiertenBlick zu, sagte aber nichts. Dann wandte ersich wieder an Rhodan.

»Scheint so. Auf jeden Fall trauten sie unszu, was sie nicht mehr können, nämlich dieAbsperrlinie der gut zwanzigtausendSchlachtschiffe um das Sternenfenster zudurchbrechen.«

»Mit dem Ziel, Kontakt mit uns Milch-straßenvölkern aufzunehmen und uns zuwarnen«, wiederholte Rhodan das schonvorher Gehörte.

»Mit dem Ziel, eine Art Allianz zwischenden Milchstraßenvölkern und den Eltanenzustande zu bringen«, konkretisierte der Jan-karon.

»Und wie soll diese Allianz aussehen?«,wollte Bull wissen.

»Davon haben die Eltanen wohl keinekonkrete Vorstellung. Ich befürchte bei allerHochachtung, dass so etwas wie eine kon-krete Vorstellung überhaupt nicht existiert.So etwas wie strategisches Denken traue ichden Alten nicht zu. Das letzte ihnen verblie-bene Raumschiff, das zum Durchbrechender feindlichen Linien geeignet war, haben

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sie mir und meiner Crew anvertraut. Dar-über hinaus scheinen sie militärisch macht-los zu sein.«

»Das vermutest du«, sagte Rhodan.»Vermute das.« Roxo keckerte. »Die El-

tanen haben mir wohl aus Sicherheitsgrün-den nicht mehr verraten. Ich weiß es alsonicht sicher, aber alle Wahrscheinlichkeitspricht doch dafür.«

»Und was soll dann ein Pakt mit ihnen?«,fragte Ascari da Vivo. »Wenn sie so ohn-mächtig sind, sind sie für uns keine Hilfe.«

»Du darfst nicht nur militärisch denken«,kritisierte Rhodan, um sich gleich daraufwieder dem Jankaron-Kommandanten zuzu-wenden. »Roxo Quatron, hast du eine Vor-stellung davon, warum die Eltanen diese Al-lianz wollen?«

»Die Eltanen befürchten, dass die Machtdes Reiches Tradom ins Unermesslichewachsen wird, wenn es ihm auch noch ge-lingt, sich die Milchstraße mit ihrem großenPotential einzuverleiben. Das Reich wäredann über Jahrtausende hinweg nicht mehrangreifbar, und das ist nicht im Sinne der El-tanen.«

Quatron legte eine kurze Pause ein. Nie-mand unterbrach ihn.

Dann fuhr der Jankaron fort: »Was ichkonkret bieten kann, ist ein Treffpunkt aufder anderen Seite des Sternenfensters. Dortkönnen die Völker der Milchstraße mit demRaumschiff der Alten Kontakt aufnehmen.«

*

Roxo Quatron war zu seinen Begleiternzurückgekehrt. Man hatte ihnen an Bord derLEIF ERIKSSON Quartiere zugeteilt. Asca-ri da Vivo hatte sich per Transmitter in ihrFlaggschiff, die KARRIBO zurückstrahlenlassen.

Perry Rhodan, Reginald Bull und BréTsinga waren unter sich.

»Die Eltanen verfolgen durchaus eigeneInteressen«, sagte Rhodan. »Immerhin ha-ben sie das Sternenfenster nach der gelunge-nen Flucht der vier Jankaron so umgepolt,

dass ein Transit nur von hier nach Tradommöglich ist.«

»Hältst du es wirklich für eine gute Idee,hinüberzufliegen? Momentan noch könntenwir das Fenster passieren - doch wer weiß,wie lange noch? Und dann hätten wir es mitZigtausenden von Katamar-Schiffen zu tunund die könnten selbst von einer Riesenflot-te nicht besiegt werden.«

»Denkbar wäre auch«, sagte Bré Tsinga,»dass die Wissenschaftler des Reichs dasFenster ganz einfach abschalten können,oder nicht?«

»Wir wissen nichts über die Möglichkei-ten des Reiches«, sagte Bull.

»Allein deshalb wäre es wichtig, auf dieandere Seite zu gelangen«, meinte Rhodan.»Nur dort können wir uns die Informationenbesorgen, die wir brauchen.« Er wandte sichan die Kosmopsychologin. »Welchen Ein-druck hast du von Quatron?«

Bré Tsinga lächelte. »Den besten. Er istehrlich zu uns, da bin ich mir sicher. SeineGeschichte stimmt. Es ist nicht Quatron, we-gen dem ich mir Sorgen mache.«

»Sondern?«, fragte Rhodan, ohne eineMiene zu verziehen.

»Du, Perry. Du hast noch mit keinemWort die sieben Katamar-Schlachtschiffe er-wähnt, die mit dem Planetenjäger durch dasHayok-Stemenfenster gekommen sind. Duhast nichts von Trah Rogue gesagt, der mitseiner Yacht entkommen ist. Könnte es sein,dass du es verdrängst? Es von dir wegschie-bst, weil die Vorstellung, was diese siebenGiganten mit ihrer Feuerkraft in der Galaxisanrichten könnten, zu schrecklich ist?«

Rhodan presste die Lippen zusammen undschüttelte den Kopf.

»Nein, Bré«, sagte er dann. »Ich kenneden Ernst der Situation. Sämtliche zur Ver-fügung stehenden Orterstationen, Raum-schiffe und Stützpunkte aller Art sind ange-halten, gezielt nach den sieben KatamarenAusschau zu halten. Dasselbe gilt für die Ar-koniden und für sämtliche Verbündeten un-serer beiden Machtblöcke. Aber bisherscheinen die Katamare wie vom Hyperraum

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verschlungen zu sein. Glaubst du, ich wüsstenicht, was sieben Schiffe dieser Klasse inder Milchstraße anrichten könnten? Mirwird schwindlig bei dem Gedanken! Solan-ge sie nicht aufgespürt und irgendwie neu-tralisiert werden können, stellen sie eine po-tenzielle Gefährdung für praktisch jedesSonnensystem dar. Ich habe keine solcheFrage an Roxo Quatron gestellt, weil er siemit Sicherheit nicht hätte beantworten kön-nen. Er und seine drei Freunde haben keineVorstellung von der Macht des Reiches.«

»Okay, Perry«, sagte Tsinga. »Aber wasist mit dem Konquestor? Wir wissen nicht,ob die MARZOM wrack geschossen wordenist oder wo er sich aufhält.«

»Immerhin konnte sie noch in den Hyper-raum entkommen«, meinte Reginald Bull.Er schnitt eine Grimasse.

»Mir bereitet der Konquestor mehr Sorgeals die Schiffe«, gab Rhodan zu, »denn er istzweifelsohne ein hochintelligenter Charak-ter, der zu unvorhergesehenen Aktionen fä-hig ist. Solange sein Verbleib nicht geklärtist, wird es für die Milchstraße keine Ruhegeben.«

»Das wissen wir doch, Perry. Ich sage esnoch mal: Wir werden ihn finden, wenn ernoch lebt. Wo bleibt dein Optimismus?«

»Optimismus?«, fragte Rhodan ärgerlich.»Woher sollte ich Optimismus nehmen, beiallem, was schon ein Riesenkatamar an Op-fern gekostet hat? Millionen von Raumfah-rern sind durch die neue Bedrohung gestor-ben und es werden noch mehr werden. EineBedrohung in einer Reihe von vielen in denletzten Jahren. Zuerst Goedda, dann Dscher-ro und die Kosmischen Fabriken, schließlichdas Kristallimperium und SEELENQUELL.Verdammt!« Er schlug mit der Faust auf dieTischplatte. »Wann wird die Menschheitendlich wieder in Frieden leben können?«

»Das war ein Gefühlsausbruch, Perry«,stellte Bré Tsinga nüchtern fest.

Um Rhodans Mundwinkel zuckte es.»Den hast du dir doch gewünscht, oder? Ichbitte dich, die vier Jankaron weiter zu beob-achten, Bré. Mehr kannst du jetzt auch nicht

für uns tun.«

2.Trah Rogue

Die flammende MARZOM raste beinaheungebremst auf den Planeten zu. Trotzdembehielt Trah Rogue die Nerven. Unbeweg-lich saß er auf seinem fliegenden Thron, um-geben von dem bisher noch nicht flackern-den Schutzschirm. Tiki, der handtellergroßeFellsklave, schrie gepeinigt und flüchtetesich in seiner Angst noch mehr in die mitfeinen Werkzeugen betriebene Fellpflegeseines Herrn.

Der Konquestor von Tradom hatte sichunter Kontrolle. Kalt und berechnend ver-suchte er angesichts des Untergangs noch soviele Details wie möglich in sich aufzuneh-men. Von seiner ehemaligen Besatzung wa-ren nur noch verkohlte Reste übrig. Erscherte sich nicht darum. Sein Leben warwichtig, nicht das der anderen.

Das Automatsystem, das ihn immer wie-der mit gezielten Triebwerksstößen auf dennamenlosen Planeten zutrieb, lieferte spora-disch Daten über die wenigen noch funktio-nierenden Monitoren und Holo-Projektoren.Trah Rogue registrierte Informationen, dieihm kaum weiterhalfen. Immerhin wurdeihm mitgeteilt, dass der fremde Planet eineSauerstoffwelt mit durchschnittlicher Tem-peratur von plus 33 Grad Celsius war, nichtsonderlich einladend und ohne erkennbareZivilisation.

Trah Rogue schöpfte neue Hoffnung an-gesichts der für ihn günstigen Umweltver-hältnisse, war aber enttäuscht darüber, dassdiese Welt abgeschnitten von den galakti-schen Zivilisationen sein sollte. Denn daswürde für ihn Isolation bedeuten und in letz-ter Konsequenz den Tod in der Einsamkeit.

Die MARZOM schoss weiterhin auf denPlaneten zu, der auf einem der Bildschirmebereits groß zu erkennen war, als der Kon-questor auf einem zwischenzeitlich aufflam-menden Orterholo am Rand einer Gebirgs-kette einige schwache Orterreflexe erkennen

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konnte. Noch während er sich vorbeugte unddie Reflexe zu studieren versuchte, erlo-schen sie, als habe irgendwer die Geräte ab-geschaltet.

»Es handelt sich also um keine niederge-lassene Zivilisation«, sagte Rogue zu sichselbst, während zischend eine Stichflammeaus einem Aggregateblock fuhr. SeinSchutzschirm wehrte die Flamme ab. Danngab es zwei weitere Explosionen, die ihnaber nicht mehr beeindruckten. Die Besat-zung war tot und er unverletzlich. »Dort un-ten sitzt jemand, der die MARZOM geortethat und sich nun tot stellt. Und wer könntedas sein, wenn nicht eine Bande von Krimi-nellen?«

Der Gedanke erschien ihm nur logisch.Eine planetengebundene Zivilisation hättesich nicht innerhalb von Sekunden allerEnergien beraubt, die sie zum Leben brauch-te.

Trah Rogues Hände krampften sich in dieverzierten Armlehnen seines Throns. Erwagte kaum zu atmen. Rasend schnell kamder Planet näher. Rogue verfluchte die Kon-strukteure der Yacht dafür, dass sie nichtbessere Notsysteme eingebaut hatten.

Er raste seinem Tod entgegen, dem Toddes Konquestors, fern in einer unerschlosse-nen, wilden Galaxis namens Milchstraße.

»Nein!«, schrie er wieder. »Es darf nichtsein!«

Als hätte das Schiff ihn gehört, sprangenim wahrhaft letzten Augenblick die Trieb-werke der MARZOM an. Die Geschwindig-keit der Yacht wurde mit hohen Werten ver-zögert, aber das konnte nicht reichen - nichtmehr! Die MARZOM befand sich bereitstief in der Atmosphäre.

Trah Rogue sah das Ende vor sich. Eskonnte nicht gut gehen. Viel zu schnell rastesein Schiff dem Boden entgegen, viel zuschnell!

Der Konquestor schloss die Augen undwartete auf das Ende. Innerlich bereitete ersich darauf vor, eine Insel der Ruhe inmittendes Chaos. Wie viele Sekunden noch? Wannwar es endlich so weit? Wann hatte das Le-

ben eines dermaßen mächtigen und unver-letzlichen Wesens ein Ende?

Und dann geschah es: Rund hundert Kilo-meter südlich jenes Gebirges, in dem Roguefür kurze Zeit die laufenden Aggregate geor-tet hatte, krachte die MARZOM mit einernicht mehr gemessenen Geschwindigkeit inein Sumpfgebiet.

*

Es war wie eine Explosion. Trah Rogueerlebte einen Weltuntergang, in dem dienoch vorhandenen Strukturen seiner Yachtwie ein explodierendes Kartenhaus ausein-ander flogen. Rogue verspürte einen ver-nichtenden Schlag. Trotz Schutzschirm ver-wandelte sich der Thron sekundenlang ineinen dampfenden, bockenden Block ausSchrott. In den Ohren des Konquestorsfauchte, knirschte und schrie es.

Dann kehrte Ruhe ein.Trah Rogue benötigte einige Sekunden,

um zu begreifen, dass er noch lebte, und dasohne Energieschirm. Seine Projektoren mus-sten mit dem Thron zerstört worden sein,dachte er.

Überwältigend heftige Schmerzen ließenRogue kaum noch zielgerichtet denken. Wowar er gelandet? Auf dem fremden Planeten,das war eindeutig. Aber wo?

Zwischen Ohnmacht und Entsetzen be-griff der Konquestor seine Machtlosigkeit.Nichts und niemand würde ihm hier zu Hilfekommen. Und einen Hilferuf hinaus in dieGalaxis zu senden, so töricht war er nicht.

Doch da geschah das Wunder.Der Thron begann sich zu bewegen, in-

mitten des Schrotthaufens, der einmal dieMARZOM gewesen war und der sich nunmit eindringendem, siedend heißemSchlamm füllte. Der Thron machte sich au-tomatisch frei. Eines der Prallfelder schiennoch zu funktionieren und schottete Roguevon der heißen Umgebung ab, in der eszischte und brodelte. Blasen bildeten sichund explodierten.

Trah Rogue begriff, dass die integrierten

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Mikrocomputer des Throns alles versuchten,um ihren halb bewusstlosen Passagier mitallen Mitteln in Sicherheit zu bringen.

Tatsächlich! Als Trah Rogue handlungs-unfähig in seinem arg mitgenommenen Sitzhing, bewegte sich dieser und wand sichdurch Schrott und glühendes Metall, bisdurch die offen stehende Schleuse das Freieerreicht war. Über dem Sumpf erhob sichder Thron kaum fünfzig Zentimeter hoch.Mehr schien nicht möglich zu sein, auchwenn der Konquestor wütende Befehle bell-te. Mit wackligem Kurs transportierte dieApparatur ihren hilflosen Passagier in Rich-tung Sicherheit - falls es so etwas auf dieserunwirtlichen Welt überhaupt gab.

Trah Rogue sah den Sumpf unter sich hin-weggleiten, eine braune, zähe Masse, dieüberall Blasen warf. Ein Absturz hier hättesein sicheres Ende bedeutet. Und schon be-gann der Antrieb des in das letzte Prallfeldgehüllten Thrones zu stottern.

Trah Rogue wurde spätestens jetzt vonPanik ergriffen, auf diesem Planeten unterdem orangefarbenen Himmel der rotenZwergsonne, nur noch Zentimeter über demtödlichen Sumpf. Er konnte mit Mühe denKopf drehen und sah das Wrack der MAR-ZOM hinter sich. Und er sah die Yacht auchnoch, als sie in einer furchtbaren Explosionverging.

Rogue schätzte, dass mittlerweile zweiKilometer zwischen dem Schiff und ihm la-gen. Dennoch blendete ihn der Blitz so grell,als seien es nur zweihundert Meter gewesen.Und dann kam die Stoßwelle.

Die Wucht der Detonation jagte mitfürchterlicher Gewalt über den Sumpf. Sieerreichte den fliegenden Thron und schmet-terte ihn mit verheerender Kraft in denschlammigen Boden.

»Nein!«, schrie Trah Rogue.Doch alle Verzweiflung angesichts des si-

cheren Todes half nichts. Auf einen Schlagfielen sämtliche Aggregate seiner Apparaturaus. Keine Energie mehr, keine Funktion.

Trah Rogue kugelte aus dem Sitz, immernoch am Leben, und sank seitlich in den

Sumpf, der ihn ergriff und zu sich zog wieein willkommenes Geschenk.

Der Himmel hatte aufgehört zu brennen,aber das sah Trah Rogue nicht mehr.

3.Der Stützpunkt

26. Oktober 1311 NGZ

»Wollt ihr wohl arbeiten, verfluchtes Ge-sindel!«, schrie Smarto Kim. Die Schock-peitsche in seinen Händen knallte.

Drei Eingeborene knieten gebeugt zwi-schen den Pflanzen und hielten die Händeschützend über dem Nacken. Bei jedemHieb zuckte ihr kleiner Körper heftig. Dielediglich mit einem Lendenschurz und San-dalen bekleideten Wesen, die aufrecht nuretwa 1,30 Meter groß waren, schrien undflehten um Gnade, was den Mann nur nochwütender machte. Er schlug immer fester zu.Blutige Striemen liefen über die hellblaueHaut der Eingeborenen. Der Terraner beru-higte sich erst, als eines der drei Wesen totauf die Seite kippte.

Smarto Kim atmete heftig und rollte diePeitsche zusammen, hängte sie an seinenGürtel zu dem schweren Kombistrahler unddem Messer. Kim war 66 Jahre alt, schwarz-bärtig und kahlköpfig. Seine Gestalt in derkhakifarbenen Uniformkombination warbreit und kräftig. Die Füße steckten inschwarzen, schmutzigen Stiefeln.

Smarto Kim war der Chef der auf demPlaneten Pinblot errichteten Basis der inter-galaktischen Verbrecherorganisation Galac-tic Guardians. Die 1099 Lichtjahre von Ter-ra entfernt liegende Welt war in den Stern-katalogen als »verbotene Welt« eingetragen,um nicht die Entwicklung der Eingeborenenzu stören. Aber genau das taten die Guar-dians in massiver Weise.

Von ihrem in den Bergen verborgenenStützpunkt aus beuteten sie die Eingebore-nen nach Strich und Faden aus. Grund dafürwaren die nur auf Pinblot wachsenden Blot-ter-Pflanzen. Aus ihren Blüten und Blätternließen sich die Grundstoffe für ein Rausch-

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gift gewinnen, für das sich überall in der Ga-laxis horrende Preise erzielen ließen.

Für die Eingeborenen waren die Pflanzenhochwertige Nahrung, sie waren immun ge-gen die Rauschmittelwirkung. Für die nurzwölf Mann in der Station der Guardiansaber waren sie Kapital, Schlüssel zu immen-sem Reichtum und vielleicht Macht, Auf-stieg in der Organisation.

»Schafft ihn fort, und dann kommt sofortwieder!«, befahl Kim den beiden Eingebore-nen, die seinen Wutanfall überlebt hatten. Erberührte den Toten mit der Stiefelspitze.»Ich will, dass dieses Feld bis heute Abendabgeerntet ist. Holt euch Verstärkung, Kin-der und Frauen. Wenn ich bei Sonnenunter-gang hierher zurückkehre, will ich keinePflanze mehr stehen sehen. Habt ihr michverstanden?«

»Ja, Herr«, sagte einer der Eingeborenenmit weinerlicher Stimme. Er gab seinemArtgenossen ein Zeichen. Unter schreckli-chen Schmerzen bückten sie sich nach demToten und hoben ihn auf.

Kim blickte ihnen nach, wie sie durch dielangen Reihen der Blotter-Pflanzen wank-ten, die sich hier fast bis zum Horizont er-streckten. Die Blotter-Pflanzen waren drei-ßig Zentimeter hoch und ähnelten äußerlichterranischem Wirsing. Wenn sie aufbrachenund in die Blüte kamen, waren sie erntereif.Dann mussten sie schnell ausgegraben undin die bereitstehenden Container verfrachtetwerden.

In der Zwischenzeit wuchsen neue Pflan-zen auf anderen Plantagen heran, so dass im-mer in kürzester Zeit Nachschub bereitstand,wenn das wöchentliche Transportraumschiffder Guardians landete und seine Schleusenöffnete. Es waren Tausende von Eingebore-nen, die ohne Lohn für die Guardians schuf-ten, anbauen, kultivieren und ernten mus-sten. Wer sich widersetzte, wie es am An-fang der Fall gewesen war, der wurde er-schossen.

»Arbeitet!«, rief Smarto Kim einer Grup-pe von Eingeborenen zu, die es wagten, sichzu setzen und Nahrung und Wasser zu sich

zu nehmen. »Arbeitet weiter, ihr da! Ihr habtgesehen, wie es Faulenzern ergehen kann!«

Er nickte zufrieden, als sie aufsprangenund mit der Ernte fortfuhren. Essen und trin-ken konnten sie, wenn ihre Schicht zu Endewar. Sie brauchten keine Pausen. Jedenfallsnicht, solange er hier war.

Der Terraner drehte sich um und schrittauf den Gleiter zu, mit dem er gekommenwar. Er stieg ein und aktivierte den Autopi-loten, der ihn sicher zum Stützpunkt bringenwürde, während er sich ausruhen konnte.

Das Fahrzeug stieg senkrecht in die Luft,drehte sich und nahm Kurs auf das Gebirge,das hinter einigen vorgelagerten, ebenfallsmit Plantagen versehenen Hügeln rasch undsteil in die Höhe wuchs. Es gab schroffe, biszu zweitausend Meter hohe Felsengipfel, dieaufgrund der hohen Temperaturen nur imWinter von etwas Schnee bedeckt waren.

Smarto Kim ließ sich von dem Anblicknicht beeindrucken. Er kannte die Flugroutein- und auswendig und saß zurückgelehnt inseinem Sitz. Nur als er die Hügelplantagenüberflog, warf er einige Blicke nach unten.

Wenn sie den Gleiter, über sich sahen, ar-beiteten die Eingeborenen sprichwörtlichwie die Wilden. Die überall stehenden Con-tainer waren halb gefüllt. Am Abend würdensie abgeholt und durch neue ersetzt werdenkönnen. Der Inhalt der vollen Containerwanderte in die Kühlsilos des Stützpunkts.

Kim war mit sich und dem Tag zufrieden.An den von ihm getöteten Eingeborenenverschwendete er keinen Gedanken. Es warnicht der erste gewesen, den er getötet hatte.Und kaum würde er der letzte bleiben.

»Diese Burschen brauchen von Zeit zuZeit eine Demonstration, wer hier die Machtbesitzt«, grollte er selbstzufrieden.

Die Stimmung des Galactic Guardians än-derte sich schon, als er kurz vor der Lan-dung in den Bergen von der Basis angefunktwurde.

Er übernahm die Steuerung seines Glei-ters selbst, um schneller in der Kuppel zusein. Ärger konnte er jetzt nicht brauchen.Alles in ihm sehnte sich nach einer neuen

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Dosis.

*

»Verdammt«, knurrte Smarto Kim, »was,zum Teufel, ist das?«

Tiver, einer der beiden akonischen Exo-biologen, gab ihm die nüchterne Antwort.

»Die Holos dieser Zentrale zeigen ganzeindeutig den Anflug eines fremdartigenObjekts auf Pinblot«, sagte er in näselndemTonfall. »Mehr noch, es sieht aus, als würdedas Raumobjekt abstürzen. Wir haben esseit sieben Minuten in der Ortung - kurz be-vor ich dich anfunkte.«

»Dass das Ding in Schwierigkeiten ist, se-he ich auch, Idiot!«, fuhr Kim ihn an. »Aberwas soll das? Wer könnte uns hier vermu-ten?«

»Niemand von der LFT oder aus dem Kri-stallimperium, also auch niemand vom TLDoder von der USO oder den Celistas«, ant-wortete der Akone ungerührt. »Die Tarnungunserer Kuppel und unserer Kühlsilos ist zugut.«

»Verflucht, wer dann?«»Obwohl«, fuhr der Akone fort, als hätte

er die Frage nicht gehört, »wir natürlich im-mer damit rechnen müssen, dass die Trans-portwege des Blotters verfolgt werden. DasTransportschiff ist ein Risikofaktor. Das ha-be ich immer gesagt.«

»So? Und wie sollen wir die Blotter-Pflanzen sonst von hier wegschaffen, hoch-näsiger Akone?«, fragte Kim giftig.

Tiver ließ sich nicht provozieren. Er starr-te auf die Hologramme, die das wie unkon-trolliert heranrasende fremde Raumschiffzeigten, das jetzt Gegenschub gab und seineFallgeschwindigkeit verzögerte.

In dozierendem Tonfall sagte er: »Es kannsein, dass ich mich bei meiner ersten Ein-schätzung geirrt habe. Der angebliche Ab-sturz kann eine Finte sein, um terranischeoder arkonidische Agenten auf Pinblot abzu-setzen. Ich sage ja, die Transportwege desBlotters.«

»Der Meinung bin ich auch«, sagte Vem-

berey, der zweite Akone. Er und Tiver wa-ren federführend in der Versklavung der hie-sigen Eingeborenen. Smarto Kim war derChef, wenigstens offiziell, die Akonen aberzogen wirklich die Fäden. Es ging das Ge-rücht, dass allein Tiver schon mehr als hun-dert Eingeborene auf dem Gewissen hatte.

Vemberey stand ihm in seiner Menschen-verachtung in nichts nach. Während Kimsich von seinen Gefühlen hinreißen ließ undmehr trank, als gut für ihn war, waren diebeiden Akonen gefühllose Automaten. Kei-ner der anderen zehn Guardians mochte sie.

»Das fremde Schiff wird ganz in unsererNähe aufschlagen, wenn es seinen Kursnicht noch ändert«, sagte Tiver. »Es bestehtaus zwei bauchigen Raketen und einem Ele-ment, das diese verbindet. Es ist 110 Meterlang und trudelt bedrohlich.«

»Was weiter?«, fragte Kim. »Funkt es?Sendet es Hilferufe?«

»Nichts«, sagte Tiver.»Dann können wir nur eines tun, nämlich

alle strahlenden Aggregate des Stützpunktsdesaktivieren«, sagte Kim und handelteschon. »Hoffentlich war es noch nicht zuspät, falls es sich tatsächlich um eine Listhandelt und unser Stützpunkt vom TLD oderder USO ausgeforscht werden soll.«

»Jetzt stürzt es endgültig ab«, verkündeteTiver. »Es schlägt in den Solvoken-Sumpf,nicht viel weiter als hundert Kilometer vonhier entfernt. Jetzt!«

»Das können seine Insassen nicht überlebthaben«, sagte Smarto Kim. »Und wenndoch, dann schluckt sie der Sumpf. Es wardoch blinder Alarm.«

Der Guardians-Chef wischte sich denSchweiß von der Stirn und aus dem Gesicht.Sein Herz schlug wild. Glaubte er an das,was er sagte?

Niemand sprach, obwohl jetzt noch weite-re Guardians in die Zentralkuppel gekom-men waren, aufgeschreckt durch den plötzli-chen Ausfall aller Aggregate, die Strahlungemittierten. Sie alle warteten auf die allesvernichtende Explosion, und als sie erfolgte,riss Kim die Arme hoch.

Der Kampf des Konquestors 11

Page 12: Der Kampf des Konquestors

»Das war es, Leute!«, rief er. »Ein Ab-sturz, ein reiner Unglücksfall! Unser Stütz-punkt war zu keiner Zeit bedroht!«

Die beiden Akonen schwiegen, aber dieBlicke, die sie sich zuwarfen, sagten mehrals Worte.

»Was ist?«, fragte Smarto Kim aggressiv.»Seht ihr das anders?«

»Niemand stürzt so ab«, sagte Tiver. »Wirvermuten mehr denn je eine getarnte Opera-tion der galaktischen Sicherheitskräfte.«

»So!«, brüllte Kim ihn an. Er zog einekleine, flache Flasche aus einer der Taschenseiner Uniformkombination und trank siemit einem Zug leer, warf sie achtlos fort undrülpste. Dann schnitt er eine hässliche Gri-masse. »Vorhin hast du noch ganz andersgeredet.«

»Ich habe meine Meinung eben geändert,das dürfte selbst dir nicht entgangen sein«,sagte der Akone mit deutlichem Spott.

»Und was bedeutet das?«, fuhr SmartoKim ihn mit glasigen Augen an.

»Dass Vemberey und ich die Absturzstel-le persönlich in Augenschein nehmen wer-den, wenn du gestattest.« Es klang wieHohn. »Wir müssen Sicherheit haben, dasses keine Überlebenden gegeben hat.«

»Das fremde Schiff passt zu keinem unsbekannten Volk«, versuchte Kim zu argu-mentieren.

»Eben deshalb«, sagte Vemberey. »USOund TLD benutzen häufig Attrappen, wiewir wissen; oder neu konstruierte Spezial-schiffe.«

Smarto Kim trank seine zweite Flascheaus. »Von mir aus, dann geht! Schert euchzum Teufel, Akonenpack!«

Tiver und Vemberey reagierten nicht aufdie dreisten Beleidigungen ihres Anführers.Gemeinsam verließen sie die Kuppel undgingen zu einem der wartenden Gleiter. Kimwürdigten sie keines Blickes mehr.

Als sie im Cockpit saßen und vom Bodender tiefen Schlucht zwischen den Bergen ab-hoben, sagte Tiver zu seinem Artgenossen:»Der Verdacht wird immer stärker. SmartoKim ist selbst schon süchtig. In den Fla-

schen war kein Alkohol, das hätten wir gero-chen. In den Flaschen war Blotter-Extrakt.Das Zeug wirkt euphorisierend und machteben hochgradig süchtig.«

»Ich glaube das auch«, sagte Vemberey,während der Gleiter aufstieg. »Wir werdenein Auge auf ihn werfen müssen.«

*

Die Akonen kreisten mit ihrem Gleiterüber der Absturzstelle. Viel war von demRaumfahrzeug, das halb im Sumpf versun-ken war, nicht übrig geblieben. Der Ein-druck aus der Ortung, einen vollkommenunbekannten Typ vor sich zu haben, bestä-tigte sich. Was an Wrackteilen noch zu se-hen und nicht im Sumpf versunken war, ge-hörte zu keinem in der Milchstraße gängigenSchiffstyp.

»Das kann tatsächlich für eine Operationdes TLD, der USO oder der Celistas spre-chen«, sagte Vemberey. »Sie benutzen At-trappen für ihre verdeckte Aufklärung odersetzen Eigenkonstruktionen oder Spezial-schiffe ein, wie ich vorhin schon sagte.«

»Auf der anderen Seite ist unser Stütz-punkt auf Pinblot viel zu unbedeutend, alsdass Noviel Residor oder Monkey dafür einRaumschiff geopfert hätten, statt das Nestmit einer ganzen Flotte auszuheben. Unddennoch …«

»Ich weiß, was du meinst«, sagte Vembe-rey. »Mit dem Wrack ist irgend etwas nichtin Ordnung, es ist auch mir nicht geheuer.Wir werden also den Solvoken-Sumpf undseine Umgebung gründlich in Augenscheinnehmen. Wenn sich dort Fremde abgesetzthaben, werden sie uns nicht entgehen.«

»Wir werden sie auslöschen«, knurrte Ti-ver.

4.Trah Rogue

Der Konquestor robbte um sein Leben.Nur so konnte er sich auf dem Sumpf halten.Je umfangreicher seine Körperfläche auf

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dem Morast war, desto größer war seine Be-weglichkeit. Es hatte ihn unglaubliche Kraftgekostet, seine linke Körperhälfte aus demSumpf herauszuziehen, indem er mit Armenund dem rechten Bein arbeitete. So lag erjetzt flach auf dem Sumpf, den kostbarenPelz und die Reste seiner Prunkuniform totalverschmiert, und hielt den Schädel hoch, umwenigstens atmen zu können.

Als er den Kopf einmal drehte, sah er, wiesein Thron, in dem er quasi die letzten Jahreverbracht hatte, funktionsuntüchtig im seich-ten Schlamm versank.

Trah Rogue lag auf dem Sumpf, undwenn er einmal versuchte, sich aufzurichten,sank er sogleich ein. Er begriff: Je größerdas Gewicht pro Quadratzentimeter, destoschneller war die Sinkgeschwindigkeit. So-lange er lag, kam er langsam voran. Sobalder aber aufstand, lastete auf den im Ver-gleich schmaleren Füßen so viel Gewicht,dass er unweigerlich einsinken musste.

Der Konquestor verspürte eine umfassen-de Müdigkeit. Eigentlich war er nach einerso lange andauernden Phase der körperli-chen Ruhe viel zu schwach, um sich auf die-se Art und Weise zu bewegen.

Zum ersten Mal seit undenklichen Zeitenverfügte der Konquestor nicht über Helfer.Niemand könnte einem Hilferuf folgen, erhatte keine Flotten und keine Funkverbin-dung.

Er war verloren, allein auf sich gestellt. Erkämpfte gegen den Sumpf und gegen dasVersinken.

Immer wieder sank er zum Teil ein, wenner sich nicht in der Art eines Schwimmersbewegte. Aber immer wieder gab ihm seinHass auf Perry Rhodan, der ihn nackt ge-zeigt hatte, neue Kraft.

Der Konquestor sah eine Bauminsel, diesich in wohl mehr als hundert Metern Ent-fernung erhob. Dort war vielleicht festererBoden. Aber wie kam er bis dorthin?

Die Schlammdecke war leicht verkrustet,anscheinend wie gebacken unter der Glut-walze, die mit der Explosion der MARZOMüber den Sumpf hinweggefegt war. Aber

auch sie gab keinen Halt. Die feste Schichtwar so dünn, dass jeder Körper nach einerWeile einsank.

Trah Rogue änderte seine Taktik. StattSchwimmbewegungen zu machen, legte ersich auf den Sumpf und bewegte sich rol-lend auf die Bauminsel zu. So konnte ihnder Sumpf nicht hinabziehen. Seinen»Spazierstock«, den er nicht verloren hatte,hielt er fest umklammert, und so wälzte sichder viel zu fette Konquestor über den erkal-tenden Sumpf. Nach wenigen Umdrehungenwar jede Faser seines prächtigen Fells, jederQuadratzentimeter der goldgesprenkelten,hautengen Bekleidung von Schlamm undSchmutz verklebt.

Der Fell- und Kettensklave Tiki wurdemitgeschleift, kreischend und zappelnd,wurde immer wieder komplett durch denSumpf gezogen, musste wohl grauenvolleAugenblicke unter dem massigen Körperseines Herrn ertragen, doch der Konquestorhatte keine Zeit und noch weniger Lust, sichvon seinem Knecht aufhalten zu lassen. Erwälzte sich weiter, drohte einige Male ein-zusinken und befreite sich wieder. Die Bau-minsel kam näher. Rogue verstärkte seineAnstrengungen noch einmal.

Meter um Meter, von einer auf die andereSeite, und zwar schnell, um nicht zu versin-ken. Trah Rogue atmete schwer, wenn seinKopf oben war. Er sah die rote Sonne auf-und abgehen, immer wieder. Ihm wurdeschwindlig. Er spürte, wie seine Kräftenachließen.

Da endlich, Rogue konnte die Zeit nichteinschätzen, die es ihn gekostet hatte, spürteer festen Grund unter sich. Er stellte jedeBewegung ein und lag im Schlamm. Übersich sah er die Wipfel der Bäume. Er hattees geschafft, auch wenn jeder Knochen inseinem Leib schmerzte. Er war aus diesemtückischen Sumpf heraus!

Rogue spürte, wie Tiki sich durch seinFell arbeitete. Der Sklave stieß einige schril-le, protestierende Rufe aus, als Rogue sichweiterschob, aus dem Schlamm heraus. DerKleine war also noch immer am Leben. Trah

Der Kampf des Konquestors 13

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Rogue lag inzwischen auf dem Rücken untereinem der Bäume und auf festem Land.

Er atmete heftig. »Ja, Tiki«, sagte er hei-ser. »Befreie mich von diesem Schmutz …«

Er wusste selbst, dass sein Kettensklaveheillos überfordert war. Tiki schrie noch im-mer schrill, aber dann widmete er sich seinerArbeit und versuchte das Unmögliche. Erkonnte allein nichts ausrichten. Es hätteschon eine lange Dusche gebraucht, um denganzen Schlamm aus Rogues Fell und vonseiner Kleidung fortzuspülen.

Die unmittelbare Lebensgefahr für denKonquestor allerdings war gebannt. TrahRogue musste sich nun durchschlagen, uman ein Funkgerät zu gelangen und damit Hil-fe zu holen. Kein Funkspruch im herkömm-lichen Sinne, verstand sich. Keiner, der ihnan seine Gegner verraten konnte.

Das war ein illusorisches Ziel. TrahRogue klammerte sich an die kurze Ortungaus den Bergen, die seiner letzten Beobach-tung nach nicht weiter als hundert Kilometerin nördlicher Richtung entfernt sein konnten.Wenn er es bis dahin schaffen konnte, egalwie …

Trah Rogue zwang sich abermals zu posi-tivem Denken, während sich sein Skavedurch sein Fell arbeitete. Sicher, er hatteZweifel …

Er war der Konquestor von Tradom, einunheimlich mächtiges Wesen. Er führte denMilchstraßen-Feldzug im Auftrag der Inqui-sition. Und er würde sich von Kleinigkeitenwie dem Verlust seines Raumschiffs gewissnicht an der Eroberung einer Galaxis hin-dern lassen!

Trah Rogue war mehr tot als lebendig,aber seine Denkweise blieb in der Krisemindestens so großspurig wie sein vorheri-ges Auftreten.

Die einzige Möglichkeit, Zugang zu ei-nem Funkgerät zu erhalten, war und bliebtatsächlich der von der MARZOM georteteStützpunkt, der anscheinend geheim bleibenwollte, irgendwo versteckt in den Bergen,die von hier aus natürlich noch nicht zu se-hen waren. Rogue kannte nur die Richtung,

in der sich das Gebirge befinden musste.Und in dieser Richtung musste er vorankom-men.

Und wenn er sich geirrt hatte? Wenn esdiesen Stützpunkt in Wirklichkeit gar nichtgab? Er verscheuchte diese Gedanken, schobsie weit von sich.

Trah Rogue fühlte sich matt. Sein Magenknurrte. Zur Erschöpfung kam jetzt noch derHunger, Hunger und Durst. Aber woher soll-te er Wasser nehmen? Das Nahrungspro-blem war schneller gelöst. Rogue riss diehandtellergroße, silberne Box auf, die überseiner Brust hing. Ihre Lüftungsschlitze wa-ren schlammverklebt, aber die feinsten Spei-sewürmer darin, einige Dutzend, lebtennoch. Der Konquestor verzehrte sie gierig,aber sie allein konnten seinen Hunger aufDauer nicht stillen. Was er brauchte, war an-dere Nahrung.

Er kannte diese Welt nicht und wusstenichts von ihren Tieren und Pflanzen. Sichergab es jagdbares Wild, aber wo? Und wosich Beute befand, da gab es auch Jäger.Waren vielleicht schon Raubtieraugen aufihn gerichtet?

Plötzlich hörte Trah Rogue ein Geräusch,fern zuerst, dann näher. Er hob den Kopfund kniff die Augen zusammen. Zuerst saher nur einen silbernen Punkt am Himmel.Dann wurde daraus ein Gleiter, der sich vonWesten der Absturzstelle seiner Yacht nä-herte.

Das war der Beweis! Es gab den Stütz-punkt im Norden. Nun wusste er es defini-tiv! Er hatte die ganze Zeit Recht gehabt.

Gebannt starrte der Konquestor auf denim Licht der Sonne silbrigrot schimmerndenGleiter, der jetzt über den Trümmern desSchiffes kreiste. Es sah so aus, als suchtendie Unbekannten nach etwas. Etwa nachÜberlebenden? Wie konnten sie glauben,dass jemand diesen Absturz und die Explosi-on überstanden hatte?

Was sollte er tun? Trah Rogue wurde sichder Gefahr bewusst, in der er sich befand.Wenn ihn die Fremden entdeckten, konntensie auf die Idee kommen, kurzen Prozess mit

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ihm zu machen. Sie wollten offensichtlichnicht, dass man von ihrem Hiersein wusste.Nur so war die Abschaltung ihrer Aggregateerklärbar.

Trah Rogue schob sich langsam bis zumStamm des Baumes zurück, unter dem erlag, und richtete sich vorsichtig auf, trotz derSchmerzen. Der Stamm war dick genug, umsich hinter ihm zu verstecken. Selbst fürTrah Rogues massige Gestalt reichte er alsDeckung.

Rogue schob sich hinter ihn und beobach-tete lautlos. Der Gleiter senkte sich tieferherab, noch immer über der Unglücksstelle.

Sollte er das Risiko eingehen und sich zuerkennen geben? Dies war möglicherweisedie einzige Chance, die er bekommen konn-te. Vielleicht waren die Fremden friedlichund hatten sich nur aus Angst vor einem Ag-gressor tot gestellt, als sie die auf den Plane-ten zurasende Yacht geortet hatten. Viel-leicht hatten sie mehr Grund zur Furcht alser.

Der Gedanke widerstrebte ihm. Was erbrauchte, war ein Funkgerät und keine Zeu-gen. Ein Konquestor von Tradom betteltenicht um sein Leben und schon gar nicht umGefälligkeiten. Ein Konquestor stellte For-derungen! Und die konnten nur erfüllt wer-den, wenn er sich in einer Position der Stär-ke befand.

Er hatte andere Vorstellungen davon, wieer an das Funkgerät des Stützpunkts gelang-te. Er musste seine Besatzung überrumpelnund ausschalten. Niemand brauchte ihn hierzu sehen. Dann konnte ihn auch niemand andie Terraner oder die Arkoniden verraten!

Trah Rogue entschied sich für Abwarten.Er kannte seine Richtung und sich selbst sogut, um zu wissen, dass er wieder zu Kräftenkommen würde. Er hatte Zeit und würdeWasser und Nahrung finden. Zu lange hatteer passiv in seinem Thron gehockt und sei-nen Körper vernachlässigt. Dass er dieseBauminsel erreicht hatte bewies ihm, dassnoch die alte Kraft in ihm steckte. Wenn ermusste, konnte er Reserven mobilisieren,mit denen er schon gar nicht mehr gerechnet

hatte.Bauminsel …Er hatte es gesehen, als er um den Stamm

herumschlich. Das Stück Land war kleinund erhob sich als Eiland aus dem Sumpf,der sich weiter ausdehnte, als Rogue gedachthatte. Wo er sein Ende gewähnt hatte, setzteer sich hinter den Bäumen weiter fort. Im-merhin konnte Rogue im Norden einendunklen Landstreifen sehen, der viel größerwirkte als die Bauminsel. Er musste es We-nigstens versuchen und sich noch einmal aufdas gefährliche Gelände hinauswagen - so-bald der Gleiter verschwunden war.

Das Fahrzeug der Fremden zog weitereKreise, kam der Bauminsel dabei gefährlichnahe. Trah Rogue drückte sich gegen denStamm und schob nur den Kopf vorbei. Deran einer Kette befestigte Fellsklave kreischteschrill und laut, als er fast zwischen RoguesBauch und dem Baum zerdrückt wurde. Imletzten Moment konnte er sich auf die Seiteretten.

Rogue hielt die Luft an. Der Gleiter warganz nahe gewesen. Was, wenn seine Insas-sen Tikis Schrei gehört hatten - den einzigenLaut hier in der Stille des Todes über demMorast, abgesehen vom eigenen Gleiteran-trieb und dem gelegentlichen »Plopp!« beimAufplatzen der Gärblasen über dem Sumpf.

Aber das Glück war mit ihm. Der Gleiterdrehte ab und setzte seine Suche in der ande-ren Richtung fort. Die Sonne sank rasch demHorizont entgegen. Bald würde die Dämme-rung hereinbrechen. Trah Rogue hoffte, dassdie Unbekannten endlich abzogen und in ih-ren Stützpunkt zurückkehrten. Sollten siemorgen wiederkommen, würden sie ihn hiernicht mehr finden.

Also wartete er, bis der rote Ball hinterdem Horizont unterging und es dunkel zuwerden begann. Der Gleiter schaltete seinescharf gebündelten Scheinwerfer ein undsuchte noch eine Stunde lang die Sumpf-landschaft ab. Dann endlich stieg er auf undentfernte sich Richtung Norden.

Trah Rogue atmete auf und überquerte dieInsel, nicht ohne nach essbaren Früchten der

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Bäume gesucht zu haben. An ihrem anderenEnde legte er sich ächzend flach auf denRücken und begann, sich in den Schlammhinauszuwälzen.

Der Durst war fürchterlich.

*

Über drei Stunden rollte sich der Konque-stor über den Sumpf, sank dann und wanntrotzdem halb ein und befreite sich mit niemehr für möglich gehaltener Kraft wiederdaraus. Wenn er den Kopf oben hatte, sah erTausende von ihm unbekannten Sternen. DieNacht war nicht immer wolkenlos, doch abund zu rissen die dunklen Vorhänge auf.Dieser Planet besaß keinen Mond, der mitseinem spärlichen Licht die Finsternis er-hellt hätte.

Tiki quiekte protestierend, jedes Malwenn er in den Sumpf gedrückt wurde. DieKette verhinderte, dass er einfach um seinenHerrn herumlief, wenn dieser sich rollte, undimmer oben blieb. Das kleine Wesen war amEnde seiner Kraft, aber es wollte leben.

Drei Stunden - und dann endlich spürteTrah Rogue festen Grund unter sich. Er hatteden Landstrich erreicht, der den Sumpf of-fenbar wirklich begrenzte. Der Konquestorwagte es, sich aufzurichten und die Füßenach unten zu stemmen. Und tatsächlich, erhatte Halt.

Vor ihm breitete sich eine Küste ausmoosartigem Grund aus, bewachsen mitniedrigen Büschen. Wie eine Moorleicheschleppte sich der Konquestor an Land undließ sich zwischen die Büsche fallen.Schlamm rann und tropfte ihm vom ganzenKörper. Und wie durch ein Wunder - Tikilebte noch immer! Der kleine Sklave mussteebenfalls über unglaubliche Kräfte und Re-serven verfügen, um nicht in dem total ver-schmierten schwarzen Fell zu ersticken.

Der Konquestor lag auf der Seite und at-mete schwer. Er glaubte, kein Glied mehrrühren zu können. Die Nährstoffe, die derVerzehr der Speisewürmer ihm eingebrachthatte, waren längst aufgezehrt. Wieder mel-

dete sich der Hunger, schlimmer denn je.Rogue spürte schon, wie mittlerweile diekörpereigenen Fettreserven zur Deckung desStoffwechsels herangezogen wurden.

Er fiel in einen unruhigen, todesgleichenSchlaf, aus dem er nach Stunden erst wiedererwachte, als der neue Morgen heraufdäm-merte. Tiki zog und zerrte an seinem ver-schmierten Fell und zeigte in die Richtung,die vor ihnen lag: nach Norden.

»Was willst du, Sklave?«, brummte derKonquestor. »Hast du etwas gesehen odergehört?«

»Gehört, Meister, und es kommt näher. Esist schrecklich!«

»Übertreib nicht wieder! Ich habe …«Rogue verstummte, als er das Brüllen hör-

te. Mit einem Ruck stemmte er sich in dieHöhe, es war eine automatische Reaktionseines Körpers. Trah Rogue fühlte sichelend wegen des Hungers und des Durstes,ansonsten aber durch den Schlaf erholt.

Er lauschte.Alles war still bis auf die zerplatzenden

Blasen des Sumpfes. Schon glaubte er, dassin der Ferne nur ein großes Tier vorbeizog,da hörte er das Brüllen wieder, und diesmalwar es näher.

Trah Rogue bewegte sich eilig weiter anLand, damit er Abstand von dem tödlichenSumpf bekam. Er hockte sich hinter demerstbesten höheren Busch in Deckung undspähte hinaus in die Dämmerung, nur denKopf über den Zweigen.

Noch sah er nichts, nur Büsche und ver-einzelt stehende Bäume. Aber er wusste esbesser. Irgendwo dort vor ihm befand sichein großes Geschöpf, den Lauten nach zu ur-teilen, und es umschlich ihn. Er konnte esspüren.

Und dann sah er es!Das Tier war mindestens anderthalb Me-

ter breit und in den Schultern ebenso hoch.Es kam wie ein Blitz aus seiner Deckungund landete mit drei Beinpaaren auf demfreien, moosbewachsenen Platz vor RoguesBusch. Der Konquestor sah zwei Reihenfürchterlicher Reißzähne in einer vorstehen-

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den Schnauze und unter zwei gelblich fun-kelnden Augen, zwischen denen spitze Hör-ner in alle Richtungen ragten.

Die Bestie hielt den Kopf gesenkt, dieAugen auf Rogues Busch gerichtet. Sie stießein Gebrüll aus, dass es Rogue schüttelte.Zweifellos hatte das Untier es auf ihn abge-sehen. Hatte es ihn gerochen? Oder lauertees hier, am Rand des Sumpfes, gewohnheits-mäßig auf Beute?

Sollte dies das Ende sein? Wäre das nichteine furchtbare Ironie? Der Konquestor vonTradom, von einem Raubtier getötet und bisauf die Knochen abgenagt?

Warum hatte Rogue nicht zuerst auf einenharmloseren Vertreter der hiesigen Faunatreffen können - einen, den er töten und ver-zehren konnte?

Aber das konnte ja noch kommen. Er gabso schnell nicht auf, sondern packte seinen»Spazierstock« fest mit der linken Hand.Und selbst wenn er hier und jetzt sterbenmusste - das war immer noch besser als dieunglaubliche Beleidigung Perry Rhodans,der ihn ohne Fell und am Boden winselndgezeigt hatte.

»Komm!«, rief Rogue und richtete sichhinter dem Busch auf. »Komm her und holmich, wenn du kannst!«

Als ob es ihn und seine Provokation ver-standen hätte, sprang das Monster. Die Be-stie, drei Meter lang und vielleicht eine hal-be Tonne schwer, schnellte sich mit den bei-den hinteren Beinpaaren vom Boden ab undflog auf Rogue zu. Der Konquestor handelteinstinktiv, als habe er es nie verlernt. Er warfsich mit einem Satz zur Seite, den er sichselbst nicht mehr zugetraut hätte.

Das Raubtier sprang an ihm vorbei, sohaarscharf, dass er noch seinen heißen Atemspüren konnte.

Rogue riss im selben Moment seinen»Spazierstock« hoch, drehte den Knauf umneunzig Grad und schüttelte die zwei Seitender Scheide das silberartige Material beisei-te, das den eigentlichen Stiel des»Spazierstocks« umhüllt hatte.

Darunter kam eine nadelspitze, zwei-

schneidig-scharfe Klinge von einem MeterLänge zum Vorschein. Der vermeintlicheSpazierstock war in Wahrheit ein Stockde-gen!

Das Monster landete hinter Rogue, dersich schnell zu ihm umdrehte. Wieder sah erin die beiden gelb funkelnden Augen undden aufgerissenen Rachen. Er wusste: Nocheinmal würde er nicht das gleiche Glück ha-ben. Falls das Tier nur über wenig Intelli-genz verfügte, würde es diesmal anders an-greifen und ihm keine Chance lassen.

Trah Rogue sah, wie sich die Bestie duck-te und die Muskeln anspannte. Er ahnte denAugenblick des Sprungs und war bereit. DasBiest wollte ihn mit einem gewaltigen Satzerreichen und zu Boden werfen, aber da hat-te er ganz andere Vorstellungen.

Als sich das Untier in die Höhe schnellte,rannte er los, ihm entgegen, mit ungeahnterBeweglichkeit und Präzision. Der Konque-stor von Tradom tauchte unter dem Angrei-fer in seiner Flugbahn durch - und die Klin-ge teilte im Sprung den Körper des Raub-tiers, schärfer als jedes Skalpell, in zweiHälften.

*

Trah Rogue empfand einen ungeheurenTriumph. Er hatte das Tier besiegt, und eshatte gar nicht einmal lange gedauert! DerKämpfer, der er einmal gewesen war, er-wachte allmählich wieder in ihm.

Das Untier war sogar ein Glücksfall fürihn gewesen. Jetzt hatte er Fleisch in Massenund konnte sich den Bauch voll schlagen. Erleckte sich die wulstigen Lippen und mur-melte ein Dunkles Gebet.

Dann machte er sich an die Arbeit. MitHilfe der Klinge zerteilte er den Kadaver desexotischen Räubers und schnitt einige schö-ne Stücke Fleisch heraus. Trah Rogue war esgewohnt, tierische Nahrung roh zu verzeh-ren. Also steckte er sich das erste blutigeStück in den Mund, kaute kurz - und spie esin hohem Bogen wieder aus.

»Das ist ungenießbar!«, rief er aus.

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»Lieber hungere ich noch ein oder zwei Ta-ge, als dies hinunterzuwürgen! Was für eineverfluchte Welt ist das?«

Tiki, der Einzige, der ihn hören konnte,gab keine Antwort. Der Kettensklave wus-ste, wann es besser war, einfach zu schwei-gen.

Rogue fluchte eine Weile vor sich hin. Ermusste weiterhin ohne Nahrung und Trink-wasser auskommen.

Der Konquestor suchte die silbernenScheidenstücke, die im Moos lagen, undsetzte sie um die Klinge zusammen. Das Ri-siko, sich an ihr zu verletzen, wäre anson-sten zu groß gewesen. Damit entstand wie-der der harmlos aussehende »Spazierstock«.

So gerüstet nahm Rogue seinen Marschwieder auf. Das Moos reichte ihm bald biszu den Knöcheln, aber der Untergrund bliebstabil. Auch die Büsche wuchsen jetzt höher,doch sie trugen zu Rogues Enttäuschungkeine Früchte.

Nach einer Weile, die Sonne stand schonhoch am Himmel, entdeckte er eine ArtTrampelpfad im Moos. Größere Tiere mus-sten hier einen Weg in den Boden getretenhaben. Der Konquestor konnte nur hoffen,dass es nicht wieder Raubtiere von der Artder erledigten Bestie waren.

Er ging das Risiko ein und folgte demPfad. Einmal hörte er in der Ferne ein dump-fes Röhren. Dann und wann huschten kleineTiere quer über den Pfad, aber sie waren vielzu schnell, als dass er eines davon hätte fan-gen können.

Der Hunger wühlte in seinen Gedärmen.Was hätte er jetzt für nur eine Hand vollSpeisewürmer gegeben! Trah Rogue suchtedas Moos nach Schlangen oder großen In-sekten ab - nichts. Wenn er nicht bald etwaszu essen bekam, konnte er den Stützpunktim Gebirge getrost vergessen.

Inzwischen hatten sich dunkle Wolkenvor die Sonne geschoben. Trah Rogue wardankbar dafür, denn das Gestirn hatte denSchlamm in seinem Pelz regelrecht ge-backen. Er war steif und behinderte Roguein seinen Bewegungen. Tiki steckte auf der

Brust seines Herrn fest und kam nicht mehrvoran.

Der Konquestor hatte kein Mitleid mitdem Kleinen. Er ekelte sich vor sich selbst,es war furchtbar! Sein kostbarer Pelz, immergepflegt und glänzend. Er war froh, dass ihnniemand so sehen konnte. Unter der verletz-ten Eitelkeit litt er womöglich noch mehr alsunter Hunger und Durst.

Dann aber begann es zu regnen. Zuerstnur tropfenweise, kurz darauf schüttete es.Trah Rogue blieb stehen und breitete die Ar-me aus, duschte förmlich in dem kostbarenNass. Es machte den verkrusteten Schlammwieder elastisch und wusch ihn von TrahRogues Leib herunter, jedenfalls etwas. Alsder Schauer nach ungefähr zehn Minutenwieder aufhörte, fühlte Rogue sich schonbesser. Er hatte mit den zusammengelegtenHänden wenigstens ein wenig Regenwasserauffangen und schlürfen können.

Aber das war nur ein Tropfen auf den hei-ßen Stein.

Wieder hörte er das ferne Röhren. Dies-mal wurde es von anderen Tieren beantwor-tet. Eine Herde? Essbares Fleisch?

Trah Rogue nahm seinen Marsch genNorden wieder auf. Seine Füße versankenbei jedem Schritt platschend im nun durch-feuchteten Moosboden, als er den Pfad ver-ließ, der hier nach Westen abbog.

Es war Mittag, als das Moos- und Busch-land zu Ende war. Zu Rogues Erleichterungbegann dahinter nicht wieder ein Sumpf,sondern ein viele Kilometer breites,trockenes, savannenartiges Gelände. In eini-ger Entfernung war ein grüner Streifen zusehen, vermutlich ein Wald. Die dunstigeLuft über dem Streifen deutete auf Feuchtig-keit hin.

Wie aber sollte der Konquestor von Tra-dom bis dahin durchhalten? Die Savanne sahnicht so aus, als fände er darin Nahrung, undWasser hielt sie schon gar nicht bereit.

Der Hunger brachte ihn fast um. Er mus-ste etwas zu essen finden, und sei es nur einkleiner Brocken.

Da fiel sein Blick auf seinen Kettenskla-

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ven Tiki, der jetzt wieder ohne Unterlass mitseinen winzigen Werkzeugen Rogues Fellvon Schlammrückständen zu säubern ver-suchte …

5.Perry Rhodan

»Weißt du«, fragte Reginald Bull, »woranmich die Katamare aus Tradom erinnern?«

Perry Rhodan zuckte mit den Achseln. Siesaßen in seiner Kabine, nachdem sie vier-zehn Stunden fast ohne Unterbrechung inder Zentrale zugebracht hatten. Pearl Ten-Wafer, die epsalische Kommandantin derLEIF ERIKSSON, hatte sie in die »Pause«geschickt. Die beiden Unsterblichen wusstendas Schiff bei ihr in guten Händen und ge-nossen die Augenblicke der Stille. Sie tran-ken Säfte und nahmen einen kleinen Imbisszu sich.

»An die Dolans«, sagte Bull kauend. »Alssie in der Galaxis auftauchten, schien es ge-gen sie auch kein Mittel zu geben. Oder andie Laren mit ihren SVE-Raumern. Sie wa-ren unangreifbar, bis das KPL-Gerät ent-wickelt wurde - oder auch das Hoschtra-Pa-raventil. Dann aber konnten wir ihnen Parolibieten, jedenfalls in kleineren Gefechten.Aber wir waren nicht mehr hilflos.«

»Du glaubst also, dass es uns früher oderspäter gelingt, auch gegen die Katamare eineWaffe zu finden«, stellte Rhodan fest.

»Unbedingt! Es ist nur eine Frage derZeit. So lange müssen wir durchhalten.«

»Wir haben schon eine Taktik gegen sieentwickelt«, erinnerte Rhodan.»Schussweite nicht unter neuntausend Kilo-metern Abstand und einen Transform-Feu-ergürtel in ihren Kurs legen. Das macht ih-nen auf Dauer zu schaffen.«

»Du untertreibst. Schließlich haben wirTrah Rogues Schlachtschiff auf diese Weisegeknackt. Aber das reicht nicht und kostetzu viele Opfer in unseren eigenen Reihen.«

»Ich weiß«, sagte Rhodan und nahmeinen Schluck. Dann stellte er sein Glas aufder frei schwebenden, gläsernen Tischplatte

ab. Sein Blick ging in die Ferne. »Ich möch-te wissen, ob die Riesenkatamare auf der an-deren Seite des Sternenfensters das Fensternur bewachen sollen oder ob es sich um eineAngriffsflotte handelt, die in die Milchstraßeeinfallen soll, sobald das Fenster wieder um-gepolt worden ist und sie von Tradom ausauf unsere Seite gelangen können.«

»Das wäre das Ende für uns«, unkte Bull.»Der Angriff käme viel zu früh - wie gesagt,bevor wir nicht eine wirksame Waffe gegendie Katamare gefunden haben …«

»Wir brauchen mehr Informationen überdieses Reich«, wiederholte Rhodan seineschon vorher vorgetragene Forderung. »Unddie finden wir nur in Tradom selbst - auchwenn es uns gelingen sollte, die sieben her-übergekommenen Schlachtschiffe oder TrahRogue ausfindig zu machen. Rogue wirdnicht sprechen und uns nichts verraten, dabin ich mir sicher. Eher würde er sterben.«

»Du hast dir einen Todfeind gemacht, alsdu ihm die Holo-Show gezeigt hast«, sagteBull.

»Ich weiß, Bully.« Rhodan seufzte.»Vielleicht würde ich heute anders handeln,aber er hat uns dazu gezwungen mit seinenInvasionsszenarien. Wir konnten nur nachdem Motto handeln, Frechheit siegt.«

»Den Erfolg haben wir ja gesehen.Komm, Alter - was wir jetzt brauchen, istein kräftiger Schluck aus der Pulle und keinVitaminsaft.«

Rhodan winkte ab. »Für mich nicht, dan-ke. Wir müssen ununterbrochen gewappnetsein und dürfen nicht …«

Der Aktivatorträger hatte noch nicht aus-gesprochen, da wurden seine Worte bestä-tigt. Der Interkom summte. Rhodan sprangauf und drückte die Empfangstaste. Auf demkleinen Bildschirm wurde das Gesicht derKommandantin sichtbar.

»Ich glaube, wir haben sie«, sagte PearlTenWafer mit unbewegtem Gesicht. »Diesieben Katamare wurden soeben fünfhundertLichtjahre von Sol entfernt im SternhaufenM45 geortet, in den Plejaden, in der Nähevon Jagos Stern.«

Der Kampf des Konquestors 19

Page 20: Der Kampf des Konquestors

*

Perry Rhodan und Bull waren schnellwieder in der Zentrale. Rhodan ordnete alsErstes an, starke, Flottenverbände aus derHeimatflotte Sol unverzüglich an Ort undStelle zu schicken. Ohne Verzögerung brachauch die LEIF ERIKSSON auf.

Da sich in den Plejaden auch der von Ar-koniden besiedelte Planet Monerspoint imSukran-System befand, schloss sich Ascarida Vivo mit der KARRIBO und fünfhundertKampfraumschiffen Rhodan an - nicht gera-de erwünscht, aber nicht zu verhindern.

»Die junge Dame scheint tatsächlicheinen Narren an dir gefressen zu haben, Per-ry«, lästerte Bully. »Sie folgt dir auf Schrittund Tritt.«

Rhodan würdigte ihn nur eines strafendenBlickes, was den Rothaarigen nur noch mehrzu amüsieren schien. Er hielt sich den Bauchvor schlecht unterdrücktem Lachen.

»Sag uns, wenn wir mitlachen dürfen«,sagte die inzwischen über 60 Jahre alteKommandantin mit epsalischer Kompakt-konstitution respektlos. »Und bete lieber da-für, dass wir am Ziel nicht mit leeren Hän-den dastehen werden.«

»Jawohl, Sir!«, gab Bull zurück.Pearl warf Rhodan einen fast Hilfe su-

chenden Blick zu und schüttelte demonstra-tiv den Kopf. Dann wandte sie sich wiederihren Kontrollen zu.

»Noch vier Minuten!«, rief sie.Sie verstrichen quälend langsam. Als die

LEIF ERIKSSON, die KARRIBO und ihreBegleitschiffe den 9398 Lichtjahre entfern-ten Sektor von Jagos Stern erreicht hattenund in den Normalraum zurückfielen, waren71 Minuten Flug vergangen, bei einemÜberlichtfaktor von siebzig Millionen.

Perry Rhodan hatte von Anfang an nichtan einen leichten Erfolg geglaubt. Nun, nachden ersten Ortungsversuchen, bekam er Si-cherheit. Sie waren zu spät gekommen. Diesieben Katamare hatten diesen Sektor schonlängst wieder verlassen.

»Pech gehabt«, stellte Bull fest. »Aber ihrschneller Ortswechsel sagt uns auch, dasssie sich auf der Flucht wähnen, hier in derMilchstraße, in der sie nach der Umpolungdes Sternenfensters noch keinerlei Unterstüt-zung haben. Jedenfalls sind sie nicht geblie-ben, um sich einem Kampf zu stellen.«

»Natürlich können sie nicht wissen, wiees um die Feuerstärke der Milchstraßenvöl-ker bestellt ist«, sagte Rhodan. »Darüber ha-ben sie ja keine Informationen, aber …«

In diesem Moment erschien das Holo derarkonidischen Admiralin vor ihnen. Ascarida Vivo hielt sich nicht lange mit Vorredenauf.

»Was haben die Katamare hier gewollt?«,fragte sie in provozierendem Tonfall.»Suchen sie ihren Konquestor?«

»Für sie muss er verschollen sein«, gabRhodan ebenso gereizt zurück.

»Vielleicht haben sie ihn längst mit seinerYacht gefunden«, sagte die Admiralin.»Suchen sie vielleicht das vernichtete Groß-schiff aus dem Solsystem?«

»Ich weiß es nicht!«, versetzte Rhodangenervt.

Ascari da Vivo ließ nicht locker. »Sei'swie es ist. Ich persönlich glaube, dass siesich aus Sicherheitsgründen nie lange an ei-nem Ort aufhalten. Eine echte Gefahr für siebesteht in der Milchstraße nicht, aber daskönnen die Besatzungen der Katamare nichtsicher wissen.«

»Ich glaube«, sagte Reginald Bull in ver-söhnlichem Ton, »dass die Katamare zu-nächst einmal im Großraum Terra einfachnur aufklären - und dabei versuchen heraus-zufinden, was geschehen ist, wo der Kon-questor inzwischen steckt.«

»Ich bin der Ansicht«, sagte Rhodan,»dass die Katamare längst versucht haben,mit ihrem Konquestor Funkkontakt aufzu-nehmen.«

Ascari da Vivo sah ihm einen Moment indie Augen. Ihre Lippen spitzten sich zu ei-nem betörend-provozierenden Lächeln, wieschon so oft zuvor. Dann erlosch ihre Pro-jektion, ohne dass sie noch ein Wort gesagt

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hätte. Nur ihre Blicke hatten für sich gespro-chen; wie sie Rhodan von oben bis untenmusterte, wie sie ihn offen herausforderte.

»Eine höfliche Art hat sie an sich, alles,was recht ist«, knurrte Bull.

»Ja«, sagte TenWafer. »Sie überschlägtsich vor Freundlichkeit.«

Perry Rhodan sah sie an, sagte abernichts.

Reginald Bull nahm seine Hand unddrückte sie. In seinem Blick stand aufrichti-ge Besorgnis. »Suchen wir also weiter«, sag-te er. »Die Katamare können sich nicht fürimmer verbergen. Vielleicht haben wir beimnächsten Mal mehr Glück.«

6.Der Stützpunkt

Smarto Kim wachte mit schmerzendemSchädel auf, als es schon lange nach Mittagwar. Die Helligkeit tat seinen Augen weh.Er lag draußen zwischen der Kuppel undden Silos, und alles deutete darauf hin, dasser einfach an dieser Stelle zusammengebro-chen war. Was hatte er hier gewollt, mittenin der Nacht?

Vor sich sah er einen Gleiter. War diesersein Ziel gewesen?

Allmählich dämmerte es ihm. Er hattesich noch davon überzeugen wollen, dassdie Eingeborenen die ganze Plantage abge-erntet hatten. Doch da hatte er schon zu vielBlotter-Extrakt getrunken, den er heimlichselbst herstellte, indem er sich ein DutzendPflanzen beiseite schaffte und ihren Saft inein Gefäß auspresste. Manchmal aß er sogarihre Wurzeln, und dann war er über Tagehinweg nicht ansprechbar.

So aber hatte er gestern »nur« ihren Saftgetrunken und war in einen betäubendenRausch geglitten. Er hatte sich immer vorge-stellt, mit dem Rausch fertig zu werden, mitihm umgehen zu können. Aber anscheinendwar er doch noch nicht so weit.

Smarto Kim richtete sich ächzend auf.Vorhin noch war er der König der Welt ge-wesen, Beherrscher des Universums. Er hat-

te seine sämtlichen Wunder gesehen. Undnun?

Jetzt fühlte er sich als Wrack. DerWunsch, sofort noch mehr Blotter-Extraktzu sich zu nehmen, war ungeheuer stark.Aber ein letzter Funke Verstand sagte demGuardian, dass er ihm jetzt nicht nachgebendurfte. Er musste in der Lage sein, die Zügelinnerhalb des Stützpunkts in den Händen zubehalten, sonst war er erledigt.

Kim stand schwankend vor der Kuppelund machte Atemübungen. Er nahm eineKapsel aus einer seiner Taschen undschluckte sie hinunter. Meistens half sie ge-gen die Nachwirkungen des Rauschs.

Ahnten seine Kameraden etwas? Es hätteihn nicht gewundert, das erkannte er zwi-schen den Stunden des Katers, der unbändi-gen Aggression und des erlösenden Rauschs.Und er wusste, dass er diese klaren Momen-te nutzen musste, um seine Gruppierung amLaufen zu halten. Dann würde er wieder zuden Plantagen fliegen, sich dort austobenund anschließend wieder rückfällig werden.Es war ein Teufelskreis. Und er wusste das.

Smarto Kim betrat die Kuppel und suchteals Erstes eine Hygienekabine auf. Dort wu-sch und erfrischte er sich, bis er wieder si-cher auf den Beinen stand. Nur der Blick, inden Spiegel zeigte die dunklen Ringe unterden Augen und die eingefallenen Wangen.

Niemals wieder!, sagte er sich und wusstegleichzeitig, dass er dieses Vorhaben niewürde einhalten können.

Smarto begab sich in die Schaltzentraleder Kuppel und fand Jelias Born an denKontrollen. Born war sein Stellvertreter.Kim hatte ihn im Verdacht, an seinem Stuhlzu sägen, aber laut sagte er nichts davon. So-lange Born nicht rebellierte - und dafür hatteKim seine Vorbereitungen getroffen -, warer ihm ein wertvoller Mitarbeiter, mögli-cherweise noch skrupelloser als er.

»Hallo«, grüßte Born. »Du kommst spätheute.«

»Was soll das heißen?«, schnappte Kim.»Nur so, nichts Besonderes. Falls es dich

interessiert, vor zwei Stunden sind unsere

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Akonen zurückgekehrt.«»Und wo sind sie?«»Schon wieder mit ihrem Gleiter gestar-

tet. Sie haben sich in den Kopf gesetzt, dasGebiet der Sümpfe weiter abzusuchen.«

»Narren!«, stieß Smarto Kim hervor.»Besser sollten sie sich hier im Stützpunktnützlich machen. Übermorgen kommt dasTransportschiff, und es gibt noch zwei abzu-erntende Plantagen.«

Jedes Mal, wenn er sprach, stach ein hef-tiger Schmerz durch seinen Schädel. SmartoKim ließ sich in einen Sessel fallen und be-fahl Born, ihm etwas zu trinken zu holen -durchaus auch ein disziplinarischer Akt.Born, zwanzig Jahre jünger als er und mitwuchernder blonder Mähne, stand auf undbrachte einen Cocktail aus Früchten und Mi-neralien.

Kim trank gierig und fühlte sich sofort umeine Stufe besser, mindestens so gestärktwie durch die Kapsel. Er atmete tief durch.Die Sucht saß tief in ihm. Er wollte wiederso sein wie im Blotter-Rausch und nie mehranders: der Herr des Universums, verbundenmit allen Kraftströmungen und psionischenFeldern, der König. Aber das musste warten.Er redete es sich fest ein, mit dem letztenRest seines Verstandes.

»Bist du wirklich in Ordnung, Smarto?«,fragte Born.

»Ja, zum Teufel! Was sollte mit mir nichtin Ordnung sein?«

»Ich dachte nur.«»Was war mit den Akonen?«, wechselte

Kim das Thema. »Haben sie etwas gesagt?«»Nicht viel, Boss. Sie haben anscheinend

nichts gefunden, nichts außer Trümmern.Aber sie sind nach wie vor misstrauisch undder Meinung, jemand könne sich mit demWrack auf den Planeten geschossen haben.Sie suchen jedenfalls weiter die Sümpfe undihre Umgebung ab.«

»Narren!«, schnauzte Smarto erneut.»Haben sie es nicht mehr nötig, sich mit mirabzusprechen?«

»Entschuldigung, Boss, aber dazu warstdu nicht in der Lage. Sie haben es versucht,

aber du hast dich nicht gerührt. Das ist je-denfalls das, was sie sagten.«

»Und was glaubst du?«, fauchte KimBorn an.

»Nichts«, sagte dieser. »Gar nichts.«Smarto Kim erhob sich aus seinem Sitz.

Er konnte wieder klar denken und geradegehen. Es war vorbei, bis zum nächsten Mal.

»Ich werde mich jetzt um die Eingebore-nen kümmern«, sagte er und legte die rechteHand auf die zusammengerollte Peitsche anseinem Gürtel. »Wir müssen sie noch härterherannehmen. Übermorgen kommt dasSchiff.«

»Das ist eine gute Idee«, sagte JeliasBorn.

Kim blickte ihn stirnrunzelnd an, sagteaber nichts mehr. Dann drehte er sich aufdem Stiefelabsatz um und schritt aus derZentrale der Kuppel.

Hinter ihm betrat, unbemerkt von ihm, einanderer Guardian die Kuppel. Er ging zu Je-lias Born und deutete hinter sich.

»Glaubst du, dass er Schwierigkeiten ma-chen wird?«, fragte er.

Smarto Kims Stellvertreter lächelte grau-sam und schüttelte behäbig den Kopf.

»Nein«, sagte er. »Von Tag zu Tag weni-ger.«

7.Trah Rogue

Es war später Nachmittag, als sich TrahRogue auf wackligen Beinen dem Wald-stück näherte, das er aus der Ferne erblickthatte. Er hatte die Savanne hinter sich ge-bracht, ohne ein jagdbares Tier oder eineWasserlache zu finden. Die ganze Zeit hatteeine gnadenlose Sonne auf ihn herunterge-brannt.

Rogue sehnte sich nach dem Schatten derBäume. Manchmal griff seine Hand dorthin,wo sein Renigungssklave hätte sein sollen.Aber Tiki war nicht mehr da. Die Kette, mitdem er an Rogues Gürtel gefesselt gewesenwar, baumelte leer und leise rasselnd herab.Immerhin knurrte Rogues Magen nicht mehr

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ganz so arg …Dafür war der Durst umso schlimmer.Der Konquestor von Tradom arbeitete

sich mit schwindenden Kräften auf dieBaumgrenze zu. Immer häufiger musste errasten. Und immer öfter wurde er sich seinerniederschmetternden Lage bewusst. Es warunerträglich für ihn, den Eroberer. Er musstehier, auf einer Primitivwelt, um sein Lebenkämpfen, während in dieser Galaxis viel-leicht entscheidende Dinge geschahen!

Der Stützpunkt im Norden! Er musste esbis dorthin schaffen. Mit reichlichem Unbe-hagen dachte er an die Berge, aber auch siedurften kein Hindernis sein. Besser wäre esnatürlich, wenn er …

Trah Rogue dachte an den Gleiter, den erwieder gesehen hatte, diesmal schon hierüber der Savanne. Immer wieder hatte ersich hingeworfen und tot gestellt, bis dasFahrzeug wieder gewendet hatte. Wenn derGleiter in seiner Nähe landete und es ihmgelang, seine Besatzung auszuschalten …

Der Konquestor von Tradom gab sich kei-nen falschen Illusionen hin. Er stand immerwieder auf und schwankte auf die Baum-grenze zu. Die Urwaldriesen ragten jetztschon weit in den Himmel auf - und dannwar das Ende der Savanne erreicht, und TrahRogue hörte ein Rauschen.

Es war ein Fluss, wenn auch klein, der dietrockene Savanne von dem Waldland trenn-te. Er war vielleicht fünf Meter breit undführte klares Wasser. Trah Rogue schätzteseine Tiefe an dieser Stelle auf zwei Meter.Aber das war mehr als genug für ihn.

Der Konquestor stürzte sich in die ver-hältnismäßig kühlen Fluten und trank, trankund trank nochmals, bis sein schlimmsterDurst gelöscht war. Dann drehte er sich umdie eigene Achse und wusch sich denSchlamm aus dem Fell. Es dauerte eine hal-be Stunde, bis er sich so weit gesäubert hat-te, dass er ans Ufer steigen konnte. Danachzog er sich seine verschmutzte Bekleidungaus, wusch auch sie und das Fell, das darun-ter gesteckt hatte. Nach insgesamt einerStunde stand Trah Rogue am waldseitigen

Ufer des Flusses und schüttelte triumphie-rend seine Faust gen Himmel.

Er stieß einen brüllenden Schrei aus.Die Strahlen der Sonne trockneten ihn

rasch. Trah Rogue aber achtete nicht sonder-lich darauf. Er war gereinigt, und damit warfür ihn ein großes Problem gelöst. Um sobesser konnte er sich jetzt der Station in denBergen zuwenden.

Der Konquestor drehte sich um und mu-sterte den Wald. Das Dickicht hinterließeinen friedvollen Eindruck. Nur die Ge-räusche von kleinen Tieren waren daraus zuhören. Und das war ja immer noch RoguesZiel: Beute machen, ohne viele Umstände.

Nur solange ihn keine weiteren Raubtiereaufspürten und angriffen und solange dieFremden in ihrem Gleiter ihn nicht entdeck-ten; aber davor schützte ihn ja das dichteBlätterdach der Urwaldriesen.

Es gab Stellen, an denen unter den Wip-feln Rankengewächse wucherten und solche,die frei von niedrigem Bewuchs waren. TrahRogue musste sich seinen Weg suchen.

Er schritt kräftig aus und drang in denWald ein. Eine Weile kam er gut voran.Dann ging es nicht weiter. Die Dornenge-wächse versperrten den Weg in allen Rich-tungen - bis auf die, aus der er gekommenwar.

Fluchend zog Rogue die Klinge aus dersilbernen Scheide und begann, die Rankenzu teilen. So kam er voran, langsam undmühsam. Er zuckte zusammen, als er plötz-lich ein Fauchen hörte und dann eindeutigeTodesschreie eines Tieres. Der Wald war al-so nicht so friedlich, wie er im ersten Mo-ment erschienen war. Trah Rogue nahm sichvor, besonders auf der Hut zu sein.

Zunächst aber erwartete ihn eine positiveÜberraschung.

Als er sich endlich erfolgreich durch dieDornenranken gekämpft hatte und die Waffewieder wegsteckte, stand er auf einer Lich-tung, auf der sich nur drei Bäume erhoben.Sie waren anders als die meisten, die Roguebisher in diesem Wald gesehen hatte. IhrAstwerk war stärker verzweigt, ihre Blätter

Der Kampf des Konquestors 23

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waren größer und seltsam unregelmäßig ge-zackt. Aber was das Wichtigste war: Überallauf dem Boden unter ihnen lagen aufge-platzte Früchte, manche davon halb faust-groß.

Trah Rogue ging einige Schritte und hobeine der Baumfrüchte auf. Sie war nicht auf-geplatzt und fest. Rogue roch daran, derDuft war angenehm und machte Appetit.Aber das war bei dem Konquestor überhauptnicht nötig.

Beherzt biss er in das Fruchtfleisch. Ei-gentlich hätte er erst vorsichtig probierensollen, aber der Hunger trieb ihn an. Köstli-cher Saft rann ihm von den Mundwinkelnhinunter. Er brauchte kaum zu kauen, soweich war die Frucht, wenn erst die Schaleabgerissen und ausgespuckt war. TrahRogue hatte, nach der Erfahrung mit der ge-töteten Bestie, damit rechnen müssen, dassauch dieses Geschenk der Natur ungenieß-bar sein könnte. Doch das Gegenteil war derFall.

»Nahrung!«, brummte der Konquestor.»Mehr …«

Er suchte den Boden nach weiteren ganzgebliebenen Früchten ab. Viele fand ernicht, und sein Hunger war noch nicht ge-stillt. Deshalb tat er das Nächstliegende: Erlegte den Kopf in den Nacken und blickte indie Krone des Baumes hoch. Und tatsäch-lich, die Äste hingen voll mit Früchten. Ermusste nur klettern, um an sie zu gelangen.Und das war etwas, das er immer noch be-herrschte.

Das Wesen aus dem Reich Tradom um-klammerte den Stamm und zog sich bis zuden ersten Ästen hoch. Dort setzte es seineMahlzeit fort. Immer höher kletterte TrahRogue. Das war anstrengend für ihn. Des-halb wagte er nach einer Weile sogar, in vie-len Metern Höhe von Ast zu Ast, von einemBaum zum anderen zu klettern. Rogue ver-gaß alle Vorsicht und stieß einen weiterenTriumphschrei aus. Er aß und aß, und einigeInsekten, die er zwischen den Zweigen fand,rundeten die Mahlzeit ab.

Nachdem der Hunger gestillt war, kam

die Erschöpfung. Trah Rogue saß in einerbreiten, stabilen Astgabel wie eingeklemmt.Von ferne hörte er urwelthafte, grollendeLaute, die ihm einen Schauder über denbreiten Rücken jagten. Aber hier oben, inmindestens zehn Metern Höhe, fühlte er sichsicher. Er brauchte noch einmal zusätzlichenSchlaf, bevor er den Weg fortsetzte. Und wosollte er ihn sich besser holen als hier?

Tief aus dem Dschungel kamen wiederdie schon geläufigen Todesschreie von Tie-ren, gefolgt von dem dumpfen Grollen. TrahRogue versuchte, sich das Geschöpf vorzu-stellen, von dem es stammte. Bestimmt wares groß und gefährlich. Vielleicht handeltees sich um die hiesige beherrschende Art.

Trah Rogue legte sich in der Astgabel zu-rück und schloss die Augen. Innerhalb weni-ger Minuten war er eingeschlafen.

*

Tiver und Vemberey hatten die Sümpfeund die Moorlandschaft hinter sich gelassenund dabei die beiden Hälften des am Bodenliegenden Raubtiers entdeckt. Sie warenkurz gelandet und hatten den Kadaver unter-sucht. Ihr Fazit war: Das konnte keiner derhiesigen Eingeborenen getan haben.

Sie waren wieder in ihren Gleiter gestie-gen, hatten die Steppe überquert und sichdem Urwald genähert. Über ihm kreisten sielange, bis sie einen wahren Aufmarsch vonRaubtieren entdeckten, am Boden des an-sonsten undurchdringlichen Dschungels.

»Da ist etwas«, sagte Tiver. »Die Tieresammeln sich nicht umsonst.«

»Ich kann nichts erkennen«, antworteteVemberey.

»Vielleicht sollten wir den Wald hier ganzeinfach mit unserem Thermo-Geschütz nie-derbrennen.«

»Wozu?«, fragte Vemberey. »Sollte unserGesuchter sich tatsächlich in den Bäumenbefinden, machen ihm die Bestien schonganz allein den Prozess. Ich glaube es nicht.In diesem Urwald überlebt kein Mensch.«

»Wer sagt denn, dass der Gesuchte ein

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Mensch ist?«»Das sagt mir einfach mein Gefühl.

Komm, fliegen wir weiter. Die Bestien, lau-ern auf ein Opfer, das ist es. Wir haben kei-nen Grund, uns hier einzumischen.«

Tiver nickte.

*

Als er erwachte, war es später Nachmit-tag. Der Konquestor fühlte sich ausgeruhtwie lange nicht mehr.

Er verspürte neue Zuversicht. Seit Jahrenhatte er sich seinem ursprünglichen Wesennicht mehr so nahe gefühlt. Er wusste, erwürde es schaffen. Zuerst würde er diesenWald bezwingen, dann die Besatzung desStützpunktes, zuletzt die Galaxis Milchstra-ße …

Trah Rogue richtete sich in der Astgabelauf und sah nach unten. Zufrieden stellte erfest, dass es eine gute Wahl gewesen war,oben zu schlafen, denn unten am Bodenkonnte er die Spuren mehrerer großer Tiereerkennen, die vorhin nicht da gewesen wa-ren. Wieder musste er an die Bestie aus demMoorland denken.

Doch jetzt war es ruhig, zu ruhig viel-leicht. Der Wald schwieg, als bereite er sichauf etwas Großes, etwas Gewaltiges vor.Oder war es, weil er eingedrungen war? Er,der Eroberer? Fühlte sich der Wald durchihn bedroht? Holte er zum kollektivenSchlag gegen ihn aus?

Meinetwegen, dachte Rogue. Ich bin vor-bereitet!

Er fühlte sich beobachtet und tatsächlich:In den Wipfeln der Baumriesen, zwischenBlättern und Früchten, sah er kleine, kobold-hafte Geschöpfe mit viel zu großen Augen,die still verharrten und ihn anstarrten. Abund zu stieß eines der Tiere einen schrillenSchrei aus, der von irgendwo unten beant-wortet wurde.

Waren sie vielleicht eine Art Polizei desDschungels, die ihn beobachtete und jedeseiner Bewegungen nach unten meldete?Aber an wen? Gab es so etwas wie eine Ge-

meinschaft, eine Symbiose des Waldes?Wie auch immer, Trah Rogue musste hin-

durch. Er hatte sich schon an den Abstieggemacht, da fiel ihm ein, dass er das garnicht nötig hatte. Er stammte von einemVolk von Kletterern ab und konnte sich gutoben bewegen; er musste es nur wieder rich-tig lernen. Dabei kam er vielleicht nicht soschnell voran wie auf ebenem Boden, aberdie Gefahr, von einem Raubtier überraschtzu werden, war viel kleiner.

Die drei Baumriesen auf der Lichtung be-saßen so ausladende Wipfel, dass sie inein-ander griffen. Auf gleiche Art und Weisewaren sie mit den anderen Bäumen rings umdie lichte Stelle verbunden. Das Dschungel-dach war wie ein Netzwerk. Es sollte ihmleicht fallen, von Baum zu Baum zu kletternoder einfach zu springen.

Trah Rogue gab sich keinen Illusionenhin. Bis zum Gebirge würde er noch vieleTage brauchen, und dann ging es ans Klet-tern am nackten Fels. Es würde ihn mehrKraft kosten, als er vielleicht hatte. Wenn esihm doch nur gelänge, einen Gleiter derStützpunktbesatzung zu kapern …

Plötzlich schien der Wald zu neuem Le-ben zu erwachen. Fauchen und Schreie, fastwie von Menschen. Und dann wieder dasdumpfe Grollen, gefolgt von neuer, verdäch-tiger Stille, als duckte sich der Wald vor sei-nem Herrn.

Trah Rogue zögerte nicht länger. Er be-gann seinen langen Weg, ohne eine Ahnung,wie groß der Wald war. Rogue arbeitete sichvon Ast zu Ast und von Wipfel zu Wipfel,kletterte, sprang, schwang sich durch dasGestrüpp. Und hinter ihm her kam die Scharder einen halben Meter großen Kobolde.Wie übergroße Heuschrecken folgten sieihm und meldeten immer wieder durch einenschrillen Schrei seinen Standort - nur anwen?

Die unerwartet schnelle Fortbewegung imBlätterdach versetzte Trah Rogue in eine ArtEuphorie. Der Konquestor von Tradom er-kannte, dass er seiner wahren Natur tatsäch-lich um ein Vielfaches näher gekommen war

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als in seinem Thron. Wie viele Jahre hatte erdarin verbracht? Er spürte die Kraft, die ihnerfüllte. Sie kam von innen heraus, und sei-ne verschüttet geglaubten Instinkte erwach-ten mit jeder Stunde in der aufregenden Um-gebung ein Stückchen mehr. Trah Rogueentdeckte an sich selbst ein Überlebenspo-tenzial, das er sich selbst kaum noch zuge-traut hätte.

Es machte Spaß, durch die Wipfel zuspringen, gefolgt von der Schar der Kobol-de. Rogue drehte kurz den Kopf und rief:»Fangt mich doch, wenn ihr könnt!«

Der herabhängende Strang, den er für eineLiane gehalten hatte und zu dem er gesprun-gen war, klebte, als er ihn loslassen wollte,an seinen Händen fest und stoppte seinenSchwung mit einem Ruck. Trah Rogueschrie auf. Einige schreckliche Sekundenlang hing er hilflos in der Luft, nur gehaltenvon der vermeintlichen Liane. Als er hoch-blickte, sah er, worum es sich wirklich han-delte.

Es war ein riesiger Baumparasit, der wieein Krake aus einem der starken, nach obenführenden Hauptäste herauswuchs. Undnoch während er hinsah, zuckte ein weitererFangarm auf ihn herab, einer von minde-stens fünf.

Der schlangenförmige Arm wickelte sichum den Konquestor von Tradom und drohteihm die Luft abzudrücken. Noch immer be-kam Rogue seine Hände nicht frei, sie kleb-ten weiterhin an dem ersten Arm. Und ent-setzt sah Trah Rogue, wie er, gefesselt vondem zweiten Arm, langsam hinaufgezogenwurde - dorthin, wo sich im Zentrum desmehrere Meter großen Parasiten ein Maulmit spitzen Zähnen auftat, die wie in einemKreis angeordnet waren, dessen Durchmes-ser mindestens einen Meter betrug.

»Nein!«, schrie Rogue, aber wer sollte ihnhören? »Helft mir doch! Irgendjemand!«

Unbarmherzig, ohne dass er sich rührenkonnte, wurde er auf das schreckliche Rund-maul zugezogen. Er konnte kaum noch at-men. Sollte dies jetzt wirklich das Endesein? Nur weil er einen Moment lang unauf-

merksam gewesen war? War das die Strafe?Noch acht Meter trennten ihn von dem

spitzzahnbewehrten Maul. Die drei restli-chen Tentakelarme des Parasiten wickeltensich nun auch noch um ihn. Alle Versuche,sie mit Muskelkraft zu sprengen, schlugenfehl. Und dabei hatte er gedacht, unten, amBoden, lauerte die Gefahr.

Wie zur Antwort auf diesen Gedankenhörte er das dumpfe Grollen wieder. Wenner nur eine Hand freibekäme, um den Stock-degen zu ziehen! Es würde ein Leichtes sein,die Fangarme damit zu durchtrennen. Denunvermeidlichen Sturz auf den Boden desWaldes würde er überleben oder auch nicht.Aber ein solcher Tod wäre gnädiger, als vondiesem Tier-Pflanze-Wesen bei lebendigemLeibe verspeist zu werden.

Jetzt waren es nur noch fünf Meter. TrahRogue konnte sich einfach nicht vorstellen,dass so plötzlich alles vorbei sein sollte -seine Hoffnungen, seine Visionen. Aber erkonnte nichts tun, er war gefesselt. Und jemehr er sich aufbäumte, desto mehr Kraftkostete es ihn.

Noch drei Meter …Trah Rogue schloss die Augen. Aus und

vorbei. Er hatte gekämpft, mehr als je in sei-nem Leben. Es war vergeblich gewesen.

Endstation. Schluss.Er machte sich bereit, den schlimmsten

aller denkbaren Tode zu sterben, bei leben-digem Leib verspeist und aufgelöst in Ver-dauungssäften.

In diesem Augenblick, Trah Rogue hatteaufgehört zu atmen, um das Ende vielleichtin gnädiger Bewusstlosigkeit nicht mehr zuerleben, hörte er ein grauenvolles Kreischengleich über sich. Im selben Moment er-schlafften die Fangarme. Trah riss die Au-gen auf und sah einen langen Pfeil aus demMaul des Parasiten ragen, der noch zitterte.Das Maul schloss sich, die spitzen Zähnebrachen den Schaft des Pfeiles ab, doch dieFangarme erschlafften weiter und begannenheftig zu zucken.

Trah Rogue wusste noch nicht, was ge-schehen war - außer dass jemand den Pfeil

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auf den Parasiten abgeschossen haben mus-ste. Offenbar war er stark vergiftet gewesen,denn sonst hätte er das Monstrum nicht soschnell bezwungen.

Der Konquestor konnte seine Hände lö-sen!

Im selben Augenblick lösten sich auch dieFangarme um ihn und er fiel wie ein Stein.Trah Rogue brüllte vor Wut. Der Fall schieneine Ewigkeit zu dauern, dann prallte er auf.

Er fiel zum Glück weich, in einen Dorn-busch hinein und auf nachgiebigen Boden.Der Busch federte den Sturz ab, riss mit sei-nen Dornen aber ganze Büschel von Haarenaus Trah Rogues Fell heraus. Der Konque-stor war kurz benommen, dann zog er seineKlinge und schlug sich mit ihr den Weg ausdem Busch frei. Er blutete an mehreren Stel-len, aber ansonsten hatte er den Sturz gutüberstanden. Er lebte noch. Noch immer.

Inzwischen sank die Sonne schon wiederdem Horizont entgegen. Rogue, völlig ent-setzt über die Löcher in seinem Fell, wusstenicht, wie er weitergehen sollte. Unten amBoden oder wieder oben in den Wipfeln?

Und wer hatte den Pfeil auf den Parasitenabgeschossen?

»Freund!«, rief Trah Rogue auf Interkos-mo. Er hatte die Sprache in Hypnoschulungerlernt, auch wenn er auf Terra stets denTranslator seines Throns benutzt hatte. Viel-leicht war die Verkehrssprache der Milch-straße seinem versteckten, unbekannten Ret-ter geläufig - oder ihnen, falls es mehrerewaren. »Freund, zeige dich!«

Er hatte es nicht wirklich erwartet, aberplötzlich lösten sich drei bis auf einen Len-denschurz nackte, blauhäutige Gestalten vonden Stämmen ringsum und kamen scheu aufihn zu. Jedes der 1,30 Meter großen Wesenhielt einen primitiven Bogen mit einem ein-gelegten Pfeil auf ihn gerichtet.

»Du sprichst die Sprache der Götter?«,fragte derjenige von ihnen, der voranging.Fünf Meter vor Rogue blieb er stehen.»Dann gehörst du zu ihnen!«

Dabei zog er die Sehne des Bogens einStück zurück. Trah Rogue erkannte die Ge-

fahr und schüttelte heftig den Kopf.»Nein, wartet!«, rief er. »Ihr habt mich

gerettet und dafür danke ich euch. Ich bineuer Freund. Ich weiß nichts von euren Göt-tern, aber ich kann es mir denken. Kommensie mit … mit Himmelswagen zu euch?«

»Ja«, sagte der Sprecher. »Und sie brin-gen viel Elend über unser Volk, das sie diePinblots nennen. Sie beuten uns aus und tö-ten uns.«

»Dann sind sie auch meine Feinde«, sagteRogue. »Ihr müsst mir das glauben. Sie ha-ben auch versucht, mich umzubringen.«

Das war zwar gelogen, aber nur halb. Hät-ten die Fremden in ihrem Gleiter ihn gefun-den …

»Wir wissen nicht, ob wir dir glaubenkönnen«, sagte der Blauhäutige.

»Wie ist dein Name?«, fragte Rogue.»Sabor«, bekam er zur Antwort.»Na schön, Sabor. Ich biete dir an, mit

euch gemeinsam gegen eure Feinde zukämpfen, falls sie wiederkommen und euchmisshandeln. Auf welche Weise tun sie dasund warum?«

Sabor ging auf seine Frage nicht ein. Im-merhin spannte er seinen Bogen nicht mehr.

»Das wird kaum möglich sein, Fremder.Wir sind eine Gruppe von gut zwanzig Män-nern und Frauen, die aus dem Dorf …«, erdeutete hinter sich, Richtung Norden, »…geflohen sind. Seitdem leben wir hier imWald und warten auf den Tag, an dem wirkämpfen können. Es kann noch lange dau-ern. Die Feinde haben furchtbare Waffen.«

»Nennt mich Trah«, sagte Rogue. »Ihrhabt leider Recht. Ich bin auf dem Weg zumStützpunkt der Feinde in den Bergen, undhabe deshalb nicht viel Zeit, um auf denKampf mit ihnen zu warten. Ich würde gern…«

Ein Geräusch unterbrach ihn. Ein Ge-räusch, das er mittlerweile zu gut kannte:das urwelthafte Grollen, aber diesmal vielnäher.

»Der König des Waldes!«, rief Sabor. »Erist hier! Schnell, in Sicherheit!«

Damit spurtete er los und die anderen bei-

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den hinter ihm her. Sie waren so schnell hin-ter Büschen verschwunden, dass Trah Rogueihnen mit seinen Blicken nicht folgen konn-te.

Dafür hörte er das Grollen wieder undjetzt wieder ein Stück näher. Er sprang dennächsten Baum an und kletterte mit seinensechsfingrigen Händen und Füßen an ihmhinauf, bis er wieder eine stabile Astgabelerreicht hatte.

Die rote Sonne ging im Westen unter.

8.Der Stützpunkt

Smarto Kim kehrte mit seinem auf Auto-pilot geschalteten Gleiter zur Kuppel undden Silos zurück, nachdem er sich an denEingeborenen ausgetobt hatte. Seine Schlägehatten zwei weitere Opfer gekostet. Dasstörte ihn nicht. Die Eingeborenen waren inseinen Augen primitive Kreaturen, dieglücklich sein konnten, durch die Arbeit fürdie Galactic Guardians so etwas wie einenSinn für ihr Leben zu bekommen.

»Wo sind die Akonen?«, fragte er seinenStellvertreter, während in seinem Schädel al-les um eine weitere Dosis Blotter-Extraktkreiste. Entsprechend steif und unbeholfenfühlte er sich.

»Noch unterwegs«, antwortete Born.»Wir haben noch kein Lebenszeichen vonihnen.«

»Verdammt!«, fluchte Kim. »Was bildendie beiden sich ein? Hier wird jede Hand ge-braucht! Morgen landet das Transportschiffund uns fehlt jede Menge Pflanzen! Wirmüssen den Eingeborenen einheizen, undzwar so, dass sie es nie mehr vergessen wer-den!«

»Was stellst du dir vor?«, fragte JeliasBorn.

Kim schlug die Fäuste gegeneinander.»Ein weiteres Dorf niederbrennen, bis ihreHütten nur noch Haufen von Asche sind.Unnütze Kinder und Frauen erschießen undvor allem die Alten. Nur die Arbeitsfähigendürfen am Leben bleiben. Und wenn das ei-

ne Dorf nicht genügt, müssen wir eben wei-tere eliminieren!«

»Das ist nicht dein Ernst«, sagte Born be-tont leise. »Wir arbeiten hier im Geheimen,niemand kontrolliert uns. Niemand weiß vonunserer Anwesenheit und Tätigkeit. Abertrotzdem … das können wir nicht tun. Esliefe auf Völkermord hinaus.«

»Na und?«, fragte Smarto Kim undschnitt eine Grimasse. »Es sind lausige Ein-geborene. Was kümmern sie uns?«

Plötzlich waren Borns Augen nur nochschmale Schlitze. »Denke nach, Smarto«,sagte er. »Wir brauchen die Pinblots als Ar-beitskräfte. Willst du an ihrer Stelle die Fel-der abernten? Ohne die Eingeborenen kön-nen wir den Laden hier dichtmachen.«

»Zum Teufel, was kümmert es mich!«,schrie der Stützpunktleiter und sprang auf.»Sie müssen Respekt vor uns haben undschuften, bis sie nicht mehr stehen können.Morgen werde ich ihnen persönlich eineBrandbombe ins Nest legen! So wahr ich …Teufel auch, was machst du da?«

Er blickte in die Abstrahlmündung derschweren Kombiwaffe seines Stellvertreters.Sie war auf seine Brust gerichtet. Jelias Bornlächelte fast traurig.

»Ich kann dein Verhalten nicht mehr dul-den, Smarto«, sagte er. Hafer App und zweiandere Guardians traten demonstrativ hinterihn. Born nickte. »Wir alle wissen, dass duvom Blotter abhängig geworden bist. Jetztist der Punkt erreicht, an dem wir dich alsAnführer nicht mehr dulden dürfen. Wirbrauchen die Eingeborenen, und zwar jedenvon ihnen, um unser Geschäft weiter betrei-ben zu können. Es tut mir Leid, Smarto, aberich habe nur die Wahl zwischen ihnen unddir.«

Damit drückte er ab. Der sonnenhelleEnergiestrahl fraß sich in Smarto KimsBrust. Kim sank in den Knien zusammenund kippte dann leblos zur Seite.

*

»Ich wusste gar nicht, dass du so viel für

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die Eingeborenen übrig hast, Jelias«, sagteHafer App, ohne nur einen Blick auf seinenbisherigen Chef zu verschwenden. Dafürleuchteten seine Augen Born an, der wieselbstverständlich von den anderen als neuerAnführer anerkannt worden war.

»Es geht mir überhaupt nicht um sie«,sagte Born. »Es geht mir um unseren Profit,und dafür brauchen wir sie.« Er stieß mitdem Stiefel die Leiche Kims an. »Schafftihn hier weg und zerstrahlt ihn draußen!Und sagt allen, wer jetzt hier das Sagenhat.«

»Natürlich, Boss«, buckelte App.»Natürlich.«

Jelias Born sah ihm und den anderennach, wie sie die Kuppel verließen.

»Kriecher!«, murmelte er, bevor er sichseinen neuen Aufgaben zuwandte. EinenMoment überlegte er, ob er die beiden Ako-nen anfunken sollte, aber dann verzichtete erdarauf.

Es gab Wichtigeres zu tun. Und auch oh-ne sie würde er den Eingeborenen Beine ma-chen können - allerdings nicht so, wie sichSmarto Kim das vorgestellt hatte.

Sie waren noch zwölf - nein, jetzt elf -Mann in dem Stützpunkt. Anfangs waren esdreizehn gewesen. Victor Kloft war einemheimtückischen Anschlag zum Opfer gefal-len, durchbohrt von einem Pfeil.

Die dafür Verantwortlichen zu finden undzu bestrafen, das war eine der Aufgaben, diesich Jelias Born zum Ziel gesetzt hatte.Nachdem das Transportschiff beladen wor-den war, würde er anfangen, sich darum zukümmern. Offensichtlich gab es eine Gruppevon Rebellen bei den Eingeborenen, die sichzum Kampf entschlossen hatten.

Er würde es herausfinden, aber vorerstgalt es, die für die Beladung des Transport-schiffs nötigen Mengen an Blotter-Pflanzenbereitzustellen.

Jelias Born ließ sich einen Gleiter fertigmachen - das Fahrzeug, mit dem SmartoKim bislang geflogen war.

9.

Trah Rogue

Das urweltlich klingende Grollen verfolg-te Trah Rogue, so schnell er sich auch in denWipfeln nach Norden schwang, auf die fer-nen Berge zu. Hinter ihm kam der Schwarmder kleinen Kobolde. Allmählich fragte ersich, ob sie etwas mit dem Grollen zu tunhatten, mit jenem großen Tier, das es aus-sandte. Waren ihre Schreie etwa für es be-stimmt?

Spionierten sie für es? Arbeiteten sie mitihm zusammen? Wurden sie am Ende vonihm beherrscht? Trah Rogue musste an Sa-bors Worte denken, die seinen ersten Ein-druck bestätigt hatten.

Der König des Waldes!Um was für eine Art Ungetüm sollte es

sich bei ihm handeln? In Rogues Phantasieentstanden die schrecklichsten Wesen: Tie-re, Pflanzen, Chimären …

Rogue kam jetzt langsamer vorwärts. DieBäume, in deren Wipfeln er sich bewegte,waren schwächer. Ihre Stämme waren un-glaublich kräftig und dick, aber ihre Astewaren weich und trugen oft sein Gewichtnicht, und er musste schnell auf andere über-wechseln.

Inzwischen war es dunkel geworden. TrahRogue vermochte zwar in der Finsternis ei-nigermaßen gut zu sehen, aber er wurde vor-sichtiger und kam so doppelt langsam voran.Er hielt sich in der Nähe der Stämme, wobeiihm bald auffiel, dass es dunkle Öffnungenin ihnen, gab, künstlich entstandene Höhlen.Er fragte sich, wie die Tiere beschaffen seinmochten, die sich in das Baumholz hinein-gearbeitet hatten. Denn ein Versuch mit sei-nem Degen zeigte ihm, dass es an den Stäm-men viel fester war als an den Ästen. Er ver-stand nicht viel von Botanik. Dennoch wun-derte es ihn.

Vorsichtshalber machte er einen weitenBogen um diese Löcher.

Dreimal sprang er einen zu schwachenAst an, dreimal fiel er fast aus luftiger Höhezu Boden. Dann endlich entschied er sichdafür, die Nacht abzuwarten und erst am

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nächsten Morgen weiterzueilen. Das urwelt-hafte Grollen, das er von unten hörte, be-stärkte ihn nur darin.

Trah Rogue suchte sich abermals eineAstgabel und ließ sich darin nieder, nach-dem er sie auf ihre Stabilität hin untersuchthatte. Sie trug sein Gewicht. Er konnte sichberuhigt ausruhen und sprach das DunkleGebet.

Er kratzte sich. Tiki fehlte ihm jetzt sehr.Wie hatte er sich auch hinreißen lassen kön-nen?

Schlaf brauchte er jetzt nicht. Der Kon-questor legte den Kopf zurück und betrach-tete die funkelnden Sterne am fremden Fir-mament. Waren schon weitere Schiffe ausTradom durch das Sternentor gekommen?Suchten sie ihn?

An allem war nur dieser Perry Rhodanschuld, der verfluchte Terraner! Jetzt, daTrah Rogue in der Astgabel saß und keinenSchlaf fand, überkam ihn der ganze Zorn,der unbändige Hass auf diesen Mann, demer die Niederlage im Solsystem zu verdan-ken hatte. Aber Perry Rhodan würde damitnicht durchkommen, so wahr er Trah Roguehieß!

Die Kundschafter aus Tradom hatten dieMilchstraße eine ganze Weile im Geheimenbeobachtet. Man wusste bestens über die Ei-genarten der Terraner Bescheid. Daraus wardie Strategie erwachsen, zunächst am Ster-nenfenster die Macht des Reichs und seinerKatamare zu demonstrieren - und anschlie-ßend Terra ohne große Raumschlacht einzu-nehmen, sondern auf eine sanfte Art, näm-lich indem sich der Konquestor persönlichins Feindesland begab. Die immensen Ko-sten einer konventionellen Invasion hattenso minimiert werden sollen.

Aber diese Strategie war gescheitert, undnun würde Perry Rhodan den Preis dafürzahlen müssen!

»Also gibt es Krieg«, sagte Trah Rogueleise und gefährlich. »Du hast es nicht an-ders gewollt, verfluchter Terraner.«

Dieser Krieg würde auf Seiten der Men-schen Milliarden Opfer kosten, und am Ende

würde das Reich Tradom einen umso höhe-ren Tribut von ihnen einfordern.

Falls Trah Rogue am Ende dieses Kriegesüberhaupt noch Menschen am Leben ließ!Denn genauso gut, überlegte der Konque-stor, konnte er an der Menschheit ein Exem-pel für den Rest der Milchstraße statuieren…

Das urwelthafte Gebrüll von unten erin-nerte ihn daran, dass er noch lange nicht soweit war, wieder Feldzüge führen zu kön-nen. Erst musste er durch den Wald, dannzum Stützpunkt und dann konnte er hoffen,dass sein Funkspruch tradomsche Schiffe er-reichte.

Wieder erscholl der grollende Laut, dies-mal noch näher als vor Stunden, als TrahRogue den Eingeborenen gegenübergestan-den hatte. Und als er die Augen zusammen-kniff, sah er die Kobolde, die rings um ihnherum in den Zweigen hockten.

Jetzt war er sicher: Sie waren auf einekaum vorstellbare Weise mit dem Ungetümverbunden, das unten am Boden auf ihn lau-erte. Das darauf wartete, dass er herabstürzteoder unvorsichtig wurde. Der König desWaldes!

Trah Rogue drehte sich und spähte nachunten. Nein, sehen konnte er nichts. Es schi-en alles friedlich zu sein. Aber der Feindlauerte im Unterholz oder hinter den näch-sten Bäumen. Ihn musste er überwinden, dasahnte der Konquestor. Erst danach konnte erunbeschwert weiter durch den Urwald undbis zu dessen Ende gelangen.

Trah Rogue wartete die Nacht ab, be-schäftigt mit seinen Rachegedanken an Per-ry Rhodan. Das Grollen war nicht mehr zuhören. Rogue begann schon zu hoffen, dasunbekannte Untier habe sich verzogen.

Als die Sonne aufging, hörte er ein cha-rakteristisches Summen und sah einen sil-berfarbigen Punkt am Himmel über denWipfeln kreisen. Der Gleiter! Also machtensie immer noch Jagd auf Überlebende - unddamit auf ihn.

Das Fahrzeug zog eine Schleife und ver-schwand wieder. Trah Rogue war erleichtert

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und machte sich auf, den Weg durch dieWipfel fortzusetzen. Zufällig fiel sein Blickdurch das Astwerk auf den Boden, und dortsah er Sabor und seine Freunde stehen undzu ihm heraufwinken.

»Der König des Waldes schläft!«, rief Sa-bor ihm zu. »Aber beeile dich. Bald wird ererwachen!«

»Danke, Freund!«, rief Rogue zurück.Dann schwang er sich in einen benachbartenBaum, in dessen mächtigem Stamm eben-falls eine dunkle Höhle klaffte.

Trah Rogue hörte grässliche Geräuschedaraus und wich schnell zurück. Er durch-querte die Krone des Baumes und sprang indie nächste, gefolgt von einem Gefühl desGrauens, das selbst er, der Mächtige, nichtabstreifen konnte.

*

Wasser war kein Problem mehr für TrahRogue. Er fand es in den großen, kelchför-migen Blättern mancher Bäume, schillerndim Licht der aufgehenden Sonne. Und hierund dort standen Bäume von der Sorte, wieer sie auf der Lichtung kennen gelernt hatte.Dort nahm er Früchte zu sich, bis seinBauch schmerzte.

Den ganzen Vormittag sprang er durchdie Wipfel nach Norden. Und immer wiederhörte er die Stimme von Sabor. Er und seineFreunde mussten ihn unten, auf dem Bodendes Waldes, ungeheuer flink begleiten. Undwo sie waren, konnte der König des Waldesnicht sein. Für Trah Rogue war es immerwieder eine Erleichterung, von unten Rufezu hören.

Aber wie gern hätte er sich den Klein-wüchsigen unversehrt präsentiert, ohne dieLöcher im Fell, ohne verkrustete Wunden.Er verwünschte sich jetzt selbst dafür, Tikigetötet und verspeist zu haben. Wie sehr hät-te er ihn jetzt brauchen können! Es warschauderhaft! Er war schlimmer als nackt!Durfte er die Eingeborenen um Sabor über-haupt am Leben lassen, weil sie ihn so gese-hen hatten? Rogue hoffte inbrünstig, dass er

in der Station der Fremden ein Mittel findenwürde, um wenigstens den Schorf zu entfer-nen und die Wunden zu verdecken.

Der Konquestor bewegte sich den ganzenTag über nach Norden. Es begann bereitswieder zu dämmern. Trah Rogue suchte sicheinen Platz zum Übernachten. Er war wiederreichlich erschöpft.

Er hatte sich gerade in einer Astgabel zu-rechtgelegt - es war einer der Bäume mit ei-nem großen Loch im Stamm -, als er dasgrollende, urtierhafte Geräusch unter sichhörte. Und diesmal war es ganz nah.

Trah Rogue erschrak und drehte sich aufdie Seite. Und dann sah er es.

Es lauerte unter ihm, ein Tier mit vierBeinpaaren und einem Echsenkörper. DreiSchlangenhälse wuchsen aus den stämmigenSchultern, und an den Füßen konnte erscharfe Klauen erkennen. Mit seinen dreiKöpfen starrte das Ungetüm zu ihm heraufund grollte. Es schien eine Kampfansage zusein.

Hinter Trah Rogue sammelte sich derSchwarm der Kobolde, die ihm bis hierhergefolgt waren. Sie waren wie das Publikumin einem blutigen, tödlichen Kampf.

Und der König des Dschungels, minde-stens fünf Meter lang und zwei Meter breitin den Schultern, schien des Wartens müdezu sein und wollte ihnen den Gefallen tun.Seine drei Schlangenhälse mit den meter-großen Köpfen daran wogten hin und her.Aus den schmalen Mäulern zuckten Schlan-genzungen hervor. Das dumpfe Grollen kamallerdings aus einer Öffnung zwischen denHälsen oder besser gesagt: unter ihnen. Dortöffnete sich ein schreckliches Maul. TrahRogue sah, dass der mächtige Leib des Tie-res von Pflanzen bewachsen war. Tatsäch-lich eine Mischform oder nur eine Symbio-se?

Er atmete tief ein. Er wusste nicht, ob ergegen dieses Wesen bestehen konnte, aberer musste! Um in die Berge zu gelangen!Um Rache an Perry Rhodan und dieser Ga-laxis zu nehmen!

Die Kobolde waren verstummt. Trah

Der Kampf des Konquestors 31

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Rogue sah seinen potenziellen Gegner untenam Boden vor dem Stamm seines Baumeslauern, wähnte sich aber noch immer in Si-cherheit.

Bevor er richtig begriff, was geschah,schnellte sich das Wesen an den Stamm undarbeitete sich daran hoch. Das ging schnel-ler, als Trah Rogue es jemals für möglichgehalten hätte. Er hatte den Gegner unter-schätzt!

Er musste fliehen, aber wohin? Die Ästedes Nachbarbaums erschienen ihm nichttragfähig genug. Also blieb ihm nur der ei-gene Stamm, aber über ihm war ausgerech-net eines jenes dunklen Löcher im Holz, umdie er normalerweise einen weiten Bogenmachte.

Andererseits sah er, wie sich das Untieram Stamm zu ihm herauf schob, und jetztkonnte er in den Schlangenmäulern mehrerespitze und lange Zähne erkennen. Egal, obdas Biest nun über Giftzähne verfügte odernicht - es würde ihn auseinander nehmen,wenn es ihn erreichte!

Trah Rogue wurde erneut um eine Erfah-rung reicher. Er hatte ganze Sternhaufen er-obert, aber gegen einen Urwald wie diesenund seine Geschöpfe war er fast hilflos. EinUrwald auf einem lausigen, primitiven Pla-neten, nicht weit entfernt von der rettendenInsel der Zivilisation!

Er hielt seinen Degen bereit, die beidensilbernen Scheidenhälften fielen hinab aufden Boden. Die Klinge fest in der Rechten,kletterte er mit der Linken und mit den Bei-nen. Aber er kam nicht so schnell voran wieder Feind, der rasch Meter um Meter aufhol-te. Seine mächtigen Krallen gaben ihm Halt.Die Schlangenhälse wickelten sich um dieÄste, zogen sich daran hoch und lösten sichwieder. Das ganze Tier war in Bewegung.

Trah Rogue versuchte, auf die andere Sei-te des Stammes zu gelangen, um das dunkleLoch zu umgehen. Doch dort gab es kaumHalt für ihn. Er musste wohl oder übel ander Öffnung vorbei - nahe, sehr nahe …

Der Konquestor zögerte, er war etwas un-sicher. Er konnte nicht endlos klettern, mit

dem Ungeheuer hinter sich. Irgendwo warder Stamm zu Ende, konnte sein Gewichtnicht mehr tragen. Und dann?

Das Monstrum schob sich näher. Nochwar es hell genug, um jede Einzelheit deut-lich erkennen zu können. Schon schnappteeines der Schlangenmäuler nach seinen Fü-ßen. Trah Rogue hörte aus dem dunklenLoch plötzlich zischende, gefährlich klin-gende Laute. Und das brachte ihn auf eineIdee.

Der vorzuckende Schlangenhals schossauf ihn zu. In einem Reflex beugte sichRogue hinab und schlug zu. Mit einemStreich trennte er den hässlichen Schädelvom Hals. Der König des Waldes brüllteentsetzlich. Aus dem Stumpf schoss dunklesBlut. Zum Glück ging die Fontäne an Roguevorbei, der die Schreckensstarre seines Ver-folgers nutzte und schnell zu klettern be-gann.

Diesmal machte er keinen weiten Bogenum die Öffnung, sondern kletterte darauf zuund wand sich nahe an ihr vorbei, wobei erwieder das Zischen hörte. Er musste seinenganzen Mut zusammennehmen, bis er end-lich über dem Loch war. Er kletterte nocheinige Meter am Stamm hoch und hakte sichdann an einer Stelle ein, wo der Baumstammsich teilte.

Er wusste nicht, ob und wie sein »Plan«funktionierte. Die Idee war aus der Ver-zweiflung und der Ausweglosigkeit herausgeboren. Trah Rogue hielt den Atem an, alsdas Ungetüm, das bisher wie gelähmt amStamm gehangen hatte, sich wieder in Be-wegung setzte.

In den schmalen Augen der beiden nochvorhandenen Köpfe glaubte er unbändigenHass zu erkennen; den festen Willen, denVerstümmler zu töten. Aber das konnte ersich auch einbilden. Der Halsstumpf hatte zubluten aufgehört. Er peitschte wild hin undher, als gehörte er nicht zu dem Wesen.

Und es kletterte höher, auf seine ver-meintlich sichere Beute zu. Noch sechs, sie-ben Meter. Dann schob sich der mächtigeLeib über das Loch im Stamm.

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Jetzt!, dachte Trah Rogue.Er hatte nicht genau gewusst, was ihn er-

wartete, aber was nun geschah, übertraf sei-ne kühnsten Hoffnungen. Die Mitte des Ech-senleibes war über der Öffnung, als aus ihrein schwarzer Schemen herausschoss, in dengroßen Körper hinein. Der König des Wal-des verlor seinen Halt, er wurde förmlichvom Stamm weggesprengt und fiel krei-schend durch das Astwerk, das ihm keinenHalt bot. Hart prallte er auf dem Dschungel-boden auf, eingehüllt in eine Wolke von flat-ternden, blitzschnellen schwarzen Wesen,unvorstellbar aggressiv, mit spitzen Schnau-zen und noch spitzeren Zähnen, die auf dasviel größere Tier einhackten und Stücke ausseinem gepanzerten Leib rissen.

Trah Rogue sah einen Wirbel aus Glied-maßen. Das Echsenwesen lag auf demRücken und ruderte hilflos mit den acht Bei-nen. Sein weicher Bauch war ungeschütztund ebenso das Ziel der kleinen Bestien wiedie Hälse und die beiden verbliebenen Köp-fe. Alles ging unglaublich schnell. Der Kö-nig des Waldes versuchte sich mit den peit-schenden Hälsen zu wehren, aber er hattekeine Chance.

Immer noch quollen die kleinen Ungeheu-er aus der Baumöffnung. Immer mehr fraßensich in der Echse fest und rissen mit ihrenspitzen, scharfen Zähnen Stücke aus ihremLeib. Im ersten Augenblick hatte TrahRogue gedacht, es mit Vögeln zu tun zu ha-ben, aber der Eindruck hatte getäuscht. Eherhandelte es sich um eine Art Fledermäusemit ledernen Schwingen und ebenfalls mes-serscharfen Krallen.

Dem König des Waldes gelang es, sichauf die Seite zu wälzen und dann aufzurich-ten. Aber er stand schon auf wackligen Bei-nen. Der ganze Körper war mit Blut besu-delt, die Eingeweide hingen aus seinemBauch, und an ihnen klebten die schwarzenKreaturen und rissen an ihnen. Die Schreiedes Echsenwesens waren markerschütternd.Sie mussten im ganzen Dschungel zu hörensein.

Das große Tier kämpfte auch dann noch,

als es mit den beiden vorderen Beinpaareneinknickte und fiel. Die beiden Schlangen-köpfe, den Hals nach hinten gebogen,schnappten nach den schwarzen Todesbrin-gern, aber die Übermacht war einfach vielzu groß.

Der schreckliche Kampf dauerte eine hal-be Stunde. Fast systematisch bissen die klei-nen Bestien das große Wesen zu Tode. DerKönig des Waldes starb langsam und qual-voll. Trah Rogue hatte kein Mitleid mit ihm.Das Wesen war für ihn nur ein Hindernis,das aus dem Weg geräumt worden war -zwar nicht direkt von ihm, aber immerhin.

Als alles vorbei war, war es fast völligdunkel geworden. Die schwarzen Mörderhockten noch auf dem besiegten Gigantenund hielten Leichenschmaus. Trah Roguebegann zu schwitzen. Er wusste, dass er hierüber der Höhle in großer Gefahr war. Erwollte nicht so enden wie das tote Geschöpfdort unten. Also was konnte er tun?

Er musste fort sein, wenn die Fledermaus-ähnlichen in den Baum zurückkehrten. Erwar fast sicher, dass sie ihn sonst entdeckenwürden. Also gab es nur eines: am Baum-loch vorbei den Stamm wieder so weit hin-unterklettern, bis er einen tragfähigen Asterreichte - und dann nichts wie weg vonhier, in einen anderen Baum!

Der Konquestor von Tradom zwang sichzum Klettern. Langsam, eng an den Stammgepresst, kam er nach unten voran. Als erdas Loch erreichte, klopfte sein Herz heftig.Er umging es so gut wie möglich. Wenn dieschwarzen Biester bloß jetzt nicht zurückka-men!

Aber ein Dunkler Schutzgeist schien überihn zu wachen. Kaum atmend, ließ TrahRogue das Loch über sich zurück und fandeinen Ast, der stark genug für ihn war. Ermusste aufpassen, dass er sich nicht an sei-ner Klinge schnitt. Die beiden Hälften derScheide lagen unten am Boden. Er mussteabwarten, bis sich der Wald beruhigt hatte,und sie sich dann holen.

Vorerst aber schwang er sich in einen an-deren Wipfel, der stärkere Äste hatte. Auf

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einem von ihnen ließ er sich nieder, gleichhinter dem Stamm. Er dankte dem DunklenGott, dass er das Erbe der baumbewohnen-den Vorfahren bewahrt hatte, was ihm bisjetzt nie bewusst gewesen war, und sich inden Bäumen so gut bewegen konnte wie aufdem Boden. Von dort aus beobachtete er. Erlegte eine Hand auf die Stirn und stattete sei-nen Dank ans Universum ab.

Jetzt lösten sich die ersten Räuber vondem Kadaver und flatterten zur Baumhöhlehoch. Viel länger hätte Rogue nicht zögerndürfen.

Dann stob die ganze Rotte auf und bildetefür Minuten eine dunkle Wolke um denStamm, bis die Tiere, eins nach dem ande-ren, in der Öffnung verschwunden waren.Trah Rogue atmete auf. Die Gefahr war fürihn gebannt. Der Dschungel war wieder ru-hig geworden.

Dennoch musste er vorsichtig bleiben.Der König des Waldes war tot, aber sicherwar er kein Einzelwesen gewesen. Was war,wenn er eine Gefährtin oder einen Gefährtengehabt hatte?

Diese Nacht würde Trah Rogue jedenfallsnicht nach unten steigen und auch nicht wei-terziehen. Aber Schlaf fand er ebenfalls kei-nen. Zu sehr beschäftigte ihn noch das, waser erlebt und gesehen hatte.

Er saß auf dem Ast und hielt die Klingeschlagbereit. Er dachte an den Kampf undsah statt des großen Wesens Perry Rhodanvor sich. Immer wieder dieser Rhodan. Ererschien ihm in den Büschen, in den Wip-feln, überall. Er sah ihn, wie er über ihn ge-lacht hatte, in der Stunde seiner größten De-mütigung. Und er wußte: Der Tod PerryRhodans war für ihn gleichbedeutend mitder Eroberung dieser Galaxis.

Er hob seinen Stockdegen hoch in dieLuft und betrachtete die glitzernde Klinge.In seiner Vorstellung sah er sie schon in derBrust seines größten Feindes seit langerZeit.

Trah Rogue sprach ein Dunkles Gebet.

*

Am anderen Morgen kletterte Trah Roguevon dem Baum hinab und holte sich seineScheidenhälften. Sie lagen unmittelbar ne-ben dem Kadaver, er hatte Glück gehabt,dass das Mischwesen nicht über ihnen zu-sammengebrochen war. Trah Rogue warfeinen Blick nach oben, zur Baumöffnung,dann sah er zu, dass er sich so schnell wiemöglich von diesem Ort entfernte.

Nach etwa hundert Metern kletterte erwieder ins Blätterdach. Er sprang undschwang sich weiter, immer nach Norden.Er aß von den Baumfrüchten, aber Wassergab es keines mehr in den Kelchblättern. Eswar restlos verdunstet. Also musste er sichmit dem Saft der Früchte zufrieden geben.

Gegen Mittag lichtete sich der Wald, undTrah Rogue konnte von den hohen Wipfelnaus über niedrigere Bäume die fernen Bergeerkennen. Die Luft war klar, kein Dunsttrübte den Blick.

Der Urwald war zu Ende. Trah Roguesprang in die niedrigeren Baumkronen bis zudem letzten Gewächs des Dschungels. Erhielt den Atem an und triumphierte inner-lich, denn vor ihm, zwischen Waldgrenzeund fernem Gebirge, breitete sich in vielenKilometern Länge und Breite ein Landstrichaus, bei dem es sich offenbar um kultiviertesAgrarland handelte!

Auch hier trennte ein Fluss den Wald vondem dahinter liegenden Gebiet, aber dasnahm der Konquestor von Tradom kaumwahr, denn er sah etwas anderes.

Auf den Feldern arbeiteten humanoideWesen, klein und blauhäutig wie Sabor undseine Begleiter. Und wenn er Sabors Worterichtig im Gedächtnis hatte, schufteten siedort nicht für sich, sondern für die Männerim Stützpunkt, im Gebirge.

Das aber hieß, dass diese Fremden dieEingeborenen überwachten und sich dieErnte der Felder holen kamen. Wahrschein-lich mit Gleitern!

Trah Rogue hatte es auf einmal sehr eilig,den Wald zu verlassen. Doch bevor er sichan einer Liane auf den Boden hinabließ, umden Fluss zu durchqueren, hörte er ein Ge-

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räusch über sich.Den Kopf in den Nacken gelegt, sah er

das Raumschiff, das in geringer Höhe aufdas Gebirge zuflog, offenbar im Landean-flug.

»Die Dinge entwickeln sich«, sagte er undverließ den Baum.

10.Der Stützpunkt

Das Transportschiff kam mit einem TagVerspätung. Sein Kommandant, ein absolutkahlhäuptiger Akone namens Gladur, sahsich in seiner Arroganz nicht genötigt, dafüreine Erklärung abzugeben. Seine Leute wa-ren bereits mit dem Verladen der tiefgefrore-nen Blotter-Pflanzen beschäftigt, als er inder Zentrale auftauchte und Jelias Born zurRede stellte.

»Wo ist Smarto Kim?«, wollte er wissen.»Ich hatte erwartet, ihn hier zu sehen.«

»Das ist leider nicht möglich«, antworteteBorn, ebenso forsch, aber mit einem Teil ge-heucheltem Mitgefühl. »Unser Anführerkam bei einem Attentat der Eingeborenenums Leben. Sie haben ihm eine heimtücki-sche Falle gestellt.«

»Smarto tot?«, schnauzte ihn der Raum-fahrer an. »Und ihr habt das nicht verhin-dert?«

»Der Chef flog immer allein auf die Plan-tagen«, verteidigte sich Jelias Born und log:»Wir haben die Eingeborenen hart bestraftund zwei ihrer Dörfer niedergebrannt. Soschnell werden sie sich nicht wieder gegenuns erheben.«

Gladur sah ihm prüfend in die Augen.Born hielt dem Blick stand.

»Wo sind Tiver und Vemberey?«, fragteer übergangslos. »Ich habe Nachrichten fürsie.«

Akonen!, dachte der neue Stützpunktleiterverächtlich, ließ sich aber seine Gefühle äu-ßerlich nicht anmerken.

»Unterwegs«, sagte er. »Sie suchen.«»Wonach?«, schnappte Gladur.Jelias Born hatte keine Lust, ihm die

Wahrheit auf die Nase zu binden. Deshalberfand er etwas. »Wir haben Grund zu derAnnahme, dass sich einige Eingeborene inden Dschungel im Süden geflüchtet habenund dort einen Guerillakampf gegen unsvorbereiten. Tiver und Vemberey suchensie.«

Die Wahrheit wollte er unbedingt ver-schweigen. Er hatte mit Gladur noch nichtviel zu tun gehabt, traute ihm aber zu, dieübergeordneten Stellen so weit zu beeinflus-sen, dass der Stützpunkt auf Pinblot»dichtgemacht« wurde - aus lauter Angstvor einer Entdeckung durch galaktische Ge-heimdienste.

»Willst du auf sie warten?«, erkundigte ersich scheinheilig. Tatsächlich hatte er keineAhnung, wo die beiden Akonen waren undwarum sie so lange fernblieben. Es war au-ßergewöhnlich und unverantwortlich. Bornnahm sich vor, sie nach dem Abflug desTransportschiffs anzufunken - und hattegleichzeitig Angst, dass Gladur dies auf derStelle von ihm verlangen würde.

Doch der Akone ließ es sein und nahmmit seinem Multifunktions-Armband Kon-takt zu seinem Lademeister auf. Dieser schi-en zufrieden mit der diesmaligen Ernte zusein, jedenfalls glaubte Born, das aus derMiene des Akonen zu lesen.

»So kann es weitergehen«, sagte Gladurdann. »Ich sehe, dass Smarto Kim einenwürdigen Nachfolger gefunden hat, obwohler selbst nichts dafür konnte.«

»Du zahlst wie immer in bar?«, fragteBorn.

»Was sollte sich daran geändert haben, ihrwolltet es doch immer so. Dreißig MillionenGalax.«

»Fünfunddreißig«, sagte Born. »Eure La-deräume dürften quetschend voll sein. Durcheure Verzögerung um einen Tag habt ihrauch die Erntemenge eines Tages mehr. Unddas kostet.«

»Dreißig«, sagte Gladur knallhart.»Keinen Galax mehr.«

Born wollte auffahren, besann sich dannaber eines Besseren. Er breitete die Arme

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aus und zuckte mit den Achseln.»Einen Versuch war es wert«, sagte er

und dachte an Mord. »Auf weitere gute Ge-schäfte, Gladur.«

Er ließ von einem Servo-Roboter zweiKaraffen mit hellem Wein bringen undreichte seinem Gast ein Glas, nahm sichselbst das zweite. Sie prosteten einander zuund tranken. Dies war das Ritual, das er sichvon Smarto Kim abgeschaut hatte.

Einige Stunden später war das Raum-schiff bis in den letzten Winkel mit Blotterbeladen, und der Akone verabschiedete sich.

»Hier sind Informationen für Tiver undVemberey«, sagte er und reichte Born zweiDatenkristalle. »Sorge dafür, dass sie sie er-halten. Ich werde sie bei der nächsten Lan-dung danach fragen.«

»Bis in einer Woche«, sägte Jelias Born.»Bis in einer Woche. Diesmal werden wir

uns nicht verspäten, sondern einen Tag vor-her kommen. Sieh zu, dass dann wieder ge-nug Blotter zur Verladung bereitsteht.«

Der drohende Unterton war nicht zu über-hören. Jelias Born winkte zum Abschied, alssich Gladur in einem Antigravstrahl in dasSchiff hinauftragen ließ, aber innerlichkochte er.

Er wollte höher hinauf in der Hierarchieder Galactic Guardians. Aber dazu musste eran Ekeln wie Gladur vorbei. Kaum eineNacht verging, in der er sich nicht vorstellte,wie er das erreichen konnte.

Vorerst musste er sich in seine Rolle fü-gen und Blotter besorgen, die erntereifenPlantagen leer fegen. Er dachte an die bei-den Akonen, die zu einem Feld im Südenunterwegs waren, um die Arbeitsmoral derEingeborenen zu kontrollieren - gefährlichnahe am Wald, in dem sich die vermeintli-chen Rebellen aufhalten sollten.

11.Trah Rogue

Der Konquestor von Tradom durch-schwamm den klaren Fluss und trank. Als eram Ufer aus dem kühlen Wasser stieg, fühlte

er sich erfrischt. Es ging ihm gut. Fast ver-gessen war der Alptraum der vergangenenNacht.

Er watete an Land und schüttelte sich dieNässe aus dem schwarzen Fell. Vor sich saher aus dieser ungewohnten Perspektive nurReihen von gemüseartigen Pflanzen. Je hö-her er stieg, umso besser wurde sein Blick-feld.

Er sah die kleinen, blauhäutigen Gestaltenin einiger Entfernung vor sich. Sie arbeitetenund warfen die aus dem Boden gelöstenPflanzen in mittelgroße Container, die zwi-schen den Reihen standen. Hunderte von ih-nen waren bei der Arbeit.

Als Trah Rogue noch überlegte, ob er ein-fach zu ihnen gehen sollte, hörte er hintersich ein platschendes Geräusch. Er drehtesich um, die rechte Hand am Knauf des De-gens, und sah Sabor und seine Gefährten ausdem Fluss steigen.

»Ihr habt mir einen schönen Schreckeneingejagt«, sagte Rogue drohend. »Tut dasnicht noch einmal.«

»Es tut uns Leid«, versicherte Sabor.»Wir sind dir durch den ganzen Wald ge-folgt, weil wir glauben, dass du wirklich einFreund sein kannst, wenn du die Feinde ge-nauso hasst wie wir.«

Der Konquestor war kurz irritiert. Wasgingen ihn diese blauhäutigen Eingeborenenüberhaupt an? Sein Interesse galt den Frem-den aus dem Gebirge und nur ihnen. Er warkein Freiheitskämpfer für eine unterent-wickelte Rasse. Diese Kreaturen waren ihmvollkommen egal, wenngleich sie sein Le-ben gerettet hatten. Es sei denn, sie verfüg-ten über verwertbare Informationen.

»Wann landen die Fremden mit ihrenHimmelswagen bei euch?«, fragte er also.»Wie oft kommt das vor?«

»Jeden Tag«, antwortete Sabor, wobei ermit seinem eingelegten Pfeil auf die Planta-ge hinauszeigte. »Sie kommen an jedemAbend, um sich davon zu überzeugen, wieviele Blotter-Pflanzen wir für sie abgeerntethaben. Es wird heute wieder schlimm wer-den, denn die Ernte ist schlecht. Es hat viel

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Page 37: Der Kampf des Konquestors

zu wenig geregnet.«»Ich will es selbst sehen«, sagte der Kon-

questor. »Ich will zu eurem Dorf.«»Mach das! Aber verlange nicht, dass wir

dich begleiten. Es wäre viel zu gefährlich füruns. Wir sind dabei, eine kleine Streitmachtgegen die Götter aus dem Himmel aufzubau-en, und müssen in unseren Verstecken imWald bleiben.«

»Götter aus dem Himmel«, wiederholteTrah Rogue murmelnd. Er verstand.

Er und Sabor mit seinen Leuten trenntensich, nachdem ihm Sabor die Richtung ge-wiesen hatte, in welcher er das nächstgele-gene Dorf zu finden hatte. Rogue winkte den»Freiheitskämpfern« zum Abschied. Er wus-ste, dass er sie nie wieder zu sehen bekom-men würde. Aber das war nichts, was ihnhätte bekümmern sollen.

Dann machte er sich auf den Weg.

*

Die ersten Pinblots schraken vor ihm zu-rück, als sie ihn kommen sahen. Als er sieaber in Interkosmo ansprach, beruhigten siesich und wurden zutraulich. Das Dorf war inetwa einem Kilometer Entfernung zu erken-nen. Inzwischen hatte die Sonne ihren Zenitüberquert.

»Ich bin euer Freund«, sagte Rogue undbreitete die Arme zum Zeichen aus, dass erohne Waffe kam. Dabei baumelte sein»Spazierstock« von der Hüfte herab. »Ichgehöre nicht zu denen, die euch versklaven.«

»Versklaven?« fragte einer der Blauhäuti-gen, während seine Artgenossen mit derErnte fortfuhren. »Was ist das?«

Trah Rogue begriff. Die Eingeborenenkannten den Ausdruck nicht. Für sie warenihre Ausbeuter tatsächlich »Götter aus demHimmel«. Sie sahen es anscheinend als be-sondere Gnade an, für sie arbeiten zu dürfen.Und wenn die Götter sie straften, war das ei-ne gerechte Strafe. Nur Sabor und sein klei-ner Trupp hatten die Wahrheit erkannt undhielten sich von ihren Artgenossen fern,wohl in der begründeten Annahme, sonst

von ihren eigenen Leuten verraten zu wer-den.

Trah Rogue erkannte, dass hier in durch-aus geschäftstüchtiger Manier und ganz si-cher ohne moralische Bedenken eine vorzi-vilisatorische Rohstoffwelt ausgebeutet wur-de. Das war absolut sinnvoll und intelligentin seinen Augen. Doch das System ließ sichauch gegen die so genannten Götter ausnut-zen - und genau das schwebte dem Konque-stor von Tradom vor.

»Wie lange sind die Götter schon hier?«,fragte er und: »Was müsst ihr für sie tun?«

Rogue erfuhr, dass die Eingeborenen, dievon ihren Versklavern als Pinblots bezeich-net worden waren, seit sieben Jahren für dieFremden arbeiteten. Sie hatten die auf demPlaneten wild wachsenden Blotter-Pflanzenkultivieren und vermehren müssen, bis riesi-ge Plantagen entstanden waren. Über jene,die gescheitert waren oder nicht hart genugarbeiteten, war ein »Himmelsgericht« ge-kommen. Ihre Dörfer waren niedergebranntworden, ihre Frauen und Kinder getötet.

Und doch glaubten die Eingeborenen andie »Götter«. Sie fürchteten sie und hattenpanische Angst vor ihrem Zorn, aber sie wa-ren jeder Auflehnung fern. Sie waren naivund primitiv, ideal für Trah Rogue und seinePläne.

»Ich bin der Gott des Waldes«, tönte er.»Und ich bin gekommen, um die Götter desHimmels bei ihrer Landung zu begrüßen.Wo genau wird das sein?«

Der Blaue zeigte ihm die Richtung. Dortlag das Dorf. »Ich könnte dich hinführen«,sagte er. »Aber dann würde ich bei der Erntefehlen und würde schwer bestraft werden.«

»Lass das nur meine Sorge sein«, sagteRogue. »Ich beschütze dich. Ich bin der Gottdes Waldes und mindestens ebenso mächtigwie die Götter des Himmels.«

Es kostete ihn noch einige Überredungs-kunst, dann war der Eingeborene überzeugt.

*

Es war später Nachmittag. Trah Rogue

Der Kampf des Konquestors 37

Page 38: Der Kampf des Konquestors

hatte mit seinem kleinen Führer das ausSchilf- und Zweighütten bestehende Dorf er-reicht und den kleinen Blauen zu den Frau-en, Kindern und Alten geschickt. Ginga, wieder Eingeborene hieß, hatte anfangs prote-stiert. Er fühlte sich als Mann, und daher saher seinen Platz auf den Feldern. Erst nach-dem ihm Trah Rogue erklärt hatte, wie edel-mütig es sei, die Schwächeren zu beschüt-zen, und dass er des Danks der Götter ge-wiss sein könne, hatte Ginga sich letztlichgefügt.

Jetzt hockte der Konquestor zwischenContainern und Antigravscheiben, auf denentransportfertig verschnürte Ballen von Blot-ter-Pflanzen lagen. Insgesamt waren es acht,und zwischen ihnen gab es nur enge Zwi-schenräume.

Warte, Perry Rhodan!, dachte er. Ichkomme meinem Ziel immer näher und damitdir!

Drei Stunden musste Trah Rogue warten.Dann sah er den Punkt am nördlichen Hori-zont, der rasch größer wurde. Er hörte auchdas charakteristische Summen einen Glei-ters.

Er lehnte sich zwischen zwei Containernzurück und streckte nur den Kopf heraus,um nach Norden sehen zu können. Bei demGleiter, das erkannte er bald, handelte essich um eine große Lastenmaschine - wahr-scheinlich eine, die sowohl Container auf-nehmen wie auch Antigravplatten hinter sichherziehen konnte. Die Eingeborenen warenfleißig gewesen. Für die Trockenheit und ih-re Folgen konnten sie nichts. Jetzt kam dieeigentliche Ernte - und Rogues Chance.

Der Gleiter landete vor dem abgeerntetenAreal mit den Containern und Plattformen.Trah Rogue streckte den Kopf ein Stückweiter vor und sah, wie zwei Menschen oderMenschenabkömmlinge ausstiegen.

Die beiden »Götter« marschierten strammauf das Dorf zu und verschwanden in denHütten. Als sie wieder herauskamen, zerrtensie mehrere Frauen und Alte mit sich. Siemisshandelten die kleinen Wesen vor denAugen der anderen Dorfbewohner mit Peit-

schen.Jetzt verstand Trah Rogue die Angst der

Eingeborenen vor ihren vermeintlichen Göt-tern, aber er tat nichts, um den Bedrängtenzu Hilfe zu kommen - wieso auch. Er dachtenur an sich und seine Aufgabe. Er musstesich verstecken, um dann zuzuschlagen. Erhoffte, dass wenigstens einer der Versklavereinen Kontrollgang zwischen den Contai-nern und Platten machen würde, und dann…

Dann war es so weit. Die Fremden hattensich an ihren wehrlosen Opfern abreagiertund kamen beide auf die Container zu. Erstkurz vor ihnen trennten sie sich.

Trah Rogue drehte den Knauf seines»Spazierstocks« um neunzig Grad. BeideHälften der Scheide fielen zu Boden.

Er lehnte sich ganz zwischen den beidenContainern zurück und lauschte nur. Er hör-te die Schritte, bis kurz vor seinem Versteck.Dann endeten sie, und eine heisere Stimmesagte: »Oh Mann, oh Mann …«

Kein Zweifel, der Fremde hatte die beidenTeile der Scheide gefunden und befand sichdamit unmittelbar vor Rogues Versteck. DerKonquestor zögerte keinen Augenblick. Erschnellte sich vor und stieß die Klinge mit-ten in die Brust des vollkommen überrasch-ten Mannes.

Der andere starb auf der Stelle. TrahRogue zog die Klinge zurück und säubertesie. Er nahm die beiden Hälften der Scheidemit der linken Hand auf und schlich um dennächsten Container herum.

»Joe?«, hörte er. »Joe, wo bist du?«Der zweite Fremde bog um die Ecke und

stand genau vor ihm. Trah Rogue zögertekeine Sekunde, trennte ihm mit einem einzi-gen Hieb den Kopf vom Leib. Der Raumfah-rer hatte nicht einmal die Chance gehabt,einen Schrei auszustoßen.

Trah Rogue sah die Köpfe einiger neugie-riger Eingeborenen hinter den Ballen her-vorragen. Er winkte sie zu sich. Sie kamennur zögernd. Wahrscheinlich hatten sie denletzten Mord beobachtet und fürchteten ihnnun noch mehr als die Männer aus dem

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Stützpunkt.»Hört gut zu!«, sagte er. »Die beiden Göt-

ter sind tot. Ich habe sie für das bestraft, wassie euch angetan haben. Begrabt sie oderlasst sie liegen, das ist mir egal. Aber ihrwerdet den Himmelswagen beladen, so, wieihr es auch sonst getan hättet. Und danachhelft ihr mir, zwei Antigravplatten anzukup-peln.«

Eine Stunde später war der Lastengleiterbeladen, und die beiden Antigravplatten hin-gen in den starren Kupplungen. Trah Rogueging davon aus, dass der »Flug« der Schei-ben automatisch dem des Gleiters angepasstwurde, was Steigung und Fall betraf.

Der Konquestor von Tradom verabschie-dete sich nicht von den Eingeborenen. Siehatten ihren Zweck erfüllt und konnten,wenn es nach ihm ging, jetzt tun und lassen,was sie wollten. Er wusste nicht, was der be-sondere Wert dieser Pflanzen für die Männerin der Station war, und es war ihm auchgleichgültig. Er hatte bestimmt kein Interes-se daran, von hier aus Handel zu treiben.Der Stützpunkt war für ihn nur Mittel zumZweck, das Sprungbrett zurück.

Trah Rogue hatte natürlich noch nie einenGleiter dieses Typs geflogen und er wusstenicht, wo im weiten Gebirge der Stützpunktlag. Aber der schlichte Autopilot reagierteauf Zuruf, der Kurs war wohl programmiert.

Der Gleiter hob ab, die beiden Plattfor-men im Schlepp. Wenn er sich dem Stütz-punkt näherte, musste es so aussehen, alskehrten die beiden von Rogue getötetenMänner zurück.

Trah Rogues Zuversicht kannte kaumGrenzen, obwohl es jetzt erst wirklich ernstwurde. Er würde schnell sein müssen, wollteer die Stationsbesatzung ausschalten - sehrschnell. Seine Gegner durften keine Chancebekommen.

*

Tatsächlich brachte ihn der Autopilot überdie vorgelagerten, kultivierten Hügel ins Ge-birge und dort in eine tiefe Schlucht. Trah

Rogue hörte im Anflug Funksprüche, die an-scheinend an die Besatzung des Gleiters ge-richtet waren. Der Konquestor verließ sichauf den Autopiloten und den Bordrechner;so konnte er sofort die Funksprüche beant-worten, undeutlich und mit unzusammen-hängenden Worten. Was von diesem Ge-stammel auf der anderen Seite ankam, durfteunverständlich sein und auf einen techni-schen Defekt hindeuten. Jedenfalls hoffte erdas.

Dann sah er die Station, mitten in einenfelsigen Hang gebaut, auf einem kleinenPlateau. Über ihm, über den Silos und einerKuppel, ragte ein breiter Felsvorsprung her-vor. Von oben war der Stützpunkt durcheinen zufälligen Beobachter also nicht zuentdecken.

Trah Rogue dachte an das Raumschiff,das er am Himmel gesehen hatte. Es mussteinzwischen wieder abgeflogen sein, aber erfragte sich, wie sein Pilot das Kunststückfertig gebracht hatte, in diesem Areal zu lan-den.

Aber auch das war nicht sein Problem.Trah Rogue machte sich bereit zum Kampf.

12.Der Stützpunkt

Jelias Born kochte vor Wut. Er hatte Tiverund Vemberey zwar endlich erreicht, aberals sie von Smarto Kims Tod hörten, hattensie die Verbindung einfach abgebrochen.Vorher hatten sie nur noch gesagt, dass sienoch mindestens einen halben Tag Zeitbrauchten.

Wofür?Er würde sich Respekt verschaffen, oh ja.

Die Akonen bildeten sich offenbar ein, dassjetzt sie den Stützpunkt leiteten. Er konntesich beim besten Willen nicht vorstellen,was sie so lange draußen bei den Sümpfenhielt - oder über dem Urwald im Süden. Siewürden es ihm erklären müssen, und wenner sie mit der Waffe dazu zwingen musste.

Er hasste sie.Und wütend war er auch auf Demned und

Der Kampf des Konquestors 39

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Joe. Die beiden Terranerabkömmlinge hät-ten längst von den Südplantagen zurück seinmüssen. Machten sie bereits gemeinsameSache mit den Akonen? War es schon soweit?

Born strich sich die langen Haare zurückund versuchte es noch einmal mit demFunkgerät. Diesmal erhielt er Antwort, aberverzerrt und undeutlich. Außer einigen sinn-losen Wortfetzen mit seltsamem Klang warwenig zu verstehen. Er fluchte und drehtesich mit einem Ruck zu Hafer App um, derbisher wortlos hinter ihm gestanden hatte.Jelias Born war zwar nicht so unberechenbarwie Smarto Kim, aber trotzdem ein Choleri-ker. Und App wusste, wann er sich besserzurückhielt.

»Sie werden sich alle gewaltig umstellenmüssen«, knurrte Born. »Notfalls werde ichsie zum Gehorsam zwingen. Hier herrschtkeine Disziplin! Kim hat euch viel zu vieldurchgehen lassen. Was ist mit dir, Hafer?«

»Du kannst dich auf mich verlassen«, ant-wortete App.

»Ich hoffe es. Sonst …«Er wurde von einem Signal unterbrochen,

das ankündigte, dass ein Gleiter sich demStützpunkt näherte. Eine Minute darauf hatteBorn das Fahrzeug auf einem Bildschirm. Eswar der Lastengleiter von Demned Oysterund Joe Lansing. Und er brachte zwei vollbeladene Antigravplatten mit.

»Na endlich«, knurrte Jelias Born. »Daswurde auch Zeit. Ich kann nicht ewig war-ten. Ich muss die Plantagen im Osten inspi-zieren, bevor es dunkel wird.«

Er sah zu, wie der Gleiter langsam sankund dann zwischen den Silos und der Kup-pel landete. Aber obwohl er lange wartete,stieg niemand aus.

»Shawn und Okul«, funkte er zwei derGuardians an, die sich derzeit draußen auf-hielten. »Kümmert euch um den gerade ge-landeten Gleiter. Bringt mir Joe und Dem-ned!«

Die beiden bestätigten. Born sah sie aufden Gleiter zugehen.

»Verdammt!«, explodierte da sein Tem-

perament. »Warum sehe ich nicht selbstnach dem Rechten? Ich kann darauf verzich-ten, dass sich die vier gegen mich verbün-den! Ich gehe, Hafer. Du hältst hier die Stel-lung!«

Damit verließ er die kleine Zentrale, ohneeine Antwort abzuwarten. Born durchquertedie Kuppel und trat ins Freie hinaus. Joe undDemned hielten es selbst jetzt nicht für nö-tig, sich ordnungsgemäß zurückzumelden,und das konnte er ihnen auf keinen Falldurchgehen lassen.

Zornig ging er auf den gelandeten Gleiterzu, während Robotkolonnen schon dabeiwaren, die Blotter-Pflanzen zu entladen undin die Kühlsilos zu schaffen. Er war nochzwanzig Meter von dem Fahrzeug entfernt,als er die beiden reglosen Körper unter sei-nem Bug sah.

Jelias Born begann zu laufen, aber er kamzu spät. Shawn Dexter und Pria'h Okul wa-ren tot. Sie starrten mit weit aufgerissenenAugen in den Himmel. Aus ihnen sprach dasblanke Entsetzen.

Sie sahen aus, als habe ein scharfesSchlag- oder Stichinstrument sie regelrechtfiletiert. Auf dem Boden neben ihnen lagenzwei silberne Hälften einer Art Scheide;wenn sich darin die entsprechende Waffeverborgen hatte, dann durfte es sich um eineArt Degen handeln.

»Verdammter Mist!«, murmelte JeliasBorn. Er hatte schon viel gesehen, aber dashier ließ sich ihm den Magen umdrehen undeine Gänsehaut über den Rücken laufen.

Sein erster Gedanke, die rebellischen Ein-geborenen könnten Joe und Demned über-wältigt haben und mit Hilfe des Autopilotenin die Station eingedrungen sein, stellte sichalso als falsch heraus. Erstens konnten siemit der Technik nicht umgehen, und zwei-tens verfügten sie nicht über Waffen dieserArt. Irgendetwas anderes musste geschehensein.

Wer hat im Cockpit des Gleiters geses-sen?

Unter Würgen ging Born zu der rechtenAusstiegsluke und spähte hinein. Nichts,

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keine Spur von den beiden Vermissten.Jelias Born reagierte, indem er seinen

Kombistrahler zog und sich auf den Weg indie Kuppel zurück machte. Nur von dort auskonnte er den Außenbereich zentral beob-achten, und nur dort war er sicher vor demunbekannten Eindringling - falls es sich nurum einen Angreifer handelte.

Der Absturz des fremdartigen Raum-schiffs fiel ihm wieder ein und die Überzeu-gung der beiden Akonen, es gebe Überle-bende …

Noch vor Erreichen der Kuppel stoppteJelias Born vor zwei weiteren Leichen. Siesahen noch schrecklicher aus als Shawn undOkul - furchtbar zugerichtet, und auch dasmit einem sehr scharfen und spitzen Gegen-stand.

Born begriff sofort, was das bedeutete:Der Eindringling musste in seinen Rückengelangt sein!

Ein kalter Schauder überlief ihn. DieHand mit der Waffe zitterte. Born versuchte,sich zur Ruhe zu zwingen, aber das warnicht so leicht.

Er packte seine Waffe mit beiden Händen.Der Strahler war auf Impulsmodus einge-stellt. Kein Gegner aus Fleisch und Blutüberlebte einen gezielten Schuss - es seidenn, er verfügte über einen leistungsstarkenSchutzschirm.

Langsam betrat Born die Kuppel, bewegtesich durch den Gang, der zur Zentrale führ-te. Vor jeder Abzweigung, vor jedem an-grenzenden Raum blieb er stehen und richte-te mit einem Ruck die Waffe hinein.

Nichts.Er ging weiter. Bis zur Zentrale waren es

noch zehn Meter. Das Schott stand offen.»Hafer!«, rief er. »Hafer, hörst du mich?«Keine Antwort. Mit weichen Knien ging

Jelias Born weiter und erreichte den Kom-mandostand. Er fand Hafer App und einenweiteren Guardian in ihren Sesseln liegend,beide ohne Kopf.

Born, hartgesotten, aber nicht hart genug,musste sich übergeben und fiel auf die Knie.Als er sich wieder aufrichtete, blickte er di-

rekt in das Gesicht eines riesengroßen Af-fenwesens in zerschlissenen Gewändern, dievermutlich einmal prächtig ausgesehen hat-ten. In dem dichten schwarzen Fell klafftenverheilende Wunden mit verkrustetem Blutund Schorf.

Ein Fußtritt des Fremden schlug ihm denStrahler aus der Hand, bevor er reagierenkonnte. Und Born wusste: Nun stand er demMörder gegenüber, dem Eindringling, derfast die gesamte Stationsbesatzung auf demGewissen hatte, bis auf die Akonen, ihn -und natürlich Smarto Kim.

»Töte mich nicht!«, hörte Born sich fle-hen. »Sage mir, was du willst, und ich werdees tun!«

Doch der Degen, der eben noch sein Ge-sicht bedrohte, steckte schon tief in seinerBrust. Jelias Born hatte die Bewegung desFremden nicht einmal im Ansatz erkennenkönnen.

*

Tiver und Vemberey hatten keine weite-ren Spuren finden können. Smarto Kims An-fragen hatten sie anfangs beantwortet, dochsich dann nicht mehr gemeldet, als erschwieg.

Jetzt wussten die beiden Akonen, dass ihrAnführer nicht mehr lebte. Jelias Born hattesich zwar als seinen Nachfolger ausgegeben,aber nichts über die Todesursache mitgeteilt.Und das war sein Fehler gewesen. Tiver undVemberey diskutierten und kamen derWahrheit ziemlich nahe. Die Spannungenzwischen Kim und seinem Stellvertreter wa-ren ihnen nicht verborgen geblieben - eben-so wenig wie Kims Sucht.

Immer wieder hatten die beiden Akonenihre Kreise gezogen, bis schließlich hin zumDorf der Eingeborenen am Rande der Süd-plantage. Sie hatten die Sümpfe, die Savan-ne und den Urwald abgesucht, besessen vondem Gedanken, einen oder mehrere Überle-bende zu finden. Und dann, als sie niedrigüber dem Dorf mit seinen Containern undPlattformen kreuzten, sahen sie es.

Der Kampf des Konquestors 41

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Sie landeten sofort und stiegen aus, dieWaffen in den Händen. Einige Dutzend Ein-geborene umstanden die beiden Leichen, ei-ne mit einem Bruststich, die andere mit ab-getrenntem Kopf.

»Wer war das?«, fragte Vemberey scharf.»Wer von euch Kreaturen ist das gewesen?«

Aber Tiver hielt ihn zurück, bevor einerder Eingeborenen antworten konnte.

»Sieh dir die scharfen Schnittstellen an«,sagte er. »Das können niemals die Pinblotsmit ihren primitiven Schaufeln gewesensein. Hast du das halbierte Tier vergessen?«

»Wir waren es nicht!«, stieß einer derBlauhäutigen hervor. »Es war der Gott desWaldes.«

»Gott des Waldes?«, fragte Tiver. »Wiesah er denn aus?«

»Er hatte ein schwarzes Fell, trug bunteKleidung und ein langes, scharfes Messer.Damit hat er die Himmelsgötter getötet. Da-nach hat der Gott des Waldes die Blotter-Bündel verladen lassen, den fliegenden Wa-gen genommen und ist zum Gebirge hin da-vongeflogen - zu eurem Sitz, ihr Götter!«

»Teufel auch!«, benutzte Vemberey einenterranischen Fluch, den er von seinen Kame-raden gelernt hatte. »Das war er. Er hat estatsächlich geschafft, dem Dschungel zu ent-kommen. Und jetzt?«

»Wir müssen den Stützpunkt alarmieren«,sagte Tiver.

Vemberey schüttelte den Kopf. »Das Blutunserer Gefährten ist versickert. Der Unbe-kannte dürfte die Station längst erreicht ha-ben. Ich bin ganz sicher, dass wir es mit demgesuchten Abgestürzten zu tun haben. Alsohatten wir die ganze Zeit über Recht.«

»Wir sind zu spät gekommen.«»Eben noch hatten wir Funkkontakt mit

Jelias Born. Er hat nichts von einem Aggres-sor gesagt.«

»Weil er vielleicht noch nicht gelandetwar. Ich habe einen Verdacht. Was, wenndie Besatzung des Stützpunkts mittlerweileebenfalls nicht mehr am Leben wäre?«

»Das wäre furchtbar«, flüsterte Vembe-rey. »Hoffentlich haben wir Unrecht. Aber

wir sollten uns von nun an so verhalten, alshabe niemand außer uns einen feindlichenAngriff überlebt.«

Die beiden Akonen bestiegen ihren Glei-ter, legten Schutzmonturen an, machten dieWaffen bereit und stiegen mit aktiviertemDeflektor auf. Vor den Augen der Eingebo-renen wurden sie und ihr Fahrzeug unsicht-bar.

13.Trah Rogue

Trah Rogue hatte in der Station der Frem-den sieben Personen getötet. Sie waren kei-ne schwierigen Gegner gewesen, da sie kei-nen Angriff erwartet hatten. Dazu kamen aufder Plantage im Süden die zwei anderen; dasmachte neun. Allerdings stellte er bei derDurchsuchung der Kuppel fest, dass esSchlafgelegenheiten für dreizehn Personengab, also fehlten theoretisch vier. EineSchlafgelegenheit wirkte allerdings, als seisie seit längerer Zeit nicht mehr benutztworden, also gab es wohl nur zwölf Männerin der Station.

Also wartete der Konquestor noch aufdrei Gegner. Und diese konnten jederzeitauftauchen. Trah Rogue war Realist. Er gingnicht davon aus, dass er ihre Annäherungbemerken würde, sondern kalkulierte ein,dass er überrumpelt werden könnte. Bisherhatte er diesen Trumpf auf seiner Seite ge-habt. Doch er konnte sich nicht darauf ver-lassen, dass es so blieb. Deshalb wollte sichRogue für den Fall der Fälle Mühe gebenund einige kleine »Überraschungen« überden Stützpunkt verteilen.

Seine Wunden juckten, ein Zeichen dafür,dass sie langsam heilten. An einigen Stellenließ sich der Schorf abkratzen, ohne dass esgleich wieder blutete. Trah Rogue strich denPelz darüber, um die lichten Stellen zu be-decken. An einem Wasserbecken wusch ersich das verkrustete Blut aus dem Fell.

Der Konquestor litt. Selbst als die Men-schen vor ihm gestanden hatten und er sietötete, hatte er Scham gefühlt. Niemand, der

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ihn so gesehen hatte, durfte überleben! Esgraute ihn bei dem Gedanken, so Perry Rho-dan gegenübertreten zu müssen. Aber ande-rerseits - das Todesurteil über Rhodan warlängst schon gesprochen.

Er wandte sich erneut den technischenEinrichtungen des Stützpunktes zu. Jedeseinzelne Detail musste er sich erschließen.Er nutzte die Einrichtungen, die er vorfandund nutzen konnte; es ging erstaunlichschnell, da die Technik des Stützpunkts ein-fach und somit leicht zu verstehen war.

Im Laufe der Stunden gewann TrahRogue Einblick in die Natur dieser Station.Die Gangster hatten Silos im Freien stehen,in die jene Sorte von Pflanzen verfrachtetwurden, wie er sie mit dem Gleiter und denbeiden Plattformen mit hierher gebracht hat-te. Doch zum Glück waren die Kühlsiloskaum gefüllt. Das legte die Vermutung nahe,das am Himmel gesehene Raumschiff habedie Frachträume voll geladen und sei mit derganzen bisherigen Ausbeute wieder in denRaum gestartet.

Das bedeutete, dass er einige Tage Zeithatte, die Funkstation zu suchen, sich mit ihrvertraut zu machen und seinen Spruch in dieGalaxis abzusenden.

Denn mittlerweile dürften längst weitereTruppen von Tradom in die Milchstraße ein-gedrungen sein. Und sie mussten gemerkthaben, dass der »minimalinvasive« Plan desKonquestors fehlgeschlagen war, und sichauf die Suche nach ihrem Oberbefehlshaberbegeben haben.

Oberbefehlshaber …Trah Rogue musste es sich wieder vor

Augen führen. In den letzten Tagen hatte erdas Leben eines Primitiven geführt und da-bei längst verschüttete Qualitäten an sichentdeckt! Und jetzt? Was war er jetzt?

Der Konquestor von Tradom!, sagte ersich. Er würde wieder in einem Thron sitzenund Befehle erteilen, Kapitulationen fordern.Die letzten Tage waren, mitsamt ihremHochgefühl, ein einmaliges Abenteuer ge-wesen, das sich nicht wiederholen würde.

Rogue machte sich innerhalb der nächsten

zwei Stunden mit der Funkanlage des Stütz-punkts vertraut, dabei immer auf der Hut vorden beiden fehlenden Besatzungsmitglie-dern. Die Technik unterschied sich gewaltigvon jener, wie sie in den Schiffen des Rei-ches benutzt wurde. Doch die Fremden, diediesen Stützpunkt im Geheimen betriebenhatten, waren offensichtlich darauf angewie-sen gewesen, auch in weniger gebräuchli-chen, weniger auffälligen Bändern des Hy-perspektrums zu senden, so dass dem Kon-questor ein gutes Arbeitsmittel zur Verfü-gung stand.

Er sandte seinen Hilferuf aus. Dieser warin einem Symbolkode der Reichsflotte abge-fasst und verzichtete vollständig auf Klar-text. Falls die Terraner ihn auffingen, warendies hoffentlich sinnlose Signale. Für dieKapitäne des Reichs Tradom ergab sich hin-gegen eine dringliche Botschaft.

Nun konnte Trah Rogue nur noch hoffen.Der Konquestor hatte soeben das Funkgerätin Betrieb genommen, da vernahm er hintersich Geräusche.

Sie waren da … Seine letzten und gefähr-lichsten Gegner.

14.Perry Rhodan

30. Oktober 1311 NGZ

Der Terranische Resident hielt sich nachwie vor an Bord der LEIF ERIKSSON auf,die im Sektor Sol kreuzte. Im Grunde warte-te er auf einen Zufall, der ihn auf die Spurder untergetauchten Katamare führte.

Der Versuch, von Roxo Quatron und sei-nen jankaronischen Begleitern weitere ent-scheidende Hinweise zu erhalten, war vonvorneherein zum Scheitern verurteilt gewe-sen. Roxo Quatron bedauerte, aber er konntePerry Rhodan nicht helfen. Die Jankaronhatten selbst erst vor wenigen Tagen ihrenersten Katamar gesehen. Sie waren ebensounbedarft in diese Sache hineingestolpertwie auch die Terraner.

Perry Rhodan fühlte sich hilflos. Überall,wo er einen Ansatzpunkt zu sehen glaubte,

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erwies sich dieser als nichtig. Tage warenvergangen, seitdem Trah Rogues Yacht ausdem vergehenden Großkatamar entkommenwar.

Wie die Katamare reagierten, wer siekommandierte, das alles wussten sie nicht.Alles, was sie zu bieten hatten, war derTreffpunkt mit den Eltanen, auf der anderenSeite des Hayok-Sternenfensters.

Die KARRIBO der arkonidischen Admi-ralin Ascari da Vivo hielt sich in unmittelba-rer Nähe der LEIF ERIKSSON, und zwar inder richtigen Annahme, interessante Ent-wicklungen würden zuerst in RhodansFlaggschiff bekannt.

Rhodan hatte sich gerade wieder einmaleine weitere »Auszeit« genommen, als erauch schon wieder in seiner Kabine von ei-ner Meldung aus der Zentrale aufgescheuchtwurde.

Die Nachricht kam über NATHAN undbesaß die Dringlichkeitsstufe eins: Aus demvermeintlich unbedeutenden Pinblot-Systemwurden seit einer halben Stunde nicht entzif-ferbare, permanent wiederholte Funksignalegeortet.

Sofort gab der Terranische Resident denAlarmbefehl und eilte in die Zentrale zu-rück. Reginald Bull wartete schon auf ihn.Pearl TenWafer sprach mit ihren Leuten,und der ertrusische Emotionaut Rock Mozunhatte seinen Platz unter der SERT-Haubeeingenommen.

»Weißt du schon mehr, Bully?«, fragteRhodan.

Der Residenz-Minister für Liga-Verteidigung nickte grimmig. »Die Signale,die vom Pinblot-System ausgehen, ergebennoch keinen Sinn. Sie liegen auf einer seltengebrauchten Frequenz und liefern keinerleiHinweis auf die Katamare - wenn du michfragst.«

»Bully, wir müssen jeder Spur nachge-hen!«

»Ich weiß«, sagte Bull. »Aber wenn du anTrah Rogue und an die sieben Katamaredenkst - wie kommt es dann, dass vom Pin-blot-System aus absolut offen gesendet

wird? Es ist keine Geheimhaltung dabei.«»Das werden wir herausfinden«, sagte

Rhodan. »Wer sollte in einem nicht bewohn-ten System wohl einen Sender betreiben?Wohl nur ein Raumschiff! Und wer verwen-det dazu einen unbekannten Symbolkode?Ein fremdes Raumschiff. Und damit genaudas, was wir suchen!«

Perry Rhodan nahm Verbindung mit Lau-ter Broch't, dem plophosischen Chef der Or-tungs- und Funkabteilung, auf. Er befahlihm, starke Verbände der LFT zum Pinblot-System anzufordern. Nachdem die Rück-meldung gekommen war, wandte er sich anPearl TenWafer.

»Wir fliegen das Pinblot-System an. Eswird sich nicht vermeiden lassen, dass unse-re arkonidische Freundin folgt. Aber wenigeMinuten nach uns werden die LFT-Verbände materialisieren.«

»Du rechnest damit, die sieben Katamarevorzufinden?«, fragte Pearl.

»Ja«, sagte Rhodan trocken.»Aber wir haben keine Chance gegen

sie.«Perry Rhodan hatte einen fahlen Ge-

schmack im Mund. Er setzte sich in seinenSitz auf der Kommandofläche und sagtenichts mehr. Selbst seinem ältesten Freund,Reginald Bull, begegnete er mit Schweigen.Aber die feinen Schweißperlen auf seinerStirn verrieten ihn.

Er sah die sieben Katamare vor sich, dazuTrah Rogue. Denn wer sonst sollte die rät-selhaften Funksprüche abgesetzt haben? Esschien auf eine Entscheidung zuzugehen,wobei der Terraner nicht in einem Momentseine Chancen falsch einschätzte.

Ascari da Vivo meldete sich, kaum dassdie LEIF ERIKSSON Fahrt aufgenommenhatte. Ihr lebensgroßes Holo entstand direktvor Perry Rhodan.

»Was bedeutet das, Rhodan?«, fragte sie.»Wir haben die Funksignale aus dem Pin-blot-System ebenfalls wahrgenommen. DasSystem steht auch in unseren Sternkarten.Was ist davon zu halten?«

»Ich weiß es noch nicht«, antwortete Rho-

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dan.»Ihr vermutet Trah Rogue«, sagte sie ihm

auf den Kopf zu. »Wir werden euch beglei-ten.«

»Bitte«, sagte Rhodan kühl zu ihr. »Ichkann euch nicht daran hindern.«

»Der Sender auf Pinblot läuft seit einerhalben Stunde«, sagte die Arkonidin. »Dasist angesichts der Funkdichte im Sektor Solund Hunderter besiedelter Welten, zahlloserSatelliten und Raumforts eine beachtlichschnelle Reaktionszeit.«

»Ich weiß«, antwortete Rhodan.»Dennoch halte ich es für möglich, dass wirzu spät kommen.«

»Schade«, sagte die Admiralin. »Ich hättedir mehr Mut zugetraut, Perry Rhodan.« Da-mit erlosch ihr Hologramm.

»Pech gehabt, Alter«, sagte Bully. »Umihr zu imponieren, musst du schon schärfereGeschütze auffahren.«

Durch die mächtige ENTDECKER-Ein-heit gellte nochmals der Vollalarm. DieKommandantin ließ das Schiff endgültig ge-fechtsbereit machen. Rock Mozun stülptesich die SERT-Haube über. Und dann er-folgte bereits der Sprung in den Hyperraum.

Bei einem Überlichtfaktor von siebzigMillionen würde die LEIF ERIKSSON - undmit ihr die KARRIBO - das in rund 1100Lichtjahren Entfernung liegende Pinblot-Sy-stem in etwas mehr als acht Minuten erreichthaben und damit als Erste an Ort und Stellesein …

15.Trah Rogue

Er hatte es geahnt, und er hatte seine Vor-kehrungen getroffen.

»Wusste ich's doch!«, hörte er von hinten.»Du bist der Mörder!«

Noch bevor der Fremde ausgesprochenhatte, hatte sich Trah Rogue aus seinem Sitzfallen lassen und auf den Boden geworfen.Ein Thermostrahl fuhr über ihn hinweg undschlug in die gegenüberliegende Gerätewandein.

Im selben Moment, auf dem Rücken lie-gend, schlug Trah Rogue in seine Hände.Ein klatschendes Geräusch ertönte, das auto-matisch in der fensterlosen Zentrale allesLicht erlöschen ließ. Das war Teil eins sei-ner Vorkehrungen.

»Verdammt!«, hörte er. »Wo bist du?Zeig dich!«

Der Konquestor wälzte sich ächzend her-um und schnellte sich in Richtung zum wei-ter hinten gelegenen Ausgang. Drei weitereSchüsse schlugen dort ein, wo er eben gewe-sen war. Doch er hatte den Ausgang schonerreicht. Über seine Schwelle setzte er in ei-nem gewaltigen Satz hinweg - und fand sichin einem angrenzenden Korridor wieder.

Er landete hart, rollte einige Meter weiter.Dann blieb er liegen und winkelte den Kopfan, so dass er hinter sich blicken konnte. Dasgeschah gerade noch früh genug, um dasLicht in der Zentrale wieder aufflammen zusehen - und die menschliche Gestalt, dieüber die Schwelle trat und im gleichen Au-genblick in einer Explosion zerrissen wurde.

Teil zwei seiner Vorkehrungen!Der Druck und die Hitze der Explosion

nahmen Rogue für lange Sekunden denAtem. Aber der Sprengsatz, den er auf derSchwelle platziert hatte, eine erschütterungs-sensible »Tretmine«, hatte gezündet, als derFremde in seinem Verfolgungslauf darauftrat.

»Der Vorletzte hier«, sagte Trah Rogue.»Jetzt bleiben noch zwei Gegner …«

Der Konquestor von Tradom warteteeinen Augenblick ab. Dann vernahm erSchritte nicht weit entfernt. Er richtete sichauf und packte den Griff des Stockdegensfester. Er drückte sich in eine Nische desKorridors und wartete ab. Er atmete kaum,stand in der Nische bewegungslos wie einauf Beute wartendes Reptil und dachte einDunkles Gebet.

Er war wieder der skrupellose, harte undschnelle Killer, der er einstmals gewesenwar! Rhodan, gnade dir dein Gott!

Jetzt sah er den Fremden, der in den Ganghereingetorkelt kam. Er schwankte und lallte

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unverständliche Worte vor sich hin! Dabeihielt er einen Strahler in der rechten Hand.

»Tiver?«, rief er. »Tiver, so antwortedoch! Wo steckst du, verdammt? Oh, ver-flucht …«

Der Fremde hatte, aus der Zentrale kom-mend, die Überreste seines Gefährten ent-deckt und musste sich übergeben. Dass erselbst in einem so erbärmlichen Zustandwar, ließ darauf schließen, dass er ebenfallsetwas von der Explosion mitbekommen hat-te. Er war zu seinem Glück später als seinKumpan in die Station eingedrungen. Aberjetzt stand er vor seinem Richter.

Trah Rogue fuhr schnell aus seinerDeckung hervor und trat Vemberey die Waf-fe aus der Hand, so wie zuvor Jelias Born.

»Was bedeutet das alles?«, fragte derAkone. »Lass mich am Leben! Ich habe dirdoch nichts getan.«

»Wo ist der andere?«, fragte Trah Rogueeiskalt. »Ich weiß, dass noch einer von euchlebt.«

»Wen meinst du?«, fragte der Humanoidein Panik. Er zitterte am ganzen Leib. SeinBlick war auf die tödliche Klinge gerichtet.»Hast du sie etwa … alle umgebracht?«

»Alle außer dir und einem anderen«, sagteRogue.

»Du hast … sie alle getötet«, stammelteder andere. »Alle außer … dem Boss. Ihnkannst du nicht umgebracht haben, weil erschon viel eher gestorben ist!«

Trah Rogue registrierte diese Auskunftmit Erleichterung. Bedeutete es doch für ihn,dass er jetzt nur noch einen einzigen Gegnerin diesem Stützpunkt hatte.

»Lass mich am Leben«, bettelte der Ako-ne. »Ich weiß nicht, wer du bist und was duwillst, aber ich werde dir nicht im Wege ste-hen. Bitte, lass mich am Leben …«

»Na schön, wenn du willst«, sagte TrahRogue.

Er wandte sich zum Gehen, ließ die linkeHand mit der Strahlwaffe sinken - wirbeltedann aber herum und stieß dem Akonen dieKlinge in die Brust.

»Das war der Letzte«, sagte er zu sich

selbst. »Damit gehört diese Station mir. Ichmuss nur noch warten. Hoffentlich kommenmeine Schiffe eher als die der Terraner.«

*

Es waren drei Minuten seit dem Tod desletzten Verbrechers vergangen, als TrahRogue das Signal hereinbekam. Er saß vorder Funk- und Ortungsanlage und starrte mitgroßen Augen auf den betreffenden Schirm.Das Signal stammte von einem Schlacht-schiff des Reiches! Sie waren da und hattenihn gefunden!

Trah Rogue sprang auf und stieß einenwilden Triumphschrei aus. Seine erhobenerechte Faust bebte. Dann stürmte er aus derKuppel ins Freie und rannte auf den Gleiterzu, der ihn hierher gebracht hatte. Fast wäreer über die am Boden liegenden Leichen ge-stolpert.

Die beiden Antigravplatten waren schonvon den Robotern abgekuppelt worden, da-mit brauchte er sich nicht zu belasten. Erbückte sich, sammelte die beiden Scheiden-hälften auf und fügte sie zusammen. Da-nach, die Klinge baumelte jetzt wieder ge-schützt von seinem Gürtel, kletterte er in denGleiter.

Der Autopilot half ihm jetzt nicht mehr.Aber er musste den Rettern entgegenfliegen,denn hinab in die Schlucht konnten sie nichtkommen. Dazu waren sie viel zu riesig.

Wie war der Gleiter zu fliegen? TrahRogue untersuchte mit zunehmender Nervo-sität die Instrumente, ließ sich vomBordrechner einige Tipps geben und wusstedann einigermaßen Bescheid.

»Ich muss es einfach riskieren, bevor dieTerraner da sind«, murmelte er und drückteeinige Tasten.

Der Antrieb des Fahrzeugs begann zusummen. Einige weitere Schaltungen undder primitive Gleiter hob von dem Plateauab. Ihn jetzt noch zu steuern, damit er nichtam Felsüberhang zerschellte, war ein Kin-derspiel für den Konquestor von Tradom.

Trah Rogue erlebte ein neues Hochgefühl,

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als er aus der Schlucht hinausflog und offe-nen Himmel über sich hatte. Es war keineWolke zu sehen, dafür aber der klassischeDoppelrumpf einer Aglazar-Kampfeinheitdes Reiches Tradom, die sich auf den Plane-ten herabsenkte.

Trah Rogue triumphierte. Er identifiziertesich über Funk auf der Reichsfrequenz undflog dem Schiff entgegen.

Nach der Bruchlandung der MARZOMwäre es vermessen erschienen, auch nureinen CE-Tradico auf sein Überleben zu set-zen, trotz seines unbändigen Willens. Aberer hatte es geschafft, er, Trah Rogue! Vonnun an würde die Milchstraße wieder vorihm zittern!

16.Perry Rhodan

Die LEIF ERIKSSON und die KARRIBOkamen gerade zurecht - und doch zu spät!

Perry Rhodans Gesicht war blass, als erwortlos auf die Schirme starrte. Neben ihmübertrafen sich Reginald Bull und Pearl Ten-Wafer in Flüchen. Rhodan hatte die Händegeballt.

»Das war's«, sagte Rock Mozun. »Wirkönnen sie nicht mehr einholen!«

In der Sekunde, als die beiden galakti-schen Schiffe aus dem Hyperraum fielen,hatten die sieben Katamare den Orbit desPlaneten Pinblot schon verlassen und mit ex-tremen Werten beschleunigt. Der Emotio-naut hatte Recht: Selbst wenn die ERIKS-SON auf der Stelle und mit maximaler Be-schleunigung die Verfolgung aufgenommenhätte - die Katamare wären auf jeden Fall inden Hyperraum entkommen, ehe das terrani-sche Schiff ihnen auch nur nahe gekommenwäre.

Sie waren nicht mehr aufzuhalten. Als dasGros der terranischen Flotte materialisierte,sprangen die Schiffe aus Tradom gleichzei-tig in den Hyperraum.

»Die Spur ist wieder verloren«, sagte Per-ry Rhodan tonlos. »Wir sind eine Minute zuspät gekommen - ach, was sage ich: eine

halbe …«»Und jetzt?«, fragte Bull mit vor Zorn be-

bender Stimme. »Was tun wir jetzt? TrahRogue ist uns entkommen.«

»Wir suchen den Planeten ab«, verkünde-te Rhodan. »Vielleicht finden wir Spuren.«

Rhodan wandte sich an die Kommandan-tin. »Ich will, dass alle hundert Micro-Jetsausgeschleust werden und die Suche aufneh-men. Die Oberfläche des Planeten muss inPlanquadrate aufgeteilt werden. Ich selbstwerde die LE-MJ-001 fliegen. Die Besat-zung stelle ich mir selbst zusammen.«

»Es ist die Suche nach der Stecknadel imHeuhaufen«, sagte Pearl TenWafer.

»Einen Vorteil haben wir«, entgegneteRhodan. »Der unbekannte Sender arbeitetnoch immer. Es wird nicht schwer sein, ihnanzupeilen. Falls es wirklich Trah Roguewar, der ihn aktiviert hat, hatte er es plötz-lich sehr eilig und vergessen, ihn abzuschal-ten.«

»Na klar«, meinte Bull. »Weil er zu sei-nen Freunden wollte. Etwas Gutes ist an derGeschichte dran.« Bull grinste plötzlich.»Auch Rogue ist nicht unfehlbar. Er hat sei-ne Schwächen, genau wie wir …«

*

Kurz darauf waren alle einhundert Bei-boote vom Typ Micro-Jet ausgeschleust,fünfzehn Meter lange und elf Meter breiteKleinst-Space-Jets mit je fünf Mann Besat-zung. Sie drangen wie ein Hornissen-schwarm in die Atmosphäre Pinblots ein,verteilten sich nach einem genauen Musterüber der Planetenoberfläche und begannenmit ihrer Suche.

Perry Rhodan hatte es sich nicht nehmenlassen, das Gebiet anzufliegen, aus dem dieFunkimpulse kamen. Er stürzte sich direktauf das Gebirge, von dem sie ausgesandtwurden. Die Peilung führte ihn zu einerSchlucht, die auf den ersten Blick nichtsKünstliches aufzuweisen hatte. Der Residentließ das kleine, wendige Fahrzeug in dieSchlucht hinabsinken, bis er den Stützpunkt

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sah, die Kuppel und die Silos auf einemkleinen Plateau, etwa einen Kilometer untereinem weit in die Schlucht reichenden Fels-überhang, der sie tarnte wie ein Dach.

»Da hätten wir's schon«, sagte Rhodanzur eigentlichen Kommandantin der LE-MJ-001, einer schwarzhaarigen, 33-jährigenPlophoserin namens Easy Lund. »Ein ganzsicher nicht legales Nest auf dieser verbote-nen Welt.«

»Galactic Guardians?«, fragte Easy.»Möglich.« Er wandte sich an die Funke-

rin. »Vorsichtshalber rufen wir die Stationan und kündigen unsere Landung auf demPlateau an.«

»Ich glaube nicht, dass da noch jemandlebt«, unkte die Plophoserin. »Nicht, wennTrah Rogue den Stützpunkt erobert hat.«

»Er könnte die Mannschaft paralysiertoder sonst wie handlungsunfähig gemachthaben«, sagte Rhodan. »Wir sehen nach.«

Inzwischen hatte der Funkanruf die An-tennen der Micro-Jet verlassen, aber es kamkeine Antwort.

»Wir landen«, sagte Perry.Zwei Minuten später verließen sie die Jet.

Zuerst sahen sie nur wie desaktiviert daste-hende Roboter, dann entdeckten sie die er-sten beiden Leichen.

Insgesamt neun Tote zählten Perry Rho-dan und seine Begleiter auf ihrem Weg indie Kuppel, einer schlimmer zugerichtet alsder andere, aber anscheinend alle mit einemscharfen und spitzen Gegenstand ermordet.

Rhodan fand die Funkanlage und stelltesie ab. Er betrachtete die Instrumentenpulteund -wände und fand eindeutige Hinweisedarauf, dass es sich bei der Besatzung derStation um Galactic Guardians gehandelthatte, die interstellare Verbrecherorganisati-on.

»Arbeit für den Liga-Dienst«, sagte erwütend.

Ein Tastendruck setzte eine automatischeHoloaufzeichnung in Gang, die unverwech-selbar Trah Rogue zeigte, wie er sich in derZentrale zu schaffen machte. Dabei hielt ereinen Stockdegen in der Hand, statt seines

»Spazierstocks«.Es sah also so aus, als sei der Konquestor

von Tradom über Pinblot abgestürzt und vonden sieben am Hayok-Sternenfenster durch-gebrochenen Katamaren gerettet worden. Ei-ne Annahme, die kurz darauf durch einenFunkspruch von der LE-MJ-092 bestätigtwurde, die in einem nicht weit entferntenSumpf Trümmerstücke entdeckt hatte, dievermutlich von der MARZOM stammten.

Perry Rhodan verzichtete darauf, die Siloszu untersuchen, um festzustellen, womit dieGalactic Guardians gehandelt hatten. Er ver-zichtete auch darauf, mit den Eingeborenendes Planeten Kontakt aufzunehmen. Er ver-mutete richtig, dass sie von den Guardiansausgebeutet worden waren. Aber das warvorbei, der Liga-Dienst war nun zuständig.

*

Auf dem Rückflug zur LEIF ERIKSSONwechselte er kein einziges Wort mit seinerBesatzung, sondern wälzte trübe Gedanken.Er dachte an Trah Rogue und dessen Trup-pen und an ihre Chancen gegen sie.

Sie waren gleich null. Auf konventionelleWeise kamen sie gegen die Fremden nichtweiter, und die Zeit lief unerbittlich gegensie. Sobald die Umpolung des Hayok-Sternenfensters durch die Eltanen von denTruppen des Reiches aufgehoben war, wür-den mit hoher Wahrscheinlichkeit 22.000Katamare über die Milchstraße und das Ge-biet der LFT herfallen.

Gegen »nur« sieben vermochte man sichvielleicht noch zu wehren, nicht aber gegeneine ganze Flotte … Deshalb fasste PerryRhodan einen verzweifelten Entschluss.

In der LEIF ERIKSSON zurück, mit einerder letzten Jets, begab sich der Terraner so-fort in die Zentrale. Er bestellte auch RoxoQuatron und seine drei Artgenossen dorthin.Zehn Minuten später saßen die Verantwort-lichen und ihre Gäste zusammen. Ascari daVivo war per Holo zugegen. Rhodan berich-tete kurz von dem, was er entdeckt hatte.

»Unter diesen Gesichtspunkten bin ich

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bereit«, sagte er dann, »mich direkt nachTradom zu begeben, um dort mit den Elta-nen zusammenzutreffen. In unserer eigenenGalaxis können wir nichts gegen die Bedro-hung ausrichten.«

»Perry«, sagte Reginald Bull. »Wenn dasSternenfenster tatsächlich einseitig gepoltist, wie sollen wir je in die Milchstraße zu-rückkehren?«

»Kein Problem«, äußerte sich Roxo Qua-tron laut. »Die Eltanen sind anscheinend inder Lage, diese Polung nach ihrem Beliebenzu verändern. Ihr müsst nur die Eltanen auf-suchen, dann ist eure Rückkehr gesichert.«

»Na, prost denn«, knurrte Bull. »So ein-fach ist das. Ich weiß nicht, Leute …«

»Aber ich«, sagte Rhodan bestimmt. »Wirwerden die LEIF ERIKSSON für eine Expe-dition nach Tradom bereitmachen und aus-rüsten lassen, auf die andere Seite des Ster-nenfensters. Ich vertraue auf die Jankaronund setze meine ganze Hoffnung in die Elta-nen.«

»Bravo, Rhodan«, kam es von der arkoni-

dischen Admiralin. »Natürlich werde ichdich mit der KARRIBO nach. Tradom be-gleiten. Oder hast du etwas dagegen einzu-wenden, mein großer Held?«

»Ja, ich habe eigentlich etwas dagegen.Tatsache ist aber, dass die LFT die Konfron-tation mit dem Reich Tradom nicht ohne Ar-kon bestehen kann. Wir müssen zusammen-arbeiten.«

Sie lächelte wieder auf ihre provozierendeArt, die ihn oft verwirrte. »Wir fliegen alsozusammen?«

Rhodan nickte. »Wir fliegen zusammen.«Ascari da Vivo lächelte immer noch, als

sie sich aus der Runde verabschiedete.Perry Rhodan aber dachte weniger an die

bevorstehende Expedition als an die siebenKatamare und daran, was der KonquestorTrah Rogue in der Milchstraße mit ihnen an-richten konnte, in ihrer Abwesenheit …

E N D E

Trah Rogue hat den Absturz seines Raumschiffs überlebt. Es ist davon auszugehen, dassder Konquestor von Tradom bei nächster Gelegenheit seine Pläne weiterverfolgen wird. DieTerraner um Perry Rhodan müssen nun ihrerseits aktiv werden, um der Bedrohung möglichstschnell Herr zu werden. Rhodan geht in die Offensive.

Wie das genau geschieht, berichtet Uwe Anton im PERRY RHODAN-Roman der nächstenWoche, der unter folgendem Titel erscheint:

DURCH DAS STERNENFENSTER

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Kommentar: Die Milchstraße 1311 NGZ (III)

Der Kernbereich des alten Arkon-Imperiums ist imJahr 1311 NGZ wieder unter arkonidisch-imperialerHerrschaft - die Kugelsternhaufen Thantur-Lok (M 13)und Cerkol (M 92) gehören komplett zum Kristallimpe-rium. Hinzu kommen zahlreiche Welten, Fürstentü-mer, Grafschaften, Baronien und dergleichen außer-halb, die in den vergangenen Jahrhunderten unab-hängig waren, dann aber wieder okkupiert oder unterwirtschaftlichem Druck angeschlossen wurden. DiesePlaneten liegen in anderen Kugelsternhaufen außer-halb des »Nebelsektors« der Öden Insel, also derMilchstraße, aber auch in der Milchstraßenhauptebe-ne.

Noch stärker als bei der LFT ist der Einflussbereichdes Kristallimperiums alles andere als ein kompakterBlock, sondern eher ein zerfledderter Flickenteppich,da es immer wieder autonome und völlig selbständigeEnklaven gibt, vor allem von Fremdvölkern, aber auchvon ehemaligen Arkon-Kolonisten. Die meisten habensich mit Arkon »arrangiert«. Beispielhaft für viele an-dere seien das Aralon-System der Aras und das Ar-chetz-System der Mehandor-Springer genannt: Beidesind nominell vom Kristallimperium unabhängig, ob-wohl sie zum angestammten Kernbereich von Than-tur-Lok und des Kristallimperiums gehören.

Vor allem die weiterhin bevorzugt an Bord ihrerRaumschiffe lebenden Springer sind schwerlich vonden Beschlüssen des Kristallpalastes abhängig; ihreSippen verteilen sich auf rund 300.000 bis 500.000,im allgemeinen eher kleine Walzenraumer mit Län-gen, die selten mehr als 500 Meter betragen. Ande-rerseits ist das Hauptinteresse beider Völker der Han-del - und auf diesem Sektor profitieren letztlich sieebenso wie das Kristallimperium, je geringer wie auchimmer geartete Repressalien ausfallen.

Die Flottenstärke des Kristallimperiums liegt beirund 600.000 bewaffneten Einheiten, bei denen je-doch die zu den Tender-Raumern gehörenden Leich-ten und Schweren Kreuzer nicht eingerechnet sind.Imperator Bostich I. hat veraltete und schlecht ausge-rüstete Einheiten gezielt durch schwerer bewaffnete,besser ausgerüstete Neubauten ersetzen lassen, oh-ne dass jedoch die ausgemusterten Einheiten kom-plett abgeschafft worden wären - sie wurden zum Teilin neuen Imperiumsflotten zusammengefasst oder fin-den als fest stationierte Verbände in den SystemenVerwendung.

Die Thronflotte ARK'IMPERION umfasst nebendem fliegenden Palast THEK-LAKTRAN, die 1500Meter durchmessende ZHYM'RANTON mit ihren vier-zehn 200-Meter-Kreuzern sowie acht Tender-Schlachtkreuzer. Das Geleitschutz-Einsatzge-schwader ist die 1. Imperiumsflotte unter dem Ober-befehl von De-Keon'athor Pellias da Orcast; insge-samt 524 Einheiten, zu denen vier Superschlacht-schiffe, fünfzig Tender-Schlachtschiffe, hundert Ten-der-Schlachtkreuzer, zehn 150-Meter-Kreuzer und360 Leichte Kreuzer gehören. Zur Heimatflotte Arkon/Thantur-Lok rechnen 50.000 Einheiten unter demOberbefehl von De-Keon'athor Ogron da Moroindes.

Die 2. Imperiumsflotte der Mascantin Ascari da Vivoist mit 25.000 Einheiten im Hayok-Sternenarchipelstationiert - einem isoliert etwa 2140 Lichtjahre ober-halb der Milchstraßenhauptebene, fast auf gerader Li-nie zwischen Arkon und Terra gelegenen »offenenSternhaufen«, 9220 Lichtjahre von Sol und 25.827Lichtjahre von Arkon entfernt. Insgesamt 128 Sternesind in einem Quader von vierzehn mal zwölf malzehn Lichtjahren angeordnet. Nur sieben Sonnensy-steme jedoch - Hayok, Urankan, Korphyria, Hatocor,Zurud, Cirwar und Nuril - verfügen über je einen Pla-neten mit geeigneten Ökobedingungen; die restlichensind Gasriesen oder öde Steinbrocken.

Die 25.000 Einheiten der 3. Imperiumsflotte vonMascant Kraschyn ist beim Flottenstützpunkt Trant-agossa stationiert, einem 31.317 Lichtjahre von Solund 21.288 Lichtjahre von Arkon entfernten Sonnen-system mit zwölf Planeten - Hauptwelt ist der viertePlanet Enorketron. Mascant Baraschin befehligt die 4.Imperiumsflotte mit ebenfalls 25.000 Einheiten, statio-niert auf Amozalan, dem zweiten von fünf Planetender gleichnamigen Sonne, 19.760 Lichtjahre von Solund 23.227 Lichtjahre von Arkon. Calukoma schließ-lich, der dritte von sieben Planeten der gleichnamigenSonne, 33.877 Lichtjahre von Sol und 24.002 Licht-jahre von Arkon entfernt, ist der Hauptstützpunkt der5. Imperiumsflotte von Mascant Hugorn Ta-Thetaran;auch hierbei handelt es sich um 25.000 Einheiten.

Mehr als 200.000 Schiffe sind in der 6. bis 24. Im-periumsflotte zusammengefasst. Als fest stationierterSystemschutz gelten 225.000 Einheiten. Hinzu kom-men noch Sondergeschwader mit diversen Einheiten.Als eigenständige Flottenverbände sind jene hinzuzu-rechnen, die zu weitgehend autonomen Systemen ge-hören; beispielsweise werden dem Trav'Tussan mitseinen 336 Systemen und Welten rund 30.000 Schiffezugeordnet - ein keineswegs zu vernachlässigenderMachtfaktor.

Schon Mitte 1306 NGZ haben die Arkoniden alsbrandneue Werft auf Arkon III die nach Imperator Yo-bilyn I. benannte (verbürgtermaßen von Bostich sehrbewundert und als Vorbild geschätzt) in Betrieb ge-nommen, die offenbar in aller Heimlichkeit errichtetwurde. Nicht einmal die USO hatte rechtzeitig Winddavon bekommen. Das Besondere daran ist, dass inder Yobilyn-Werft anscheinend reine Kriegsschiffevon bis zu zwei Kilometern Länge hergestellt werden -ohne dass man über die Art Aufschlüsse gewonnenhätte.

Imperator Bostich will zweifellos die Schlagkraft sei-ner Flotte weiterhin entscheidend auszubauen. Dochselbst im Jahr 1311 NGZ ist es noch nicht gelungen,weitere Informationen zu erlangen - weder über dieYobilyn-Werft selbst, die von einem ähnlichen Antior-tungsfeld wie seinerzeit die Planeten Urengoll undSubtor geschützt ist, noch über die dort gebautenRaumer. Nur Gerüchte haben bislang die Runde ge-macht, in denen vage von Schiffen des Khasurn-Typsgesprochen wird …

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