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Serie zum Qualifizierungstag, Teil 1: Der Verein. Claus Adelmann, Referent des FVM, fordert: Wir müssen Gas geben. „Der Kinderfußball kann meist kein Gehör finden“ VON JOHANNES MOHREN Aachen. Manchmal scheint sein Kampf wie einer gegen Windmüh- len. „Kinderfußball spielt in den Vereinen meist keine große Rolle“, moniert Claus Adelmann und warnt noch im gleichen Atemzug: „Wir müssen wirklich Gas geben, es muss sich etwas bewegen.“ Doch Veränderung ist kein schnel- les Geschäft – sondern mühsame, manchmal zähe Arbeit. Das erlebt auch Adelmann tagtäglich, seit vielen Jahren. An Aufgeben denkt der Referent des Fußballverbandes Mittelrhein (FVM) aber dennoch nicht. „Wir müssen unsere Ange- bote auf noch breitere Füße stel- len“, betont er stattdessen. Der Qualifizierungstag Kinder- fußball am Aachener Tivoli ist für ihn wieder eine solche Chance. 300 Kindertrainer werden am Samstag zwischen 10 und 16 Uhr erwartet – eine willkommene Öf- fentlichkeit für Adelmanns wich- tiges Anliegen: Mehr Wertschät- zung für den Kinderfußball in den Vereinen und mehr Professionali- tät, insbesondere durch bessere Qualifizierung der Verantwortli- chen. „Es gibt leider viel zu wenige lizenzierte Trainer“, bemängelt Adelmann. Geschultes Personal – sofern denn überhaupt vorhanden – finde sich fast ausschließlich im Seniorenbereich der Klubs. „Was in vielen Vereinen zählt, ist der Erfolg der ersten Mann- schaft, das, was montags früh in der Zeitung zu lesen ist“, betont er. Dahin fließe auch (fast) das ge- samte Budget, Kinderfußball hin- gegen verkomme zur Randnotiz. Ein gefährliches Kurzzeit-Denken mit fatalen Folgen, kritisiert Adel- mann. „Spätestens ab der C-Ju- gend brechen schon jetzt in vielen Vereinen die Teams zusammen, die Kinder werden immer weni- ger“, so der FVM-Referent, die Nachwuchsfrage wird zum echten Problemfall. Adelmann will aufrütteln, ein Umdenken forcieren, bevor es zu spät ist. Ein wichtiger Baustein in diesem Prozess: eine Umstruktu- rierung. „Kinderfußball kann meist gar kein Gehör finden“, klagt Adelmann. Oft sei der Ju- gendleiter das einzige Sprachrohr im Vorstand – viel zu wenig, urteilt der Referent. Er fordert struktu- relle Konsequenzen neben und fußball-praktische auf dem Platz. „Den Vereinen muss bewusst wer- den, dass Kinderfußball unsere Zu- kunft bedeutet. Ein gutes Angebot ist deshalb Pflicht.“ Und wird das auch am Samstag wieder eindring- lich ins Gedächtnis rufen. Claus Adelmann: „Der Kinderfuß- ball ist unsere Zukunft.“ Serie zum Qualifizierungstag, Teil 2: Eltern/Fans. Babett Lobinger: „Das Spiel ihrer Kinder ist ein besonderes emotionales Miterleben“. Papas und Mamas „gehören unverzichtbar dazu“ VON JOHANNES MOHREN Aachen. Babett Lobinger ist alles in einem: Psychologin an der DSHS in Köln, (Ex)-Sportlerin – und nicht zuletzt: Mutter. „Dadurch ist mein Blick auf das Thema natür- lich noch einmal ein ganz ande- rer“, betont sie. Denn ihr achtjäh- riger Sohn kickt selbst im Verein. Lobinger kennt sie also, die Eltern- Sicht auf das Kinder-Spiel. Sie spricht von einem „ganz besonde- ren emotionalen Miterleben“ am Spielfeldrand, wenn der eigene Nachwuchs dem runden Leder nachjagt. Von einem inneren Aus- nahmezustand, den das für man- che bedeute. „Für Fans ist so eine Partie oft aufregender als für ihre Kinder“, sagt sie. Dann redet Lobinger über das „System Kinderfußball“. „Eltern gehören unverzichtbar dazu“, be- tont sie – nun als Expertin. Pöbe- leien oder gar Ausschreitungen am Spielfeldrand lässt Lobinger dabei nicht als Szenen mit Beispielcha- rakter durchgehen: „Das wird den Eltern nicht gerecht. Sie wollen nur das Beste für ihr Kind“, unter- streicht sie, fügt dann jedoch hinzu: „Es gibt Momente, in denen die Emotionen mit ihnen durchge- hen, sie die Kontrolle verlieren.“ Psychologisch erklärbar sei das – den Kindern schade es dennoch. Ralf Klohr hat deshalb 2007 die FairPlay-Liga im Fußballkreis Aa- chen ins Leben gerufen. Ein Mo- dell, das die Kinder in den Mittel- punkt des Kinderfußballs stellt – und inzwischen auch anderorts im ganzen Land Schule macht. „Der Nachwuchs profitiert unglaub- lich“, berichtet Lobinger, die das Projekt bereits lange begleitet. Ei- ner der Kerngedanken: Die Eltern müssen Abstand halten – ihr Platz ist 15 Meter entfernt von der Sei- tenlinie. Das Ziel: Einmischung verhindern. „Das soll kein Ausschluss sein“, stellt Lobinger klar, „aber alles das, was am Rand passiert, wirkt auf die Kinder“. Eltern fungieren als Vor- bilder – auch beim Fußball. „Damit tragen sie auch eine enorme Ver- antwortung“, sagt die Sportpsy- chologin. Denn ihr Urteil ist nicht selten entscheidend: Über Fouls, Auswechslungen und nicht zuletzt auch über den Trainer. „Eltern- Coaching“ ist deshalb laut Lobin- ger eine ganz wichtig Aufgabe: „Mein Credo an Trainer und Ver- ein ist immer: Beschäftigt die El- tern, lasst sie teilhaben, informiert sie. Und vor allem: Verteufelt sie nicht, zeigt, dass sie keine Stören- friede, sondern Partner sind.“ Auf diesem Weg zu mehr Kommunika- tion und gegenseitigem Respekt gebe es noch Optimierungsbedarf, so Lobinger. Zumindest ein weite- rer Schritt soll am Samstag ge- macht werden. Mal Psychologin, mal Mutter: Ba- bett Lobinger von der DSHS Köln. Serie zum Qualifizierungstag, Teil 3: Das Kind. Werner Mickler fordert: Erfolgserlebnisse sollen in den Vordergrund rücken. „Die Entwicklung der Persönlichkeit ist das Ziel“ VON JOHANNES MOHREN Aachen. Ihm hören die kommen- den Trainer zu. Sein Wort hat Ge- wicht. Werner Mickler, Sportpsy- chologe, lehrt an der Deutschen Sporthochschule (DSHS) in Köln und leitet die psychologische Aus- bildung im Fußball-Lehrer-Lehr- gang des DFB. Echte Fußball-Pro- minenz drückte bei ihm die „harte“ Schulbank, ehe es auf die zwar oft unsicheren, aber zumindest gut ge- polsterten Trainerstühle in die gro- ßen Stadien ging. Spricht man mit Mickler, wird bald deutlich, dass er klare Vorstellungen von der Zu- kunft des Kinderfußballs hat: „Wir müssen mehr die Stärken fördern, statt ständig Schwächen anzupran- gern. Das heißt vor allem, dass man immer erst einmal schaut, was ein Spieler kann, und nicht, was er nicht kann“, fordert er. Verbesse- rung durch Motivation ist seine Devise. Das Ziel: Frustration ver- hindern. „Die Kinder haben heute schon genug Leistungsdruck, etwa in der Schule“, sagt der Experte. Dieser soll sich beim abendlichen Trai- ning nicht fortsetzen: „Deshalb müssen wir bewusster Erfolgserleb- nisse in den Vordergrund rücken“, betont er, lernen durch Positiver- fahrungen lautet sein Grundsatz. „Der Fußball muss den Kindern die Chance geben, Selbstbewusst- sein zu tanken, sich auszuleben und kreativ zu sein“, betont der re- nommierte Sportpsychologe. Messbarer Erfolg in Form von Sie- gen müsse dafür als Kriterium vor- erst ein wenig in den Hintergrund rücken – auch in der Bewertungs- grundlage für die Qualität eines Nachwuchstrainers. „Wir wollen doch zunächst eine gute Ausbil- dung. Der Wettspielcharakter und das Ausselektieren beginnen schon noch früh genug“, sagt Mickler, be- tont aber, dass dies ein Leistungs- denken nicht völlig ausschließe. Nur die Definition ist eine andere: „Leistung sollte viel mehr in der Entwicklung des Kindes betrachtet werden, im ganz persönlichen, in- dividuellen Fortschritt eines jeden Einzelnen“, hebt Mickler hervor. Fortschritt spielt für den Sport- psychologen sowieso eine zentrale Rolle. Nicht nur auf dem Platz – sondern auch abseits. „Natürlich stehen uns die Kinder nur zu einem gewissen Zeitraum zur Verfügung. Dennoch wollen wir bei ihrer Per- sönlichkeitsentwicklung helfen“, unterstreicht Mickler. Ein Ge- danke, den vor allem auch der neue Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer in seiner Zeit als Nach- wuchskoordinator beim DFB prägte. Die Kinder sollen die Chance bekommen, zu reifen. „Da- für müssen wir ihnen die nötige Zeit lassen, sonst verlieren wir zu viele junge Menschen“, fordert Psychologe Mickler. Das wird er den Trainern auch am Samstag mit auf den Weg geben. Hat klare Vorstellungen zum Thema Kinderfußball: Werner Mickler. Serie zum Qualifizierungstag, Teil 4: Die Trainer. Paul Schomann: Bei den Kindern geht es um das Erlebnis und nicht um das Ergebnis. „Der Trainer sollte ein väterlicher Freund sein“ VON JOHANNES MOHREN Aachen. Etwa 1,5 Millionen Seiten- aufrufe gab es im Juli – von über 130 000 Usern. Es sind Zahlen, die Paul Schomann vorsichtig zuver- sichtlich stimmen und die den ein- geschlagenen Weg bestätigen. „Das Internet ist das heutige Me- dium. So wollen wir die Basis errei- chen“, sagt der DFB-Trainer für Ba- sisfußball, der herumkommt auf den Plätzen der Republik. „Trai- ning Online“ heißt das digitale Angebot des DFB mit den millio- nenfachen „Klicks“. 14-tägig aktu- alisiert finden sich hier stets neue Einheiten für einen großen Übungsfundus. „Viele Kindertrai- ner sind kaum ausgebildet. Wir versuchen, ihnen mit dem Online- Leitfaden Orientierung zu geben“, betont Schomann – das sei zumin- dest ein Anfang. Grundsätzlich hofft der lang- jährige Nachwuchs-Trainer des DFB aber auf mehr. „Mein Traum wäre es, wenn alle Kindertrainer den ‚Teamleiter-Kinder’ machen würden“, sagt Schomann. 70 Lern- einheiten inklusive Prüfung um- fasst diese Vorstufe zur C-Lizenz, zwei Abende in der Woche läuft die Ausbildung. Illusionen macht sich Schomann jedoch keine. „Das wird wohl vorerst ein Traum blei- ben“, weiß er. Dafür ist er zu sehr Realist. Doch der DFB-Trainer setzt sich trotzdem unermüdlich ein. Für eine bessere Trainer-Qualifizie- rung im Kinderfußball, die für ihn von so entscheidender Bedeutung ist: „Wir müssen den Kindern ent- wicklungsgemäß passende Inhalte anbieten können“, hebt er hervor. „Da sind fachkompetente Trainer unentbehrlich“, fügt er an. Ob in Kurzschulungen oder mit dem tourenden DFB-Mobil man müsse versuchen, die Basis zu er- reichen, sie dementsprechend fortzubilden. Was für Schomann zählt ist, dass die Kinder mit und durch ih- ren Trainer „Lust und Freude“ am Fußball entwickeln. „Die Kinder Fußball spielen lassen“, ist deshalb für Schomann einer der wichtigs- ten Grundsätze. „Sie sollen Tricks lernen, passen, dribbeln – und im- mer auch zur Vollendung, dem Torabschluss kommen. Dafür will der Nachwuchs doch schließlich zum Fußball“, betont er. Das gelte nicht nur für das Training unter der Woche, sondern auch für den Wettkampf: „Es geht bei den Kin- dern weniger um das Ergebnis, als vielmehr um das Erlebnis“, unter- streicht der DFB-Experte, wünscht sich, „Spielzeiten für alle“. Da sei auch die pädagogische Kompetenz des Trainers gefragt. „Er sollte sich möglichst in die Ebene der Kinder versetzen können, ihre Sprache sprechen – ja, ein väterlicher Freund sein“, sagt Schomann. Tipps für diese Aufgabe wird er na- türlich auch am Samstag geben. Paul Schomann: „Fachkompetente Trainer sind unentbehrlich.“

„Der Kinderfußball kann meist kein Gehör finden“ KiFu/AZAN_Quali KiFu komplett.pdf · Sicht auf das Kinder-Spiel. Sie ... Sporthochschule (DSHS) in Köln ... Nur die Definition

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Serie zum Qualifizierungstag, Teil 1: Der Verein. Claus Adelmann, Referent des FVM, fordert: Wir müssen Gas geben.

„Der Kinderfußball kann meist kein Gehör finden“VON JOHANNES MOHREN

Aachen. Manchmal scheint sein Kampf wie einer gegen Windmüh-len. „Kinderfußball spielt in den Vereinen meist keine große Rolle“, moniert Claus Adelmann und warnt noch im gleichen Atemzug: „Wir müssen wirklich Gas geben, es muss sich etwas bewegen.“ Doch Veränderung ist kein schnel-les Geschäft – sondern mühsame, manchmal zähe Arbeit. Das erlebt auch Adelmann tagtäglich, seit vielen Jahren. An Aufgeben denkt

der Referent des Fußballverbandes Mittelrhein (FVM) aber dennoch nicht. „Wir müssen unsere Ange-bote auf noch breitere Füße stel-len“, betont er stattdessen.

Der Qualifizierungstag Kinder-fußball am Aachener Tivoli ist für ihn wieder eine solche Chance. 300 Kindertrainer werden am Samstag zwischen 10 und 16 Uhr erwartet – eine willkommene Öf-fentlichkeit für Adelmanns wich-tiges Anliegen: Mehr Wertschät-zung für den Kinderfußball in den Vereinen und mehr Professionali-

tät, insbesondere durch bessere Qualifizierung der Verantwortli-chen. „Es gibt leider viel zu wenige lizenzierte Trainer“, bemängelt Adelmann. Geschultes Personal – sofern denn überhaupt vorhanden – finde sich fast ausschließlich im Seniorenbereich der Klubs.

„Was in vielen Vereinen zählt, ist der Erfolg der ersten Mann-schaft, das, was montags früh in der Zeitung zu lesen ist“, betont er. Dahin fließe auch (fast) das ge-samte Budget, Kinderfußball hin-gegen verkomme zur Randnotiz.

Ein gefährliches Kurzzeit-Denken mit fatalen Folgen, kritisiert Adel-mann. „Spätestens ab der C-Ju-gend brechen schon jetzt in vielen Vereinen die Teams zusammen, die Kinder werden immer weni-ger“, so der FVM-Referent, die Nachwuchsfrage wird zum echten Problemfall.

Adelmann will aufrütteln, ein Umdenken forcieren, bevor es zu spät ist. Ein wichtiger Baustein in diesem Prozess: eine Umstruktu-rierung. „Kinderfußball kann meist gar kein Gehör finden“,

klagt Adelmann. Oft sei der Ju-gendleiter das einzige Sprachrohr im Vorstand – viel zu wenig, urteilt der Referent. Er fordert struktu-relle Konsequenzen neben und fußball-praktische auf dem Platz. „Den Vereinen muss bewusst wer-den, dass Kinderfußball unsere Zu-kunft bedeutet. Ein gutes Angebot ist deshalb Pflicht.“ Und wird das auch am Samstag wieder eindring-lich ins Gedächtnis rufen.

Claus Adelmann: „Der Kinderfuß-ball ist unsere Zukunft.“

Serie zum Qualifizierungstag, Teil 2: Eltern/Fans. Babett Lobinger: „Das Spiel ihrer Kinder ist ein besonderes emotionales Miterleben“.

Papas und Mamas „gehören unverzichtbar dazu“VON JOHANNES MOHREN

Aachen. Babett Lobinger ist alles in einem: Psychologin an der DSHS in Köln, (Ex)-Sportlerin – und nicht zuletzt: Mutter. „Dadurch ist mein Blick auf das Thema natür-lich noch einmal ein ganz ande-rer“, betont sie. Denn ihr achtjäh-riger Sohn kickt selbst im Verein. Lobinger kennt sie also, die Eltern-Sicht auf das Kinder-Spiel. Sie spricht von einem „ganz besonde-ren emotionalen Miterleben“ am Spielfeldrand, wenn der eigene Nachwuchs dem runden Leder

nachjagt. Von einem inneren Aus-nahmezustand, den das für man-che bedeute. „Für Fans ist so eine Partie oft aufregender als für ihre Kinder“, sagt sie.

Dann redet Lobinger über das „System Kinderfußball“. „Eltern gehören unverzichtbar dazu“, be-tont sie – nun als Expertin. Pöbe-leien oder gar Ausschreitungen am Spielfeldrand lässt Lobinger dabei nicht als Szenen mit Beispielcha-rakter durchgehen: „Das wird den Eltern nicht gerecht. Sie wollen nur das Beste für ihr Kind“, unter-streicht sie, fügt dann jedoch

hinzu: „Es gibt Momente, in denen die Emotionen mit ihnen durchge-hen, sie die Kontrolle verlieren.“ Psychologisch erklärbar sei das – den Kindern schade es dennoch.

Ralf Klohr hat deshalb 2007 die FairPlay-Liga im Fußballkreis Aa-chen ins Leben gerufen. Ein Mo-dell, das die Kinder in den Mittel-punkt des Kinderfußballs stellt – und inzwischen auch anderorts im ganzen Land Schule macht. „Der Nachwuchs profitiert unglaub-lich“, berichtet Lobinger, die das Projekt bereits lange begleitet. Ei-ner der Kerngedanken: Die Eltern

müssen Abstand halten – ihr Platz ist 15 Meter entfernt von der Sei-tenlinie. Das Ziel: Einmischung verhindern.

„Das soll kein Ausschluss sein“, stellt Lobinger klar, „aber alles das, was am Rand passiert, wirkt auf die Kinder“. Eltern fungieren als Vor-bilder – auch beim Fußball. „Damit tragen sie auch eine enorme Ver-antwortung“, sagt die Sportpsy-chologin. Denn ihr Urteil ist nicht selten entscheidend: Über Fouls, Auswechslungen und nicht zuletzt auch über den Trainer. „Eltern-Coaching“ ist deshalb laut Lobin-

ger eine ganz wichtig Aufgabe: „Mein Credo an Trainer und Ver-ein ist immer: Beschäftigt die El-tern, lasst sie teilhaben, informiert sie. Und vor allem: Verteufelt sie nicht, zeigt, dass sie keine Stören-friede, sondern Partner sind.“ Auf diesem Weg zu mehr Kommunika-tion und gegenseitigem Respekt gebe es noch Optimierungsbedarf, so Lobinger. Zumindest ein weite-rer Schritt soll am Samstag ge-macht werden.

Mal Psychologin, mal Mutter: Ba-bett Lobinger von der DSHS Köln.

Serie zum Qualifizierungstag, Teil 3: Das Kind. Werner Mickler fordert: Erfolgserlebnisse sollen in den Vordergrund rücken.

„Die Entwicklung der Persönlichkeit ist das Ziel“VON JOHANNES MOHREN

Aachen. Ihm hören die kommen-den Trainer zu. Sein Wort hat Ge-wicht. Werner Mickler, Sportpsy-chologe, lehrt an der Deutschen Sporthochschule (DSHS) in Köln und leitet die psychologische Aus-bildung im Fußball-Lehrer-Lehr-gang des DFB. Echte Fußball-Pro-minenz drückte bei ihm die „harte“ Schulbank, ehe es auf die zwar oft unsicheren, aber zumindest gut ge-polsterten Trainerstühle in die gro-ßen Stadien ging. Spricht man mit Mickler, wird bald deutlich, dass er

klare Vorstellungen von der Zu-kunft des Kinderfußballs hat: „Wir müssen mehr die Stärken fördern, statt ständig Schwächen anzupran-gern. Das heißt vor allem, dass man immer erst einmal schaut, was ein Spieler kann, und nicht, was er nicht kann“, fordert er. Verbesse-rung durch Motivation ist seine Devise. Das Ziel: Frustration ver-hindern.

„Die Kinder haben heute schon genug Leistungsdruck, etwa in der Schule“, sagt der Experte. Dieser soll sich beim abendlichen Trai-ning nicht fortsetzen: „Deshalb

müssen wir bewusster Erfolgserleb-nisse in den Vordergrund rücken“, betont er, lernen durch Positiver-fahrungen lautet sein Grundsatz.

„Der Fußball muss den Kindern die Chance geben, Selbstbewusst-sein zu tanken, sich auszuleben und kreativ zu sein“, betont der re-nommierte Sportpsychologe. Messbarer Erfolg in Form von Sie-gen müsse dafür als Kriterium vor-erst ein wenig in den Hintergrund rücken – auch in der Bewertungs-grundlage für die Qualität eines Nachwuchstrainers. „Wir wollen doch zunächst eine gute Ausbil-

dung. Der Wettspielcharakter und das Ausselektieren beginnen schon noch früh genug“, sagt Mickler, be-tont aber, dass dies ein Leistungs-denken nicht völlig ausschließe. Nur die Definition ist eine andere: „Leistung sollte viel mehr in der Entwicklung des Kindes betrachtet werden, im ganz persönlichen, in-dividuellen Fortschritt eines jeden Einzelnen“, hebt Mickler hervor.

Fortschritt spielt für den Sport-psychologen sowieso eine zentrale Rolle. Nicht nur auf dem Platz – sondern auch abseits. „Natürlich stehen uns die Kinder nur zu einem

gewissen Zeitraum zur Verfügung. Dennoch wollen wir bei ihrer Per-sönlichkeitsentwicklung helfen“, unterstreicht Mickler. Ein Ge-danke, den vor allem auch der neue Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer in seiner Zeit als Nach-wuchskoordinator beim DFB prägte. Die Kinder sollen die Chance bekommen, zu reifen. „Da-für müssen wir ihnen die nötige Zeit lassen, sonst verlieren wir zu viele junge Menschen“, fordert Psychologe Mickler. Das wird er den Trainern auch am Samstag mit auf den Weg geben.

Hat klare Vorstellungen zum Thema Kinderfußball: Werner Mickler.

Serie zum Qualifizierungstag, Teil 4: Die Trainer. Paul Schomann: Bei den Kindern geht es um das Erlebnis und nicht um das Ergebnis.

„Der Trainer sollte ein väterlicher Freund sein“VON JOHANNES MOHREN

Aachen. Etwa 1,5 Millionen Seiten-aufrufe gab es im Juli – von über 130 000 Usern. Es sind Zahlen, die Paul Schomann vorsichtig zuver-sichtlich stimmen und die den ein-geschlagenen Weg bestätigen. „Das Internet ist das heutige Me-dium. So wollen wir die Basis errei-chen“, sagt der DFB-Trainer für Ba-sisfußball, der herumkommt auf den Plätzen der Republik. „Trai-ning Online“ heißt das digitale Angebot des DFB mit den millio-nenfachen „Klicks“. 14-tägig aktu-

alisiert finden sich hier stets neue Einheiten für einen großen Übungsfundus. „Viele Kindertrai-ner sind kaum ausgebildet. Wir versuchen, ihnen mit dem Online-Leitfaden Orientierung zu geben“, betont Schomann – das sei zumin-dest ein Anfang.

Grundsätzlich hofft der lang-jährige Nachwuchs-Trainer des DFB aber auf mehr. „Mein Traum wäre es, wenn alle Kindertrainer den ‚Teamleiter-Kinder’ machen würden“, sagt Schomann. 70 Lern-einheiten inklusive Prüfung um-fasst diese Vorstufe zur C-Lizenz,

zwei Abende in der Woche läuft die Ausbildung. Illusionen macht sich Schomann jedoch keine. „Das wird wohl vorerst ein Traum blei-ben“, weiß er. Dafür ist er zu sehr Realist.

Doch der DFB-Trainer setzt sich trotzdem unermüdlich ein. Für eine bessere Trainer-Qualifizie-rung im Kinderfußball, die für ihn von so entscheidender Bedeutung ist: „Wir müssen den Kindern ent-wicklungsgemäß passende Inhalte anbieten können“, hebt er hervor. „Da sind fachkompetente Trainer unentbehrlich“, fügt er an. Ob in

Kurzschulungen oder mit dem tourenden DFB-Mobil – man müsse versuchen, die Basis zu er-reichen, sie dementsprechend fortzubilden.

Was für Schomann zählt ist, dass die Kinder mit und durch ih-ren Trainer „Lust und Freude“ am Fußball entwickeln. „Die Kinder Fußball spielen lassen“, ist deshalb für Schomann einer der wichtigs-ten Grundsätze. „Sie sollen Tricks lernen, passen, dribbeln – und im-mer auch zur Vollendung, dem Torabschluss kommen. Dafür will der Nachwuchs doch schließlich

zum Fußball“, betont er. Das gelte nicht nur für das Training unter der Woche, sondern auch für den Wettkampf: „Es geht bei den Kin-dern weniger um das Ergebnis, als vielmehr um das Erlebnis“, unter-streicht der DFB-Experte, wünscht sich, „Spielzeiten für alle“. Da sei auch die pädagogische Kompetenz des Trainers gefragt. „Er sollte sich möglichst in die Ebene der Kinder versetzen können, ihre Sprache sprechen – ja, ein väterlicher Freund sein“, sagt Schomann. Tipps für diese Aufgabe wird er na-türlich auch am Samstag geben.

Paul Schomann: „Fachkompetente Trainer sind unentbehrlich.“