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Der Kreis der Zeit

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Atlan - Der Held vonArkon

Nr. 220

Der Kreis der Zeit

Sein Ziel ist der Sturz desUsurpators - sein Gegner ist eine

Legende

von H. G. Francis

Das Große Imperium der Arkoniden kämpft um seine nackte Existenz, denn esmuß sich sowohl äußerer als auch innerer Feinde erwehren.

Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Im-periums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Fein-de Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Impera-tor Orbanaschol III. – nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemein-wohl völlig außer acht lassen.

Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßigeThronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von ver-schworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorge-gangen. Selbst empfindliche Rückschläge entmutigen ihn nicht und hindern ihn undseine Helfer nicht daran, den Kampf gegen Orbanaschol, den Diktator und Usurpa-tor, mit aller Energie fortzusetzen.

Doch da ist auch noch ein Mann auf Arkon, der, ohne daß Atlan von seiner Exi-stenz weiß, die Sache des Kristallprinzen vertritt.

Dieser Mann ist USO-Agent Sinclair M. Kennon. Aus ferner Zukunft wurde er indas alte Arkon verschlagen, wo er dank seiner großen kriminalistischen Fähigkeitenunter dem Namen Lebo Axton einen wichtigen Posten im imperialen Geheimdienstübernehmen konnte.

Jetzt will er die Ereignisse zugunsten Orbanaschols manipulieren. Er weiß es nochnicht – aber er bewegt sich im KREIS DER ZEIT …

Die Hautpersonen des Romans:Lebo Axton-Kennon - Ein Terraner aus der Zukunft in Orbanaschols Diensten.Kelly - Kennons seltsamer Roboter.Sorgith Artho - Kennons arkonidischer Assistent.Mara Bonkal - Eine »Heldin« von Arkon.Lano - Ein »Werwolf«.Quertan Merantor - Geheimdienstchef von Arkon I.

Schon als Leiquon Arkatenbel sich derJagdhütte näherte, spürte er, daß irgend et-was nicht in Ordnung war. Etwa zehn Metervom Seeufer entfernt blieb er stehen undblickte sich um.

Alles sah ruhig aus. Nebelschleier um-wehten die Mauern der Hertanan-Villa Bon-kals. Sie dämpften das Licht der aufgehen-den Sonne. Ein paar dunkle Seilkvögel um-kreisten den turmartigen Aufbau mit denAntennen, die bis ins All hinauszugreifenschienen.

Über die Wipfel des Waldes hinwegkonnte Arkatenbel die obere Rundung desRaumschiffs sehen, das erst vor einigen Ta-gen von den Werften Arkons gekommenwar.

Was hatte Arkatenbel beunruhigt?Er wußte es nicht zu sagen.Vorsichtshalber lud er den Jagdstifer

durch. Die Waffe verschoß nadelfeine Bol-zen, die mit Widerhaken versehen waren.Wenn ein solcher Bolzen in einen Körpereindrang, spreizten sich fünf Nadeln davonab und bremsten das Geschoß somit schlag-artig ab. Dies war die einzige Methode, mitder die Sonnenhirsche erlegt werden konn-ten, ohne daß es bei ihnen zu einer schockar-tigen Reaktion kam, durch die das Fleischungenießbar wurde.

Sollte sich ein solcher Hirsch in der Näheversteckt haben, um ihn zu überfallen? Soetwas wäre nicht unmöglich gewesen. AufKafa war man sich einig, daß diese Tiereüber eine gewisse Intelligenz verfügten, unddaß sie gerade deshalb so gefährlich waren.

Arkatenbel trat einige Schritte zur Seiteund glitt lautlos bis an das Seeufer heran.Von hier aus konnte er die Hütte besser

übersehen. Doch da war nichts, was ihm hät-te gefährlich werden können. Er ließ dieWaffe sinken. Allmählich wurde er nervös.Er mußte an Bonkal denken. Ihm erging eskaum anders. Die Sabotageakte der letztenZeit hatten alles durcheinandergebracht. Siehatten die Ruhe gestört.

Arkatenbel öffnete die Tür der Jagdhütte.Knarrend drehte sie sich in ihren Angeln.Damit überdeckte sie das Geräusch, welchesdas Wesen verursachte, das hinter dem Be-rater Bonkals aus dem Wasser stieg.

Es war hochgewachsen und von humanoi-dem Äußeren. Der unbekleidete Oberkörperwar dicht behaart, und auf den breitenSchultern thronte der Kopf eines Raubtiersmit weit vorspringender Schnauze, großenAugen und einem Federbusch, der vomNacken her über den Kopf hinwegragte.

Das Wesen warf den Halm weg, durchden es geatmet hatte, als es unter Wasser ge-wesen war. Dabei verursachte es ein leisesGeräusch. Arkatenbel fuhr herum.

»Sak, was treibst du hier?« fragte er über-rascht.

Das Wesen antwortete mit einer dumpfgrollenden Stimme, die kaum zu verstehenwar. Es entblößte die Zähne. FingerlangeGiftstacheln schoben sich durch zwei Zahn-lücken nach vorn. Arkatenbel fuhr zurück.

»Du, Sak?« Er schüttelte den Kopf. »Dasdarf doch nicht wahr sein …«

Das seltsame Geschöpf duckte sich leichtund schnellte sich knurrend auf den Arkoni-den. Dieser riß den Jagdstifer hoch unddrückte ab. Der Nadelbolzen fuhr Sak imgleichen Moment ins Herz, als dieser Arka-tenbel mit den Giftstacheln die Haut aufriß.Die beiden Gegner trennten sich. Beide tau-melten zurück. Sie blickten sich mit gewei-

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teten Augen an, wobei sich beide darüberklar waren, daß sie sich gegenseitig den To-desstoß versetzt hatten.

Der Arkonide versuchte, etwas zu sagen,doch seine zuckenden Lippen entließen nurunverständliche Laute.

Sak stürzte auf die Knie. Er preßte dieHände auf die Brust, öffnete den Rachenund biß einige Male wild in die Luft. Dannkippte er vornüber und blieb auf dem Bodenliegen.

Arkatenbel schleppte sich noch bis in dieJagdhütte. Hier mühte er sich mit letzterKraft ab, einen Kurzbericht in ein Aufzeich-nungsgerät zu sprechen, aber vergeblich.Die durch das Gift hervorgerufene Lähmungbreitete sich so schnell über seinen ganzenKörper aus, daß er nichts mehr erklärenkonnte.

Der Arkonide starb, ohne Bonkal benach-richtigen zu können.

*

»Haben Sie von Sereylon Markharet ge-hört?« fragte Avrael Arrkonta. Er stand mithinter dem Rücken verschränkten Armen ander Fensterfront seiner Luxuswohnung undblickte auf die Parklandschaft hinaus, dieweite Teile des Planeten bedeckte. Von hieraus reichte die Sicht bei klarem Wetter bisfast zum Hügel der Weisen, dem Regie-rungssitz des Imperators.

»Sereylon Markharet?« fragte Lebo Ax-ton sinnierend. Er saß in einem Sessel hinterdem Industriellen. Seine kurzen Beine bau-melten in der Luft. Hinter, ihm stand RobotKelly. »Markharet? War das nicht der Mann,der die Verwüstung des Planeten Soshol-Trakheer verschuldete?«

Avrael Arrkonta drehte sich überraschtum.

»Der Wissenschaftler experimentierte miteiner Waffe, die er das Kristallschwertnannte. Leider gelang es ihm nie, sie unterKontrolle zu bekommen. Das sollte späterenGenerationen …«

Lebo Axton brach betroffen ab.

Avrael Arrkonta lachte laut auf.»Hören Sie auf«, rief er amüsiert. »Mich

brauchen Sie doch nicht in dieser Weise zubluffen, Lebo. Tun Sie mir gegenüber nichtso, als wüßten Sie nicht genau, daß SereylonMarkharet noch gar nicht mit seinen Experi-menten begonnen hat. Wieso sprechen Sie inder Vergangenheit von ihm?«

Sinclair Marout Kennon, der unter demNamen Lebo Axton in einer arkonidischenZeit lebte, von der er nicht wußte, ob sie fürihn tatsächlich real war, suchte nach Worten.Für einen kurzen Moment war er nicht kon-zentriert genug gewesen und hatte sich ver-plappert. Er kannte die arkonidische Ge-schichte, wie sie jemand kennen konnte, dersich zehntausend Jahre später mit den histo-rischen Begebenheiten befaßt. Er wußte,welche herausragenden Ereignisse die histo-rische Entwicklung des arkonidischen Impe-riums beeinflußt hatten. Daher war ihm auchbekannt, daß der Wissenschaftler Markharetgefährliche Experimente unternommen hat-te, die gescheitert waren. Die Bevölkerungeines ganzen Planeten hatte dabei ein grausi-ges Ende gefunden.

Als Lebo Axton aber durfte er das nochnicht wissen, und er durfte sich vor allemdarüber nicht äußern.

»Ich wollte einen Scherz machen«, erklär-te er und rutschte aus dem Sessel. »Ich gehezu, daß es ein makabrer Scherz war. Selbst-verständlich kann niemand schon jetzt sa-gen, wie die Experimente dieses Markharetverlaufen werden.«

»Das will ich meinen«, entgegnete derArkonide.

»Warum fragten Sie, Avrael?«Arrkonta überlegte. Dabei schenkte er

Axton ein alkoholisches Getränk ein, vondem sie bereits einige Gläser genossen hat-ten.

»Nun, Lebo«, eröffnete er dem Kosmokri-minalisten endlich. »Einige einflußreicheFreunde sind zusammen mit diesem Mark-haret an mich herangetreten.«

»Warum? Ich verstehe nicht.«Arrkonta blickte ihn überrascht an.

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»Sie wissen, daß der Planet Soshol-Trakheer mir gehört«, erklärte er und lächel-te unmerklich dabei. »Das ist eine Tatsache,die mich vollkommen überrascht hat, wieich gestehe. Ich habe nicht damit gerechnet,weil darüber bisher nur ein paar meinerFreunde informiert waren. Nun, mittlerweilehabe ich mich damit abgefunden, daß der ar-konidische Geheimdienst sich offenbar umalles kümmert. Sie haben wahrscheinlichmeine Akte eingesehen.«

Axton war in der Klemme. Er durfte ei-nerseits nicht diese billige Ausrede suchen,weil Arrkonta sein Freund war. Andererseitskonnte er nicht zugeben, daß er von den Er-eignissen um den Planeten Soshol-Trakheerwußte, weil er die Zukunft kannte.

»Sie irren sich, Avrael«, erwiderte er be-hutsam. »Bis jetzt habe ich mir Ihre Aktenoch nicht angesehen. Ich vertraue Ihnenund bin überzeugt davon, daß Sie mir auchso sagen werden, was Sie für wichtig hal-ten.«

Nun war der Arkonide verblüfft.»Aber, wieso …?«»Vielleicht darf ich Ihnen das später ein-

mal verraten?« Axton lächelte begütigend.»Sagen Sie mir, was Ihre Freunde von Ihnenwollten.«

Arrkonta trank sein Glas aus.»Also gut, Lebo. Sie wollten, daß ich

Markharet erlaube, seine Experimente aufSoshol-Trakheer durchzuführen. Sie habenmir gesagt, daß diese Arbeiten gefährlichsind. Daher weiß ich nicht, wie ich mich ent-scheiden soll. Helfen Sie mir.«

Axton-Kennon hatte das Gefühl, von ei-nem Faustschlag in den Magen getroffen zuwerden. Bis zu dieser Sekunde hatte er nochnicht einmal andeutungsweise damit gerech-net, mit einer solchen Entscheidung kon-frontiert zu werden. Seine Gedanken über-schlugen sich, und er hatte nur einenWunsch, möglichst viel Zeit für seine Ant-wort zu gewinnen.

Er wußte, daß der Wissenschaftler Mark-haret mit seinem Kristallschwert scheiternund daß der Planet Soshol-Trakheer unter-

gehen würde.Das war aus der Sicht des Majors Sinclair

Marout Kennon, der für die USO Atlans unddas Solare Imperium Perry Rhodans tätiggewesen war, eine geschichtliche Tatsache.Millionen Arkoniden hatten bei dieser Kata-strophe den Tod gefunden.

Die Entscheidung über das Schicksal lagplötzlich nicht mehr in den Händen vonAvrael Arrkonta. So sah es nur aus. Axtonhatte jedoch in den letzten Sekunden dieÜberzeugung gewonnen, daß der Arkonideden Planet nicht zur Verfügung stellen woll-te. Er wollte die Bitte des Wissenschaftlersund seiner Freunde ausschlagen.

Nur einer konnte ihn vermutlich noch um-stimmen.

Er selbst. Lebo Axton.Das war einfach unlogisch.Es konnte nicht sein.Wieder einmal fragte Axton sich, ob er in

einer realen oder in einer Traumwelt lebte.War er wirklich?

Niemals zuvor war er auf eine derartigeSituation gestoßen. Sie erschien ihm absolutausweglos.

Wenn er Avrael Arrkonta abriet, dannwürde der Arkonide die Erlaubnis verwei-gern. Entschied sich der Industrielle aber ge-gen die Experimente, dann würden Millio-nen Arkoniden überleben; dann mußte dieGeschichte des arkonidischen Imperiums ei-ne andere Entwicklung nehmen. Sie konntesich so kraß von jener unterscheiden, dieAxton-Kennon kannte, daß nie ein SolaresImperium entstehen würde.

Soshol-Trakheer mußte also untergehen.Die Entscheidung darüber durfte aber

nicht bei ihm, Axton liegen. Sie konnte garnicht bei ihm liegen, weil er von der Ver-nichtung des Planeten gewußt hatte, bevor ermit Hilfe der Traummaschine in die arkoni-dische Vergangenheit gereist war.

Eine derartige Manipulation erschien Ax-ton absolut unmöglich.

»Nun, Lebo?« fragte Avrael Arrkonta.»Sie schweigen? Warum sagen Sie nichts.«

Der Verwachsene hob abwehrend die

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Hände.»Es tut mir leid, daß ich diesen makabren

Scherz gemacht habe.«Arrkonta lachte.»Nein, das meine ich nicht. Und so billig

lasse ich Sie auch nicht davonkommen. Hierund jetzt sollen Sie, mein Freund, mir eineschwere Entscheidung abnehmen. Das istdoch nicht zuviel verlangt, oder? Ich möchteSie natürlich nicht beleidigen. Ihre Wortehaben mir gezeigt, daß Sie über den Inhaltder Experimente informiert sind. Ich machees daher von Ihnen abhängig, ob Markharetanfangen kann oder nicht.«

»Lassen Sie einen anderen entscheiden,Avrael. Ich bitte Sie darum.«

Der Arkonide lachte erneut.»Nein, ich habe es mir in den Kopf ge-

setzt, Sie Schicksal spielen zu lassen.«»Wenn ich sage, daß Sie Markharet die

Genehmigung geben sollen, kann Sie dannnoch jemand umstimmen?«

»Nie und nimmer.«»Dann sagen Sie ja, Avrael.« Axton atme-

te schwer und keuchend. Er fühlte, daß ihmder Schweiß ausbrach. Das Unmögliche warwirklich geworden. Der Arkonide erhob sichund ging zu seinem Videogerät. Er drückteeinige Knöpfe, bis das Bild eines dunkelhaa-rigen Mannes erschien. Mit gedämpfterStimme erteilte er ihm einige Befehle undkehrte dann zu seinem Sessel zurück.

»Markharet wird Ihnen auf den Kniendanken«, sagte er lächelnd.

Axton hörte diese Worte kaum.Ihm war eine ungeheuerliche Idee gekom-

men, die alles auf den Kopf stellte, was sei-ne bisherige Existenz anbetraf. Sie war in ih-ren Konsequenzen so außerordentlich, daßAxton sie kaum zu durchdenken wagte.

Er gab Robot Kelly einen Wink.»Komm her, du Mißgeburt«, sagte er mit

heiserer Stimme. »Ich muß in meine Woh-nung.«

»Schon jetzt?« fragte Arrkonta über-rascht. »Ich habe Sie doch nicht beleidigt?«

»Überhaupt nicht, lieber Freund«, erwi-derte Axton. »Dennoch bitte ich Sie, mich

zu entschuldigen. Ich fühle mich nicht be-sonders gut.«

»Das sieht man Ihnen allerdings an«,stellte der Arkonide besorgt fest. »Kann ichetwas für Sie tun? Soll ich einen Arzt ru-fen?«

»Kelly wird mich versorgen. Machen Sie,bitte, keine Umstände.«

Der Verwachsene kletterte auf denRücken des Roboters, stemmte seine über-großen Füße in die Haltebügel und klam-merte sich an den Schultern fest.

Avrael Arrkonta brachte Axton zur Tür.Er ließ ihn durch drei Bedienstete bis in sei-ne Wohnung begleiten.

Axton legte sich ins Bett, als er allein war.Robot Kelly blieb neben der Ruhestätte ste-hen.

»Was willst du?« fragte der Terraner ge-reizt.

»Nichts«, antwortete Kelly. »Ich bin zu-frieden.«

Axton fuhr auf. Schweiß bedeckte seineStirn.

»Was bist du?«»Zufrieden.« Kelly neigte sich leicht nach

vorn, so daß Axton das Organband sehenkonnte, das halb um seinen Schädel führte.»Ich wollte präzise damit ausdrücken, daßich keine Wünsche habe.«

Der Verwachsene ließ sich in die Kissenzurückfallen.

»Mein lieber Kelly«, sagte er nach einerWeile mit unnatürlich ruhiger Stimme. »Dubist dazu da, mir zu dienen, mich zu be-schützen und mir auf gar keinen Fall zuschaden. Begreifst du das?«

»In der Tat. Das sind Dinge, die bereits inmeiner Grundprogrammierung festgelegtworden sind.«

Lebo Axton fuhr wie von der Feder ge-schnellt hoch.

»Und warum hältst du dich nicht an deineProgrammierung?« schrie er wütend.»Warum quälst du mich systematisch?«

Es klickte bedrohlich im Kopf des Robo-ters.

Der Terraner ließ sich erneut in die Kis-

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sen sinken. Besorgt musterte er Kelly.»Was ist los?« fragte er.»Ich habe einige Kurzschlüsse registriert,

Meister«, antwortete die Maschine. »DerSchaden wurde bereits wieder behoben.«

»Du hattest einen Dachschaden?«»Wenn du meine Schädeldecke als Dach

bezeichnest, Schätzchen, dann ist diese For-mulierung nicht richtig, denn der Schadenlag darunter.«

»Ich geb's auf«, sagte Axton stöhnend.»Warum habe ich dich bloß vom Schrott-platz mitgenommen? Hätte ich dich dort ge-lassen, dann wärest du jetzt schon längst ein-geschmolzen und wenigstens zu einem Ge-genstand von einem gewissen Wert verar-beitet worden. So aber …«

»Du warst hilflos«, erklärte Kelly. »Dubrauchtest dringend einen Roboter, der dich…«

»Ruhe«, brüllte Axton. Sein Haß gegenRoboter brach wieder aus. Kelly hätte nichterwähnen dürfen, wie hilflos Kennon gewe-sen war, als er nach dem Sturz durch denZeitstrom wieder zu sich gekommen war.

Er sprang aus dem Bett, eilte hastig zu ei-nem Sessel, auf dem sein Energiestrahlerlag. Er richtete die Waffe dann jedoch nichtauf den Roboter, wie er es impulsiv hatte tunwollen, sondern legte sie wieder zurück. Erberuhigte sich rasch.

»Du hast mein Gespräch mit Avrael Arr-konta gehört«, sagte er. »Er hat mich zumeiner Entscheidung gezwungen. Stimmtdas?«

»Diese Feststellung ist richtig.«»Tu nicht so förmlich. Ich will etwas klä-

ren, und dabei möchte ich nicht durch dichabgelenkt werden. Verzichte also auf deinedämlichen Mätzchen. Ich weiß, daß der Pla-net Soshol-Trakheer untergehen wird. Icherinnere mich an die Zukunft, Verstehst dudas?«

»Nein.«»Das ist auch nicht …« Axton brach ab.

Das Videogerät sprach an. Er gab Kelly denBefehl, es einzuschalten. Er selbst setztesich in einen Sessel. Sekunden später erschi-

en das massige Gesicht von Quertan Meran-tor, dem Geheimdienstchef von Arkon I, aufdem Projektionsfeld. Axton richtete sich un-willkürlich auf.

»Ich muß Sie sofort sprechen«, erklärteder Arkonide. »kommen Sie in mein Büro.«

Lebo Axton wußte, daß er jetzt höchsteEile an den Tag legen mußte. Er kletterte aufden Rücken des Roboters und hieb diesemdie geballte Faust auf den Kopf.

»Los, du Esel, lauf schon«, befahl er.Kelly eilte aus der Wohnung, von der ein

kurzer Gang zu einem Gleiterparkeinschnitterfolgte. Hier stand eine neue Maschine, dieAxton erst vor einigen Tagen erworben hat-te. Die Erfolge der letzten Zeit hatten ihmbeträchtliche finanzielle Mittel und eineneue Wohnung eingebracht.

Obwohl Axton äußerst schnell im Ar-beitsraum Merantors erschien, blickte dieserihn mißbilligend an.

»Ich weiß nicht, warum ich mich mit ei-nem Krüppel eingelassen habe«, sagte derArkonide brutal. »Mir wird schlecht, wennich sehe, wie Sie zu mir hereinschleichen.«

Der Verwachsene kannte Quertan Meran-tor zur Genüge. Er wußte, daß es keinenSinn hatte, auf diese Bemerkungen einzuge-hen. Der Geheimdienstchef war cholerischund von einer schonungslosen Offenheit.

Merantor saß hinter einem kleinen Tisch,auf dem nur eine Akte lag. Sein eigentlicherArbeitstisch stand einige Meter weiter. Erwar mit Papieren, Kommunikationsinstru-menten und Schreibstiften förmlich übersät.

»Können Sie mit Weibern umgehen?«fragte Merantor überraschend.

»Natürlich«, antwortete Axton gelassen.Der Arkonide richtete sich auf seinem

Stuhl auf. Er verschränkte die Arme vor derBrust, verengte die Augen und streckte daskantige Kinn vor.

»Geben Sie nicht so an, Axton«, sagte er.»Nach dem, was ich bisher von Ihnen gehörthabe, fangen Sie immer an zu stottern, wennSie weibliche Hüften sehen.«

Axton, der noch immer in den Haltebü-geln auf dem Rücken seines Roboters stand,

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tippte Kelly an den Kopf.»Unter den gegebenen Umständen ist es

wohl besser, ich komme später wieder«, er-klärte er. »Vielleicht kann man dann ver-nünftiger mit Ihnen reden.«

Der Arkonide stützte die Hände auf denTisch. Er musterte Axton kalt und abschät-zend.

»Wissen Sie, wer Mara Bonkal ist?«»Leider nein.«»Manchmal wundere ich mich über Sie,

Axton. In manchen Dingen sind Sie ein Ge-nie, dann wiederum wissen Sie nichts überso wichtige Persönlichkeiten wie etwa MaraBonkal.«

»So ist das«, entgegnete der Verwachsenegleichmütig.

Der Geheimdienstler klappte die vor ihmliegende Akte zu und warf sie Axton hin-über. Robot Kelly fing sie mit blitzschnellerBewegung auf.

»Es geht um Sabotageanschläge«, erklärteMerantor. »Mara Bonkal hat die verrückteNeigung, sich mit allen möglichen exoti-schen Geschöpfen der Galaxis zu umgeben.Fast alle sind Tiere, aber es sind auch Halb-intelligenzen dabei, von denen niemand sa-gen kann, wie sie im nächsten Moment rea-gieren werden. Wir vermuten, daß ein Teilder Sabotageakte, die auf Kafa im SystemKaf-Kalga verübt worden sind, auf dieseGeschöpfe zurückzuführen sind. Es muß un-ter ihnen welche geben, die von den Me-thanatmern gedungen worden sind.«

Axton schürzte die Lippen.»Ist das ein Fall für mich?« fragte er ohne

großes Interesse.Quertan Merantor erhob sich. Er stemmte

die Fäuste in die Seiten.»Und ob«, sagte er ärgerlich. »Oder soll-

ten Ihnen die Erfolge der letzten Zeit zuKopf gestiegen sein?«

Axton lächelte. Zum ersten Mal spürte ereine gewisse Feindschaft, die von Merantorausging. War sich der Geheimdienstchefdessen bewußt geworden, wie sehr er in sei-ner Position gefährdet war, wenn es ihm –Axton – gelang, die Reihe seiner Erfolge

fortzusetzen? Fürchtete er die Konkurrenzbereits? Für Kennon-Axton war es ganzklar, daß er versuchen mußte, selbst Chefder mächtigsten Organisation des arkonidi-schen Imperiums zu werden. Er hatte jedochnicht damit gerechnet, daß sich jetzt bereitseine Gegenströmung bemerkbar machte.

»Keineswegs«, erwiderte er vorsichtig.»Ich denke nur, das Problem ist leicht lös-bar, wenn man Mara Bonkal verbietet, sicheinem solchen Risiko auszusetzen.«

Merantor schnaubte wütend.»Sie haben keine Ahnung, wer Mara Bon-

kal ist«, erklärte er. »Sie gehört zu den mili-tärischen Führungsspitzen des Reiches. DerImperator bringt ihr höchstes Wohlwollenentgegen. Er schätzt ihren militärischen undpolitischen Rat, da sie beachtliche Erfolgeauf beiden Gebieten aufzuweisen hat. Einersolchen Frau kann man nicht einfach etwasverbieten.«

»Ich habe schon begriffen«, sagte Axton.Er wußte jetzt, warum er auf diesen einfacherscheinenden Fall angesetzt worden war.

Zu allen Zeiten pflegten die Mächtigen ih-re fähigsten Mitarbeiter dazu zu mißbrau-chen, kleine Arbeiten für Freunde zu erledi-gen, nur um diesen dadurch zu schmeicheln.

Nicht anders schien es in diesem Fall zusein.

Orbanaschol III. hatte selbstverständlichauch seinen Kreis von Freunden und Hel-fern, die die Basis seiner Macht bildeten.Für ihn wäre es nicht ausreichend gewesen,Gonozal VII. ermorden zu lassen. Dadurchallein hätte er noch nicht Imperator von Ar-kon werden können. Er hatte von Anfang andie Unterstützung und Hilfe seiner Freundebenötigt. Nur durch sie hatte er seine Machtfestigen können.

Das wußte auch Orbanaschol. Deshalb be-handelte er seine Freunde mit besondererRücksicht. Schmeichelte ihnen hier, be-schenkte sie dort, verlieh ihnen hohe Ämterund gab ihnen die Möglichkeit, sich Reich-tümer zu erwerben.

Mara Bonkal gehörte offenbar zu diesemKreis. Bei ihr duldete Orbanaschol III. ge-

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wisse Verrücktheiten, um sie nicht zu verär-gern.

Lebo Axton klemmte sich die Akte unterden Arm.

»Haben Sie noch Fragen, Axton?«»Nein, vorläufig nicht.«Der Terraner tippte den Roboter an und

verabschiedete sich. Als die Tür hinter ihmzuglitt, überfiel ihn die Erkenntnis, wer Ma-ra Bonkal war, mit elementarer Wucht.

*

Der Arkonide trat ein, musterte Axtonvon oben herab und ging grußlos zu einemSessel. Er setzte sich, schlug die Beine über-einander und schob sich einen Paragum zwi-schen die Zähne. Er kaute einige Male aufder zähen Masse herum und sagte danach:

»Mein Name ist Sorgith Artho. Sie wer-den mir behilflich sein, die Sabotagefällevon Kafa im System Kaf-Kalga zu lösen.«

Axton lehnte sich in seinen Sessel zurückund legte die Akte auf den Tisch.

»Ach, werde ich das?«»Merantor und ich haben über Mara Bon-

kal gesprochen. Wir sind uns einig darüber,daß dieser Fall zu delikat für einen … einenMann wie Sie ist.« Sorgith Artho blickteAxton in eindeutiger Weise an.

»Sagen Sie ruhig Krüppel. Das wolltenSie doch?«

»Allerdings«, antwortete der Arkonideverächtlich. »Wir können es Mara Bonkalnicht zumuten, in dieser Weise … Was ma-chen Sie denn da?«

»Ich habe soeben die Nummer von Quer-tan Merantor eingetippt.«

Der Arkonide sprang auf.»Merantor ist nicht da.«»So?« Axton lächelte unmerklich. Er

wandte sich an Quertan Merantor, dessenBild auf der Projektionsfläche erschien. »Eingewisser Sorgith Artho ist bei mir. Er hatmir soeben erklärt, daß er und Sie überein-gekommen sind, Mara Bonkal eine Arbeits-gruppe zu senden, der Sorgith Artho vor-steht.«

Artho stand vor Axton und blickte haßer-füllt auf ihn herab. Sein Gesicht hatte einewächserne Tönung angenommen. Der Ver-wachsene stellte mit gewisser Genugtuungfest, daß die Hände des Arkoniden zitterten.

»Artho wird Sie begleiten«, erwiderte derGeheimdienstchef scharf. »Er untersteht Ih-rem Befehl.«

Damit unterbrach er die Verbindung.»Das werden Sie mir büßen, Lebo Ax-

ton«, sagte Sorgith Artho mit bebenderStimme.

»Setzen Sie sich, und halten Sie denMund«, entgegnete der Verwachsene gelas-sen. »Ich habe zu arbeiten. Wenn ich damitfertig bin, stehe ich Ihnen zur Verfügung.Bis dahin belästigen Sie mich nicht.«

Der Arkonide gehorchte. Er war ein unge-wöhnlich schmal gewachsener Mann, derAxton durch seine äußere Erscheinung andie Aras erinnerte. Auffallend waren diegroßen, blauen Augen, die in einem lebhaf-ten Kontrast zu dem schulterlangen, weißenHaar und dem blassen Teint standen. SeineHände waren feingliedrig. Sie wirkten den-noch zu groß, da die Finger unproportionallang waren.

Der Kosmopsychologe durchschaute ihn.Sorgith Artho brannte, vor Ehrgeiz. Er warinnerlich unsicher und versuchte dies durcheine gewisse Unverfrorenheit zu überspie-len. Zweifellos war die Initiative von ihmausgegangen. Er hatte auf eine noch unge-klärte Weise von dem bevorstehenden Ein-satz gegen die Saboteure erfahren und wolltesich ihm anschließen, um sich im Erfolgsonnen zu können. Kennon vermutete aber,daß Artho noch weit ehrgeizigere Pläne hat-te. Er glaubte, daß der Arkonide ihn aus-schalten wollte, um an seine Stelle treten zukönnen.

Axton blickte auf.»Was wissen Sie über die Katanen des

Capits?« fragte er.Sorgith Artho war vollkommen über-

rascht.»Die Katanen des Capits? Das sind Feier-

tage, die auf uralte Riten zurückgehen. Frü-

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her wurden damit die Fruchtbarkeitsgöttergeehrt. Heute haben die Katanen selbstver-ständlich ihre Bedeutung verloren, aber siewerden immer noch stark beachtet. Warumfragen Sie? Das müßten Sie doch wissen.«

»Eine andere Bedeutung haben die Kata-nen nicht?«

»Nein.«»Wir fliegen morgen nach Kafa«, erklärte

Axton, ohne Artho eine Begründung für sei-ne Fragen zu geben. Er wartete, bis der Ar-konide sich erhoben hatte und zur Tür ge-gangen war. Dann befahl er: »Bringen Siemir Informationsmaterial über Mara Bon-kal.«

Artho wollte sich auflehnen. Er überlegtees sich jedoch anders und sagte: »In einerStunde können Sie alles haben, was bei unsvorhanden ist.«

Axton fluchte leise, als er mit Kelly alleinwar.

Dieser Auftrag gefiel ihm nicht. Nur mitdem größten Unbehagen dachte er daran,daß er Sabotagefälle aufklären sollte. Dafürgab es andere Männer, die geeigneter seinmochten als er. Zugleich aber faszinierte ihndie Möglichkeit, in die Nähe von Mara Bon-kal zu kommen.

Er hoffte, abseits des Auftrags im SinneAtlans arbeiten zu können.

An den Katanen des Capits würde eineRaumschlacht stattfinden. Die Maahks wür-den eine arkonidische Flotte im Chemi-Spieth überfallen. Das war es, woran Axtonsich nach dem Gespräch mit Quertan Meran-tor erinnert hatte. Als, Sinclair Marout Ken-non hatte er sich eingehend mit der altarko-nidischen Geschichte befaßt. Daher wußteer, daß die Schlacht in diesem Jahr, in demer sich als Lebo Axton befand, an den Kata-nen des Capits stattfinden würde. Was ihnaber geradezu elektrisiert hatte, war, daß ersich an die Mitwirkung der Arkonidin MaraBonkal erinnert hatte.

Von ihrer herausragenden Rolle würdenoch Jahrtausende später die Rede sein. Ax-ton glaubte jedoch, sich daran erinnern zukönnen, daß in keiner historischen Quelle

exakt gesagt wurde, was sie eigentlich beidieser Schlacht getan hatte, bei der die ge-samte arkonidische Flotte und auch ihrRaumschiff YREMBEL vernichtet werdenwürde. Stets war nur von einer»heldenhaften Haltung« und von einer»strategisch genialen Leistung, die mit einwenig mehr Glück den Untergang der Arko-niden hätte abwenden können«, die Rede.

Axton erhob sich.»Komm her, Kelly«, befahl er. »Wir flie-

gen nach Hause.«Er kletterte auf den Rücken des Roboters

und ließ sich zum Gleiter bringen. Erst als erin seiner Wohnung war, sprach er wieder.Hier befand sich kein Abhörgerät. Das wuß-te er genau. Die Scheiben der Wohnung wa-ren schwingungsfrei gelagert. Es hätte einemweit entfernten Lauscher also nichts gehol-fen, einen Spionstrahl gegen die Fenster-scheiben zu richten. Diese konnten durchakustische Signale, wie sie bei einem Ge-spräch entstanden, nicht in Schwingungengebracht werden. Auch das elektrische Sy-stem, mit dem die verschiedenen Apparatu-ren versorgt wurden, hatte Axton entspre-chend abgesichert. Mit den bestehendentechnischen Möglichkeiten der Arkonidenkonnte er nicht abgehört werden. Das warder Grund dafür gewesen, daß er sich fürdiese Wohnung entschieden hatte. In nächte-langer Arbeit hatte er sie sorgfältig präpa-riert.

»Hör genau zu, Kelly«, forderte er. »Wirhaben bereits über das Soshol-Trak-heer-Problem gesprochen, es aber noch nichtabgeschlossen. Du weißt also, daß ich übergewisse Dinge, die in der Zukunft gesche-hen werden, gut informiert bin. Ich will direrklären, was an den Katanen der Capitspassiert.«

Er schilderte die Schlacht mit den Me-thans und die Rolle, die Mara Bonkal dabeispielen würde.

»Verstanden?« fragte er abschließend.»Logisch«, antwortete der Roboter.»Gut. Da ich also weiß, was passieren

wird, habe ich den Plan entworfen, Mara

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Bonkals Rolle bei der Schlacht umzukehren.Ich will, daß sie nicht als Heldin daraus her-vorgeht, sondern als Versagerin. Was würdedas bedeuten?«

»Das würde den Bonkal-Clan entmachten.Orbanaschol würde diese einflußreichen Fa-milie fallenlassen. Er könnte gar nicht an-ders, obwohl er sich damit selbst schwächenwürde.«

»Das würde die Zukunft verändern.«»Die Zukunft kann logischerweise gar

nicht verändert werden, da sie keine festeGröße ist. Alle Entwicklungen sind mög-lich.«

»Für mich steht die Zukunft fest. Ich ken-ne sie als Vergangenheit.«

»Dann sehe ich mich gezwungen, festzu-stellen, daß du entweder einen Dachschadenhast, Herzchen, oder daß du aus der Zukunftkommst.«

»Ein bißchen mehr Respekt, wenn ich bit-ten darf.«

»Ich erlaube es dir.«Axton ließ sich durch diese Bemerkung

des Roboters ausnahmsweise nicht provozie-ren.

»Wenn du annimmst, daß ich aus der Zu-kunft komme«, fuhr er fort, »dann kannst dumir auch die Soshol-Trakheer – Entschei-dung erklären.«

»Selbstverständlich, Liebling«, erwiderteKelly. »Das ist einfach. Wenn du mir dieWahrheit gesagt hast, und davon darf ich beideinem edlen Charakter wohl ausgehen,dann …«

»Rede nicht so dummes Zeug.«»… gibt es nur eine Antwort: Alles kann

sich nur so entwickeln, wie du es aus deinerhistorischen Sicht kennst, weil du bereits indie Geschehnisse eingegriffen hast, wenn duin einer fernen Zukunft einmal Sinclair Ma-rout Kennon sein wirst.«

»Das ist genau der Schluß, den ich auchbereits gezogen habe.«

»Es ist erfreulich, daß du mit deiner dochwesentlich geringeren Intelligenz zu demgleichen Ergebnis gekommen bist wie ich.«

»Du bist geschwätzig.«

»Es ist der Überschwung meiner Freude.«Axton stöhnte gequält. Er ging um den

Roboter herum und schaltete ihn mit einerraschen Bewegung aus.

»Das finde ich aber gar nicht nett«, sagteKelly mit langsam ersterbender Stimme. Ax-ton hatte jedoch kein Erbarmen mit ihm. Erwollte sich konzentrieren, denn er mußte ge-nau wissen, wie er sich zu verhalten hatte,wenn er mit Mara Bonkal zusammentraf.Spielte es eine Rolle für die historische Ent-wicklung, ob Mara Bonkal als Heldin oderals Versager aus der Schlacht hervorging?

Axton legte sich aufs Bett und schloß dieAugen, weil er sich so besser konzentrierenkonnte.

Er war jetzt überzeugt davon, daß er beiweitem nicht so vorsichtig wie bisher zusein brauchte. Er konnte die Zukunft garnicht manipulieren und auch kein Zeitpara-doxon schaffen, so seltsam das auf den er-sten Blick erschien. Er befand sich in einemKreis der Zeit, aus dem er wahrscheinlichgar nicht ausbrechen konnte.

Unwillkürlich fragte er sich, wie er dienächsten zehntausend Jahre überstehen wür-de. Würde er neben Atlan leben? Nein, daswar nicht möglich, denn dann mußte der Ar-konide ihn wiedererkennen, wenn sie sichauf der Erde treffen würden. Vielleicht wür-de er durch ein noch unbekanntes Ereigniserneut durch die Zeiten geschleudert wer-den? Irgendeine Brücke mußte es jedoch ge-ben. Jetzt hatte er erst Anschluß an die altar-konidischen Ereignisse gefunden. Einezweite Verbindung mußte sich zu jenen derZeit des Solaren Imperiums ergeben.

Kennon hielt es nicht länger in der Woh-nung aus. Er aktivierte Kelly, stieg auf denRücken des Roboters und befahl ihm, ihn insArchiv des Geheimdiensts zu bringen. Hierverbrachte er den Rest der Nacht mit demintensiven Studium verschiedener Akten, indenen eine überraschende Datenfülle überdie wichtigsten Mitglieder des Bonkal-Clanszusammengefaßt waren. Mara Bonkal warzweifellos die führende Persönlichkeit dieserFamilie.

Der Kreis der Zeit 11

Als Axton am frühen Morgen am Raum-hafen erschien, empfing ihn Sorgith Arthomit eisiger Miene.

»Ich wollte Ihnen die Akten in Ihr Bürobringen«, erklärte er. »Sie waren nicht daund waren auch in Ihrer Wohnung nicht zuerreichen. Ich habe die Akten ins Archiv zu-rückgebracht.«

»Kluger Junge«, murmelte der Terraner.»Wenn ich Sie nicht hätte …«

Er ließ sich von Robot Kelly ins Schifftragen. Es war ein kleiner Transportraumer,der Spezialgüter für Kafa geladen hatte undüber nur wenige Passagierkabinen verfügte.Axton zog sich zurück, ohne sich um denArkoniden zu kümmern, und legte sich insBett. Er schlief noch vor dem Start ein.

Erst zwanzig Stunden später wachte erwieder auf. Mürrisch begab er sich in dieHygienekabine. Die Beine taten ihm weh,und er fühlte einen dumpfen Druck im Kopf.Dieser wich auch nicht, als der Terraner ge-duscht hatte. Im Gegenteil. Er wurde intensi-ver, so daß bald heftige Schmerzen einsetz-ten. Axton versuchte, sie mit Medikamentenzu lindern, aber sie blieben nahezu ohneWirkung.

Axton ließ sich von Kelly ein leichtes Es-sen servieren. Er schaltete den Interkom ein,als ein Signal anzeigte, daß sie sich demZielplaneten näherten.

Kafa war eine Sauerstoffwelt, deren nörd-liche Halbkugel von zahllosen Inseln be-deckt wurde. Die südliche Halbkugel be-stand aus einem einzigen, riesigen Konti-nent, der öd und leer zu sein schien. Axtonentdeckte nur wenige Seen, die aber offen-sichtlich zu wenig Feuchtigkeit brachten, sodaß sich keine ausgedehnte Vegetation aus-bilden konnte. Die Inseln der nördlichen Re-gionen aber waren grün und von landschaft-lich außerordentlichem Reiz.

»Was macht Artho?« fragte er.»Er hat sich viermal hier gemeldet«, ant-

wortete Gentleman Kelly. »Ich habe ihn ab-gewiesen. Er ist wütend.«

Der Terraner gähnte. Er lehnte sich in denPolstern zurück und rief sich die wichtigsten

Daten der Akte Bonkal ins Gedächtnis zu-rück. Er mußte vorsichtig sein. Mara Bonkalwollte richtig behandelt werden.

Als der Frachter gelandet war, erschienSorgith Artho erneut vor der Kabine. Axtonwandte sich nicht um, als er energisch aufKelly einredete.

»Ich muß Lebo Axton unbedingt spre-chen«, rief der Arkonide.

Seufzend erhob sich der Kosmokrimina-list.

»Was gibt es denn?« fragte er.»Ich muß die Taktik mit Ihnen durchspre-

chen, nach der wir vorgehen werden«, er-klärte Sorgith Artho.

Gelassen kletterte der Verwachsene aufden Rücken seines Roboters. Kelly mar-schierte an dem Arkoniden vorbei. Ärgerlichlief Artho hinter ihm her.

»Je schneller Sie begreifen, Artho, daßauf Kafa alles nach meinen Vorstellungenabgewickelt wird, desto besser wird unsereZusammenarbeit sein«, sagte Axton ruhig.»Spielen Sie nicht länger Theater, sondernbenehmen Sie sich vernünftig. Dann ist allesin Ordnung. Kommen Sie mir vor allemnicht in die Quere, sonst treten Sie mit demnächsten Schiff die Rückreise an.«

Axton tippte Kelly auf den Kopf. Der Ro-boter blieb vor der Hauptschleuse desRaumschiffs stehen.

»Haben wir uns verstanden?«Sorgith Artho schäumte vor Wut. Der

Verwachsene konnte ihm ansehen, daß erihm am liebsten an die Gurgel gesprungenwäre, aber er fügte sich. Er schritt in einemAbstand von drei Metern hinter Axton her,als dieser auf dem Rücken Kellys das Raum-schiff verließ. Direkt am Landeplatz warteteein luxuriöser Kombigleiter auf sie. Das be-scheidene Gepäck Axtons fand auf den Sit-zen ausreichend Platz. Sorgith Artho dage-gen mußte die Ladefläche für seine Sachenin Anspruch nehmen.

Am Steuer der Maschine saß ein weiß-blondes Mädchen, das Axton neugierig mu-sterte. Sie trug eine zartrosa Uniform, diemit silbernen Knöpfen verziert war.

12 H. G. Francis

»Ich soll Sie abholen«, sagte sie und deu-tete mit dem Daumen über die Schulter.»Beeilen Sie sich.«

Wenig später glitt die Maschine über eini-ge flache Gebäude hinweg, von denen ausder Raumhafen verwaltet wurde. Sie lagenam Rande der Betonplastikpiste in einemwaldreichen Gebiet. Nach einigen Minutenerreichte der Gleiter eine ausgedehnte Stadt,die an der Küste der Insel errichtet wordenwar. Ungefähr fünfzig Kilometer davon ent-fernt befand sich der schloßartige Wohnsitzvon Mara Bonkal. Der Gleiter raste in einerHöhe von etwa fünfhundert Metern daraufzu, als bei Lebo Axton plötzlich wieder star-ke Kopfschmerzen einsetzten. Sie kamen soüberraschend, daß er spontan die Hände anden Kopf legte und aufstöhnte.

»Was fehlt Ihnen?« fragte Artho.»Es ist nichts weiter«, antwortete der Ver-

wachsene mühsam. Die Schmerzen ebbtenwieder ab.

Als Axton die Hand nach Robot Kellyausstreckte, um sich eine Tablette geben zulassen, erschütterte eine dumpfe Explosiondie Maschine, die sich mit dem Bug steilaufrichtete. Die Arkonidin am Steuer schrieauf.

In dieser Sekunde gab es eine zweite Ex-plosion. Sie zerriß den Gleiter. Axton undSorgith Artho, die auf den hinteren Plätzensaßen, wurden durch die vorderen Sitze vorSplittern und Explosionsdruck geschützt.Gentleman Kelly überstand die Explosionunbeschadet. Das schöne Mädchen aberwurde auf der Stelle getötet.

Die Flugkabine zerbrach in drei Teile.Axton, Artho und Kelly stürzten heraus. DerArkonide schrie gellend auf, als er in die bo-denlose Tiefe fiel.

Der Terraner warf sich mit einem kräfti-gen Ruck herum. Noch befand sich der Ro-boter über ihm.

»Komm her, Kelly«, brüllte er. »Beeiledich gefälligst.«

Der Roboter beschleunigte und holterasch auf. Geschickt schob er sich unter denVerwachsenen, so daß dieser seine Füße in

die unteren Haltebügel schieben konnte.Sorgith Artho befand sich etwa fünfzehn

Meter unter ihnen. Er schlug wie von Sinnenum sich, als könne er dadurch Halt finden.Sein Gesicht war gerötet und sein Mundweit geöffnet. Trümmerstücke des Gleiterswirbelten um Axton, Kelly und den Arkoni-den herum.

Als sie sich noch etwa einhundert Meterüber dem Boden befanden, gab der Terranerdem Roboter den Befehl, Artho aufzufan-gen. Kelly beschleunigte abermals, raste aufden Arkoniden zu und packte ihn am Kra-gen. Dann flog er seitlich aus dem Trüm-merregen heraus, verzögerte behutsam undlandete am Ufer eines kleinen Sees neben ei-ner hölzernen Hütte.

Sorgith Artho brach zusammen. Er zitterteam ganzen Leib.

Kennon beachtete ihn nicht. Er blicktenach oben. Die brennenden Trümmer deszerstörten Antigravgleiters klatschten zi-schend auf die Wasseroberfläche und ver-sanken.

Auf dem Dach der Hütte hockte ein selt-sames Wesen. Sein Hauptkörper war etwaso groß wie ein Fußball und tiefblau. Erwurde von zwei fingerdünnen Beinen getra-gen, die etwa anderthalb Meter lang waren.An der oberen Rundung des kugelförmigenRumpfes ragten drei flammenrote Federnhervor.

»Landest du immer so?« fragte das mit ei-nem dichten Pelz besetzte Geschöpf zwit-schernd. Axton konnte nicht erkennen, woMund und Augen seines Gegenübers waren.»Landest du immer so?«

»Nein, natürlich nicht«, antwortete er. Ar-tho erhob sich. »Wir haben nur ein bißchenSpaß gemacht.«

»Landest du immer so?« fuhr der blaueBall fröhlich fort.

»Ich sagte doch, daß ich …«, begann Ax-ton.

»Es hat keinen Sinn, mit dem Gröckl zureden«, sagte jemand mit abgrundtiefer Baß-stimme hinter ihm. »Er kann nicht mehrWorte sagen als diese.«

Der Kreis der Zeit 13

Robot Kelly drehte sich mit Axton um.Aus den Büschen kam ein Wesen hervor,das den Terraner an Gestalten aus phantasti-schen Geschichten der Erde erinnerte. Esglich einem Werwolf. Vom Kopf bis zu denHüften war es einem Wolf ähnlich. Der voneiner kurzen Hose bedeckte Unterkörperschien aber einem Menschen zu gehören.

Kennon hatte niemals von Geschöpfendieser Art gehört. Er konnte eine gewisseAbscheu nicht unterdrücken. Ihm erschienendie Augen des Fremden tückisch, und vonden Reißzähnen, die von den Lefzen entblö-ßt waren, ging eine nicht zu übersehendeDrohung aus.

»Es ist ein Tier. Nichts weiter«, ergänztedas seltsame Wesen.

»Daß unser Gleiter durch Sabotage zer-stört und die Pilotin dabei getötet worden ist,scheint Sie nicht zu interessieren«, sagteSorgith Artho mit schriller Stimme. Er standunter Schockeinwirkung.

»Mara Bonkal wird sich darum kümmern.Wir bedauern den Vorfall. Wer sind Sie?«

Axton stellte sich vor.»Mein Name ist Lano«, sagte das Wesen

mit dem Wolfskopf. »Ich stehe im DienstMara Bonkals. Folgen Sie mir, bitte.«

Er wandte sich um und ging davon, ohnesich darum zu kümmern, ob Axton und derArkonide ihm folgten. Der Verwachsene gabKelly ein Zeichen. Schnell schloß der Robo-ter zu Lano auf. Sorgith Artho eilte hinterihnen her.

»Axton«, sagte er keuchend, als er dichthinter ihm war.

Der Kosmokriminalist blickte über dieSchulter zurück. Er sah, daß sich das Ge-sicht des Arkoniden vor Haß und Wutver-zerrte.

»Axton, das werde ich Ihnen so leichtnicht vergessen.«

»Was werden Sie nicht vergessen? Wo-von sprechen Sie?«

»Das wissen Sie genau. Sie haben michabsichtlich so tief abstürzen lassen, daß ichannehmen mußte, alles wäre vorbei.«

»Was wollen Sie? Ich habe Sie gerettet.

Ohne meinen Roboter wären Sie jetzt tot.«»Ich weiß«, rief Artho wütend. Er mußte

schnell ausschreiten, um dem Roboter fol-gen zu können. »Mußten Sie mich aber erstim allerletzten Moment auffangen? HättenSie das nicht früher tun können?«

Lebo Axton grinste. Er schüttelte denKopf.

»Sie sind verrückt geworden, Artho«, er-klärte er. »Anstatt mir auf Knien dafür zudanken, daß Sie noch leben, beschimpfenSie mich.«

Der Arkonide blieb schweratmend stehen.»Sie haben überlegt, ob Sie mich auffan-

gen sollten oder nicht. Sie waren versucht,mich auf diese bequeme Weise abzuschüt-teln, Axton. Sie haben mich nicht gerettet,weil Sie sich dazu verpflichtet fühlten, wiees bei jedem anständigen Menschen der Fallgewesen wäre. O nein, Sie haben es nur ge-tan, weil Sie sonst Unannehmlichkeiten ge-habt hätten.«

»Sie machen mir Spaß, Artho. Jetzt be-daure ich fast …«

Axton wandte sich ab. Kelly marschierteweiter. Sorgith Artho blieb weiter zurück alszuvor. Lano wartete, bis Axton bei ihm war.Aus den Büschen flatterte ein grüner Vogelherbei und umkreiste den Kopf des Terra-ners, wobei er fröhlich zwitscherte. Unwill-kürlich streckte Axton die Hand nach ihmaus.

»Das würde ich nicht tun«, sagte das We-sen mit dem Wolfskopf warnend.

»Sie meinen, das könnte ihn verscheu-chen?« fragte Axton.

»Durchaus nicht«, erwiderte Lano. »Erkönnte Ihre Haut mit dem Schnabel aufrit-zen, und das wäre tödlich für Sie.«

Axton zog seine Hand eilig zurück.Vor dem schloßartigen Gebäude befand

sich eine weite Terrasse, die mit üppig blü-henden Büschen umstellt war. Exotisch aus-sehende Tiere spielten dort. Keines davonhatte Lebo Axton je gesehen. Aber er hattekaum Augen für sie. Er sah die Frau an, diezwischen den Büschen stand und freundlichlächelnd auf ihn wartete.

14 H. G. Francis

Es war Mara Bonkal.

*

Ein kleiner, grüner Vogel saß auf ihrerSchulter. Er war von der gleichen Art wiejener, vor dem Lano Axton gewarnt hatte.Mara Bonkal fürchtete sich jedoch nicht vordem Tier, das spielerisch in dem seidigenStoff ihres Kleides herumpickte.

»Sie sind Lebo Axton, der ungemein er-folgreiche Kriminalist. Quertan Merantorhat Sie mir empfohlen«, sagte die Arkoni-din.

Sie war eine ungewöhnlich schöne Frau.Die ausdrucksvollen Augen schlugen Axtonförmlich in ihren Bann.

Er hatte gewußt, daß Mara Bonkal schönwar, da er zahlreiche Bilder von ihr gesehenhatte. Dennoch überraschte ihn ihr Ausse-hen. Die Bilder waren weit von der Wirk-lichkeit entfernt gewesen. Sie hatten die tat-sächliche Schönheit dieser Frau noch nichteinmal ahnen lassen. Jetzt wußte Axton, wasQuertan Merantor mit seiner Frage gemeinthatte.

Die alten Komplexe, die Kennon von je-her Frauen gegenüber geplagt hatten, bra-chen wieder durch. Er fühlte, wie ihm heißwurde. Das Herz schlug ihm wild in derBrust, und er wurde sich seiner Häßlichkeitbewußt. Für einen kurzen Moment wünschteer sich in den vollkommenen Robotkörperzurück, in dem er so lange existiert hatte.

Dieser Frau gegenüber fühlte er sich be-fangen.

Er wurde sich dessen bewußt, daß er imGrunde genommen gar nicht gekommenwar, um die Sabotageakte aufzuklären, son-dern um selbst Sabotage zu begehen undeinen Rufmord an dieser Frau vorzubereiten.Schon jetzt wurde er schwankend in seinemEntschluß.

Äußerlich gelassen schritt Sorgith Arthoan ihm vorbei, trat auf Mara Bonkal zu undbegrüßte sie formvollendet. Mit selbstsiche-rem Lächeln machte er ihr einige Kompli-mente. Axton beobachtete Mara dabei. Sie

wandte sich dem Arkoniden zu, der siedurch seine Worte sofort für sich einzuneh-men schien. Kennon fühlte eine widersinni-ge Eifersucht in sich aufsteigen. Für einenkurzen Moment wollte ihn die Erregungübermannen, und fast hätte er sich zu eini-gen unbedachten Äußerungen hinreißen las-sen.

Dann aber zwang er sich zu einem leich-ten Lachen.

»Ich sehe, Sie verstehen sich ausgezeich-net«, sagte er. »Das ist Sorgith Artho, einnicht weniger erfolgreicher Mitarbeiter Me-rantors als ich.«

Der grüne Vogel flatterte davon. Einefaustgroße, weiße Spinne kroch auf MaraBonkal zu. Sie hatte ein Stielauge, das etwaeinen Meter über dem Spinnenkörper aufdem tentakelartigen Auswuchs schwankte.Die Arkonidin stampfte mit dem Fuß auf,und die Spinne zog sich eilig zurück.

Mara Bonkal blickte Axton an. Ihre Au-gen verdunkelten sich.

»Ich habe erfahren, daß der Gleiter abge-stürzt ist«, sagte sie.

»Eine Explosion«, erwiderte Artho eilig.»Es muß Sabotage gewesen sein.«

»Ich bin froh, daß Sie dabei nicht umge-kommen sind«, erklärte die Arkonidin. Ax-ton merkte ihr an, daß sie es ehrlich meinte.»Bitte, gehen wir doch ins Haus. Ich möchteIhnen erzählen, was hier alles vorgefallenist.«

Mara Bonkal führte die beiden Männer ineinen luxuriös eingerichteten Raum. DerReichtum der Arkonidin war unübersehbar.Ebenso deutlich aber trat auch die extremeVorliebe für exotische Lebensformen her-vor. In dem Salon, der etwa einhundertfünf-zig Quadratmeter groß war, entdeckte Axtonauf Anhieb zwölf Geschöpfe, wie er sie nie-mals zuvor gesehen hatte. Einige waren nurfaustgroß und lagen unter Sesseln oderSchränken, andere beanspruchten erheblichmehr Platz. Lano hatte sich in einem Winkelin einen Sessel gesetzt und betrachtete einenFilm im Video.

»Ist das hier der rechte Platz?« fragte Ax-

Der Kreis der Zeit 15

ton und stieg von seinem Roboter herunter.»Vielleicht sollten wir nicht so viele Zeugenhaben.«

»Nur Lano ist intelligent«, antwortete Ma-ra Bonkal leichthin. »Er genießt mein vollesVertrauen.«

Sie griff unter den Sessel, in dem sie saß,und holte ein buntgefiedertes Wesen darun-ter hervor. Es rollte sich zu Axtons Überra-schung auseinander und glich nun einerSchlange.

»Was ist passiert?« fragte Axton.Ein humanoides Wesen näherte sich in

unterwürfiger Haltung und setzte Gebäckund Getränke auf dem Tisch ab. Danachstellte es Gläser und Teller vor Axton undArtho. Es war untersetzt und hatte einen vo-gelartigen Kopf mit weit vorspringendemSchnabel. Seine dunkle Haut schimmertebläulich. Auch so ein Wesen war Kennonniemals begegnet. Er wurde sich dessen be-wußt, wie groß die Zahl der verschiedenenLebensformen in der Galaxis war, und wieviele von ihnen im Laufe der nächsten zehn-tausend Jahre aus ihr verschwinden würden.

»Die größten Schwierigkeiten ergabensich in der Positronik und in der Raum-schiffstechnik«, begann die Arkonidin. »Ichhabe den Eindruck, daß hier irgendwoAgenten der Methans tätig sind, denen esdarauf ankommt, diesen Planeten als militä-rischen Stützpunkt weitgehend auszuschal-ten. Sie wissen, daß hier eine Flotte von ins-gesamt sieben Raumschiffen stationiert ist,darunter das größte und stärkste Schiff, dieYREMBEL. An Bord dieser Einheiten tratenzunächst erhebliche Störungen auf. Siekonnten durch extrem scharfe Bewachungjedoch bereinigt werden.

Dennoch haben die Sabotageakte nichtnachgelassen. Sie konzentrieren sich jetztauf die militärischen Anlagen außerhalb derRaumer, auf das Kommunikationssystemund meinen Mitarbeiterstab. Erst vor einigenTagen wurde einer meiner besten Waffen-spezialisten, der Vulkanträger Leiquon Ar-katenbel, überfallen und getötet. Dabei ge-lang es ihm zwar, den Angreifer zu erledi-

gen, aber für ihn war es schon zu spät. EineUntersuchung ergab, daß der Attentäter mitDrogen beeinflußt worden war und nicht ausfreier Entscheidung handelte.«

»Leider muß ich Ihnen sagen, daß sichSaboteure unter den vielen exotischen We-sen, die hier frei herumlaufen, leicht verber-gen können«, erwiderte Sorgith Arthostreng. »Die beste Lösung wäre, daß Sie sichvon allen trennen und nur noch arkonidi-sches Personal in Ihrer Nähe dulden.«

Mara Bonkal legte den Kopf in denNacken und blickte den Arkoniden trotzigan.

»Sie glauben doch nicht wirklich, daß ichmeine Lieblinge davonjage, nur weil unterihnen eventuell einer sein könnte, der meinVertrauen nicht verdient?« fragte sie heraus-fordernd.

Artho merkte, daß er ungeschickt gewe-sen war. Er lenkte jedoch nicht ein, sondernfuhr hitzig auf.

»Sie vergessen, daß wir uns im Krieg be-finden. Unter solchen Umständen könnenwir uns Nachlässigkeiten nicht erlauben. DieTiere bilden einen besonderen Risikofaktor.Sie müssen weg. Es sei denn, daß Sie unsabsolut eindeutig beweisen können, daß allewirklich Tiere und keine Intelligenzwesensind.«

Mara Bonkal veränderte sich schlagartig.Aus der plaudernden Schloßherrin wurde diemilitärische Oberkommandierende. Ihr Ge-sicht wurde hart. Unter der weichen Schalekam die kampfgewohnte Persönlichkeit her-vor.

Sie wandte sich Axton zu und tat, als seiSorgith Artho nicht mehr vorhanden.

»Haben Sie ähnlich intelligente Vorschlä-ge zu machen?« fragte sie schneidendscharf.

»Keineswegs«, antwortete Axton gelas-sen. Dieser Persönlichkeit, die sich jetztzeigte, fühlte er sich gewachsen. Er sah inihr nicht mehr das verführerische Weib, son-dern den klar denkenden und handelndenOffizier bester arkonidischer Schulung.

»Soweit ich weiß, ist bisher durch nichts

16 H. G. Francis

bewiesen, daß die Saboteure überhaupt imKreise dieser exotischen Wesen zu suchensind, die Sie so lieben«, fuhr er fort. »Wirwerden erst einmal die einzelnen Fälle un-tersuchen. Danach werden wir weitersehen.«

»Es liegt auf der Hand, daß die Saboteuresich dort verstecken, wo sie am schwerstenaufzuspüren sind«, wandte Artho hartnäckigein.

»Natürlich«, entgegnete Axton. »Dabeimüssen Sie aber berücksichtigen, daß es fürdie Methanatmer nahezu unmöglich ist,Agenten gezielt auf diesem Wege einzuset-zen! Mara Bonkal hat die Tiere und Halbin-telligenzen aus galaktischen Bereichen mit-gebracht, die weitab von den Anflugzonender Methans liegen.«

Mara Bonkal nickte ihm anerkennend zu.»Der Ansicht bin ich auch, Lebo Axton«,

erwiderte sie. »Wie hätten die Methans her-ausfinden sollen, wohin meine letzten Rei-sen geführt haben? Wie hätten sie schonvorher dort einen vorbereiteten Agenten ab-setzen können?«

»Wahrscheinlicher ist, daß die Methanshier auf Kafa einige von den Halbintelligen-zen eingefangen und mit ihren speziellenMitteln beeinflußt haben«, erklärte SorgithArtho.

Axton-Kennon griff sich an den Kopf.Er spürte wieder ein unangenehmes Po-

chen. Vom Nacken her schien sich alles zuverkrampfen, und dann schienen sich tau-send Nadeln in seinen Kopf zu bohren.

Er rutschte aus seinem Sessel und blicktesich suchend um.

»Was haben Sie?« fragte Mara Bonkal.»Ist Ihnen nicht gut?« forschte Artho.

»Sie hätten nicht soviel trinken sollen.«»Kelly«, rief Axton stöhnend. »Paß auf.«In diesem Moment klirrten die Scheiben.

Ein ovaler Gegenstand flog herein und rollteder schönen Arkonidin direkt vor die Füße.Gleichzeitig aber geriet der Roboter in Be-wegung. Er schnellte sich über die Sesselund den Tisch hinweg, packte das Wurfge-schoß, richtete sich auf und schleuderte eswieder zum Fenster hinaus. Dabei bewegte

er seinen Arm so schnell, daß die Bewegungfür die Arkoniden und den Terraner schonnicht mehr wahrnehmbar war.

Axton ließ sich fallen. Auch Mara Bonkalreagierte unerhört schnell. Sorgith Artho zö-gerte etwas, bevor er sich duckte. Die Bom-be explodierte auf der Terrasse. Axton saheine grellweiße Stichflamme aufsteigen, under hörte, daß die Splitter der Scheibe ausdem Rahmen sprangen. Einer von ihnenbohrte sich Artho in die Wange. Der Arkoni-de schrie schmerzgepeinigt auf.

Robot Kelly hatte sich nur nach vorn ge-neigt. In dieser Haltung fing er die Druck-welle ab, so daß er unmittelbar nach der Ex-plosion loslaufen konnte. Er sprang durchdas zerstörte Fenster auf die Terrasse hinausund stieg danach steil in die Luft. Mit Hilfeseines Antigravtriebwerks erreichte er rascheine Höhe von fast zweihundert Metern.Von hier aus spähte er in die Runde. Er hätteeinen fliehenden Attentäter unbedingt sehenmüssen. Er entdeckte aber nur einen Spiegel,der auf einer kleinen Anhöhe stand. Und erwurde auch nur durch die Explosion auf ihnaufmerksam, durch die er zerfetzt wurde.

Lebo Axton eilte mit schleifenden Füßenauf die Terrasse hinaus. Dort, wo die Bombeexplodiert war, befand sich nun ein etwaeinen Meter tiefer Krater. Mehrere der exoti-schen Tiere Mara Bonkals lagen tot auf denSteinen.

Er fuhr sich mehrmals mit der flachenHand über die Augen, da er nicht klar sehenkonnte. Ihm war, als blicke er durch ein gro-bes, flirrendes Sieb hindurch.

Gentleman Kelly landete neben ihm. Ax-ton streckte die Hand nach ihm aus und stiegauf seinen Rücken. Hier klammerte er sichfest und atmete einige Male tief durch. Erfühlte sich zunehmend sicherer.

»Was hast du beobachtet?« fragte er.»Ein Spiegel, der zerstört wurde. Ein Hü-

gel. Sonst nichts.«»Was soll das?« forschte Axton ärgerlich.

»Damit kann ich nichts anfangen. Los. Ichwill's selbst sehen.«

Er kümmerte sich nicht darum, daß Mara

Der Kreis der Zeit 17

Bonkal und Sorgith Artho heraus kamen.Auf dem Rücken des Roboters schwebte erin die Höhe. Kelly flog bis zu dem Hügel,auf dem der Spiegel gestanden hatte.

»Landen«, befahl Axton.Der Spiegel bestand aus Glas. Nur noch

Splitter waren von ihm übrig. Die Explosionhatte den Boden aufgerissen, so daß auchkeine Abdrücke mehr vorhanden waren, ausdenen Axton hätte erkennen können, in wel-cher Stellung der Spiegel dort gestanden hat-te.

Nach kurzer Untersuchung drehte er sichum und blickte zum Haus Mara Bonkalshinüber.

»Wozu ist ein Spiegel da?« fragte er.»Man kann damit um die Ecke sehen«,

antwortete Kelly.»Kluger Junge«, lobte der Verwachsene.

»Irgendwo an einem Fenster hat der Attentä-ter gestanden. Mit Hilfe des Spiegels konnteer beobachten, wo wir uns im Salon aufhiel-ten. Dann hat er die Bombe, die wahrschein-lich mit einem Antigrav versehen war, aufuns gelenkt. Damit nach dem Attentat nie-mand mehr feststellen kann, von wo aus dieBombe gesteuert wurde, hat er auch denSpiegel zerstört. Fast wäre der Plan aufge-gangen.«

Er kletterte wieder auf den Rücken desRoboters und ließ sich zur Terrasse zurück-tragen. Inzwischen hatte das Personal aufge-räumt und vor allem die Tierleichen ent-fernt. Zwei Arkoniden waren dabei, denBombentrichter zu schließen.

Axton wollte Sorgith Artho nicht mehrverärgern als unbedingt notwendig. Deshalbberichtete er ihm und der Arkonidin, was erherausgefunden hatte.

»Stellen Sie fest, wer sich im Haus aufge-halten hat«, bat er Mara Bonkal. »Wichtigsind vor allem die oberen Räume. Von dortaus muß der Angriff gesteuert worden sein.«

Weder die Arkonidin noch Artho ließenerkennen, wie weit sie das Attentat er-schreckt hatte. Beide beherrschten sich mu-stergültig, oder sie waren wirklich nicht be-eindruckt. Axton konnte es nicht eindeutig

unterscheiden.»Mein Roboter hat darüber hinaus Impul-

se geortet, die aus der Richtung der Raum-schiffe gekommen sind«, eröffnete Axtonder Arkonidin. »Es gibt wohl keinen Zwei-fel, daß sie mit dem Vorfall in Verbindungzu bringen sind.«

Axton spielte hoch. Er sah, daß sich dieAugen der Frau weiteten und zugleichfeucht wurden. Dieses Zeichen der Erregungwar nicht zu übersehen.

»Ich vertraue meinen Besatzungen«, sagtesie. »Was Sie da sagen, kann einfach nichtsein.«

Sorgith Artho beobachtete ihn.»Sie dürfen niemandem vertrauen«, erwi-

derte Lebo Axton.»Es ist doch widersinnig, daß jemand von

Bord eines Schiffes aus an dem Anschlagbeteiligt gewesen sein soll«, bemerkte Arthoheftig. »Bedenken Sie, wenn dort ein Sabo-teur wäre, würde er sich ja selbst schaden,wenn es zu einem Zwischenfall im Raumkommt.«

Axton tat, als habe er den Einwand nichtgehört.

»Ich würde es begrüßen, wenn Sie mirmein Zimmer zeigten«, sagte er zu der Ar-konidin. Er spürte ihren inneren Widerstand.Sie wollte nicht glauben, daß unter denMännern und Frauen, die ihrem Befehl un-terstanden, Verräter waren. Ihr erging es wieden meisten Arkoniden. Man konnte sichnicht vorstellen, daß jemand aus dem eige-nen Volk für so fremdartige Wesen wie dieMethanatmer tätig war.

Mara Bonkal wandte sich um und ging insHaus. Axton folgte ihr, während Sorgith Ar-tho auf der Terrasse blieb und sich dort um-sah. Der Terraner war sich dessen sicher,daß der Arkonide die Umgebung des Hausessorgfältig absuchen würde. Dabei konnteArtho jedoch auch nicht mehr feststellen alser. Es war ungefährlich, ihn gewähren zulassen.

Die Arkonidin hatte Axton vier großeRäume zur Verfügung gestellt. Sie lagen imersten Stockwerk, und von allen aus bot sich

18 H. G. Francis

ein guter Ausblick auf den See. Axton legtesich in ein auf Antigravfeldern schwebendesNetz und überließ es Kelly, die Räume nachAbhörgeräten zu untersuchen. Er überdachtedie nächsten Schritte, die unternommen wer-den mußten.

Für ihn stand fest, daß der ursprünglichePlan beibehalten werden mußte.

Wenn es gelang, Mara Bonkal in der be-vorstehenden Schlacht an den Katanen desCapits in die Rolle einer Versagerin zu ma-növrieren, dann wurde sie politisch und mi-litärisch entmachtet. Das bedeutete, daß siegleichzeitig auch für die Saboteure uninter-essant wurde.

Axton blickte auf sein Chronometer.Nach seinen Informationen hatte er noch

acht Tage Zeit bis zu den Katanen des Ca-pits. Während auf den Planeten des arkoni-dischen Imperiums die Feiern begannen,würde es zur Raumschlacht kommen. Frag-los würde auch die Aufmerksamkeit der Ar-konidin in den letzten Tagen und Stundenvor Beginn der Katanen nachlassen.

Kelly kehrte zu ihm zurück.»Die Räume sind sauber«, erklärte er.

»Ich habe nichts festgestellt.«Axton erhob sich und kletterte auf den

Rücken der Maschine.»Bring mich zu der schönen Frau, Kelly«,

befahl er.»Verliebt, Herzchen?« fragte der Roboter.Kennon-Axton verschlug es die Sprache.»Was hast du da gefragt?«»Ich habe mich zartfühlend danach erkun-

digt, ob dein Herz höher als sonst schlägt.«Axton stöhnte. Er versetzte dem Roboter

einen Tritt in den Rücken.»Ich werde dich verschrotten lassen, wenn

du noch einmal derart dämliche Fragenstellst«, drohte er.

»Mein Logiksektor hat diese Frage als ab-solut vernünftig beurteilt«, antwortete Gent-leman Kelly. »Mara Bonkal ist schön, char-mant und anziehend. Sie hat ein freundlichesWesen und ist eine ausgereifte Persönlich-keit. Sie ist geistig hochstehend und weiß,was sie will. Alles in allem sind das Fakto-

ren, die nur für sie sprechen. Die in mir fest-gehaltenen Daten lassen keinen Zweifel dar-an, daß ein Mann, der sich in eine solcheFrau nicht verliebt …«

»Still, du Satan«, schrie Axton krei-schend. Er hieb dem Roboter mit beidenFäusten auf den Kopf, obwohl er wußte, daßKelly keinerlei Schmerzen empfinden konn-te. »Ich verbiete dir, noch ein einziges Wortzusagen.«

»Du leidest, Liebster«, erklärte Kelly mitgedämpfter Stimme, in der so etwas wieMitleid mitzuschwingen schien. »Das wollteich nicht.«

Axton drückte den Projektor seines Ener-giestrahlers an den Kopf des Roboters.

»Wenn du noch einen einzigen Laut vondir gibst, vernichte ich dich«, sagte er wievon Sinnen. Er wußte, daß der frühere Besit-zer des Roboters für die Reaktionen Kellysverantwortlich war. Die Maschine handelteso, wie es ihr die Programmierung vor-schrieb. Ihr einen Vorwurf zu machen, wärealso absolut widersinnig gewesen. Dennochkonnte Kennon die Worte nicht ertragen. Erwar sich der Unzulänglichkeiten seines Kör-pers bewußt, und er litt darunter. Zwischenihm und den Frauen würde immer eine un-sichtbare Schranke bestehen bleiben. Erwürde sie nie durchbrechen können.

Allmählich beruhigte er sich. Der Sturmder in ihm tobenden Gefühle flaute ab.

»Geh jetzt«, befahl er schließlich er-schöpft.

Kelly verließ den Salon und trug ihn aufeinen breiten Gang hinaus, dessen Seiten mitkostbaren Fellen behängt waren. Auf schma-len Metallstreifen stand jeweils eine Erläute-rung und eine Kurzbeschreibung des Plane-ten, von dem die Felle stammten. Mara Bon-kal hatte weite Teile der Galaxis kennenge-lernt. Axton verzichtete darauf, sich im An-tigravschacht nach unten tragen zu lassen.Er lenkte Kelly die breite Treppe hinunter.

Am Ende der Treppe standen Mara Bon-kal und Sorgith Artho. Axton fühlte einenStich in der Brust, als er sah, wie die beidenmiteinander sprachen. Die Arkonidin blickte

Der Kreis der Zeit 19

Artho mit leuchtenden Augen an, währender leise auf sie einsprach.

Als seien sie bei einem verbotenen Spielertappt worden, fuhren sie herum, als sie dieSchritte des Roboters hörten.

»Ich wäre Ihnen dankbar, Mara«, sagteAxton und bemühte sich dabei um einenmöglichst gleichmütigen Tonfall, »wenn Siemir jetzt Ihre Raumschiffe zeigen würden.Haben Sie bereits erfaßt, welche Personensich während des Attentats oben aufgehaltenhaben?«

Sorgith Artho lächelte abfällig.»Das ist nicht mehr notwendig, Axton«,

antwortete er für die Arkonidin.»So, tatsächlich?«»Allerdings«, erklärte Artho triumphie-

rend. »Wir haben den Attentäter nämlichschon.«

Er betonte seine Worte so eigenartig, daßAxton nicht wußte, wie er sie gemeint hatte.Dann aber schaltete er. Er lächelte.

»Sie meinen, es handelt sich um einenUnglücksfall? Ein Kind hat mit einem Dingherumgespielt, das sich plötzlich als unver-mutet gefährlich erwiesen hat?«

Mara Bonkal blickte Artho überrascht an.Dieser krauste die Stirn.

»Woher wissen Sie das?« fragte er arg-wöhnisch und verschränkte die Arme vorder Brust, als wolle er sich gegen Axton ab-schirmen.

»Ist es so?« Der Verwachsene lenkte denRoboter die letzten Stufen hinunter. »Nunantworten Sie schon.«

Mara Bonkal tat es für ihn.»Es ist so, Lebo Axton«, sagte sie ver-

wirrt. »Der Sohn meiner Schwester hat sichselbst einen Antigrav gebaut. Leider hat erdabei einige Fehler gemacht und ein Teileingebaut, das zu spontanen Reaktionenneigt. Das Gerät ist außer Kontrolle geraten.Dadurch kam es zu dem Zwischenfall. Es istalso alles in Ordnung.«

»Meinen Sie?«»Aber selbstverständlich doch«, bemerkte

Sorgith Artho nun. Er trat einen Schritt vor,so daß er die Frau halb mit seinem Körper

verdeckte, als wolle er sie schützen. »Ich ha-be mit dem Jungen gesprochen und alleskontrolliert. Er hat mit den Saboteurennichts zu tun.«

»Vielleicht haben Sie wirklich recht«, er-widerte Axton. »Ich bestehe jedoch darauf,den Jungen zu sprechen. Sofort.«

Mara Bonkal ging mit einer geschmeidi-gen Bewegung um Artho herum. Sie lächel-te, als habe sie es mit einem störrischenKind zu tun, dem man mit sanfter Gewaltbeibringen mußte, daß es seinen Willennicht durchsetzen würde.

»Es geht nicht. Der Junge schläft.«»Jetzt? Zu dieser Tageszeit?«»Er hat einen Schock erlitten und ist so

erschöpft, daß er Ruhe benötigt.«Lebo Axton stützte sich mit dem Ellenbo-

gen auf den Kopf Kellys und beugte sichvor.

»So ist das also. Nun gut, Mara, wenn Sienicht wollen, dann werde ich Sie nicht zwin-gen. Führen Sie mich durch Ihr Raumschiff.Ist es die YREMBEL?«

Sie blickte ihn überrascht an.»Woher wissen Sie das? Ich habe das

Schiff erst gestern mit diesem Namen verse-hen.«

Axton antwortete nicht. Er lächelte nur,als amüsiere ihn, daß er die Arkonidin ver-blüfft hatte. Tatsächlich hätte er sich am lie-bsten auf die Lippen gebissen. Er hatte sichverplappert.

Mara Bonkal wartete einige Sekunden.Als er dann noch nicht geantwortet hatte,sah sie ein, daß er es nun war, der ihr energi-schen Widerstand entgegensetzte. Und sieakzeptierte seine Haltung. In ihren Augenblitzte es auf. Ihr gefiel die Art, wie er siebehandelte. Offensichtlich war sie so etwasnicht gewohnt.

Sie wandte sich um und ging vor den bei-den Männern her.

*

Die YREMBEL war das modernsteSchiff, das Axton im arkonidischen Imperi-

20 H. G. Francis

um dieser Zeit gesehen hatte. Unübersehbarwar vor allem die Bewaffnung des riesigenRaumschiffs. Sie bestand aus zwanzig Ther-mostrahlern, deren auffallend große Projek-toren aus der Kugelhülle hervorragten, undzehn Desintegratorstrahlern. Axton warüberzeugt, daß darüber hinaus noch Rake-tenwaffen vorhanden waren, die die Kampf-kraft des Raumers weiter erhöhten. Zweiein-halb Meter hohe Kampfroboter mit jeweilsvier Waffenarmen bewachten die YREM-BEL. Sie standen in einem Abstand von je-weils etwa zehn Meter voneinander und bil-deten eine dichte Kette um das Schiff. Damitnicht genug. Zwischen ihnen und demRaumer patrouillierten Arkoniden, die dieNeuerwerbung Mara Bonkals zusätzlich ab-sicherten. Die Augen der Arkonidin blitztenstolz auf, als sie sich zu Axton umwandte.

»Nun, was sagen Sie?« fragte sie.»Ich bin beeindruckt«, erwiderte der Kos-

mokriminalist.»Damit können Sie alles vernichten, was

die Methans aufzubieten haben«, bemerkteArtho. Er ging an Axton und Kelly vorbeiund setzte zu weiteren, schmeichelhaftenWorten an. Mara Bonkal wandte sich jedochab.

»Kommen Sie«, sagte sie und eilte auf dieBodenschleuse zu.

»Was, zum Teufel, suchen Sie?« fragteSorgith Artho, als er neben Kelly und Axtonhinter der Arkonidin her ging.

»Den Attentäter und sein Motiv«, antwor-tete der Verwachsene, als habe Artho denJungen nie erwähnt. Der Arkonide blieb ste-hen. Er betrat die YREMBEL nicht, sondernwandte sich ab und kehrte zur Villa der Ar-konidin zurück, als sich die Schleusenschot-te hinter ihr und Axton schlossen.

Der Terraner ließ sich durch das Schiffführen. Wenn Mara Bonkal Fragen über sei-ne kriminalistische Arbeiten stellte, wich erihr aus, bis sie es aufgab.

Der Grundaufbau des Raumschiffes warbereits in der Form gegeben, wie er sichüber Tausende von Jahren hinweg bewährenund deshalb erhalten sollte. Axton war sich

dessen absolut sicher, daß er sich mühelosan Bord dieses Schiffes zurechtfinden wür-de. Er zweifelte jedoch daran, daß es ihmgelingen würde, uneingeladen an Bord zukommen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte erüberhaupt nicht in Erwägung gezogen, daßes zu schwierig sein könnte, in die YREM-BEL zu kommen. Nun mußte er erkennen,daß es nahezu unmöglich war.

Auch im Schiff standen überall Wachen.Sie machten deutlich, daß Mara Bonkal dieSabotageakte nicht auf die leichte Schulternahm. Sie war sich ihrer Verantwortung alsarkonidischer Offizier bewußt.

Und doch war sie nicht vorsichtig genug.Als Axton sich genügend lange in der

Hauptleitzentrale umgesehen hatte, die sichim Zentrum der Kugelzelle befand, sagtesie: »Ich würde Ihnen gern noch die kosmo-kartographische Abteilung zeigen. Sie istmein ganz besonderer Stolz. Sie ist nachmeinen Vorschlägen eingerichtet worden.«

Sie blickte Axton in die Augen und lä-chelte. Er merkte ihr an, daß sie ihn als voll-wertigen Mann ansah, nicht als Krüppel.Das sollte sich aber schon wenige Sekundenspäter wieder ändern.

»Ich muß allerdings darauf bestehen, daßSie mir ohne Ihren gräßlichen Roboter fol-gen. Warum versehen Sie ihn nicht wenig-stens einmal mit ein bißchen Farbe?«

»Laß mich herunter«, befahl Axton. Kellykniete sich hin, so daß der Verwachsene mü-helos herabsteigen konnte. »Erstens, Mara,sträubt sich Kelly mit Händen und Füßengegen eine Verschönerung. Zweitens: Wa-rum wollen Sie nicht, daß mein Roboter mit-kommt?«

Ihre Augen verdunkelten sich, und ihrMund zuckte. Sie blickte auf Axton herab,den sie nun weit überragte. Er stand in linki-scher Haltung vor ihr.

»Ich will nicht, daß der Roboter eventuellirgendwelche Aufzeichnungen macht«, ant-wortete sie schroff und wandte sich ab.

Axton linkes Augenlid zuckte nervös. Erhatte wohl gemerkt, was geschehen war. Füreinige Zeit hatte er sich an der Sympathie

Der Kreis der Zeit 21

der Arkonidin erwärmen können, jetztschlug ihm wieder eiskalte Verachtung ent-gegen, die sich einzig und allein auf seinÄußeres begründete. Er folgte ihr. Seine Fü-ße glitten schleifend über den Boden. Da siedie Zentrale bereits verlassen hatte und voreinem Antigravschacht wartete, versuchteer, ihren Vorsprung einzuholen. Zugleich er-lag er dem Verlangen, ihr zu beweisen, daßer nicht so schwach war, wie er aussah.

Als er am Antigravschacht war, erkannteer, daß er einen Fehler gemacht hatte. SeinAtem ging schnell und keuchend, undSchweiß bedeckte seine Stirn. Mara Bonkalstieg in den Schacht und verschwand nachoben. Er wartete fast eine Minute, bis er ihrfolgte. Doch die Zeit reichte nicht ganz aus.Er hatte sich noch nicht wieder erholt. Sowar er gezwungen, auf dem nächsten Decksehr langsam zu gehen.

Die Arkonidin wartete in der kartographi-schen Zentrale auf ihn.

»Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich wollteSie nicht verletzen.«

»Schon gut«, erwiderte er leichthin, so alshabe er den Zwischenfall bereits vergessen.

Sie atmete auf, breitete die Arme begei-stert aus und rief: »Sehen Sie sich das an,Axton!«

In diesem Moment ging das Licht aus.»Entschuldigen Sie«, bat Mara Bonkal.

»Das hat vermutlich nichts zu bedeuten.«Axton hörte, daß das Türschott zur Seite

glitt. Plötzlich schien sich eine Hand mit un-erträglich festem Druck um seinen Schädelzu spannen.

»Mara, Vorsicht«, schrie er mit schrillerStimme.

Er fühlte einen Stoß, wurde zur Seite ge-schleudert und prallte gegen einen gepolster-ten Sessel. Sein Kopf schlug gegen die Leh-ne, und er brach zusammen. Für Sekundenlag er hilflos auf dem Boden. Er riß die Au-gen weit auf.

Obwohl es im Raum völlig dunkel war,konnte er die Umrisse Maras und die eineshochgewachsenen, massigen Mannes erken-nen. Sie waren zwar nur schwach und ver-

schwommen, aber er konnte sie einwandfreiausmachen. So sah er, daß Mara Bonkal ge-schmeidig zurückwich, während der Mannsich ihr mit suchend ausgestreckten Händennäherte.

Als er um sich tastete, spürte er einenkleinen Gegenstand in den Händen, ohne ihnidentifizieren zu können. Er nahm ihn aufund schleuderte ihn quer durch den Raum.Einige Meter von ihm entfernt prallte er aufund rutschte scheppernd über den Boden.

Der Mann fuhr herum und sprang auf dieStelle zu, von der das Geräusch kam.

»Er ist vor dem Kaf-Kalga-Bild«, rief Ax-ton hastig.

Mara Bonkal wußte mit dieser Informati-on etwas anzufangen. Sie schnellte sichblind auf den Unbekannten und hieb ihmden gestreckten Ann in die Beugung zwi-schen Hals und Kopf. Dann wirbelte sie her-um und floh einige Schritte vor ihm.

»Das sollst du mir büßen«, sagte derFremde drohend.

Axton richtete sich lautlos auf. SeineHände glitten tastend über den Tisch, bis sieeinige Schreibstifte fanden. Er nahm sie aufund warf sie auf den Eindringling. Dieserfluchte wütend, als er getroffen wurde.

Er drehte sich zu Axton um.Plötzlich blitzte eine Flamme in seinen

Händen auf. Sie erhellte den Raum ein we-nig.

Die Arkonidin kam aus einer dunklenEcke hervorgeschossen und griff den Mannungestüm an. Sie überraschte ihn völlig, undsie traf ihn mehrmals mit ihren Handkantenund gestreckten Fingern, ohne ihn allerdingsdamit zu Fall bringen zu können.

In dem kurzen Moment, als es hell gewe-sen war, hatte Axton aber auch gesehen, daßder Fremde ein Messer in der Faust hielt. Eswar blutig.

»Helfen Sie mir doch, Lebo«, rief sie keu-chend.

Axton trafen diese Worte bis ins Mark. Inseinem Robotkörper hätte er keine Mühe ge-habt, den Kampf zu entscheiden. Es wäre ei-ne Sache von Sekunden gewesen, und der

22 H. G. Francis

Attentäter hätte keine Chance gehabt. In sei-nem natürlich gewachsenen Körper aber warer so hilflos wie ein Kind.

Wie erstarrt beobachtete er die beidenKämpfenden. Während er sich noch darüberwunderte, daß er im Dunkeln soviel erken-nen konnte, traf Mara Bonkal ihren Gegneram Kopf. Der Mann taumelte zurück undgeriet damit in die Nähe Axtons. Als die,Arkonidin erneut angriff, und der Fremdeausweichen wollte, umklammerte der Ver-wachsene sein rechtes Bein. Er stürzte zuBoden.

Im gleichen Moment ging das Licht wie-der an.

Axton sah, daß die Arkonidin aus Wun-den an der Schulter und den Hüften starkblutete. Dennoch erschien sie keineswegsgeschwächt. Als es wieder hell im Raumwurde, schaltete sie viel schneller als der At-tentäter.

Sie sprang wie eine Raubkatze auf ihn zuund schmetterte ihm die Fußspitze unter dasKinn. Mit diesem Tritt überwand sie ihnendgültig. Er flog zur Seite und blieb re-gungslos liegen.

Lebo Axton raffte sich auf.»Wie geht es Ihnen?« fragte er besorgt.Mara Bonkal antwortete nicht. Sie eilte

hinaus. Der Terraner blickte ihr nach, wand-te sich dann dem Unbekannten zu und dreh-te ihn mühsam auf den Rücken.

Der Mann war tot.Axton untersuchte ihn sorgfältig, entdeck-

te jedoch nichts, was zu seiner Identifizie-rung dienen konnte. Noch während dieserArbeit trafen mehrere Offiziere der YREM-BEL ein.

»Kennen Sie den Mann?« fragte der Kos-mokriminalist.

»Es ist ein Ingenieur. Er gehört zur Besat-zung«, antwortete einer der Offiziere, einkleinwüchsiger Mann mit scharfen Augen.»Ich begreife nicht, wie er so etwas tunkonnte.«

»Ist ein Arzt an Bord?«»Allerdings.«»Er soll den Toten untersuchen. Sofort.

Ich muß wissen, ob er manipuliert wordenist.« Er sprach den ranghöchsten der Offizie-re an. »Bitte, sorgen Sie dafür, daß mein Ro-boter zu mir kommen kann.«

Der Offizier erteilte die entsprechendenBefehle und versuchte danach, mit dem Ver-wachsenen ins Gespräch zu kommen. LeboAxton wich ihm jedoch aus und tat, als habeer den Raum noch zu untersuchen. Tatsäch-lich ging es ihm darum, irgend etwas zu fin-den, was ihm später helfen konnte, erneutins Schiff zu kommen.

Der Offizier ließ ihn gewähren.Nach einigen Minuten traf Gentleman

Kelly ein. Axton wandte sich ihm enttäuschtzu. Er war keinen Schritt weiter als vorher.

»Führen Sie mich in die medizinische Sta-tion«, bat er den Offizier, als die Leiche ab-transportiert wurde. »Ich muß dabei sein,wenn der Arzt die Analysen durchführt.«

Auch jetzt gab es keine Schwierigkeiten.Der Offizier brachte ihn an das genannteZiel, das zwei Decks tiefer lag. Auch jetztachtete Axton auf alles, was ihm weiterhel-fen konnte. Der Erfolg war jedoch entmuti-gend. Als er die medizinische Station betrat,hatte sich der Eindruck bei ihm verstärkt,daß es nahezu unmöglich war, unbemerktins Schiff einzudringen und hier zu agieren.

Sorgith Artho saß auf einem Hocker. Ersprang sofort auf, als Axton auf dem RückenKellys hereinkam. Mit grimmigem Gesichttrat er auf ihn zu.

»Ich habe es gewußt, Axton«, sagte erzornig.

»Gewußt? Was?«»Ihnen ist Mara völlig egal. Sie spielen

mit ihrem Leben, nur um Ihr Ziel zu errei-chen. Wie konnten Sie zulassen, daß sie …«

»Halten Sie den Mund«, fuhr Axton auf.»Sie wissen ja nicht, wovon Sie reden.«

Er lenkte Kelly an dem Arkoniden vorbeiund wollte das Behandlungszimmer betre-ten. Artho eilte ihm jedoch nach und hieltihn auf.

»Sie können nicht hineingehen. Der Arztbehandelt sie.«

Axton blickte zu den Offizieren hinüber,

Der Kreis der Zeit 23

die die Leiche des Attentäters auf einer An-tigravliege hereinbrachten.

»Kennen Sie den Arzt?« fragte er scharf.»Wissen Sie, daß er wirklich zuverlässig ist?Sind Sie absolut sicher, daß er Mara Bonkalnicht gerade jetzt ein Medikament verab-reicht, das ihre Persönlichkeit zerstört?«

»Sie spielen sich auf, als hätten Sie hierdas Kommando«, sagte Sorgith Artho so lei-se, daß die anderen Arkoniden ihn nicht ver-stehen konnten. »Sie irren sich jedoch.«

»Mir ist egal, ob Sie sich als ranghöhereinstufen als mich oder nicht. Ich tue, waskriminalistisch notwendig ist. Sollten Siemir dabei in die Quere kommen, werden Siedie Konsequenzen zu tragen haben.«

»Sie scheinen zu vergessen, daß ich Arko-nide bin, Sie aber nicht«, sagte Artho. »Dasmacht den kleinen, aber entscheidenden Un-terschied zwischen uns beiden aus.«

Lebo Axton beachtete ihn nicht. Er lenkteKelly in das Behandlungszimmer. MaraBonkal lag auf einer Liege. Ihr Körper wur-de durch ein Tuch nur spärlich bedeckt. Dasaber störte sie nicht im geringsten. Sie lä-chelte, als sie Axton sah.

»Ich danke Ihnen, daß Sie sich um michkümmern«, sagte sie mühsam. »Es gehtschon wieder. Orman hat die Wunden ver-klebt.«

Axton wandte sich an den Arzt, einen au-ßerordentlich hageren Mann von etwas mehrals zwei Metern Größe. Orman hatte einenkahlen Schädel, tief eingefallene Wangenund lange, dürre Hände. Er sah fast wie einAra aus.

»Ich möchte, daß Sie den Toten genaue-stens untersuchen«, erklärte der Verwachse-ne. »Machen Sie Blut- und Gewebsanalysen.Ich muß wissen, ob der Mann medikamentösmanipuliert worden ist.«

»Dann müßte ich auch Organproben ma-chen«, erwiderte Orman.

»Natürlich«, stimmte Axton zu. »Keinehalbe Arbeit, bitte.«

Der Arzt blickte Mara Bonkal hilfesu-chend an.

»Das geht nicht, Lebo«, sagte sie und

richtete sich auf. Geschmeidig glitt sie vonder Liege und kleidete sich ungeniert an.

»Warum nicht?« fragte er.»Das wissen Sie nicht?« Die Arkonidin

war vollkommen überrascht.»Nein«, erwiderte er ungeduldig.

»Warum?«»In den letzten Tagen vor Beginn der Ka-

tanen des Capits ist es verboten, einenLeichnam zu öffnen.«

Lebo Axton schaltete blitzschnell. Er leg-te keinen Protest gegen die Entscheidung derArkonidin ein und versuchte auch nicht, sieumzustimmen. Ungewollt hatte sie ihm indie Hände gespielt. Später einmal konnte ihrdie Weigerung, diese wichtige Untersu-chung durchzuführen, zum Verhängnis wer-den.

»Daran habe ich nicht gedacht«, antworte-te er langsam. »Eine derartige Behinderung…«

»Sie müssen sich damit abfinden«, sagteder Arzt.

*

Axton öffnete das Fenster seines Zimmersund blickte hinaus. Draußen war es voll-kommen dunkel. Er schloß die Augen für ei-nige Sekunden und konzentrierte sich. Da-nach versuchte er, in der Dunkelheit etwaszu erkennen. Tatsächlich machte er einigerot glimmende Schatten aus, die tief unterihm zwischen den Büschen und Bäumenruhten. Nach einiger Zeit gelang es ihmauch, sie zu identifizieren. Einer von ihnenmußte Lano sein, das Wesen mit demWolfskopf. Lano lag auf dem Rücken undschlief offenbar.

»Los jetzt«, befahl der Terraner leise. Erkletterte auf den Rücken des Roboters undließ sich durch das Fenster hinaustragen. Erschwebte bis zum Dach der Villa empor undglitt lautlos darüber hinweg. Als er einigeAufbauten erreichte, befahl Axton ihm zulanden. Er stieg vom Rücken des Robotersherunter und kehrte bis zur Dachkante zu-rück. Hier legte er sich auf den Bauch und

24 H. G. Francis

spähte nach unten.Einige Sekunden lang sah er überhaupt

nichts. Dann allmählich schälten sich dort,wo sich lebende Wesen aufhielten, rötlichePunkte aus der Dunkelheit. Da Kennon sichgenau eingeprägt hatte, wo diese Wesen vor-her gewesen waren, konnte er feststellen,daß sich keines von ihnen bewegt hatte. Erschloß daraus, daß unter ihnen keines war,das nachtsichtig oder ebenfalls infrarotemp-findlich war. Niemand hatte ihn bemerkt.

»Kelly!« rief er mit gedämpfter Stimme.Der Roboter erschien vor ihm, ohne das

geringste Geräusch zu verursachen. Axtonstellte sich in die Haltebügel.

»Auf geht's«, sagte er.Der Roboter löste sich vom Dach und flog

auf die YREMBEL zu. Dabei neigte er sichweit nach vorn, so daß Axton fast auf sei-nem Rücken lag. Er glitt über das Ende desDaches hinaus und senkte sich danach vor-sichtig zwischen einigen Gebäuden ab. Wie-derum spähte der Terraner ständig umher,ohne jemanden zu bemerken.

Er ließ sich bis auf dreihundert Meter andas Raumschiff herantragen und dann abset-zen.

»Du wartest hier«, sagte er. »Paß auf, daßdich niemand bemerkt.«

Danach raffte er einige Sachen auf undeilte durch die Nacht davon.

Er hatte den Rest des Tages und einenTeil der Nacht mit wichtigen Vorbereitungs-arbeiten verbracht. Dabei hatte er RobotKelly einige positronische Teile ausbauenmüssen. Aus ihnen hatte er mehrere neueGeräte zusammengestellt. Mit ihrer Hilfewollte er die Beobachtungs- und Ortungssy-steme der Roboter lahmlegen, so daß dieMaschinen ihn weder optisch noch ortungs-technisch erfassen konnten. Bei entspre-chend längerer Vorbereitungszeit hätte erauch Kelly so präparieren können, daß die-ser ihn wie gewohnt hätte tragen können.Unter den gegebenen Umständen aber wardas nicht möglich gewesen. Es fehlte an Zeitund Material.

Langsam arbeitete Axton sich voran. Er

mußte durch Gras gehen, das ihm bis an dieHüften reichte. Herumliegende Äste undSteine erschwerten ihm den Weg zusätzlich,so daß er bald eine Pause einlegen mußte,um sich zu erholen.

Inzwischen war es etwas heller geworden.Der Mond von Kafa schob sich über denHorizont.

Axton konnte zwei Roboter sehen, die et-wa noch hundert Meter von ihm entfernt wa-ren. Ihre Konturen hoben sich nur schwachvon dem ebenfalls dunklen Hintergrund ab.Vorsichtshalber blickte Axton auf die An-zeigen seiner Geräte. Befriedigt steckte ersie wieder unter seine Bluse, als er festge-stellt hatte, daß sie nach Plan arbeiteten.

Geduckt eilte er weiter.Es war warm, und jeder Schritt wurde zur

Qual. Dennoch kämpfte Axton sich Schrittfür Schritt voran, wobei er die Roboter stän-dig beobachtete. Selbstverständlich konnteer nur von den Erkenntnissen ausgehen, dieer bisher über Roboter des arkonidischenImperiums gewonnen hatte. Er mußte dieLeistungsfähigkeit dieser Maschinen zu-grunde legen. Dabei wußte er jedoch nicht,ob seine Informationen wirklich vollständigwaren. Wirkten seine Abwehrgeräte tatsäch-lich, oder besaßen die Roboter bereits ent-sprechende Gegeneinrichtungen? Diese wür-den in späteren Jahren einmal selbstver-ständlich sein.

Als Axton bis auf dreißig Meter an dieRoboter herangekommen war, kroch er aufallen vieren weiter. Nun konnte er nur dannnoch etwas sehen, wenn er den Kopf hob.Das Gras bot ihm gute Deckungsmöglich-keiten.

Als er genau zwischen zwei Robotern lagund sich etwas verschnaufte, fragte er sich,was er wohl sagen sollte, wenn er hier ent-deckt wurde. Mit der Behauptung, alles die-ne nur der Suche nach den Saboteuren, wür-de er wohl kaum weit kommen.

Die Roboter reagierten nicht auf ihn. DieGeräte funktionierten also.

Axton atmete jedoch erst auf, als er nocheinige Meter weitergekrochen war, ohne daß

Der Kreis der Zeit 25

etwas passierte.Dann allerdings flatterte etwas über ihn

hinweg. Er sah den rötlichen Wärmeschat-ten, der allmählich hinter einem Landebeinverschwand.

Der Mond stieg schnell höher, aber dasstörte ihn nicht, da er das Raumschiff prak-tisch erreicht hatte. Nur noch wenige Metertrennten ihn von der Bodenschleuse, die oh-nehin in tiefem Dunkel lag.

Sie schien unbewacht zu sein. Axtonkonnte keinen Roboter sehen. Es hielten sichauch keine Arkoniden in der Nähe auf.

Er war versucht, aufzustehen und zurSchleuse hinüberzugehen. Doch dann siegtedie Vorsicht. Er kroch noch zwei Meter wei-ter und erreichte den Rand einer Mulde, dieetwa zwei Meter tief war.

Hier fuhr er wie von der Tarantel gesto-chen zurück. Zwei faustgroße, grüne Augenblickten ihn an. In ihnen schien sich dasganze Licht gesammelt zu haben, das esüberhaupt hier unter dem Schiff gab. Seineinfrarotempfindlich gewordenen Augenkonnten darüber hinaus den Wärmeschatteneines Tieres sehen, das etwa die Größe einesterranischen Löwen hatte.

Axton preßte sich an den Boden, wobei erhoffte, daß die Bestie ihn nicht bemerkt hat-te. Aber das stimmte nicht. Das Tier erhobsich laut gähnend und trottete auf ihn zu. Eswuchs riesenhaft über ihm auf. Axton fühlte,daß eine der mächtigen Tatzen ihn an derSchulter berührte.

Er verfluchte die Vorliebe Mara Bonkalsfür exotische Tiere. In aller Eile zog er denkleinen Paralysator und schoß ihn auf dieBestie ab. Diese bäumte sich laut kreischendauf und schlug wild mit den Tatzen um sich.Axton schoß wieder und wieder in seinerAngst und Verzweiflung, bis das Raubtierendlich zusammenbrach.

Der Lärm war jedoch nicht unbemerkt ge-blieben. Die Roboter reagierten, und in derNähe der Villa Mara Bonkals wurden Stim-men laut.

Axton schob die Waffe eilig wieder inden Gürtel zurück und rannte geduckt da-

von. Um die Roboter kümmerte er sichnicht, da er wußte, daß sie ihn nicht wahr-nehmen konnten. Allerdings machte er sicherhebliche Sorgen. Er wußte nicht, ob dieoptischen Aufnahmen der Wachmaschinenelektromagnetisch gespeichert wurden, wiees bei vielen terranischen Robotern zehntau-send Jahre später selbstverständlich seinwürde. Auf solchen Aufzeichnungen würdeer zu sehen sein.

Als er eine Hügelkuppe erreicht hatte, be-merkte er, daß sich von der Villa her etwazwanzig Arkoniden näherten. Sie hieltenstarke Lampen in den Händen und liefensehr schnell.

Axton rannte weiter, stolperte jedoch undrollte den Hügel hinunter. Er blieb zwischeneinigen Büschen liegen und fluchte über dieUnbotmäßigkeiten seines Körpers. Von derSeite her kam ein Wesen, das er im Mond-licht mühelos als Lano, das Wolfsgeschöpf,identifizierte. Axton hielt sich in derDeckung der Büsche. Er preßte sich fest anden Boden, als Lano kaum zwei Meter vonihm entfernt vorbeistürmte. Dann kroch ervorsichtig weiter bis zu einer anderenBuschgruppe. Er erreichte sie ungesehen,richtete sich auf und lief keuchend bis zu ei-nem Baum.

Entsetzt fuhr er zurück, als plötzlich einRoboter vor ihm auftauchte. Unwillkürlichgriff er zur Waffe.

»Aber, Herzchen«, sagte die Maschine invorwurfsvollem Ton. »Du willst mir dochwohl nicht an den Kragen?«

»Kelly«, rief der Verwachsene erleichtert.»Zum ersten Mal freue ich mich wirklichdarüber, dich zu sehen.«

Der Roboter kniete sich auf den Boden, sodaß Axton auf seinen Rücken klettern konn-te. Von hier aus beobachtete er, was sich amRaumschiff tat. Dort hatte sich mittlerweileeine beträchtliche Menge eingefunden. Ax-ton konnte Arkoniden und humanoide sowienichthumanoide Geschöpfe aller Art erken-nen. In dem unbeschreiblichen Durcheinan-der, das vor der Schleuse herrschte, schienalles möglich zu sein. Für einen kurzen Mo-

26 H. G. Francis

ment bereute er, daß er nicht einfach dortgeblieben war und sich in der Menge ver-steckt hatte. Dann aber stellte er fest, daß dieBodenschleuse äußerst scharf bewacht wur-de. Die arkonidische Mannschaft Mara Bon-kals hatte die Gefahr offenbar erkannt. Sieschirmte die YREMBEL noch besser als zu-vor ab.

»Bring mich hinüber, Kelly, aber lang-sam«, befahl Axton, als er sich wieder soweit erholt hatte, daß er ruhig atmen konnte.Er ordnete seine Kombination und entfernteeinige Gräser, die im Armband seines Chro-nometers hängengeblieben waren. Dannstützte er sich lässig auf den Kopf des Robo-ters und tat, als habe er nicht die geringsteAhnung, was beim Schiff passiert war.

Einige Männer, die seltsam geformte Vo-gelköpfe hatten, und deren mit Federn be-setzte Arme bis auf den Boden herabreich-ten, machten ihm respektvoll Platz. Überihm flammten Scheinwerfer an der Rundungder YREMBEL auf. Sorgith Artho und MaraBonkal, die einen nachdenklichen Eindruckmachte, schoben sich durch die Menge. DerArkonide kam auf Axton zu.

»Was ist hier passiert?« fragte der Kos-mokriminalist.

»Während Sie sich offenbar eine Ruhe-stunde leisteten«, antwortete Artho, »hat je-mand versucht, in die YREMBEL einzudrin-gen. Er hat es immerhin geschafft, den Si-cherheitsgürtel der Roboter unbemerkt zuüberwinden und bis an die Bodenschleusevorzustoßen.«

»Jemand?« fragte Axton gedehnt. »Siewissen nicht, wer es ist?«

»Natürlich nicht. Woher sollten wir? Erist geflohen.«

»Dann muß ich Sie loben, Artho. Sie ha-ben hervorragende Arbeit geleistet«, sagteAxton ironisch. »Zumindest haben Sie fürSpurensicherung gesorgt. Oder nicht? Soll-ten Sie zugelassen haben, daß die Neugieri-gen hier alle Spuren zertrampelt haben?«

Sorgith Artho biß sich erbittert auf dieLippen.

»Täuschen Sie sich nicht, Axton«, erwi-

derte er heftig. »Sie haben keinen Grund,sich über einen Fehler zu freuen. Ich habekeinen begangen?«

»So? Wirklich nicht?«»Nein, Lebo«, sagte Mara Bonkal.

»Wirklich nicht. Der Unbekannte hat Ebrox,eine Raubkatze von dem Planeten Exbrox-Exbrol, paralysiert. Daraus ist zu schließen,daß Ebrox ihn gesehen hat.«

»Und?« forschte Axton verwundert. »Ichverstehe nicht, was Sie damit sagen wollen,Mara.«

»Ebrox ist intelligent. Er wird uns verra-ten können, wer auf ihn geschossen hat,wenn er wieder zu sich gekommen ist.«

Lebo Axton fuhr der Schrecken in dieGlieder. Damit hatte er nicht gerechnet.

»Sie sind überrascht?« fragte Artho lau-ernd.

»Ein wenig verwirrt«, gab Axton zu.»Wer ist Ebrox, und wo ist er?«

Mara Bonkal gab den Arkoniden einenbefehlenden Wink. Eine Gasse tat sich auf.Axton konnte das löwenähnliche Geschöpfsehen, das bewegungslos im Gras lag. Eswar fast doppelt so groß wie ein terranischerLöwe, hatte ein giftgrünes Fell, eine zottigeMähne, die die Unterseite des Körpers be-deckte, und eine Dornenkette, die sich überden Rücken hinwegzog.

Axton pfiff anerkennend.»Ein beachtlicher Bursche«, sagte er.

»Schade, daß er es nicht geschafft hat, denTäter zu fangen.«

Mara lächelte.»Mit Ebrox ist trotzdem nicht zu spaßen.

Geschöpfe seiner Art haben die unangeneh-me Angewohnheit, ihre Beutetiere auf denDornen aufzuspießen und wenigstens zweiTage lang mit sich herumzutragen. Währenddieser Zeit sind die Beutetiere bei vollemBewußtsein. Durch die Dornen dringt nurlangsam ein Gift in ihren Körper ein. Erstdanach wird das Fleisch für Ebrox genieß-bar.«

»Hübsche Schoßtierchen haben Sie sichangeschafft, Mara«, erwiderte Axton, demein kalter Schauer über den Rücken lief. Er

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erkannte, welch ungeheurer Gefahr er nurganz knapp entgangen war. »Ich kann nichtsagen, daß ich meinem ärgsten Feind einesolche Folter gönne. Noch nicht einmal ih-nen, Artho.«

»Für Scherze dieser Art habe ich nichtsübrig, Axton. Das sollten Sie allmählichwissen.«

Der Kosmokriminalist tat, als habe er die-se Worte nicht gehört. Er überlegte fieber-haft, wie er aus der Falle herauskommenkonnte, in die er unversehens geraten war.Ebrox durfte nicht wieder zu sich kommen.Er mußte sterben oder so lange in der Para-lyse bleiben, bis die YREMBEL gestartetwar.

*

»Wenn Ebrox wirklich intelligent ist, Ma-ra, dann müssen Sie ihn mit allen Mittelnschützen«, erklärte Axton. Die Menge be-gann sich aufzulösen. Bewaffnete Arkoni-den bildeten einen Ring um das paralysierteWesen.

»Wir sind bereits dabei«, erwiderte sie er-staunt. »Genügt Ihnen nicht, was wir unter-nehmen?«

Er schüttelte den Kopf.»Was wollen Sie denn noch?« forschte

Sorgith Artho ärgerlich. »Was auch immerich unternehme, Ihnen genügt es nicht.«

»Sehen Sie, Mara«, sagte er und blickteder Arkonidin in die Augen. Sie wich ihmnicht aus. Er glaubte, eine gewisse Wärmein ihren Blicken zu erkennen. »Wenn Ebroxwirklich intelligent ist und sagen kann, werder Täter war, dann schwebt er in höchsterLebensgefahr. Ich rate Ihnen dringend, einenFeldprojektor heranzuschaffen und ihn untereine Energieglocke zu legen. Ebrox könntesonst getötet werden.«

»Sie scheinen meinen Männern nicht ge-rade viel zuzutrauen, Lebo«, bemerkte sie.»Ich sehe jedoch ein, daß Sie recht haben.Das Risiko ist zu hoch.«

Sie entfernte sich, um den Offizieren eineentsprechende Anweisung zu erteilen. Sor-

gith Artho schwieg beharrlich. Er war eifer-süchtig und mißgönnte Axton jeden Plus-punkt. Der Terraner beschloß, ihn nochmehr als bisher zu überwachen.

Er lenkte Kelly herum und führte ihn eini-ge Schritte auf Ebrox zu.

»Anpeilen und Giftpfeil abschießen, be-vor die Glocke errichtet wird«, wisperte er.»Verstanden?«

Gentleman Kelly bewegte seinen Kopfruckartig um einige Millimeter hin und her.Das war das Zeichen dafür, daß er das Kom-mando gehört hatte. Sorgith Artho kam zuAxton. Er räusperte sich. Mara Bonkal kehr-te zurück.

»Wir sind bisher keinen Schritt vorange-kommen«, stellte Artho fest.

»Bedauerlicherweise«, gab Axton zu. »Soist das nun mal.«

Er sprach in einem zurückhaltenden Ton,so daß Artho sogleich aufmerksam wurde.

»Verbergen Sie mir etwas?« fragte derArkonide scharf.

»Natürlich nicht«, erwiderte Axton. »Wiekommen Sie auf einen solchen Gedanken?«

Wiederum sprach er in einem Ton, derArtho vermuten ließ, daß er genau das Ge-genteil von dem meinte, was er gesagt hatte.Der Arkonide konnte sich jedoch nicht mehräußern, weil Mara Bonkal sich nun zu ihnengesellte.

»Ich habe alles veranlaßt«, berichtete sie.»Sind Sie mit mir zufrieden?«

»Sehr«, lobte der Verwachsene. »Es istauch gut, daß Sie die vielen Neugierigen zu-rückweisen ließen.«

Sie standen am Rand des Lichtkegels, dendie Scheinwerfer schufen. Lebo Axton lenk-te Kelly etwas aus diesem hellen Bereichheraus, so daß er in einen Halbschatten ge-riet. Tatsächlich löste sich die Menge nunrasch auf. Allerlei fremdartige Wesen eiltendurch das Gras davon. Einige drehten sichnoch einmal um und blickten zurück, weilvier Roboter einen Energieschirmprojektorheranschleppten. Die Aufmerksamkeit rich-tete sich auf diese Maschinen, die den Para-lysierten endgültig absichern sollten.

28 H. G. Francis

Axton beugte sich nach vorn.»Feuer«, flüsterte er.Im Ovalkörper Kellys öffnete sich eine

winzige Klappe, und eine Röhre schob sichhervor, die kaum so dick wie ein Grashalmwar. Es zischte kaum vernehmlich, als derGiftpfeil herausgeschleudert wurde. Das Ge-schoß raste mit hoher Geschwindigkeitdurch eine Lücke in der Menge der Zu-schauer und bohrte sich durch das Fell desParalysierten hindurch.

Wieder ruckte der Kopf Kellys ein wenighin und her.

Lebo Axton atmete auf.Er hatte Ebrox nicht tödlich vergiftet, son-

dern ihm lediglich ein Medikament verab-reicht, das vorübergehend zu einem extremstarken Abfall der geistigen Leistungen füh-ren würde. Ebrox würde als stammelnde,hirnlos wirkende Kreatur aufwachen undsich nicht vor Ablauf von etwa drei Wochenvon dem Giftschock erholen.

Sekunden nach dem Treffer, den Kelly er-zielt hatte, schloß sich ein flimmernderEnergieschirm über Ebrox und schützte ihnvor allen äußeren Einflüssen.

»Was werden Sie übermorgen tun, Le-bo?« fragte Mara Bonkal.

»Übermorgen? Ich verstehe nicht.«»Übermorgen beginnen die Katanen des

Capits«, erklärte sie. »Selbstverständlichwerde ich Kafa dann verlassen und nach Ar-kon fliegen. Ich werde vorher auf YlihoffaStation machen, um dort an den religiösenVorbereitungsfeierlichkeiten teilzunehmen.Werden sie mit mir fliegen, oder werden Siehierbleiben?«

Es war keine Frage. Es war eine Bitte.Deutlicher denn je zuvor fühlte Axton die

Zuneigung dieser schönen Frau, die uner-reichbar für ihn bleiben mußte, und die ertrotz aller Sympathie nicht schonen durfte.Er mußte seinen einmal gefaßten Plan kon-sequent durchführen.

»Ich bin etwas überrascht«, erwiderte er.»Ich habe nicht damit gerechnet, daß SieKafa verlassen würden. In einem solchenFall werde ich jedoch an Bord sein, denn die

Sabotageakte gelten Ihnen wegen Ihrer mili-tärischen Bedeutung. Es steht also zu be-fürchten, daß sich Ihre Feinde auf dieYREMBEL konzentrieren werden.«

Er schüttelte den Kopf.»Nur eine Frage noch, Mara. Wieso be-

ginnen übermorgen die Katanen des Capits?Ich war darauf eingestellt, daß es frühestensin einer Woche soweit ist.«

Sie lachte.»Oh, Lebo, woher kommen Sie eigent-

lich? Sie müßten doch wissen, daß dieseZeitangabe sich auf die Zeitrechnung vonYlihoffa bezieht und nicht auf die von Ar-kon.«

Axton-Kennon war so überrascht, daß erzunächst nichts zu sagen wußte. Damit wa-ren unerwartet Schwierigkeiten entstanden,die alles zunichte machen konnten. Wie soll-te er bis zum Start ins Schiff kommen unddie Hauptpositronik manipulieren? Es er-schien völlig ausgeschlossen, daß er seinenPlan noch verwirklichen konnte.

Schon bald nach dem Start aber mußte derAlarm und damit der Befehl kommen, in dieSchlacht gegen die Maahks einzugreifen.Dann war es endgültig zu spät.

Konnte er es sich überhaupt leisten, anBord zu gehen?

Das lag ganz und gar nicht im Bereichseiner ursprünglichen Planung, denn es wareine unumstößliche Tatsache, daß dieYREMBEL bei der Schlacht vernichtet wer-den würde. Mara Bonkal würde überleben,aber ihr Raumschiff würde im Feuer derMaahks zerfetzt werden. Axton verspürtewenig Lust, unter solchen Umständen anBord zu sein, und er bereute seine Antwort,die er Mara erteilt hatte. Andererseits botsich ihm an Bord die allerletzte Chance, sei-ne Pläne doch noch zu vollenden. Er mußtesie nutzen.

»Ich bin müde«, sagte er. »Die Nacht istbald vorbei. Ich will die letzten Stunden nut-zen.«

»Begleiten Sie mich ins Haus«, bat Mara.Sie schritt schweigend neben dem Roboterher. Lebo Axton suchte nach Worten, fand

Der Kreis der Zeit 29

jedoch keine. Je länger er darüber nachdach-te, wie er eine allgemeine Unterhaltung be-ginnen konnte, und desto mehr verkrampfteer sich. Die Komplexe, die er schönen Frau-en von jeher gegenüber gehegt hatte, lähm-ten seinen Geist.

Mara störte jedoch nicht, daß auch erschwieg.

»Ich wollte, Sie wären früher nach Kafagekommen«, sagte sie. »Von welchem Pla-neten stammen Sie, Lebo?«

»Ich bin auf der Erde geboren, Mara«,antwortete er wahrheitsgetreu, wobei erwußte, daß dieser Planet allen Arkonidenvöllig unbekannt war.

»Ich habe nie davon gehört.«»Gute Nacht«, sagte er, da er nicht weiter

über Terra sprechen wollte. Er nickte ihrfreundlich zu und ließ sich von Kelly dieTreppe hinauftragen. Sie blieb am Fuß derTreppe stehen und blickte ihm nach. Erfluchte leise vor sich hin. Ihm wäre es jetztlieber gewesen, wenn Bonkal ihm ablehnendund verächtlich begegnet wäre.

Als er die Hand gegen den Öffnungskon-takt seiner Tür legte, fühlte er plötzlicheinen stechenden Schmerz im Hinterkopf. Erreagierte instinktiv und blitzschnell. Er ließsich nach hinten fallen und stieß sich kräftigvon Kelly ab. Im Sprung warf er sich herum,so daß er auf allen vieren landen konnte. Imgleichen Moment schoß eine grünlicheSchleimmasse aus der Türöffnung herausund überschüttete Kelly. Die Arme des Ro-boters ruckten hoch, und die metallenen Fin-ger versuchten, den Schleim abzustreifen.

Axton sah, daß ein Stachelball, der einenDurchmesser von etwa einem Meter hatte,auf den Roboter zuwanderte und sich dannbemühte, an ihm vorbeizukommen.

»Laß ihn nicht durch, Kelly«, schrie derTerraner.

Er vernahm hastige Schritte hinter sichund wandte sich um. Dabei merkte er erst,daß er sich verletzt hatte. Sein rechtes Beinschmerzte. Mara Bonkal eilte auf ihn zu.

»Was ist los, Lebo?« fragte sie atemlos.»Hast du … haben Sie …?«

Sie blieb stehen und wich dann entsetztzurück.

»Sagen Sie dem Roboter, daß er den Sta-cheltöter zerschlagen soll«, rief sie. »Nichtmit einem Energiestrahler schießen!«

Lebo Axton zog sich hastig von Gentle-man Kelly und dem Stachelwesen zurück,das sich mit wilden Bewegungen seinerzahllosen, grauen Stacheln abmühte, denRoboter zurückzudrängen.

»Nimm die Fäuste, Kelly«, befahl Axton.Der Roboter beugte sich nach vorn und

hieb mit seinen stählernen Fäusten auf dasseltsame Wesen ein. Knirschend zerbrachendie Stacheln. Die Bruchstücke wirbeltenüber den Gang und bohrten sich in die Sei-tenwände. Der Kosmokriminalist und dieArkonidin flüchteten noch einige Meter wei-ter und blieben erst stehen, als sie sahen, daßsie von den winzigen Geschossen nicht mehrerreicht werden konnten.

Kelly zertrümmerte das Wesen, bis nurnoch ein faustgroßer Kern übrigblieb, derglatt und ohne Stacheln war. Der Roboternahm ihn zwischen die Hände und zer-quetschte ihn, wobei er offensichtlich großeKräfte aufwenden mußte. Axton wundertesich darüber, wie lange der Kern dem Druckwiderstand. Schließlich aber zerplatzte er,und eine gelbliche Flüssigkeit tropfte aufden Boden herab. Sie brannte augenblicklichtiefe Löcher in den Boden.

»Sie haben Glück gehabt, Lebo«, sagteMara Bonkal erschüttert. »Der Schleim löstjede biologische Substanz sofort auf. Siewären innerhalb weniger Sekunden tot ge-wesen, wenn Sie auch nur einen Tropfen da-von abbekommen hätten. Es ist eine Waffedes Stacheltöters.«

»Ich sagte schon, Mara, seltsame Freundehaben Sie!«

»Machen Sie mir keinen Vorwurf«, batsie. »Einen Stacheltöter habe ich niemalsmit nach Kafa gebracht.«

»Wie ist er dann hierhergekommen?«fragte Axton.

Kelly marschierte in die Räume, die demKosmokriminalisten zugewiesen worden

30 H. G. Francis

waren, und inspizierte sie.»Ich weiß es nicht«, antwortete die Arko-

nidin.»Von welcher Welt stammen die Stachel-

töter?«»Auch das kann ich Ihnen im Moment

nicht beantworten, Lebo. Ich habe zu vieleWelten besucht. Ich müßte erst in meinenUnterlagen nachsehen. Meinen Sie, daß die-se Frage wichtig ist?«

»Sehr sogar«, erwiderte Axton. »Ichmöchte alles über Stacheltöter wissen, wasdarüber bekannt ist. Und dann bitte ich Sie,mir genaue Unterlagen über alle Fremdwe-sen zu geben, die auf Kafa leben und zu Ih-rem Haushalt gehören.«

»Ich darf doch annehmen, daß Sie solcheUnterlagen besitzen, Mara? Sie führen ge-nau Buch über jedes Wesen, das Sie von an-deren Welten mitbringen? Oder sollte ichmich irren?«

»Selbstverständlich nicht«, antwortete sie.»Wollen Sie sie gleich sehen oder erst mor-gen?«

»Ich kann doch nicht mehr schlafen. Ge-hen wir also gleich an die Arbeit.«

Sie führte ihn durch mehrere leerstehendeRäume und einige Gänge in den gegenüber-liegenden Flügel der Villa und machteschließlich vor der Tür zu einem Eckraumhalt.

»Die Kartei ist vollständig«, erklärte siezögernd. »Sie ist jedoch nicht so geordnet,wie sie eigentlich sein sollte. Ich wollte mor-gen daran arbeiten, Lebo. Verstehen Sie, ichwollte …«

Sie brach ab und preßte die Lippen zu-sammen.

»Verdammt«, fuhr sie wütend über sichselbst fort. »Ich war ein bißchen zu vertrau-ensselig, weil ich mir nicht vorstellen konn-te, daß ein sauerstoffatmendes Wesen ge-meinsame Sache mit den Methans machenkönnte.«

Sie öffnete die Tür, als er nichts erwider-te. Axton blickte in einen Raum, in demzahlreiche Stahlboxen herumstanden, diemit Folien, Aufzeichnungsbändern und Fo-

tos bis zum Überquellen gefüllt waren. Voneiner geordneten und übersichtlichen Karteikonnte keine Rede sein.

»Das ist ja ein wüstes Durcheinander,Schätzchen«, kommentierte Gentleman Kel-ly.

Mara Bonkal fuhr herum.»Kann dieser dämliche Roboter nicht

schweigen?« fragte sie gereizt.»Allerdings, das kann er«, erwiderte Ax-

ton gelassen. »Ich kann Ihnen allerdingseinen Vorwurf nicht ersparen, Mara. Sie ha-ben Ihren vielen exotischen Wesen blindvertraut. Eine solche Haltung paßt nicht zuder verantwortungsvollen Position, die Sieeinnehmen. Es wird Zeit, daß hier eine ge-wisse Ordnung eintritt.«

Sie wußte, daß Lebo Axton recht hatte.Das machte sie jedoch nicht einsichtig, son-dern aggressiv.

»Wollen Sie mir einen Strick daraus dre-hen?« fragte sie heftig.

»Keineswegs, Mara«, antwortete er ruhig.»Ich werde Ordnung in die Kartei bringenund dabei hoffentlich bald denjenigen fin-den, der für die Sabotageakte verantwortlichist, Sorgen Sie inzwischen dafür, daß dieYREMBEL noch besser abgesichert wird.Eine genaue Überprüfung des gesamtenSchiffes wäre vorteilhaft.«

»Ich werde Ihnen ein Frühstück bringenlassen«, sagte sie und eilte davon.

Axton lächelte undurchsichtig, als er denKarteiraum betrat. Er hatte gewußt, daß Ma-ra Bonkal irgendwo eine schwache Stellehatte. Jetzt hatte er sie gefunden.

Er betrat den Raum und begann mit derArbeit, wobei er die positronischen Einrich-tungen Kellys für sich nutzte. Er selbst hätteunmöglich alle Einzelheiten behalten kön-nen, die in der Kartei aufgezeichnet wordenwaren.

Vier Stunden später erschien Sorgith Ar-tho bei ihm. Der Arkonide machte einen un-ruhigen Eindruck. Seine Lider zuckten ner-vös. Er grüßte wortlos und setzte sich auf ei-ne Stahlbox, die mit sorgfältig sortiertenKarteikarten gefüllt war.

Der Kreis der Zeit 31

»Während Sie hier Arbeiten ausführen,die auch von dem Dienstpersonal erledigtwerden könnte, habe ich mich ein wenigumgehört«, sagte er.

»Sie würden diese Arbeit einem anderenüberlassen?« fragte Axton erstaunt.»Tatsächlich?«

Der Arkonide fuhr sich mit demHandrücken über den Mund. Er blickte aufeinen Kartenstapel, überlegte kurz und ant-wortete danach verlegen: »Natürlich nicht.Wichtige Karten könnten verschwinden.«

»Sie haben es erfaßt«, lobte Axton. »Also,was haben Sie herausgefunden?«

»Ich weiß jetzt, wer den Stacheltöter inIhre Räume gebracht hat«, erwiderte Artho.»Der Anschlag hat, allgemeine Empörungbei dem arkonidischen Personal ausgelöst.Ein Mädchen hat Lano gesehen, wie er dasStachelwesen in einem Behälter durch dasHaus getragen hat.«

»Das Wolfswesen? Das überrascht mich.«»Ich habe sofort versucht, Lano zu ver-

haften«, berichtete der Arkonide. »Er ist ver-schwunden. Er ist mit einem Gleiter aufsLand hinaus geflohen.«

»Das ist immerhin schon etwas«, sagteAxton. »Ich möchte Sie jetzt bitten, die Si-cherungsarbeiten auf der YREMBEL zu lei-ten.«

»Ich habe meine Offiziere«, bemerkteMara Bonkal, die in diesem Moment eintratund gehört hatte, was Axton gesagt hatte.

»Wollen Sie damit sagen, daß Sie nichtdamit einverstanden wären, wenn SorgithArtho die YREMBEL genau untersucht?Mara, er ist ein Spezialist in diesen Dingen«,entgegnete Axton vorwurfsvoll.

»Ich kann für Ordnung sorgen, wo es not-wendig ist«, erklärte sie aufbegehrend. »Ichempfände es als beleidigend, wenn Sie dar-auf bestehen, daß Artho die Arbeiten leitet.«

»Mara, die YREMBEL muß stets und im-mer einsatzbereit sein. Sie wissen, daß es zujeder Zeit zu einem Kampf mit den Maahkskommen kann. Sollte die YREMBEL dannversagen, verlieren Sie viel. Sie setzen allesaufs Spiel, was Sie und Ihre Familie sich in

langen Jahren aufgebaut haben. Deshalbmüssen Sie unter allen Umständen verhin-dern, daß die Einsatzbereitschaft derYREMBEL durch Sabotageakte gemindertwird.«

Sie zögerte.Lebo Axton blickte sie mit unbewegtem

Gesicht an. Er ließ sich nicht anmerken, waser dachte und fühlte. Ihm kam es tatsächlichdarauf an, die Saboteure von Kafa vor demStart der YREMBEL zur Schlacht mit denMethans zu entlarven und unschädlich zumachen, selbst wenn er sich dadurch seineeigene Arbeit nahezu unmöglich machte.Wenn Mara Bonkal versagte, dann durfte eskeine Ausflüchte mehr für sie geben. Siedurfte nicht behaupten können, daß Sabota-ge die Ursache ihres Versagens war. Wasauch immer geschah, Sie allein mußte amEnde als die Schuldige dastehen. Gelang esnicht, sie in diese Position zu lancieren,dann war der Plan Axtons gescheitert.

»Gehen Sie an Bord der YREMBEL«, be-fahl Axton mit scharfer Stimme.

»Lebo, ich protestiere«, sagte die Arkoni-din heftig. »Sie verletzen meine Offizierseh-re.«

Der Kosmokriminalist befand sich in ei-ner unerwarteten Situation, die ihn auf dereinen Seite schmerzte, aber der anderen Sei-te aber auch erleichterte. Er fühlte, daß alleSympathie und Zuneigung, die ihm in MaraBonkal erwachsen waren, mit einem Wortzerstört werden konnten. Jetzt war sie nichtmehr nur Frau, sondern Offizier des arkoni-dischen Imperiums. Persönliche Gefühlespielten keine Rolle mehr, wenn sie sich indiesem Status gefährdet sah. Ein Gegner, derihm mit kalter Ablehnung oder mit Gleich-gültigkeit entgegentrat, war ihm jedoch lie-ber als eine Frau, deren Gefühle er enttäu-schen mußte. Er konnte und wollte keineRücksicht auf sie und auf sich nehmen. Erselbst sah sich als Kämpfer für Atlan an, dernur das eine Ziel kannte, diesem den Wegzur Macht zu ebnen.

»Mara, Sie werden Sorgith Artho an Bordbringen und ihn die Untersuchung durchfüh-

32 H. G. Francis

ren lassen. Ich dulde keine Einschränkung indieser Hinsicht. Die Schlagkraft der YREM-BEL muß hundertprozentig erhalten bleiben.Das müßte Ihnen als Offizier des arkonidi-schen Imperiums eigentlich klar sein.«

Ihr schossen Tränen der Erregung in dieAugen.

»Das lassen Sie sich von einem Nicht-Arkoniden sagen?« fragte Sorgith Artho zy-nisch. Er glaubte, die Gelegenheit zu einemTief schlag gegen Lebo Axton nutzen zukönnen.

Mara Bonkal fuhr herum und stürmte ausdem Raum.

»Gehen Sie mit ihr«, befahl Axton mitschneidend scharfer Stimme.

Wieder versuchte der Arkonide, gegen ihnaufzubegehren, doch er hielt dem durchdrin-genden Blick Axtons nicht stand. Er verließden Raum ebenfalls.

»So erwirbt man sich Freunde«, kommen-tierte Gentleman Kelly.

»Sei still, du Ungeheuer«, sagte Axton. Erentspannte sich. Die Entscheidung war ge-fallen. Er hatte Front gegen die Arkonidinbezogen und war damit in die einsame Posi-tion zurückgekehrt, aus der heraus er bisherstets Erfolge erzielt hatte. Gleichzeitig hatteer in Sorgith Artho einen Zeugen gewonnen,auf den er sich später um so sicherer verlas-sen konnte.

Artho war der Typ, der sich auf die Seitedes Erfolgreichen zu schlagen versuchte, umin seinem Schatten und in seinem Sog eben-falls Karriere machen zu können. Axtonzweifelte daher nicht daran, daß der Arkoni-de sofort zu ihm überschwenken würde,wenn der Offizier Mara Bonkal als dergroße Versager der Schlacht vom Chemi-Spieth-System feststand.

*

Der Arkonide neigte grüßend den Kopf.»Die YREMBEL wird in einer Stunde

starten«, teilte er förmlich mit. »Die Vulkan-trägerin Bonkal läßt Sie bitten, sich unver-züglich an Bord zu begeben.«

»Warum diese Eile?« fragte Axton.»Darüber bin ich nicht informiert«, ant-

wortete der Bote, drehte sich um und verließden Karteiraum.

Axton erhob sich, raffte einige Karten,Fotos und Aufzeichnungsbänder zusammen,stieg auf den Rücken seines Roboters undlenkte diesen auf den Gang hinaus.

»Schnell, Kelly«, sagte er drängend. »Ichwill sehen, wie sie an Bord geht.«

Gentleman Kelly gehorchte kommentar-los. Er eilte über die Gänge und Flure bis zueiner abwärts führenden Treppe, wo einkleiner geschlossener Behälter aus Plastik-stahl stand.

»Sieh da, Kelly«, sagte Axton. »Man hatuns bereits ausquartiert.«

Er stieg von dem Roboter herab und öff-nete den Kasten vorsichtig. Dieses Mal hiel-ten die Saboteure jedoch keine unangeneh-me Überraschung für ihn bereit. Er durch-suchte seine Sachen und fand, daß auch dasGeheimfach unberührt geblieben war.

Kelly nahm den Kasten auf, auf den Ax-ton notfalls auch hätte verzichten können.Was wirklich wichtig für ihn war, war imInnern des Roboters versteckt.

Wenig später trat Kelly mit seinermenschlichen Last auf die Terrasse hinaus.Von hier aus konnte Axton die. Menge gutübersehen, die auf dem Weg zur YREMBELwar. Nur etwa dreißig Schritte von ihm ent-fernt ging Mara Bonkal, die mit einer Prunk-uniform bekleidet war. Bei ihr befand sichein bunter Haufen exotischer Lebewesen.Ein kugelförmiges Pelzgeschöpf kauerte aufihrer Schulter, ein farbenprächtiger Vogelflatterte neben ihrem Kopf daher. ZweiRaubkatzen, wie Axton sie noch nie gesehenhatte, flankierten sie auf ihrem Weg zumRaumschiff. Eine mit Federnbüscheln be-setzte Schlange kroch vor ihr her. Auf demLinken Arm, den sie leicht angewinkelt hat-te, saß ein grüner Vogel, der fröhlich zwit-scherte. Sie neigte ihren Kopf zu ihm herun-ter und gab ähnliche Laute von sich.

Axton erkannte in dem Vogel das gleicheTier, das er als erstes auf Kafa gesehen hat-

Der Kreis der Zeit 33

te. Er erinnerte sich an einen kleinen Zwi-schenfall nach dem Absturz des Gleiters. Erhatte seine Hand nach dem Vogel ausge-streckt. Lano, das Wolfswesen, hatte ihn vordem Tier gewarnt. Er hatte behauptet, daß estödlich für Axton wäre, wenn es seine Hautmit dem Schnabel ritzen sollte.

»Mara«, rief er.Die Arkonidin legte ihren Kopf stolz in

den Nacken und ging weiter, als habe sienichts gehört.

»Mara«, rief er erneut. »Bleiben Sie ste-hen.«

»So können Sie doch nicht mit ihr um-springen«, sagte Sorgith Artho empört. Ertrat hinter Axton aus dem Haus. »Wollen Siesie vor ihrem Personal und ihren Offizierenbeleidigen?«

Mara Bonkal blieb stehen und wandtesich zu dem Verwachsenen um. Sie warbleich bis in die Lippen, und ihr Gesicht warzu einer Maske erstarrt, in dem nur die Au-gen lebten.

Axton lenkte Kelly auf sie zu. Er bemerk-te, daß einige andere Offiziere niederenRangs die Szene beobachteten.

»Was gibt es, Axton?« fragte sie kühl.»Mara, Sie werden diese Geschöpfe

selbstverständlich nicht mit an Bord neh-men.«

»Werde ich das nicht?«»Nein.«»Sie irren sich. Diese Freunde sind stets

mit mir an Bord meiner Raumschiffe gewe-sen, und sie werden es auch dieses Malsein.«

»Dann ist eine Katastrophe unvermeid-lich, Mara. Ich weiß jetzt, wer hinter den Sa-botageakten der letzten Zeit steht. Ich weiß,wer dafür verantwortlich ist. Es ist einer vondiesen, Ihren Freunden.«

»Das ist eine Verleumdung«, antwortetesie heftig. Ihre Augen wurden feucht. »Soetwas können Sie niemals beweisen, weil esnicht wahr ist.«

Lebo Axton stützte sich mit dem Ellenbo-gen auf den Kopf Kellys.

»Es tut mir leid, Mara«, sagte er mitfüh-

lend. »Von einem dieser Geschöpfe werdenSie maßlos enttäuscht werden.«

Sorgith Artho ging an Axton und dem Ro-boter vorbei und stellte sich neben MaraBonkal, wobei er allerdings in respektvollerEntfernung von den Raubkatzen blieb.

»Sie gehen zu weit, Axton«, erklärte erabweisend. »Sie benehmen sich, als hättenSie nichts anderes im Sinn, als Mara zu zer-stören. Dabei ist es Ihr Auftrag, ihr zu helfenund ihre Position als Befehlshaber über dieKafa-Flotte zu festigen.«

Axton hielt plötzlich die Karteikarten inden Händen.

»Wenn Sie sich ein wenig Mühe gemachthätten, Mara, dann hätten Sie es auch selbstherausgefunden. Aber Sie waren zu gutgläu-big. Sie wollten nicht akzeptieren, daß einerIhrer vermeintlichen Freunde ein Verrätersein könnte.«

»Sprechen Sie weiter«, forderte sie mitheiserer Stimme, als er eine Pause machte.

»Nun gut, Mara. Ich habe hier die Dateneines Wesens, das auf seiner Heimatwelt, ei-ner Sauerstoffwelt, vornehmlich in Berei-chen mit hohem Methangasvorkommen lebt.Es hat einen komplizierten Stoffwechsel, deres erfordert, daß es sich vor allem nachts ei-nem Methangasgemisch aussetzt. Es nimmtdaraus den für seinen Organismus wichtigenKohlenstoff auf.«

Der grüne Vogel, der bisher auf dem Armder Arkonidin gesessen hatte, flatterte plötz-lich auf und flog mit unglaublicher Ge-schwindigkeit auf Axton zu, den Schnabelzum Hieb bereit. Die Hand Kellys fuhr je-doch noch schneller hoch. Bevor Mara Bon-kal etwas sagen konnte, fing sie den Vogelund schloß sich um ihn.

Erst jetzt schrie die Arkonidin entsetztauf.

Kelly öffnete die Hand wieder und ließden Vogel fallen. Das Tier war tot.

»Was haben Sie getan, Lebo Axton?«fragte sie wild. »Was haben Sie Scheusal an-gerichtet?«

»Ich habe jene Intelligenz beseitigt, dievon den Methans gedungen war.«

34 H. G. Francis

Axton sprach nicht weiter, denn die bei-den Raubkatzen stoben in panikartigerFlucht davon. Mara Bonkal blickte ihnen be-troffen nach.

»Die Tiere sind vom biosuggestiven Ein-fluß des Sumpfvogels befreit«, erklärte LeboAxton ruhig. »Jetzt brechen wieder ihre nor-malen Instinkte durch, und die befehlen ih-nen, sich vor allem in Sicherheit zu bringen,was sie nicht kennen oder was nicht der Na-tur ihres Heimatplaneten entspricht.«

»Woher wissen Sie das?« fragte die Arko-nidin bestürzt.

»Das steht alles auf den von ihrem Kos-mobiologen zusammengestellten Karteikar-ten. Nilk Tirikoyn hat Sie mehrmals ge-warnt, sich mit dem Sumpfvogel einzulas-sen. Sie haben es dennoch getan.« Axtonmachte eine kleine Pause. Er fühlte durchauskeinen Triumph. »Und jetzt befehle ich Ih-nen, außer der arkonidischen Stammbesat-zung nur noch Sorgith Artho und mich anBord der YREMBEL zu lassen. Alle Tiereund Halbintelligenzen, die zu Ihrem privatenZoo gehören, bleiben hier.«

Ihr Gesicht fiel sichtlich ein, und ihre Au-gen verdunkelten sich. Mara Bonkal war inihrem Stolz getroffen, aber sie wußte, daßsie im Augenblick nichts anderes tun konn-te, als sich den Anweisungen Lebo Axtonszu beugen.

*

Vier Stunden später hob die YREMBELab. Unmittelbar darauf betrat Mara Bonkaldie kleine Kabine, die Axton in der Nähe derHauptleitzentrale zugewiesen worden war.Der Kosmokriminalist saß über Zahlenrei-hen und stellte Berechnungen an. Er schobdie Papiere zusammen, als er die Arkonidinsah, und erhob sich.

»Was kann ich für Sie tun, Mara?« fragteer und bot ihr Platz an.

Sie versuchte ein Lächeln. Es mißlang ihr.»Ich habe inzwischen zusammen mit mei-

nen Offizieren, den Biologen und SorgithArtho die Unterlagen durchgesehen, die Sie

mir übergeben haben«, erklärte sie zögernd.»Ich bin jetzt überzeugt, daß Sie in jeder Be-ziehung recht hatten. Yirrit, der Sumpfvogelwar der Kern des Sabotagetrupps, zu demwohl auch Lano gehört. Ungeklärt ist jedochnoch, von wem der Vogel seine Befehle er-halten hat. Wir sind zu der Ansicht gekom-men, daß Ihre Version am wahrscheinlich-sten ist. Auf Kafa muß eine Geheimstationder Maahks vorhanden sein, von der aus derVogel gelenkt worden ist. Es wird die Auf-gabe meiner Offiziere sein, die Station zufinden und auszuheben.«

»Ich glaube, daß das nicht mehr nötigist«, sagte Axton. »Die Methanatmer wisseninzwischen, daß ihre Pläne fehlgeschlagensind. Das wird sie veranlassen, sich vonKafa zurückzuziehen.«

»Sind Sie der Meinung, daß die Sabotage-fälle damit beendet sind?«

»Vollkommen.«»Dann möchte ich Sie bitten, auf Ylihoffa

die YREMBEL zu verlassen.« Mara Bonkalwich seinen Blicken aus.

»Diese Bitte werde ich Ihnen nicht erfül-len«, erwiderte er hart. »Die YREMBELfliegt anschließend nach Arkon. Das istmein Ziel. Sie werden mich mitnehmen.«

Sie wollte aufbegehren, sagte dann jedochnichts und wandte sich zur Tür. Sie wußte,daß sie im Grunde genommen falsch handel-te. Die Sabotageakte waren einzig und alleindurch ihre Gutgläubigkeit möglich gewor-den.

»Ich möchte den kosmokartographischenRaum noch einmal sehen«, sagte er, bevorsie den Raum verlassen konnte. »Mir ist et-was aufgefallen.«

Sie drehte sich langsam um. »Noch et-was?« fragte sie unsicher.

Er lächelte beruhigend.»Sie haben nichts zu befürchten, Mara.

Ich denke, daß lediglich einer Ihrer Offizierein einer etwas unangenehmen Lage ist.«

»Wer?«»Das erfahren Sie später.«»Ich will es jetzt wissen.«Axton schüttelte den Kopf.

Der Kreis der Zeit 35

»Ich möchte meine Untersuchung erst zuEnde führen und einen klaren Beweis haben.Danach werde ich Sie informieren.«

»Also gut, Lebo«, erwiderte sie. »Ich wer-de Sie in Ihrer Arbeit nicht behindern.«

Axton sah ihr nach, als sie die Kabineverließ und die Tür langsam hinter sichschloß. Er mochte Mara nach wie vor, under konnte nicht verstehen, daß eine Frau vonihrem Format sich so eindeutig auf die Seiteeines Mannes wie Orbanaschol III. geschla-gen hatte. Die Vulkanträgerin hatte eine of-fensichtlich hochstehende Moral, so daß ersich nicht vorstellen konnte, daß sie mit denpolitischen Machenschaften dieses Impera-tors wirklich einverstanden war. Ein offenesWort wäre jedoch nicht nur gefährlich, son-dern auch verhängnisvoll gewesen.

Axton wartete einige Minuten, bis er hof-fen konnte, nicht erneut mit der Arkonidinzusammenzutreffen. Dann stieg er auf denRücken seines Roboters und machte sich aufden Weg zur kosmokartographischen Stati-on. Bei der ersten Besichtigung der Räumewar ihm aufgefallen, daß dort auch ein Bau-plan der YREMBEL vorhanden war. Diesersollte zur Ausgangsbasis für alle weiterenSchritte werden.

Die Zeit drängte. Die Schlacht im Chemi-Spieth-System stand unmittelbar bevor. Ax-ton wußte lediglich, daß sie an den Katanendes Capits stattfinden würde, diese aber dau-erten fünf Arkontage. Wann begann dieAuseinandersetzung? Am ersten oder erstam letzten Tag? Wann kam der Alarmruf fürMara Bonkal und der Befehl, augenblicklichins Chemi-Spieth-System aufzubrechen?

Auf dem Weg zu seinem Ziel begegneteer zahlreichen Offizieren und Mannschaften.Überall herrschte rege Betriebsamkeit. Manverhielt sich ihm gegenüber reserviert, ob-wohl man ihm im Grunde genommen dank-bar hätte sein müssen. Das störte Axton je-doch nicht.

Der kartographische Raum war mit zweiweiblichen Offizieren und einem Wissen-schaftler besetzt. Sie arbeiteten an den po-sitronischen Geräten und trafen die letzten

Vorbereitungen für die bevorstehende Tran-sition, die durchgeführt werden würde, so-bald die YREMBEL annähernd Lichtge-schwindigkeit erreicht hatte. Unter diesenUmständen mußte der Kosmokriminalistwarten. Unauffällig sah er sich in der Stationum, während die Arkoniden ihre Arbeit fort-setzten, als sei er nicht vorhanden.

Axton erlebte den Sprung durch denHyperraum vor einem Bildschirm, der eineSkizze des Planeten Ylihoffa zeigte. Es wareine äußerst kleine Welt von nur etwa drei-tausend Kilometern Durchmesser und ohneAtmosphäre. Unter der Oberfläche des Pla-neten befanden sich zahlreiche Höhlen undtempelartige Bauten, in denen die religiösenFeierlichkeiten stattfinden sollten. Unter an-deren Umständen hätte es den Terraner ge-reizt, Zeuge dieser Veranstaltungen zu wer-den. Jetzt bot sie ihm lediglich die Chanceeiner ungestörten Arbeit.

Unmittelbar nach der Rematerialisierungverließen die Arkoniden die Station. Axtonwandte sich sofort den Schiffsplänen zu, diezum Teil durch andere Papiere verdecktwurden, so daß die optischen Geräte Kellyssie nicht voll erfassen konnten. Er überließes dem Roboter, die wichtigsten Details insich aufzunehmen.

Der Form halber hielt er sich noch eineweitere Stunde in der Station auf und verließsie danach. Er kehrte in seine Kabine zu-rück. Die YREMBEL befand sich bereits imYlihoffa-System, das nur aus einer kleinengelben Sonne und dem einen Planeten be-stand. Zahlreiche andere Raumschiffe hattensich hier bereits eingefunden. Lebo Axtonkonnte sie auf dem Bildschirm in seiner Ka-bine klar erkennen. Fast alle waren kleineEinheiten ohne militärische Ausstattung. Siealle würden bei den bevorstehenden Ausein-andersetzungen keine Rolle spielen.

Nachdem er das erkannt hatte, wandte ersich Kelly zu.

Der Roboter zeichnete schnell und präzisedie Plandetails auf, die Axton abforderte.

Die Hauptleitzentrale befand sich unmit-telbar unter dem kosmokartographischen

36 H. G. Francis

Raum, eine direkte Verbindung gab es aller-dings nicht.

»Du weißt, worum es geht, Kelly«, sagteAxton. »Ich muß an die Hauptpositronikheran. Dabei interessiert ausschließlich derSektor, der die Kursprogrammierung unddamit das Transitionstriebwerk betrifft.«

Der Roboter ergänzte die Zeichnung undmarkierte die Punkte in der Hauptleitzentra-le, die Axton erreichen mußte. Da der Terra-ner bei der Schiffsbesichtigung bereits in derZentrale gewesen war, stellten sie für ihnkeine Überraschung dar. Sie befanden sichan der Peripherie der halbkugelförmig ange-legten Zentrale.

»Die einzige Möglichkeit, unbemerktdorthin zu kommen, besteht darin, durch dieBelüftungsschächte zu kriechen«, führteKelly aus. »Diese sind allerdings reichlicheng bemessen. Für dich könnten sie abernoch ausreichend Platz bieten, Schätzchen.«

»Damit habe ich gerechnet. Das ist derwunde Punkt bei den meisten Raumschif-fen.« Er ließ sich genau zeigen, wie lang dieStrecke war, die er zurückzulegen hatte.

»Hier ist ein Sonderalarmsystem ange-führt«, ergänzte der Roboter seine Erläute-rungen. »Das ist eine weitere Schwierigkeit.Sobald etwas in das Belüftungssystem ein-dringt, was nicht ausgefiltert werden kann,weil es zu groß ist, wird in der Hauptleitzen-trale ein Alarmsignal ausgelöst.«

»Also ist Mara doch nicht ganz so unvor-sichtig, wie ich befürchtet habe«, bemerkteAxton. »In diesem Fall wäre mir ein bißchenLeichtsinn allerdings lieber gewesen.«

»Ich kann das erledigen, Herzchen«, er-klärte Kelly. »Die Hauptüberwachung befin-det sich in der Zentrale. Wenn ich in ihreNähe komme, kann ich sie mit einem ener-getischen Impuls lahmlegen.«

»Dann beginnen wir«, sagte Axton ent-schlossen. Er kletterte erneut auf denRücken seines Roboters und befahl ihm, ihnin die Hauptleitzentrale zu bringen. Auf demWeg dorthin überlegte er, was er Mara Bon-kal fragen sollte. Ihm wollte jedoch nichtsRechtes einfallen. Erst als er die Arkonidin

sah, wußte er, was er sagen mußte.»Ich benötige eine Liste der Offiziere und

Mannschaften, Mara«, erklärte er. »Dabeikommt es mir vor allem darauf an, auch dieGeburtsplaneten der Besatzungsmitgliederzu erfahren. Ich nehme an, daß nicht alle aufArkon zur Welt gekommen sind.«

»Sie können sie haben, sobald ich von denFeiern auf Ylihoffa zurückgekehrt bin. Daswird in achtundzwanzig Arkonstunden derFall sein.«

»Das genügt«, erwiderte er.Sie schöpfte keinen Argwohn. Er verab-

schiedete sich und kehrte in seine Kabinezurück. Hier traf er seine letzten Vorberei-tungen. Nun wollte er keine Zeit mehr ver-lieren. Als Mara Bonkal mit nahezu dem ge-samten Offiziersstab und einem Teil derMannschaft die YREMBEL verließ, warAxton einsatzbereit. Er wartete, bis die Bei-boote mit den Arkoniden gestartet waren,dann ließ er sich in den kosmokartographi-schen Raum hinauftragen. Die Station warnicht besetzt. Als Axton sich jedoch bereitsan dem Belüftungsgitter zu schaffen machte,meldete Kelly einen Astronomen.

Axton saß über einigen Karten, als derWissenschaftler eintrat.

»Ich hatte Sie hier nicht erwartet«, sagteer überrascht.

»Wenn Sie hier etwas zu erledigen haben,dann müssen Sie es auf später verschieben«,erwiderte Axton, ohne auf seine Worte ein-zugehen. »Ich möchte in der nächsten Stun-de nicht gestört werden.«

Der Arkonide machte keine Schwierigkei-ten. Wortlos zog er sich zurück. Axtonschickte Kelly hinaus und postierte ihn vordie Tür. Er erteilte ihm die Anweisung, nie-manden in die Station zu lassen. Da er wuß-te, daß der Roboter sich strikt an diesen Be-fehl halten würde, kroch er nun in den Be-lüftungsschacht. Eine Tasche mit allerleiAusrüstungsgegenständen, die allerdings nurwenig Raum einnahmen, hängte er sich umden Hals. Eine winzige Lampe leuchtete aneinem Stirnband, so daß er die Hände freihatte.

Der Kreis der Zeit 37

Der Schacht war tatsächlich so eng, daß ernur langsam vorankam. Immer wieder stießer zudem auf Filter, die er entfernen mußte,ohne sie dabei beschädigen zu dürfen. Aufdem Rückweg mußte er sie wieder anbrin-gen, um so seine Spur zu verwischen. DieseArbeiten hielten ihn außerordentlich langeauf.

Solange er waagrecht kriechen konnte,kam er dennoch gut voran. Wirklich schwie-rig wurde es erst, als er eine Schachtabzwei-gung nehmen mußte, die senkrecht nach un-ten führte. Er hatte keine andere Wahl. Esgab keinen anderen Weg zur Hauptpositro-nik. Mit einem Spezialkleber heftete er eindünnes Seil an die Seitenwand des Belüf-tungsschachts, an dem er sich auf demRückweg wieder hochziehen wollte. Dannließ er sich mit den Beinen voran etwa zehnMeter weit nach unten, ohne dabei auf einHindernis zu stoßen.

Mühsam nach Atem ringend und vorSchwäche stöhnend, quälte er sich um eineenge Biegung in den Gang ein, in dem er zurPositronik gelangen wollte. Die Luft wurdeheiß und stickig, weil der Rundlauf gestörtwar. Ihm flimmerte es vor den Augen, under mußte eine Pause von fast zehn Minuteneinlegen, bis er sich soweit erholt hatte, daßer seinen mühseligen Weg fortsetzen konnte.

Nach wenigen Metern stieß er auf einenFilter. Darauf war er vorbereitet, denn dieserwar in den Plänen eingezeichnet gewesen.Fast dankbar nahm er die erneute Pause hinund machte sich daran, das Gitter zu lösen.Er benötigte dieses Mal weitaus länger alssonst. Als es ihm endlich entgegenkippte,glaubte er, eine kleine Ewigkeit sei vergan-gen. Er blickte auf sein Chronometer undstellte erschreckt fest, daß er den Zeitplanbereits um mehr als siebzehn Minuten über-schritten hatte. Damit befand er sich bereitsim Bereich der Notreserve, ohne mit der ei-gentlichen Arbeit begonnen zu haben.

Als er aufblickte, kauerte ein kleiner, grü-ner Vogel vor ihm und musterte ihn mit zurSeite geneigtem Kopf.

Der Schrecken fuhr Axton in die Glieder.

Dies war ein Sumpfvogel. Er erinnertesich daran, daß ein Schnabelhieb in die Hautbereits tödliche Folgen haben konnte.

Ihm war völlig rätselhaft, wie diesesheimtückische Wesen in den Schacht ge-kommen war. Es mußte unter den Arkoni-den jemanden geben, der unter dem sugge-stiven Einfluß dieses Geschöpfes stand.

Axton fühlte die Impulswellen auf sicheindringen. Er stemmte sich ihnen entgegenund kämpfte sie überraschend leicht nieder.Drohend streckte er dem Vogel das Werk-zeug entgegen, mit dem er bisher die Filtergelöst hatte. Es war einem Schraubenzieherähnlich, hatte jedoch an der Spitze eine mes-serscharfe Klinge.

Der Sumpfvogel zog sich hüpfend einigeZentimeter zurück und musterte ihn erneut,wobei er den Kopf zur Seite neigte. Auf ah-nungslose Gemüter mochte diese Haltungharmlos oder vielleicht gar anziehend wir-ken. Axton aber lief ein Schauer des Entset-zens über den Rücken.

Blitzschnell stieß er mit dem Werkzeugzu, doch der Sumpfvogel hüpfte kreischendzurück. Er öffnete den Schnabel und flattertemit den Flügeln. Dann griff er an.

Er schoß wie ein grüner Pfeil auf Axtonzu, warf sich jedoch geschickt herum, alsdas Messer auf ihn zufuhr. Wild hieb es mitdem Schnabel nach der Hand Axtons, trafjedoch nur den Daumennagel, ohne diesendurchbohren zu können.

Der Terraner fluchte. Der Schweiß drohte,ihm in die Augen zu laufen. Er achtete nichtdarauf, sondern stieß erneut mit aller Kraftzu. Dieses Mal hatte er mehr Glück. Erdurchbohrte den Sumpfvogel und tötete ihn.Hastig zog er seine Hand zurück, als er sah,daß der Kopf nach vorn ruckte, und derSchnabel sich ihm in die Haut zu hackensuchte.

Der Todeskampf des tückischen Feindesdauerte mehrere Minuten. Axton sah schau-dernd zu. Er wagte nicht, sein Werkzeug zubergen, solange der Sumpfvogel sich nochregte. Endlich aber war es soweit. Mit äu-ßerster Vorsicht nahm er das Instrument an

38 H. G. Francis

sich und schob den toten Vogel vor sich her.Er sah kurz darauf, daß dieses Wesen einender Filter durchschlagen hatte, und er staun-te, über die Kraft, die es dabei entfaltet hat-te.

War es allein gewesen? Gab es noch wei-tere Sumpfvögel in dem Gewirr der Belüf-tungsschächte?

Die Gedanken an diese Gefahr mindertenseine Konzentration, so daß er plötzlichnicht mehr genau wußte, wo er war. Er ver-suchte in aller Eile, seinen Weg zu rekon-struieren, aber es gelang ihm nicht.

Ärgerlich über sich selbst löschte er dieLampe an seiner Stirn. In völliger Dunkel-heit überdachte er jeden Meter, den er ge-krochen war, bis es absolut keinen Zweifelmehr über seine exakte Position geben konn-te. Er überprüfte seine Berechnungen nochzwei weitere Male, dann war er ganz sicher,daß er sich nicht geirrt hatte. Er schaltete dasLicht wieder an.

Lautlos kroch er weiter, bis er an dennächsten Filter kam. Auch dieser war vondem Sumpfvogel durchstoßen worden. Eini-ge grüne Federn lagen noch herum. Axtonlegte den Vogel dazu und legte einen Maß-stab an das Gitter. Danach markierte ereinen Punkt an der Seitenwand. Dahintermußte eine Lücke in der Hauptpositroniksein.

Er setzte ein Desintegratormesser an dieSeitenwand und zog es langsam daran her-unter. Das Material löste sich augenblicklichauf. Sekunden darauf fiel ihm eine Platteentgegen, die etwa fünfzig Zentimeter hochund vierzig Zentimeter breit war.

Er blickte durch die entstandene Lückeund atmete auf.

Er hatte sein Ziel haargenau gefunden.Der Schnitt mit der Desintegratorklinge hat-te nur wenige Zentimeter an wichtigen Po-sitronikelementen vorbeigeführt.

Er löschte die Lampe. Einige Sekundenverstrichen, bis er sich ans Dunkel gewöhnthatte. Wiederum spähte er durch die Öff-nung in das Innere der Hauptpositronik hin-ein. Er konnte nirgends eine Stelle ent-

decken, durch die Licht eindrang. Das be-deutete, daß die Lichtquelle in seinem Stirn-band ebenfalls nicht auffallen würde. EinOffizier, der sich zufällig über die Positro-nikbank beugte, konnte nichts bemerken.

Er schaltete das Licht wieder an und holtedann die vorbereiteten Elemente aus seinerBluse hervor, wobei er sich keuchend hinund her wälzte, bis es ihm endlich gelang,den Arm so zu verdrehen, daß er die Bau-steine ergreifen konnte. Als er es geschaffthatte, mußte er eine Pause einlegen. DieMuskeln seiner Arme zuckten, und er be-fürchtete einen Krampf. Dieser konnte ihmin der qualvollen Enge des Schachts ver-hängnisvoll werden.

Er versetzte sich selbst in einen trance-ähnlichen Zustand völliger Ruhe und Ent-spannung. Danach ging es ihm deutlich bes-ser. Es gelang ihm, sich völlig auf die Arbeitzu konzentrieren.

Er schob beide Arme durch die Lücke inder Wand, stemmte sich mit gespreiztenBeinen vorsichtig ab und glitt so Zentimeterum Zentimeter in die Hauptpositronik derYREMBEL hinein. Sorgfältig achtete er dar-auf, daß er keinerlei Geräusche verursachte.

Er hörte die Stimmen der Offiziere in derZentrale. Sie unterhielten sich über die Fei-erlichkeiten auf dem Mini-Planeten Ylihof-fa. Sie schienen nicht viel davon zu halten.Fruchtbarkeitsriten gehörten ihrer Meinungnach in eine barbarische Vergangenheit.Männer und Frauen, die in den Feierlichkei-ten der Katanen des Capits aufgingen, warenihrer Ansicht nach überspannt. Dabei nah-men sie ihren Oberkommandierenden MaraBonkal allerdings aus. Sie sprachen in Tö-nen höchster Hochachtung von der Arkoni-din. Axton war sich dessen jedoch nichtganz sicher, ob sie es wirklich ehrlich mein-ten oder sich Vorteile von solchen Äußerun-gen versprachen.

Er verschloß sich ihren Gesprächen undkonzentrierte sich völlig auf seine Arbeit. Erwußte, daß die Zeit drängte. Oben standGentleman Kelly und bewachte die kosmo-kartographische Zentrale. Niemand konnte

Der Kreis der Zeit 39

sagen, wie lange er die Arkoniden davon ab-halten konnte, diese zu betreten. Axton rech-nete damit, daß sie sich irgendwann überKelly hinwegsetzen würden, da er keine Ge-walt anwenden durfte.

Er drückte die Bauteile an die Transitions-automatik, von der aus bindende Kursbefeh-le auch an die anderen Raumschiffe der klei-nen Flotte gehen würden. Diese würden vonden Hauptpositroniken aufgenommen undan die Autopiloten weitergeleitet werden, sodaß das ganze Geschwader beieinander blei-ben würde. Schlug die YREMBEL einenfalschen Kurs ein, dann taten die anderenSchiffe es auch.

Es zischte leise.»He, war da nicht etwas?« fragte eine

Stimme, die unmittelbar neben Axton aufzu-klingen schien.

Der Terraner verhielt mitten in der Bewe-gung.

»Ich habe doch etwas gehört«, sagte diegleiche Stimme.

»Was ist denn los?« erkundigte sich einanderer Offizier. Er hatte ein helles, unange-nehm klingendes Organ.

»Da war irgend etwas, Solk.«Axton zwang sich, ruhig und leise zu at-

men. Seine Hände begannen zu zittern, undwiederum verkrampfte sich die Muskulaturseiner Arme.

In der Hauptleitzentrale wurde es still.Dann näherten sich ihm Schritte.

»Wo denn, Artishod?«»Hier. In der Positronik.«»Die Instrumente zeigen nichts an. Teste

doch mal durch.«Axton vernahm das Klicken, Wispern und

Rascheln verschiedener Instrumente. Er hör-te, wie die Hand des Arkoniden über dieSchaltelemente über ihm glitt. Vorsichtigsenkte er seine Hand zum Kopf und schalte-te das Licht aus. Voller Anspannung warteteer.

Wenn die Arkoniden jetzt bemerkten, daßein Teil des Alarmsystems ausgeschaltetwar, dann war alles vorbei. Sollte einer vonihnen auf den Gedanken kommen, einen

Teil der Verschalung aufzuklappen um indas Innere der Positronik zu sehen, mußte erihn entdecken.

Axton war versucht, sich fluchtartig indas Belüftungssystem zurückzuziehen, docher widerstand diesem Verlangen. Er mußtean Ort und Stelle bleiben, weil sich Ge-räusche bei einem hastigen Rückzug nichtvermeiden ließen.

»Hier ist nichts, Solk.«»Alles in Ordnung, Artishod?«»Scheint so. Aber ich habe etwas gehört.«»Du wirst dich getäuscht haben.«Axton wartete.Er hoffte, daß die Arkoniden ihre Unter-

haltung fortsetzen würden, aber sie dachtenoffenbar nicht daran.

Mehrere Minuten verstrichen. Immernoch war es still in der Zentrale. Axton wag-te es nicht, seine Arbeit wieder aufzuneh-men, weil sich ein abermaliges Zischennicht umgehen ließ, wenn er das letzte Bau-teil verklebte. Da endlich bewegte sich dasHauptschott der Zentrale. Schwere Schrittenäherten sich.

Axton spürte, wie es ihm kalt über denRücken lief. Für einen kurzen Moment be-fürchtete er, entdeckt worden zu sein. Wa-rum sprach niemand? Wurde jetzt die Ver-schalung der Positronik aufgerissen? Kamdenn der tödliche Schuß? War Kelly über-rumpelt worden?

Da endlich klang eine neue Stimme auf,und Axton konnte aus ihr heraushören, daßder Mann fast vor Lachen platzte.

»Ich muß euch etwas erzählen, Leute«,rief der Arkonide. »So etwas habt ihr nochnicht erlebt. Hört zu, eben war ich unten beiFertoik und Pruik. Die beiden …«

Gelächter brandete auf. Offenbar unter-strich der Neuankömmling seine Worte mitvielsagenden Gesten.

Lebo Axton handelte blitzschnell. Erbrachte den Kleber an. Es zischte leise auf.Aber dieses Mal ging das Geräusch völlig inden anderen unter. Danach brachte der Ter-raner eine Desintegratorschaltung an undführte eine letzte Prüfung durch. Er hatte

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keinen Fehler gemacht.Sorgfältig beseitigte er alle Spuren. Er

wischte vor allem den Staub am Rand derSchnittstellen auf, die er mit dem Desinte-gratormesser in die Seitenwand gezogen hat-te. Danach kroch er langsam wieder in denBelüftungsschacht zurück. Hier nahm er dentoten Sumpfvogel auf und steckte ihn in dieTasche. Er barg ebenfalls alle Federn, diedas Wesen verloren hatte. Niemand durfteauf den Gedanken kommen, daß ein Zusam-menhang zwischen dem Sumpfvogel undMara Bonkals Handlungsweise vorhandenwar. Axton hoffte nur, daß sich nicht nochweitere Vögel an Bord der YREMBEL auf-hielten. Sie konnten seine gesamten Plänezerstören.

Er drückte die herausgeschnittene Plattein die Öffnung der Positronikrückwand undstrich vorsichtig einen Kleber über die Kan-ten. Das Material verschmolz augenblicklichmiteinander und fügte sich schließlich so indie Metallplastikfläche ein, daß keinerleiSpuren zurückblieben.

Da Axton sich nicht umdrehen konnte,mußte er nun mit den Füßen, voran zurück-kriechen. Das erwies sich als weitaus mühe-voller, als er vorher angenommen hatte.Schwierigkeiten ergaben sich vor allem, alser die Stellen passierte, an denen er die Fil-ter herausgelöst hatte. Hier verhakte er sichmit seinen Kleidern in scharfen Ecken undvorspringenden Stiften. Kostbare Zeit gingdamit verloren, daß er Stoffspuren beseiti-gen und die Filter wieder befestigen mußte.Er glaubte hören zu können, daß über ihmArkoniden auf Gentleman Kelly einspra-chen.

Endlich erreichte er den aufwärts führen-den Schacht. Hier konnte er den miniaturi-sierten Antigrav einsetzen, den Kelly stetsfür ihn mitführte. Relativ mühelos stieg erauf, kroch dann mit dem Kopf zuerst ineinen Seitengang und erreichte die Öffnungin der kartographischen Station.

Tatsächlich vernahm er die wütendenStimmen einiger Arkoniden, die sich dar-über beschwerten, daß sie die Station nicht

betreten durften.Axton kletterte aus dem Schacht, befestig-

te den Filter wieder, überprüfte seine Klei-der, beseitigte einige verräterische Spurenvon Klebstoff an seinen Händen und öffnetedann die Tür.

»Was ist hier los?« fragte er mit scharferStimme.

Drei Arkoniden standen vor ihm. Es wa-ren Wissenschaftler.

»Wir benötigen dringend wissenschaftli-che Unterlagen für unsere Arbeit«, erklärteeiner von ihnen. »Aber dieser Dummkopfvon einem Roboter läßt uns nicht vorbei.«

»Dieser Dummkopf von einem Roboterhandelt strikt nach meinem Befehl«, erwi-derte Axton kalt. »Sie werden sich noch et-was gedulden müssen, meine Herren.«

Er schloß die Tür wieder, ohne sich umdie Proteste der Arkoniden zu kümmern.Dann überprüfte er noch einmal, ob er auchalle Spuren beseitigt hatte. Dabei ging er mitder Präzision und Sorgfalt des Kriminalistenvor, der seine Erfahrungen aus einer Arbeitvon mehreren Jahrhunderten schöpfen konn-te. Erst als er absolut sicher war, daß ihmkein Fehler unterlaufen war, verließ er diekosmokartographische Zentrale.

Zehn Minuten später kam der General-alarm.

*

Lebo Axton betrat die Hauptleitzentralewenige Minuten nach Mara Bonkal, die infliegender Eile von Ylihoffa zurückgekehrtwar.

Die Frau war verwandelt, sie wirkte eis-kalt und beherrscht. Ihre Befehle kamen prä-zise, knapp und scharf. Sie unterschied sichdurch nichts mehr von einem männlichenOberbefehlshaber.

»Sie stören«, sagte sie, als Axton in derZentrale erschien.

Er setzte sich in einen freien Sessel, alshabe er nichts gehört. Zornig ging sie aufihn zu. Sie verhielt sich so, als habe sie ihnnie zuvor gesehen.

Der Kreis der Zeit 41

»Muß ich Ihnen erst den dienstlichen Be-fehl erteilen, die Zentrale zu verlassen?«fragte sie scharf.

»Das wird Ihnen nichts nützen, Mara«,antwortete er gelassen. »Sie wissen, daß ichauf Grund meiner Funktion berechtigt bin,mich an jedem Punkt des Raumschiffs auf-zuhalten, den ich beobachten will. Ich werdemir nicht entgehen lassen, welche Vorberei-tungen Sie treffen, und wie Sie mit derYREMBEL eingreifen werden. Woher istder Alarmruf gekommen?«

Ihr Gesicht hatte eine wächserne Tönungangenommen.

»Im Chemi-Spieth-System ist eineSchlacht mit den Methans im Gange«, er-klärte sie. »Wir stehen überlegenen Verbän-den gegenüber. Deshalb wird die YREM-BEL dringend benötigt. Wir hoffen, mit ihrnoch eine Niederlage abwenden zu können.«

»Dann beeilen Sie sich«, forderte Axton.»Kümmern Sie sich nicht um mich. Ich wer-de Sie nicht stören und niemanden aufhal-ten.«

Sie akzeptierte widerwillig, daß er dieZentrale nicht verlassen würde, und verzich-tete auf eine zeitraubende Auseinanderset-zung. Sie eilte auf ihren Platz zurück.

Die YREMBEL beschleunigte bereits mitHöchstwerten. Auf dem Panoramabild-schirm war eine auffallende Sternenformati-on zu erkennen. Sieben Sonnen bildeteneinen Pilz, der aus dem Nichts heraus zuwachsen schien.

Axton ließ sich nicht anmerken, unterwelcher Anspannung er stand. Er beobachte-te die Offiziere. An ihren Stimmen konnte ersie identifizieren. Auch sie arbeiteten ruhig,schnell und genau. Sie beherrschten die In-strumente und bildeten zusammen mit MaraBonkal ein hervorragend eingespieltesTeam. Wiederum bedauerte Axton, daß die-se Frau sich auf die Seite Orbanaschols III.geschlagen hatte.

»Transition«, befahl die Arkonidin.Der Erste Offizier drückte eine rote Taste.

Fast gleichzeitig setzte ein ziehenderSchmerz ein. Axton spürte die Entmateriali-

sation deutlich. Die Umgebung ver-schwamm vor seinen Augen. Er hatte dasGefühl, von einer unwiderstehlichen Gewaltnach vorn gerissen zu werden. Als er sichinstinktiv nach hinten stemmen wollte,schleuderte ihn etwas zurück, und die Weltum ihn wurde wieder materiell stabil. Aufdem Panoramaschirm leuchteten völlig an-dere Sterne als noch kurz zuvor.

Die YREMBEL raste mit annäherndLichtgeschwindigkeit auf eine rote Sonnezu.

»Ortung?« fragte Mara Bonkal scharf.»Negativ«, antwortete der Funk- und Or-

tungsleitoffizier.»Negativ?« Die Arkonidin fuhr herum.

Ihre Frage klang wie ein Schrei. Ihr Gesichtverzerrte sich.

»Keine Ortung«, bestätigte der Offizier.Die Arkonidin blickte auf den Bildschirm.

Ihr Kopf wandte sich hin und her, als sichihre Augen auf die verschiedenen Sonnenrichteten.

»Fehlberechnung«, meldete der Erste Of-fizier. »Wir befinden uns nicht am Ziel-punkt.«

»Der Sprung war zu kurz«, behauptete ei-ner der anderen Offiziere. Der Stimme nachmußte es Artishod sein.

Die rote Sonne kam rasend schnell näher.Es mußte etwas geschehen. Mit dem Nor-maltriebwerk konnte die YREMBEL ihrnicht ausweichen.

»Transition«, befahl Mara Bonkal.Der Erste Offizier drückte die Taste.»Mara, nein«, schrie Lebo Axton. »Das

dürfen Sie nicht …«Das Raumschiff entmaterialisierte und

setzte seinen Flug in entstofflichter Formdurch den Hyperraum fort. Als überdimen-sionale Energiespirale überbrückte es dieDistanz von etwa zwölf Lichtjahren in Null-zeit.

»Stören Sie nicht«, brüllte Mara Bonkalzurück, als die YREMBEL rematerialisierte.»Was fällt Ihnen ein?«

Wie von Sinnen fuhr sie auf ihn zu, wir-belte dann jedoch herum, als sie hörte, wie

42 H. G. Francis

der Erste Offizier zu fluchen begann.Auf dem Panoramaschirm zeichneten sich

völlig unbekannte Sternenformationen ab.Auf den Ortungsschirmen war nicht ein ein-ziger Reflex zu erkennen, der auf ein ande-res Raumschiff hingewiesen hätte.

»Ich sagte doch, daß Sie das nicht hättentun dürfen«, bemerkte Axton ruhig.

»Welcher Wahnsinnige hat das verschul-det?« fragte die Arkonidin. Ihre Stimmebebte vor Zorn. Sie eilte auf den Chefnavi-gator zu, packte ihn an der Schulter, wirbelteihn herum und schlug ihm die flache Handins Gesicht. »Sie elender Narr.«

Ihre Reaktion zeigte, daß sie sich der pre-kären Lage bewußt war, in der sich dieYREMBEL und sie sich befanden.

»Man wartet auf uns. Jede Minute kannTausenden von Arkoniden das Leben ko-sten«, schrie sie. »Und Sie sind nicht in derLage, die kosmischen Kursdaten richtig zuprogrammieren.«

»Ich habe keinen Fehler gemacht«, be-hauptete der Offizier. Er tippte eine Reihevon Tasten. Auf den Bildschirmen vor ihmerschienen Zahlenkolonnen. Sekunden spä-ter bestätigte die Hauptpositronik, daß allesrichtig war. Die Zieldaten waren richtig er-mittelt und an den Autopiloten weitergeleitetworden.

»Das ist Sabotage«, stellte Mara Bonkalfest. »Das ist Verrat.«

»Sabotage?« fragte Axton ruhig. »Dazudürften die Saboteure keine Gelegenheit ge-habt haben.«

»Sie halten den Mund!« schrie die Arko-nidin.

Sorgith Artho betrat die Hauptleitzentrale.Bestürzt blickte er auf das Durcheinander.

»Warum befinden wir uns nicht imSchlachtgebiet?« fragte er.

»Wenn Sie noch ein Wort sagen, erschie-ße ich Sie«, erklärte Mara Bonkal.

Artho fuhr erschrocken zurück und setztesich neben Lebo Axton. Fassungslos beob-achtete er das Geschehen in der Zentrale.Mara Bonkal fing sich schnell. Mit erstaun-licher Übersicht leitete sie ihre Offiziere an,

als sie den Schock überwunden hatte.»Wir ermitteln zunächst die Position«, be-

fahl sie. »Soppthad, versuchen Sie, per Hy-perkom Verbindung mit den kämpfendenEinheiten zu bekommen. Beeilen Sie sich.«

Ihre Anordnungen kamen Schlag aufSchlag.

Wiederum konnte Axton nicht umhin, siezu bewundern.

Nach etwa einer Stunde stand fest, daßman keine Hyperkomverbindung mit denkämpfenden Einheiten herstellen konnte.Man befand sich in einem unbekanntenRaumsektor, weitab von Arkon, Ylihoffaund Kafa. Man war auf sich allein angewie-sen. Jetzt kam es darauf an, die kosmischePosition exakt zu ermitteln. Hatte man dieseWerte, dann konnte die Hauptpositronik neuprogrammiert und das Ziel abermals ange-peilt werden.

Vier Positronikingenieure erschienen inder Zentrale. Mara Bonkal wies sie an, mitder Untersuchungsarbeit zu beginnen.

»Ich will genau wissen, warum es zu die-ser Fehlleistung gekommen ist«, sagte sie.

Axton erhob sich und schickte sich an, dieZentrale zu verlassen. Die Arkonidin fuhrauf ihn zu, packte ihn an der Schulter undhielt ihn fest.

»Sie bleiben hier«, befahl sie.Er lächelte milde.»Warum?«»Weil ich wissen will, was sie im kosmo-

kartographischen Raum getan haben. Sie ha-ben die Unterlagen gefälscht.«

»Gleich werden Sie behaupten, ich seiauch an den Magenverstimmungen schuld,unter denen Sie hin und wieder leiden«, ent-gegnete er spöttisch.

»Was haben Sie dort getrieben?«»Ich habe festgestellt, daß der Verdacht,

den ich zunächst gehegt habe, unbegründetwar. Und jetzt lassen Sie mich gehen.«

»Sie lügen«, sagte sie wütend. »Sie sindein elender Lügner.«

»Wenn Sie meinen …?« Er zuckte mitden Schultern, lächelte erneut und verließdie Hauptleitzentrale. Hilflos blickte sie ihm

Der Kreis der Zeit 43

nach.Kaum hatte sich das Schott hinter ihm

verschlossen, als Axton auf den Antigrav-schacht zustürmte. Ungeduldig glitt er darinnach unten. Dann eilte er weiter bis zu sei-ner Kabine. Völlig atemlos kam er darin an.Er öffnete die Tür und trat ein. »Es ist so-weit«, sagte er keuchend.»Desintegratorschaltung aktivieren.«

»Schätzchen, du bist aber ganz schön ausder Puste«, stellte Gentleman Kelly fest.»Du solltest dich nicht so übernehmen, daskönnte deiner gesunden Gesichtsfarbe scha-den.«

Der Terraner ließ sich auf das Bett fallen.»Aktivieren«, befahl er röchelnd.»Das ist bereits geschehen, Liebling«, er-

widerte der Roboter. »In der Positronik istjetzt nur noch Staub. Es gibt keine Spurmehr von deiner segensreichen Tätigkeit.«

Lebo Axton schloß die Augen. Er fühlte,wie sein Herz in der Brust hämmerte. Durcheine kleine Unachtsamkeit hätte er fast denErfolg der gesamten Aktion in Frage ge-stellt.

»Jetzt kommt es darauf an, Kelly«, sagteer, als er sich wieder einigermaßen erholthatte. »Die YREMBEL wird bald erneutaufbrechen, und dieses Mal wird sie ihr Zielerreichen. Dann aber wird sie mitten insFeuer der maahkschen Energiekanonen ge-raten und vernichtet werden. Was wird dannaus uns?«

»Asche«, antwortete Kelly trocken.»So weit wollen wir es nicht kommen las-

sen«, sagte der Terraner. »Verdammt, so ha-ben wir nicht gewettet.«

»Du mußt aufstehen.«»Ich bleibe liegen, so lange ich will.«»Du bist trotzig.«Axton fuhr hoch.»Da hört sich doch alles auf«, sagte er är-

gerlich. »Muß ich mir so etwas von dir sa-gen lassen, du Schrotthaufen? Du weißt janoch nicht einmal, wovon du sprichst.«

»O doch«, erwiderte Gentleman Kelly.»Wenn ein Mann Widerstand leistet, so sagtman voller Hochachtung von ihm, er habe

einen starken Willen, benimmt sich eineFrau in gleicher Situation ebenso, so sagtman, sie sei dickköpfig, und von einem Kindsagt man schlicht, es sei trotzig. Ist das sorichtig, Herzchen?«

Axton nahm einen Becher mit heißemKaffee und schleuderte ihn Kelly ins Ge-sicht. Der Roboter ließ es sich gefallen.

»Ist dir jetzt besser?« fragte er.»Ich … ich verschrotte dich. Oder ich las-

se dich in der Schlacht von Chemi-Spiethzerstrahlen.«

»Und auf wem willst du dann herumrei-ten?«

»Ich reite nicht auf dir herum, sondern ichlasse mich von dir tragen. Das ist ein gewal-tiger Unterschied.« Axton stand auf, wuschsich das Gesicht, nahm ein leicht alkoholi-sches Getränk zu sich und trat Kelly ab-schließend gegen die Beine.

»Also gut, du Ungeheuer«, sagte er.»Irgend etwas müssen wir tun. Es wäre sinn-los, ein Beiboot klar zu machen, weil wirnicht wissen, wo die YREMBEL die Treffererhält.«

»Du solltest dir einen Raumanzug besor-gen«, empfahl Kelly. »Ich kann auch imfreien Raum existieren. Bei dir habe ich indieser Hinsicht einige Befürchtungen.«

»Sie sind voll berechtigt«, gab Axton zu.Er fühlte sich wieder besser. Er trat auf denGang hinaus. Auf den Raumschiffen des ter-ranischen Imperiums waren stets in unmit-telbarer Nähe der Unterkünfte Schränke mitSchutz- oder Kampfanzügen zu finden. Ähn-lich mußte es auf diesem Raumer auch sein.So dachte Axton. Aber er irrte sich.

Voller Unbehagen blickte er sich um.Er konnte sich nicht von irgendwoher

einen Raumanzug holen. Das würde auffal-len. Nach kurzem Überlegen entschloß ersich, zur Hauptleitzentrale zurückzukehren.Er stieg auf den Rücken Kellys und ließ sichtragen.

»Wir trennen uns nicht mehr«, erklärte erso leise, daß nur der Roboter es hören konn-te. »In den nächsten Stunden fällt die Ent-scheidung. Am besten bleiben wir in der Nä-

44 H. G. Francis

he Mara Bonkals. Sie wird das Ende desRaumschiffs überleben.«

»Steht das fest?«Axton stutzte. Ihm fiel auf, daß er einen

Denkfehler begangen hätte. Aus der ge-schichtlichen Überlieferung war bekannt,daß Mara Bonkal sich heldenhaft in derSchlacht verhalten hatte. Hieß das aber auchwirklich, daß sie die Schlacht überlebt hatte?

Im nächsten Moment schon fluchte er un-beherrscht. Selbstverständlich bedeutete esdas, denn die Bonkal-Sippe hatte ihre gesell-schaftliche Stellung nach der Schlacht festi-gen können. Das war nur unter der FührungMara Bonkals möglich gewesen.

Die Situation begann an seinen Nerven zuzerren. Alles stand auf Messers Schneide.

Er zwang sich zur Ruhe. Wenn er jetztnicht mit äußerster Konzentration vorging,dann mußte er im letzten Moment scheitern.

In der Hauptleitzentrale war es ruhig.Mara Bonkal saß in ihrem Sessel und las

in einer Tabelle. Sie blickte auf, als Axtonhereinkam. Sorgith Artho stand an derHauptpositronik, die von den Technikern ge-öffnet worden war. Er überwachte die Arbeiteines Ingenieurs.

»Wie lange noch, Mara?« fragte Axton.»Wir haben es bald. Es kann nur noch we-

nige Minuten dauern«, erwiderte sie, »dannist uns unsere Position bekannt. Ich habe be-reits entsprechende Startvorbereitungen tref-fen lassen.«

Er zeigte zu Artho hinüber.»Was hat sich dort ergeben?«»Nichts. Es ist absolut schleierhaft, wes-

halb es zu dem zweimaligen Fehlsprungkam.«

»Ihre Situation ist prekär, Mara«, sagte er.»Wenn Sie nicht noch eine absolut überra-gende Rolle in der Schlacht spielen können,sehe ich schwere Zeiten für Sie kommen.«

Sie preßte die Lippen zusammen.»Es war ein technischer Fehler«, erklärte

sie heftig.»Das war es nicht«, bemerkte Sorgith Ar-

tho, der sich zu ihnen gesellte.»Was wollen Sie damit sagen?« fragte sie

mit bebender Stimme.Er wich ihren Blicken aus.»Nichts, Mara, nichts«, erwiderte er leise

und tonlos.»Wollen Sie mir und meinen Offizieren

Feigheit vorwerfen?« schrie sie schrill.»Mara, beherrschen Sie sich doch«, bat

er, Mitgefühl heuchelnd.Die führenden Offiziere der YREMBEL

wandten sich ihnen zu. Sie wollten sich keinWort entgehen lassen, und sie fühlten sichangegriffen.

»Schluß jetzt«, befahl Axton.»Konzentrieren Sie sich auf die Arbeit. DieYREMBEL muß so schnell wie möglichaufbrechen.«

»Die Daten liegen vor«, teilte der Chefna-vigator mit.

»Dann los«, befahl Mara Bonkal wütend.»Verlieren Sie keine Zeit.«

Wieder entwickelte sich jene Geschäftig-keit, die Axton schon einmal fasziniert hatte.Die Arkoniden arbeiteten schnell und genau.Nur noch Minuten verstrichen, dann be-schleunigte der Raumer bereits wieder.

»Ist es nicht üblich, vor einem KampfRaumanzüge anzulegen?« fragte Axton, alssich die Arkonidin zu ihm umwandte.

Sie schürzte verächtlich die Lippen.»Und Sie wollen mir Feigheit vorwer-

fen?« fragte sie.»Ich habe Ihnen nichts vorgeworfen«,

korrigierte er sie sanft, aber nachdrücklich.»Jetzt aber könnte der Eindruck der Leicht-fertigkeit entstehen.«

Ihre Wangen verfärbten sich. Mara Bon-kal fühlte sich in die Enge getrieben. Für Se-kunden wurde sie unsicher. Die Belastungschien zu groß für sie zu werden, doch dannbäumte sie sich energisch auf. Sie gewanndie Gewalt über sich zurück. Sie beugte sichüber ein Mikrophon und erteilte den Befehl,Raumanzüge anzulegen, wo es möglich war.

Dann wandte sie sich zu Artho und Axtonum.

»Auch Sie, meine Herren, werden Raum-anzüge anziehen. Sofort.« Sie gab einem ih-rer Offiziere einen Wink. Der Arkonide eilte

Der Kreis der Zeit 45

zu einem Schrank und holte zwei Rauman-züge hervor. Währenddessen liefen die letz-ten Vorbereitungen für die Transition ab.Die YREMBEL erreichte fast die Lichtge-schwindigkeit und entmaterialisierte.

Als sie rematerialisierte, befand sie sichnoch etwa eine Lichtstunde vom Kampfge-biet entfernt. Auf den Ortungsschirmenzeichneten sich die Raumschiffe der Maahksdeutlich ab. Sie kesselten drei arkonidischeSchlachtschiffe ein, von denen eines bereitsweitgehend zerstört war. Weißliches Feuerschlug strahlend aus seiner Kugelzelle her-vor. Ansonsten gab es nur noch Trümmerund Wracks. Von einer Flotte von ursprüng-lich neunundzwanzig arkonidischen Raum-schiffen war praktisch nichts mehr vorhan-den. Die Methanatmer verfügten dagegennoch über zwölf Raumschiffe, die die Situa-tion souverän beherrschten.

Mara Bonkal zögerte keine Sekunde.Schnell und entschlossen kamen ihre Be-

fehle. Sie wollte mitten in die Szene hinein-springen. Ungeduldig wartete sie die dazunotwendigen Berechnungen und Vorberei-tungen ab.

Dann war es soweit.Axton wußte, daß die YREMBEL nur

noch Minuten existieren würde. Die Offizie-re hatten fast alle Raumanzüge angelegt.Nun zog auch Mara Bonkal in fliegender Ei-le entsprechende Schutzkleidung an. Axtonmühte sich zusammen mit Kelly ab, in einenRaumanzug hineinzukommen. Wenn derRoboter ihm nicht geholfen hätte, dann hätteer es nie geschafft. Als er schließlich wiederin den Haltebügeln auf dem Rücken Kellysstand, bot er ein Bild des Jammers. DerRaumanzug war viel zu groß für ihn. DieBeine waren zu lang, und die Ärmel schlot-terten lose um seine Arme und behindertenihn mehr, als das sie ihm genützt hätten.

Er war sich dessen bewußt, wie lächerlicher in diesem Aufzug aussah. Aber es half al-les nichts. Er brauchte den Raumanzug.

Sorgith Artho konnte sich einige hämi-sche Bemerkungen nicht verkneifen. Axtonsah, daß einige der Offiziere abfällig grin-

sten. Er bemühte sich, es zu übersehen.Die YREMBEL entmaterialisierte erneut

und sprang in das Kampfgeschehen hinein.Als die Bildschirme wieder hell wurden,

erschien ein maahkscher Kampfraumer di-rekt vor dem Schiff. In nur etwa hundertMeter Entfernung raste der arkonidischeRaumer an ihm vorbei.

Mara Bonkal schrie ihre Befehle.Die Energiekanonen der YREMBEL

flammten auf. Feuerfluten jagten in denRaum hinaus und bohrten sich in die Flan-ken des feindlichen Schiffes, das unmittelbardarauf explodierte.

Dann aber wurde die YREMBEL vonschweren Treffern erschüttert. Die Alarmsi-renen heulten auf. Axton hatte Mühe, sichauf dem Rücken Kellys zu halten, als derRoboter zu Boden stürzte. Über ihn hinwegflog Sorgith Artho, der vor Schreck auf-schrie. Blaue Blitze zuckten krachend ausdem Pult der Hauptpositronik. Der Autopilotplatzte auseinander. Feuer schlug aus denBruchstellen und zerstörte die darüber ange-brachten Bild- und Kontrollschirme. Bevorsie jedoch ausfielen, sah Axton, daß die an-deren Raumschiffe der Arkonidin, die durchdie Hauptpositronik an die YREMBEL ge-fesselt waren, im Feuer der Maahks vergin-gen. Dann überschwemmten wahre Kaska-den von Alarmlichtern die noch funktionie-renden Geräte in der Hauptleitzentrale. DieYREMBEL war tödlich getroffen. Darankonnte es jetzt keinen Zweifel mehr geben.

Axton stülpte sich den transparentenSchutzhelm über den Kopf und schaltete dasautarke Versorgungssystem ein. Er atmetesaubere und rauchfreie Luft, während über-all in der Zentrale Brände ausbrachen undübelriechender Qualm aufstieg.

Mara Bonkal hatte ihren Sessel verlassen,da er aus der Halterung gerissen wordenwar. Sie stand aufrecht zwischen den Flam-men und schrie Befehle, die keiner der Offi-ziere mehr ausführen konnte. Kelly richtetesich auf. Axton klammerte sich an ihn. Erlenkte ihn zu der Arkonidin.

»Es ist vorbei, Mara«, rief er ihr mit Hilfe

46 H. G. Francis

der Außenlautsprecher zu. »Sie können sichund die Mannschaft nur noch in den Beiboo-ten retten.«

Sie fuhr herum und blickte ihn an. Ihr Ge-sicht war wachsbleich, und ihre Lippen zit-terten. Sie wollte etwas sagen, doch in die-sem Moment erhielt die YREMBEL einenweiteren Treffer, der das Schiff schwer er-schütterte. Unmittelbar darauf erfolgte einedumpfe Explosion.

Endlich begriff die Arkonidin. Sie war zuBoden gestürzt, raffte sich jetzt mit der HilfeKellys wieder auf, zog den Raumhelm zusich heran und setzte ihn auf. Das Licht er-losch. Sekundenbruchteile später ging dieNotbeleuchtung an.

Axton sah sich mitten in einem unbe-schreiblichen Chaos. Der Zustand der Zen-trale ließ allzu deutlich erkennen, daß dieYREMBEL nur noch ein Wrack war. Keinerder Bildschirme war mehr in Betrieb. DieVerbindung zur Außenwelt war abgerissen.

Axton stellte eine schnelle Berechnungan.

Die YREMBEL war mit einer Geschwin-digkeit, die nur wenig unter der des Lichteslag, in das Schlachtfeld hineingerast. Sie wardurch die Trümmer hindurchgebrochen undhatte Treffer einstecken müssen, ohne dabeiihre Geschwindigkeit wesentlich zu vermin-dern. Sie mußte nun schon Lichtminutenvom Kampf geschehen entfernt sein.

Damit war die Gefahr weiterer Treffer be-hoben. Das Schiff konnte allerdings durchdie mitgeführten Atomraketen weiter zer-stört werden. Die Wahrscheinlichkeit, daßdie Bordbestände explodierten, war hoch.

Die Stimme der Arkonidin klang in seinenHelmlautsprechern auf.

»Wir verlassen die YREMBEL«, teilteMara Bonkal mit resignierender Stimme mit.»In Sektor Blau-Drei müssen noch Beibootevorhanden sein, die intakt sind.«

Sie stand aufrecht in der Zentrale undlenkte ihre Offiziere mit befehlenden Gestenhinaus. Erst als auch Sorgith Artho und Le-bo Axton gegangen waren, verließ sie dieHauptleitzentrale. Axton sah, daß sie sich

noch einmal umdrehte und zurückblickte.

*

Als Axton in die Nähe des Antigrav-schachts kam, fielen die letzten Maschinender YREMBEL aus. Für ihn war der Unter-schied kaum spürbar, als die Antigravaggre-gate aussetzten. Robot Kelly sorgte für einenentsprechenden Ausgleich. Artho, MaraBonkal und die Offiziere aber mußten sichdurch den Schacht nach unten hangeln. IhreRaumanzüge verfügten über keine Fluggerä-te, die sie innerhalb des Schiffes einsetzenkonnten.

Die Arkonidin wurde zusehends nervöser.Sie trieb die Offiziere mit heftigen Wortenan. Axton, der mit Kelly den Abschluß bil-dete, beobachtete Mara im Schein seinesHelmscheinwerfers.

Die Arkonidin verlor zusehends ihre Hal-tung. Plötzlich war sie nicht mehr die reicheFrau, hinter der ein ansehnliches Machtpo-tential stand. Sie war nur noch eine Schiff-brüchige.

Als Kelly den Schacht verließ und Axtonhinter den anderen hertrug, sah Axton zweitote Arkoniden, die in den Trümmern eineraufgerissenen Wand hingen. Mara hatte kei-nen Blick für sie. Sie drängte ihre Offizierevorwärts, bis eine aus ihren Verankerungengerissene Maschine den Gang versperrte.

»Hier geht's nicht weiter«, meldete einerder Arkoniden.

»Wir versuchen es weiter unten«, ent-schied Mara mit schriller Stimme.

»Wir sollten uns trennen«, schlug der Er-ste Offizier vor. »Auf diese Weise findenwir leichter ein Beiboot, das noch intakt ist.«

»Wir bleiben zusammen«, erwiderte dieArkonidin heftig.

Endlich kam sie auf den Gedanken, nachanderen Überlebenden zu suchen. ÜberHelmfunk bat sie um Meldung, aber allesblieb still. – Axton stutzte.

Es war ausgeschlossen, daß niemand au-ßer ihnen die Katastrophe überlebt hatte. DieSchäden am Schiff waren beträchtlich, den-

Der Kreis der Zeit 47

noch aber mußte es noch Abschnitte geben,die unzerstört waren. Daher wäre es ein all-zu großer Zufall gewesen, wenn nur diejeni-gen überlebt hätten, die sich in der Haupt-leitzentrale aufgehalten hatten. Die StimmeMara Bonkals verriet, daß auch sie davonüberzeugt war.

»Ich weiß, daß Sie mich hören können«,schrie sie in ihr Mikrophon. »Ihr Schweigenbetrachte ich als Verrat. Ich werde daher je-den vor ein Kriegsgericht bringen, der sichnicht augenblicklich meldet, obwohl er dieMöglichkeit dazu hätte.«

Jetzt klangen vereinzelte Stimmen in denKopfhörern Axtons auf. Er zählte mit. Insge-samt erfolgten zwölf Meldungen. Auch daswar noch nicht genug. Es mußten noch mehrArkoniden überlebt haben.

Die Gruppe erreichte einen Gang, der kei-nerlei Beschädigungen aufwies. Drei Män-ner in Raumanzügen kamen ihr entgegen.Sie salutierten vor der Arkonidin und nann-ten ihre Namen.

»In Hangar Vier steht ein Raumgleiter«,teilte einer von ihnen mit. »Die Maschine istvollkommen intakt. Sie bietet allerdings nurfür vierzehn Personen Platz.«

»Wir sind fünfzehn«, stellte der Erste Of-fizier nüchtern fest. »Wie sieht es in den an-deren Hangars aus?«

»Auf dieser Seite des Schiffes gibt es kei-ne funktionsfähigen Beiboote mehr«, sagteder Ingenieur. Seine Stimme schwankte un-merklich. Mara Bonkal hatte ein feines Ge-hör dafür.

»Was ist los?« fragte sie barsch.Der Ingenieur zögerte.»Reden Sie«, fuhr sie ihn an.»Ofghal Xarxoh ist mit sechs Mann in ei-

ner Maschine geflüchtet.«»Xarxoh hat sich nicht gemeldet«, stellte

sie zornig fest.Sie befahl einem der Offiziere, das Schott

zum Hangar zu öffnen. Dann drängte siesich als erste durch den Durchgang. Sie stießsich ab und schwebte mit ausgestreckten Ar-men zu dem Raumgleiter hinüber. Als Ax-ton die Maschine sah, zweifelte er daran,

daß sie wirklich vierzehn Personen aufneh-men konnte. Sie war viel zu klein und mußtebereits mit acht Personen überbesetzt sein.

Die Arkonidin öffnete die Schleuse undkroch hinein. Im Schiff gingen die Lichteran. Axton sah Mara Bonkal unter der trans-parenten Haube über dem Kommandostanderscheinen. Sie kümmerte sich nicht um dieanderen. Ihr schien es nur darauf anzukom-men, daß sie an Bord war. Alles andere schi-en ihr egal zu sein.

Er begriff, daß er sich grundlegend in ihrgetäuscht hatte. Sie war nicht die Persön-lichkeit, die er bisher in ihr gesehen hatte.Ein terranischer Kommandant hätte in dieserSituation ganz anders gehandelt. Er wäre mitSicherheit nicht der erste an Bord gewesen.Er hätte auch keine Anstalten gemacht, dasSchiff zu verlassen, ohne sich vorher davonzu überzeugen, daß sich niemand mehr in-nerhalb des Wracks befand, der Hilfe benö-tigte. Warum kümmerte die Arkonidin sichnicht um die anderen Arkoniden, die sichgemeldet hatten?

»Es sieht so aus, Kelly, als müßten wiruns jetzt trennen«, sagte Axton. »Unser ge-meinsamer Weg scheint zu Ende zu sein.«

»Ich werde mich außen am Beiboot befe-stigen«, kündigte der Roboter an. »Soschnell wirst du mich nicht los, Herzchen.«

»Hoffentlich kommst du nicht auf denGedanken, dich in einen der Abstrahlschäch-te zu setzen«, sagte Axton. »So wie du bist,bist du eigentlich kaum brauchbar, als glü-hender Metallklumpen taugst du aber über-haupt nichts mehr.«

»Ich werde meinen einmaligen Wert er-halten«, erklärte Kelly.

Er trug Axton zum Beiboot. Mittlerweilewaren bereits fünf Offiziere an Bord gegan-gen. Dabei hatten sie sich streng nach ihrerRangordnung gerichtet, so daß die rang-höchsten Offiziere sich nunmehr in Sicher-heit wähnen konnten. Ganz klar war abzuse-hen, wer schließlich draußen bleiben würde.Es mußte einer der beiden Ingenieure sein,da sie den niedrigsten Rang von allen be-kleideten. Sorgith Artho verschaffte sich

48 H. G. Francis

energisch Zutritt vor dem Ortungsoffizier,den er mit einer wütenden Armbewegungzurückdrängte. Dabei entstand eine Lücke.

Gentleman Kelly handelte entschlossen.Er griff über seine Schultern hinweg nachAxton, hob ihn aus den Halterungen undwarf ihn mit geschicktem Schwung in dieSchleuse. Der Terraner prallte hart auf undrutschte in das Beiboot hinein. Er fluchte är-gerlich, obwohl er anerkannte, daß der Ro-boter ihn dadurch eine direkte Auseinander-setzung mit den Arkoniden erspart hatte.

Im Raumgleiter herrschte bereits einequalvolle Enge. Axton konnte sich nichtvorstellen, daß tatsächlich zwölf Personenaufgenommen werden konnten.

»Es geht nicht«, sagte er, wobei er sich ineine Ecke preßte. »Wir schaffen es nicht.«

»Unmöglich«, stimmte Sorgith Artho zu.»Mehr als zehn Personen gehen nicht in dieKabine. Die anderen müssen draußen blei-ben. Sie sollen nach einem anderen Beibootsuchen.«

Mara Bonkal blickte auf die Schleuse. Inihrem Gesicht arbeitete es.

»Die Raumanzüge sind zu sperrig. Da-durch geht zuviel Platz verloren«, stellte siefest.

»Wir müssen sie ablegen und ausschleu-sen«, sagte der Erste Offizier.

»Das Risiko ist zu hoch«, erwiderte dieArkonidin. Sie fuhr herum und senkte ihreHand auf einen Knopf. Die Schleusenschotteschlossen sich.

Vier Männer waren noch draußen. Einervon ihnen versuchte im letzten Moment, indie Schleuse zu kommen. Axton hörte sei-nen gräßlichen Schrei, als seine Arme vondem sich schließenden Schott abgetrenntwurden.

Er konnte durch die transparente Scheibenach draußen blicken. Die drei anderenMänner waren vor Entsetzen wie gelähmt.Mit einer solchen Entscheidung ihres Kom-mandanten hatten sie nicht gerechnet. Einervon ihnen griff nach seinem Energiestrahler,den er am Gürtel trug.

»Wenn Sie das tun, Mara Bonkal, dann

werde ich den Raumgleiter zerstören«, droh-te er.

Die Arkonidin senkte ihre Hand erneutauf die Tasten. Die seitlichen Bordstrahlerblitzten auf. Eine Feuerflut raste über diedrei Arkoniden hinweg und verbrannte sie.

Mara Bonkal betätigte die Funktaste, mitder die Hangarschleuse normalerweise zuöffnen war. Doch jetzt bewegten sich diebeiden Schotte nicht. Kurz entschlossen feu-erte sie die Bugstrahler ab. Innerhalb weni-ger Sekunden zerfetzte sie damit sowohl dasInnen- wie das Außenschott der Schleuse.Der Weg war frei.

Sie startete das Beiboot und jagte es inden Raum hinaus.

*

An Bord herrschte angespanntes Schwei-gen. Keiner der Offiziere nahm Stellung zuden Entscheidungen ihres Kommandanten.Auch Axton sah sich nicht genötigt, irgendetwas zu sagen. Innerhalb weniger Minutenhatte er das Bild, das er sich von Mara Bon-kal gemacht hatte, vollkommen revidierenmüssen.

Jetzt beschäftigte ihn nur noch ein Pro-blem.

Wie konnte die Aktion erfolgreich abge-schlossen werden?

Die Aussichten waren trotz aller bisheri-ger gelungener Planabschnitte nicht beson-ders gut, denn das Beiboot trieb mit etwahalber Lichtgeschwindigkeit durch den frei-en Raum. Es hatte das Chemi-Spieth-Systembereits verlassen. Dort gab es keine arkoni-dischen Raumschiffe mehr. Die Maahks wa-ren die eindeutigen Gewinner der Schlacht.

Das Beiboot besaß keinen Hyperantriebund war daher für den interstellaren Raumnicht geeignet. Mara Bonkal gab keine Not-signale ab, weil sie offenbar fürchtete, damitdie Methanatmer auf sich aufmerksam zumachen.

Ihre Taktik erwies sich als richtig. DieMaahks zogen sich nach einigen Stundenaus dem Chemi-Spieth-System zurück.

Der Kreis der Zeit 49

Während dieser Zeit hatte die Arkonidin dieFahrt des Raumgleiters ständig gedrosselt.

Einige Stunden nach dem Verschwindender Maahks schlugen die Massetaster desBeibootes an.

»Das sind sie«, sagte Mara Bonkal er-leichtert.

Arkonidische Einheiten erschienen imChemi-Spieth-System. Die Arkonidin löstesich aus ihrer Starre. Sie setzte eine Reihevon Funksignalen ab, hob die Fahrt desRaumgleiters vollends auf, wendete und be-schleunigte scharf.

Die Bildschirme vor ihr leuchteten auf.Das kantige Gesicht eines arkonidischen Of-fiziers formte sich aus flirrenden Farbfel-dern.

Die Arkonidin identifizierte sich.»Wir erwarten Sie«, antwortete der Fun-

ker knapp und unterbrach die Verbindung.Mara Bonkal schaltete die Bildschirme

aus, die jetzt nur noch ein milchiges Weißzeigten. Geschickt führte sie den Raumglei-ter an das Sonnensystem heran, in dem esvon Trümmerstücken förmlich wimmelte.Bereits aus großer Entfernung konnte mitHilfe der Ortungsgeräte beobachtet werden,daß umfangreiche Bergungsarbeiten unter-nommen wurden. Die Arkoniden sammeltenSchiffbrüchige ein, die in ihren Raumanzü-gen durch das System trieben.

Mara Bonkal kümmerte sich nicht um die-se Kommandos. Sie steuerte das Flaggschiffder aus vier Raumern bestehenden Flotte an.Eine automatische Landekontrolle nahm sieauf und führte sie in eine Schleuse. Von dortglitt das Beiboot auf einem rötlich schim-mernden Antigravfeld in einen Hangar, dereiner Mischung aus einem Auffanglager undeinem Lazarett glich.

Etwa hundert Arkoniden in Raumanzügenwarteten darauf, in andere Sektoren desSchiffes gelassen zu werden. Sie hatten ihreRaumhelme zurückgeklappt. Wenigstenszwanzig weitere Männer wiesen schwereVerwundungen, meistens Verbrennungen,auf. Sie wurden von Ärzten und Medorobo-tern aus ihren Raumanzügen geschnitten.

Drei Offiziere in schwarzen Uniformenschoben sich durch die Menge und traten andas Beiboot heran. Mara Bonkal öffnete dieSchleuse. Mit energischen Gesten gab sieden Offizieren, Artho und Axton zu verste-hen, daß sie das Schiff als letzte verlassenwürde.

Axton sah einige der Arkoniden grinsen,als sie ihn bemerkten. Sie stießen sich ge-genseitig an und machten sich auf ihn auf-merksam. Er blickte flüchtig zum Heck derMaschine. Robot Kelly hatte es tatsächlichgeschafft, sich so am Raumgleiter zu veran-kern, daß er mitgeschleppt worden war. Ax-ton befreite sich eilig aus dem ihm lästigenRaumanzug. Er hatte ihn noch nicht ganzabgestreift, als Mara Bonkal in stolzer Hal-tung aus der Maschine kam.

Sie salutierte vor den schwarz uniformier-ten Offizieren und nannte ihren Rang undihren Namen.

»Sie sind verhaftet«, erklärte einer von ih-nen.

Die Arkonidin zuckte zusammen undwich vor ihm zurück.

»Was wirft man mir vor?« fragte sie hef-tig.

»Feigheit vor dem Feind, Mara Bonkal.«Sie wurde bleich. Der Helm ihres Raum-

anzuges fiel ihr aus der Hand. Mit bebendenLippen versuchte sie eine Antwort, brachteaber keine Silbe hervor.

Die Offiziere traten zur Seite und machtenihr Platz. Zögernd setzte sie sich in Bewe-gung.

Es war still geworden im Hangar. Die Ar-koniden hatten gemerkt, was geschehen war.Die Verhaftung eines Vulkanträgers war oh-nehin schon eine Sensation für sie. Die Tat-sache aber, daß dieser auch noch eine Frauwar, steigerte ihr Interesse bis ins Unermeß-liche. Mara Bonkal hatte den Hangar kaumverlassen, als sich einige der Zuschauer neu-gierig an Sorgith Artho und die Offiziere derYREMBEL wandten. Zu ihrer Enttäuschungwies der Erste Offizier sie jedoch schroff ab.

Lebo Axton wandte sich seinem Roboterzu.

50 H. G. Francis

Gentleman Kelly lag noch immer auf demHeck des Beibootes.

»Willst du nicht herunterkommen?« frag-te Axton.

»Ich kann nicht«, antwortete Kelly.»Wieso nicht?«»Ich sitze fest.«Jetzt blickte der Verwachsene genau hin.

Er erschrak.»Du hast den Metallplastikkleber genom-

men«, sagte er.»Anders ging es nicht, Herzchen.«Axton lief es kalt über den Rücken. Der

Roboter hatte jenen Kleber verwendet, dender Terraner auch eingesetzt hatte, um dieÖffnung an der Hauptpositronik wieder zuschließen. Wenn die Arkoniden darauf auf-merksam wurden, konnten sie Verdachtschöpfen. Es war sinnlos, Kelly einen Vor-wurf zu machen. Der Roboter hatte mit derihm eigenen Logik gehandelt. Danach wardas beste und sicherste Mittel am Beiboot zubleiben für ihn gewesen, sich an der Außen-haut festzukleben. Seine beiden Hände wa-ren unzertrennbar mit dem Arkonstahl ver-bunden. Das Metall der Hände war mit demder Außenhaut verschmolzen.

Es gab nur einen Weg für Axton, den Ro-boter von der Maschine zu lösen. Er mußtehinaufklettern und ihn abschneiden.

In aller Eile suchte er nach Vorsprüngen,auf die er seine Füße setzen konnte. Dannstieg er mühsam hinauf. Jetzt zeigte sich,daß die Verhaftung und die damit verbunde-ne Aufregung der Arkonidin ein Glück fürihn war, denn niemand achtete auf ihn. Erstals er Kellys Hände mit einem Desintegra-tormesser an den Handgelenken abtrennteund die Hände dann mit dem Desintegrator-feld in Staub verwandelte, wurde man aufihn aufmerksam. Einige Arkoniden rissenWitze über ihn. Axton ließ sie kalt über sichergehen. Er versetzte Kelly einen Tritt,konnte ihn damit aber nicht herunterschleu-dern. Der Roboter schaltete sein Antigrav-triebwerk ein und schwebte sanft von derMaschine weg. Dann kehrte er zurück.

»Ich würde dir gern herabhelfen, Lieb-

ling«, sagte er so laut, daß die Arkoniden ihnhören konnten. Ein brüllendes Gelächter wardie Reaktion auf diese Worte.

Nun konnte Axton seinen Ärger dochnicht ganz unterdrücken. Er kletterte auf denRücken des Roboters und setzte ihm dasDesintegratormesser an den Lautsprecher.

»Ein Wort noch von dir«, sagte er zi-schelnd, »und ich beseitige alles, womit dudich äußern könntest.«

Gentleman Kelly trug ihn schweigend aufden Boden herab.

*

Die Untersuchung fand vor fünf hohenOffizieren auf Arkon statt. Lebo Axton warlediglich Zeuge der letzten Phase.

Als er den Raum betrat, stand Mara Bon-kal bleich vor den drei Offizieren. Sie blick-te hilfesuchend zu Axton hinüber, der sichvon Kelly zu einer Bank unter einem Fenstertragen ließ. Die bis zu diesem Zeitpunkt ver-nommenen Zeugen saßen in bequemen Ses-seln hinter einer Barriere aus farbigen Stei-nen. Es waren hauptsächlich Offiziere derYREMBEL. Sorgith Artho war bereits ge-hört worden. In einer Nische saß ein rotge-kleideter Arkonide. Er trug keine Rangab-zeichen und schien doch der höchste undwichtigste Offizier im Raum zu sein.

»Lebo Axton«, sagte er mit dröhnenderBaßstimme. »Schildern Sie, was an Bord derYREMBEL geschah, nachdem der Alarmrufeingetroffen war.«

»Der Kommandant der YREMBEL undder zu ihr gehörigen Schiffe löste soforteinen Einsatzalarm aus und brach zum Che-mi-Spieth-System auf«, erwiderte der Ver-wachsene. »Die Flotte materialisierte aller-dings nicht im Zielgebiet, sondern in einemunbekannten Raumsektor. Auch der danachfolgende Hypersprung brachte die YREM-BEL und die anderen, synchron geschaltetenSchiffe nicht in das Sonnensystem, in demdie Schlacht stattfand.«

»Ist die Hauptpositronik mit falschen Da-ten versehen worden?«

Der Kreis der Zeit 51

»Das kann ich nicht eindeutig beantwor-ten.«

»Vermuten Sie, daß Sabotage vorlag?«»Sabotageakte wurden auf Kafa verübt«,

erklärte Axton vorsichtig. »Ich konnte klä-ren, wer dafür verantwortlich war. Gleich-zeitig gelang es, die Saboteure von derYREMBEL fernzuhalten, obwohl mir dieArbeit nicht gerade erleichtert wurde.«

»Sind Sie durch Mara Bonkal behindertworden?«

»Man hat mir nicht so geholfen, wie esvielleicht möglich gewesen wäre«, entgeg-nete Axton ausweichend. Bewußt verzichte-te er auf eine klare Aussage. Als der Roteihn dazu aufforderte, berichtete er, was aufKafa geschehen war, und er zog eine klareLinie zwischen den Ereignissen auf diesemPlaneten und jenen auf der YREMBEL. Ma-ra Bonkal wurde immer blasser. Allmählichbegriff sie.

»Ich stelle fest, daß die Hauptpositronikvollkommen in Ordnung war«, sagte der Ro-te schließlich. »Bei einer eingehenden Un-tersuchung wurde lediglich etwas Staub ge-funden. Daraus lassen sich keine Rück-schlüsse ziehen. Wie, Mara Bonkal, erklärenSie sich das Versagen der Positronik?«

»Ich habe keine Erklärung.«Einer der drei Offiziere beugte sich vor.»Haben Sie der Positronik falsche Daten

eingegeben?« forschte er mit scharfer Stim-me.

»Auf gar keinen Fall«, erwiderte sie hef-tig.

»War es vielleicht so, daß Sie die YREM-BEL und die anderen Schiffe ihrer Einheitabsichtlich zunächst in einen falschen Sektorbrachten, um Zeit verstreichen zu lassen?War es so, daß Sie dadurch hofften, zu ei-nem Zeitpunkt im Chemi-Spieth-Systemaufzutauchen, an dem die Schlacht bereitszu Ende war?« fragte der Rote.

»Nein«, rief die Arkonidin empört. »Dasist eine Verleumdung.«

Der Arkonide in der roten Kombinationwandte sich wieder an Axton.

»Glauben Sie, Axton, daß Mara Bonkal

absichtlich zu spät kam?« fragte er.Axton tat, als müsse er überlegen. Er zö-

gerte. Dann erwiderte er langsam: »Dazumöchte ich mich nicht äußern.«

»Sorgith Artho hat bestätigt, daß Sie inIhrer Aufklärungsarbeit auf Kafa behindertworden sind«, sagte der Rote. »Welcher Ein-druck wäre entstanden, wenn es Urnen nichtgelungen wäre, die Sabotagefälle auf Kafanoch vor dem Start der YREMBEL zu ent-schlüsseln? Hätten wir alle dann nicht zudem Ergebnis kommen müssen, daß dieYREMBEL durch das Verschulden der Sa-boteure auf einen falschen Kurs geriet?«

»Dazu möchte ich mich nicht äußern«,sagte Axton. Bewußt verzichtete er darauf,Mara Bonkal mit aller Härte zu beschuldi-gen. Der bloße Verdacht genügte.

»Wir wissen auch so Bescheid«, erklärteder Rote. Er richtete sich auf.

Mara Bonkal preßte die Lippen zusam-men. Stolz legte sie den Kopf in denNacken. Sie tat, als gleite alles von ihr ab.Doch Axton glaubte, sie gut genug zu ken-nen. Er war überzeugt davon, daß sie genauwußte, wie es um sie stand.

»Mara Bonkal, ich stelle fest, daß Sie denVerdacht, der ausgesprochen worden ist,nicht entkräften konnten«, sagte der Arkoni-de in der roten Kombination. »Andererseitskann dieses Gericht ihnen nicht eindeutigbeweisen, daß Sie aus dem Motiv der Feig-heit vor dem Feind gehandelt haben. Da dieYREMBEL und die zu ihr gehörigen Raum-schiffe vollkommen zerstört worden sind,läßt sich jetzt auch nicht mehr feststellen, inwelcher Weise Sie die Hauptpositronik ma-nipuliert haben. Das Gericht sieht daher da-von ab, Sie mit der Strafe zu belegen, dieunter anderen Umständen hätte verhängtwerden müssen. Eindeutig bewiesen sind in-dessen die Vernachlässigungen der Sicher-heitsbestimmungen auf Kampfraumschiffen.Das Gericht verurteilt Sie daher zu einerGeldstrafe in einer Höhe von zehn ProzentIhres Vermögens. Die Verhandlung ist ge-schlossen.«

Der Rote erhob sich und verließ die Ni-

52 H. G. Francis

sche. Die drei Offiziere, die vor Mara Bon-kal gesessen hatten, folgten ihm. Erst jetzterhoben sich die Offiziere der YREMBELund Sorgith Artho. Dieser kam zu Axton.Niemand beachtete die Arkonidin, die mithängenden Schultern noch immer an dergleichen Stelle stand.

Sorgith Artho deutete geringschätzig aufsie.

»Sie hätten sie ebensogut auch zum Todeverurteilen können«, sagte er. »Sie ist erle-digt. Sie darf sich nirgendwo mehr sehenlassen. Orbanaschol wird nicht mehr wissen,daß sie existiert.«

Er lachte hämisch.»Wenn sie das gewußt hätte, dann hätte

Sie uns wohl kaum nach Kafa gerufen, da-mit wir die Sabotagefälle aufklären.«

Axton nickte ihm zustimmend zu.»Ich möchte Sie zum Essen einladen, Ax-

ton«, sagte Artho. »Kommen Sie mit mir?«»Gern«, erwiderte Axton. Er log, denn er

wäre froh gewesen, jetzt allein zu sein. Erverabscheute Sorgith Artho. Am liebstenwäre er ihm aus dem Weg gegangen.

Sie verließen den Gerichtssaal. Er hattedas große Spiel gewonnen. Mara Bonkalwar im Abseits gelandet Sie war gesell-schaftlich vernichtet. Orbanaschol würde sieund ihre Familie fallenlassen und dadurchseine Macht selbst verringern und ohne sichbewußt zu werden, daß er sich dadurch einesloyalen Anhangs beraubte. Dennoch war esein Sieg, der Axton nicht befriedigte. Er hat-te einen schalen Geschmack im Mund.

In der Tür blickte Sorgith Artho zu Mara

Bonkal zurück.»Sie kann froh sein, daß nicht zur Sprache

gekommen ist, was sich am Schluß auf derYREMBEL abgespielt hat«, sagte er. »IhreReaktion war mir unbegreiflich.«

Er lachte kurz auf, als sie weitergingen.»Stellen Sie sich vor, dabei hat man mir

gesagt, der größte Ehrgeiz dieser Frau wäregewesen, sich einen Platz in der GeschichteArkons zu erobern. Vielleicht hat sie es so-gar geschafft, aber man wird nicht als Hel-din von ihr sprechen, sondern als Versage-rin.«

Axton räusperte sich. Artho lachte erneutauf.

»Leider hat sie viel zu viel Geld, Axton.Vielleicht schafft sie es vor ihrem Todenoch, einen Geschichtsschreiber so zu beste-chen, daß er die Geschichte verfälscht undsie als Heldin der Schlacht vom Chemi-Spieth-System in die Geschichte eingehenläßt. Vielleicht veranlaßt das auch erst einerihrer Nachfahren. So wie ich die Familiekenne, wird es irgendeiner wohl veranlas-sen.« Lebo Axton war wie vom Donner ge-rührt. An eine solche Möglichkeit hatte erüberhaupt noch nicht gedacht. Dennoch warklar, daß sich der noch bestehende, schein-bare Widerspruch im Kreis der Zeit auf die-se Weise lösen mußte.

ENDE

E N D E

Der Kreis der Zeit 53