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Der Markt für Kapitalanlagen - Stürmische Zeiten Newsletter 10 / 2012 Sehr verehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser, Jahreszeiten bedingt erleben wir in diesen Tagen die ersten Herbststürme. Die von den Blättern entkleideten Bäume erlauben den einen oder anderen Blick, der in den letzten Monaten verborgen war. An anderen Stellen wird hingegen heftig und kontrovers diskutiert, wie ein solcher „Durchblick“ wieder geschaffen werden kann. So stehen nach wie vor hinter verschiedenen Bestimmungen der AIFM-Richtlinie und des Kapitalanlagegesetzbuch-Entwurfs Fragezeichen. Beispielsweise legt Art. 61 Abs. 3 der AIFM-Richtlinie fest, dass Manager, die vor dem 22.07.2013 geschlossene Fonds verwalten, die nach diesem Datum keine zusätzlichen Anlagen tätigen, diese Fonds weiter verwalten können. Sie bedürfen dann keiner Zulassung gem. der AIFM-Richtlinie. Eine diese Vorgabe aufgreifende Regelung findet sich in § 321 KAGB-E. AIF-Verwaltungsgesellschaften, die ausschließlich geschlossene inländische AIF verwalten, deren Zeichnungsfrist vor dem 22.07.2013 abgelaufen ist und die nach dem 22.07.2013 keine zusätzlichen Anlagen tätigen, bedürfen künftig keiner Registrierung oder Erlaubnis. Was ist aber, wenn bei einem notleidenden Fonds eine Kapitalerhöhung durchgeführt wird? Was ist, wenn sich für einen voll investierten Fonds eine gute Verkaufsmöglichkeit ergibt und die Anleger beschließen, das Geld neu zu investieren? Was ist mit Ansparfonds, bei denen die Anleger schon vor dem 22.07.2013 zur Gänze beigetreten sind, aber nach dem 22.07.2013 noch weitere Raten zu erbringen haben? Es bleibt zu hoffen, dass hier im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens schnell für Klarheit und sinnvolle Übergangslösungen gesorgt wird. Die Rechtsprechung deutscher Gerichte steht dagegen auch in diesen stürmischen Zeiten so fest wie der Fels in der Brandung. Der BGH hat in den letzten Wochen neue Grundsätze zur Haftung im Konzernverbund für fehlerhafte Prospekte aufgestellt und sich mit der Frage der Haftung einer GmbH für eine fehlerhafte Anlageberatung durch eine namensgleiche Einzelfirma befasst. Für Unternehmen, die beim Absatz ihrer Produkte mit Handelsvertretern zusammenarbeiten, hat der BGH noch einmal im Einzelnen den Pflichtenkatalog aufgegeben, der bei stornogefährdeten Verträgen zu beachten ist. Wir stellen Ihnen im Rechtsprechungsspiegel diese Entscheidungen vor. Nicht minder interessant ist die Frage, ob sich ein Versicherungsvertreter, der eine Netto-Police vermittelt und mit dem Versicherungsnehmer eine Honorarvereinbarung trifft, unlauter verhält. Und wenn Sie in diesen stürmischen Zeiten spezielle Fragen haben, auf die Sie in diesem Newsletter noch keine Antwort finden, wissen Sie ja: Wir sind gerne für Sie da! Ihre Fachkanzlei im Kapitalanlage- und Immobilienbereich

Der Markt für Kapitalanlagen - Stürmische Zeiten ... · • Zur Berücksichtigung von Verlusten aus Vermietung bei Sanierung einer leer stehenden Wohnung und anschließender Selbstnutzung

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Der Markt für Kapitalanlagen - Stürmische Zeiten

Newsletter 10 / 2012

Sehr verehrte Leserinnen, sehr geehrte Leser,

Jahreszeiten bedingt erleben wir in diesen Tagen die ersten Herbststürme. Die von den Blättern

entkleideten Bäume erlauben den einen oder anderen Blick, der in den letzten Monaten verborgen

war. An anderen Stellen wird hingegen heftig und kontrovers diskutiert, wie ein solcher „Durchblick“

wieder geschaffen werden kann. So stehen nach wie vor hinter verschiedenen Bestimmungen der

AIFM-Richtlinie und des Kapitalanlagegesetzbuch-Entwurfs Fragezeichen. Beispielsweise legt Art. 61

Abs. 3 der AIFM-Richtlinie fest, dass Manager, die vor dem 22.07.2013 geschlossene Fonds

verwalten, die nach diesem Datum keine zusätzlichen Anlagen tätigen, diese Fonds weiter verwalten

können. Sie bedürfen dann keiner Zulassung gem. der AIFM-Richtlinie. Eine diese Vorgabe

aufgreifende Regelung findet sich in § 321 KAGB-E. AIF-Verwaltungsgesellschaften, die

ausschließlich geschlossene inländische AIF verwalten, deren Zeichnungsfrist vor dem 22.07.2013

abgelaufen ist und die nach dem 22.07.2013 keine zusätzlichen Anlagen tätigen, bedürfen künftig

keiner Registrierung oder Erlaubnis. Was ist aber, wenn bei einem notleidenden Fonds eine

Kapitalerhöhung durchgeführt wird? Was ist, wenn sich für einen voll investierten Fonds eine gute

Verkaufsmöglichkeit ergibt und die Anleger beschließen, das Geld neu zu investieren? Was ist mit

Ansparfonds, bei denen die Anleger schon vor dem 22.07.2013 zur Gänze beigetreten sind, aber nach

dem 22.07.2013 noch weitere Raten zu erbringen haben?

Es bleibt zu hoffen, dass hier im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens schnell für Klarheit

und sinnvolle Übergangslösungen gesorgt wird.

Die Rechtsprechung deutscher Gerichte steht dagegen auch in diesen stürmischen Zeiten so fest wie

der Fels in der Brandung. Der BGH hat in den letzten Wochen neue Grundsätze zur Haftung im

Konzernverbund für fehlerhafte Prospekte aufgestellt und sich mit der Frage der Haftung einer GmbH

für eine fehlerhafte Anlageberatung durch eine namensgleiche Einzelfirma befasst. Für Unternehmen,

die beim Absatz ihrer Produkte mit Handelsvertretern zusammenarbeiten, hat der BGH noch einmal

im Einzelnen den Pflichtenkatalog aufgegeben, der bei stornogefährdeten Verträgen zu beachten ist.

Wir stellen Ihnen im Rechtsprechungsspiegel diese Entscheidungen vor. Nicht minder interessant ist

die Frage, ob sich ein Versicherungsvertreter, der eine Netto-Police vermittelt und mit dem

Versicherungsnehmer eine Honorarvereinbarung trifft, unlauter verhält. Und wenn Sie in diesen

stürmischen Zeiten spezielle Fragen haben, auf die Sie in diesem Newsletter noch keine Antwort

finden, wissen Sie ja: Wir sind gerne für Sie da!

Ihre Fachkanzlei im Kapitalanlage- und Immobilienbereich

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Unsere Themen in der Übersicht

Rechtsprechungsspiegel

• Zur Haftung im Konzernverbund für fehlerhafte Prospekte • Zur Frage der Haftung einer GmbH für eine fehlerhafte Anlageberatung durch eine

namensgleiche Einzelfirma • Zur Schutzwirkung bei Verwendung der Muster-Widerrufsbelehrung • Zur Frage, wann ein Bereicherungsanspruch des Mieters wegen Zahlung eines

Abgeltungsbetrages für nicht durchgeführte Schönheitsreparaturen verjährt • Eigenbedarfskündigung auch aus beruflichen Zwecken möglich • Grundsätzlich kein Rücktritt vom Bauvertrag bei Setzung einer Nachfrist vor Fälligkeit • Zur Frage, ob sich ein Versicherungsvertreter, der eine Netto-Police vermittelt und mit dem

Versicherungsnehmer eine Honorarvereinbarung trifft, unlauter verhält • Zur Frage, wann ein Mehrfachagent dem Kunden gegenüber als Versicherungsmakler in

Erscheinung tritt (Mehrfachagent als Pseudomakler) • Zu den Anforderungen an eine Nachbearbeitungspflicht eines Versicherers bei notleidenden

(stornogefährdeten) Versicherungsverträgen • Zur Berücksichtigung von Verlusten aus Vermietung bei Sanierung einer leer stehenden

Wohnung und anschließender Selbstnutzung Kurz und bündig

• Family Office und AIFM-Richtlinie • Kausalitätsvermutung bei Verletzung einer Aufklärungspflicht auch bei mehreren

Handlungsalternativen des Anlegers (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung) • Haftung des GmbH-Geschäftsführers wegen Zahlung trotz Insolvenzreife - Pflicht zur

Überprüfung der wirtschaftlichen Lage bei krisenhaften Anzeigen • Die Verwaltung alternativer Investmentvermögen nach dem KAGB-E • Auswirkungen der AIFM-Richtlinie auf geschlossene Fonds • PIB: Ein neues Risiko im Rahmen der Prospekthaftung? • Nachschusspflicht bei geschlossenen Immobilienfonds • Zur Frage der Wirksamkeit von Klauseln in der Lebens- und Rentenversicherung betreffend

Abschlusskosten, Stornoabzüge und anderes - Anmerkungen von Präve zum BGH-Urteil vom 25.07.2012, IV ZR 201/10

• Prospektpflicht von Bezugsrechtsemissionen • Zur Neufassung des KapMuG und zur Verjährungshemmung bei

Prospekthaftungsansprüchen • Zur Aufrechnung der Treugeber-Anleger in Publikums-oHG gegen Freistellungsanspruch des

Treuhandgesellschafters

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RECHTSPRECHUNGSSPIEGEL

Zur Haftung im Konzernverbund für fehlerhafte Prosp ekte (BGH, Urt. v. 18.09.2012, XI ZR

344/11)

Sachverhalt

Die Wohnungsbau Leipzig-West AG (nachfolgend: Emittentin) legte in den Jahren 1999 bis 2006

insgesamt 25 Inhaberschuldverschreibungen ohne Börsenzulassung auf. Dazu gehörte auch eine mit

einem Prospekt „ausgewogene Konditionen“ beworbene Anleihe. Eine solche erwarb der klagende

Anleger im April 2005. Er nimmt mit der Begründung, der Emissionsprospekt sei unvollständig, den

Mehrheitsaktionär der Emittentin persönlich in Anspruch. Dieser sei wegen eines Gewinnabführungs-

und Beherrschungsvertrages herrschender Unternehmer. Unstreitig erfolgten hohe Zahlungen von der

Emittentin an den beklagten Mehrheitsaktionär.

Entscheidung

Das Gericht geht zunächst der Frage nach, ob der Prospekt „ausgewogene Konditionen“ fehlerhaft ist.

Bejaht wird eine Unvollständigkeit, weil aus dem Prospekt nicht ersichtlich ist, dass der

Mehrheitsaktionär als Begünstigter des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrages dem

Vorstand der Emittentin nachteilige Weisungen erteilen konnte. Die Möglichkeit, dass derartige

nachteilige Weisungen durch eine beherrschende Konzern-Muttergesellschaft an eine beherrschte

Konzern-Tochtergesellschaft erteilt werden, und die damit verbundene erhöhte Gefahr für an die

Konzern-Tochtergesellschaft gezahlte Anlegergelder, bei Fälligkeit keine Rückzahlung leisten zu

können, ist ein Umstand, der richtig und vollständig in einem Wertpapierverkaufsprospekt darzustellen

ist. Hier wendet sich der Emissionsprospekt ausdrücklich auch an das unkundige und

börsenunerfahrene Publikum. An den Fähigkeiten und Erkenntnismöglichkeiten des angesprochenen

Adressatenkreises bestimmt sich, welche Maßstäbe an Inhalt und Verständlichkeit eines Prospektes

anzulegen sind.

Im zweiten Schritt geht das Gericht der Frage nach, ob der Mehrheitsaktionär für den fehlerhaften

Prospekt auch verantwortlich ist. Prospektveranlasser gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG in der

zwischen Juli 2002 und Oktober 2007 geltenden Fassung sind Personen, die ein eigenes

wirtschaftliches Interesse an der Emission der Wertpapiere haben und darauf hinwirken, dass ein

unrichtiger oder unvollständiger Prospekt veröffentlicht wird. Es gehe darum - so das Gericht weiter -

mit dieser Regelung eine Lücke bei den Haftungsverpflichteten zu schließen. Insbesondere sollen

auch Konzern-Muttergesellschaften in die Haftung einbezogen werden, wenn eine Konzern-

Tochtergesellschaft Wertpapiere emittiert.

Der Mehrheitsaktionär hatte als unmittelbar Begünstigter des Gewinnabführungs- und

Beherrschungsvertrages ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse an der Einwerbung weiterer

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Anlegergelder. Er hatte durch Erteilung von Weisungen zu Zahlungsflüssen auch tatsächlich in das

Geschäft der Emittentin eingegriffen. Das Gericht bejahte deshalb eine Schadenersatzpflicht des

Mehrheitsaktionärs.

Fazit

Nach § 44 BörsG kann der Erwerber von Wertpapieren von denjenigen, die für den Prospekt die

Verantwortung übernommen haben und von denjenigen, von denen der Erlass des Prospektes

ausgeht, die Übernahme der Wertpapiere gegen Erstattung des Erwerbspreises verlangen, wenn der

Wertpapierprospekt unrichtig oder unvollständig ist. Nach § 13 VerkProspG gilt diese Vorschrift für die

Haftung bei einem fehlerhaften Prospekt gem. § 13 VerkProspG a.F. entsprechend. Die

Schutzbedürftigkeit des Anlegers ist dieselbe wie in den Fällen, in denen der BGH die persönliche

Prospektverantwortung und Haftung von Hintermännern bejaht hat.

§ § §

Zur Frage der Haftung einer GmbH für eine fehlerhaf te Anlageberatung durch eine

namensgleiche Einzelfirma (BGH, Urt. v. 05.07.2012, III ZR 116/11)

Sachverhalt (vereinfacht)

Eine Anlegerin beteiligte sich als atypisch stille Gesellschafterin an einer AG. Sie leistete eine

Einmalanlage und sollte des Weiteren monatliche Raten erbringen. Die Beteiligung hatte ein

Anlageberater empfohlen. Es war strittig, ob dieser Anlageberater im eigenen Namen aufgetreten ist

oder als Mitarbeiter einer Einzelfirma mit deren Vertretungsbefugnis. Neben der Einzelfirma wurde

eine GmbH gegründet. Zwischen der Einzelfirma und der GmbH bestand Namensgleichheit. Die

Anlegerin forderte von der GmbH Schadenersatz unter den Gesichtspunkten der Firmenfortführung

der Einzelfirma und Rechtsscheingesichtspunkten. Der Anlageberater hatte Visitenkarten, die das

Logo und den Namen der Einzelfirma trugen. Im Zeichnungsschein ist in der Rubrik „Vermittler“ die

Einzelfirma angegeben. Der Anlageberater hatte in seiner Befragung als Zeuge des Weiteren

angegeben, sowohl für die Einzelfirma als auch für die GmbH tätig gewesen zu sein.

Entscheidung

Der BGH hält eine Haftung der GmbH für denkbar. In Betracht kommt eine Haftung unter dem

Gesichtspunkt der Duldungs- und Einstandsvollmacht sowie eine Haftung nach § 25 Abs. 1 Satz 1

HGB unter dem Gesichtspunkt der Firmenfortführung.

Von einer Unternehmensfortführung geht der maßgebliche Rechtsverkehr aus, wenn ein Betrieb von

einem neuen Inhaber in seinem wesentlichen Bestand unverändert weitergeführt wird, der

Tätigkeitsbereich, die innere Organisation und die Räumlichkeiten ebenso wie die Kunden- und

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Lieferantenbeziehungen jedenfalls im Kern beibehalten und/oder Teile des Personals übernommen

werden.

Unerheblich ist dabei die Hinzufügung oder Weglassung eines auf eine Gesellschaftsform deutenden

Zusatzes. Der Anwendungsbereich für eine Haftung unter dem Gesichtspunkt der Firmenfortführung

wird auch eröffnet, wenn eine sukzessiv erfolgende Unternehmensübernahme vorliegt, also zeitweilig

Alt- und Neu-Unternehmen nebeneinander existieren. Hier sprachen zahlreiche Indizien für eine

Firmenfortführung der Einzelfirma durch die GmbH. Das Betätigungsfeld beider Firmen war identisch,

ferner die Firmierung, das Firmenlog, der Geschäftssitz, Telefon- und Telefaxnummer sowie auch die

Selbstdarstellung der GmbH, die im Internet eine 20 Jahre zurückreichende Unternehmensgeschichte

schilderte. Dies spricht für eine nach außen in Erscheinung getretene Unternehmenskontinuität. Dass

in der Firma der Zusatz „GmbH“ geführt wurde, sah das Gericht insoweit als belanglos an.

Sodann ging es noch um die Frage, ob der Anlageberater in eigenem Namen oder für die zum

Zeitpunkt der Zeichnung existente Einzelfirma gehandelt hat. Aufgrund der Visitenkarte und der

Angabe im Zeichnungsschein sowie auch der Einladung der Anlegerin zu einer

Informationsveranstaltung der Einzelfirma lag es nahe, von einem Handeln des Beraters für die

Einzelfirma auszugehen. In Betracht kommt ein Handeln als Vertretet sowohl unter den

Gesichtspunkten der Duldungs- als auch der Anscheinsvollmacht. Des Weiteren hatte der

Anlageberater als Zeuge ausgesagt, für beide Gesellschaften tätig gewesen zu sein (sowohl für die

Einzelfirma als auch für die GmbH).

Da noch Feststellungen tatsächlicher Art zu treffen waren, hob der BGH das die Klage abweisende

Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück.

Fazit

Für die Frage, ob jemand im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten handelt, kommt es

darauf an, wie der Erklärungsempfänger die Erklärungen und das Gesamtverhalten der handelnden

Person verstehen und werten durfte. Entscheidend ist die objektivierte Empfängersicht. Diese Punkte

sprachen für ein Handeln des Beraters als Bevollmächtigter der damals (nur) existenten Einzelfirma.

Im konkreten Fall gab es auch zahlreiche Indizien dafür, dass die GmbH den wesentlichen Kern des

Geschäftsfeldes der Einzelfirma übernommen hatte. Der Gründer der GmbH versuchte offensichtlich

wieder einmal die Quadratur des Kreises. Einerseits wollte er die GmbH von Altlasten freihalten.

Andererseits warb er mit einer 20-jährigen Unternehmensgeschichte.

§ § §

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Zur Schutzwirkung bei Verwendung der Muster-Widerru fsbelehrung (BGH, Urt. v. 15.08.2012,

VIII ZR 378/11)

Sachverhalt

Eine Leasinggesellschaft stritt mit ihrem Leasingnehmer über die Zahlung von Leasingraten und

Schadenersatz. Die Parteien hatten einen Leasingvertrag abgeschlossen. Er enthielt Regelungen für

rückständige Leasingraten, Restwertausgleich sowie Sicherstellungskosten im Falle des

Zahlungsverzugs.

Der Leasingantrag enthielt auf einer gesonderten Seite eine vom Leasingnehmer unterzeichnete

Widerrufsbelehrung. Sie stimmte mit dem Muster gem. Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 BGB-InfoV inhaltlich

überein. Nachdem die Leasinggesellschaft das Fahrzeug wegen Zahlungsrückständen sichergestellt

hatte und verwertet hatte, widerrief der Leasingnehmer seine Vertragserklärung. Er berief sich darauf,

dass er nach wie vor zum Widerruf berechtigt sei. Die Leasinggesellschaft könne sich nicht darauf

berufen, die Muster-Widerrufsbelehrung verwandt zu haben. Diese sei ihrerseits fehlerhaft.

Entscheidung

Das Begehren der Leasinggesellschaft war gerechtfertigt, wenn der Leasingnehmer nicht mehr zum

Widerruf berechtigt war. Der BGH beanstandete zwar die Widerrufsbelehrung, die dem

Deutlichkeitsgebot, welches § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. forderte, nicht genüge. Eine Belehrung, die

sich hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist auf die Aussage beschränke, dass die Frist frühestens

mit Erhalt dieser Belehrung beginnt, sei nicht in der erforderlichen Weise eindeutig und umfassend.

Dennoch führt dieser Mangel nicht dazu, dass ein Vertragspartner wegen nicht ordnungsgemäßer

Belehrung sein Widerrufsrecht unbegrenzt ausüben könne. Verwendet ein Vertragspartner für seine

Widerrufsbelehrung das Muster der BGB-InfoV in Textform, genügt er den gesetzlichen

Anforderungen. Die Gesetzlichkeitsfiktion, die der Verordnungsgeber der Musterbelehrung beigelegt

habe, werde trotz der Abweichung vom Deutlichkeitsgebot von der Ermächtigungsgrundlage des Art.

245 Nr. 1 EGBGB a.F. gedeckt.

Fazit

Bislang war es in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum umstritten, ob die Musterbelehrung

mangels hinreichender Ermächtigungsgrundlage und eines Verstoßes gegen die gesetzlichen

Belehrungsanforderungen nichtig ist. Der BGH hat entschieden, dass sich der Verwender einer

Muster-Widerrufsbelehrung auf die Schutzwirkungen des § 14 Abs. 1 BGB-InfoV berufen kann.

§ § §

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Zur Frage, wann ein Bereicherungsanspruch des Miete rs wegen Zahlung eines

Abgeltungsbetrages für nicht durchgeführte Schönhei tsreparaturen verjährt (BGH, Urt. v.

20.06.2012, VIII ZR 12/12)

Sachverhalt

Im Mietvertrag einer Genossenschaftswohnung aus dem Jahr 1980 war geregelt, dass der Mieter

nach einem Fristenplan zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet ist und er nicht ohne

Zustimmung der Genossenschaft von der bisherigen Ausführungsart abweichen darf.

Im Juli 2007 untersagte die Genossenschaft als Vermieterin dem Mieter wegen in der Wohnung

anstehender Modernisierungsarbeiten die Durchführung der Schönheitsreparaturen. Stattdessen

forderte sie einen Ausgleichsbetrag in Höhe von über 7.000,00 €. Diesen Betrag zahlte der Mieter im

August 2007. Das Mietverhältnis endete am 31.08.2007. Mit Schreiben vom November und Dezember

2009 forderte der frühere Mieter den früheren Vermieter erfolglos zur Rückzahlung des

Ausgleichsbetrages auf. Im April 2010 erhob er Klage.

Entscheidung

Die Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag war unwirksam. Der Mieter war deshalb weder zur

Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet noch zur Zahlung eines Abgeltungsbetrages.

Gleichwohl war die Forderung nach Erhebung der Einrede der Verjährung zurückzuweisen. Sämtliche

Ansprüche, die ein Mieter wegen der Durchführung von Schönheitsreparaturen gegen den Vermieter

hat, unterliegen der kurzen 6-monatigen Verjährung nach § 548 Abs. 2 BGB. Auch Ansprüche aus

ungerechtfertigter Bereicherung sind hierin eingeschlossen. Bei Einreichung der Klage im April 2010

war diese 6-Monatsfrist längst abgelaufen.

Fazit

Die Verjährungsfrist von 6 Monaten umfasst nicht nur ohne Rechtsgrund erbrachte Malerarbeiten des

Mieters, deren Kosten er erstattet, sondern auch zu Unrecht geleistete Abgeltungszahlungen.

§ § §

Eigenbedarfskündigung auch aus beruflichen Zwecken möglich (BGH, Urt. v. 26.09.2012, VIII ZR

330/11)

Sachverhalt

Der Vermieter ist Eigentümer einer Wohnung in Berlin, die er vermietet hat. Er selbst wohnt in einer

anderen ihm gehörenden Wohnung im selben Objekt. Mit Hinweis darauf, dass seine Ehefrau ihre

Anwaltskanzlei nach Berlin in die von den Mietern gemietete Wohnung verlegen möchte, kündigte er

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das Wohnraummietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Die Mieter halten die Kündigung für unwirksam, da

sie zu rein beruflichen Zwecken erfolgt sei. Außerdem machen sie Härtegründe geltend.

Entscheidung

Nachdem die Gerichte erster und zweiter Instanz die Räumungsklage des Vermieters abgewiesen

hatten, hob der BGH diese Entscheidung auf. Auch dann, wenn ein Vermieter eine vermietete

Wohnung ausschließlich für seine berufliche Tätigkeit oder die berufliche Tätigkeit eines

Familienangehörigen nutzen will, kann ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des

Mietverhältnisses vorliegen. Die verfassungsrechtlich geschützte Berufsfreiheit ist nicht geringer zu

bewerten als der gesetzlich geregelte Eigenbedarf des Vermieters zu Wohnzwecken. Da das

Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, ob Härtegründe des Mieters vorliegen, die höher

zu bewerten sind als das berechtigte Interesse des Vermieters an der Beendigung des

Mietverhältnisses, verwies der BGH den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das

Berufungsgericht zurück.

Fazit

Auch wenn eine Mietwohnung für berufliche Zwecke des Vermieters oder eines nahen

Familienangehörigen benötigt wird, kann dies die Kündigung wegen Eigenbedarfs rechtfertigen. Wie

stets im Fall einer Kündigung, sind die maßgeblichen Umstände so genau wie es nur geht darzulegen.

§ § §

Grundsätzlich kein Rücktritt vom Bauvertrag bei Set zung einer Nachfrist vor Fälligkeit (BGH,

Urt. v. 14.06.2012, VII ZR 148/10)

Sachverhalt

Der Erwerber eines Grundstücks beauftragte die Grundstücksveräußerin zugleich mit der Errichtung

eines Fachmarktzentrums auf diesem Grundstück. Das Zentrum sollte bis zum 30.06.2008

bezugsfertig sein. Die Vertragsparteien vereinbarten, dass für Rücktrittsrechte die gesetzlichen

Regelungen gelten. Die Komplementärgesellschaft der Grundstücksveräußerin und Bauverpflichteten

teilte im Mai 2008 mit, dass der Übergabezeitpunkt auf den 01.09.2008 verschoben werden sollte. Mit

Schreiben vom 03.06.2008 setzte der Auftraggeber der Bauverpflichteten eine Frist zur Fertigstellung

des Fachmarktzentrums bis zum 31.07.2008. Zugleich kündigte sie für den Fall, dass die gesetzte

Frist fruchtlos verstreiche, an, vom Vertrag zurücktreten zu wollen. Nachdem am 31.07.2008 keine

Bezugsfertigkeit gegeben war, erklärte die Auftraggeberin mit Schreiben vom 01.08.2008 den Rücktritt

vom Vertrag und forderte Schadenersatz.

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Entscheidung

Der BGH verneinte das Vorliegen der Voraussetzungen für ein gesetzliches Rücktrittsrecht.

Voraussetzung für einen Rücktritt nach § 323 Abs. 1 BGB ist, dass bei einem gegenseitigen Vertrag

der Schuldner eine fällige Leistung nicht oder nicht vertragsgemäß erbringt und der Gläubiger dem

Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. Hierzu

stellte der BGH fest, dass die Frist zur Leistung oder zur Nacherfüllung nicht wirksam vor der Fälligkeit

der Leistung gesetzt werden kann. Der Fall einer Erfüllungsgefährdung ist von § 323 Abs. 1 BGB

hingegen nicht erfasst. Diese Regelung betrifft vielmehr den Fall, dass die Leistung zum

Fälligkeitszeitpunkt nicht erbracht ist. Sie stellt dazu den Grundsatz auf, dass ein Rücktrittsrecht (nur)

besteht, wenn der Gläubiger dem Schuldner dann erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung

bestimmt hat.

Die Auftraggeberin konnte auch aus § 323 Abs. 4 BGB kein Rücktrittsrecht herleiten. Diese Vorschrift

gewährt dem Gläubiger bereits vor dem Eintritt der Fälligkeit ein Rücktrittsrecht, wenn offensichtlich

ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden. Damit hat der Gesetzgeber im Falle

der Erfüllungsgefährdung dem Gläubiger eine gesetzliche Möglichkeit verschafft, den Rücktritt schon

vor der Fälligkeit zu erklären. Diese Möglichkeit besteht nicht mehr, wenn die Fälligkeit eingetreten ist.

Fazit

Der BGH verneint ein schützenswertes Interesse eines Gläubigers an einer Fristsetzung vor Fälligkeit

der Leistung. Einem Gläubiger ist es in der Regel zuzumuten, die Fälligkeit der Leistung bis zur

Fristsetzung abzuwarten. Ansonsten würde ein bloßer Gefährdungstatbestand dem Tatbestand der

Pflichtverletzung, der die Fälligkeit der Leistung immanent ist, gleichgesetzt.

§ § §

Zur Frage, ob sich ein Versicherungsvertreter, der eine Netto-Police vermittelt und mit dem

Versicherungsnehmer eine Honorarvereinbarung trifft , unlauter verhält (OLG Naumburg, Urt. v.

24.05.2012, 9 U 218/11, nrkr.)

Sachverhalt

Ein Versicherungsvertreter vermittelte sogenannte Netto-Policen. Im Zuge der Vermittlung der Netto-

Police schloss er mit dem Kunden eine Honorarvereinbarung. Beim Erstkontakt mit dem Kunden hatte

der Vermittler wahrheitsgemäß angegeben, als Versicherungsvertreter im Vermittlerregister

eingetragen zu sein. Ein Wettbewerber des Versicherungsvertreters forderte die Unterbindung des

Vertriebsmodells, weil dieses beim Versicherungsvertreter eine unlautere Wettbewerbshandlung

darstelle.

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Entscheidung

Das OLG Naumburg verneinte sowohl einen Verstoß gegen Marktverhaltensregeln noch eine

Unlauterkeit wegen Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen. Es sei zwar

zutreffend, dass § 34d GewO nicht nur den Marktzugang regele, sondern auch das Marktverhalten

eines Versicherungsvermittlers. Der Versicherungsvertreter verstoße aber nicht gegen § 34d GewO,

wenn er als Versicherungsvertreter Netto-Policen vermittle und vom Kunden eine Vergütung über eine

separat zu vereinbarende Vergütungsvereinbarung fordere. Es gebe keinen Grundsatz, dass nur

Versicherungsmakler eine solche Vergütung zu fordern berechtigt seien. Auch ein

Versicherungsvertreter, der seine Agenturbindung offenlegt, könne eine Vergütungsvereinbarung

treffen.

Des Weiteren verneinte das Gericht ein unlauteres Wettbewerbsverhalten durch unwirksame

Allgemeine Geschäftsbedingungen. Die formularmäßigen Vergütungsverträge stellten solche dar. Das

gesetzliche Regelungsmodell beim Versicherungsvertreter sehe auch den

Schicksalsteilungsgrundsatz vor, nach dem der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters das

Schicksal der Prämie teilt. Von diesem Vergütungsmodell werde bei einer Netto-Police mit

Honorarvereinbarung abgewichen. Da aber auch eine Ansparversicherung mit Brutto-Prämie in der

Regel mit nicht unerheblichen Verlusten verbunden ist, wenn diese vorzeitig gekündigt wird, seien die

Unterschiede allenfalls marginal. Außerdem weise eine Netto-Police größere Transparenz auf. Es

erscheine des Weiteren zweifelhaft, ob ein Kunde im Abschluss eines gesonderten

Vergütungsvertrages den Hinweis auf die Maklereigenschaft eines Vermittlers sehe. Der Makler steht

bekanntlich als treuhänderischer Sachwalter der Kundeninteressen im Lager des Kunden, während

der Versicherungsvertreter dem Lager des Versicherers zugerechnet wird. Wenn ein

Versicherungsvertreter im Rahmen der Erstkontaktinformation auf seinen Vertreterstatus hinweise,

könne der Kunde nicht irregeführt werden. Außerdem würde in der Vergütungsvereinbarung noch

einmal explizit auf die Vertretereigenschaft hingewiesen werden.

Fazit

Auch ein Versicherungsvertreter darf Netto-Policen vermitteln und separate

Vergütungsvereinbarungen treffen, wenn er seine Agenturbindung offenlegt. Er handelt in einem

solchen Fall nicht unlauter und verstößt weder gegen Marktverhaltensregeln noch verhält er sich

irreführend, weil er durch die separate Honorarvereinbarung vom Schicksalsteilungsgrundsatz

abweicht.

§ § §

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Zur Frage, wann ein Mehrfachagent dem Kunden gegenü ber als Versicherungsmakler in

Erscheinung tritt (Mehrfachagent als Pseudomakler) (LG Dortmund, Urt. v. 24.02.2012, 2 O

144/11)

Sachverhalt

Ein Versicherungsnehmer und eine Versicherung stritten darüber, ob eine Kranken- und

Krankentagegeldversicherung fortbesteht, obgleich der Versicherer den Rücktritt vom Vertrag erklärt

hat. Der Versicherer berief sich zur Begründung auf die Nichtangabe von Krankheitsbehandlungen im

Rahmen gestellter Gesundheitsfragen. Die Gesundheitsfragen fanden sich in einem Formular des

Versicherungsvermittlers, der dem Kunden gegenüber als „Ihr unabhängiger Finanzoptimierer“

gegenübertrat.

Entscheidung

Nach § 19 Abs. 2 VVG kann ein Versicherer vom Vertrag zurücktreten, wenn der

Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach § 19 Abs. 1 VVG verletzt. Hiernach muss ein

Versicherungsnehmer ihm bekannte erhebliche Gefahrumstände, nach denen der Versicherer in

Textform gefragt hat, diesem anzeigen. Das Gericht verneinte allerdings ein Rücktrittsrecht des

Versicherers, weil Gesundheitsfragen, die ein Versicherungsmakler stellt, dem Versicherer

grundsätzlich nicht zuzurechnen sind.

Der Versicherer hatte sich darauf berufen, der Vermittler sei Mehrfachagent. Schon deshalb seien die

vom Vermittler gestellten Fragen als Fragen des Versicherers anzusehen. Vertragliche Beziehungen

zwischen Versicherer und Vermittler sind aber irrelevant, soweit es um die Frage geht, welchen Status

ein Vermittler für den Versicherungsnehmer hat. Tritt ein Versicherungsvermittler als „unabhängiger

Finanzoptimierer“ auf, handelt er nach außen als Makler. Bei einem als Makler auftretenden

Mehrfachagenten ist aus Gründen der Rechtssicherheit zu fordern, dass die Agentenstellung

offengelegt wird. Nur dann können Fragen des Vermittlers dem Versicherer zugerechnet werden. Des

Weiteren ist es dem Versicherungsnehmer nicht anzulasten, wenn ihm sein Versicherungsmakler

verdeckt als Mehrfachagent gegenübertritt, ohne über die daraus folgende Interessenkollision

aufzuklären.

Fazit

Tritt ein Vermittler als Pseudomakler auf, muss sich der Versicherer diesen Umstand zurechnen

lassen. Auf das Vertragsverhältnis zwischen ihm und dem Pseudomakler kommt es nicht an.

Gesundheitsfragen, die ein Pseudomakler stellt, können nur dann als Fragen des Versicherers gelten,

wenn sich der Versicherer die Fragen zu eigen macht, was für den Versicherungsnehmer bei der

Antragsaufnahme ersichtlich sein muss.

§ § §

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Zu den Anforderungen an eine Nachbearbeitungspflich t eines Versicherers bei notleidenden

(stornogefährdeten) Versicherungsverträgen (BGH, Urt. v. 28.06.2012, VII ZR 130/11)

Sachverhalt

Ein Versicherer verlangt von einem für ihn vormals tätigen Mehrfachagenten die Rückzahlung von

Provisionsvorschüssen für eine Reihe von Versicherungsverträgen. Der Versicherer begründet seinen

Anspruch damit, dass die vom Mehrfachagenten vermittelten Vertragsverhältnisse nach Beendigung

des Versicherungsvertretervertrages storniert worden sind. Bis zum Ausscheiden des

Mehrfachagenten habe der Vertriebspartner selbst rechtzeitig Mitteilungen über stornogefährdete

Verträge erhalten. Nach seinem Ausscheiden habe der Versicherer eigene Stornoabwehrmaßnahmen

getroffen, die aber erfolglos geblieben seien.

Entscheidung

Bekanntlich entfällt der Anspruch des Handels- bzw. Versicherungsvertreters auf Provision im Fall der

Nichtausführung des Geschäfts durch den Unternehmer, wenn und soweit die Nichtausführung auf

Umständen beruht, die vom Unternehmer nicht zu vertreten sind. Eine Stornierung eines Vertrages ist

bereits dann vom Versicherer nicht zu vertreten, wenn notleidende Verträge in gebotenem Umfang

nachbearbeitet wurden.

Art und Umfang der dem Versicherer obliegenden Nachbearbeitung bestimmt sich nach den

Umständen des Einzelfalls. Entweder kann das Versicherungsunternehmen eigene Maßnahmen zur

Stornoabwehr ergreifen oder sich darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine

Stornogefahrmitteilung Gelegenheit zu geben, den notleidend gewordenen Vertrag selbst

nachzubearbeiten.

Die Beweislast dafür, dass eine ordnungsgemäße Nachbearbeitung eines notleidenden

Versicherungsvertrages vorgenommen wurde, obliegt dem Versicherer.

Entschließt sich nun ein Versicherer, einer Stornogefahr durch Versendung von

Stornogefahrmitteilungen an den Versicherungsvertreter entgegenzuwirken, ist der Versicherer seiner

Pflicht zur Stornogefahrabwehr in ausreichendem Maß nachgekommen, wenn die

Stornogefahrmitteilung den Versicherungsvertreter in die Lage versetzt, seinerseits

Abwehrmaßnahmen gegen die Stornogefahr zu ergreifen. Der Versicherer muss die Mitteilung so

rechtzeitig versenden, dass der Vertreter sich sinnvoll und mit Aussicht auf Erfolg um eine Rettung

des Vertrages bemühen kann.

Ein Versicherer, der den Weg der Stornogefahrmitteilung wählt, muss sich daher sobald wie es ihm

nach den Umständen möglich und zumutbar ist, gegenüber einem Versicherungsvertreter erklären. Es

ist einem Versicherer dabei gestattet, sich in angemessener Zeit eine gewisse Klarheit zu verschaffen,

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ob Anhaltspunkte für eine Vertragsgefährdung vorliegen. Es ist ihm des Weiteren gestattet, in dieser

Situation erst eine Entscheidung zu treffen, ob er eigene Nachbearbeitungsmaßnahmen ergreift oder

ob er sich darauf beschränkt, dem Versicherungsvertreter eine Stornogefahrmitteilung zu übermitteln.

Nicht ausreichend ist es, wenn ein Versicherer nur einem Nachfolger eines ausgeschiedenen

Versicherungsvertreters die Stornogefahrmitteilung übermittelt. In einem solchen Fall muss ein

Versicherer den Auftrag zur konkreten Nachbearbeitung erteilen und im Streitfall darlegen und

nachweisen. Wenn sich ein Versicherer auf einen Erfahrungssatz berufen möchte, nach dem aus der

Erfolglosigkeit bestimmter Rettungsbemühungen einzelner Verträge auf die Erfolglosigkeit von

Rettungsversuchen auch bei den weiteren Verträgen geschlussfolgert werden könne, bedarf es hierfür

tatsächlicher Anhaltspunkte. Weil die Instanzgerichte diese Grundsätze nicht richtig angewandt

hatten, hob der BGH das die Klage des Versicherers abweisende Urteil auf und verwies den

Rechtsstreit zur neuen Entscheidung zurück.

Fazit

Der BGH hat Unternehmen, die mit Handelsvertretern zusammenarbeiten, noch einmal im Einzelnen

den Pflichtenkatalog aufgegeben, der bei stornogefährdeten Verträgen zu beachten ist: Entweder

übermittelt der Prinzipal unverzüglich Stornogefahrmitteilungen, damit der Handelsvertreter selbst

Maßnahmen zur Rettung notleidender Verträge einleiten kann oder er ergreift eigene Maßnahmen, die

er dann entsprechend belegen muss. Die bloße Versendung einer Stornogefahrmitteilung an den

Nachfolger eines ausgeschiedenen Handelsvertreters ist hingegen keine ausreichende Maßnahme

der Stornogefahrenabwehr.

§ § §

Zur Berücksichtigung von Verlusten aus Vermietung b ei Sanierung einer leer stehenden

Wohnung und anschließender Selbstnutzung (FG Hamburg, Urt. v. 11.04.2011, 6 K 257/09 rkr.)

Sachverhalt

Erwerber einer Eigentumswohnung wohnten selbst ca. 300 m von der nunmehr erworbenen Wohnung

entfernt in einer Mietwohnung. Die erworbene Wohnung war vermietet. Zwei Jahre später nach dem

Erwerb kündigte der damalige Mieter das Mietverhältnis. Die 6-Zimmerwohnung stand für einen Monat

leer. Anschließend vermieteten die Eigentümer einzelne Zimmer der Wohnung durch jeweils separate

Mietverträge an eine Wohngemeinschaft. In allen Mietverträgen wurde darauf hingewiesen, dass die

Wohnung im Spätsommer des Folgejahres (rund weitere acht Monate später) komplett umgebaut

werden sollte und sich der Umbau über etwa drei Monate erstrecken würde. Wegen des nach dem

Umbau deutlich höheren Mietzinses wurde jedem der Mieter ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt.

In den Jahren bis zum Umbau erzielten die Vermieter nur Verluste. Nach erfolgtem Umbau boten die

Eigentümer zunächst für 2.500,00 € monatlicher Mietzins, später für 2.300,00 € monatlich an. Sie

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gaben im Zeitraum April bis November 2007 insgesamt zehn Inserate auf. Eine Vermietung erfolgte

nicht. Im November 2007 kündigten die Eigentümer ihren eigenen Mietvertrag. Sie nützen seit Juli

2008 die Eigentumswohnung selbst. Weil das Finanzamt Verluste im Streitjahr nur noch bis zum

Beginn der Umbaumaßnahmen anerkannte und nicht mehr für das gesamte Streitjahr, erhoben die

Eigentümer Klage.

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Auffassung der Finanzverwaltung. Werbungskosten bei der Einkunftsart

Vermietung und Verpachtung sind abzuziehen, wenn sie bei dieser Einkunftsart erwachsen sind.

Erforderlich ist die Einkünfteerzielungsabsicht. Das ist dann der Fall, wenn die Aufwendungen durch

diese Einkunftsart veranlasst sind. Dies wiederum erfordert, dass der Steuerpflichtige die Absicht hat,

auf Dauer aus der betreffenden Einkunftsart einen Einnahmeüberschuss zu erzielen.

Die Einkunftserzielungsabsicht muss anhand objektiver (äußerer) Umstände belegbar sein. Hat ein

Steuerpflichtiger den Entschluss, auf Dauer zu vermieten, endgültig gefasst, gilt die Vermutung der

Einkünfteerzielungsabsicht für die Dauer der Vermietungstätigkeit auch dann, wenn ein

Steuerpflichtiger das vermietete Objekt aufgrund eines neu gefassten Entschlusses veräußert oder

selbst nutzt. Ein gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechendes Indiz liegt dann vor, wenn ein

Steuerpflichtiger ein bebautes Grundstück in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der

Anschaffung oder Herstellung - in der Regel innerhalb von bis zu fünf Jahren - wieder veräußert und

während dieser Zeit nur einen Werbungskostenüberschuss erzielt. Eine Vermietungsabsicht ist aber

auch im Falle des Leerstandes so lange nicht aufgegeben, solange sich ein Steuerpflichtiger ernsthaft

um die Vermietung bemüht. Für die Ernsthaftigkeit der Vermietungsbemühungen als Voraussetzung

einer fortbestehenden Einkünfteerzielungsabsicht trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast.

Diese Einkünfteerzielungsabsicht sei jedenfalls ab Beginn der Umbaumaßnahmen zweifelhaft. Zweifel

seien im Übrigen auch schon vorher angezeigt, weil die Eigentümer nur noch faktisch befristete

Mietverträge abgeschlossen hätten, indem sie Mieter einzelner Zimmer auf die geplanten

Umbaumaßnahmen und erhebliche Mieterhöhungen hingewiesen hatten.

Allein das Schalten von zehn Zeitungsinseraten könne die Zweifel nicht widerlegen. Gerade im

Hinblick auf die von den Steuerpflichtigen geschilderte finanzielle Doppelbelastung sei nicht

nachvollziehbar, warum die Eigentümer keinen Makler beauftragt hätten. Hochpreisige

Mietwohnungen in besonders gefragten Wohnlagen würden in Hamburg üblicherweise über Makler

angeboten. Deren Sachkunde und Marktkenntnis fördere eine Vermietung zum angemessenen

marktüblichen Mietzins. Zumindest hätten die Steuerpflichtigen den Marktwert der Wohnung durch

einen Fachmann bestimmen lassen müssen.

Aus diesen - äußeren - Umständen zieht das Gericht den Schluss, dass schon zu Beginn des

Streitjahres eine Eigennutzung der streitigen Wohnung im Vordergrund stand.

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Fazit

Vermietet ein Steuerpflichtiger eine von ihm erworbene Wohnung nach Auslaufen eines

übernommenen Mietverhältnisses nur noch zimmerweise mit - wegen angekündigter

Umbaumaßnahmen - faktisch befristeten Mietverhältnissen und nutzt er die Wohnung nach

Durchführung der Sanierung ca. vier Jahre nach Erwerb selbst, spricht dies für die Aufgabe der

Vermietungsabsicht. Behauptet der Steuerpflichtige, diese Absicht erst später aufgegeben zu haben,

muss er dies durch Fakten belegen können. Verbleibende Zweifel gehen zu seinen Lasten.

KURZ UND BÜNDIG

Family Office und AIFM-Richtlinie

Nach dem derzeit geltenden Merkblatt der BaFin (vgl. Merkblatt zur Erlaubnispflicht gem. § 32 Abs. 1

KWG für Family Offices vom 30.06.2008 Stand 10.02.2009) fallen Family Offices nicht in den

Anwendungsbereich des KWG. Krause und Klebeck gehen in ihrem Beitrag in Heft 34/2012 der

Zeitschrift Betriebs-Berater der Frage nach, ob sich an der bislang geltenden Erlaubnisfreiheit mit

Inkrafttreten der AIFM-Richtlinie etwas ändert. Zunächst befassen sich die Autoren mit der Frage, wer

Regelungsadressat der AIFM-Richtlinie ist und was ein AIF ist. Sodann beschreiben sie die

Tätigkeitsfelder von Family Offices. Ausgiebig befassen sie sich mit dem Erwägungsgrund 7 der

AIFM-Richtlinie, in der es heißt, dass Family Office-Vehicle, die das Privatvermögen von Anlegern

investieren, ohne Fremdkapital zu beschaffen, nicht als AIF gem. dieser Richtlinie betrachtet werden

sollen. Mit der Beschaffung von Fremdkapital ist in diesem Zusammenhang nicht etwa die Aufnahme

von Krediten oder der Einsatz einer Hebelwirkung gemeint, sondern das Einsammeln von

familienfremdem Kapital. Die Begründung hierfür ergibt sich aus der englischen Fassung der AIFM-

Richtlinie. Jedenfalls für Single Family Offices sind die Voraussetzungen einer Erlaubnisfreiheit erfüllt.

Für Multi Family Offices bleibt es bei einer gewissen Rechtsunsicherheit. Auf keinen Fall dürfen Multi

Family Offices auf eine Poolung der eingeworbenen Mittel abzielen. Sie müssen vielmehr für jede

Familie getrennt die Vermögensverwaltung und -steuerung betreiben. Identische

Investmentempfehlungen bzw. Parallelinvestments sollten nach Ansicht der Autoren allerdings

unschädlich sein.

* * *

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Kausalitätsvermutung bei Verletzung einer Aufklärun gspflicht auch bei mehreren

Handlungsalternativen des Anlegers (Aufgabe der bis herigen Rechtsprechung)

Bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung greift bekanntlich eine Beweislastumkehr ein. Es gilt

der Grundsatz aufklärungsrichtigen Verhaltens. Insoweit spricht eine Vermutung dafür, dass sich bei

durchgeführter Aufklärung der Anleger „aufklärungsrichtig“ verhalten hätte. Bislang galt dieser

Grundsatz nicht, wenn ein Anleger auch bei gehöriger Aufklärung nur eine Handlungsalternative

gehabt hätte. Mit Urteil vom 08.05.2012 (XI ZR 262/10) hat der BGH diesen Grundsatz aufgegeben.

Wolters bespricht in Heft 17/2012 der Zeitschrift EWiR dieses Urteil. Wolters hält es für tragfähig,

dass der XI. Zivilsenat ausschließlich an den Schutzzweck der Aufklärungspflicht anknüpft und

ausdrücklich nicht an die Vermutung eines bestimmten Verhaltens des Anlegers. Ob Anleger sich

regelmäßig rational verhalten, sei sehr fraglich. Das ändere aber nichts daran, dass ein Anleger das

Recht haben muss, in eigener Entscheidung und Abwägung des Für und Wider darüber zu befinden,

ob er in ein bestimmtes Projekt investieren will oder nicht. Auf dieser Grundlage sei es konsequent,

dass sich ein etwaiger Entscheidungskonflikt des Anlegers auf die Beweislastumkehr nicht auswirke.

* * *

Haftung des GmbH-Geschäftsführers wegen Zahlung tro tz Insolvenzreife - Pflicht zur

Überprüfung der wirtschaftlichen Lage bei krisenhaf ten Anzeigen

Der Geschäftsführer einer GmbH kann persönlich auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden,

wenn er nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Feststellung der Überschuldung Zahlungen an

Dritte leistet. Er muss für eine Organisation sorgen, die ihm die zur Wahrnehmung seiner Pflichten

erforderliche Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation der Gesellschaft jederzeit

ermöglicht. Schodder bespricht in Heft 17/2012 der Zeitschrift EWiR das BGH-Urteil vom 19.06.2012,

in dem sich der BGH erneut mit der Verantwortlichkeit des GmbH-Geschäftsführers im Stadium der

Insolvenzreife zu befassen hatte. Nach Ansicht von Schodder ist das BGH-Urteil für die

Beratungspraxis äußerst hilfreich. Es ist ein weiterer höchst richterlicher Eintrag in das

„Pflichtenstammbuch“ des GmbH-Geschäftsführers.

* * *

Die Verwaltung alternativer Investmentvermögen nach dem KAGB-E

Die Verwaltung von AIF ist ab 22.07.2013 grundsätzlich nur noch möglich, wenn der Verwalter (AIFM)

über eine Erlaubnis verfügt. In Deutschland soll die AIFM-Richtlinie durch das

Kapitalanlagegesetzbuch in nationales Recht umgesetzt werden. Am 20.07.2012 ist der

Gesetzesentwurf erschienen. Herring und Loff legen in ihrem Beitrag in Heft 36/2012 der Zeitschrift

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Der Betrieb dar, auf welche Weise zukünftig AIF verwaltet werden können, welche wesentlichen

Typen es gibt und welche Auswirkungen diese Auswahl auf die Verwaltung und die Art nutzbarer

Vermögensgegenstände hat. Beschrieben werden Möglichkeiten der internen und der externen

Verwaltung. Bei Auslagerung und Nutzung einer Master-AIF-KVG-Struktur gibt es wiederum

unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten, die die Autoren vorstellen. Das Kapitalanlagegesetzbuch

wird aber nicht nur auf der Ebene der Verwaltungsgesellschaft zu Änderungen gegenüber den

aktuellen Strukturen führen, sondern auch auf Ebene der AIF selbst. Das Gesetz unterscheidet

zwischen offenen und geschlossenen AIF, wobei dies Auswirkungen auf die Vermögensgegenstände

hat, die für den AIF erworben werden können. Geschlossene Publikums-AIF und offene Spezial-AIF

müssen grundsätzlich Risikomischungsvorgaben beachten. Nach derzeitiger Fassung des

Gesetzesentwurfs wird dies dazu führen, dass die aktuelle Struktur von Ein-Objekt-Fonds nur unter

eingeschränkten Bedingungen möglich ist. Besonderheiten gelten für Private Equity-Fonds, deren

Anteile nur noch von professionellen Anlegern gehalten werden dürfen. Private Equity-Fonds sind

deshalb zwingend als geschlossener Spezial-AIF auszugestalten. Privatkunden können in Private

Equity-Risiken nur noch über Dachfonds-Lösungen investieren.

* * *

Auswirkungen der AIFM-Richtlinie auf geschlossene F onds

Seit dem 01.06.2012 ist das Vermögensanlagengesetz in Kraft, welches das Verkaufsprospektgesetz

abgelöst hat. Bevor ein Verkaufsprospekt veröffentlicht werden darf, ist er von der BaFin zu billigen.

Die Umsetzung der AIFM-Richtlinie in nationales Recht wird den heutigen Rechtsrahmen erneut

erheblich modifizieren. Bußalb und Unzicker beleuchten in ihrem Beitrag in Heft 8/2012 der

Zeitschrift BKR die wesentlichen Kernregelungen der AIFM-Richtlinie für den Markt der

geschlossenen Fonds. Die Autoren sehen vor allem Gefahren für die Existenz kleinerer Anbieter und

Emittenten, weil künftig Vermögensanlagen, die bislang unter den Ausnahmetatbestand des § 2

VermAnlG fallen, grundsätzlich von der AIFM-Richtlinie erfasst werden dürften. Der Beitrag

berücksichtigt noch nicht die inzwischen absehbaren Änderungen, die das Kapitalanlagegesetzbuch

mit sich bringen werden. Vielmehr geht es um die Darstellung, inwieweit der Verwalter von AIF künftig

reguliert sein wird. Externe und interne Verwaltung von AIF’s werden gegenübergestellt. Ihre

Verhaltens- und Organisationspflichten werden beleuchtet. Außerdem behandeln die Autoren die

Themen „Verwahrstellen, Vertriebsanforderungen, EU-Pass und Veröffentlichungspflichten“.

* * *

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PIB: Ein neues Risiko im Rahmen der Prospekthaftung ?

Seit 01.07.2011 muss Privatkunden im Rahmen einer Anlageberatung vor dem Abschluss eines

Geschäfts über Finanzinstrumente ein Produktinformationsblatt (PIB) über das jeweilige

Finanzinstrument ausgehändigt werden. In diesem Informationsblatt soll das jeweilige

Finanzinstrument kurz und leicht verständlich beschrieben sein. Auch die Risiken müssen mitgeteilt

werden. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass es noch erhebliche Defizite und mithin

Verbesserungsbedarf gibt. Außerdem könnte das Produktinformationsblatt ein zusätzliches

haftungsrelevantes Dokument darstellen. Schlee und Maywald befassen sich in ihrem Beitrag in Heft

8/2012 der Zeitschrift BKR mit dem zwingenden Inhalt eines Produktinformationsblattes. Des

Weiteren beleuchten sie die haftungsrechtlichen Konsequenzen, die sich aus diesem neuen

Dokument ergeben können und gehen schließlich auf die praktischen Erwägungen und einem

möglichen Umgang mit neuen Haftungsrisiken ein.

* * *

Nachschusspflichten bei geschlossenen Immobilienfon ds

Gerät ein geschlossener Fonds in eine finanzielle Notlage, knüpft sich daran häufig die Frage,

inwieweit ein Rückgriff auf die beteiligten Gesellschafter möglich ist, um im schlimmsten Fall eine

drohende Insolvenz der Beteiligungsgesellschaft abzuwenden. Stoklassa und Feldner gehen in

ihrem Beitrag in Heft 2/2012 der Zeitschrift zum Immobiliensteuerrecht (ImmoStR) der Frage nach,

unter welchen Voraussetzungen Kapitalanleger zur Erbringung von Nachschüssen verpflichtet sind.

Die Empfehlung lautet, dass bei Beschlussfassung über ein Sanierungskonzept dieses auch

wirtschaftlich umsetzbar sein sollte, wenn nicht alle Gesellschafter einen auf sie entfallenden Anteil

nachschießen. Nützlich und hilfreich sei es sicherlich, im Vorfeld des Beschlusses allen Gesellschafter

vorzurechnen, wie hoch ihr persönlicher Nachschuss wäre, welchen Betrag sie im Falle einer

Liquidation ohnehin nachschießen müssten und wie hoch das derzeitige

Auseinandersetzungsguthaben ist.

Soweit gesellschaftsvertraglich Nachschüsse vereinbart sind, muss deren Höhe objektiv bestimmbar

sein oder durch sonstige Kriterien eingegrenzt sein.

* * *

Zur Frage der Wirksamkeit von Klauseln in der Leben s- und Rentenversicherung betreffend

Abschlusskosten, Stornoabzüge und anderes - Anmerku ngen von Präve zum BGH-Urteil vom

25.07.2012, IV ZR 201/10

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Der BGH hatte sich erneut mit der Frage der Wirksamkeit von Versicherungsbedingungen von Kapital-

Lebensversicherungen, Rentenversicherungen und fondsgebundenen Lebens- und

Rentenversicherungen auseinanderzusetzen. Im Urteil vom 25.07.2012 erklärte er verschiedene

Klauseln im Bedingungswerk eines Versicherers für unwirksam. Präve nimmt in Heft 27/2012 der

Zeitschrift Versicherungsrecht zu dieser Entscheidung Stellung. Er weist zunächst auf die

Vorgeschichte hin, die es zu dieser Entscheidung gibt und die für ihre Einordnung wichtig ist: Im Jahr

2001 hatte der BGH verschiedene Klauseln zu Rückkaufswerten und zur Verrechnung von

Abschlusskosten als intransparent verworfen und den Versicherern zugleich Hinweise an die Hand

gegeben, wie eine hinreichende Transparenz der Klauseln hergestellt werden kann. Im Jahr 2005

hatte der BGH dann entschieden, dass eine Heilung von Bedingungen, die wegen

Transparenzverstößen als unwirksam anzusehen waren, nicht dadurch erfolgen kann, dass diese

intransparenten Klauseln durch verständlichere aber inhaltlich identische Klauseln ersetzt werden

können. Es müsse jedenfalls im Falle der Unwirksamkeit von Klauseln ein sog. Mindestrückkaufswert

eingeräumt werden. Sodann hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2006 ohne nähere

Begründung festgehalten, eine Mindestleistung sei auch verfassungsrechtlich begründet. Der

Gesetzgeber hat im neuen VVG, welches im Jahr 2008 in Kraft getreten ist, Vorschriften über

Mindestrückkaufswerte vorgegeben. Einen nachträglichen Eingriff in die Kalkulation bereits

geschlossener Versicherungsverträge hatte der Gesetzgeber allerdings abgelehnt. Soweit Klauseln

über einen Stornoabschlag unwirksam sind, lässt sich für Alt-Verträge die entstehende

Regelungslücke nicht mehr schließen. Deshalb entfalle der Stornoabschlag ersatzlos. In Bezug auf

die Regelung zur Verrechnung der Abschlusskosten gestaltet sich die Beurteilung dagegen

schwieriger. Da auch hier eine Wiederherstellung einer für unwirksam erklärten Klausel nicht möglich

ist, biete die Rechtsprechung zum Mindestrückkaufswert einen ausreichenden Schutz auch zugunsten

des Versicherungsnehmers.

Präve kritisiert das Urteil vor allem deshalb, weil der BGH mehr und mehr an die Stelle des

verständigen Versicherungsnehmers den unmündigen Versicherungsnehmer treten ließ. Er weist

darauf hin, dass die Lebensversicherung als Altersvorsorge auf Langfristigkeit angelegt ist.

Grundsätzlich ist der Anlagehorizont, d.h. die Vertragsdauer, nicht auf Jahre fixiert, sondern

Jahrzehnte. Der Versicherer benötige deshalb eine Planungssicherheit, um eine hinreichende

Kalkulation vornehmen zu können. Präve weist des Weiteren darauf hin, dass die stärkere

Rechtsstellung eines kündigenden Versicherungsnehmers letztlich vom Kollektiv aller Versicherten

finanziert werden müsse.

* * *

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Prospektpflicht von Bezugsrechtsemissionen

Bis zum Inkrafttreten des Umsetzungsgesetzes zur Änderungsrichtlinie zur Prospektrichtlinie vertrat

die BaFin die Rechtsauffassung, dass Bezugsrechtskapitalerhöhungen, die sich ausschließlich an Alt-

Aktionäre richten, kein öffentliches Angebot im Sinne des § 2 Nr. 4 WpPG darstellen.

Dementsprechend konnten Kapitalerhöhungen, die sich lediglich im Rahme der bestehenden

Bezugsrechte bewegten, ohne die Erstellung eines Prospektes durchgeführt werden. Im Zuge der

Revision der Europäischen Prospektrichtlinie, die seit 01.07.2012 auch für das WpPG maßgeblich ist,

hat der Richtliniengeber die Prospektpflicht von Bezugsrechtsemissionen (auch in Deutschland)

eingeführt. Leuering und Stein stellen in Heft 19/2012 von NJW-Spezial die Prospektrichtlinie in

ihren Grundzügen vor.

* * *

Zur Neufassung des KapMuG und zur Verjährungshemmun g bei Prospekthaftungsansprüchen

Am 01.11.2012 tritt die Novelle des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes (KapMuG) in Kraft.

Halfmeier stellt in Heft 38/2012 der Zeitschrift Der Betrieb die wichtigsten Neuerungen vor. Des

Weiteren geht er auf die in der Praxis relevante Frage des Umfangs der Verjährungshemmung bei

Prospekthaftungsansprüchen ein. Halfmeier bedauert vor allem, dass der Gesetzgeber sich nicht zu

einem opt-in- oder opt-out-Verfahren durchringen konnte. Allerdings wurde die Variante der

„Anmeldung von Ansprüchen zum Musterverfahren“ eingeführt. Die Wirkung dieser Anmeldung

reduziert sich allerdings auf die Hemmung der Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 6a BGB n.F.. Ein

Anmelder nimmt weder am Musterverfahren teil noch wirkt dessen Ergebnis für oder gegen ihn. Nach

Beendigung des Musterverfahrens hat der Anmelder drei Monate Zeit zur Klageerhebung.

Anderenfalls entfällt die Hemmungswirkung. Neben der Forderungsanmeldung wurde die Möglichkeit

des opt-out-Vergleichs neu eingeführt. Der Musterkläger und der Musterbeklagte können dem Gericht

einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten, der den Anforderungen des § 17 Abs. 2 KapMuG

n.F. entsprechen muss. Dieser Vergleichsvorschlag kann anschließend vom Gericht unter den in § 18

Abs. 1 KapMuG n.F. genannten Voraussetzungen genehmigt werden.

Die fehlenden Erfahrungen mit der Verfahrensfortsetzung nach einem Musterentscheid nimmt der

Gesetzgeber auch jetzt zum Anlass, das Gesetz erneut zu befristen. Es muss seine Bewährung bis

zum 31.10.2020 unter Beweis stellen.

* * *

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Zur Aufrechnung der Treugeber-Anleger in Publikums- oHG gegen Freistellungsanspruch des

Treuhandgesellschafters

Bei einer mittelbaren Beteiligung eines Anlegers an einer Publikums-Personengesellschaft hat

zunächst nur der Treuhänder den Status eines Gesellschafters. Er verschafft ihn im Innenverhältnis

aber regelmäßig dem Treugeber. Diesem steht, wenn er von einem Gesellschaftsgläubiger in

Anspruch genommen wird, regelmäßig ein Freistellungsanspruch gegen den Treugeber zu. Diesen

Anspruch kann der Treuhänder abtreten. Dadurch wandelt er sich in einen Zahlungsanspruch um. Vor

kurzem hat der BGH seine Grundsätze zur persönlichen Außenhaftung von Treugebern

weiterentwickelt und geurteilt, dass der Treugeber bei Inanspruchnahme durch einen

Gesellschaftsgläubiger nicht mit Schadenersatzansprüchen aus Prospekthaftung aufrechnen kann,

die dem Treugeber gegen den Treuhänder zustehen. Wertenbruch bespricht in Heft 18/2012 der

Zeitschrift EWiR diese Entscheidung. Er verweist auf § 129 HGB. Nach dieser Norm kann ein

einzelner Gesellschafter andere als persönliche Einwendungen nur insoweit geltend machen, als sie

von der Gesellschaft noch erhoben werden können. Etwaige Schadenersatzansprüche eines

Gesellschafters wegen Pflichtverletzung durch einen Dritten stehen der Gesellschaft aber nicht zu.

Diese Wirkung muss der Gesellschafter und damit auch der Treugeber, der wie ein unmittelbarer

beteiligter Gesellschafter zu behandeln ist, hinnehmen.

Gerne möchten wir wissen, wie Ihnen unser Newsletter gefällt, und freuen uns daher über Ihre Anregungen und Kritik:

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