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KOLLOID- ZEITSCHRIFT zur Zeit vereinigt mit den Kolloid-Beiheften Band 128 Oktober 1952 Heft 3 Aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut liar physikalische Chemie und Elektrochemle, Berlin-Dahlem Der Ordnungsgrad fester Polyiithylene*) Von Kurt Ueberreiter und Hans-Joachim Orthmann Mit 7 Abbildungen (Eingegangen am 3. August 1952) I. Einlei~ung II. Experimentel}vr Teil a) Untersuchte Substanzen b) Molekulargewichtsbestimmung c) Konstitution der Polyethylene d) Ordnungsgrad e) Berechnung des Ordnungsgrades aus der Vo- lumenschmelzkurve f) Kettenlii, ngenabh~ngigkeit des Kristallvolu- mens g) Kettenli~ngenabhangigkeit des Ausdehnungs- koeffizienten h) Kettenl~ngenkorrektur der Berechnung des Ordnungsgrades i) Beeinflussung des Ordnungsgrades durch die Vorbehandlung III. Mei3ergebnisse und ihre Deutung a) Ordnungsgrad unverzweigter Paraffine b) 0rdnungsgrad verzweigter Polyiithylene c) Thermischer Abbau an den Seitengruppen d) Ordnungsgrad thermisch entzweigter Poly- athylene e) Schmelzpunktsabhitngigkeit des Ordnungs- grades f) Seitengruppenabh~ngigkeit des Schmelz- punktes I. Einleitung Schmelz- und kristullisierb~re ttochpoly- mere, wie Poly~mide, Polyiithylene und ~ndere Polymere, bilden die Grundlage fiir die Herstellung yon F~sern. Die amorph bleibenden Polymeren verfestigen sieh n~m- lich beim Durchschreiten der Einfriertem- peratur nicht so st~rk wie die kristullisie- renden bei Abktihlung unterhalb des Schmelzpunktes, d~ im zweiten Falle die M~kromolekiile durch die sich bildenden Mikrokristallite physikalisch vernetzt wet- den. Im Gegensutz zur chemischen u netzung, wie beispielsweise der Kautschuk- vulkanisation und Harzh~rtung~ ist die phy- sik~lische Yernetzung reversibel und wird durch eine TemperaturerhShung wieder rtickg~ngig gemueht. Die Kenntnis der Ab- hi~ngigkeit des kristallinen Anteils der fe- *) 3. Teil einer Arbeit fiber Polyitthylen. 1. Teil: Makrom. Chemie 8, 21 (1952). 2. Teih Kolloid-Z. 126, 140 (1952). sten Phase yon der Temperatur, dem lVlole- kulargewicht und anderen GrSl~en ist daher notwendig, um das Modell yon solchen Stoffen wirklichkeitsni~her beschreiben zu kSnnen. Unter Zuhilfenahme verschiedener Me- thoden wurde bereits yon mehreren Au- toren der ,,kristalline Anteil" yon festen Poly~thylen bestimmt. Bunn (1), Bunn und Alcock (2), Krimm und Tobolsky (3), Hermans (4) undMatthews, Pei- set und Richards (5) ermittelten ihn aus RSntgendiagrammen, w~hrend Hunter und Oakes (6) ihn aus der Volumen-Tem- peraturkurve und Raine, Richards und Ryder (7) aus der Enthalpiekurve bereeh- neten. Zwar sind die Werte der einzelnen Autoren nicht sehr untersehiedlich, doeh lassen sie sich sehlecht mitein~nder ver- gleichen, da vielfach die Angaben zur Cha- rakterisierung der untersuchten Substunz nicht ~usreichen. Hi~ufig sind weder die Molekulargewichte, noch ihre Bestim- mungsmethoden ~ngegeben; uuch ist die Angube des Verzweigungsgrades wichtig, da die Poly/~thylene verzweigt sind. An- dererseits kann gar nicht erwartet werden, da$ die nach den verschiedenen Verfuhren ermittelten Werte iibereinstimmeu, denn jede Methode wird die Grenzen des kristal- linen Bereichs anders festlegen, wie im fol- genden begriindet werden soll. II. Experimenteller Teil a) Untereuchte Substanzen Es wurden unverzweigte, verzweigte und entzweigte Polyethylene untersueht. Zu den ersteren gehSren die n-Paraffine und seiten- kettenfreies Poly~thylen aus Diazomethan. An Paraf- finen standen Cls, C 2s, C35, C~, C6a und Cll 6 zur Ver- ftigung. Cls und C2s waren reinste Kodak-Erzeugnisse. Die hSheren wurden durch fraktionierte F~llung tech- nischer Hartparaffine erhalten. Gegen den Einwand, diese seien vielleicht etwas verzweigt, spricht der Be- fund, dab ihr volumetrisch bestimmter Schmelzpunkt dem Wert en~spricht, der fiir die kryoskopisch bestimmte Kettenl~nge aus der Schmelzpunktsformel yon Gar-

Der Ordnungsgrad fester Polyäthylene

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Page 1: Der Ordnungsgrad fester Polyäthylene

K O L L O I D - Z E I T S C H R I F T zur Zeit vereinigt mit den Kolloid-Beiheften

Band 128 Oktober 1952 Heft 3

Aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut liar physikalische Chemie und Elektrochemle, Berlin-Dahlem

Der Ordnungsgrad f e s t er Po ly i i thy lene*) Von Kurt Ueberre i t e r und Hans-Joachim O r t h m a n n

Mit 7 Abbildungen (Eingegangen am 3. August 1952)

I. E in l e i~ung

II. E x p e r i m e n t e l } v r Tei l a) Untersuchte Substanzen b) Molekulargewichtsbestimmung c) Konstitution der Polyethylene d) Ordnungsgrad e) Berechnung des Ordnungsgrades aus der Vo-

lumenschmelzkurve f) Kettenlii, ngenabh~ngigkeit des Kristallvolu-

mens g) Kettenli~ngenabhangigkeit des Ausdehnungs-

koeffizienten h) Kettenl~ngenkorrektur der Berechnung des

Ordnungsgrades i) Beeinflussung des Ordnungsgrades durch die

Vorbehandlung

III . Mei3ergebnisse und ih re D e u t u n g a) Ordnungsgrad unverzweigter Paraffine b) 0rdnungsgrad verzweigter Polyiithylene c) Thermischer Abbau an den Seitengruppen d) Ordnungsgrad thermisch entzweigter Poly-

athylene e) Schmelzpunktsabhitngigkeit des Ordnungs-

grades f) Seitengruppenabh~ngigkeit des Schmelz-

punktes

I. Einleitung

Schmelz- und kristullisierb~re t tochpoly- mere, wie Poly~mide, Polyiithylene und ~ndere Polymere, bilden die Grundlage fiir die Herstellung yon F~sern. Die amorph bleibenden Polymeren verfestigen sieh n~m- lich beim Durchschreiten der Einfriertem- peratur nicht so st~rk wie die kristullisie- renden bei Abktihlung unterhalb des Schmelzpunktes, d~ im zweiten Falle die M~kromolekiile durch die sich bildenden Mikrokristallite physikalisch vernetzt wet- den. Im Gegensutz zur chemischen u netzung, wie beispielsweise der Kautschuk- vulkanisation und Harzh~rtung~ ist die phy- sik~lische Yernetzung reversibel und wird durch eine TemperaturerhShung wieder rtickg~ngig gemueht. Die Kenntnis der Ab- hi~ngigkeit des kristallinen Anteils der fe-

*) 3. Teil einer Arbeit fiber Polyitthylen. 1. Teil: Makrom. Chemie 8, 21 (1952). 2. Teih Kolloid-Z. 126, 140 (1952).

sten Phase yon der Temperatur , dem lVlole- kulargewicht und anderen GrSl~en ist daher notwendig, um das Modell yon solchen Stoffen wirklichkeitsni~her beschreiben zu kSnnen.

Unter Zuhilfenahme verschiedener Me- thoden wurde bereits yon mehreren Au- toren der ,,kristalline Anteil" yon festen Poly~thylen bestimmt. B u n n (1), B u n n und A l c o c k (2), K r i m m und T o b o l s k y (3), H e r m a n s (4) u n d M a t t h e w s , P e i - s e t und R i c h a r d s (5) ermittel ten ihn aus RSntgendiagrammen, w~hrend H u n t e r und O a k e s (6) ihn aus der Volumen-Tem- peraturkurve und R a i n e , R i c h a r d s und R y d e r (7) aus der Enthalpiekurve bereeh- neten. Zwar sind die Werte der einzelnen Autoren nicht sehr untersehiedlich, doeh lassen sie sich sehlecht mitein~nder ver- gleichen, da vielfach die Angaben zur Cha- rakterisierung der untersuchten Substunz nicht ~usreichen. Hi~ufig sind weder die Molekulargewichte, noch ihre Bestim- mungsmethoden ~ngegeben; uuch ist die Angube des Verzweigungsgrades wichtig, da die Poly/~thylene verzweigt sind. An- dererseits kann gar nicht erwartet werden, da$ die nach den verschiedenen Verfuhren ermit tel ten Werte iibereinstimmeu, denn jede Methode wird die Grenzen des kristal- linen Bereichs anders festlegen, wie im fol- genden begriindet werden soll.

I I . Experimenteller Teil a) Untereuchte Substanzen

Es wurden unverzweigte, verzweigte und entzweigte Polyethylene untersueht.

Zu den ersteren gehSren die n-Paraffine und seiten- kettenfreies Poly~thylen aus Diazomethan. An Paraf- finen standen Cls , C 2s, C35, C~, C6a und Cll 6 z u r Ver- ftigung. Cls und C2s waren reinste Kodak-Erzeugnisse. Die hSheren wurden durch fraktionierte F~llung tech- nischer Hartparaffine erhalten. Gegen den Einwand, diese seien vielleicht etwas verzweigt, spricht der Be- fund, dab ihr volumetrisch bestimmter Schmelzpunkt dem Wert en~spricht, der fiir die kryoskopisch bestimmte Kettenl~nge aus der Schmelzpunktsformel yon Gar -

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126 Ueberreiter u. Orthmann, Ordnungsgrad fester Poly/~thylene [ go~loid- Zeitschrift,

ner, B ibber und King (8) fiir n-Paraffine berechnet wird. Eine Seitengruppe setzt den Schmelzpunkt eines n-Paraffins sehr erheblich herab, wie sich dem Bueh yon E g g lo ff (9) entnehmen li~I~t. Die Sehmelzpunktsformel yon Garner, Bibber und King zogen wir der Formel yon Meyer-v. d. Wyk (10) vor, da sieh aus der ersteren fiir C~a30 ein Schmelzpunkt yon 133~ errechnet, der mit dem tatsaehlich beobaehteten Wert yon 132~ gut iibereinstimmt. Die Meyer-v. d. Wyksche Formel er- gibt dagegen den zu hohen Weft yon 142 ~ C. Fiir Paraf- fine unterhalb C~00 stimmen die Ergebnisse aus beiden Formeln iiberein.

Seitenkettenfreies Poly~thylen mit einera Molekular- gewicht yon 20000 wurde durch die Zersetzung yon Diazomethan mit Kupferpulver nach der Methode yon Buckley , Cross und R a y (11) hergestellt. Die Be- st~tigung daftir, daiS wirklich ein n-Paraffin vorlag, wurde daraus entnommen, dal~ seine Eigenschaften mit einem hochmolekularen n-Paraffin iibereinstimmen, welches von P ieh le r und Buff leb (12) nach dem Fischer-Tropsch.Verfahren hergestellt war.

Autor M P*) v2o F Ueber r e i t e r

u. O r t h m a n n 20 000 1 430 1,025 132 ~ C Pich le r

und Puff leb 23 000 1 640 1,02 133 ~ C

*) P = Kettenl~nge ausgedriickt in C-Atomen.

Im Gegensatz zu den Poly~thylenen muBte das Mo- lekulargewicht viskosimetrisch bei 90 ~ gemessen wer- den, da ein seitenkettenfreies Paraffin viel schwerer 16slich ist als ein Polyathylen. Das Molekulargewicht wurde daher dutch eine Vergleichsmessung mit einem Poly~thylen von bekanntem Molekulargewieht bei die- ser Temperatur bestimmt. Das Paraffin aus Diazo- methan war sehr einheitlich, es liel~en sich nach der iiblichen Methode durch fraktionierte F/~llung bei ver- schiedenen Temperaturen keine kurzkettigen Anteile mehr aus ihm abtrennen.

Die verzweigten Poly/ithylene waren Fraktionen technischer Polyethylene {Lupolene der BASF), die nach dem im 1. Tell der Arbeit (13) gesehilderten Ver- fahre~ dargestellt wurden. Ihre Molekulargewichte la- gen im Bereieh yon 1000 bis 40000, was ungef/~hr einem C70 bis C ~s00 entspricht.

Die entzweigten Polyethylene wurden durch ther- mischen Abbau yon hochmolekularen Poly~thylenen nach der Methode yon Oakes und R icha rds (14) her- gestellt und sorgf~ltig fraktioniert, um einheitliehere Produkte zu erhalten.

b) Molekulargewichtsbestimmung

Die M o l e k u l ~ r g e w i c h t e d e r P a r a f f i n e u n d k u r z k e t t i g e n P o l y e t h y l e n e bis zu M , = 3000 (C210) w u r d e n k r y o s k o p i s c h be-

s t i m m t .

Abweiehend vom 1. Tell dieser Arbeit (13) wurde mit Phenanthren gearbeitet, da seine kryoskopische Konstante grSiser ist als die des Diphenyls. Sie wurde mit reinstem Cls und C2s zu _Eg = 11,9 bestimmt in guter ~0bereinstimmung nait Ea ~ 12,0, einem Wert, der in den Landol t -B6rnste in-Tabel len angegeben ist. XVeiterhin hat die hShere Schmelztemperatur des Phenanthrens yon 100~ den Vorteil, dais bei nicht vollst~ndig trockener Substanz die L6sungsmittel- spuren, welche erhebliche Fehler verursaehen, in 1--2

Stun4en aus der Schmelze herausgedampft sin& Es geniigt schon 1% Toluol, um ein 20% zu niedriges Mo- lekulargewicht bei einem C140 zu bestimmen.

O b e r h a l b y o n M~ = 3000 w u r d e n die M o l e k u l a r g e w i c h t e v i s k o s i m e t r i s c h (in D e - k a l i n bei 70 ~ C) n a c h d e r in Tel l I (13) e n t - w i c k e l t e n B e z i e h u n g

[~'/] = 3,873 �9 10 -4 M~ '73s

b e s t i m m t .

Diese Gleichung ]iefert nur gute N~herungswerte, da bei ihrer Aufstellung der Einfiufl der Verzweigung auf die Viskosit~t nicht berficksichtigt werden konnte. Polyethylene verschiedenen Molekulargewichtes bilden keine echte homologe Reihe, denn ihr Verzweigungs- grad ist kettenl~ngen- und herstellungsbedingt, wie welter unten in einem anderen Zusammenhang bespro- chen wird. Es ]~13t sich daher in diesem Falle keine exakte allgemeingiiltige Beziehung zwisehen der In- trinsie-Viskosit/it und dem Molekulargewicht aufstellen. Deshalb ist unsere Beziehung mit der anderer Autoren (6, 14, 15), die auiserdem mit anderen LSsungsmitteln und Temperaturen arbeiteten, nicht vergleichbar.

c) Konstitution der Polyiithylene

ES muf~ b e t o n t w e r d e n , d a b P o l y i ~ t h y l e n e n i c h t als e c h t e n - P a r a f f i n e , s o n d e r n n u t als p a r a f f i n ~ h n l i c h e K S r p e r u u f z u f a s s e n s ind . Sie we i sen m ~ x i m a l e ine D o p p e l b i n d u n g je Moleki i l a u f [ O a k e s u n d R i c h a r d s (14)], in e ine r E n d g T u p p e is t m e i s t de r K ~ t u l y - s a t o r e i n g e b a u t ( ]6) , u n d v o r a l l em s ind sie v e r z w e i g t . So ist es vers t i~ndl ich , d~I3 d e r U n t e r s c h i e d z w i s c h e n e i n e m n - P a r a f f i n u n d e i n e m P o l y ~ t h y l e n u m so grSl3er w i r d , je g e r i n g e r die Ke t t en l i~nge ist .

D ie A n z a h l de r S e i t e n g r u p p e n (d. h. d e r V e r z w e i g u n g s g r a d ) is t h e r s t e l l u n g s b e d i n g t (17) u n d n l m m t m i t w a c h s e n d e m M o l e k u - l a r g e w i c h t ~b. Die t e c h n i s c h e n P o l y e t h y - lene b i l d e n aus d i e s e m G r u n d e ke ine e c h t e p o l y m e r h o m o l o g e Re ihe . E i n e R e i h e m i t g l e i c h b l e i b e n d e m S e i t e n k e t t e n v e r h i ~ l t n i s li~f3t s ich n u r d u r c h d e n v o r s i c h t i g e n t h e r - m i s c h e n A b b u u eines h o c h m o l e k u l ~ r e n P o - ly i~thylens e r r e i chen , wie O a k e s u n d R i - c h a r d s (14) ze ig t en . Z u r C h ~ r u k t e r i s i e r u n g eines P o l y ~ t h y l e n s muI3 d a h e r aul~er de r K e t t e n l ~ n g e n o c h u n b e d i n g t de r V e r z w e i - g u n g s g r a d a n g e g e b e n w e r d e n .

d) Ordnungsgrad

Bei e i n e m kr is ta l l i s ierf i~higen H o c h p o l y - m e r e n , wie d e m P o l y a t h y l e n , s p r i c h t m a n u n t e r g l e i chze i t i ge r A n g a b e de r B e s t i m - m u n g s m e t h o d e besse r y o n s e i n e m Ord- n u n g s g r ~ d als v o m , ,k r i s t~ l l inen A n t e i l " . D a s b i she r t ib l iche Bi ld d e r :F ransenmize l l e , bei w e l c h e r die K r i s t a l l i t g r e n z e n k l a r he r - v o r t r e t e n , t r i f f t w a h r s c h e i n l i c h n u t ffir

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BandHoft3128(1952) ] Ueberrei ter u. Or thmann, Ordnungsgrad fester Poly/~thylene. 127

teilgel6ste oder assoziierte Makromolekiile zu. Die aus dem Bfindel herausragenden Enden hind im festen Zustand des reinen Stoffes nicht frei beweglieh und abgeknickt, sondern liegen noch fiber gewisse Streeken in Riehtung des Kristalls. Sie sind durch ihre Verankerung im :Naehbarkristallit ge- spannt und daher unbeweglich. Das konnte aueh U e b e r r e i t e r (18) zeigen, weleher aus l~6ntgendiagrammen sehlol3, dab die Makromolekfile des Polyi~thylens in der Sehmelze nicht kugelf6rmig aufgekn~tuelt, sondern gesehli~ngelt sind. Man mul~ d~her annehmen, da/3 das allmi~hlieh sich sprei- zende Molekfilbiindel kontinuierlich yore lu'istallinen in den amorphen, ungeordneten Zustand fibergeht. Es h~ngt deshalb aus- schliel31ieh yon der Empfindliehkeit der Untersuchungsmethode ab, an welcher Stelle des Bfindels die Kristallgrenze ver- li~uft; jedes Verfahren wird sieh eine an- dere Grenze setzen.

e) B e r e c h n u n g des O r d n u n g s g r a d e s a u s der V o l u m e n s c h m e l z k u r v e

Ffir die vorliegende Arbeit wurde aus den versehiedenen ]3estimmungsmethoden die volumetrische uusgew~hlt. Die Auswertung einer Volumenmessung wurde bei Poly- i~thylen zuerst -con H u n t e r und Oakes (6) angewandt. Aus der Gleiehung

v = O r . vk~i~t + (1 -- Or) v~rn

erh~lt man den Ordnungsgrad (L), s. Abb. 1. O ~ O r < = l

Or Vain - - v , Or �9 100 = prozentige Ordnung Y a m - - V k r i s t

mit vkrcs t ~ Volumen des reinen krist~llinen Stoffes b e i t ~ C,

yam : u des reinen amorphen Stories bei t ~

v == ~isehvolumen be i t ~ C.

Bestimmt man den Ordnungsgrad unter- halb des Schmelzpunktes bei versehiedenen

Spez.Vol t.30- ~ ~Vflitssig

I, 10 Vkrl, t

;.00 ~ F

-5o o go too ~o oc

Abb. l . Schema ffir die Berechnung des Ordnungsgrades aus der V- -T-Kurve eines Polyathylens (M = 23 400)

Temperaturen, so erh/~lt man seine Abh/~n- gigkeit yon der Temperatur. Vor der Be- reehnung muf3 man sich darfiber klar wet- den, welche Werte man ffir v,,m und Vkr~t unterhalb der Sehmelztemperatur einsetzt, denn -con ihrer Gr6/3e h~ngt der ermittelte Ordnungsgrad ab. H u n t e r und O~kes (6) bereehneten die v kr~wWerte mit Hilfe des yon B u n n (1) r6ntgenographis ch bestimm- ten 20~ und des -con -can H o o k und Si lver ( ]9) bestimmten mittleren Vo- lumenausdehnungskoeffizienten der n-Pa- r~ffine. Um die obere Kurve des amorphen Anteils Yam ZU erhalten, verl~ngerten sie die Volumenkurve der echten Schmelze nach tieferen Temperaturen. Dieses Ver- fahren ist nicht zul~ssig. Wie experimentell yon uns festgestellt wurde, li~uft die Vo- lumenkurve des teilkristallinen Polyi~thy- lens bei Zimmertemperatur der des kristal- linen Paraffins parallel. Der restliche ~mor- phe Anteil hat somit den gleiehen Ausdeh- nungskoeffizienten wie der kristalline, was mit der Einspannung der ~morphen Be- reiehe dutch die krist~llinen zusammen- h/~ngt. Verwendet man daher die aus dem flfissigen Zustand extrapolierte Volumen- kurve zur Bereehnung, so erhi~lt man das nnbrauehbare Ergebnis, daI3 nach Dureh- schreiten eines Maximums unterhalb einer bestimmten Temperatur der Ordnnngs- grad wieder abn~hme, was aber umn6glieh ist. Folgende Uberlegung ftihrt zu einem Ergebnis, das diese Schwierigkeiten ver- meidet:

Unterhalb der Einfriertemperatur ist der Volumenausdehnungskoeffizient yon amor- pher und krist~lliner Phase gleich, wie an vielen Gl~sern gezeigt worden ist (20). Im festen Zustand hat also kristallines und amorphes Poly~thylen den gleichen Aus- dehnungskoeffizienten. Zur Berechnung des Ordnungsgrades im fixierten Bereich zwi- schen Schmelzpunkt und Einfriertempera- tur zieht man daher eine Parallele zur Vo- lumengeraden des kristallinen festen Zu- standes dutch den Schmelzpunkt, wie es in Abb. 1 zu sehen ist. Die naeh dieser Me- thode errechneten Ordnungsgrade sind bei tieferen Temperaturen konstant, da sieh das Verh/~ltnis (v~ --v): (v~,~--vkr~t) ==Oft dann nicht mehr /~ndert. Der Fehler, den man durch Gleichsetzen des eingesyannten amorphen Polyi~thylens mit dern entspann- ten amorphen begeht, ist auf jeden Fall sehr klein, und vor allem tritt das M:aximum in tier Ordnungsgradkurve nicht mehr auf. Der Unterschied zwischen beiden Verfahren

1"

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ist sonst nur gering, da sieh die Ausdeh- nungskoeffizienten der fliissigen und kri- stallinen Phase nur wenig voheinander un- terscheiden. Auf die Bedeutung dieser Tat- sache wird in Teil IV eingegangen. Ein ~hn- liches Auswertungsverfahren wird in einer vorli~ufigen Mitteilu.ng yon P r i ce (21) vor- gesehlugen. Diese Uberlegungen sind aber nach den yon U e b e r r e i t e r und K a n i g (22) am Polystyrol gemaehten Erfahrungen noch nicht ausreichend. Es fehlt die experi- mentelle Untersuchung der Kettenl~ngen- ubh~ngigkeit des spezifischen Volumens und des Ausdehnungskoeffizienten. D~r- tiber soll in den zwei n~chsten Abschnit ten berichtet werden.

]) Kettenlgngenabhiingigkeit des KristaUvolumens

Fiir einen idealen Par~ffinkristall aus unendlich langen Ke t ten berechnete B u n n (1) a uf Grund r6ntgenographischer Mes- sungen das spezifische Volumen v~oo ----- 1,00. Das Volumen yon C2s bes t immten wit zu V20o = 1,0737 -- 0,0003. Berechnet man mit der soeben geschilderten Methode und dem Wert yon B u n n den Ordnungsgrad des C2s-Par~ffins, d~nn erhi~lt man 67% Ord- nung. Dieser Wert mul~ falsch sein, denn C~s ist vollsti~ndig kristallisiert. U e b e r - r e i t e r und K a n i g (22) beobaehteten am Polystyrol, dab sich die Volumina einer polymerhomologen Reihe arts der jeweili- gen Summe der Mittel- und Endgruppen- volumina der Makromolektile zusammen- setzen. Es war zu vermuten, dal~ dies auch fiir die Kristallvolumin~ der Paraffine gilt. Deshalb wurde aul~erdem das spezifische u yon Cls best immt. Die 0 ~ C-Volu- mina vo des C~s und C~s sowie des C~ nach v a n H o o k und S i l v e r (19) ~ls Funk t ion ihres Endgruppenantei ls ergeben die Be-

z i e h u n g v o = 0,992 + 0,98 ?/~

Berechnet man nach dieser Formel das 0 ~ C-Volumen einer unendlich langen Kette , dem endgrupp3nlosen Paraffin, einem ~ = 0 entspreehend, so erhi~lt man den B u n n s e h e n Weft , wenn man sein v,oo = 1,00 mit dem Ausdehnungskoeffizienten afe.~t = 3,8 �9 10 -4 auf 0 ~ C extrapoliert. Die Werte sind in Tab. 1 enthalten. Die Schrumpfung des Kristallvolumens mit zu- nehmender Kettenl~nge ist verst~ndlich, denn eine CtI~-Endgruppe~hat einen gr61~e- ren Raumbedar f als ein Ctt2-Kettenglied. Da zwei benachburte Endgruppen mehr

T a b e l l e 1

Spezifisches Volumen yon n-Paraffinen bei 0 ~ C

2 Kettenli~nge ~ ' e=f i vo Autor

C14 0,143 1,127 n a c h H o o k u n d S i l v e r extrapoliert

Cls 0,111 1,100 eigene Messung C,s 0,071 1,060 C143o 0,000 0,992 naeh B u n n extrapoliert

R a u m benStigen, als auf zwei Gitterpl~tzen zur Verfiigung steht, werden zwischen ihnen einige StSrstellen frei bleiben. 1 g kurzer ~olekiile enth~lt mehr StSrstellen und ist bei vollst~ndiger Kristallisation des- halb voluminSser als 1 g langkettiger. Das schlossen auch v a n H o o k u n d S i l v e r (19) aus den rSntgenographischen Da ten yon M i i l l e r (23).

g) Kettenliingenabhii~gigkeit des Ausdehnungs- koef[izienten

Die Werte der yon uns dilatometrisch bes t immten Volumenausdehnungskoeffi- zienten verschiedener n-Paraff ine sind in Tab. 2 zusammengestell t . Unsere Ergeb- nisse werden durch die Ausdehnungskoeffi- zienten best~tigt, welche sich aus den Dichtemessungen yon S e y e r und ~ [ o r r i s (24) am Ca2 und den yon B u n n und A1- c o c k (2) rSntgenographisch bes t immten Abmessungen der Poly~thylen-Elementar - zelle ergeben. Das Diagramm in der Arbeit yon S e y e r , P a t t e r s o n u n d K e a y s (25) zeigt gleiehfalls, wie a in der Reihe C16-C34 mit steigender Ket tenlange abnimmt.

Der Volumenausdehnungskoeffizient kri- stalliner Paraffine n immt also mit steigen- der Kettenl~nge ab, was U e b e r r e i t e r und K a n i g (22) atteh am Polystyrol beobach- teten. U e b e r r e i t e r und ~ e n s (26) haben die _;imderungen der thermokinet ischen Be- wegungen in einer polymerhomologen Reihe

T a b e l l e 2

Kettenl~ngenabh~ngigkeit des Volumenausdehnungs- koeffizienten

Temperatur- Autor P ~ bereich

28 7 .10 -4 - - 2 0 b i s + 4 0 ~ 45 5,6. l0 -4 20 bis + 20~ C| U e b e r r e i t e r 65 5,4 �9 10 -4 20 bis § 20oC)

110 4,8 �9 10 -4 -- 20bis + 20 C | u. O r t h m a n n 1430 3,8 �9 10 -4 + 20 bis + 80~

32 5 , 7 . 1 0 -4 + 20bis + 50~ S e y e r u n d M o r r i s

co 3,8 �9 10 -4 -t- 20bis +100~ B u n n u n d A l c o c k

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sa,,d ~2s ] Ueberreiter u. Or thm~m, Ordnungsgrad fester Polyethylene 129 Heft 3 (1952)

mit wachsender Kettenl~nge beschrieben, woraus sich die Abnahme der Ausdeh- nungskoeffizienten erkl~rt: Das feste Mo- nomere kann noch in allen drei Richtlmgen des :Raumes schwingen, sein Volumenaus- dehnungskoeffizient setzt sich aus den drei linearen der einzelnen Raumriehtungen zu- sammen. Mit steigender Kettenl~nge wird an Stelle des gesamten Molekiils das Ket- tenglied zur thermokinetischen Einheit, und infolge der gegenseitigen Kopplung dutch Hauptvalenzen bildet sich ~uf dem Makromolekiil eine stehende Welle aus. Die Schwingungen der Glieder in Richtung der Makromolekiilachse fallen dann fort. Der Ausdehnungskoeffizient eines makromole- kularen Stoffes setzt sich d~her nur noeh aus zwei linearen Anteilen zus~mmen, des- jenigen der Schwingungen in der Ketten- ebene senkrecht zur M~kromolekiilachse and der Drillschwingungen senkrecht zur Kettenebene. Da die Drillschwingung im Einfriergebiet einschl~ft, besteht der Vo- lumenausdehnungskoeffizient im eingefro- renen Polymeren nur noch aus dem einen linearen Ausdehnungskoeffizienten, welcher der linear polarisierten Schwingung in der Kettenebene entspricht. Oberhalb der Ein- fr iertemperatur kommt dann der zweite lineare Anteil der Drillschwingung senk- recht zur Kettenebene hinzu und erzeugt bei amorph erstarrenden Hochpolymeren den Knick auf der Volumen-Temperatur- kurve.

In einer Reihe homologer t)olysty - role beginnt die ftir Makromolekiile cha- rakteristische Drillschwingung des Ketten- gliedes an Stelle der Rotat ion des gesamten Molekiils [ U e b e r r e i t e r (18)] bereits beim Dimeren infolge der sterischen Behinde- rung der Rotat ion durch die Benzolringe. Im kristallisierten Paraffin hingegen k6n- nen, wie Mf i l l e r (23) zeigte, kurze Ket ten dicht unterhalb des Schmelzpunktes noch um ihre L~ngsachse rotieren. Erst bei gr6- l~eren Kettenli~ngen beginnen die fiir Poly- styrol und ~hnliche Polymere charakteri- stischen Drillschwingungen. Sie werden beim Polystyrol bereits an der Einfrier- temperatm" angeregt, bei hochmolekularen Paraffinen erst in der ~7~he des Schmelz- punktes im Aufschmelzbereich, oberhalb derjenigen Temperutur, bei welcher Ein- friererscheinungen bei Yerhinderung der Kristallisation zu erwarten w~ren. Der Ausdehnungskoeffizient setzt sich dann ebenfalls nur ~us zwei linearen Anteilen zu- sammen; denn die Lange des Makromole-

kills bleibt, wie geschildert, konstant , im Gegensatz zu den kurzen rotierenden Ket- ten k6nnen hochpolymere nicht mehr in t~iehtung der Achse schwingen.

Tr~gt man die Ausdehnungskoeffizienten aus Tab. 2 gegen die reziproke Temperatur auf~ so erhiilt man eine Gerade mit der Formel

9O a �9 1 0 4 = 3 , 8 +

~ach dieser Beziehung l~l~t sich das zu je- der Kettenli~nge gehSrende ~ bestimmen. Fiir C~oo ergibt sich ~ zu 4,2 �9 10 -4, fiir C zu 3 , 8 . 1 0 -~, Man kann also bei Berech- hung des Ordnungsgrades den Durch- sehnittswert cr = 4 �9 10 -4 beniitzen, da die Kettenl~nge technischer Polyethylene mei- stens grSl~er als P =- 200 ist; die Genauig- keit der Rechnung wird dadureh nicht spiirbar verschlechtert.

It) KettenEingenkorrektur der Berechnung des Ordnun~tsgrades

Berechnet man den Ordnungsgrud eines teilkristallinen linearen Polymeren, so darf man, um richtige Aussagen machen zu k6nnen, sich nur auf den seiner 'Ketten- li~nge entsprechenden Paraffinkristall be- ziehen. Auf diese Weise beriicksichtigt man die Kettenli~ngenabhi~ngigkeit des Aus- dehnungskoeffizienten und die endgruppen- bedingte Volumenvergr61~erung. Diese Kor- rektur ist bei Molektilen yon weniger als 200 C-Atomen nStig~ bei den l~ngeren darf man ohne weiteres das endgruppenfreie Kristallvolumen, die r6ntgenographisch be- s t immte Elementarzelle, sowie den r6nt- genogral~hisch best immten Ausdehnungs- koeffizienten zum Yergleich her~nziehen. Legt man zur Berechnung des Ordnungs- grades eines hochmolekularen Poly~thylens das Volumen und den Ausdehnungskoeffi- zienten eines kurzkettigen t)ar~ffins~ wie etw~ das des C~s, zugrunde, so erhi~lt man zu hohe Werte. Auf eine ~hnliche Erschei- nung dttrften die verh~ltnism~13ig hohen Werte yon l~a ine , / ~ i c h a r d s und l~y- d e r (7) z~riiekzufiihren sein. Sie bestimm- ten die Temperaturabhi~ngigkeit der spe- zifischen W~rme yon Poly~thylen, berech- neten hieraus den Unterschied der W~rme- inhalte fester und fltissiger Substanz, und durch einen Vergleich mit der Schmelz- w~rme normaler n-Paraffine erhielten sie den Ordnungsgrad. Nun hat ein Kristall mi t Endgruppen infolge seiner Fehlstellen eine geringere Schmelzw~rme als ein , ide-

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130 Ueberreiter u, Orthmann, Ordnungsgrad fester Polv/ithylene. [ ZoitsehriftK~176

aler" endgruppenfreier Kristall. Eine Be- rechnung auf der Grundluge des unkorri- gierten Ergebnisses liefert daher zu hohe Werte. Der Fehler wird ungef~hr der gleiche sein wie bei einer Vernachli~ssigung der Volumenkorrektion; denn es ergeben sich dann ebenfalls Werte yon 75--80~o, dem Wert yon R a i n e , R i c h a r d s und R y - de r (7) yon ca. 75% entspreehend.

i) Beein/lussung des Ordnungsgrades durch die V orbehandlunff

Beim Kaltverstrecken yon Polygthylen trit t eine bedeutende Zunahme der Festig- keit, sowie eine ~nderung der optischen Eigenschaften auf. Man fiihrte das zun~chst auf eine VergrSi]erung des kristallinen An- tells zuriiek; das ist aber nicht der Fall. Wie die Zahlen in Tab. 3 zeigen, ist er innerhalb der Fehlergrenzen (ca. 5%) yon der Vor- behandlung unabh~ngig, der Prozentsatz kristallisierter Substanz ~ndert sich also nieht. Wi~hrend des u werden die Makromolekiile und damit auch d ie Kristallite, die zuni~ehst regellos verstreut liegen, in Richtung des wirkenden Zuges geordnet. Darauf beruht die zunehmende AuflSsung der Ringe yon RSntgenaufnah- men versehieden gedehnter Poly~thylene~ worauf bereits yon anderen Autoren hin- gewiesen wurde. Bei einer rSntgenographi. schen Studie des Vorganges findet man einen ~bergang yon einer Pulver-Auf- nahme zu einer Kristallaufnahme, wie dies aus den Arbeiten yon B r o w n (27) und H o p k i n s , B a k e r und H o w a r d (28) her- vorgeht. Nicht zu verweehseln ist hiermit der ~[e- chanismus der Dehnungskristallisation yon Polymeren, deren Sehmelzpunkt unterhalb der Dehnungstemperatur liegt, wie bei Po- lyisobutylen oder Kautschuk.

Von einem technisehen Polyi~thylen, dem Lupolen S 15000 der BASF, M, = 34300, CH/CH2 = 1/44 (berechnet aus der Sehmelzpunktsdepression s. w . u . ) und F = 113 ~ C, ergaben unterschiedlieh ~r behandelte Proben Ordnungsgrade bei 30 ~ C, die in Tab. 3 eingetragen sind. Sehr zu beachten ist die Tatsaehe, dai~ sogar die

T a b e l l e 3

Ordnungsgrade ~ines untersehiedlich vorbehandelten Poly~ithylens bei 30~

a) Sehmelzfiu~faden, dann kalt verstreckt 54~o b) Schmelzflui~faden 54% c) Normal erstarrt 55% d) Schockgekiihlt in fliissiger Luft 52%

Schockkiihlung den volumetrisch bestimm- baren Ordnungsgrad nieht verringerg. Das best~tigen auch die yon U e b e r r e i t e r (18) aufgenommenen RSntgendiagramme yon schoekgekiihltem und normal erstarrtem Polyi~thylen. Aus alledem folgt, dad das Poly~thylenmakromolekiil in tier Schmelze auf keinen Fall stark gekni~uelt sein kann; denn wie sollte es sich beim plStzlichen Er- starren so entfilzen, daI~ ein Ordnungsgrad yon 55% zustande kommt. Das stimmt gut mit den rSntgenographischen Messungen yon M i i l ler (29) iiberein, welcher ebenfalls eine betr~chtliche Starrheit des Molekiils selbst langkettiger Paraffine findet.

III . Meflergebnisse und ihre Deutung a) Ordnungsgrad unverzweigter Para//ine

Der wesentHche Unterschied zwischen Paraffinen und Polyi~thylenen besteht in der Verzweigung der letzteren. Wi~hlt man den Ausdruek ,,Verzweigung", so ist zu bedenken, dal3 die Zweige sehr kurz sein werden. Bei den Temperaturen der Hoch- drucksynthese sind lange Seitenketten nicht best~ndig. Wie Oakes und Ri- c h a r d s (14) zeigten, setzt der thermische Abbau ni~mlich gerade an den Verzwei- gungsstellen ein. Diese bestehen daher wahrscheinlich nut aus Methylgruppen. An Stelle yon Verzweigungen spricht man daher besser yon ,,Seitengruppen". Der Ordnungsgrad yon Poly~thylen ist eine Funktion yon Seitengruppenzahl und Ket- tenl~nge. Zum Studium dieses Zusammen- hanges ist es am besten, eine der beiden Variablen konstant zu halten; das ist bei der S~itengruppenzahl am einfachsten durehzufiihren, wenn man gi~nzlieh unver- zweigte Polyiithylene, also n-Paraffine, be- trachtet. Volumenmessungen yon n-Paraf- linen, deren HersteHung im experimentellen Teil beschrieben wurde, ergaben die Werte tier Tab. 4 fiir die Kettenl~ngenabhi~ngig- keit des Ordnungsgrades. Diese Werte bil- den die obere Kurve in Abb. 2. Der Ord- nungsgrad f~llt yon 100 % bei niedrigmole- kularem auf 88 % bei hoehmolekularem Paraffin ab. Dieses Ergebnis stimmt

T a b e l l e 4

n-Paraffin F in o C Or in ~o bei 200 C.

C~s 60 100 C3s 83 93 C45 85 90 C65 94 87 Cno 119 89 C14ao 132 88

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B a n d 128 t~ft 3 (tg~z) ] Ueberrei ter u. Or thmann , Ordnungsgrad fester Poly/~thylene 131

gut mit der Erfahrung iiberein, dul3 es keine vollsti~ndig kristullisierte mukTo- molekulare Substa.nz gibt. Da.s ist a.uf die Verschlaufung der la.ngen Molektile in der Schmelze zuriickzufiihren. Sie bewirkt, da.13 na.ch dem Abkiihlen in den orientierten Be- reichen Krista.llite entstehen, w~hrend die restliche Substa.nz a.morph bleibt. Auch die bei Zellulosen gemessenen H6chstwerte er- reichen nur 70 bis 80% [Bri l l und M a r k (30), W i i r s t l i n (31)].

b) Ordnungsgrad verzweigter Polydthylene

Die yon uns bei 20 o C gemessenen Ord- nungsgra.de verschiedener Polyi~thylene sind in Ta.b. 5 zusammengestellt und in Abb. 2 uufgetrugen. Wahrend bei unver- zweigten Pa.ra.ffinen (obere Kurve) die Ord- hung mit der Kettenl~nge a.bnimmt, n~- hem die Poly~thylen-Werte sich mit wa.ch- sendem Molekula.rgewicht yon unten einem Grenzwert, wie mun trotz der Fehlerstreu- ung erkennt. Die Abh~ngigkeit des Ord- nungsgra.des yon der Kettenl~nge li~i3t sich durch die in der Abb. 2 gestrichelt gezeich- nete einpirische Kurve

3000 Or ---- 60 19 (Or in ~o, P > 100)

T a b e l l e 5

Ordnungsgrad frakt ionier ter Polyethylene. Mel3ergebnisse

M P F ~ Or bei 200 C.

990 71 45 ~ C 25 1 100 79 65 ~ C 34 1 160 83 65 ~ C 42 2 400 171 720 C 40 2 400 171 63 ~ C 36 2 500 179 68 ~ C 40 2 600 187 85 ~ C 46 2 900 207 74 ~ C 47 3 000 214 78 o C 43 3 400 242 62 ~ C 33 3 800 272 970 C 50 4 800 342 980 C 59 5 400 385 98 ~ C 59 6 400 460 101 ~ C 52 7 500 533 101 ~ C 52 7 900 563 101 ~ C 50 9 300 665 103 ~ C 51

11 000 782 104 ~ C 52 12 600 900 ]07 ~ C 52 18 600 1 330 107 ~ C 58 19 000 1 360 l l 0 ~ C 56 22 400 1 600 109 ~ C 57 23 400 1 670 109 ~ C 58 28 600 2 040 109 ~ C 61 33 700 2 410 l l 0 ~ C 57 40 000 2 860 114 ~ C 57 41 400 2 960 113 ~ C 55 42 800 3 060 114 ~ C 54 44 700 3 190 112 ~ C 56 70 000 5 000 113 ~ C 59

%Or 100

00

60

40-

20-

T

~,~..o. ~- ~- ":'- _.r

ro i

2000 4000 P

Abb. 2. Ordnungsgrad yon Po]y~thylen Obere Kurve : n-Paraffine

�9 : fraktioniertes Poly~thylen Or ~ 60 -- 3000/P (Or in %)

�9 ~ + : Zunahme von Or bei Entzweigung

a.ngenShert beschreiben. Dieses unter- schiedliche Verha.lten kunn uuf die Seiten- gruppen der Polyi~thylene zuriickgeftihrt werden.

PolySthylen kristullisiert im Puruffin- gitter, wie B u n n (1) zeigte. Eine neu uuf- tretende Seitengruppe fiigt sich da.her nicht in dus Gitter ein und ha.t die Ausbildung eines a.morphen Bezirkes zur Folge. Es ist deshulb mit zunehmender Verzweigung eine Abn~hme des Ordnungsgrudes zu er- wa.rten. Dus konnte a.uf Grund der Mes- sungen des Verzweigungsgra.des einer gro- Ben Anzuhl technischer PolySthylene un- terschiedlichen Molekula.rgewichtes, die Ha.rr is (17) durchftihrte, gepriift werden. In Abb. 3 sind die yon ihm gefundenen Werte des Abst~ndes z zweier Seitengrup- pen gegen die Wurzel ~us der Ketten- l~nge uufgetrugen. Es l$13t sich erkennen, dab der Abstand um so grSBer ist, also um so weniger Seitengruppen vorhunden sind, je lSnger die Kette ist.

Da.s kunn man mit Hilfe der Betra.chtung des Ma.kromolektils uls schwingende Suite (26, 32) erklSren. In der Schmelze verh$1t sich ein Poly~thylenma.kromolekiil wie eine in Schwingungen versetzte Sa.ite, wobei es

Z

60

40

2C

J f

Y

' ' 3 O ' ' 6 0 ' '

Abb. 3. Kettenlangenabh~tngigkei~ des Sei tengruppen- abs tandes z (naeh Messungen yon H a r r i s )

= 13,5 + 0,573 1/P

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132 Ueberreiter u. Orthmann, Ordnungsgrad fester Polyethylene [ Konoid- Zeltsch~ift

im Gegensatz zu dieser im Ruhezustand geschl~ngelt and nicht gestreckt zu denken ist. Die Seitengruppen werden an den Schwingungsb~uchen, den Stellen sti~rk- ster Anregung, sitzen, denn dutch ihre Schleuderwirkung kSnnen sie die meiste Energie aufnehmen. Die Knotenzah], wel- che der Zahl der B~uche gleieht, ist der Wurzel aus der Kettenli~nge proportional (32), also mfil~te es der Abstand zwischen zwei Seitengruppen ebenfalls sein. Die Abb. 3 beweist die Riehtigkeit dieser Vor- stellung. Die Punkte folgen der nach Gauf~ ausgeglichenen Beziehung

z = 13,5 + 0,573 ] / P .

Dariibe r hinaus wird diese Deutung durch den Befund best~tigt, da~ die auf Grund yon Schmelzviskositi~tsmessungen an Poly- ~thylenen (32) errechneten Knotenab- st~nde befriedigend mit den Seitengruppen- abst~nden, die aus Ultrarotmessungen ge- folgert werden, iibereinstimmen, wie Tab. 6 zeigt.

T a b e l l e 6

z a u s z a u s Molekular- Schmelz- Molekular- Ult rarot-

gewicht viskosit~ten gewicht m~ssungen

37 600 50 47 000 50 10 200 18 10 000 25 (interpol.)

Zm" Aufstellung einer Formel ftir die Ab- h~ngigkeit des Ordnungsgrades yon der Seitenkettenzahl gelangt man auf Grund folgender (~berlegung: Ein groBes ketten- f6rmiges Makromolektil ist infolge der Ver- schlaufung hie hundertprozentig geordnet, sondern erreicht nu t einen maximalen Ord- nungsgrad G, der bei Paraffinen 88% be- tragt. Dieser wird durch die Seitengruppen noch herabgesetzt; denn durch jede werden benachbarte Ket ten eine gewisse Streeke weir auseinandergedri~ng t. Es entsteht du- her zwangsl~ufig eine Anzahl kleiner, nieht kristallisierfi~higer Bezirke s liings des Makromolekiils, deren Summe der kristal- lisationsunfi~hige Anteil S ist. Der Ordnungsgrad Or wird nun dem Ver- h~ltnis noch kristallisierf~higer C-Atome zur Gesamtzahl der C-Atome des Makro- molekiils proportional sein. Man erh~lt also:

Or=G~ (in %)

mi t ~ = nicht kristallisierf~higer Anteil des Makro- molekiils, ausgedriickt in C-Atomen,

P -~ Kettenl~,nge, ausgedriickt in C-Atomen, G = maximal infolge Verschlaufung erreichbarer

Ordnungsgrad, ausgedrfickt in Prozent.

Mit S = s . / , wobei s die Seitengruppen- zahl und ] deren StSrungsbreis bedeutet , sowie s i p = ~,, dem Seitengruppenverh~lt- his des Makromolekiils, erhi~lt man:

Or = a (1 -- ~/) Diese Aussage unterliegt aber einer Ein- schri~nkung: t t aben n~mlieh alle Ketten- glieder eine Seitengruppe (7 = 1), so ist die Substanz wieder mit allen Gliedern kri- stallisierf~hig. Als stSrend ist daher stets die in der Minderzahl vorhandene Ketten- gliederart anzusehen. Iti~tten beispielsweise 90% der Kettenglieder Seitengruppen, so w~re das Seitengruppenverhi~ltnis ~ = 0,1, denn nun unterbreehen die 10% C-Atome ohne Seitengruppen die Gleiehm~Bigkeit des Kettenaufbaus und bilden ihrerseits ein Kristallisationshindernis. Die Funkt ion Or = / ( ~ ) hat daher einen Definitions- bereich 0 < ~ _~ 0,5. Das veranschaulichen gut die Mischpolymerisate Poly~thylen- Isobutylen. Mit zunehmendem Isobutylen- gehalt und damit wachsendem Verh~ltnis statistisch verteilter Seitengruppen n immt der Ordnungsgrad ab. Besitzt die K e t t e nur noch Seitengruppen in r ege lm~iger Anordnung, reines Polyisobutylen, so li~Bt sie sich wieder gut kristallisieren.

Eine weitere Bedingung fiir die Betrach- tung der Seitengruppenabhi~ngigkeit des Ordnungsgrades ist die unregelm~Bige Ver- teilung der Seitengruppen, so dab nicht doch noch eine Gitterbildung infolge einer entsprechend gr6i3eren Elementarzelle ein- treten kann. Beim Pentan und seinen Iso- meren kristallisieren beispielsweise die rei- nen Stoffe vollsti~ndig, w~hrend ihr Ge- misch, das Thermometerpentan, amorph erstarrt.

Die Richtigkeit der Formel fiir den Ord- nungsgrad l ~ t sich an den gemessenen Werten priifen. Um die numerischen Werte yon ] auszureehnen, en tn immt man Abb. 2 den Wert fiir Or, G u n d P und Abb. 3 das Seitengruppenverh~ltnis 7 = 1/z, sie sind in Tab. 7 zusammengestellt . Die Werte fiir

T a b e l l e 7

P G i n % O r i n % r /

5 000 88 59 1,75 �9 10 -2 18,9 4000 88 59 1 ,92 .10 -2 17,2 3 000 88 58,5 2,18 �9 10 -2 15,4 2 000 88 58 2,56 �9 10 -2 13,3 1 500 88 57,5 2,88 �9 10 -2 12,1 1 000 88 56 3,22 �9 10 -2 11,3

800 88 55 3 ,45 .10 -2 10,8 600 88 53 3 ,70 .10 -2 10,8 400 88,5 50 4 ,00 .10 -2 10,9 200 89 40 4 , 5 5 . 1 0 -~ 12,1 100 89 25 4,55- 10- ~ 14,2

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Band 128 n~ft ~ (19~2) ] Ueberreiter u. Orthmann, Ordnungsgrad fe~ter Poly~thyleno 133

G sind aus den MeBdaten der Tab. 4 inter- poliert. Aus der letzten SpMte der Tab. 7 ersieht man, dab ], die St6rungsbreite, 11

b i s 19 C-Atome betr/~gt. Erst beim 6. bis 10. Kettenglied hinter der Seitengruppe haben sich die beiden Makromolektile wie- der soweit einander gen~hert, dM3 eine Kri- stMlisation mSglich ist. Dieses verniinftige Ergebnis spricht fiir die l~ichtigkeit des Ansatzes.

Tr~gt man ] in Abh~ngigkeit yon der Kettenl~nge P a u f , so erkennt man in Abb. 4, dab die Kurve / = ~ (P) ein Mini- m u m durchl/~uft, das im Bereieh yon 700 C-Atomen liegt. Das 1/~Bt sich dutch eine lJ-berlagerung zweier Wirkungen erkl~ren:

f

20

15

;0

j ~

J

i 2000 ~ 000 P

Abb.4. Kettenl/ingenabh/ingigkeit der StSrungsbreite /

1. Damit ein kristMlisierter Bereich ent- stehen kann, muB zwischen den beiden StSrbereichen eine 3Iindestzahl kristMli- sationsf~higer Kettenglieder vorhanden sein. Wird ihre Anzahl zu gering, dann bleibt das gesamte Gebiet zwischen beiden Seitengruppen amorph. Der amorphe An- teil n immt zu und ~uBert sieh in der Reeh- nung Ms scheinbare StSrungsbreitevergrS- Berung. Da bei Poly/~thylen mit abnehmen- dem Molekulargewicht die Zahl der Seiten- gruppen zunimmt, deren gegenseitiger Ab- s tand also abnimmt, ist die scheinbare Zu- nahme der St5rungsbreite unterhMb einer bes t immten Kettenli~nge erkl~rt.

2. Andererseits n immt die innere Span- nung eines Makromolekiils mit der Ketten- li~nge zu {32). Die gespannte Kette kann sich nun den StSrungshSekern, den CH3- Seitengruppen, nicht so gut anschmiegen, die St6rungsbreite w/~chst deshMb mit der Kettenl/~nge. Diese Wirkung versti~rkt sich dureh eine weitere. Je grSBer der StSr- stellenabstand ist -- und bei langen Mole- kiilen ist der Sei tengruppenabstand groB --, um so geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dM3 eine StSrstelle mit der eines anderen Molektils zusammentreffen wird. Zwei in nebeneinanderliegenden Makromolekiilen auf der gleichen Seite benachbart liegende

Seitengruppen haben aber fast die Wir- kfingsbreite einer einzelnen. Diese gegen- seitige Aufhebung der StSrung wird um so seltener vorkommen, je gr6Ber die Ketten- li~nge ist. Mit wachsendem Molekularge- wicht n immt daher die StSrungsbreite zu.

c) Thermischer Abbau an den Seitencruppen

O a k e s und R i c h a r d s (14) zeigten, wie man Polyethylene durch thermischen Ab- bau teilweise entzweigen kann. Das Maki.o- molekiil wird am substituierten Kohlen- stoffatom gespMten, aus einem langket- t igen entstehen eine groBe Anzahl kurz- kettiger mit geringerem Yerzweigungs- grad, je nach Erhitzungsdauer und -tem- peratur. Dieses YerhMten ist aus der u stellung des Makromolekfils Ms schwingen- der SMte verst~ndlich. Ein wie eine SMte schwingendes Makromolekiil wird am wahr- scheinlichsten an den Stellen st~rkster ther- miseher Anregung zerplatzen. Das sind die ,,Schwingungsb~Auche '', an denen sich die Seitengruppen befinden.

Das Modell erkl~rt aueh den yon O a k e s und l ~ i e h a r d s (14) diskutierten Befund, riM3 n-Paraffine und kurze Poly~thylen- molekiile viel hitzebesti~ndiger sind Ms lunge. Bei kurzen Ket ten sind die Schwin- gungsknotenabst~nde geringer Ms bei lan- gen, dementsprechend ist auch die Schwin- gungsamplitude kleiner. Die Ampli tude kann Ms ein MaB ftir den EnergieinhMt an- gesehen werden. Die zur Trennung einer HauptvMenzbindung notwendige Energie wird bei statistiseher Verteilung der Ampli- tuden bei kurzen Ket ten viel seltener er- reieht werden, der Abbau ist geringer. Er wird daher bei gleieher Temperatur u m so langsamer werden, je geringer das jeweilige mittlere Molekulargewicht im Yerl~uf der Reaktion wird. SchlieBlich kommt er prak- tisch zum Stillstand, wenn die Wellen- bewegung auf dem Molekiil erlosehen ist und es Ms Ganzes rotiert. Das zeigen auch die Kurven yon O a k e s und Ri c h a r d s (14).

d) Ordnungagrad thermisch entzweigter PolySthylene

Wie im vorangegangenen Kapitel ge- zeigt wurde, setzen Seitengruppen den Ordnungsgrad herab. Ein entzweigtes Po- ly~thylen sollte daher einen erheblich ver- besserten Ordnungsgrad aufweisen, wie M a t t h e w s , P e i s e r und : R i c h a r d s (5) in der Tat finden. Sie best immten den Ord- nungsgrad yon Proben verschiedensten Mo- lekulargewichtes, die durch thermischen

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134 Ueberreiter u. 0rthmann, 0rdnungsgrad fester Polyathylene [ ZeitschriftK~176

Abbau aus einem einzigen hochmolckuluren Poly~thylen hergestellt wurden. Ihr Aus- gangsprodukt war Alkathene 7 der ICI, welches nach H a r r i s (17) ein Molekular- gewieht yon 28000 und eine Verzweigung auf 36 Kettenglieder aufweist. Bei einer Abnahme des Miolekulargewichtes der Ab- bauprodukte yon 12 000 auf 2 000 steigt der Ordnungsgrad um 10 ~/o an. Bei ganz kurzen Ketten f~llt er dann steil ab. Dus ist auf das u und Neuauftreten yon Dop- pelbindungen in den niedrigmolekularen Abbauprodukten zurfickzufiihren, welche die Paraffini~hnlichkeit und damit Kristalli- sationsbereitsehaft verringern.

Auch wir konnten sein Ergebnis best~- tigcn. Wir erhitzten ein hochmolekulares Poly~thylen im evakuierten Bombenrohr 24 Stunden auf 360 o C und erhielten eine dunkelbraune Substanz. Nach der Fraktio- nierung ergab sich als t tauptanteil eine elfen- beinfarbene Substanz mit einem kryosko- pischen Molekulargewicht yon M~ = 1500 und einem Ordnungsgrad Or = 62 ~o bei 20 ~ C. Dieser in Abb. 2 eingetragene Weft liegt rund 30% hSher als der fiir ein normales Poly~thylen dieser Kettenl~nge zu erwartende, so die Richtigkeit dieser Anschauung best~tigend. Unser Wert liegt viel niedriger ~ls der yon Ma t t . he w s , P e i s e r und R i c h a r d s (5), d~ wir ein an- deres Mel3- und Auswertungsverfahren be- nutzten, wie im Vorangehenden geschildert wurde.

e) Schmelzpunktsabhiingigkeit des Ordnungsgrades

Es ist weiterhin yon groBem Interesse, sowohl eine Aussage fiber den zu erwarten- den Ordnungsgrad als such die wahrschein- fiche Seitengruppenzahl eines Poly~thylens machen zu kSnnen.

Da der Schmelzpunkt und auch der Ordnungsgrad vor allem durch den Seiten- gruppenanteil des Makromolekfils bedingt wird, l~l~t sich eine Beziehung zwischen dem Sehmelzpunkt und dem bei 20 ~ C zu erwartenden Ordnungsgrad folgenderma- l~en auffinden: Die in Abb. 2 aufgezeich- nete Kettenl~ngenabh~ngigkeit des Ord- nungsgrades ist durch die gestrichelt ein- gezeichnete Kurve

3000 (Or i n % , P < 1 0 0 ) Or = 60 - -

darstellbar. Dureh eine i~hnhche Beziehung l~l~t sich der Sehmelzpunkt als Funktion der Kettenl~nge beschreiben, wie Abb. 5 zeigt. Es ist

oc 14o

12o ~ - -

10o ~ ~ "

80 ' l

2000 40o0 P Abb. 5. Kettenl~ngenabhiin gigkeit des SchmelzpunktesF

0bere Kurve: n-Paraffine nach G a r n e r , B i b b e r und K i n g

6500 Untere Kurve: Polyethylene F = 114 --

(F in ~ C)

65O0 F = 114-- p ~ (P >100)

Durch Kombination beider Gleichungen ergibt sich

�9 O r = 7 + 0 , 4 6 F ( O r i n % , F i n ~

Diese Beziehung l~Bt sich dadurch priifen, dab man die zu einer bestimmten Ketten- li~nge gehSrigen Ordnungsgradwerte gegen ihren Schmelzpunkt auftr~gt. Abb. 6 zeigt,

%Or

60

50

40

30 J

6o 80 I00 ~ Abb. 6. Sehmelzpunktsabhgngigkeit des Ordnungs-

grades: Or ~- 9,3 + 0,427 F (Or in %, F in ~

dal3 als erste :Ni~herung eine Gerade zu verwenden ist, welche nach ihrer Ausglei- chung die Formel

Or = 9,3 + 0,427 F (Or i n % , F i n ~

besitzt. F in ~ C ist die Schmelztemperatur der betreffenden Kette. Die gute ~berein- stimmung der beiden Formeln beweist aul~erdem, dab die beiden N~herungsfunk- tionen zur Beschreibung der Kettenl~ngen- ~bh~ngigkeit des Schmelzpunktes und des Ordnungsgrades richtig angesetzt sind. Die st~rke Streuung der Werte in Abb. 6 be- ruht darauf, dal~ der Einflul~ der Seiten- gruppen auf den Schmelzpunkt vernach- li~ssigt worden ist.

Page 11: Der Ordnungsgrad fester Polyäthylene

Ba, a 128 ] Ueberreiter u. Orthmann, Ordnungsgrad fester Poly/ithylene 135 Heft 3 (1952)

/) Seitengruppenabhiingigkeit des Schmelzpunktes

Der Schmelzpunkt F des verzweigten Poly~thylens ist eine Funktion seiner Sei- tengruppenzahl. In erster N~herung ist umgekehrte Proportionaliti~t zu erwarten. Entnimmt man ftir jedes Molekulargewicht aus Abb. 3 den Verzweigungsgrad und aus Abb. 6 die entsprechende Schmelztempe- ratur F, dann erh~lt man die Kurve in Abb. 7, welche in der Tat eine Hyperbel ist.

Z

50-

40

30~

60

/ 60 80 /00 ~

Abb. 7. Seitengruppenabstand z als Funktion des Schmelzpunktes F

64 z : 2 1 +

114 - - F

Diese 1/~13t sich durch die Formel 64

z = 2 1 + ] - I ~ F ( F < 114 ~ )

beschreiben. Infolge der geringen Zahl der uns zur Verffigung stehenden Mei3werte ist ihr Geltungsbereich nur fiir ein F < 114 ~ C gesichert, z bedeutet, wie in Abb. 3, den Abstand zweier Seitengruppen im Makro- molekfil. Aul]erdem mu/3 hierbei die Vor- aussetzung zutreffen, daJ3 der Zus~mmen- hang zwischen dem Molekulargewicht und der Seitenkettenzahl der Polyethylene yon H a r r i s (17) denen unserer Polyethylene (Lupolene der BASF) entspricht.

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft d~nken wir ffir die Gew~hrung einer Sach- beihilfe, Herrn Professor Dr. H. H o p f f ftir die Pr/~purute aus der BASF Ludwigs- h~fen und der Krupp-Kohlechemie ftir die technischen Hartp~ruffine.

Z u s a m m e n f a s s u n g

1. Es wurden die spezifischen Volumina von n-Pa- raffinen, yon fraktionierten und yon thermisch abge- bauten Poly~thylenen im Temperaturintervall von -- 30 bis -~ 150~ gemessen.

2. Der Ordnungsgrad der Substanzen wird aus der Volumen-Temperatur-Kurve nach der Beziehung

Or = (vdm - - v) : (vk~ist - - V~m)

berechnet.

3. Das spezifische Volumen eines vollstgndig kristal- linen Paraffins bei 0 ~ C lgl3t sich naeh der Formel

v 0 = 0,992 -}- 0,98 7/~

als Funktion seiner Mole Endgruppen darstellen. 4. Der Volumenausdehnungskoeffizient nimmt mit

steigender Kettenlange naeh der Beziehung

90 �9 1 0 4 = 3 , 8 + ~ p

ab. Bis P =< 200 mtissen beide Korrekturen bei der Berechnung yon Or beriieksichtigt werden.

5. Durch Schockkiihlung oder Hochverstreeken wird der kristalline Anteil eines festen Poly~thylens inner- halb der Fehlergrenze yon 5% nicht ge~ndert, sondern nur die 0rientierung der Kristallite zueinander.

6. Der Ordnungsgrad yon n-Paraffinen verringert sich mit zunehmender Kettenl~nge yon 100% auf 88%, da sieh die Makromolekiile infolge ihrer Verfilzung nieht mehr in ihrer ganzen Li~nge in ein Gitter e inordnen kSnnen.

7. Polyethylene besitzen im Gegensatz zu n-Paraf- finen Seitengruppen, deren Anzahl mit steigendem Mo- lekulargewicht abnimmt, was man mit Hilfe der Be- traehtung des Makromolekiils als schwingende Saite erkl~ren kann. Auf Grund der Seitengruppenbestim- mung aus dem Ultrarotspektrum yon H a r r i s lg[~t sieh eine Beziehung zwischen dem Seitenkettenabstand z und dot Kettenl/~nge P aufstellen. Es ist

z = 13,5 Jr 0,573 I / f t .

8. Der gegenfiber den n-Paraffinen geringere 0rd- nungsgrad der Poly/~thylene wird durch die Anzahl der Seitengruppen bestimmt, die nicht in das Paraffingitter passen. Es l~gt sich eine Beziehung zwischen dem Ord- nungsgrad und dem Seitengruppenanteil des Makro- molektils aufstellen:

Or = 0 (1 - y / )

Die StSrungsbreite / gibt an , wieviel Kettenglieder durch eine Seitengruppe an der Kristallisation gehindert werden und dadurch den trotz Verfilzung erreichbaren Grenzwert G herabsetzen. [ i s t yore Molekulargewieht abh/ingig und betr~gt im Mittel 16 C-Atome.

9. Es werden Seitengruppen thermisch abgespalten, wodurch eine ErhShung des Ordnungsgrades festgestellt wird. Lange Ketten sind thermisch instabiler als kurze, was durch die Wellenbewegung des Makromolekfils er- kl~rt wird.

10. Sowohl der Schmelzpunkt als auch der Ordnungs- grad der Poly/ithylene ist durch die Seitengruppenzahl bedingt, die ihrerseits kettenl/~ngenabh~ngig ist. An- gen/~hert gilt

3OO0 Or = 60 -- - -

P (P > lOO)

6500 F ~ 114 - - - -

P Es wird weiterhin empirisch die Beziehung

Or = 9,3 + 0,427 F gefunden, welc he aus dem Schmelzpunkt F der Probe ihren bei 20 ~ C zu erwartenden Ordnungsgrad berechnen l~llt. Sie stimmt gut mit der Forme! fiberein, welche durch Elimination yon P aus beiden vorangehenden Gleiehungen erhalten wird.

11. Der Seitengruppenabstand z eines Polygthylens l~Bt sieh als Funktion seines Sehmelzpunktes F durch die Formel

64 z = 2 1 - } - l 1 4 - - F ( F < 114)

besehreiben.

Page 12: Der Ordnungsgrad fester Polyäthylene

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Aus der Mefl- und Priqabteitung der BASF Ludwigsha]en/Rhein

Weichmacher-Wirksamkei t in Zusammenhang mit der chemischen Konstitution der Weichmacher

Von F. W ~ r s H i n und H. K l e i n Mit 4 Abbildungen (Eingegangen am 23. August 1952)

Uber die Weichmachung hochmoleku- larer Substanzen dutch ~uBere Weieh- macher sind schon viele Arbeiten erschie- nen. Der weitaus grSBte Teil dieser Arbei- ten beschi~ftigt sich jedoch entweder nur mit einzelnen technischen Weiehmachern, die nicht geniigend sauber und defi.niert sind oder mit rein technologischen Auswir- kungen der Weiehm~cherzus~tze. Aus die- sen Untersuchungen ist fiir die Grundlugen- forschung des Weichmacherproblems kaum etwus zu entnehmen. In einem geringeren AusmaB liegen auch Untersuchungen vor, die fiir die Grundlugenforschung yon Be- deutung sind. Man ist aber heute noch weir entfernt ~r einer grunds~tzlichen Auf- kliirung der Weichmachung. Munche Seiten dieses Problems sind sogar kaum ungetastet worden. Aus einer kiirzlieh erschienenen zusammenfassenden Arbeit yon E. J e n eke 1 (1), in tier diese wenigen inhaltsreichen Ar- beiten einer grundsi~tzlichen Er6rterung unterzogen werden, geht ldar hervor, dab es vor allem an Arbeiten mangelt~ die das Problem durch systematische u der

Weichmachungsmit tel angehen. Solche Un- tersuchungen sind bisher nur mit geringer Variation der chemisehen Konst i tut ion der Weichmaeher ausgefiihrt.

Die bier vorgelegte Untersuehung be- schi~ftigt sich nur mit der einen Seite des Problems der Weichmachung, n~mlieh dem der Abh~ngigkeit der Weichmaeher-Wirk- samkeit yon der chemischen Konst i tut ion der Weichmacher. Die Ergebnisse zeigen einen kluren Zusammenhang zwisehen hoch- molekularer Substanz und Weiehmaeher, jedoch nur bei Rechnung unter molaren Konzentrationsverhi~ltnissen yon hoehmo- lekv_larer Substanz und Weichmacher, so dab die u bes teh t , dab als Weichmacher nur chemiseh eindeutige Sub- stanzen ~r werden. Unter den hier verwendeten 89 Weichmaehungs- un4 IJ6- sungsmitteln finden sich aliphatische und aromatische Mono- lind Dicarbons~ureester eyelischer und acyclischer Monoalkohole, lineure Polyester mit 4 Estergruppen, _~ther, Ketone, Si~ureamide, Nitrile und Kohlenwasserstoffe.