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XXVI .JAHRG . ANZEIGERFURSCHADLINGSKUNDE BEGRUNDETVONPROFESSORDR .DR .h .c .K.ESCHERICH-F- UNDPROFESSORDR .F.STELLWAAG INHALT H .THIEM-Heidelberg :DerPflanzenschut3aufaltenWegen 1 G.DossE :VersuchezurBekampfungvonKohlschadlingen(Chortophilabrassicae Belieu .BlaniulusguttulatusBose .) 6 K .STUBNER,Jena :Einfluoreszeuzoptisches VerfahrenzumNachweisvonHexaandDDT 9 P .KOTTHOFF,Miinster(Westf .) :NeuereBeobachtungenfiberdasAuftretenvonNematoden 12 KIeine Mitteilungen :Personalien,Tagungsberichte,Buchbesprechungen, Patentschau,Mitteilungen derDeutschenGesellsehaftfurangewandteEntomologie andMitgliederderDeutschenGesellschaft furan. gewandteEntomologie DerPflanzenscJiutzaufaltersWegen VonH.THIEM-Heidelberg AlsimSeptember1950BRAUN(1)Betrachtungenfiber dieFrageanstellte : ,StehtderPflanzenschut3voreiner Krise?",erhobensichgegenseineAusfiihrungen gewieh- tigeStimmen. NachdemGASSNER(2)alsPresident der BiologischenBundesanstaltdasBesteheneiner Kriseim PflanzenschugunterHinweisaufdenflieBendenCharak- terderbiologischenWissensehaft verneinte,iiherzog BONING(3)dievielfaltigenSpannungsmomente mitder Erklarung,daBdieUsungschwieriger, miterheblichen RiickschlagenverbundenerProblemeeinerDisziplinnoch langekeineechteKrisebedeute. NachSCHLUMBERGER(4) stehteineWissenschaftimmerineinerKrise ;dasWort ,,Krise"bedeute,entscheiden" .EinekritischeBeurteilung derForschungsergebnissesei dievornehmsteAufgabe einesForschers . DiesezweifellosrichtigenGedankengangehabenoffen- bardieGemhterniehtvollbefriedigt; deankiirzlich sprachZWOLFER(5)„EinWortderBesinnung",in dem eraufdiebedenklicheAuswirkungdesGiftnebeleinsat3es imForstschut3hinwies . Dariiberhinauswaraufder diesjahrigenJahrestagungdesPflanzenschut3esinMiinster (Westfalen)dernberwiegendeAnteilderVortrage der nicht-chemisehenBekampfungvonSchadlingenundokolo- gisehenBetradttungengewidmet .AufderVersammlung der,DeutschenGesellsehaftfiirangewandteEntomologie" inFrankfurta .M .EndeOktoberfielvoneinembekanu- tenForstentomologendasWort,daBunter denFolgen derchemischenBekampfung„dieInsektenleiden". Da- zusprachderVertretereiner bekanntenchemischen Firmauber .NeueWegederSdiadlingsbekampfung" (6) andstelltewohlmehrschalkhaftalscrust erwartungs- vollihrewiehtigsten Voraussetgungen . andAufgaben beraus : DenkemandabeiandieAusnut3ungvonNutb- insektenandNut3vogeln, somasseman dochauch fordern,daBdieseinersterLinieaidSchadinsekten ab- zurichtenseien,damitihrsonotwendigerwirtschaftlicher Erfolggewahrleistetwerde . UberschautmandieseSachlage,soscheintandervon BRAUNangedeutetenFragestellungdocketwasRichtiges zusein.Trifftdaszu? StehtderPflanzenschut3tatsach- lichaneinemSeheidewcg?Sindwirnaehweisliehmitdem dtemischenPflanzensdtut3ineineSadegassegeraten ttnd sinddamitNachteileverbunden,dienichtzuverantwor- tendehopewirtschaftlicheWerteaufsSpielset3en? Steht dassooftzitierte ,hiologischeGleichgewiditinder Natur"zusehendsinFrage? Wennja,was Heft1 Januar1953 13 entgegenzustellen,wennncin .woraufi dieUnsicherheit imPflanzenschut3zuruckzufuhren? UrnaufdieseeinschneidendenFragen antwortenzu konnen,miissenwirzunachstdieBesorgnisse andBe- denkenheransstellen,diedenAnlaBdazegegebenhaben . UndinderTat, dergegenwartigerreichte StandderSehadlingsbekampfung hochwirksamenchemischenVerfahren hatim Laufe einigerwenigerJahr- zehnteFormenangenommen,diees verdienen,sichfiberdenFortgang dieser Arbeitsweisen Gedanken zu machen .ManmullesbeiderBehandlungvonKultur- hestandenerlebthaben,welcheMassenvonNutlinsekten durchdieneuzeitlichen Beriihrungsgiftemit aufder Streckebleiben . Eshatmidiimmertiefbeeindruekt, wenigeTagenachsolchenMaBnahmen Hundertevon verendetenPuppenraubern andLaufkafern aufdem Bodenanzutreffen ;unter denunfreiwilligGeopferten warenwenigerhaufig,abernoshhaufiggenugMistkafer, Sandwespen,Sehlupfwespen,Blumenfliegen, Schweb- fliegensowieLarvenandKafervonBlattlausfressern . Unstreitig wabrlet auchdieInsekten - and Vogelarmutinordentlichgepflegten andgehegtenObst-andRebanlagen so- wiedieGefahrdungvonHonigbienendurch denbedenkenlosenEinsat3derartiger Insektizide . Wie manzwischendenKulturnationenVereinbarungen iiber dierationelleAnwendungvonJagdwaffenand-methoden traf,andernfallswarendieStundendesGrolwiides doch gezahlt,sonotwendigerscheintausGriindendesNatur schut3eseineahnlicheVerabredunggegeniiber demGe branchvonchemischenInsektengiften . DieserForderungistzumSchutle derllonigbienen bereitsentsprochenworden (7) .SoweitsichdieSachlage bisherubersehenlallt,scheint dereingeschlageneWeg denBienenmehrzuguteznkommenalsdenzweifellos ebensoberechtigtenBelangendesPilanzenschut3es.Diese UngleiehheitlaBtsichbeseitigen ;dieHauptsache istdie gegenseitigeWahrungderLebensinteressen derBerufs- standedurchenergischeAbwehrvon offenbarenMill- stiinden. InAuswirkungdergekennzeichnetenNebenwirkungen derchemischen GroBbekampfung aufNichtschadlinge wirdvonvielen Naturfreundenverlangt, dochdie naturlichenGegenwirkungenderNatur

Der Pflanzenschutz auf alten Wegen

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Page 1: Der Pflanzenschutz auf alten Wegen

XXVI. JAHRG .

ANZEIGER FUR SCHADLINGSKUNDEBEGRUNDET VON PROFESSOR DR. DR . h. c. K. ESCHERICH -F-

UND PROFESSOR DR . F. STELLWAAG

I N H A L TH. THIEM-Heidelberg: Der Pflanzenschut3 auf alten Wegen 1G. DossE: Versuche zur Bekampfung von Kohlschadlingen (Chortophila brassicae Belie u . Blaniulus guttulatus Bose .) 6K. STUBNER, Jena : Ein fluoreszeuzoptisches Verfahren zum Nachweis von Hexa and DDT9P. KOTTHOFF, Miinster (Westf .) : Neuere Beobachtungen fiber das Auftreten von Nematoden12K I e i n e M i t t e i l u n g e n : Personalien, Tagungsberichte, Buchbesprechungen, Patentschau, Mitteilungen

der Deutschen Gesellsehaft fur angewandte Entomologie and Mitglieder der Deutschen Gesellschaft fur an.gewandte Entomologie

Der PflanzenscJiutz auf alters WegenVon H. THIEM-Heidelberg

Als im September 1950 BRAUN (1) Betrachtungen fiberdie Frage anstellte : ,Steht der Pflanzenschut3 vor einerKrise?", erhoben sich gegen seine Ausfiihrungen gewieh-tige Stimmen. Nachdem GASSNER (2) als President derBiologischen Bundesanstalt das Bestehen einer Krise imPflanzenschug unter Hinweis auf den flieBenden Charak-ter der biologischen Wissensehaft verneinte, iiherzogBONING (3) die vielfaltigen Spannungsmomente mit derErklarung, daB die U sung schwieriger, mit erheblichenRiickschlagen verbundener Probleme einer Disziplin nochlange keine echte Krise bedeute. Nach SCHLUMBERGER (4)steht eine Wissenschaft immer in einer Krise ; das Wort,,Krise" bedeute ,entscheiden" . Eine kritische Beurteilungder Forschungsergebnisse sei die vornehmste Aufgabeeines Forschers .

Diese zweifellos richtigen Gedankengange haben offen-bar die Gemhter nieht voll befriedigt; dean kiirzlichsprach ZWOLFER (5) „Ein Wort der Besinnung", in demer auf die bedenkliche Auswirkung des Giftnebeleinsat3esim Forstschut3 hinwies . Dariiber hinaus war auf derdiesjahrigen Jahrestagung des Pflanzenschut3es in Miinster(Westfalen) der nberwiegende Anteil der Vortrage dernicht-chemisehen Bekampfung von Schadlingen und okolo-gisehen Betradttungen gewidmet . Auf der Versammlungder ,Deutschen Gesellsehaft fiir angewandte Entomologie"in Frankfurt a . M. Ende Oktober fiel von einem bekanu-ten Forstentomologen das Wort, daB unter den Folgender chemischen Bekampfung „die Insekten leiden". Da-zu sprach der Vertreter einer bekannten chemischenFirma uber .Neue Wege der Sdiadlingsbekampfung" (6)and stellte wohl mehr schalkhaft als crust erwartungs-voll ihre wiehtigsten Voraussetgungen . and Aufgabenberaus : Denke man dabei an die Ausnut3ung von Nutb-insekten and Nut3vogeln, so masse man doch auchfordern, daB diese in erster Linie aid Schadinsekten ab-zurichten seien, damit ihr so notwendiger wirtschaftlicherErfolg gewahrleistet werde .

Uberschaut man diese Sachlage, so scheint an der vonBRAUN angedeuteten Fragestellung dock etwas Richtigeszu sein. Trifft das zu? Steht der Pflanzenschut3 tatsach-lich an einem Seheidewcg? Sind wir naehweislieh mit demdtemischen Pflanzensdtut3 in eine Sadegasse geraten ttndsind damit Nachteile verbunden, die nicht zu verantwor-tende hope wirtschaftliche Werte aufs Spiel set3en? Stehtdas so oft zitierte ,hiologische Gleichgewidit in derNatur" zusehends in Frage? Wenn ja, was

Heft 1 Januar 1953

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entgegenzustellen, wenn ncin. worauf i die Unsicherheitim Pflanzenschut3 zuruckzufuhren?Urn auf diese einschneidenden Fragen antworten zu

konnen, miissen wir zunachst die Besorgnisse and Be-denken heransstellen, die den AnlaB daze gegeben haben .Und in der Tat, der gegenwartig erreichteStand der Sehadlingsbekampfunghochwirksamen chemischen Verfahrenhat im L a u f e einiger weniger Jahr-zehnte Formen angenommen, die esverdienen, sich fiber den Fortgangdieser

Arbeitsweisen

Gedanken

zum a c h e n. Man mull es bei der Behandlung von Kultur-hestanden erlebt haben, welche Massen von Nutlinsektendurch die neuzeitlichen Beriihrungsgifte mit auf derStrecke bleiben. Es hat midi immer tief beeindruekt,wenige Tage nach solchen MaBnahmen Hunderte vonverendeten Puppenraubern and Laufkafern auf demBoden anzutreffen ; unter den unfreiwillig Geopfertenwaren weniger haufig, aber nosh haufig genug Mistkafer,Sandwespen, Sehlupfwespen, Blumenfliegen, Schweb-fliegen sowie Larven and Kafer von Blattlausfressern .

Unstreitig wabr let auch die I n s e k t e n - a n dVogelarmut in ordentlich gepflegtenand gehegten Obst- and Rebanlagen so-wie die Gefahrdung von Honigbienen durchden bedenkenlosen Einsat3 derartiger Insektizide . Wieman zwischen den Kulturnationen Vereinbarungen iiberdie rationelle Anwendung von Jagdwaffen and -methodentraf, andernfalls waren die Stunden des Grolwiides dochgezahlt, so notwendig erscheint aus Griinden des Naturschut3es eine ahnliche Verabredung gegeniiber dem Gebranch von chemischen Insektengiften .Dieser Forderung ist zum Schutle der llonigbienen

bereits entsprochen worden (7) . Soweit sich die Sachlagebisher ubersehen lallt, scheint der eingeschlagene Wegden Bienen mehr zugute zn kommen als den zweifellosebenso berechtigten Belangen des Pilanzenschut3es. DieseUngleiehheit laBt sich beseitigen; die Hauptsache ist diegegenseitige Wahrung der Lebensinteressen der Berufs-stande durch energische Abwehr von offenbaren Mill-stiinden.In Auswirkung der gekennzeichneten Nebenwirkungen

der chemischen GroBbekampfung auf Nichtschadlingewird von vielen Naturfreunden verlangt, doch dienaturlichen Gegenwirkungen der Natur

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mehr als bisher auszunutzen. DajedesLebe-wesen in Abhangigkeit von Raum and 1Jmwelt sich nurbegrenzt vermehren konne, waren diese Begrenzungs-faktoren umfasseud zu untersuchen and die dabei ge-wonnenen Erkenntnisse im Kampfe gegen die so nach-teilige Ubervermehrung von Kulturschadlingen mehr alshither einzusetjen. Man geht da von der stillschweigendenVoraussegung aus, daB i n der N a t u r e i n e ArthioIogisches G I e i c h g e w i c h t gegebensei and da13 seine Storung zu schwer-wiegenden Verschiebungen z w i s c h e nWirt and P a r a s i t (NiitzIing) fiihre .Hier liege mit das Grundiibel der ehemisehen Bekampfungvon Schadinsekten. Mit der gleichzeitig gegehenen Mit-verniehtung von nut3lichen Insekten fiihre auch sic zueinem Ubergewiebt der Schadlinge and damit zn einerunverantwortlichen Benaehteiligung naturgegebener Hil-fen der Land and F'orstwirtschaft .Diese Darlegungen werden den Verhaltnissen einer

Kulturlandsehaft nicht gerecht . Der Begriff des ' biolo-gisehen Gleichgewichtes in der Natur" deckt sich inhalt-lich mit dem der Bioziinose (Lehensgcmeinschaft), dervon K. Mcnitjs aus seinen Studien „Die Auster and dieAusternwirtsehaft °G (Berlin, 1877) abgeleitct wurde (7a) .Sic umsehlieBt eine Gemeinsebaft von Lebewesen, die sickauf Grand der durrhschuittlich gegebenen AuBerenLebensverhaltnisse naeh Auswahl and Zahl von Artenand Individuen „gegenseitig bedingen and durch Fort-pflanzung in bgemessenen Gebiet dauernd er-halten". Solche ' itchaften existreren als einevollausgcnut3te stabile Grund der gegehenenbiotisdien and ahiotischen in sind im Einzelnenvon einander abhAngig and vermogen sick als solche insRabnten des Gesamtpotentials des Lebensraumes wenigzu versehieben .

Bane Austernbank bringt bestimxnte MengeAustern . ein Teich ein hestimmtes Gesamtgewicht anKarpfen hervor. Bei zu starker Beflschung der Austern-banke siedeln silt Miesmuscheln an and bei Einsat3 vonzu vielen jungen Karpfen bleiben die einzelnen Karpfenkleiner als bei Besat3 des Teiches unter Beriicksicbtigungseines Ernahrungsvermiigens .Diese Beispiele lassen einmal die Leistung eines

Lebensraumes als Einheit, sum andern aber auch diegegenseitige Abhiingigkeit der einzelnen Glieder von denBedingungen des Lebensrranmes als solebem erkennen,der unter normalen Verhaltnissen eine konstante Grope,ein verhaltnismal3ig stabiles Lebenspotential darstellt .Man kar€n diesbeziiglich sehr wohl von einer Gleich-gewichtslage der Hauptglieder der Lebensgemeinschaft zueinander sprechen; versckiehen sick die Lebensbedingun .-gen fiir den einen Hauptbeteiligten, so hat das cnt-sprechende Folgen fiir den bzw . die anderen Beteiligten .Diese strenge Verkettung bzw . Wediselbeziehung dereinzelnen Glieder der Lebensgemeinschaft zum gesamtenLebensraum ist ein wichtiges Kriterium, das nicht suedem Auge verloren werden darf . Hinzu kommt schlieB-lich noeh die relative Bestandigkeit des biologisehenWeebselverhaltnisses .

Fragt man, wo in der Natur diese streugen Beziehungender Lebewesen Zuni Lebens- and Ernahrungsraum ver-wirklicht sind, so kommt man etwas in Verlegenheit . Sicexistieren im Urwald, in der Steppe, in der Moorland-sehaft, im Meer and in Seen, ja iiberhaupt nor noch invon Menschenhand wenig beriihrten Gebieten der Erde .Oberall in der Natur . wo der Mensch

in das Naturgeschehen steucrud andleukend eingreift, gibe es keine echten,d. h. natiirlichen Lehensgemeinschaften

H. I'Hmm-Heidelberg: I)er Pflanzenschut3 auf altrn Wegen

rnehr, es sind kiinstlich gewollte, uAm-lich wirtschaftshiologische Relationenvon moist sehr labiler, wechselnderB e s c h a f f e n h e i t . Je kurzfristiger die Umtriehebzw. die Fruchtfolgen bei Kulturpflanzen sind ; um soaugenfalliger sind diese Gegensat3e. Auch die moderneForstwirtschaft, die einen Umtrieb von 70 and mehrJahren hat, macht davon keine Ausnahme . Die Pflanz-ordnung, die Aufzucht and das Auslichten der Forst-geh6lze erfolgt aus wirtschaftlichen Erwagungen heraus,die biozonotischen Beziehungen werden so lange gehegtand gepflegt, so lange sic dem Gedeihen der Pflanzenniit3lich and vorteilhaft sind . DaB man im Forst mit ver-haltnismaBig konstanten .Beziehungen rechnen kann, istentschieden ein Vorteil, wenngleich dabei auch die Kehr-seite der Medaille, die einseitige Vermehrung von Sehad-lingen nod Krankheiten auf langlebigen, grolflaehigenKulturen nicht iibersehen werden darf .Wenn - wie im Wein- and Ohsthau - Schadlinge and

Krankheiten mengen- and giitemABig die F'rueht € nd denErtrag gefahrden, sind biozonotische Oherlegungen ohnepraktische Bedeutung. Wir habeu die Jahre der Vorherr-schaft des Hen- and Sauerwurms nosh deutlich in Erinne-rung. Die Vitalitat dieses Schadlings iiherstand (lie zahl-reichen Einwirkungen der Schmarotber zu semen Gunstennod damit zum Nachteil des Winzers (8) . Bein€ Apfel-wickler liegen die Dinge nicht anders. Erwiesenermal3enfallt ein sehr gro .Ber Anteil des an Baumstammen iiber-winternden Entwicklungszustandes dieses alteingehurger-ten Schadlings alljahrlich Nut3insekten and Nut3viigelnZuni Opfer, aber die in unzuganglichet Verstecken iiber-winternden reichen aus, um dem Obsiziichter empfindlicheVerluste zuzufiigen (9) .

Nun mull das Hauptaugenmerk der Wein- and Obst-hauern auf die Aussehaltung sehr gefahrlicher P i I z -k r a u k h e i t e n gerichtet sein . Bekanntlich sind es imRehbau die Mehltaue and im Obstbau der Schorf . Diesealljiihrlich von neuem drohenden Gefahren konnen durebhestimmte Sprihfolgen viillig gehannt werden ; sic enmn g-lichen die Ernte von wirklich tadellosen Fri chteu . Diedergestalt gepflegteu Anlagen zeigen auch sonst einen sovorziiglichen Erhaltungszustand, wie er bei den wechseln-den Bedingungen der NTatur nor in besonders zusagendenJahren gegeben ist, Wenn ein Obstziichter am Bodenseeeach 8-10 kostspieligen and miihsamen Behandlungenmit Stolz seine Biiume mit praehtiger Laubentwieklungand zufriedenstellendem erstklassigem Fruchtbehang vor-fifhrt, so kann man iiher solehe Auswirkungen des Pflan-zenscbut3es nur einer Meinung sein, In solchen Anlagenist and kann Bein Baum sein fiir die angeblid€ ,xieuenWege" des Pflanzenschut3es wit Vogel- nod Parasiten-sebut3 . Die. wirtsehafdiche Grundeinstellung soldier Be-sit3er 1st im Hinhliek auf die ausliindische Konkurrenzeine bittere Notwendigkeit, ein nackter, robes Kaxnpfum die Behauptung des deutschen Obstbaucs . Die Ohst-ziidster am Bodensee werden diesen Existenzkampf be-stcken ; ihre vorbildliche Baumpflege bezeugt ihren festenWillen zur Selhstbehauptung . Ware diese zahe Einsichtauch den Obstziiehtern xnancher anderer Gehiete eigen,so brauchte man sick um die Zukunft des deutschen Obst-baues keine Sorgen zu €nad€en .

Dali die Obstziichter am Bodensee and an der Nieder-elbe in der Pflege ihrer Baun€anlagen am fortsd€ritt-lidzsten sind, kontmt dither, daB these luftfeuchten andniederschlagsreichen Anbaugehiete besonders outer denFolgen der Sehorfkrankheit zu leiden habeu . Um sick zuhehaupten, mul3ten sic die sommerliehenPflanzenschntzmal3nahmen bevor-z u g e n , mittels derco durch geeignete Wahl der Mittel

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jeweils die tierischen and anderen pflanzlielien Schad-linge gleich mitbekampft werden. Ubrigens stehen aufgleicher Hohe der Baumpflege auch die meisten Busch-anlagen im westlichen Deutschland. Man mull den Land-wirten, die sich im Laufe weniger Jahre in die schwierigeMaterie derart gut eingearbeitet haben, hohe Anerken-nung zollen. Ihr gescharfter Blick nimmt selbst Abwei-chungen wahr, fiir die kaum greifbare Ursachen erkenn-bar sind. Man ist in diesen Gebieten schonlangst fiber die Einwirkung der gewohn-lichen Obstbauschadlinge and -krank-heiten hinausgewachsen ;sietretenmitRechtgegeniiber Diingungs- . Boden- and Abbaufragen sowiesonstigen physiologischen Storungen sehr erheblichzuriick, da die Praxis deren sichere Niederhaltung be-herrscht.F'alIt man das Gesagte zusammen, so ergibt sich

folgendes: In den von Menschen gelenktenpfIanziiehen Knlturbestanden h a b e nnaturgemal3 die wirtschaftlichen Uber-legungen den Vorrang. Im Rahmend i e s e r unabdingbaren Voraussetznngkonnen hioz6notische Wechselbezie-hungen nor in langlehigen Anlagen mitmalaigen Eingriffen von seiten desMensehen von einiger Bedeutung scin .Wo Friiehte and Fruehtertrage durchepidemische Krankheiten and Schad-linge gefahrdet sind, ist es unmoglich,irgendwelche Zugestii ndnisse zugun-sten natnrlicher Gegenwirkungen zumachen .

Die Folgerungen aus dieser Sachlage grei£harnape. Der Pflanzenschutz ist als Kindder Landwirtschaft eine Abw a13-nahme gegenuber der Uberhanduahmevon gefahrlichen Kostgangern auf imGrolien angebauten Kulturpflanzen .Seine Aufgabe wurde im Jahrhundert der rechnenden,d. h . der im Wettbewerb stehenden rationellen Agrar-wirtschaft akut. Dal3 wir seit 15 his 20 Jahren . dank derAuffindung geeigneter Frai3- and Bernhrungsgi€te furSchadinsekten so erfreulich vorangekommen sind andgegenwiirtig - fast langweilig - die Seite der Be-kampfung von schadlichen Kerbtieren ,nahezu spielendlosen", verdanken wir der Initiative der Pflanzenschut3-mittelindustrie . Es sei das audi bier in Dankbarkeit ver-merkt. Vordem war es ganz anders. Die seinerzeit vor-nehmlieh biologisch-okologisch arbeitenden Wissenschaft-ler ergingen sich in weit ausholenden Betrachtungen, er-schopften sich jedoch bei der Besprechung des KapitelsBekampfung, da sic fiber die Einwirkung von Arsen,Fluor, Nikotin, Derris, Pyrethrum u . a. zumeist Unbefrie-digendes zu berichten hatten . Die junge Generation solltedas nicht vergessen ; auch das nicht, dal3 alle Problemein ihren seblieilichen Auswirkungeu uferlos sind andes sehr wichtige dkologisch-biolo-gische An fgaben and Grundproblemein Anlehnung an die neuzeitlichenInsektizide abzuklaren gilt .Zweifellos gehen bei der Grollbekampfung von Kar,

toffelkafern, Maikafern and Kirsehfruchtfliegen zahl-reiche andere Insekten, die vielleicht niiblich, auf jedenFall aber nicht schedlich sind, mit zugrunde . Es ist Auf-gabe der Entomologen, die Folgen dieser Nebenwirkungenaufzudecken, urn sie gegebenenfalls abzustellen and indie richtigen Bahnen zu lenken . Aber kann man schonjetjt die Verfahren and ihre hohen wirtschaftlidten Er-folge aufheben? Das konnte nor in Erwagung gezogen

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werden, wean Ansat3e zur Uberwindung dieser Grol3-schadlinge auf den sog. ,neuen Wegen" erkennbar waren .Kirschfruditfliege and Maikafer sind seit Jahrhnndertendine Geillel des Landvolkes .

So hedauerlich im Einzelnen die V e r I u s t e i n d i f-ferenter oder gar niitzlicher Insektendit rch chemische Pflanzenschutzmal3-n a h m e n sind, so gilt es doch zu bedenken, dal3 sichthese nur auf begrenzte Ortlichkeiten andauf bestimmte Z e i t a b s c h n i t t e beziehen,wahrend deren immer nur ein Teil der uberhaupt im Bio-top vorhandenen Insekten gleichzeitig vorhanden ist . Dieanderen werden iiberhaupt nicht betroffen . Aul3erdemist es eine wiederholt hestatgte Erfahrungstatsache, dal3gestorte Wohnbezirke von Lehewesen alsbald, manchmalnach einigen Wochen- ausgeglichen sind .

Dariiber hinaus ist es augebracht, d o c h rn a 1nachzudenken fiber die weitgehendenEinwirkungen von Natur and Menscha u f d a s L e b e n der E r d e . Scion die Einseitig-keit im Anban von Kulturgewaehsen ist als Quelle ein-seitiger Bevorzugung gewisser Insekten bekannt ; aber he-deuten Bodenbearheitungen, Mineraldiingung, Ernten,Feldhygiene, Flurbereinigung, Fruchtwechsel, die Laub-arbeiten nod das Beschneiden von Geholzen, die Gras-mahd, Uherschwemmungen, Diirre, Windbriiche, Kalte-einbriiehe, Frost- and Sturm ein wirkungen sowie Abwasservon Fabrikanlagen, Oherflachenverschmut3ung stehenderand fliel3ender Gewasser durch Ole, Trockenlegung vonMooren and Siimpfen, Inkulturnahme von Unland, nichtsuch die Vernichtung unsagbar vieler tierischer and pflanz-licher Entwieklungszustiinde? Wieviele Insekten gehenfiber Sommer im Scheinwerferliebt an den Schut3scheibender Unzahl von Kraftfahrzeugen zugrunde? Und welcheMassen von Insekten verderben im nadxtlichen Lichter-schein der Stadte and an den Rauchgasen so vielerFabriken? Gegenuber diesen Verlusten an Lebewesendurch die Kulturerrungenschaf ten des Menschen, die bin-genommen werden mnssen, sind die durch Pflanzenschut3-mal?.nahmen so klein and goring, dal3 sie kaum in Er-scheinung treten, wiirde man den Gesamtabgang zahlen-mal3ig erfassen konnen . Es gilt das audt dann, wean derPflanzensehut3 allgemein bei alien Anbauern Eingang andBeachtung fande . Die Einwirkungen auf die einseitigeVermehrung der Insekten durch die Art unserer Kultur-wirtschaft diirften sehr viel gri ller sein als die erwahn-ten natdrliehen and kiinstliehen Riiekwirkungen wirt-schaftlicher Art. Im ubrigen wird die Erzeugerkraft derMutter Erde gewaltig unterschiibt, wens man glaubt, sie

e durch den Pflanzensdiut3 steril. Der ein -seitige Anbau von Kulturgewii chsentragt doch ganz gewaltig zur Verxneh-rung, ja zur Evolution. der Organis-menwelt bei .Mit der Behauptung, dal3 im Pflanzenschul die wirt-

schaftlichen .Belange erstrangig nod etwa bestebende bio-logisehe W edtselbeziehungen zweitrangig sind, soil keines-wegs genteint sein, dal3 die bestehenden Verfahren nichtzu Guusten natnrlicher zu revidieren sind, wenn damitdirekt oiler indirekt wirtschaftliche Werte erhalten andgewonnen werden . Nach dem, was wir davon wissen, sindbier die Moglichkeiten gering and da, wo sie gegebensind, eng begrenzt. Aber selhst in den Fallen, in denenauf Grund wissensehaftlieher Analysen bekannt ist, dal3Insektenkalamitaten an inneren and auieren Ursachen(geschwaehte Konstitution, zunehmende Parasitierung)zusammenbrechen mnssen, konnen wir aus wirtschaft-lichen Grunden mit der chemisehen Bekiimpfung nicht2-3 Jahre, die hierfiir erforderlich sind, warten . Die

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damit verbundenen Verluste sind 'weft groller, al's diechemische Bekampfung kostet, wenn es sich um wertvolleKulturen handelt. In anderen Fallen kann man den bio-logischen Zusammenbruch von Ubervermehrungen, z . B .von Sphaerolecanium prunastri and Physokermes coryli .bequem abwarten, da these Schalenschildlause den Ernte-ertrag kaum beeinflussen . Bei ihnen stellen sich dieNuttlinge, vor allem Schlupfwespen, die in anderen In-sekten leben, nach erfolgter Ubervermehrung, die beigunstigen Verhaltnissen innerhalb eines Entwicklungs-jahres entstehen kann, ein, vermehren sich in ihnen imLaufe des Sommers dann derart rasch, dal3 bereits imgleichen Herbst, spatestens im Jahre darauf, der alter-grol3te Anteil der zicmlids grol3en Tiere wie durchsiebtaussieht. Die Nut3linge konnen damit so aufraumen, daBinnerhalb von 3-4 Jahren an den betreffenden Baumen,zumeist Pflaumen, nur nosh Spuren des Massenbefalls zuerkennen sind .Die starke Vermehrung der B l u t 1 a u s, die im

Laufe von rued 40 Jahren sehr an Bedeutung verlorenhat, verlauft ganz anders, da die Blutlauszehrwespe(Aphelinus mali) nur in der Blutlaus zu leben vermag .Damit ein echtes biologisehes Weehselverhaltnis zustandekommt, mull die Blutlaus in der Entwicklung immervoran sein. Und das ist, zum Leidwesen der Baumschul-besit3er mit Apfelquartieren immer im zeitigen Friih-jahr der Fall . Es entstehen dann durch die zunehmendeVermehrung der Blutlause die beruchtigten Wiilste (Tu-moren), die die Weiterentwicklung der jungen Baumchenstoren and deshalb die Verminderung der Ubeltater aufchemisehem Weg notwendig macht . Kame bei der rasehe-ren Vermehrung des Zehrwespehens dieses im Fruhjahrebenso fruh wie sein Wirt, so wurde dask die Ausrottungder Blutlaus bedeuten, was sich in gleicher Weise aufden Niit3ling auswirken wiirde. Durch seine spatereTatigkeit raumt er im Laufe des Nachsommers and Herb-stes outer den Blutlausen derart stark auf, daB imGegensat3 zu frfiher nur eiiiberwintern .

Dieses echte Weclsselverhaltnis zwi-schen Wirt and Schmarotzt:r fii It rtihren teilweise erheblichen Nachteilfur die Praxis deutlich vor Augen . Such der Obst-ziichter, der Jungfelder in fenchten and warmen Lagenangelegt hat, muB wahrend Reihe von Jahren dieBlutlausbekampfung ahr durehfiihren, um dieZweigverbeulungen blutlausa Apfelsorten zu ver-hinderu. Erst in alteren 0 stanlagen kann der Obst-ziichter die Dezimierung der Blutlaus den Zehrwespehenganz uberlassen . Es ist bisher nieht einwandfrei be-wiesen, daB durch sommerliche Baumbehandlungen mitrhemisehen Praparaten die Entwicklung dieses Ni singsmerklich gehemmt wird . Bei der Durehfuhrang zahl-reicher Sommerbehandlungen mit Berohrnngs- and FraB-giften ist das durchans moglidt ; allerdings wird damit.such der Wirt in Schach gehalten. Bei der Anwendungder iibliehen Winterspritzmittel ist kaum eine Benachtci-ligung gegeben, da die Puppen der innerhalb der erwaehse-nen toten Blutlauskorper uberwinternden Zehrwespchenvorzuglich geschi tat sired .Wiirde die Einfiihrung einer Zehrwespe,

z. B . von Prospaltella perniciosi Tower f ii r dieNiederhaltung der San Jose-Schild-laus von sehr groflem Nntzen sein? An-geblich soil ja in den USA die San Jose-Schildlans da-durch aus ehemaligen Verbreitungsgebieten vollig ver-drangt worden sein. Das ware wohl nur moglieh, wennder Nut3ling wie bei den oben erwahnten Sehalen-schiidlausen mehrere Wirte bewohnt, nidit aher, wenn

H. TtnEM-Heidelberg: Der Pflanzenschut3 auf alien Wegen

er lediglich auf die San Jose-Schildlaus angewiesen ist.Ware dieses letjtere Verhaltnis fur den Qualitatsobstbauerwunscht? M. E. kaum : da die Zehrwespe i . a. nurerwachsene Wirte angeht, die nur allmahlidi eingehen,multe aus Erhaltungsgriinden des Wespchens die ersteBrut der San Jose-Schildlaus zur Entwicklung kommen.Da deren Junglause bereits auch die jun-gen Friichte besiedeln and auf ihnendie bekannten roten Saugstellen her-vorrufen,

wurde

eine

s o I c h e

Be-e intrachtigung der Fruchte fur denQualitatsobstbau nicht tragbar sein,wie jeder F'achmann bestatigen wird . Vberdies bestehtnach dem, was wir bisher fiber die Lebensweise derProspaltella perniciosi wissen, kaum die Moglichkeit, siein ahnlicher Weise wie Aphelinus mali bei uns anzu-siedeln. Ob alljahrlich eine grolzugige Ausset3ung vonMassen kunstlich vermehrter San Jose - Schildlaus - Zehr-wespchen weiterhelfen wird, ist bei dem Umfang der Ver-breitung der San Jose-Schildlaus bei uns and auch wegender sehr versteckten Lebensweise der San Jose-Schildlausmehr als fraglich - von den Kosten solcher Massen-aufzuchten ganz abgesehen. Unbestritten bleibt bei einererfolgreichen Einnistung eines soldien Nut3lings dieerleichterte chemische Bekampfung der San Jose-Schild-taus, wenn dadurch die Vermehrung des Wespchens nichtallzusehr beeintrachtigt wird . Bei der Durchfiihrung derdirekten Bekampfung der San Jose - Schildlaus ist imAuge zu behalten, daB sic mit solchen gegen Sdiorf,Blattlause and Apfelwickler verbunden wird, die aufjeden Fall notwendig sind .

Sieht es mit der Schadlingsbekampfungdurch insektenfressende Vogel besseraus? Kaum. Die bisherigen Erfahrungen der Vogelhegesprechen dagegen. Der in Munster vorgetragene Fall 1stwenig uberzeugend (10) ; es fehlte die sorgfaltige Durch-arheitung der Materie, abgesehen davon, da3 die drei-malige Reinigung einer gro3eren Anzahl von Nistkastenin zusammengefa3ten Obstanlagen mehr kostet als diechemische Bekampfung des Schadlings in Verbindung mitBehandlungen von Pilzkrankheiten . Au3erdem frageman die Bewohner von Ortschaften mit stark vermehr-ten Meisen and Staren nach ihren Erfahrungen im Gar-ten- and Kirschenanbau . Es ist schon richtig, die Nut3-vogel ernahren sich nicht nur von schadlichen Insekten ;wer das behauptet, kennt das naturliche Geschehenebenso wenig wie das Schrifttum . Was HARTERT (11) vorvielen Jabren fiber die Wahrheit vom Nugen der Vogeldarlegte, ist noch heute fur jeden, der fur Belehrungenzuganglidi ist, aufschluireich. Die Nut z v o g e lkonnen mit der raschen Vermehrungzahlreicher Schadinsekten gar nichtS c h r i t t h a I ten. Und konnten sic es, wurden siceach dem Zusammenbruch der Insektenplage demHungertod ausgeliefert sein . Soldie Vorstellungen siredganz and gar unbiologisch . Hierher gehort audi die Be-hauptung, in reichlicher Anzahl angesiedelte Nut3vogelkonnten die Dbervermehrung von Schadinsekten unter-hinden. In Forst Steinkrug bei Benningsen (Hannover)wurden seit sieben Jahren mit einer grolen Anzahl vonlaufend kontrollierten Nistkiisten versehene Waldungenvon Eichenwicklern and Frostspannern ebenso kahl-gefressen wie die weniger gut oder gar nicht gehegtenReviere (12) . In gewohnlichen Jahren gehen von ge-wissen Grolschadlingen alljahrlich etwa 96-98% durchWitterungsungunst, Krankheiten and Schmarober zu-grunde. Vollig belanglos ist es nun, ob davon 30 andnods mehr Prozent von Vogeln gefressen werden odernicht. Die groflartigen Werte der Vogel-

Page 5: Der Pflanzenschutz auf alten Wegen

hege Bind et his cher . As the tis cher andn a t u r g e s c h i c h t l i c h e r, n i c h t

w i r t-s c h a f t 1 i c h e r N a t u r .*) Gegenteilige Darstellungensind mehr oder weniger verbramte Wunschtraume ;aullerdem macht e i n e Schwalbe noch keinen Sommer .

Zweifellos leidet die Vogelwelt an der Insektenarmutordentlich gepflegter Obst- and Rebanlagen . Ihre Be-lebung durch kiinstliche and natiirliche Nistgelegenheiten,z. B. durch Nistkasten and abgangige Baumruinen, dieman inmitten von Kulturpflanzen als ,biologiscbes Gold"bezeichnete, stellt cine wirtschaftliche Unmoglichkeit dar.Es muff den naturverbundenen Besit3ern iiberlassen blei-ben, wieweit sie in dieser Hinsicht auf ihren Grund-stiicken gehen wollen . Meiner langjahrigen Erfahrungnach sind in privaten Betrieben Nistkasten immer nurkurze Zeit sachgemal3 gehalten worden ; i . a. waren sienach einigen Jahren vernachlassigt and zerfallen . Imiibrigen sind auch die reinen Koniferenwalder arm anVogelarten .Ist es bei dieser Gesamtlage verwun-

derlich, dal3 die chemische Seite desPflanzenschutzes den Vorranggenielit?Erst die Erfolge der let3ten Jahrzehnte waren ent-scheidend. Ware vordern der Einbau der „biologischenWechselbeziehungen" wirtschaftlich gewesen, so hatte sichder Pflanzenschut3 der neuen Insektizide nicht zu be-dienen brauchen .Im chemischen Pflanzenschutz stehen

wir ganz gewil3 am Anfang einer langenEntwicklung. Wenn hie and da fiber das Ziel hin-ausgeschossen -wird, so mull man das nicht allzu tragischnehmen. Wenn andererseits bei weft verbreiteten In-sektenarten in mehr oder weniger kurzer Zest r e s i -s t e n t e F o r m e n ausgelesen wurden, so ist das ansich nicht verwunderlich, da wir uber die Aufspaltungdieser Arten noch zu wenig wuliten . Daruber hinaus aberliegt dock schon so viel Pest, dai zahlreiche Pflanzen- andTierarten aus genetisch verschiedenen Formen mit unter-schiedlichem Verhalten gegenuber Umweltfaktoren be-stehen. Die sich hieraus ergebenden Schwierigkeitengegeniiber chemischen Verhindungen werden ganz gewilletappenweise iiberwunden werden. Ungeduldige andPessimisten sind daran zu erinnern, dal3 z . B . die Flie-genbekampfung mit Kontaktgiften kaum 10 Jahre alt ist .Die Resistenzzudttung steht bekannilich vor ciner Abu-lichen Sachlage . Die rasch aufeinanderfolgenden Ent-deckungen von so vielen wertvollen Frail- and Be-'hrungsgiften fur Insekten berechtigen zu weiteren

Hoffnungen; insbesondere wird man mit der weiterenEntwicklung innerlich wirkender Mittel rechnen konnen .Wenn der Staat die Innehaltung be-stimmter menschenhygienischer Richt-linien verlangt, wind er im Interesseder Erhaltung der Natur als einer dererhabensten Freudespender der Men-schen auch Maliregeln z u r Verein-fachung der Anwendung von Gift-neheln in der freien N a t u r vor-schreihen, urn ihre Auswirkung uberdas wirtschaftlich notwendige Malihinaus zu verhindern.Vorerst haben wir keinen Grund, fiber die Wirkung

der bisher bekannt gewordenen G i f t n e b e 1 beun-ruhigt zu sein. Ihre abziehenden Wolken, Schleier anddiinnen Gibtnebel sind wirkungslos ; nur in Ausnahme-fallen kann man da, wo dichte Nebelwolken zum Stehen

*) Vgl . daze : Dr . H . W. Frickhinger ;,Voge1schutj im Dienste derSchadlingsbekampfung" in : ,Rheinische Monatsschrift fur Gemuse- .Obst- and Gartenbau" 1952 Nr . 7 .

H. THIEM-Heidelherg : Der Pflanzenschut3 auf alten Wegen

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kommen, cine Wirkung von 100m and mehr erreicheat ;i. a . sind sie weit hegrenzteer . Ahnliches gilt fur das neu-artige N e b e 1 g e r a t, vor dessen Auswirkung auf dieInsektenwelt des Forstes ZWOLFER gewarnt hat. Dasjetit vorliegende Gerat wirkt vorerst im offenen Gelande,im Wein- and Obstbau so wenig zufriedenstellend, dal3es dafur nicht empfohlen werden kann . Set3t es der eineoder andere Besit3er doch ein, so wird er durch die Er-folglosigkeit and Kostspieligkeit der Mal3nahme baldclues Besseren helehrt sein. Die Domane des Gerates istdie Behandlung geschlossener Raume . Im Wald eignet essich vielleicht auch zur Vernichtung kleiner Restherde,z. B . bei der Maikaferbekampfung, fiir die der Einsat3von Groligeraten zu kostspielig and zu umstandlich ist .Sind damit die ,Krisen" - Probleme des Pflanzen-

schut3es aufgedeckt? Wie jedern Fachmann wohl bekanntist, kaum! Seit Jahren wird bei uns um, die bestenMethoden zur zuverlassigen Erfassnngder praktisch wichtigs ten Eigen-a c h a f t e n der von der chemischen Pflanzenschut -industrie erarbeiteten Praparate gerungen . Die his-herigen Verfahren warm in mehrfacher Hinsicht wenig-stens teilweise unzureichend oder doch unzulanglich .Auch dann, wenn man zugestehi, dal3 das let3te und end-giiltige Urteil fiber chemische Mittel bei der grollenPraxis liegt, darf es nicht vorkommen, dal3 ,,an-erkannte" Erzeugnisse in der Praxis glatt durchfallenoder zu Beanstandungen Anlal3 geben. Dal3 die Her-steller zuweilen daran mitschuldig sind, da die im Kleinengefertigen Mittel nicht der Grollproduktion entsprechen,sei nur nebenbei vermerkt .Dal3 die dremische Bekampfung von Schadlingen fiber

sich hinaus zum biologischen Pflanzen-s c h u t z vervollkommnet werden mull, kann hier nurangedeutet werden . Im Mittelpunkt der Malinahme solltemehr als bisher die bestmogliche Forderung der gesun-den Entwicklung der Pflanzen stehen, z . B . durch zusat3-liche Einmischung von Hormonen, Nahrsalzen andMangelstoffen in die Sprit3bruhe .Man mull sich den uberaus schlechten Zustand des

GroOteils unserer Apfelbaume vergegenwartigen, um dieBedeutung des Pllanzensehules, der alle Mallnahmen zurHebung ihres Gesundheitszastandes umfal3t, zu ermessen .Hungernde Baume konnen ausreichend kein Qualitats-obst erzeugen . Um den landwirtsehaftliehen Obstbau anddie soziale Struktur dieht hesiedelter Landesteile unsexesVaterlandes zu erhalten, mussen wir den gesamtenPflanzenschutz inehr vorn Gemein-schaftsstandpunkt betrachten and da-nach streben, die Pflanzenschutz-arbeiten auf der Basis der Freiwillig-keit zur Gemeinschaftsarbeit - soweitHauptsehadlinge rind Hauptkrankheiten in Betracht kom-men - a u s z u b a u e n. Die in den letjten Jahren audtbei tins entwickelten Hochleistungsgerate geben dem deut-schen Pflanzenschut3 die Moglichkeit, das Versaumte dcmAusland gegenuber aufzuholen .

Ohne im einzelnen auf these Entwicklung des Pflanzen-schut3es einzugehen and ohne die mannigfaltigen grund-legenden Forsehungsrichtungen zn erwahnen, die der er-folgreiche praktische Pflanzenschut3 zur Vorausset3unghat, zu erortern, diirfte auch fiir den Fernstehenden er-kennbar sein, dal3 wir t e c h n i s c h i n e i n e rgrundsatzl.iehen. Umwalzung stehen, die derExistenzkampf notwendig macht . Also nun doch eineKrise im Pflanzenschut3? M . E. nur, wenn man einesprunghafte Weiterentwicklung des chemischen Pflanzen-schut3es dafur halt . Das Grundsatilliche bleibt doch wiebisher .

Page 6: Der Pflanzenschutz auf alten Wegen

6 G. DOSSE : Versuche zur Bekampfung von Kohlschadlingen (Chortophila brassicae Bche usw .)

Sind auf der PflanzenschuPtagung in Munster (Westf .),wie H e i d e n r e i c h (6) es in Frankfurt a . M. darzn-stellen versuchte, wirklich neue Wege der Schadlings-bekampfung beschritten worden and liegen tatsachlichernsthafte Anzeichen fur die Abkehr vom chemischenPflanzenschug vor? Jeder vorurteilsfreie Leser der Vor-tragsfolgen der Pflanzenschubversammlungen in denJahren 1952 and 1951 erkennt, daB lediglich ein Wechselin den Hauptthemen vorliegt . Nachdem 1951 vornehm-Iich die chemische Seite des Pflanzensehut3es zur Erorte-rung stand, sind es 1952 in erster Linie die biologisch-okologischen Seiten gewesen . Damit wurde dargetan, daldie methodi sch zuIi ssigen W ege desPflanzenschutzes

such

gogenwartigg e p f i e g t w e r d e n. Wirklich neuartige Wege imSinne der bewuiten Abkehr von den bisherigen Arbeits-richtnngen and Problemstellungen liegen auch sonst nichtvor; man hraucht nor auf die vorziigliche Bearbeitungder biologisehen Schadlingsbekampfung von S a c h t-I e b e n im ,Sorauer" (13) zu verweisen.

Die zentrale Stellung des Pflanzenschu% es als vornehm-ich orientierte Forschungsdisziplin liegt

dsii ficherhaltung on ffung

Werte na zuver-ensehaftljehen thoden .

In dgen

oder neu sein.

Aumerkungen zurn Text(1) Vortrage der 4- S stasrSultagung der LandwirtsdaaftL Faknltat

Bonn-Poppelsdorf v. 11 -13 . 9 . 1954 . Landw. Verl . Hiltrup heiMunster (Westf.) . 1950 .

Die Haupt e auf der Filder-ebene in der Nahe von Stuttgart ist e Kohlanhau . Urndie versehiedenen Kohlsorten gesund durch die Vegeta-tionsperiode zu bringen, scheuen die Bauern keine Aus-gabe. Sie wenden alle erdenklichen Mittel an, die ge-eignet erscheinen, die einzelnen Kohlschadlinge nieder-zuhalten . Nehen dem GroBen Kohltriebriii3ler Ceuthor-rhynchus napi Gyll . gehort die Kohlfliege Chortophilabrassicae Bche zu ihren wichtigsten Feinden . Seit Auf-kommen des Sublimats zur Bekampfung der Kohlfliegewird dieses and spater das quecksilberhaltige PraparatKortofin in ausgedehntem Mal3e verwendet .

Seit 2 Jahren werden Klagen fiber ein Nachlassen derWirksamkeit des Kortofins Taut, Trot3dem die Bauerndire regelmd8igen Behandlungen grundlich nod sorgfaltigdurehfiihrten and obendrein die vorgeschriebene Konzen-tration fur Kortofin von 0,06 auf 0,1 0/o erhohten, mehr-ten sick (lie Ausfalle, so dal sie zu dem Glauben kamen,Kortofin baste durch die jahrelange Anwendung seineWirksamkeit eingebiiBt .Dieser Frage sollte nachgegangen werden. Daher wur-

den in der Fildergemeinde Scharnhausen im Kreise EBlin-gen im Anschlul an einen Belcampfungsversuch Unter-

Nachrichtenbl . deutscher Pflanzenschugd . (Braunschweig)

3(1951) S .81-83 .

(3) Gibt es im Pflauzensdsut3 eine Krise? Daa . 3 (1951), 5 .121-125 .Vgl . such B o n i n g . K . . Ist die neuzeitlidse Schiidlings-bekampfung ein Irrweg? Pflanzenschut3 (Munches) 2 (1950) .S . 55-59 ; B r i e j e r , G. I ., Sind wir auf dem rechten Weg?Lebendige Erde . Forschg . f . Biol . Dyn . Wirtsch.weise H. 1/2, 1950 .

(4) Steht der Pflanzensdsu5 in einer Krise? Narhrichtenbl . dtsch .Pflanzenschut3d . (Berlin) . 5 (1951), S . 161-163 .

Anzeiger fur Schadlingskunde 25 (1952), S . 113-115 .

(2)

(5)

Aus dent Institut fur Pflanzenschu4 der Landwirtsch .aftlichen Hochschule Stuttgart-Hohenheirn

Versuche zur Bekam.pfuug von Kohlschadlingen(Chortophila brassicae Bche and Blaniulus

guttulatus Bose.)Von Gudo POSSE

flit einer Abbildung and 2 Tabellen

(6) H e i d e n r e i c h . Schadlingsbekampfung auf neuen Wegen .(Erscheint in den Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft furangew . Ent .)

(7) Verordnnng caber bienenschadl . Pflanzensehugmittel v . 25 . 5 . 1950Minist .Bl . d . BELF 2 (1950) . S . 90-91 .

(7a) Ohue Beachaung hleibt im folgenden die vielfads verbreiteteVorstelLung von der „Harmonie der Natur" al . einer Art Gleich-gewicht . So behauptet z . B . der Nobelpreistriiger fur MedizinA. V. 11 i 1 I in seinem zu Belfast gehaltenen Vortrag fiber, .Das ethische Dilemma der Wissenscbaft . die heute iiblicheMassenvernichtung von Insekten mit chemischen Mitteln, sohegrullenswert sie vom hygieniadsen Standpunkt aorta sei, habezweifellos die Harmonie der Natur aus dem Gleichgewieht ge-bradht", (Rhein-Neckar-Zeitung 5.9 . 1952)

(8) S t e I I w a a g , F . (Die Weinbauinsekten der Kulturlander .Berlin 1928) adtreibt : .Man mut erstaunen caber dieMenge vernichteter Individuen (durch Parasites end Pilze),aher nods viel mehr daruber, daB die Zaht der tJberlebendentrottdem schwere Kalamitaten hervorrufen kann" (S- 673) .

(9) T h i e m H ., u . S y , M., liter die Bedeutung der Vernich-tang des Apfelwieklers durda Vogel . Nadaridatenbl, dtsch . Pflan-eensehngd. 18 (1938), S .95-97 .

(10) H e n z e , 0 ., Das Ergebnis 20jahriger Vogelansiedlung inunserm Eihenwieklerrevier . (Erscheint in den M itt . a . d. Biel .Bundesanst . fib . Pflanzensdsut3tagun g in Miinster .)

((1) H a r t e r t , E ., Einige Worte der Wahrheit fiber den Vogel-sdsu8 . Neudamm, 1900 .

(12) Wissensehaftl. Jahresberidat 1938 der Biologischen ReichsanstaltBerlin-Dahlem, Berlin, 1940, S .13 .

(13) S a e h t l e b e n, H ., Biologische Bekampfungsmatlnahmen .Handbuch der Pflanzenkraskheiteu . 6. 2 . Halbbd ., Berlin 1941,S . 1-111L

suchungen fiber den Schadlingshefall des Fruh-WeiBkohlsdurchgefuhrt. Der Bekampfungsversuch wurde in 3 hinter-einanderr liegenden Wiederholungen angelegt, mit Par-zellen von jeweils 50 qm Grolie and je 80 Pflanzen . Aus-gepflanzt wurden die Kohljungpflanzen (Sorte .,Friih-WeiBkohl") am 30 . 4 . 1952 . Die Se :3linge waren einwand-frei and gesund, die Untersuchung ergab keinerlei Befall.lm Saatbeet waxen die Kohlsetlinge einmal mit Kortofinbehandelt worden . Da in Scharnhausen hei dem aus-gepflanzten Kohl auf dem Felde 3 Behandlungen m it Kor-tofin gegen die Kohlfliege ortsublich sind, wurden in demVersueh ebenfalls 3 Behandlungen mit 0,1 0/o vorgenom-men and einer einmaligen bzw. zweimaljgen mit dergleiehen Konzentration gegenubergestellt . Bei den einzel-nen Behandlungen warden jeweils 80 corn Gielflussigkeitan eine Pflanze gegeben . Als Vergleieh zu dent queck-silherhaltigen Praparat (Kortofin) wurde mit einem Hexa-mittel (Perfektan) gearbeitet, and zwar in einer Versuehs-reihe mit einer einmaligen Gieiung von 80 cem je Pflanze,hei einer andern mit einer zweiten zusatjlichen 0,2 0 /oigenFlaehenspritaung . Die einzelnen Behandlungen fanden beiKortofin am 5 . 5., 10. 5. and 19. 5 . statt . Ebenso erfolgtedie einmalige Gieiung snit Perfektan am 5 . 5 . Bei derzweimaligen Perfektan-Behandlung wurde das Mittel am