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1 Der respir:itorische Stoffweelisel cles Saugethicrembryo. VOll Christian Bohr. Dass im Siugethierembryo ein respiratorischer Stoffwechsel vor sich geht, ist belittnntlich aus dem Farbenunterschiede zu ersehen , der sich zwischen dem Blute der Umbilicalarterie und dem der Umbilical- vene findet; dieser Unterschied ist unter normalen Verhiltnissen zmeifelsohne vorhanden, kann unter gewissen Umstanden aber schwer wahrzunehmen sein und ist deshalb Ton alteren Autoren bfters bezmeifelt worden; yorziiglich Zweifel und Zuntz haben das Verdienst, theils eine sichere Methode zur Beobachtung des Farbenunterschiedes an- gegeben, theils dessen Abhlngigkeit von dem relativen Sauerstoffgehalt,e im Blute des Embryo und in dem der Mutter nachgewiesen zu haben. Dagegen ist die Grosse des Stoffwechsels des Embryo unbekannt, indem die verhaltnissmiissig wenigen, hierauf gerichteten Versuche aus verschiedenen Griinden keine sicheren Aufschlusse zu geben vermochten, wie unten naher nachgewiesen werden wird. Wenn ziemlich allgemein a angegeben wird , der respiratorische Stoff- wechsel des Embryo sei verhiiltnissmksig ein geringer , so beruht dies nur auf einer Vermuthung, die freilich schon friiher aufgestellt worden war, in grosserem Umfange aber erst wegen der von PfliigerS zu ihrer Stutze angefiihrten Griinde acceptirt wurde. Der genannte Forscher setzt (1. c. S. 64) aus einander: da der Warmeverlust des Embryo ge- ring sei und die Nuskelbewegungen nur in kleiner Anzahl und in einer Fliissigkeit stattfiinden, ,,scheint es nicht schwer, zu ersehen, dass eine Nothwendigkeit fur eine bemerkenswerthe Respiration des Embryo kaum vorhanden ist". Selbstverstiindlich ist es von Bedeu- Der Redaction am 20. Juni 1900 zugegangen. Z. B. Preyer, Physiologie des %bryo. 1885. S. 138. Pfliiger'e Archia. Bd. I. 1868. S. 61.

Der respiratorische Stoffwechsel des Säugethierembryo

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1 Der respir:itorische Stoffweelisel cles Saugethicrembryo. V O l l

Christian Bohr.

Dass im Siugethierembryo ein respiratorischer Stoffwechsel vor sich geht, ist belittnntlich aus dem Farbenunterschiede zu ersehen , der sich zwischen dem Blute der Umbilicalarterie und dem der Umbilical- vene findet; dieser Unterschied ist unter normalen Verhiltnissen zmeifelsohne vorhanden, kann unter gewissen Umstanden aber schwer wahrzunehmen sein und ist deshalb Ton alteren Autoren bfters bezmeifelt worden; yorziiglich Zweifel und Zuntz haben das Verdienst, theils eine sichere Methode zur Beobachtung des Farbenunterschiedes an- gegeben, theils dessen Abhlngigkeit von dem relativen Sauerstoffgehalt,e im Blute des Embryo und in dem der Mutter nachgewiesen zu haben.

Dagegen ist die Grosse des Stoffwechsels des Embryo unbekannt, indem die verhaltnissmiissig wenigen, hierauf gerichteten Versuche aus verschiedenen Griinden keine sicheren Aufschlusse zu geben vermochten, wie unten naher nachgewiesen werden wird.

Wenn ziemlich allgemein a angegeben wird , der respiratorische Stoff- wechsel des Embryo sei verhiiltnissmksig ein geringer , so beruht dies nur auf einer Vermuthung, die freilich schon friiher aufgestellt worden war, in grosserem Umfange aber erst wegen der von PfliigerS zu ihrer Stutze angefiihrten Griinde acceptirt wurde. Der genannte Forscher setzt (1. c. S. 64) aus einander: da der Warmeverlust des Embryo ge- ring sei und die Nuskelbewegungen nur in kleiner Anzahl und in einer Fliissigkeit stattfiinden, ,,scheint es nicht schwer, zu ersehen, dass eine Nothwendigkeit fur eine bemerkenswerthe Respiration des Embryo kaum vorhanden ist". Selbstverstiindlich ist es von Bedeu-

Der Redaction am 20. Juni 1900 zugegangen. Z. B. Preyer, Physiologie des %bryo. 1885. S. 138. Pfliiger'e Archia. Bd. I. 1868. S. 61.

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tung, dass die Aufmerlisamkeit, mie es in l’fliiger’s Abhandlung ge- schieht, auf die verschiedenen iiusseren Umstande gelenkt wird, unter denen der Stoffwechsel in dem warmblutigen erwachsenen Thiere und in dessen Embryo vor sich gelit, wie auch auf die Miiglichkeit einer hieraus resultirenden Verschiedenheit der Griisse dcs Stoftwechsels. Es braucht aber wohl kaum bemerkt zu werden, dass ein sicherer Kach- meis der Grime des Stnffwechsels im Embryo sich nur durch Versuclie gewinnen lisst; deiin erstens kennen wir nicht die Griisse des that- sachlichen Warmeverlustes im Embryo, der ja stets etmds warmer ist als die Mutter, und mo die Verhiiltnisse wahrentl der IVBrmeabgabe (durch das Fruchtwasser und die Placenta) sich nicht ubersehen lassen: und zweitens missen wir ebenso wenig, ob nicht Miiglichkeiten vor- liegen, dass die Energie in dem sich entmickelndeii Thiere zum Theil andere Anwendungen findet, als im erwachsenen. Indess ist die von Pfl i iger aufgestellte Vermuthung haufig, und wie es scheint, auch rom Verfasser selbst (1. c. S. 81) als eiii Beweis aufgefasst worden, dass der Stoffwechsel im Embryo nur ein geringer sei.

Einen anderen Standpunkt als Pf l i iger nimmt Gusserow’ ein, der, nachdem er (1. c. S. 243) Pfliiger’s Hypothese referirt hat, sich so aussert: ,,Anderemeits darf jedoch das staunenswerth schnelle Wachs- thum des Embryo vom minimalsten Gebilde bie zur Grosse und Schwere der reifen Frucht nicht iibersehen werden, und dieser Aufbau liann ohne einen regen Stoffwechsel nicht wohl gedacht werden.“ Aus den im Folgenden beschriebenen Versuchen wird hervorgehen, dass Gusserow’s Vermuthung von der bedeutenden Grosse des Stoffwechsels im Embryo richtig war. Ob sich wirklich annehmen lasst, dass die Ursache im starken Wachsthum liegt, wird spater discutirt werden. Zweife12 schliesst sich in Betreff der besprochenen Frage Gusserow an; er untersucht u. A, wie schnell der Tod des Embryo eintritt, wenn das Mutterthier asphyktisch gemacht wird, und findet die hierzu erforderliche Zeit als verhiiltnissmZissig kurz, mas ihm auf einen regen Stoffwecheel zu deuten scheint. Zuntz3 weist dagegen nach, dass der schnelle Tod unter den genannten Umstanden aus dem Uebergange des Sauerstoffes aus dem Blute des Embryo in das der Mutter durch die Placenta zu erkltiren ist; nach ihm ist der Embryo thatsachlich ziemlich widerstandsfiihig gegen den Mange1 an Sauerstoff, was ich iibrigens bei den unten beschriebenen Versuchen auch zu be- merken Belegenheit hatte. Zuntz meint, gerade diese Ziihigkeit des

* Archiv f. Gynakol. Bd. 111. 1872. S. 241. Ebendas. Bd. IX. 18i6. S. 291. Pfliiger’s Archiv. Bd. XIV. 1577. S. 605.

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DER RESPI RATORISCHE STOFFWECHSEL DES SAUGETHIEPEMBRYO. 4 1 5

Embryo deute in Analogie mit den VerhAltnissen bei Iialtblutern aut einen geringen Sauerstoffyerbrauch hin ; ich glaube aber, dass diese Frage gar zu comylicirter Natur ist, um sich mittels derartiger Analogieschlusse erfolgreich behnndeln zu lassen. Nur der directeversuch kann hier Klar- heit bringen, und ich werde mich deshalb auch darauf beschranken, nur ganz kurz zu referiren, dass Znntz ebendaselbst in einer Berechnung der Energiemenge, die seiner Anschauung nach nls Maximum zur Bil- dung lebencler Albuminsubstanz im Embryo (1. e. S. 607) verbraucht werden kann, ebenfalls eine Stiitze der oben erwahnten Pfliiger’schen Ansicht findet.

Neines Wissens ist in der Litteratur nur eine, direct auf die Be- stimmnng des respiratorischen Stoffwechsels des Saugethierembryo ge- richtete Versuchsreihe zu finden; diese riihrt von Cohnstein und Zuntz’ her, die in ihrer Arbeit ubrigens eine grosse Anzahl inter- essan ter Bestimmungen verschiedener anderer physiologischer Verhllt- nisse des Embryo verijffentlichen. &lit den beriihrten Experimenten bezwecken diese Forscher die Bestimmung theils der wlhrend gegebener Zeit die Umbilicalgefhse passirenden Blutmenge, theils zugleich der Zusammensetzung (0, und CO,) des Blutes sowohl aus der Umbilical- arterie, als der Umbilicalvene. Hieraus l a s t sich natiirlich die wih- rend derselben Zeit im Embryo verbrauchte Sauerstohenge und ge- bildete Kohlensauremenge berechnen. Die Anstellung der Versuche ist indess mit besonders grossen technischen Schwierigkeiten verbunden, die sich wahrscheinlich kaum uberwinden lassen. An Versuche dieser Art ist u. A. die Forderung zu stellen, dass die Dauer der einzelnen Bestimmung keine gar zu knrze ist, sonst wird der Vergleich mit den von erwachsenen Thieren bekannten Zahlen leicht illusorisch werden ; ferner miissen die Blutprobenahmen aus dem betreffenden Gefhse g 1 e i c h - ze i t ig sowohl mit einander, als mit der Bestimmung der Stromungs- geschwindigkeit geschehen, und endlich muss zur Feststellung der Grosse der letzteren selbstversthdlich eine vollig zuverlassige Nethode angewandt werden. Nun hahen aber in den vorliegenden Versuchen die Bestimmungen der Geschwindigkeit in der Regel eine Dauer von nur wenigen Minuten, und nur in einem einzigen Versuche (1. c. S. 230) waren die Proben aus der Arterie und der Vene zu gleicher Zeit entnommen; bei diesem Versuche ist aber keine Bestimmung der Geschwindigkeit aufgefuhrt. Ferner zeigen die Messungen der Geschwindigkeit bedentende Schwankungen wiihrend der denn doch kurzen Versnchszeit (1. c. S. 211). Endlich ist es ein sehr wesentlicher

Pfliiger’s h & w . Ed. XXXIV. 1884. S. 173.

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Uebelstand, dass die eine Uiiibilicillarterie wiihrend des Versuches oflen ist und die Stromuhr sich in der andereii angebracht findet. Die Umhilicalarterien sind sehr contractil ; da man also keineswegs sicher sein kann, dass der Widerstand in jeder einzelnen derselben sicli niclit wiihrend des Versuches zu verlndern vermag, so kilnn die Methode lieine genauen Resultate geben, um so weniger, als der Widerstand in der Stromuhr sich wegen langsam beginnender Coagulation leicht yerandern kann ; auf so variable Verhlltnisse lisst sich natiirlich keine Correction anwenden. Jeder, der die hier besprochenen analogen Ver- suche unternommen hat, weiss, dass die erwiihnten Miingel von den iiusserst schwierigen Verhi!tnissen, unter denen die Arbeit stattfindet, herriihren; es scheint mir aber klar zu sein, dass die Rfilngel in den besprochenen Versuchen wirklich vorhanden sind und die Resultate unsicher machen, so dass ich ausser Stande bin, mit den beiden For- schern in den niedrigen Werthen, die sie fir den Stoffwechsel finden, einen Beweis der Pfliiger’schen Ansicht zu erblicken.

Die Aufmerksamkeit ist weiter hier noch nuf Folgendes zu richten. Sollte es gelingen , den Sauerstoff verbiauch und die Kohlen- slurebildung im Korper des Embryo durch einen Vergleich der Menge der Gasarten im Blute der Umbilicalarterie und -Vene mit Sicherheit zu bestimmen, so wurde hierdurch allerdings ein fur die Physiologie des Embryo hochst werthvoller Aufschluss herbeigeschafft sein, es ware aber keineswegs gegeben, dass man damit zu einer Bestimmung des ges ammten respiratorischen Stoftwechsels des Embryo gelangte. Es ist niimlioh die Moglichkeit vorhanden, dass mit dem Blute der Umbilical- arterie reducirende Substanzen in die Placenta gefuhrt werden konn ten, und sich hier mit dem aus dem miitterlichen Blute eindringenden Sauerstoffe verblnden, worauf die gebildete Kohlenslure insgesammt oder theilweise in das mutterliche Blut ubergehen konnte. In diesem Falle wiirde der im Korper des Embryo stattfindende Umsatz nur ein Theil des gesammten Stoffwechsels desselben sein. Es fallt einem in dieser Relation eine Beobachtung von Cohnheim und Zuntz2 bei, der zu Folge das Umbilicalarterienblut beim Hinstehen seinen Sauer- stoff auffallend schnell yerbraucht; dies konnte auf einen Gehalt an reducirenden Substanzen deuten, die alsdann zum Theil in der Placenta umgesetzt werden miissten; irgend einen Beweis fiir eine solche Vermu- thung giebt diese Beobachtung selbstverstandlich aber nicht. Der sicherste Weg zur Bestimmung des gesammten Stoffwechsels des Siiuge- thierembryo scheint demnach der zu sein, dass man untersucht, wie der

Cohnstein u. Zuntz, Pfluger’s Archin. Bd. XLII. 1888. S. 346. * Pfluger’s Archizt. Bd. XXXIV. 1884. S. 227.

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DER RESPIRATORISCHE STOFFWECHIEL DES S~~UGETHIEREMBRYO. 4 1 7

respiratorische Stoffwechsel des Mutterthieres sich durch Unterbindung oder Abklemmung des Nabelstranges der Embryonen veriindert, indem deren Stoffwechsel, der vorher mit dem der Mutter zusammen bestimmt wurde, hierdurch plotzlich aufhijrt, sich geltend zu machen. Der- gleichen Versuche lassen sich ohne grossere Schwierigkeiten und mit geniigender Genauigkeit ausfiihren und erzielen wesentlich constante Resultate.

Die obigen Betrachtungen Teranlassten nun, dass die Versuche iiber den Stoffwechsel des Siiugethierembryo folgendermaassen angestellt wurden.

Ein triichtiges Meerschweinchen wird durch Aethyl-Urethan (3 g

pro Kilogramm) vollstindig betaubt. Es wird eine Trachealcaniile ein- gelegt und mittels des Paquelins eine unblutige Laparotomie ausgefiihrt. Darauf wird das Thier in ein Bad mit physiologischer Kochsalz- liisung gebracht, die constant auf etwa 39O C. erhalten wird; es ist dafiir zu sorgen, dass die Abdominalregion ganz in das Bad nieder- getaucht ist. Indem der Uterus ein wenig hervorgezogen wird, liisst sich leicht ersehen, welche Stellen in dessen Wand ohne Placenta- anheftung sind, und hier wird das Organ mittels des Paquelins ge- ciffnet, indem eine Falte bis eben uber das Kochsalzbad emporgehoben wird. Die Operation, die ohne den geringsten Blutverlust verliiuft, ist nun beendigt; man bewirkt leicht, dass der in den Hiiutchen verblei- bende Embryo in's Bad herausfillt , wlhrend die Laparotomiewunde zum gr6ssten Theile durch kleine Kneifpincetten verschlossen wird.

Es werden nun unmittelbar nacheinander eine Reihe Respirations- rersuche, die in der Regel 10 Minuten dauern, nach der unten an- gegebenen Methode ausgefiihrt ; zu einem gegebenen Zeitpunkte wird eine Ligatur um die Nabelschnur gelegt, ohne dass sonst irgend welche Manipulationen an dem Xutterthiere unternommen wiirden, nnd die Respirationsversuche werden nnunterbrochen fortgesetzt. Eine durch Ausschliessung des Stoffwechsels des Embryo hervorgerufene Aenderung der Respiration wird also zu erkennen sein, wenn der respiratorische Stoffwechsel vorher anniihernd constant war. In einigen FUlen wurde die Nabelschnur, statt light, mittels einer breiten Kneifpincette ver- sperrt ; dies ermiiglicht retrograde Controlversuche dnrch Entfernung der Kneifpincette.

Unter den Einzelheiten konnen folgende bemerkt werden. Die Embryonen zeigen, wahrscheinlich der Urethanbetilubung wegen, keine Bewegungen, ausgenommen, wenn die Nabelschnur comprimirt wid, und nicht einmal dann sind die Bewegungen sehr stark. Durch die

BkandlO. M V . x. 27

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Hautehen hindurch sieht man sehr deutlich die Pulsation in der Um- bilicalarterie; die knopfformige Placenta foetalis ist dunkelroth; nach Unterbrechung des Kreislaufes der Nabelschnur wird sie in1 Verlaufe von weniger als 1 Minute stark hellroth; dieser Farbenwechsel, der natiirlich daoon herriihrt, dass das nach Hemmung des Kreislaufes in der Placenta stehende Blut mit Sauerstoff aus dem miitterlichen Blute gesittigt wird, fallt stark in die Augen und eignet sich deshalb sehr gut zur Demonstration, da der Versuch sich zugleich leicht ausfuhren lasst. Die hellrothe Farbe wird schnell wieder dunkel, wenn der Kreis- lauf nach Entfernung der Sperrung der Nabelschnur in Gang kommt.

Will man die Nabelschnur nur eine Zeit lang comprimiren, so ist es zweckmassig , eine breite Federpincette mit parallelen Branchen anzuwenden, die einen nicht zu starken Druck auf die Umbilicalgefasse ubeii konnen und an der ausseren Seite der Hautehen angebracht werden. Eine stiirkere und mehr begrenzte Sperre der Gefasse liisst sich schwerlich wieder ausgleichen.

Bei der Bestimmung der Respiration athmet das Thier durch leioht bewegliche Ventilationsapparate; die Exspirationsluft wird mittels einer Gasuhr von anderswo beschriebener Form genau gemessen, und der Menge der ausgeathmeten Luft proportional wird eine Probe der- selben genommen, die man nach Pe t te rson analysirt. Nach Ab- . schluss des Versuches bestimmt man das Gewicht sowohl der Em- bryonen, als der dazu gehorenden Placentae und Hiutchen.

Die Temperatur des Chlornatriumbades sollte am liebsten etwa 39O C. sein. 1st sie unter 37O, so scheint die Gefahr entstehen zu kBnnen, dass der respiratorische Stoffwechsel des Embryo sich nicht erhfdt; ist sie andererseits zu hoch, so bekommt das Mutterthier leioht die Hitzedyspnoe, was die bei diesen Versuchen nobhwendige Constanz des respiratorischen Stoffwechsels hindern kann. Deshalb ist das Mutterthier auch nicht viillig in's Bad versenkt, sondern so angebracht, dass der Vorderkorper sich ausserhalb des Wassers befindet.

In nachstehenden Versuchen ist die Menge der Gasarten fiberall in Cubikcentimetern bei O o und 760 mm Druck, die Gewichte in Gramm angegeben.

Ver s u c h I. Meerschweinchen. Gewicht 1096 g. Die Operation beendigt um 1 h. 3 Embryonen, die nebst der Placenta und den Hgut- chen 107.5 g wiegen. Durchschnittliches Gewicht eines Embryo slso 35.8 6. Temperatur des Bades 39.2 '. W&hrend des Respirationsver- suches Nr. 4 sind die Nabelswnge comprimirt; nach Nr. 7 werden sie unterbunden.

' Ann. d. Physik (4) I. 1900. S. 244.

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DER RESPIRATORISCHE STOFFWECHSEL DES ~AUGETHIEREMBRYO. 41 9

Wiihr. 10 M i a

rusgesch. aufgen. ccm ccm

- co, 0 s

~ - ~~

- h 8

El

?i

1 2 3 4 5 6 7 8 9

5 co, 0,

-

- - __

Fg. fp- 44

~~

1 40' 1 51 2 2 2 17 2 27 2 39 2 50 3 3 3 15

Nad

88 ~ 113 I 88 114

86 1 ;E 84 113 1 72 104 1

76 84 110 85 110

73 101

0.18 0.17 0.77 0.74 0.76 0.77 0.74

0.69 0.72

Bemerkungen

- -~ ~ _ _

Compression 2h 16'. Aufhiiren der Compress. 2 26'.

Unterbindung 3'' 2'.

Compression der Nsbelstriinge &llt die Kohlensgureausscheidung um 10 ccm, die Sauerstoffaufnahme urn 11 ccm w3hrend 10' (Nr. 4); nach dem AufhiZren der Compression (Nr. 5 ) steigt der Stoffwechsel wieder bis zur vorigen HGhe, sinkt aber nach Anlegung der Ligatur (Nr. 8) wiih- rend 10' um 11- CO, nnd 12"m 0,.

Der Antheil der Embryonen am Stoffwechsel wlhrend 10' war also durchschnittlich 10 - 5 ecm CO, und 1 1 - 5

Pro Kilo und Stunde ist die Kohlenstiureausscheidung der Embryo- nen = 586, der Mutter = 452.

0,.

Versu ch 11. Meerschweinchen. Gewicht 1010 g. Die Operation 12h 50' beendigt. 4 Embryonen, die nebst Placentae und Hdutchen 156K wiegen; durchschnittliches Gewicht eines Embryo also 39 8. Temperatur des Bedes 36.6O. Nach dem Respirationsversuch Nr. 2 werden die Nabelstrtinge unterbunden. ""1 2 3s

4s Bemerkungen

Unterbindung 1 h 53 '. 10 60 10 58 0.87

Nach Unterbindung der Nabelstringe sinkt die Sauersto5ufnahme wlrhrend 10' um loecm. Die Kohlenshreausscheidung war in den ersten beiden Versuchen nicht hinlhglich constsnt; dss Sinken um 12 "I" nach

27 *

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420 CHR. BOER:

__ 1 2 3 4 5 6 7 8

der Unterbindung ist indess in Uebereinstimmung mit dem Sinken der Sauerstoffaufnahme , und l%sst sich deshalb gewiss unbedenklich benutzen. Hiernach betrug die Kohlensiiureausscheidung pro Kilo und Stunde fur die Embryonen 462, fur die Mutter 408.

__ ___ l h 2 1 ’ 1 32 1 45 1 54 2 5 2 17 2 30 2 41

Versuch 111. Meerschweinchen. Gewicht 965 g. Die Opention beendigt 12h 45’. Es waren hier 3 Embryonen; der eine (Gewicht 64g) wurde indess erst nach Abschluss des Versuches gewahrt, so dass nur die Nabelstrange der beiden anderen Embryonen (vor Nr. 3) comprimirt und (vor Nr. 7) unterbunden wurden. Das Gewicht dieser beiden Embryonen (+ Placenta) betrug 123, also durchschnittliches Gewicht eines Embryo = 61-59. Die Temperatur des Bades 39.5O.

5 10 10 10 10 10 10

77 \ 0.92 71 85 85 0.99 78 54 0.93 76 82 0-92 68 75 0.90 67 75 0.89 65 73 0.89

ccm ccm i Remerkungen

_- ~-

Compression 1 I, 44‘. Aufhiiren d. Compress. lh53’.

Unterbindung 2 29‘.

Der Einfluss der Compression der Nabelshmge auf den Stoffwechsel kommt hubsch zum Vorschein sowohl durch das Sinken in Nr. 3 , als durch das Steigen (Nr. 4) nach dem Aufhliren der Compression. Vor der Unterbindung ist die Kohlenstiureausscheidung wtihrend 10 Minuten (Nr. 5 und 6) = 77 eem (78 und 76), nach der Unterbindung sinkt sie auf 67ecm (68, 67 und 65), also um lo-. Das Sinken der Sauerstofbuf- nahme betrggt nach der Unterbindung 9-.

Dexunach ist die Kohlensiiureausscheidung pro Kilo und Stunde fiir die Embryonen = 488, fiir die Mutter = 478.

Versuch I V . Meerschweinchen. Gewicht 1025 g. Die Operation beendigt l o h 35‘. Es fand sich hier eine ungewtihnlich posse Amah1 von Embryonen, n h l i c h sechs, die nebst der Placentae 143 g wogen. Durchschnittliches Gewicht eines Embryo ah0 23.8 g. Die Temperatur des Bades 39-5O. Nach dem Respirationsversuche Nr. 2 werden die Nabelstrhge unterbunden.

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DER RESPIRATORISCEE STOFFWECHSEL DES ~AUGETHIEREMBRYO. 42 1

11 48

11 59 0.81

Nsch Unterbindung des Nabelstranges betrtigt dss Sinken wshrend 10' hinsichtlich des Sauerstoffes sowohl als der Kohlenstiwe 6 ccm.

Hieraus wird die Kohlensllureausscheidung pro Kilo und Stunde be- rechnet fur die Embryonen auf 252, fiir die Mutter auf 483.

Die ' beiden folgenden Versuche wurden an Meersohweinchen in einem friiheren Stadium der Gravidit% unternommen. Das Sinken des 1 Stoffweohsels nach Unterbindung des Nabelstranges wird deshalb, absolut betrachtet, natiirlich geringer, der Ausschlag ist aber doch deutlich.

Versuch V. Meerschweinchen. Gewicht 805 g. Die Operation beendigt Sh 30'. 4 Embryonen, die nebst den Plscentae 22g wogen. Dss durchschnittliche Gewicht eines Embryo also 5 5 g. Die Temperstur des Bsdes 37-6O. Der Nabelstrang wird nach Versuch Nr. 2 unter- bunden.

DIM Sinken der 8 8 U 1 3 ~ ~ & U f n a h m e (3ccm) nach der Unterbindung wird wegen des in den beiden vorhergehenden Versuchen befindlichen Unterschiedes der Sauerstofiufnahme unsicher. Die Kohlen&ure eeigt dentlicbes Sinken um 5 -, worsus die Kohlensthmausscheidung pro Kilo und Stunde berechnet wird fir die Embryonen etwa 1350, fiir die Mutter 598.

De ich slle ausgefiihrten Versuche aufzeichne, wurde auch dieser mit- genommen; wegen des geringen Gewichtes der Embryonen kann demselben aber keine grosse Bedeutung beigemessen werden.

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422 CHR. BOHB:

Nummer des

Versuohes

Versnch VI. Meerschweinchen. Gewicht 1008 K. Die Operation beendigt 1" 25'. Es waren hier 4 Embryonen, deren 2 aber erst nach Abschluss des Versuches observirt wurden. Die beiden anderen Embryonen, deren Nabelstrbge nach dem Versuch Nr. 2 nnterbunden wurden, wogen nebst den Placentae 32 g. Durchschnittliches Gewicht eines Embryo also 16 g. Die Temperatur des Bades 40 O.

Gewicht Corn Kohlemtiure pro. einea Kilo und Stunde

Embjo Mutter I Embryo

- - ~ ~~~

Wtihr. 10 Min.

Bemerkungcu

. ~~~

ausgesch. aufgen. ccm ccm

10 81 10 82 10 Unterbindung 2h 25'.

ffwechsel befindet sich vor der Unterbindung der Nabelstrtinge

I11

in geriagem Steigen; die Unterbindung bewirkt ein ginken sowohl &r Sauerstoffaufnahme, als der Kohlenstiureausscheidung urn 4 ; demnach ist die Kohlens$iureausscheidung pro Kilo und Stunde fiir die Embryonen = 756, fur die Mutter = 490.

Die experimentelle Untersuchung des respiratorischen Stoffwechsels des Saugethierembryo hat also erwiesen, dass denelbe von verhiiltniss- mbsig bedeutender Grosse ist. In untenstehendsr Tabelle habe ich die Kohlensiureansscheidung pro Kilo und Stunde sowohl des Mutter- thieres, als des Embryo sammt dem Gewicht des letzteren zusammen- gestellt. Nur Versuch V mit seinem besonders hohen Werthe fiir den Stoffwechsel des Embryo wurde aus dem oben erwghnten Grunde weg- gelassen.

452 586 408 462

62 478 488

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Was das Saugethierembryo betrifft, gelangten wir also zu dem- selben Resultate, das fruher in Betreff des Huhnerembryo nachgewiesen wurde, namlich: dass der Stoffwechsel des Embryo pro Kilo ungefiihr von derselben Grosse is t , wie der der Mutter.

Es drangt sich in diesem Zusammenhange ganz naturlich die Frage auf, wozu die auf diese Weise entwickelte bedeutende Energie- menge denn angewandt wird. In dieser Beziehung kann ich auf Bemerkungen hinweisen, die in einer fruheren Abhandlung a uber die analogen Verhaltnisse des Huhnerembryo angefuhrt wurdec. Hier sei nur in Kiirze genannt, dass die Moglichkeit, ein Theil der Energie kiinnte auf die neu gebildeten Gewebe ubertragen werden, nicht aus- geschlossen ist ; ob dies wirklich stattfindet und, in bejahendem Falle, in welchem Umfange es geschieht, ist aber durchaus unbekannt ; ferner liesse sich denken, dass die entwickelte Energie zur Deckung von Pro- ductionskosten beim Wachsthum der Gewebe angewandt wiirde; riele Biologen werden es mit G usserow gewiss fiir ziemlich wahrscheinlich halten, dass eine lebhafte Zellentheilung nicht ohne Stoffumsatz vor sich geht, der eine Entwickelung von Energie erzeugt; in diesem Fdle wiirde die entwickelte Energie den Embryo als Warme verlassen mussen. In beiden genannten Fiillen wird die Energieentwickelung beim Wachs- thume des Embryo Anwendung finden; es wlre indess ja ebenfalls denkbar, dass der posse, respiratorische Stoffwechsel des Embryo, theil- weise wenigstens, dadurch bedingt wiirde, dass bereits gebildete Zellen, von dem weiteren Wachsthumsprocesse ganz abgesehen, nicht im Stande waren, ohne Stoffwechsel zu existiren; jedenfalls kann man den Stoff- wechsel eines erwachsenen Siiugethieres durch Steigerung der um- gebenden Temperatur nicht nuf unbedeutende Werthe herabdriicken, ohne den Tod eintreten zu sehen. Die Entwickelung von Energie wurde alsdann fiir die Erhaltung der schon gebildeten neuen Gewebe des Embryo von Bedeutung sein und denselben naturlich als WIrme verlassen.

Ich werde nicht rersnchen, die grBssere oder geringere Wahr- scheinlichkeit der Realisation dieser versohiedenen Miiglichkeiten irn Embryo niiher zu discutiren. Wo unsere Kenntnisse so mangelhaft sind, wie es auf dem hier besprochenen Gebiete der Fall ist, werden Rbonnemen te, die nicht fortwahrend durch Experimente controlirt werden, voraussiohtlich zu leicht nur auf Irrwege fiihren.

Ein einzelner, mit der Untersuchung iiber den Stoffwechsel des

Bohr u. Hasselbalch, dies Arehir. Bd. X. 1900. s. 149. * Dieselben, ebenda S. 171.

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124 CHB. BOHR: DER RESPIRAT. STOFFW. DES S~JGETHIEREMBRYO.

Embryo in Verbindung stehender Punkt ist schliesslich noch zu be- ruhren. Man scheint gewohnlich davon auszugehen, dass im Sauge- thierembryo keine erhebliche Warmeabgabe stattfinden konne ; man richtete in dieser Beziehung die Aufmerksamkeit besonders darauf, dass es an Verdampfung gebreche, und dass der verhaltnissmkssig geringe Untersohied zwischen der Temperatur der Mutter und der des Embryo (von einigen Zehnteln bis zu einem Grade) durch Leitung aus der Oberflache des Embryo keine bedeutende Warmeabgabe bewirken konne. Hierbei ubersdh man indess die Bedeutung der Placenta fur den Aus- tdusch der Warme zwischen dem Embryo und der Mutter. Wenn das Blut aus den genannten Individuen, so wie es der Fall ist, in der Placenta auf capillaren Bahnen in intime Beriihrung kommt, so dass die Bedingungen ekes geschwinden gegenseitigen Austausches ver- schiedener Stoffe gegeben sind, treten auch fur die Ausgleichung der Warme der beiden Blutarten vorziigliche Bedingungen ein. Jn der Placenta wird selbst ein geringer Unterschied der Temperatur der Mutter von der des Embryo eine verhiiltnissmassige bedeutende Warme- abgabe bewirken konnen.