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Der Stellenwert der Topographie im neuen "Geographie und Wirtschaftskunde"-Lehrplan für die Zehn- bis Vierzehnjährigen Harald HITZ Topographie-Auftrag; die fehlende Lehrplanlegitimation in dieser Richtung hin schien nur wenigen aufgefallen zu sein. Die vermeintlich im neuen Lehrplan fehlende Topographie stellte somit einen einfachen Angriffspunkt gegen den neuen Lehrplan dar. Zur Beruhigung dieser Kritiker beinhal- tet der neue Lehrplan eben eine achtmalige Topographie-Forderung. 3 Nur: Topographie im neuen Lehrplan ist nicht dieselbe Topographie, wie sie vielleicht nach dem alten Lehrplan betrieben wurde. Bei den Diskussionen vor der Einführung des neuen "Geographie und Wirtschaftskunde"-Lehrplans für die Hauptschule "und die Unterstufe der allgemeinbildenden höheren Schule betraf zumindest ein Kritikpunkt immer den Themenkreis "Topographie". Viele Lehrerinnen und Lehrer äußerten offen ihre Sorge, daß der neue Lehrplan die Bedeutung der Topographie zurückdrängen oder sogar eliminieren würde. Sie betonten dadurch auch die ihrer Meinung nach überragende Bedeutung der Topographie im Unterricht. 1 1. Ist zuviel Topographie im neuen Lehrplan für "Geographie und Wirtschaftskunde" Die Angst vor einem Topographiedefizit im Unterricht müßte rein quantitativ durch einen Vergleich des bisher gültigen mit dem neuen Lehrplan bestätigt werden. Erstaunlicherweise findet sich aber im alten Lehrplan für "Geographie und Wirtschaftskunde" (GW) ein einziges Mal der Begriff Topographie. In den didaktischen Grundsätzen heißt es lakonisch: "Kenntnis der wichtigsten topographischen ... Begriffe ..." (Lehrpläne 1979, S.94). Damit ist alles über die Topographie im bisher gültigen Lehrplan gesagt! Der naheliegende Kurz-Schluß, daß bisher Länderkunde unterrichtet werden mußte, und schulische Länderkunde schließlich identisch mit Topographie sei, ist schlicht falsch. Schulische Länderkunde muß sich zwar der Topographie bedienen, sie ist ihr aber nicht gleichzusetzen2 (vgl. auch FUCHS 1985,8.2). Der neue Lehrplan (siehe Lehrplan 1985, S. 148-157 und Entwurf 1985) hingegen fordert achtmal (!) Topographie: beim Lehrstoff der vier Klassen insgesamt fünfmal, in den didaktischen Grundsätzen nicht einmal, sondern dreimal! Ein unbefangener Leser müßte demnach vermuten, daß der neue Lehrplan eine "Topographie-Inflation" mit sich bringt und würde der stattgefundenen Topographie- Diskussion verständnislos gegenüberstehen. Hinter dieser Tatsache steht jedoch klarerweise etwas anderes. Im alten Lehrplan verstanden viele Lehrer - aus welchen Gründen immer - den schulischen Länderkunde-Auftrag vor allem als 1 Einige Lehrer beklagten schon vor der Einführung des neuen Lehrplans die mangelhaften Topo- graphie-Kenntnisse der Schüler - obwohl diese ja noch nach dem alten Lehrplan unterrichtet wurden! Vgl. dazu SCHOLL (1977, S.343): "In allen Klassen, die ich kennenlernte, fielen mir die äußerst mangelhaften Kenntnisse der Schüler in der Topographie auf. Ich beschloß, dieser bestürzenden Tatsache nachzugehen". 2 Noch am 26. Juni 1979 kritisierten zwei Begutachterinnen der Approbationskommission I/4g an einem eingereichten Manuskript für ein GW-Schulbuch, daß darin "die Länderkunde, beson- ders aber die Topographie, als schon bekannt vorausgesetzt wird" - sie setzten also Topographie mit Länderkunde gleich bzw. wiesen der Topographie eine geographische Grundwissenfunktion zu. (Entwurf des Gutachtens im Besitz des Verfassers). 2. Was ist überhaupt Topographie? Vielleicht erscheint manchen die hier gestellte Frage unnötig. Ein Blick in die Literatur zeigt allerdings, daß über Topographie bisher mitunter ohne ausreichende Basis gesprochen wurde. Daß größte deutschsprachige geographische Lexikon definiert etwa Topographie nur in einem Klam- merausdruck als "Ortsbeschreibung, -darstellung", ordnet Topographie aber einem Teilgebiet der Landesvermessung zu (TIETZE 1983, S.634). Auch ein für Schüler konzipiertes Geographielexikon schreibt zum Stichwort Topographie nur: "Die T. ist ein Teilgebiet der Geodäsie" und erläutert sodann deren Aufgabe (HANLE 1978, S.334-335). Eines der neuesten geographischen Wörterbücher verzeichnet den Begriff Topographie überhaupt nicht mehr (LESER 1984, 2, S.298)! Nur in einem Werk findet sich beim Stichwort Topographie als eine von drei möglichen Erklärungen: "zusam- menfassende Bz. (= Bezeichnung; Verf.) für alle topographischen Objekte (Berge, Flüsse usw.)." (HERDER 1972, S.215). Neuere fachdidaktische Werke sprechen deshalb auch nicht mehr bloß von Topographie, sondern von "Ordnungsrastern" (HAUBRICH 1977, S.140) oder von "Orientierungswissen/Topographie" (JANDER u.a. 1982, S.247). In Österreich hat man sich offensichtlich darauf geeinigt, daß unter Topographie "Kenntnisse von Lagebeziehungen geographischer Örtlichkeiten" (SITTE 1985a, S.4) zu verstehen seien. Ein derartiger Begriffswechsel ist mehr als nur die Ablehnung eines durch die schulische Länderkunde mit ihrem Wo-ist-was?-Frageschema etwas in Mißkredit geratenen Begriffs. 3. Topographie in der schulischen Länderkunde Trotz der gerade aufgezeigten Probleme bei der Definition eines für den Unterricht in "Geographie und Wirtschaftskunde" tragfähigen Topographiebegriffs wurde bisher oft eifrig Topographie "be- trieben" . Manche beriefen sich darauf, daß auf diese Art ein geographisches Weltbild entstehen sollte. Es entstand aber leider oft nur ein topographisches Weltbild, "ein Bescheidwissen darüber, wo sich was auf der Erdoberfläche befindet, eine Art topographischen Verfügungswissens" (FUCHS 1977, S.7). Ein derartiges Unterrichtsziel hatte sich von der Geographie schon weit entfernt. Die Folgen aus dieser Einstellung sind aber bis heute öffentlichkeitswirksam. "In den Augen des Durch- schnittsbürgers gehört zu den geographischen Qualifikationen noch immer ein gewisses Maß an 3 Im Entwurf vom 21. Februar 1984 fehlt die Topographie-Forderung für die 3. und 4. Klassen. Im Entwurf vom 21. März 1984, also nach dem Vorbegutachtungsverfahren, wird bei den "ge- wichtigen Veränderungen" am ausführlichsten die "Sicherung des topographischen Grundgerüstes" dargestellt. Auch in den didaktischen Grundsätzen zeigt sich zwischen Endentwurf und endgültigem Lehrplantext eine bemerkenswerte Änderung: aus der "Sicherstellung des topographischen Rasters" wurde die "Sicherstellung topographischer Grundkenntnisse" (Lehrplan 1985, S.156 bzw. Lehrplan- entwurf 1984, S.487). 170 171

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Der Stellenwert der Topographie im neuen "Geographie undWirtschaftskunde"-Lehrplan für die Zehn- bis Vierzehnjährigen

Harald HITZ

Topographie-Auftrag; die fehlende Lehrplanlegitimation in dieser Richtung hin schien nur wenigenaufgefallen zu sein. Die vermeintlich im neuen Lehrplan fehlende Topographie stellte somit eineneinfachen Angriffspunkt gegen den neuen Lehrplan dar. Zur Beruhigung dieser Kritiker beinhal-tet der neue Lehrplan eben eine achtmalige Topographie-Forderung.3 Nur: Topographie im neuenLehrplan ist nicht dieselbe Topographie, wie sie vielleicht nach dem alten Lehrplan betrieben wurde.

Bei den Diskussionen vor der Einführung des neuen "Geographie und Wirtschaftskunde"-Lehrplansfür die Hauptschule "und die Unterstufe der allgemeinbildenden höheren Schule betraf zumindestein Kritikpunkt immer den Themenkreis "Topographie". Viele Lehrerinnen und Lehrer äußertenoffen ihre Sorge, daß der neue Lehrplan die Bedeutung der Topographie zurückdrängen oder sogareliminieren würde. Sie betonten dadurch auch die ihrer Meinung nach überragende Bedeutung derTopographie im Unterricht.1

1. Ist zuviel Topographie im neuen Lehrplan für "Geographie undWirtschaftskunde"

Die Angst vor einem Topographiedefizit im Unterricht müßte rein quantitativ durch einen Vergleichdes bisher gültigen mit dem neuen Lehrplan bestätigt werden. Erstaunlicherweise findet sich aberim alten Lehrplan für "Geographie und Wirtschaftskunde" (GW) ein einziges Mal der BegriffTopographie. In den didaktischen Grundsätzen heißt es lakonisch: "Kenntnis der wichtigstentopographischen ... Begriffe ..." (Lehrpläne 1979, S.94). Damit ist alles über die Topographie imbisher gültigen Lehrplan gesagt!

Der naheliegende Kurz-Schluß, daß bisher Länderkunde unterrichtet werden mußte, und schulischeLänderkunde schließlich identisch mit Topographie sei, ist schlicht falsch. Schulische Länderkundemuß sich zwar der Topographie bedienen, sie ist ihr aber nicht gleichzusetzen2 (vgl. auch FUCHS1985,8.2).

Der neue Lehrplan (siehe Lehrplan 1985, S. 148-157 und Entwurf 1985) hingegen fordert achtmal (!)Topographie: beim Lehrstoff der vier Klassen insgesamt fünfmal, in den didaktischen Grundsätzennicht einmal, sondern dreimal! Ein unbefangener Leser müßte demnach vermuten, daß der neueLehrplan eine "Topographie-Inflation" mit sich bringt und würde der stattgefundenen Topographie-Diskussion verständnislos gegenüberstehen.

Hinter dieser Tatsache steht jedoch klarerweise etwas anderes. Im alten Lehrplan verstandenviele Lehrer - aus welchen Gründen immer - den schulischen Länderkunde-Auftrag vor allem als

1 Einige Lehrer beklagten schon vor der Einführung des neuen Lehrplans die mangelhaften Topo-graphie-Kenntnisse der Schüler - obwohl diese ja noch nach dem alten Lehrplan unterrichtet wurden!Vgl. dazu SCHOLL (1977, S.343): "In allen Klassen, die ich kennenlernte, fielen mir die äußerstmangelhaften Kenntnisse der Schüler in der Topographie auf. Ich beschloß, dieser bestürzendenTatsache nachzugehen".

2 Noch am 26. Juni 1979 kritisierten zwei Begutachterinnen der Approbationskommission I/4gan einem eingereichten Manuskript für ein GW-Schulbuch, daß darin "die Länderkunde, beson-ders aber die Topographie, als schon bekannt vorausgesetzt wird" - sie setzten also Topographiemit Länderkunde gleich bzw. wiesen der Topographie eine geographische Grundwissenfunktion zu.(Entwurf des Gutachtens im Besitz des Verfassers).

2. Was ist überhaupt Topographie?

Vielleicht erscheint manchen die hier gestellte Frage unnötig. Ein Blick in die Literatur zeigtallerdings, daß über Topographie bisher mitunter ohne ausreichende Basis gesprochen wurde.

Daß größte deutschsprachige geographische Lexikon definiert etwa Topographie nur in einem Klam-merausdruck als "Ortsbeschreibung, -darstellung", ordnet Topographie aber einem Teilgebiet derLandesvermessung zu (TIETZE 1983, S.634). Auch ein für Schüler konzipiertes Geographielexikonschreibt zum Stichwort Topographie nur: "Die T. ist ein Teilgebiet der Geodäsie" und erläutertsodann deren Aufgabe (HANLE 1978, S.334-335). Eines der neuesten geographischen Wörterbücherverzeichnet den Begriff Topographie überhaupt nicht mehr (LESER 1984, 2, S.298)! Nur in einemWerk findet sich beim Stichwort Topographie als eine von drei möglichen Erklärungen: "zusam-menfassende Bz. (= Bezeichnung; Verf.) für alle topographischen Objekte (Berge, Flüsse usw.)."(HERDER 1972, S.215).

Neuere fachdidaktische Werke sprechen deshalb auch nicht mehr bloß von Topographie, sondernvon "Ordnungsrastern" (HAUBRICH 1977, S.140) oder von "Orientierungswissen/Topographie"(JANDER u.a. 1982, S.247). In Österreich hat man sich offensichtlich darauf geeinigt, daß unterTopographie "Kenntnisse von Lagebeziehungen geographischer Örtlichkeiten" (SITTE 1985a, S.4)zu verstehen seien. Ein derartiger Begriffswechsel ist mehr als nur die Ablehnung eines durch dieschulische Länderkunde mit ihrem Wo-ist-was?-Frageschema etwas in Mißkredit geratenen Begriffs.

3. Topographie in der schulischen Länderkunde

Trotz der gerade aufgezeigten Probleme bei der Definition eines für den Unterricht in "Geographieund Wirtschaftskunde" tragfähigen Topographiebegriffs wurde bisher oft eifrig Topographie "be-trieben" . Manche beriefen sich darauf, daß auf diese Art ein geographisches Weltbild entstehensollte. Es entstand aber leider oft nur ein topographisches Weltbild, "ein Bescheidwissen darüber,wo sich was auf der Erdoberfläche befindet, eine Art topographischen Verfügungswissens" (FUCHS1977, S.7). Ein derartiges Unterrichtsziel hatte sich von der Geographie schon weit entfernt. DieFolgen aus dieser Einstellung sind aber bis heute öffentlichkeitswirksam. "In den Augen des Durch-schnittsbürgers gehört zu den geographischen Qualifikationen noch immer ein gewisses Maß an

3 Im Entwurf vom 21. Februar 1984 fehlt die Topographie-Forderung für die 3. und 4. Klassen.Im Entwurf vom 21. März 1984, also nach dem Vorbegutachtungsverfahren, wird bei den "ge-wichtigen Veränderungen" am ausführlichsten die "Sicherung des topographischen Grundgerüstes"dargestellt. Auch in den didaktischen Grundsätzen zeigt sich zwischen Endentwurf und endgültigemLehrplantext eine bemerkenswerte Änderung: aus der "Sicherstellung des topographischen Rasters"wurde die "Sicherstellung topographischer Grundkenntnisse" (Lehrplan 1985, S.156 bzw. Lehrplan-entwurf 1984, S.487).

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topographischem Wissen" (ARNBERGER 1982, S.40) - dieser Satz gibt präzise die Erwartungvieler Erwachsener vom Unterricht in unserem Fach wieder.4

Welchem "Geographie und Wirtschaftskunde"-Lehrer ist es auch noch nicht passiert, daß er bei auf-tauchenden Fragen nach der "Lage" eines Ortes als vermeintlicher Fachmann herangezogen wurde?Diese Erwartung kommt nicht von ungefähr: topographische Lokalisierung, also eine eher simplePositionsbestimmung, wurde mit geographischer Lage gleichgesetzt - der geographische Lagebegriffwurde dadurch entscheidend verkürzt und damit verzerrt. Eine derartige Funktion von Positions-Topographie ist aber praktisch allen Unterrichtsgegenständen immanent: dem Deutschunterricht,wenn Schillers Geburtsort gesucht wird, dem Englischunterricht, wenn wieder einmal Stratford onAvon genannt wird, dem Geschichtsunterricht, falls die Thermopylen erwähnt werden sollten usw.Topographie im Sinne einer einfachen Lokalisierung von Orten muß also jeder Unterrichtsgegen-stand betreiben! Aber was bringt das Wissen um die "Lage" von Marbach (in Württemberg) demG W-Unterricht?

Topographie wurde eben direkt aus dem Griechischen als "Ortsbeschreibung" übersetzt, "als zusam-menfassende Bezeichnung für die mit Eigennamen versehenen und lokalisierbaren geographischenObjekte" (FUCHS 1977,5.8). Auf all diesen Topographie-Anschauungen basierend, konnte FUCHS(1985,.S.2f) vier "traditionelle Mißverständnisse über Topographie" aufzeigen:

• Topographie = Länderkunde, weil die Topographie wegen der Schwierigkeit einer echten länder-kundlichen Befassung, der höchstrangigen Synthese überhaupt (vgl. BOBEK 1957, S. 143), inden Vordergrund gerückt wurde;

• Topographie = geographische Lage, weil dabei oft das bloße Zeigen eines geographischen Ortesauf einer Karte schon als Unterrichtsziel genügte und die erklärende geographische Ursachevernachlässigt wurde;

• Topographie = Vokabeln der Geographie, wodurch ein "Basiswissen" entstehe, obwohl im Ge-gensatz zu fremdsprachigen Vokabeln, die sich an in der Muttersprache bekannten Wörternorientieren, fast alle zu lernenden Orte neu sein können;

• Topographie = Vermittlung von Raumdarstellungen, das heißt, aus dem Umgang mit einertopographischen Karte sollten anschauliche räumliche Vorstellungen erwachsen, was aber dieMöglichkeiten der Topographie überfordert.

Manche Lehrer hatten vergessen - oder wurden selbst nie darin unterrichtet -, was schon 1919festgestellt worden war: "... nur darf man nicht glauben, daß in der Aneignung topographischerTatsachen das eigentliche Ziel des Geographieunterrichts liege." (PENCK, zit. nach KIRCHBERG1980, S.322).

4. Topographie im lernzielorientiertenUnterricht

'Geographie und Wirtschaftskimde"-

Eine länderkundlich verstandene Topographie muß bei einem lernzielorientierten Lehrplan im Un-terricht versagen - diese Befürchtung vieler Lehrer ist richtig. Aber Topographie kann jetzt "einen

4 Hinter dieser Einstellung steckt sicher auch ein gewisser "Selbsterhaltungstrieb" von Eltern:mit ihren Topographie-Kenntnissen, auf die sie hintrainiert worden waren, konnten sie im GW-Unterricht bis jetzt noch Wissen aus der eigenen Schulzeit an ihre Kinder weitergeben.

neuen Stellenwert, der ebenfalls lernzielbezogen zu ermitteln ist" (RICHTER 1977, S.42), erhal-ten. Der neue Lehrplan mit seiner Lernzielorientierung eliminiert also nicht die Topographie! Zwei

Zitate mögen dieses Faktum belegen:5

- "Es ist unbestritten, daß auch der lernzielorientierte Geographieunterricht topographische Grund-vorstellungen und Kenntnisse vermitteln muß" (KIRCHBERG 1977, S.26).

- "Es gibt keine geographische Bildung ohne Topographiekenntnisse. Allerdings ist topographi-sches Wissen ohne Verknüpfung mit Inhalten sinnentleert" (SITTE 1984, S.7; auch 1985b, S.10).

Die neue lernzielkonforme Bedeutung von Topographie läßt sich am einfachsten mit "Orientierung"(KIRCHBERG 1977, S.27) umschreiben. Topographie findet somit "ihren neuen Platz im Rahmeneines übergeordneten Lernzielbereichs "Sich orientieren können" (FUCHS 1985, S.4).

Mit KIRCHBERG (1980, S.323f) können zum Richtlernziel "Fähigkeit zur Orientierung auf der

Erde" drei Lernfelder unterschieden werden:

1) Affirmativer Bereich = topographisches Orientierungswissen:So wie ein Volksschüler mit dem Lernen einzelner Buchstaben beginnt, diese von Beginn anaber zu Wörtern zusammenfügt, muß ein grobtopographischer Begriffskanon am Beginn desUnterrichts in "Geographie und Wirtschaftskunde" stehen, um darauf aufbauen zu können.Für den Anfang genügt die Kenntnis von Kontinenten und Meeren - damit ist ein grobtopogra-phischer Überblick über die Erde möglich. Es werden später Großlandschaften folgen (Beispiele:Sahara, Amazonastiefland, Große Ebenen, Alpen usw.), dann eventuell auch einzelne Staatenoder Staatengruppen (Beispiele: Kanada, Indonesien, Golfstaaten usw.). Ein derartiges topo-graphisches Grundgerüst kann mit jedem Schuljahr erweitert werden: für Europa oder gar fürOsterreich natürlich viel stärker als für andere Kontinente - das "topographische Netz" wirdimmer engmaschiger geknüpft.

2) Kognitiver Bereich = räumliche OrdnungsvorsteWungen (Orientierungsraster und Ordnungssy-

stemej:Gemäß der Forderung, daß topographisches Wissen mit Inhalten verknüpft werden soll, müssendie Schüler ihr topographisches Orientierungswissen in bestimmte Zusammenhänge einordnenkönnen. So ist es möglich, die Erde nach verschiedenen Merkmalen zonal zu gliedern: nachTemperatur- oder Klimazonen, nach Gunst- und Ungunsträumen, nach der Bevölkerungsdichteund ähnlichem. Die Lage oder Lagebeziehungen im Raum müssen durch inhaltlich-thematische

Beziehungen ergänzt werden.

Ein einfaches Beispiel: Der Schüler soll zum Ort Bratsk nicht bloß automatisch Angara-Stauseeoder Holzindustrie kombinieren, sondern diese Stadt aufsteigend einordnen: Asien, kalte Zone,Schneewaldklima (= Borealklima), nördlicher Nadelwaldgürtel (= Taiga), Sowjetunion, Sibirien,dünne Besiedlung, Verbindungslinie Transib - BAM. Diese große Fülle an räumlichen Ordnungs-vorstellungen bedeutet aber auch gleichzeitig, daß Topographiekenntnisse aufbauend vermitteltwerden müssen und nicht in einem Schuljahr oder sogar an einem Einzelthema umfassend "er-

ledigt" werden dürfen.6

5 Es sei nicht verschwiegen, daß in der Geographiedidaktik nicht überall eine derartige Zustim-mung zur Topographie im Unterricht besteht. So schreiben DAUM/SCHMIDT-WULFFEN (1980,S.189): Es "muß die weitverbreitete Forderung abgewiesen werden, Topographie sei wesentliche

Aufgabe des Erdkundeunterrichts...."!6 Dies war eine der Schwächen des bisherigen Lehrplans: Kanada zum Beispiel kam einmal kurz in

der 3. Klasse vor und dann nicht mehr. Topographisch sinnvoller Aufbau war damit nicht möglich.

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3) Instrumenteller Bereich = topographische Fähigkeiten und Fertigkeiten (Orientierung als selb-ständiges Handeln):Es ist Utopie, im topographischen Lernen Vollständigkeit anstreben zu wollen. Die Menge dergeographischen Orte ist zu groß,7 es müssen topographische Lücken entstehen. Die Schülermüssen im GW-Unterricht deshalb befähigt werden, selbständig topographisches Wissen zu er-werben. Der Umgang mit dem Atlas und die gezielte Auswertung von Landkarten sind Arbeits-techniken, die jeder Schüler erwerben muß. Schließlich finden Autoatlanten und - im Zeichendes "sanften Tourismus" - Wanderkarten immer weitere Verbreitung, und die "Mini-ZiB" imKinderfernsehen zeigt Berichte aus verschiedenen Regionen der Erde. Wir müssen Schüler dazubringen: nicht, daß sie wie ein Lexikon oder ein Computer auf jeden hingeworfenen topogra-phischen Brocken sofort irgendeine "Lage" anzugeben wissen, sondern daß sie wissen, wo siefinden, was sie noch nicht wissen!

Diese drei Lernfelder sind selbstverständlich voneinander wechselweise abhängig, sodaß die topo-graphischen Kenntnisse dadurch gegenseitig verstärkt werden. Darum geht es, wenn in den didak-tischen Grundsätzen des neuen Lehrplans von topographischem Grundgerüst und Raster oder vonVerdichtung des topographischen Rasters die Rede ist..

Ein Orientierungsraster zerlegt dabei den geographischen Raum nach eher einfachen Merkmalen,wobei ein Kriterium im Mittelpunkt der Betrachtung steht. Temperatur- oder Niederschlagszo-nen der Erde zählen hier dazu, die Verbreitung des tropischen Regenwaldes oder der Wüsten, dieLage des Südfrüchteanbaus oder der Eisenerzlager auf der Erde. Diese Raster "entlassen die To-pographie aus ihrer Rolle als Selbstzweck" (KREUZER 1980, S.229), sie ermöglichen geographischeOrientierung. Die Orientierungsraster bilden die Grundlage für die nachfolgende Erarbeitung vonOrdnungssystemen. Klimazonen, Vegetationszonen, Wirtschaftsräume der Erde wären Beispieledafür. Solche Ordnungssysteme sind stärker auf kausale Zusammenhänge, auf Synthese ausgerich-tet. Die Summe der Merkmale soll dabei systematisch erfaßt und geordnet werden.

- 5. "Topographie" im neuen Lehrplan für "Geographie und Wirtschaftskunde"

Das Richtlernziel "Fähigkeit zur Orientierung", das im neuen Lehrplan meist verkürzt mit demBegriff Topographie umschrieben wird, ist in der Bildungs- und Lehraufgabe exakt beschrieben:"Geographisch-wirtschaftliche Orientierungs- und Bezugssysteme aufbauen, um erworbene Kennt-nisse und Informationen einordnen zu können" (Lehrplan 1985, S.148). Das nachfolgende Richt-lernziel zur Handhabung geographisch-wirtschaftskundlicher Arbeitsmittel und Arbeitstechnikenschließt unaufhebbar an das vorher zitierte an.

Damit folgen die Intentionen des neuen Lehrplans zu diesem Lernzielbereich der vorher kurz auf-gezeigten Theorie. Die Lektüre der Aufsätze von KIRCHBERG (1977; 1980; 1984), auf den sichder neue Lehrplan ausdrücklich beruft (vgl. ANTONI 1985), und der Arbeit von FUCHS (1985)wäre zum tieferen Verständnis und vor allem auch zu Fragen der Methodik der Topographie fastunerläßlich. Viele Mißverständnisse zur Rolle der Topographie im neuen Lehrplan für "Geographieund Wirtschaftskunde" dürften auch daher rühren, daß gerade der Themenbereich "Orientierung"in den Diskussionen der vergangenen Jahre8 eher ein Randdasein fristete - oder auch einfach von

7 So hat sich in Afrika seit 1959 allein die Zahl der selbständigen Staaten versechsfacht - abgesehenvon allen anderen Änderungen.

8 Häufiger Kritikpunkt beim Schul versuch "Geographie und Wirtschaftskunde" in der 5. Schul-stufe war "die zu geringe Berücksichtigung von ... Topographie" (PETRI 1981, S.67).

der Mehrheit der Lehrer verdrängt wurde (vgl. dazu SITTE 1984, S.7f). Denn immerhin schriebWolfgang SITTE (1975, S.39) schon vor zehn Jahren, daß im GW-Unterricht "von Anfang an meh-rere Orientierungsraster planmäßig aufgebaut" werden müssen. Und genau das geschieht im neuen

Lehrplan.Ich möchte nun den neuen Lehrplan auf das Richtlernziel "Orientierung" untersuchen und einzelneLernziele und Lerninhalte den drei vorher beschriebenen Lernfeldern zuordnen.9

AFFIRMATIVER BEREICH = TOPOGRAPHISCHES ORIENTIERUNGSWISSEN:

Klasse Lernziele Lerninhalte

a) Grundlegender Überblick überKontinente und Ozeane

b) Die wichtigsten Naturkatastrophen-gebiete der Erde lokalisieren

topographisches Grundgerüst(Weltmeere, Kontinente, EuropaOsterreich, Bundesland)Vulkan-, Erdbeben-, Wirbel-sturmkatastrophengebiete usw.

2. a) Über die Streuung von Ballungsräumenauf der Erde Bescheid wissen

b) Sich über die Verteilung vonGunst- und Ungunsträumen aufder Erde orientieren

c) Aufbau des Wissens um eine grobeGliederung der Erde nach politischenund naturräumlichen Gesichtspunkten

Großstädte, Ballungsräume

Landschaftszonen (Reliefzonen,Klima-, Vegetationszonen)

- Industrieländer, Entwicklungs-länder auf Kontinentbasis

3. a) Anhand von Karten ... die Eigenartausgewählter Landschaften erfassen

b) Erfassen räumlicher ... Erscheinungen,Zusammenhänge und Probleme aneinem kleinräumigen Beispiel

Großlandschaften Österreichs

Region (Naturraum, Regio-nalpolitik, Raumplanung)

a) Die geographische VielfaltEuropas ... erkennen'

b) Räumliche Informationen über aus-gewählte aufstrebende Staaten sammeln

Landschaften Europas

Großmächte der Erde

9 Um ein Gewirr von Fußnoten zu vermeiden, verzichte ich bei den Lernfeldern auf einzelneZitate. Ich stütze mich bei der Einteilung, bei den Lernzielen und -Inhalten neben eigenen For-mulierungen auf: Lehrplan (1985), Entwurf (1985), KIRCHBERG (1977), BÖCKLE/HITZ (1985),HITZ/KUTSCHNIGG/LIDAUER (1985).

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KOGNITIVER BEREICH = ORIENTIERUNGSRASTER UND ORDNUNGSSYSTEME:

Klasse Lernziele Lerninhalte

a) Kenntnis der kugelähn-lichen Gestalt der Erde

b) Einsicht in unterschiedlichbeschaffene Naturräume

c) Einsicht in unterschiedlicheTemperaturzonen

d) Verschiedene Agrarräume in ihrerVerbreitung lokalisieren

e) Einzelne Rohstoffräume in ihrerVerbreitung lokalisieren

Erdachse, Pole, Äquator,Erdkrümmung, Horizont

Tropen, Trockenräume; Küsten Ge-birgsräume (Regenwald, Savanne;Steppe, Wüste; Hochgebirge,Mittelgebirge)

heiße, gemäßigte, kalte Zone; Mittel-meerklima, Borealklimä, Regenwald-klima

Bewässerungsgebiete; Räume mitWanderfeldbau, großflächigem Acker-bau und großflächig betriebenerViehwirtschaft

Gebiete mit Eisenerzlagern, Kohle-vorkommen (oder Erdöl-/Erdgas-lagerstätten), Holzreichtum;Regenwaldgebiete, Nadelwaldgürtel

a) Sich mittels des Gradnetzesauf der Erde orientieren

b) Sich über die ungleichmäßigeVerteilung der Bevölkerungauf der Erde orientieren

c) Überblick über die horizontaleGroßgliederung der Erde

d) Die Lage der Klima- und Vegetations-zonen auf der Erde angeben

e) Die Verteilung der Gunst- und Un-gunsträume auf der Erde angeben

f) Kenntnis von nicht naturräumlichbedingten Gliederungskriterien

g) Erkenntnisse über die Bedeutungverschiedener Verkehrseinrichtungen

Breitenkreis, Meridian, Wende- undPolarkreis, geographische Längeund Breite; Zeitzonen

dicht und dünn besiedelte Regionen(Landschaften, Erdteile)

ReliefFormen

Klimazonen, Vegetationszonen;Trocken-, Feucht-, Höhen-, Polargrenze

Gunst- und Ungunsträume

Staaten; Armut/Reichtum; Industrie-länder - Entwicklungsländer,Überflußgebiete und Mangelgebiete

Verkehrslage; verkehrsgünstige Räume;Gebiete mit Verkehrshindernissen

3. a) Unterschiedlich besiedelteRäume aus den Ursachen undFolgen heraus aufzeigen

b) Erkennen, daß Räume unter-schiedlich gut erreichbar sind

c) Erfassen, daß Landwirtschaft,

Dicht und dünn besiedelteRäume; Zentralräume; länd-licher/städtischer Raum

Verkehrsnetz, Verkehrsknoten

Agrar-, Industrie-,

Industrie und FremdenverkehrRäume unterschiedlich prägen

Fremdenverkehrsräume

a) Kenntnis der kulturgeographischenGliederung der Erde

b) Kenntnis der staatlich- politischenGliederung der Erde

c) Erfassen der Verteilung verschiedenentwickelter Gebiete der Erde

Europa, USA, UdSSR;Dritte WeltStaaten, wirtschaftliche undpolitische Zusammenschlüsse

Nord-Süd-Konflikt

INSTRUMENTELLER BEREICH = TOPOGRAPHISCHE FÄHIGKEITEN UND FERTIGKEITEN:

Klasse

2.

Lernziele

a) Erwerben grundlegender Informationenüber die Erde mit Globus,Karten und Atlas

b) Durch Vergleich von Globus und Welt-karte erkennen, daß eine Kugelnicht ohne Verzerrung auf einerEbene abgebildet werden kann

c) Sich auf Landkarten orientieren bzw.Erkennen, daß Karten mitunterschiedlichen Maßstäbenunterschiedliche Informationenenthalten

d) Mit dem ArbeitsmittelAtlas umgehen lernen

Lerninhalte

Karten (Erdkarte, Europa-karte, Osterreichkarte)

Verzerrung

Maßstab, Maßstabszahl, Maßstabs-leiste, Luftlinie, tatsächliche Ent-fernung, absolute/relative Höhe,Höhendarstellung, Farbenbedeutung,Kartenzeichen, Legende, Kartenschrift

Inhaltsverzeichnis, Namen-verzeichnis, Suchgitter

a) Erweiterung der grundlegendenInformationen über die Erde

b) Den Zusammenhang von Luftbildund Karte erfassen

c) Karteninhalte wahrnehmen undumsetzen

d) Landkartenarten von-einander unterscheiden

Karten (Erd-, Europa-,Osterreichkarte)

Luftbild, Landkarte;GeneralisierungStadtplan, Straßenkarte, Wanderkarte

topographische und thematischeKarten

3. a) Anhand von Karten, kartenähnlichenDarstellungen und Luftbildern dieEigenart ausgewählter Landschaftenerfassen

b) Sich mit großmaßstäbigen Kartenim Raum zurechtfinden

c) Eine Reise planen

Panoramakarte, Schräg- undund Senkrechtluftbild, Satellitenbild

Karten 1:50 000 u.a.; Orientierungs-übungen mit Karte und Kompaß

Straßenkarten

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4. a) Geographische Arbeitsmittel selb-ständig zur Orientierung benützen

b) Räumliche ... Informationen überausgewählte aufstrebende Staatensammeln und auswerten

Bilder, Karten zur geographischenVielfalt Europas

Raumerschließung

Es zeigt sich, daß der neue Lehrplan für "Geographie und Wirtschaftskunde" voll der Theorieentspricht und alle drei Lernfelder überreich'abdeckt. Vor allem die Orientierungsraster und Ord-nungssysteme spielen im Lehrplan eine bedeutende Rolle, aber auch der affirmative und besondersder instrumentelle Bereich weisen der geographischen Topographie anspruchsvolle Aufgaben zu.

Erfreulicherweise vermieden es die Lehrplanautoren, einen "Topographiekatalog" aufzustellen. DieTeil- bzw. Feinlernziele liegen ja in der vollen Verantwortung des Lehrers - eine genaue Vorschrei-bung von topographischen Begriffen würde nur eine Gängelung bedeuten und vor allem die unter-schiedliche Lernfähigkeit der Schüler in verschiedenen Schularten und Klassen vernachlässigen.10

Den "Grundkanon" des topographischen Grundgerüsts verantwortungsvoll und lehrplankonformfestzulegen, muß Aufgabe der Lehrer bleiben.11

Wenn im Unterricht den Vorstellungen des Lehrplans entsprochen wird, wird sich die Frage nachden "wichtigen" Begriffen von selbst beantworten. Wenn nicht darauf vergessen wird, daß jedesEinzelbeispiel (sei es ein Fischer auf den Lofoten oder den Philippinen, seien es die Großstädte Sin-gapur oder Houston usw.), also die "Feintopographie", in die Orientierungsraster und später in dieOrdnungssysteme eingereiht wird, müßte eine ganz neue Qualität von geographischer Topographieerreicht werden. Der bösartige Vorwurf einer "Tupfengeographie", eines "Umherspringens auf demGlobus", ist für den neuen Lehrplan nicht gerechtfertigt, wenn dessen Ziele für die Topographie -die Verbindung von Feintopographie und topographischen Rastern als "erinnerbaren Bezugssyste-men" (FUCHS 1985, S.5) - ernst genommen werden. Dann könnte bei unseren Schülern "die Weltim Kopf" (DOWNS/STEA 1982, S.138) entstehen, ein Fernziel, das der neue Lehrplan in seinemhohen geographischen Topographieanspruch offensichtlich anstrebt.

6. Ist genug Topographie im neuen Lehrplan?

Die Betrachtung des neuen Lehrplans auf seinen Topographiegehalt bringt für mich als Antwortauf die beiden an der Spitze der Kapitel l und 6 stehenden Fragen: Die Topographie besitzt imneuen Lehrplan für "Geographie und Wirtschaftskunde" einen äußerst hohen Stellenwert, der viel-leicht gar nicht völlig einzulösen sein wird. Die drei Topographie-Lernbereiche beinhalten eine sehr

10 Man vergleiche die Topographielisten bei RICHTER (1980) und BARTH (1981), die die Feststel-lung von JANDER u.a. (1982, S.249) "Objektive, allgemeinverbindliche Normen für Art und Maßnotwendigen Orientierungswissens gibt es nicht" untermauern.11 Vgl. dazu: Bundesministerium für Unterricht und Kunst (1985), wo als Grundgerüst vorge-schlagen wird: Äquator, Nord- und Südpol, die sieben Kontinente und der Begriff Arktis, die dreiOzeane, die Staaten UdSSR, USA, China (VR), Japan, Brasilien, Indien sowie die LandschaftenAlpen, Sahara, Sahelzone, Amazonasgebiet und Kongogebiet. Man vergleiche dazu die Feststellungin Fußnote 10 - man kann die Liste als zu kurz betrachten oder auch andere Landschaften undStaaten für wichtiger halten. Diese Probleme und Fragen der Methodik sind aber nicht Ziel dervorliegenden Zeilen.

große Menge an Lerninhalten, die unbedingt der Lernziele als Filter bedürfen. Durch die günstigeAnordnung der räumlichen Beispiele kann geographische Topographie durch vier Jahre hindurchaufbauend betrieben werden, was den Lerneffekt stark steigern müßte. Die Lehrplanforderungnach "zusätzlichen topographischen Übungen" (Lehrplan 1985, S.156) ermöglicht sogar ein inten-sives Wiederholen und Festigen. Erste Kommentare zu den Schulbüchern weisen auf den darinangesprochenen Gehalt hin (vgl. HITZ 1985, S.164).

Mir erscheinen Diskussionen über ein "Topographiedefizit" im neuen Lehrplan derzeit unnütz - dieTopographie ist darin zu einer echten geographischen Topographie geworden.

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UNTERRICHTNr23 1986

"Geographie und Wirtschaftskunde"-

Unterricht in Österreich

Mitte der achtziger Jahre

WOLFGANG SITTEzum 60. Geburtstag

zusammengestellt und redigiert vonHelmut WOHLSCHLÄGL und Christian SITTE

180

Eine Zeitschrift für Lehrer, dieGeographie und Wirtschafts-kunde unterrichten.

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