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Proseminar „Der Deutsche Bauernkrieg 1524 – 1526“ Dozent: Dr.Frank Göse Wintersemester 2006/2007 Universität Potsdam Historisches Institut Der Weingartener Vertrag – Eine verpasste Chance ? Christian Bartlau 3.Semester Politikwissenschaft/Geschichte Strausberger Platz 15 10243 Berlin Tel. 030/29350619 E-Mail: [email protected]

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Proseminar „Der Deutsche Bauernkrieg 1524 – 1526“

Dozent: Dr.Frank Göse

Wintersemester 2006/2007

Universität Potsdam

Historisches Institut

Der Weingartener Vertrag – Eine verpasste Chance ?

Christian Bartlau

3.Semester Politikwissenschaft/Geschichte

Strausberger Platz 15

10243 Berlin

Tel. 030/29350619

E-Mail: [email protected]

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Erklärung

Hiermit erkläre ich, die vorliegende Arbeit nur mithilfe der angegebenen Literatur und Hilfsmittel angefertigt zu haben.

Christian Bartlau Berlin, den 26.04.2007

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung 3 - 4

2. Eine Einordnung des Weingartener Vertrages in den Verlauf des Bauernkrieges

2.1. Die militärische Entwicklung in Oberschwaben bis zum Aufeinandertreffen der

Bundestruppen und der Bauern bei Weingarten 5 - 8

2.2. Die ausgebliebene Schlacht von Weingarten 8 - 10

3. Der Weingartener Vertrag und seine Folgen

3.1. Der Inhalt des Weingartener Vertrages 10 - 11

3.2. Die Auswirkungen des Vertrages 11 - 13

4. Bewertungen des Weingartener Vertrages

4.1. Zeitgenössische Bewertungen 13 - 15

4.2. Historische Bewertungen 15 - 17

5. Schlussbetrachtung 17 – 18

Literaturverzeichnis 18 - 20

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1.Einleitung

Am 16.April 1525 stand Georg Truchseß von Waldburg1, der Feldhauptmann des

Schwäbischen Bundes, mit 7.000 Mann und 1.500 Reitern vor Weingarten. Ihm

gegenüber stand eine Überzahl von etwa 12.000 Bauern, unter denen er 4.000

Büchsenschützen ausgemacht haben wollte. Die von den Berichterstattern des Bundes für

Ostern prophezeite Entscheidungsschlacht zwischen den versammelten

oberschwäbischen Bauern und dem zur Niederschlagung des Bauernaufstandes

aufgestellten Bundesheer schien nun ihren Gang zu nehmen. Doch statt einer blutigen

Auseinandersetzung, wie sie einige Tage vorher schon Leipheim und Wurzach sehen

mussten, kam es zu einem Vertrag zwischen den Aufständischen und dem Bund, in dessen

Folge sich die Bauernhaufen auflösten und dem Aufruhr abschworen. Der Truchseß

jedoch setzte nach längerer Rast seinen Feldzug fort, um die Aufstände in Württemberg,

im Hegau und im Schwarzwald niederzuschlagen. Hatten die Bauern und ihre Führer an

diesem Punkt die Chance vertan, den Aufstand in Oberschwaben zum Erfolg zu führen?

Die Historiker sind sich zumindest in einem Punkt einig: Der Weingartener Vertrag

markiert einen Wendepunkt in der Geschichte des Bauernkrieges.

Er war der Auftakt zur Befriedung weiter Teile des Aufstandsgebietes und läutete den Sieg

der Obrigkeit über ihre revoltierenden Untertanen ein.

Diese Untersuchung untersucht die Frage, warum dieser Vertrag zustande kam und wem

er nutzen sollte. Sie soll aufzeigen, dass er für beide Parteien Vorteile brachte, welche die

Einigung als optimales Ergebnis erscheinen lassen. Ebenfalls soll ein grober Überblick

über die Bewertung des Weingartener Vertrages sowohl in den zeitgenössischen Quellen

als auch aus der Sicht der Historiker gegeben werden. In den Monographien über den

1 Georg III. Truchseß von Waldburg, genannt der „Bauernjörg“, Feldhauptmann des Schwäbischen Bundes: geb. 25.1.1488 in Waldsee, gest. 29.5.1531. Schon 1504 diente er im Bayrischen Erbfolgekrieg, 1508 trat er in den Dienst des Herzogs Ulrich von Württemberg. Unter diesem als Hauptmann an der Niederschlagung des „Armen Konrad“ beteiligt. Zwischenzeitlich in Bayern, ist er am Kampf des Schwäbischen Bundes gegen Ulrich von Württemberg 1519 beteiligt. Schließlich in österreichischen Diensten, als er Ende 1524 von Erzherzog Ferdinand zum Obersten Feldhauptmann des Schwäbischen Bundes berufen wird. Er schlug den Aufstand in Oberschwaben, Franken, Württemberg und im Schwarzwald nieder und wurde im Sommer 1525 Statthalter von Württemberg, im selben Jahr noch Reichserbtruchseß. Von Erzherzog Ferdinand zur Türkenabwehr berufen, starb er auf dem Weg zurück nach Württemberg an einer Erkrankung.

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Bauernkrieg wird der Weingartener Vertrag zwar als Ereignis singulär betrachtet und in

Entstehung und Wirkung grob skizziert, eine tiefer gehende Auseinandersetzung erfolgt

meist jedoch nicht, Beispielhaft seien hier Günther Franz2 sowie Manfred Bensing und

Siegfried Hoyer3 genannt. Zum Verlauf der „Schlacht“ ist erschöpfendes Material

vorhanden, vor allem Wilhelm Zimmermann4 schildert die Begebenheiten zu Weingarten

sehr ausführlich, wenngleich er offen Partei für die Bauern ergreift. Ebenso stark

voreingenommen ist das Bild, welches die Biographie Johann Bodents und Karl

Walchners über Georg Truchseß von Waldburg zeichnet5 , die seinen Nachfahren

gewidmet ist, trotzdem aber aufschlussreiche Informationen erhält.

Als besonders wertvoll für diese Abhandlung haben sich Werke erwiesen, die sich mit der

Politik des Schwäbischen Bundes beschäftigen. So erlauben es vor allem die

hervorragenden Aufsätze von Thomas F. Sea6 und Christian Greiner7, die Strategie der

Fürsten und Städte im Kampf gegen die Bauern zu verstehen und die Bedeutung des

Weingartener Vertrages dadurch richtig einzuordnen. Die Quellenlage zur Geschichte

des Bauernkrieges in Oberschwaben ist zwar reichhaltig, aber dadurch auch

unübersichtlich. Einen hervorragend ausgewählten Überblick bieten Hildegard Kuhn-

Oechsle und Elmar L. Kuhn mit der von ihnen herausgegeben Quellensammlung8, welche

die wichtigsten Quellen themengebunden anführt.

2 Franz, Günther: Der deutsche Bauernkrieg: 12.,gegenüber d.11.unveränd.Aufl., Darmstadt 1984.3 Bensing, Manfred/Hoyer, Siegfried: Der deutsche Bauernkrieg: 1524-1526. 5.Aufll., Berlin 1987.4 Zimmermann, Wilhelm: Der große deutsche Bauernkrieg. Volksausgabe, Berlin 1982.5 Bodent, Johann/Walchner, Karl: Biographie des Truchsessen Georg III. von Waldpurg : Aus handschriftlichen Quellen bearb. u. mit e. Anh. von Urkunden vers., Konstanz 1832. 6 Sea, Thomas S.: Schwäbischer Bund und Bauernkrieg: Bestrafung und Pazifikation, in: Wehler, Hans-Ulrich (Hrsg.): Der deutsche Bauernkrieg 1524-1526 (=Geschichte undGesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft; Sonderheft 1). Göttingen 1975, S.129-167.7 Greiner, Christian: Die Politik des Schwäbischen Bundes während des Bauernkrieges 1524/1525 bis zum Vertrag von Weingarten, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben Bd.68. Augsburg 1974, S. 7-94.8 Kuhn-Oechsle, Hildegard/Kuhn, Elmar L.(Hrsg.): Der Seehaufen im Bauernkrieg : e. Quellensammlung (=Geschichte am See Bd. 11). Friedrichshafen 1982.

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2. Eine Einordnung des Weingartener Vertrages in den Verlauf des Bauernkrieges

2.1. Die militärische Entwicklung in Oberschwaben bis zum Aufeinandertreffen der

Bundestruppen und der Bauern bei Weingarten

Der deutsche Bauernkrieg begann auch in Oberschwaben völlig gewaltfrei. Bauern

versammelten sich zu Haufen, Schwurgemeinschaften, die zwar bewaffnet, aber nicht

gewaltbereit waren, und sich als Schutzbündnis gegen die Obrigkeit verstanden.9 Sie

waren verbunden durch eine generelle Unzufriedenheit und Forderungen nach einer

Erleichterung ihrer Situation, was sich konkret darin äußerte, dass die Aufhebung der

Leibeigenschaft sowie das Recht, zu jagen und zu fischen, eingefordert wurde.10 Hinzu

kam eine diffuse Forderung nach Umsetzung des Göttlichen Rechts, beeinflusst von den

Ansprachen reformatorischer Prediger. Anfang des Jahres 1525 entstanden im Gebiet

Oberschwabens drei solcher Bündnisse: im Gebiet um Lindau der Seehaufen, im Raum

Kempten der Allgäuer Haufen und nahe der Reichsstadt Biberach der Baltringer Haufen.

Diese versuchten erfolgreich, durch Werbung in umliegenden Dörfern und Städten ohne

Rücksichtnahme auf Herrschaftsgrenzen ihr Einflussgebiet zu vergrößern.11

Waren die Bündnisse zunächst nur zur Stärkung der eigenen Verhandlungsposition in den

Auseinandersetzungen mit den jeweiligen Herrschaftsträgern gedacht, spitzte sich die

Lage zu. Da die Bauern befürchteten, der Schwäbische Bund könne militärische Aktionen

starten, wurde Ende Februar beschlossen, dass jedermann sich, unter Androhung des

weltlichen Bannes, den Haufen anschließen müsse. Ein Angriff auf die gesamte

Bauernschaft schien dem Bund nicht möglich zu sein.12 Die Haufen versuchten auch, sich

eine militärische Organisation zu geben. Sie übernahmen von den Landsknechtsheeren

die Unterteilung in Fähnlein (eine Einheit von ca.500 Mann) und Rotten (ca.10-15 Mann)

sowie die Bezeichnungen der Ämter. So setzten sie einen Obersten Feldhauptmann als

9 Ulbrich, Claudia: Oberschwaben und Württemberg, in: Buszello/Blickle/Endres (Hrsg.): Der deutsche Bauernkrieg. Paderborn, München, Wien (u.a.) 1984, S.97-133, S.97.10 Auf die Ursachen der Unzufriedenheit soll hier nicht näher eingegangen werden, hierzu vgl. Blickle, Peter: Die Revolution von 1525. München, Wien 1981, S.31ff.11 Ulbrich: Oberschwaben und Württemberg, S.97ff. Zur Entstehung eines solchen Haufens: ebd.: S.100 ff.12 Ebd.: S.103.,

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militärischen Anführer ein, während der Fähnrich und der gewählte Prediger für die

ideologischen Belange zuständig waren. Die Bewaffnung der Haufen war größtenteils

modern, die größten Haufen verfügten auch über Geschütze und waren in punkto

Bewaffnung den Truppen kleinerer Fürsten, aber auch den Bundestruppen zumindest

ebenbürtig. Ein Nachteil erwuchs ihnen jedoch aus dem Fehlen einer Reiterei, die ein

offensives Vorgehen erschwerte und eine mögliche Erklärung für die vorwiegend

defensive Taktik der Bauern bietet. 13

Der Schwäbische Bund war als Landfriedensbund zuständig für die Einhaltung der

Ordnung im Reichskreis Oberschwaben. Gegründet am 14.Februar 1488 als

Abwehrbündnis gegen die Bedrohung Schwabens und der habsburgischen Hausmacht

durch die Expansionsversuche der Herzöge Georg von Niederbayern und Albrecht von

Oberbayern, bestand er zur Zeit des Bauernkrieges aus den wichtigsten Fürsten

Süddeutschlands, darunter Erzherzog Ferdinand als Statthalter in Württemberg, Landgraf

Philipp von Hessen, die Herzöge Wilhelm IV. und Ludwig X. von Bayern, der Erzbischof

von Mainz, schließlich auch der Kaiser Karl V. selbst. Des Weiteren gehörten ihm hohe

Adelige wie der Abt von Weingarten sowie die größten Städte der Region an.14.

Die Bundesmitglieder beschäftigten sich erstmal im August 1524 mit den Bauernunruhen,

versuchten jedoch zunächst zwischen den Bauern und den Herrschaftsträgern zu

vermitteln, wie etwa Ende 1524, als sich der Bund in Verhandlungen zwischen dem

Fürstabt von Kempten und seinen Untertanen einschaltete, wodurch es auch zu einem

gütlichen Einigungsversuch kam.15 Ab Ende Februar 1525 konkretisierten sich die

Beschwerden der Bauern. Es entstanden, wahrscheinlich unter der Ägide Sebastian

Lotzers16, die „12 Artikel“. Sie waren das Hauptprogramm der Aufständischen und

umfassten Forderungen religiöser, politischer und wirtschaftlicher Art. Sie waren

13 Zur militärischen Organisation und Ausrüstung der Bauern vgl. Bensing/Hoyer: Der deutsche Bauernkrieg, S.34-51.14 Die genaue Aufführung der Mitglieder und die Organisation des Bundes bei Greiner: Die Politik des Schwäbischen Bundes, S.10ff.15 Greiner: Die Politik des Schwäbischen Bundes, S.21.16 Sebastian Lotzer, reformatorischer Bauernführer: geb.1490 in Horb, Todestag unbekannt. In Memmingen als Kürschnergeselle tätig, als er zum Feldschreiber des Baltringer Haufens ernannt wurde. Verfasste zusammen mit Schappeler die 12 Artikel, wahrscheinlich auch die Bundesordnung der Christlichen Vereinigung, weiteres Schicksal unbekannt.

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„Beschwerdeschrift, Reformprogramm und politisches Manifest zugleich.“17 Von diesen

Artikeln wurden etwa 25.000 Exemplare gedruckt und im Aufstandsgebiet verteilt.18

Anfang März schließlich schlossen sich die Baltringer mit den Allgäuern und den

Seebauern zusammen und bildeten die „Christliche Vereinigung“. Das Ziel war

gegenseitiges Beistehen und Erweiterung ihres Einflusses sowie die Organisation der

Haufen durch Schaffung einer Selbstverwaltung inklusive einer Gerichtsinstanz, Polizei

und einer Verteidigungsordnung.19 Zwischen den Bauern gab es verschiedene Ansichten

über das Verhältnis zur Gewalt. Schließlich jedoch setzten sich die gemäßigten Kräfte des

Baltringer Haufens durch, und die am 6. März verabschiedete Bundesordnung

verpflichtete die Mitglieder auf Frieden und Gerechtigkeit auf Grundlage des „Göttlichen

Rechtes“.20 Immer noch wurden Verhandlungen mit dem Bund geführt, der zwar

einerseits aufgrund des Feldzuges gegen Herzog Ulrich von Württemberg21 nicht in der

Lage war, die Bauern militärisch niederzuschlagen, aber andererseits die Bauern mit

unannehmbaren Forderungen konfrontierte.22

Spätestens Ende März reifte bei den Aufständischen die Einsicht, dass keine gütliche

Einigung mit dem Bund zu erreichen war. Dies und die enormen

Versorgungsschwierigkeiten führten dazu, dass die Bauern nun zu gewalttätigen

Handlungen schritten. Ab dem März 1525 wurden zahlreiche Schlösser, Burgen, Klöster

und Abteien angegriffen, geplündert und teils zerstört.23 Der schwäbische Bund kündigte

nun für den Fall, dass diese Aufruhr nicht sofort beendet würde, gewaltsame

Gegenmaßnahmen an, nicht ohne den Versuch zu unternehmen, die Bauernhaufen zu

spalten, indem sie an die Baltringer appellierten, sie sollten sich nicht mit den anderen

Haufen und deren Untaten gemein machen.24 Der Versuch, die Haufen voneinander zu

trennen, sollte ein Kontinuum der Bundespolitik während des Bauernkrieges werden.17 Blickle, Peter: Die Revolution von 1525. München, Wien 1981, S.23. Die konkreten Beschwerden ebd.:S.24ff.18 Ulbrich: Oberschwaben und Württemberg, S.113.19 Ebd.: S.114.20 Ebd.: S.115f21 Der 1519 wegen der Besetzung Reutlingens durch den Schwäbischen Bund vertriebene Herzog Ulrich von Württemberg versuchte im Februar 1525, das Land wieder unter seine Herrschaft zu bringen. Im März jedoch besiegten ihn die Truppen des Schwäbischen Bundes. 22 Ulbrich: Oberschwaben und Württemberg, S.119.23 Ebd.: S.119.24 Greiner: Die Politik des Schwäbischen Bundes, S.53 f.

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Nachdem das Heer den Aufstand Herzog Ulrichs niedergeschlagen hatte, zog es nach Ulm,

von wo aus der Feldzug gegen die Bauern beginnen sollte. Auf dem Marsch in die Stadt

gab es eine Meuterei, als bekannt wurde, dass sich die Kriegshandlungen ab jetzt gegen

Bauern richten würden. Das Memminger, Konstanzer und Augsburger Aufgebot weigerte

sich fast komplett, zu kämpfen, und verließ das Heer. Nur mit großer Überredungskunst

konnte Feldhauptmann Georg Truchseß von Waldburg die restlichen Truppen neu

einschwören. Den Feldzug begann er schließlich mit einem Aufgebot von 7.000 Mann

Fußvolk, 1.500 Reitern und 18 Geschützen.25 Nach einem Beschluss der Bundesräte sollte

der erste Schlag gegen den Baltringer Haufen erfolgen, der jedoch nicht gestellt werden

konnte und sich in kleinen Scharmützeln geschickt verteidigte. Der Truchseß zog nun in

Richtung Ulm ab und richtete sich gegen den Leipheimer Haufen, der am 4. April

vernichtend geschlagen wurde, nachdem sich die Bauern fast kampflos zurückgezogen

hatten und 1.000 Aufständische auf der Flucht erschlagen und ertränkt sowie 4.000

gefangen genommen wurden.26 Von Leipheim aus brach das Bundesheer in Richtung

Bodensee auf. In Wurzach stellten sich ihm die Unterallgäuer Bauern entgegen, unter

ihnen Untertanen des Truchseß. Diese jedoch brachen, militärisch völlig unerfahren,

nach drei Geschützsalven in Panik aus, und stellten bei ihrer kopflosen Flucht leichte

Opfer für die Bundestruppen dar. Der nun folgende Zug gegen die Seebauern sollte die

Entscheidung in Oberschwaben herbeiführen.

2.2. Die ausgebliebene Schlacht von Weingarten

Der Haufen der Bodenseebauern war sicherlich der militärisch stärkste Verband in

Oberschwaben. Da sich sein Einflussgebiet bis zu den Alpenpässen erstreckte, über die

zahlreiche Landsknechte nach dem Ende des Kriegszuges Kaiser Karl V. aus Oberitalien

zurückkehrten, schlossen sich viele Söldner den Aufständischen an.27

Am 15. März rückte das Bundesheer auf Gaisbeuren zu. Da die Stellung der Seebauern

jedoch sehr günstig gewählt war, kam ein Angriff mithilfe der Reiterei nicht in Frage.

25 Bensing/Hoyer : Der deutsche Bauernkrieg, S.88 f.26 Ebd.: S.90 f.27 Ebd.: S.93.

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Stattdessen begann ein Feuerduell, das nicht etwa wegen der panischen Flucht der Bauern

beendet wurde, sondern weil dem Truchseß die Munition ausging. Der Feldhauptmann zog

sich daraufhin zurück, und die Bauern bezogen ihr Lager in Gaisbeuren. Die Hauptleute

der Bauern planten sogar, des nachts das Lager des Truchseß zu überfallen, dieser jedoch

wurde von diesem Vorhaben unterrichtet und ließ Gaisbeuren in Brand setzen, um die

Bewegungen der Bauern überwachen zu können. Während sich die Aufständischen nach

Weingarten zurückzogen, verharrte der Truchseß in seiner Stellung und ließ seine

Truppen am darauf folgenden Ostersonntag ruhen. 28

Die Lage des Truchseß verschärfte sich unterdessen. Die Seebauern erhielten

Unterstützung vom Rappertsweiler Haufen. Boten mit Hilfeersuchen an weitere Haufen

waren bereits unterwegs. In dieser Situation erreichten ihn Nachrichten vom

Schwäbischen Bund, der auf sein baldiges Erscheinen in Württemberg drängte, da dort

viele Bundesmitglieder bedroht gewesen seien.29 Schließlich traf eine Abordnung aus dem

benachbarten Ravensburg ein, der neben dem Grafen von Montfort und dem ehemaligen

Hauptmann des Schwäbischen Bundes, Wolf Gremlich von Jungingen, auch die beiden

Ravensburger Räte Gero Schellang und Johannes Krieglin angehörten. Sie baten Waldburg

darum, mit den Bauern um eine gütliche Einigung verhandeln zu dürfen. Der jedoch

befand sich nun in einer Zwickmühle. Bei seiner Ernennung zum Obersten

Feldhauptmann am 2.Februar 1525 bekam er die Anweisung zum „ernstlichen Strafen ohne

Erbarmen“30, der Bund wollte eine militärische Lösung herbeiführen. Des weiteren war

nicht klar, ob der Truchseß solche Entscheidungen überhaupt fällen durfte, schließlich

hatte er trotz wiederholten Drängens bis dato keine Kriegsräte zur Seite gestellt

bekommen.31 Er entschloss sich, den Bauern ein Angebot zu übermitteln, dass ihnen

Unversehrtheit und Schlichtung ihrer Angelegenheiten in Aussicht stellte, wenn sie ihre

Waffen und Fähnlein auslieferten. Am 17. April rückte das Bundesheer auf Weingarten zu,

28 Zu den Vorgängen des 15.Aprils vgl. Vogler, Günter: Die Gewalt soll gegeben werden dem gemeinen Volk: der deutsche Bauernkrieg 1525. 2., überarb. u. erw. Aufl., Berlin 1983, S.88f.29 Zimmermann: Der grosse deutsche Bauernkrieg, S.638.30 Zitiert nach: Willburger, August: Georg III. Truchseß von Waldburg, der Bauernjörg (=Aus Schwabens Vergangenheit Bd. 28). Stuttgart 1934, S.9.31 Greiner: Die Politik des Schwäbischen Bundes, S.70f.

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als die Vermittler Waldburg mit der Nachricht erreichten, die Bauern seien zwar zu

Verhandlungen, aber nicht zur Abgabe ihrer Bewaffnung bereit.

Durch ein weiteres Angebot, militärische Aktionen einzustellen, solange die Bauern sich

nicht bewegten, versuchte er, sein Heer günstig zu positionieren. Allerdings kamen die

Bauern ihm zuvor und besetzten die strategischen Positionen in und um Weingarten.

Trotz der aussichtslosen Lage wollte Waldburg den Bauern Stärke demonstrieren. Er ließ

sein Heer in Schlachtordnung aufmarschieren und noch einmal die Geschütze feuern.

Einen Reiterei-Angriff, den der zuständige Kommandant Frowin von Hutten anordnen

wollte, ließ er jedoch nicht zu. Zu groß war ihm die Gefahr, dass sein Heer geschlagen

werden könnte. Schließlich fügte sich der Truchseß in erneute Verhandlungen mit den

Bauern, und beließ ihnen ihre Waffen bis auf die Geschütze.32

3. Der Weingartener Vertrag und seine Folgen

3.1. Der Inhalt des Weingartener Vertrages

Nachdem Waldburg sich dazu entschieden hatte, keine militärische Entscheidung zu

suchen, ließ ihn der Schwäbische Bund auch mit den Verhandlungen allein. Der

Truchseß sah sich gezwungen, Zugeständnisse gegenüber den eigentlichen

Bundesforderungen zu machen. Zunächst einmal wurde im Vertragstext festgestellt,

dass die Bauern sich des Landfriedensbruches schuldig gemacht, ferner auch

Verstöße gegen Reichsrecht und die Goldene Bulle begangen hatten. Damit sei das

Eingreifen des Bundes legitimiert.

Die Bauern mussten ihre Bündnisse und auch die einzelnen Haufen auflösen,

jeglicher Aufruhr für immer abschwören, ferner alle eingenommenen Klöster, Städte

und sonstige Güter und Eigentümer zurückgeben sowie ihre Pflichten und Abgaben

gegenüber ihren Obrigkeiten wieder aufnehmen. Soweit entsprachen die Artikel

noch den Maßgaben des Bundes, jedoch kam es zu einer neuen Regelung bezüglich

32 Zimmermann: Der grosse deutsche Bauernkrieg, S.639f. Die Angabe in der Bodmaner Chronik, dass die Bauern ihre Waffen abgeben müssen, kann als falsch angesehen werden. Die Bauern hätten einer solch entehrenden Maßnahme in ihrer Situation sicher nicht zugestimmt.

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des Schiedsgerichtes, das sich der Beschwerden der Bauern annehmen sollte. Die

Bauern und ihre Herrschaften durften jeweils drei Städte bestimmen, falls zwischen

diesen Vertretern keine Übereinstimmung herrschen würde, sollte Erzherzog

Ferdinand entscheiden. Weiterhin werden die Herrschaftsträger unter Androhung

von Zwang dazu aufgefordert, diese Bestimmungen einzuhalten.33

3.2. Die Auswirkungen des Vertrages

Die Zugeständnisse an die Aufständischen waren erheblich. Sie entgingen einer

Bestrafung, durften ihre Waffen behalten und konnten auf ein Schiedsgericht

zählen, dass für sie vorteilhaft besetzt war.

Nach mehreren Verhandlungstagen willigten die Bodenseebauern am 22. April 1525

in den Weingartener Vertrag ein. Die Unterallgäuer Bauern verweigerten dem

Vertragswerk die Zustimmung.

Es bleibt demnach wichtig, festzustellen, dass „Solange sie allerdings noch alle

Waffen in den Händen hatten und in großer Anzahl versammelt waren, (…) dem

Vertrag keine abschließende Bedeutung zu[kam].“34 Oberschwaben war mitnichten

vollends befriedet. Waldburg wusste um die Gefährlichkeit der Situation, und

versuchte so viele Bauern wie möglich in den Weingartener Vertrag zu integrieren -

falls nötig auch mit Gewalt. Die Lage in Württemberg veranlasste den Bund jedoch

dazu, den sofortigen Marsch des Bundesheeres dorthin zu fordern. Darüber

entbrannte sowohl innerhalb des Bundes als auch zwischen dem Bund und seinem

Oberfeldhauptmann großer Streit, in dem Waldburg mit seiner Ablösung gedroht

wurde, falls er nicht unverzüglich gen Württemberg abrückte. Nachdem dieser sich

schließlich fügte, brandeten tatsächlich, wie von ihm befürchtet, neue Unruhen

auf.35 Ein anderes Problem war die eigenmächtige Politik Bayerns. Der Vertreter

Bayerns im Bund, Dr. Eck, gilt als eine derjenigen Figuren, die eine strenge

33 Zu den Vertragsinhalten vgl. Greiner: Die Politik des Schwäbischen Bundes, S.73 f. Der eigentliche Vertragstext in: Laube, Adolf/Seiffert, Hans W.(Hrsg.): Flugschriften der Bauernkriegszeit. Berlin 1975, S.35-41.34 Greiner: Die Politik des Schwäbischen Bundes, S.74.35 Greiner: Die Politik des Schwäbischen Bundes, S.76ff.

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Bestrafung der Bauern forderten, Wilhelm Vogt bezeichnet ihn gar als

„kriegslüstern“.36 Doch selbst Eck versuchte, seine Herzöge davon abzuhalten, die

Bauern an der Grenze zu Oberschwaben anzugreifen. Trotzdem wurden die Dörfer

Buchloe, Wiedergeltingen und Denklingen am 20. April überfallen und

niedergebrannt, was schließlich dazu führte, dass der Oberallgäuer Haufen sich

weigerte, dem Weingartener Vertrag zuzustimmen. Auch das war ein Grund für

den Ausbruch neuer Unruhen.37 Um auch nach dem Abzug des Bundesheeres die

ruhige, aber fragile Lage im Kerngebiet Oberschwabens aufrecht zu erhalten,

wurden 500 Reiter als Patrouille aufgestellt, die auch nach dem Bauernkrieg bestand

hatte.38 Auch wenn eine völlige Beruhigung der Lage nicht erreicht wurde, stellte

der Weingartener Vertrag für den Schwäbischen Bund die einzige Möglichkeit dar,

mit voller Schlagkraft die Bauern in Württemberg, in Franken und im Schwarzwald

niederzuschlagen.

Auf die Kritik gegenüber den Bauern ob der Annahme des Vertrages sei an späterer

Stelle hingewiesen. Nicht von der Hand zu weisen ist jedoch der Fakt, dass es den

Bauern innerhalb des Weingartener Vertrages weitaus besser erging als den Bauern,

die im Kampfe bezwungen wurden und sich ergeben mussten. Ein Vergleich zu den

Bedingungen, unter denen der Unterallgäuer Haufen nach der Kanonade von Leubas

am 14.Juli 1525 kapitulierten, macht dies deutlich. Den wichtigsten Unterschied

machte natürlich der Aspekt der Entwaffnung, die nicht nur verteidigungsunfähig

machte, sondern auch als entehrend empfunden wurde. Die Rädelsführer wurden

sofort bestraft, zumeist mit dem Leben. Zu guter Letzt mussten die Besiegten mit

weißen Stecken in der Hand abziehen und sich eine Seite des Bartes rasieren,

36 Vogt, Wilhelm: Die bayrische Politik im Bauernkrieg, S.8737 Anfang Mai gab es im Allgäu neue Aufstände, 10000 Mann fielen in Bayern ein, zogen sch aber bald darauf wieder zurück Er ist Juni wurde der Aufstand endgültig durch das aus Franken zurückkehrende Bundesheer niedergeschlagen, bis dahin hatte der Bund die Bauern mit Verhandlungen hingehalten.38 Sea, Thomas S.: Schwäbischer Bund und Bauernkrieg: Bestrafung und Pazifikation, in: Wehler, Hans-Ulrich (Hrsg.): Der deutsche Bauernkrieg 1524-1526 (=Geschichte undGesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft; Sonderheft 1). Göttingen 1975, S.129-167. S.133f.

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während die andere stehenblieb.39 Diese Demütigungen blieben den Bauern des

Weingartener Vertrages erspart, ebenso wie die Bestrafungen.

Der schwäbische Bund machte auch tatsächlich Unterschiede bei der Behandlung

der Aufständischen und empfahl auch seinen Bundesständen, strengere Strafen

gegen die Bauern anzuwenden, die sich nicht dem Weingartener Vertrag

angeschlossen hatten. Bitten wie etwa die des Baltringer Haufens, der sich auf Gnad

und Ungnad hatte ergeben müssen, nachträglich in die Bestimmungen des Vertrages

aufgenommen zu werden, lehnte der Bund ab.40 Die Einhaltung des Vertrages wurde

vom Bund genau überprüft, am 6. Juli 1525 erging ein entsprechendes allgemeines

Mandat. So wurde im Falle des Grafen Felix von Werdenberg, der eigenhändig

gegen seine Untertanen vorgehen wollte, befohlen dies einzustellen. Als die

Werdenberger Bauern Mitte Mai eine offizielle Klage gegen den Grafen vor den

Bundesrat brachten, und kurz darauf auch Bundesmitglieder der benachbarten

Territorien sich beschwerten, der Graf würde Unruhen verursachen, drohte der

Bund mit seinem Eingreifen, was Felix von Werdenberg zum Einlenken brachte.41

4. Bewertungen des Weingartener Vertrages

4.1. Zeitgenössische Bewertungen

Georg Truchseß von Waldburg musste viel Kritik für den von ihm ausgehandelten

Vertrag einstecken. Vor allem Eck kritisierte sein eigenmächtiges Handeln, die

bayrischen Herzöge zeigten sich besonders verärgert über die bauernfreundliche

Zusammensetzung der Schiedsgerichte. Generell wurde ihm zu zögerliches und

unentschlossenes Handeln vorgeworfen. Der Truchseß verwehrte sich gegen

39 Willburger, August: Georg III. Truchseß von Waldburg, der Bauernjörg (=Aus Schwabens Vergangenheit Bd. 28). Stuttgart 1934, S.19f.40 Greiner: Die Politik des Schwäbischen Bundes, S.80f.41 Sea, Thomas F.: Schwäbischer Bund und Bauernkrieg, S.163f. An dieser Stelle auch weitere Beispiele, bei denen der Bund die Einhaltung des Weingartener Vertrages durchsetzte.

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jegliche Kritik und wies darauf hin, dass eine militärische Niederwerfung der Bauern

nicht möglich gewesen wäre, und weiteres Abwarten die Bauern gestärkt hätte.42

Erzherzog Ferdinand lobte Waldburg in einem Schreiben vom 20. April und

bestärkte sein Vertrauen in den Feldhauptmann, dessen genaue Kenntnis des

Operationsgebietes er schätzte. Allerdings mahnte auch Ferdinand zu einem

schnellen Weiterzug nach Württemberg.43

Die oberschwäbischen Städte hatten schon früh versucht, zwischen den Bauern und

den Herrschaften zu vermitteln. Zum Einen waren um ihrer Handels – und

Wirtschaftsbeziehungen bemüht, die Ordnung wiederherzustellen, zum Anderen

wollten die meisten Städte nicht für ein rigoroses Vorgehen gegen die

Aufständischen eintreten, da sonst die Spannungen zwischen den Räten und der

Gemeinde, die oft zu den Bauern hielt, zu innerstädtischer Instabilität geführt

hätte.44 Dementsprechend wurde die erfolgreiche Vermittlung unter Führung der

Stadt Ravensburg und des Grafen von Montfort und der anschließende Abschluss

des Vertrages mit Erleichterung registriert. Hierzu schreibt ein Beobachter in

seinem Brief an die Bürgermeister zu Augsburg vom 19. April: „Der Krieg des obern

Haufen am Bodensee ist gerichtet. Darob ist Jedermann in Ulm froh. Die obern

Städte haben sich darum besonders bemüht, (…).“45

Von der Reaktion der Bauern wissen wir aus den Quellen kaum etwas. Klar ist nur,

dass nicht alle den Vertrag annahmen. Der Unterallgäuer Haufen, also die

Aufständischen aus den Besitzungen des Abtes von Kempten, erhielt den Kampf

aufrecht. Von Thomas Müntzer ist der Ausspruch überliefert, der Weingartener

Vertrag sei großes Unglück für die Volkssache.46

Begrüßt wird der Abschluss von Martin Luther. Dieser prophezeite den Fürsten

schon in seiner Schrift „Von weltlicher Obrigkeit“ von 1523 mit einem Aufstand

42 Greiner: Die Politik des Schwäbischen Bundes, S.74f.43 Walchner/Bodent: Biographie S.268-270, Beilage XVI.44 Greiner: Die Politik des Schwäbischen Bundes, S.55ff.45 Zitiert nach: Kuhn-Oechsle/Kuhn (Hrsg.): Der Seehaufen im Bauernkrieg, S.119. Ulm war der Sitz des Schwäbischen Bundes.Greiner schreibt hierzu, dass von den Städten nur Überlingen nicht mit dem Vertrag einverstanden war, weil in ihm keine Bestrafung der Bauern vorgesehen war.46 Vgl. Zimmermann: Der grosse deutsche Bauernkrieg, S.642.

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ihrer Untertanen, leitete daraus jedoch ausdrücklich nicht das Recht zur Revolte ab.

Im Gegenteil, sie sollten ihr Leiden demütig ertragen.47 Luther griff durch seine

Schriften in den Bauernkrieg ein, weil er von den Bauern immer wieder als

Schiedsrichter genannt wurde, der über ihre Beschwerden und Eingaben

entscheiden sollte. Des Weiteren bezogen sich die Bauern in ihren Programmen

immer wieder auf das Evangelium und Luthers Auslegung desselben, jedoch fühlte

er sich missverstanden. „Es ging um den eigentlichen Sinn seiner Predigt, um die

Reinheit der Reformation.“48 Schon bevor er um den Weingartener Vertrag wusste,

mahnte er an, die Feindseligkeiten nicht mit Waffengewalt zu klären, sondern die

Sache auf dem Wege des Rechts und Vertrages beizulegen. Als er schließlich von

dem Abschluss Kunde hatte, ließ er den Vertrag sofort drucken und versah ihn mit

einem Vor- und Nachwort. In diesem wandte er sich, schon in strengerem Ton, an

die Bauern, denen er eine gerechte Sache abspricht. Vor allem erzürnte ihn, dass sie

die Gewalt im Namen des Evangeliums ausübten. Trotzdem suchte er die Schuld

dafür bei falschen Propheten, welche die Aufständischen verführten. Luther, der

den Vertag „mit großen Freuden als eine besondere Gnade Gottes in dieser wüsten

greulichen Zeit“49 aufnahm, wollte die Bauern in Mitteldeutschland zu gütlichen

Einigungen nach dem oberschwäbischen Vorbild anhalten, wozu es jedoch nicht

kam.

4.2. Historische Bewertungen

Nichts spreche eine besserer Sprache über den Weingartener Vertrag als Luthers

Reaktion darauf, spotteten Manfred Bensing und Siegfried Hoyer.50 Sie und andere

marxistische Historiker werteten den Vertrag als verpasste Gelegenheit, die Fürsten

militärisch zu besiegen. Die Blaupause dazu lieferte gewissermaßen Engels, der die

„Borniertheit der Bauernmassen“ sowie die „meist unfähigen, ängstlichen und

47 Althaus, Paul: Luthers Haltung im Bauernkrieg. Basel 1953, S.13f.48 Ebd.: S.16.49 Zitiert nach: Althaus: Luthers Haltung, S.30.50 Bensing/Hoyer: Der deutsche Bauernkrieg, S.97.

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bestechlichen Führer“51 dafür verantwortlich machte, dass der mögliche Sieg über

die Bundestruppen leichtfertig vergeben wurde. Die Anführer der Haufen

erscheinen tatsächlich zumindest undurchsichtig. Dietrich Hurlewagen, der die

Rappertsweiler Abteilung innerhalb des Bodenseehaufens führte, steht dabei unter

dem Verdacht, mit den Feinden paktiert zu haben. Es wird berichtet, dass er nach

der Erstürmung eines Klosters mit Mönchen zusammen gesessen habe, und das

Zusammengehen des Bodenseehaufens mit den Allgäuern verhindert hätte.

Schließlich sei er angeblich vor dem Truchseß auf die Knie gefallen, um ihn zu

bitten, die Bauern nicht anzugreifen. In Weingarten, so Göpfert, „zeigte sich

Hurlewagens schwacher Charakter“.52 Positiver wird die Figur des Truchseß von

Waldburg dargestellt, dem es „durch List“ gelang, die Aufständischen zur Annahme

des Vertrages zu bringen.53 Eine besonders wohl gesonnene Darstellung, die

Biographie von Walchner und Bodent, spricht gar von einem

„Unterwerfungsvertrag“, den Waldburg der Gegenseite aufzwang.54

Tatsächlich scheint das Einwilligen der Bauern in den Vertrag nach wie vor

fragwürdig. Günther Franz konstatierte hierzu, dass die Bauern für einen

momentanen Erfolg die Zukunft ihrer Bewegung preisgaben. Damit hätte der

Bauernaufstand als „schöpferische, die ganze Bewegung bestimmende Macht“ ihr

Ende gefunden.55 Zur Verteidigung der Bauern wird hervorgebracht, dass eine

negative Einschätzung sich nicht mit den Auffassungen der Zeitgenossen decke und

die eigentlichen Ziele der Aufständischen missachte. Schließlich hätten diese nie

eine gewaltsame Lösung, sondern Verhandlungen angestrebt. Die konkreten Ziele,

nämlich die Sicherung der materiellen Existenz sowie die Erhaltung politischer

Rechte und Befriedigung der religiösen Bedürfnisse schienen durch den

Weingartener Vertrag erreichbar.56

51 Zitiert nach: Bensing/Hoyer: Der deutsche Bauernkrieg, S.98.52 Göpfert, Dieter: Bauernkrieg am Bodensee und Oberrhein : 1524/1525 ; mit einer Wiedergabe der Bodmaner Chronik. Freiburg i.Br. 1980, S.153.53 Vogt: Die bayrische Politk, S.195.54 Walchner/Bodent: Biogrraphie, S.96.55 Franz: Der deutsche Bauernkrieg, S.133.56 Ulbrich: Oberschwaben und Württemberg, S.122f.

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5. Schlussbetrachtung

Bei dem Versuch, den Weingartener Vertrag einer abschließenden Bewertung zu

unterziehen, begibt man sich in die Gefahr, sich Was-wäre-wenn-Gedankenspielen

hinzugeben, die der historischen Wahrheitsfindung nicht genügen.

Natürlich hätten die bei Weingarten versammelten Bauern das Bundesheer schlagen

können. Das hätte dem Bauernkrieg unter Umständen einen anderen Verlauf geben

können. Aber wie dieser ausgesehen hätte, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen.

Man kommt deshalb nicht umhin, gewisse Fakten zu akzeptieren. Die Konzeption

der Christlichen Vereinigung war verfrüht, deswegen wurden die hehren Ziele, ein

Staatengebilde nach kommunal-bündischer Form zu errichten, im Vertrag

preisgegeben.57 Innerhalb der Bewegung in Oberschwaben wurde nie Einigung

darüber erzielt, wie man das Göttliche Recht als Legitimationsbasis für

Gewaltanwendung nutzen könne. Es fehlte an einer politischen Alternative, einer

einheitlichen Überzeugung, die einen Fanatismus gleich dem schweizerischen hätte

erzeugen können, um einen langwierigen Kampf zu bestehen und danach eine neue

Ordnung zu errichten. Wenn die Bauern also beste militärische Positionen

ungenutzt ließen, lag das weniger an ihrer Feigheit, sondern an ihrer Unsicherheit.58

Schließlich darf nicht vergessen werden, dass wenige Tage vor den Begebenheiten

von Weingarten zwei Bauernhaufen vernichtend geschlagen wurden.

Unter diesem Eindruck erschienen die Zugeständnisse des Bundes sicherlich noch

verlockender. Beim Vergleich mit den sonstigen Kapitulationsbedingungen konnte

man deutlich erkennen, dass die Aufständischen deutliche Vorteile durch den

Vertrag erlangten. Für den Schwäbischen Bund war der Vertrag zunächst

unbefriedigend, wurde eine Niederwerfung der Bauern doch nicht erreicht. Doch

nur so geriet das unmittelbare Ziel, einen langen Krieg zu vermeiden, nicht in

Gefahr. Der Bund verfügte nicht über die finanziellen Mittel, um weitere Truppen

57 Ebd., S122.58 Vgl. Blickle: Die Revolution, S.158 ff. Blickle verweist hier darauf, dass in anderen Gebieten, in denen z.B. die landständische Verfassung existierte, ein Modell greifbar war, dass an die Ziele von 1525 angepasst werden konnte.

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auszuheben, und musste trotzdem so schnell wie möglich den Hilfeersuchen ihrer

Mitglieder nachkommen, die sonst mit der Einstellung ihrer finanziellen

Zuwendungen drohten. Außerdem mussten die Strafaktionen so schnell wie

möglich durchgeführt werden, um durch Brandschatzungen die Kriegskasse zu

füllen.59 Nur durch den Vertrag bekam der Bund für diese Vorhaben freie Hand.

Beide Parteien befanden sich also zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in einer

Gewinnsituation. Das macht die Entscheidung der Bauern, den Weingartener

Vertrag anzunehmen, nicht weniger folgenschwer, vielleicht sogar tragisch für ihre

Sache, aber sie erscheint viel verständlicher. Nach dem Bauernkrieg kam es in

Oberschwaben zu einer ganzen Reihe von Vertragsabschlüssen zwischen den

Herrschaften und ihren Untertanen, zum Teil unter Vermittlung des Bundes.60 Auch

die Obrigkeiten erkannten also den Nutzen solcher Verträge für die Sicherung des

Friedens. Schließlich hatten die Bauern gezeigt, dass sie bereit waren, erbitterten

Widerstand zu leisten. Sie waren mit dem Ende des Krieges mitnichten von der

politischen Landkarte verschwunden, sondern spielten jetzt erst recht eine große

Rolle in den Überlegungen ihrer Herrschaften.

Literaturverzeichnis

I. Quellen

59 Greiner: Die Politik des Schwäbischen Bundes, S.66.60 Carl, Horst: Der Schwäbische Bund 1488 - 1534 : Landfrieden und Genossenschaft im Übergang vom Spätmittelalter zur Reformation (= Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde Bd.24). Leinfelden-Echterdingen 2000. S.496.

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Bodent, Johann/Walchner, Karl: Biographie des Truchsessen Georg III. von Waldpurg : Aus handschriftlichen Quellen bearb. u. mit e. Anh. von Urkunden vers..Konstanz 1832.

Laube, Adolf/Seiffert, Hans W.(Hrsg.): Flugschriften der Bauernkriegszeit. Berlin 1975.

Kuhn-Oechsle, Hildegard/Kuhn, Elmar L.(Hrsg.): Der Seehaufen im Bauernkrieg : e. Quellensammlung (=Geschichte am See Bd. 11). Friedrichshafen 1982.

II. Wissenschaftliche Fachliteratur

Nachschlagewerke und Hilfsmittel:

Taddey, Gerhard (Hrsg.): Lexikon der deutschen Geschichte. Personen, Ereignisse, Institutionen; Von der Zeitwende bis zum Ausgang des 2.Weltkriegs. Sonderausgabe, Stuttgart 1979.

Elektronische Allgemeine Deutsche Biographie – im Internet unter http://mdz1.bib-bvb.de/~ndb/adb_index.html .

Monographien

Althaus, Paul: Luthers Haltung im Bauernkrieg. Basel 1953.

Bensing, Manfred/Hoyer, Siegfried: Der deutsche Bauernkrieg : 1524 – 1526. 5. Aufl.. Berlin 1987.

Blickle, Peter: Die Revolution von 1525. München, Wien 1981.

Carl, Horst: Der Schwäbische Bund 1488 - 1534 : Landfrieden und Genossenschaft im Übergang vom Spätmittelalter zur Reformation (= Schriften zur südwestdeutschen Landeskunde Bd.24). Leinfelden-Echterdingen 2000.

Franz, Günther: Der deutsche Bauernkrieg: 12.,gegenüber d.11.unveränd.Aufl., Darmstadt 1984.

Göpfert, Dieter: Bauernkrieg am Bodensee und Oberrhein : 1524/1525 ; mit einer Wiedergabe der Bodmaner Chronik. Freiburg i.Br. 1980.

Vogler, Günter: Die Gewalt soll gegeben werden dem gemeinen Volk : der deutsche Bauernkrieg 1525. 2., überarb. u. erw. Aufl., Berlin 1983.

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Vogt, Wilhelm: Die bayrische Politik im Bauernkrieg und der Kanzler Dr.Leonhard von Eck, das Haupt des Schwäbischen Bundes. Nördlingen 1883.

Willburger, August: Georg III. Truchseß von Waldburg, der Bauernjörg (=Aus Schwabens Vergangenheit Bd. 28). Stuttgart 1934.

Zimmermann, Wilhelm: Der große deutsche Bauernkrieg. Volksausgabe, Berlin 1982.

Aufsätze

Greiner, Christian: Die Politik des Schwäbischen Bundes während des Bauernkrieges 1524/1525 bis zum Vertrag von Weingarten, in: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben Bd.68. Augsburg 1974, S. 7-94.

Ulbrich, Claudia: Oberschwaben und Württemberg, in: Buszello/Blickle/Endres (Hrsg.): Der deutsche Bauernkrieg. Paderborn, München, Wien (u.a.) 1984, S.97-133.

Sea, Thomas S.: Schwäbischer Bund und Bauernkrieg: Bestrafung und Pazifikation, in: Wehler, Hans-Ulrich (Hrsg.): Der deutsche Bauernkrieg 1524-1526 (=Geschichte undGesellschaft. Zeitschrift für Historische Sozialwissenschaft; Sonderheft 1). Göttingen 1975, S.129-167.

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